102. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 22. April 1976, um 9.04 Uhr



[9071] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 22. April 1976, um 9.04 Uhr

(102. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko,
J. Ass. Clemens.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend:
Rechtsanwälte Pfaff (als Vertreter für RA Dr. Heldmann), Herzberg (als ministeriell bestallter Vertreter von RA Schlaegel), König, Linke, Grigat, Eggler, Schnabel und Schwarz.

Als Zeugen sind anwesend:
Bruno Gottschalk,
Karl Thiel,
Gerda Poorth,
Bernhard Damm,
Dieter Schmitt,
Walter Schultz.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Die Verteidigung ist gewährleistet.

Für Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Herr Rechtsanwalt Pfaff.

Für heute früh ist entschuldigt Herr Rechtsanwalt Künzel.

Für heute Nachmittag Herr Rechtsanwalt Eggler.

Wir haben heute früh die Herrn Zeugen Gottschalk, Brunkhorst ...

Der Zeuge Brunkhorst erscheint um 9.04 Uhr im Sitzungssaal.

... Herrn Thiel, Herrn Damm, Herrn Schmitt, dann Frau Poorth; ist sonst noch ein Zeuge anwesend? Herr Schultz.

[9072] Die Zeugen Gottschalk, Brunkhorst, Thiel, Poorth, Damm, Schmitt und Schultz werden gem. § 57 StPO[2] belehrt.

Die Zeugen Gottschalk, Brunkhorst, Thiel, Poorth, Damm, Schmitt und Schultz sind mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

Die Zeugen Gottschalk, Brunkhorst, Thiel, Damm, Schmitt und Schultz werden um 9.07 Uhr in Abstand verwiesen.

Die Zeugin Poorth macht folgende Angaben zur Person:

Gerda Poorth, geb. [Tag].[Monat].1920,
Telefonistin, Hamburg 70,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Poorth, Telefonistin, waren Sie das auch schon im Mai 1972?

Zeugin Poor[th]:

Ja.

Vors.:

Im Axel Springer-Verlag?

Zeugin Poor[th]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie damals an dem Tag, an dem dieser Anschlag, Sprengstoffanschlag erfolgt ist, diesen Dienst auch versehen?

Zeugin Poor[th]:

Ja.

Vors.:

Sind Ihnen damals Anrufe, oder ein Anruf zugegangen, der im Zusammenhang mit diesem Anschlag hätte stehen können?

Zeugin Poor[th]:

Ja.

Vors.:

Bitte, wenn Sie uns das schildern wollen.

Zeugin Poor[th]:

Ich weiß nicht mehr so genau, ich bekomme nicht mehr alles so zusammen. Ich kann mich nicht mehr so erinnern wie das war an diesem Tag.

Vors.:

Versuchen Sie mal das, was Sie noch in der Erinnerung haben uns mitzuteilen. Wir werden Ihnen dann, wenn Lücken übrigbleiben versuchen zu helfen, durch Bekanntgabe dessen, was schon früher mal angegeben worden ist.

Zeugin Poor[th]:

Ja, es ist sehr schwierig, ich habe so viel vergessen [9073] inzwischen. Ich muß mich genau erinnern. Ich hatte jedenfalls einen Anruf, einen männlichen Anruf. Und die Stimme, ich kann mich noch etwas daran erinnern, daß das ein Akzent war, vielleicht Rheinländer oder Hessisch, so ein bißchen monoton, sehr monoton die Stimme. Das war also ..., so ungefähr weiß ich das noch.

Und ..., ja, das ...

Vors.:

Der Inhalt des Anrufes?

Zeugin Poor[th]:

Ich weiß nicht mehr viel, ehrlich nicht.

Vors.:

Sinngemäß.

Zeugin Poor[th]:

Na, daß eben eine Bombe fällt bei uns und auch ... Ich hatte ja auch am Sonnabend noch einmal einen Anruf, daß noch Bomben im Haus sind und ich muß sagen, die Stimme war es auch wieder, das hatte ich damals auch schon gesagt, glaube ich. Ich kann mich nicht mehr so erinnern.

Vors.:

Also der Anrufer hat zweimal angerufen.

Zeugin Poor[th]:

Ja.

Vors.:

Wollen wir jetzt mal beginnen. Wann hat er zum ersten Mal angerufen, können Sie das heute noch sagen?

Zeugin Poor[th]:

Ja, das war mittags, bevor die ... Zwei Kollegen hatten erst einen und ich hatte, glaube ich, den Dritten. Ich kann mich nicht mehr, ich kann mich wirklich nicht mehr so genau erinnern, das ist schon zu lange her.

Vors.:

Wenn Sie sich vielleicht daran erinnern wollen, ob im Zeitpunkt dieses Anrufes, dieses ersten Anrufes den Sie bekommen haben, schon eine Detonation erfolgt war im Verlagsgebäude?

Zeugin Poor[th]:

Nein, nein, noch nicht, glaube ich nicht, nein.

Der erste Anruf, meinen Sie jetzt?

Vors.:

Der erste Anruf ...

Zeugin Poor[th]:

Nein, die Bombe ist noch nicht gefallen.

Vors.:

... den Sie bekommen haben.

Zeugin Poor[th]:

Ach so, den ich bekommen habe.

Vors.:

Sie sprachen ja gerade davon, daß zwei andere Kolleginnen auch Anrufe bekommen, das haben diese Kolleginnen auch schon gestern bestätigt.

Zeugin Poor[th]:

Ich weiß es ehrlich nicht mehr.

Vors.:

Wissen Sie nicht mehr. Dann möchte ich Ihnen bekanntgeben, was Sie schon bei einer früheren Vernehmung, die allerdings wesentlich später stattgefunden hat, zu diesem Punkte gesagt haben. Es handelt sich hier um die Vernehmung, die sich in Bl. 445/8, des Ord. 66 befindet.

[9074] Rechtsanwalt Genien (als Vertreter für Rechtsanwalt Schily) erscheint um 9.10 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Hier haben Sie angegeben: „Wir waren aufgrund der ersten Explosion sehr erregt und alles lief durcheinander. Kurze Zeit darauf sah ich aber an meinem Platz das Lämpchen aufleuchten. Ich ging hin und nahm den Hörer ab.“

Zeugin Poor[th]:

Richtig, jetzt weiß ich es wieder.

Vors.:

Jetzt wissen Sie es. Also offenbar ...

Zeugin Poor[th]:

Ich hatte also ..., ich war die Dritte glaube ich, die den Anruf hatte und ..., - ja, ja, jetzt weiß ich es wieder, ich war die Dritte -, da war die Bombe schon gefallen.

Wir liefen alle ...

Vors.:

Also es hat schon einmal geknallt im Hause?

Zeugin Poor[th]:

Ja, ja, hat schon geknallt.

Vors.:

Und jetzt merken Sie, in dieser Aufregung, Ihr Lämpchen, es leuchtet, Sie gehen an Ihren Tisch und können Sie sich noch erinnern, um was es jetzt ging bei dem Anruf?

Zeugin Poor[th]:

Ja, ich glaube der hat ..., ich kann das nicht ..., ich weiß es nicht mehr, wirklich nicht mehr. Ich glaube er hat gesagt, daß noch eine Bombe fällt oder noch mehr Bomben im Haus sind. So in diesen ..., also allmählich kommt man wieder so ein bißchen dahinter, aber es ist wirklich schon zu lange her.

Vors.:

Könnte das auch mit einer Aufforderung verknüpft gewesen sein, das Haus nun endlich zu räumen?

Zeugin Poor[th]:

Ja, ich glaube, ja. Ich weiß es wirklich nicht mehr, also ganz bestimmt, ich weiß es nicht mehr.

Vors.:

So haben Sie früher bei dieser Vernehmung angegeben, Sie sagten:

„Ich ging hin und nahm den Hörer ab, der Anrufer sagte, daß wir nun endlich das Gebäude räumen sollten“, den genauen Wortlaut, allerdings sagten Sie schon damals, wüßten Sie nicht mehr.

Zeugin Poor[th]:

So ist es auch ungefähr gewesen. So ungefähr ist es gewesen.

Vors.:

Es kommt uns also hier nicht auf den genauen Wortlaut an, es kommt uns darauf an, daß Sie uns den Sinn dessen wiedergeben könnten, was gesagt worden ist.

Zeugin Poor[th]:

Ich muß nachdenken. Ich habe schon immer nachgedacht im Flugzeug, das ist sehr schwierig sich daran zu erinnern.

Ja, wir sollen das Haus räumen und ich glaube, daraufhin haben [9075] wir auch das Haus geräumt.

Vors.:

Also die erste Explosion war erfolgt und dann kam der Anruf, Sie sollten jetzt endlich räumen.

Zeugin Poor[th]:

Ja, so ungefähr. Ich glaube, er hat sogar gesagt;

„Ich habe Sie doch gewarnt, Sie sollten das Haus räumen“, oder so in diesem Zusammenhang, glaube ich, war das noch. Wir waren auch sehr aufgeregt, es lief alles durcheinander, ja, das war ...

Vors.:

Nun haben Sie eben erwähnt, es sei möglicherweise von dem Mann auch noch gesagt worden, es sei ein weiterer oder weitere Sprengkörper im Hause.

Zeugin Poor[th]:

Ja, da habe ich mich nachher noch daran erinnert, das hat er gesagt.

Vors.:

Bei diesem ersten Anruf, den Sie ...?

Zeugin Poor[th]:

Nein, bei dem Anruf an Sonnabend, als ich Spätdienst hatte.

Vors.:

Bleiben wir jetzt bei dem ersten. Also bei dem ersten Anruf können Sie sich nur erinnern, daß er dringlich sagte, jetzt endlich zu räumen?

Zeugin Poor[th]:

Das Haus zu räumen, ja. Jetzt allmählich komme ich wieder dahinter.

Vors.:

Und nun ist ja an diesem Tag noch eine zweite Explosion erfolgt, erinnern Sie sich an diese zweite Explosion?

Zeugin Poor[th]:

Ja, ich erinnere mich.

Vors.:

Erfolgte die nach diesem Anruf?

Zeugin Poor[th]:

Nach diesem Anruf, ja.

Vors.:

Lange Zeit nachher?

Zeugin Poor[th]:

Die Zeit ..., also die Zeit ist wirklich ...

Vors.:

Waren das Sekunden, Minuten, ¼ Stunde, ½ Stunde?

Zeugin Poor[th]:

Vielleicht 20 Minuten, ich kann das eben nicht sagen.

Vors.:

20 Minuten, meinen Sie?

Zeugin Poor[th]:

Ungefähr.

Vors.:

Nach diesem Anruf?

Zeugin Poor[th]:

Oder eine ½ Stunde, ich weiß es wirklich nicht mehr.

Es ist sehr sehr schwierig von da das jetzt aufzudecken.

Vors.:

Also Sie scheinen da, in der Richtung überhaupt keine konkrete Erinnerung mehr zu haben?

Zeugin Poor[th]:

Nicht mehr, nein.

Vors.:

Das war der erste Anruf. Jetzt erwähnen Sie, daß Sie noch einen Zweiten bekommen haben am Sonnabend.

[9076] Zeugin Poor[th]:

Als ich zum Spätdienst ging. Also daran kann ich mich eigentlich noch ein bißchen mehr erinnern, denn der rief oft an und warnte uns und sagte, es lägen noch Bomben im Haus und wir haben das erst ..., erstmal hatten wir das gar nicht richtig für ernst genommen, weil er erstmal ... Er rief andauernd an und ich muß sagen, diese Stimme hatte ich auch an dem Tag, also daran kann ich mich noch erinnern, an diese monotone, ebenmäßige Stimme, die eben ..., kann Hessisch gewesen sein, kann auch Rheinländer gewesen sein. Aber mir wurden nachher nochmal Stimmen vorgeführt, daran kann ich mich auch noch erinnern, im Polizei-Hochhaus. Und da meinte ich - wohlgemerkt, ich meinte - daß eine Stimme darunter war die auch so monoton lag, in diesem gleichmäßigen ...

Vors.:

Also bei diesem zweiten Anruf, der also am nächsten Tag kam und Sie sagen ...

Zeugin Poor[th]:

Ich glaube, das war zwei oder drei Tage später. Also ich ging zum Spätdienst, ich kam nicht rein, weil auch ..., es war abgesperrt. Es muß ein Sonnabend gewesen sein, Sonnabend oder Sonntag, also ...

Vors.:

Früher gaben Sie an am Sonnabend, den 20.5.

Zeugin Poor[th]:

Ja, das ist der Sonnabend gewesen.

Vors.:

Das war also der Tag darauf.

Zeugin Poor[th]:

Ach, war ein Tag darauf, ja.

Vors.:

Am 19.5. ist der Anschlag gewesen und am 20.5. ..., so haben Sie es bezeichnet, auch bei Ihrer zweiten Vernehmung ist das so ...

Zeugin Poor[th]:

Und da sind auch tatsächlich dann noch Bomben gefunden worden, in dem ...

Vors.:

Also da ist darauf hingewiesen worden, es seien noch mehr Bomben im Hause.

Zeugin Poor[th]:

Es waren noch mehr Bomben im Hause.

Vors.:

Hat er sonst noch was gesagt?

Zeugin Poor[th]:

Ja, so einige Sachen noch, aber eben doch ein bißchen sehr ungezogen; auch ungezogene Sachen, nicht. „Wir würden Sie nicht für voll nehmen“, oder so in diesem Sinne noch, nicht. Also, ich hatte den Anruf ..., hauptsächlich ich hatte den Anruf immer. Ich war mit meiner Kollegin noch zusammen und ich hatte immer das Pech, daß ich ihn hatte.

Vors.:

Früher haben Sie zu diesem Punkte gesagt, „er habe noch mitgeteilt, die Polizisten seien alle Trottel, sie suchten an der falschen Stelle.“

Zeugin Poor[th]:

Ja, das hat er auch noch gesagt.

[9077] Vors.:

Erinnern Sie sich daran?

Zeugin Poor[th]:

Alle, die Polizisten und auch alle Angestellten des Hauses die suchen an der falschen Stelle, jetzt weiß ich es wieder.

Vors.:

Und ist das Wort mit dem „Trottel“ auch gefallen?

Zeugin Poor[th]:

Trottel, ja, richtig. Jetzt weiß ich es auch wieder.

Vors.:

Sonstige Äußerungen des Mannes?

Zeugin Poor[th]:

Wie gesagt, wenn ich Erinnerungsstützen bekomme, dann kann ich mich wieder erinnern, nicht. Aber das ist ...

Vors.:

Nein, Sie haben früher nicht mehr angegeben; das ist jetzt nur eine Frage, ob Ihnen heute noch etwas zusätzliches einfällt.

Nicht.

Grundsätzlich haben wir gestern gehört, es habe die Anweisung bestanden, wenn solche Drohanrufe eingehen, die der Verwaltung weiterzumelden. Hier war ja nun der Drohanruf sehr ernst zu nehmen, nach dem es bereits geknallt hatte. Haben Sie noch irgendetwas veranlasst?

Zeugin Poor[th]:

Ich habe immer alles weitergegeben. Ja, ich habe auch weitergegeben, daß wir das Haus räumen sollten; das habe ich auch sofort weitergegeben. Ich nehme jeden Anruf ernst.

Vors.:

Und Sie haben nun erwähnt, daß Sie meinen, als dieser Anruf kam, und ja sowieso eine Explosion erfolgt war, habe man das Haus geräumt?

Zeugin Poor[th]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie heute noch eine Vorstellung wielange das etwa dauerte, bis man solch ein Komplex geräumt hatte?

Zeugin Poor[th]:

Ich glaube, das ging dann doch verhältnismäßig schnell, nachher. Also das muß ich schon sagen, das war sehr gut organisiert, fand ich.

Vors.:

Wie ist das Alarmsystem dann gewesen?

Zeugin Poor[th]:

Also wir haben es ja gleich weitergemeldet; das Alarmsystem, ich glaube wir haben Lautsprecher, ich kann Ihnen das nicht mehr so genau sagen.

Vors.:

Wissen Sie nicht mehr.

Zeugin Poor[th]:

Ich weiß es nicht mehr.

Vors.:

Nun, das ist die Frage. Gab es damals schon ein zentrales Alarmsystem, sei es ein Klingelzeichen oder ein Ruf oder sonst irgendwas durch das ganze Haus oder mußte man damals mühselig mit dem Telefon die ganzen einzelnen Abteilungen verständigen?

Zeugin Poor[th]:

Ich glaube, damals - ich weiß es nicht mehr genau, ich [9078] glaube, damals mußte noch telefonisch ... Ich glaube, das Alarmsystem haben wir erst später gekriegt, ich kann Ihnen das nicht genau sagen.

Vors.:

So haben die gestrigen Zeugen, soweit sie das beantworten konnten, auch gesagt.

Zeugin Poor[th]:

Jetzt haben wir ja diese ...

Vors.:

Also damals, meinen Sie, sei noch keine zentrale Alarmanlage ...?

Zeugin Poor[th]:

Das wurde telefonisch alles gemacht, ja. Und dann, als alles dann durcheinanderlief, denn die anderen liefen ja dann mit, nicht.

Vors.:

Wieviel Personen mußten das Gebäude, nach Ihrer Meinung nach, damals verlassen?

Zeugin Poor[th]:

Alle, die bei uns im Flügel sind; alle eigentlich, es sind fast alle gegangen, Also ich glaube sogar alle, es war ja auch, glaube ich, Schichtwechsel dann nachher ...

Vors.:

Und wieviel Personen sind ..., kommen da in Betracht?

Zeugin Poor[th]:

Wieviel wir sind?

Vors.:

Ja.

Zeugin Poor[th]:

Ich weiß es nicht genau, wieviel wir sind.

Vors.:

Wissen Sie insgesamt, wieviel Angestellten ...?

Zeugin Poor[th]:

6 000 bis 7000.

Vors.:

6 000 bis 7 000, meinen Sie.

Weitere Fragen an die Frau Zeugin? Ich sehe beim Gericht nicht.

Die Herren der Bundesanwaltschaft?

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Frau Zeugin, nur eine Frage interessiert mich noch.

Können Sie mir sagen, ob beide Anrufe, Ferngespräche oder Ortsgespräche waren oder welches ein Ferngespräch?

Zeugin Poor[th]:

Nein, das waren Ortsgespräche.

BA Dr. Wu[nder]:

Alles beide?

Zeugin Poor[th]:

Ja.

BA Dr. Wu[nder]:

Das haben Sie bemerkt an dem ...?

Zeugin Poor[th]:

Ja, das merke ich. Wir haben ja Leitungen, die also ...

BA Dr. Wu[nder]:

Diese Lämpchen.

Zeugin Poor[th]:

Ja, wir haben ein Lämpchen das flackert schnell, dann sind es Ferngespräche und wenn es langsam auf und ab geht, dann ist es ein Ortsgespräch.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine weitere Frage noch. Nach dem Dialekt des Anrufes, können Sie nicht näher angeben was für ein Landsmann das gewesen ist?

[9079] Zeugin Poor[th]:

Ich würde eher sagen Frankfurter, also eher als Rheinländer. Es war ..., ich meine die Stimme, man merkt das schon.

Ich war ja schon in Bad-Nauheim zur Kur und da habe ich schon mal gemerkt wie die sprechen und da habe ich mir das so vorgestellt. Also dieses ...

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an die Frau Zeugin?

Ich sehe keine.

Die Zeugin Poorth bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Gottschalk erscheint um 9.20 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Gottschalk macht folgende Angaben zur Person:

Bruno Gottschalk, 62 Jahre alt,
Korrektor, Hamburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Gottschalk, waren Sie zur Zeit des Anschlages auf das Springer-Hochhaus auch schon in diesem Beruf tätig?

Zeuge Go[ttschalk]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag miterlebt?

Zeuge Go[ttschalk]:

Ja.

Vors.:

Wollen Sie uns bitte im Zusammenhang schildern, wo Sie ihn miterlebt haben, wie der Hergang nach Ihrer Beobachtung war und welche Folgen für Sie persönlich eingetreten sind?

Zeuge Go[ttschalk]:

Ich habe in dem Korrektorenraum gearbeitet, der zwischen dem Hochhaus, dem Verwaltungsgebäude, wenn ich so sagen darf, und der Technik, in dem Gang liegt die Korrektur, das Korrektorat. In dem Korrektorat, da hat es, ich weiß, daß ich Spätschicht hatte, um 15.30 Uhr herum da hat[a] es plötzlich einen gewaltigen Knall gegeben und dann war der Raum dunkel. Und was dann nachher geschehen ist, das weiß ich nicht so genau. Ich persönlich, ich habe mich dann wiedergefunden, ich weiß, daß ich durch die ganze Setzerei gewandert bin und später dann irgendwann draußen im Freien war. [9080] Ich kann mich aber nicht erinnern, jemand noch unterwegs gesehen zu haben, ich muß ziemlich lange da oben gewesen[b] sein, mich aufgehalten haben. Ich kam raus und dann ..., ich persönlich habe einen, wie später festgestellt wurde, als ich beim Ohrenarzt war, beim Facharzt für Hals, Nasen, Ohren, der hat dann festgestellt, daß ich links eine Gehörminderung durch den Schall oder durch den Knall erlitten habe und außerdem habe ich an der Hand eine Splitterwunde gehabt, die genäht worden ist vom Unfallkrankenhaus am gleichen Tag wie es geschehen war. Das war eigentlich ungefähr das, was ich dazu sagen kann.

Vors.:

Sind die Verletzungen, die Sie erlitten haben, inzwischen ausgeheilt, folgenlos?

Zeuge Go[ttschalk]:

Ich kann Ihnen die Abschrift eines Attestes zeigen ...

Vors.:

Nein, wir vertrauen Ihnen, wenn Sie uns das sagen können was der Arzt Ihnen mitgeteilt hat.

Zeuge Go[ttschalk]:

Ja, da ist festgehalten, daß ich eine - durch diese Detonation - ein sogenanntes Schalltrauma davongetragen habe und der Arzt schreibt auch eindeutig drin, Ende 72, nach 8 Monaten, nachdem es also 8 Monate her war „das wird sich nie wieder geben“. Und das wirkt sich derartig aus, ich kann mich nicht orientieren, ob die Stimme von dort oder so kommt, das ist auch heute noch, häufig noch.

Vors.:

So daß also Dauerfolgen, nachdem heutigen Kenntnisstand eingetreten sind.

Zeuge Go[ttschalk]:

Kann besondere Geräusche, wenn ich das so sagen, harte Beat-Musik und wenn ich das mal hören muß usw., das kann ich schlecht ertragen, das tut weh. Das ist das, was ich sagen wollte.

Dem Zeugen wird die Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/3 vorgelegt.

Vors.:

Wenn Sie sich diese Skizze ansehen wollen, Herr Gottschalk, Sie sehen dort vermerkt als Detonationsort einen Stern.

Sie schauen auf die falsche Stelle im Augenblick. Sie gucken das Bild an[c].

Zeuge Go[ttschalk]:

Ich kann Sie schlecht verstehen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Wenn Sie sich die Skizze mal ansehen wollen, Sie sehen hier so ein sternförmiges Gebilde, in der Mitte etwa, das heißt rechts außen, sehen Sie den Stern?

Zeuge Go[ttschalk]:

Nein. Ach Entschuldigung, ich war hier bei der Skizze.

[9081] Vors.:

Ja, Sie schauten das Bild an, ich sagte es ja.

Diese Stelle bezeichnet die mutmaßliche Detonationsstelle. Wieweit davon entfernt waren Sie gesessen, wenn diese Stelle richtig angegeben ist? Und zwar nach Ihrer Ortskenntnis. Sie haben ja jetzt diese mutmaßliche Detonationsstelle gesehen.

Zeuge Go[ttschalk]:

Ich vermute, daß ich 2 Meter oder 2 ½ Meter davon entfernt war, Luftlinie.

Vors.:

Ist es richtig, wie Sie eingezeichnet sind, mit dem Sitzplatz?

Zeuge Go[ttschalk]:

Ja, genau.

Vors.:

Also Herr Sellmann und Sie saßen an den Schreibtischen?

Zeuge Go[ttschalk]:

Jawohl, saßen hier vorne.

Vors.:

Diese Stelle ist nun von der Detonationsstelle nach dem Maßstab etwas weiter entfernt. Man müßte also schon zwischen 4 ½ und 5 Metern annehmen.

Zeuge Go[ttschalk]:

Es kann auch sein, natürlich.

Vors.:

Kann das auch sein?

Zeuge Go[ttschalk]:

Kann es auch sein.

Vors.:

Haben Sie sonstige ...

Zeuge Go[ttschalk]:

Weil ich nicht genau weiß, wo das Ding da in dem Gang, der dahinter liegt - nicht wahr - überhaupt hochgegangen ist.

Vors.:

Haben Sie sonstige Beobachtungen machen können, die irgendwelche Hinweise gegeben hätten?

Zeuge Go[ttschalk]:

Nein.

Vors.:

Nicht. Und zu wievielt waren Sie in dem Raum, im Korrekturraum, wissen Sie das heute noch?

Zeuge Go[ttschalk]:

Na, ich schätze 12 - 14 Personen, ich weiß das nicht genau.

Vors.:

Sie wissen das nicht genau. Und noch die Frage, warum sind Sie in die Setzerei gegangen?

Zeuge Go[ttschalk]:

Das weiß ich nicht, das kann ich nicht beantworten. Ich habe niemanden mehr gesehen und dann bin ich - die Tür war auch herausgebrochen, die Tür in die Setzerei hinein - da bin ich rausgestiegen und durch die ganze Setzerei und dann nachher in den Keller und drüben, auf der anderen Seite bin ich wieder rausgekommen.

Vors.:

Also offenbar verwirrt.

Zeuge Go[ttschalk]:

Unter Schockwirkung, ich weiß es nicht genau.

Vors.:

Haben Sie noch wahrnehmen können, ob in der Setzerei auch Spuren von Zerstörungen oder von Splittern und Bruchstücken erkennbar waren?

[9082] Zeuge Go[ttschalk]:

Nein, das kann ich nicht sagen.

Vors.:

Die Uhrzeit benannten Sie mit „ungefähr 15.30 Uhr“.

Zeuge Go[ttschalk]:

Etwa nachmittags 15.30 Uhr. Wir haben um 15.00 Uhr angefangen mit unserer Schicht und ungefähr eine halbe Stunde später muß es passiert sein.

Vors.:

Bitte, Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Kennen Sie einen Herrn, oder kannten Sie damals einen Herrn Könnike?

Zeuge Go[ttschalk]:

Ja.

Richter Mai[er]:

War er auch anwesend?

Zeuge Go[ttschalk]:

Das war unser Oberkorrektor, der ist inzwischen verstorben.

Richter Mai[er]:

Ja. War er anwesend?

Zeuge Go[ttschalk]:

Soweit ich mich erinnere, war er in dem angrenzenden Raum. Also wir Korrektoren ... hier in dem kleinen Raum, der da hinter unserem großen Korrektorenraum liegt.

Richter Mai[er]:

Herr Gottschalk, hatten Sie selbst irgendeine Funktion in Ihrer Schicht?

Zeuge Go[ttschalk]:

Nein, ich bin der Vertreter von dem Schichtführer, wenn Sie so wollen; gegenüber von Herrn Brunkhorst sitze ich.

Richter Mai[er]:

In den Akten im Ord. 66, Bl. 415 steht, daß Sie stellvertretender Schichtführer waren, ist das richtig?

Zeuge Go[ttschalk]:

Ja, das bin ich auch heute noch.

Richter Mai[er]:

Sind Sie auch heute noch. Und in dieser Eigenschaft sind Sie offenbar gefragt worden, wieviel Personen anwesend waren. Sie haben vorhin gesagt, 12 bis 14, hier in den Akten auf demselben Blatt steht: „13 Personen aus meiner Schicht, dazu kamen Herr Witte und Herr Könnecke“, also insgesamt dann 15.

Zeuge Go[ttschalk]:

Wenn ich vielleicht entschuldigend sagen darf, das ist 4 Jahre her, ich kann mich so genau nicht mehr an die Zahlen erinnern.

Richter Mai[er]:

Das trägt das Datum vom 30.5.72.

Zeuge Go[ttschalk]:

Ja, das war also unmittelbar danach.

Richter Mai[er]:

Hatten Sie da noch eine genaue Erinnerung?

Zeuge Go[ttschalk]:

Da habe ich mich wohl besser erinnern können, heute kann ich das nicht mehr.

Richter Mai[er]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Bundesanwaltschaft? Nicht. Die Verteidigung? Nicht.

[9083] Der Zeuge Gottschalk bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Brunkhorst erscheint um 9.28 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Brunkhorst macht folgende Angaben zur Person:

Georg Brunkhorst, 61 Jahre alt,
Korrektor, Hamburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Brunkhorst, waren Sie zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlages auf den Axel Springer-Verlag in Hamburg auch dort als Korrektor tätig?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Sprengstoffanschlag miterlebt?

Zeuge Br[unkhorst]:

Den habe ich miterlebt, ja.

Vors.:

Wenn Sie uns bitte schildern wollen, wo und welchen Hergang Sie selber beobachten konnten und welche Folgen für Sie eingetreten sind?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, also wir waren um 15.00 Uhr zu unserer Schicht angetreten und um 15.30 Uhr - ziemlich genau - gab es einen gewaltigen Krach. Der ganze Raum stand ..., war voller Staub, die Klimaanlage war runtergekommen, die Wand war eingedrückt und ich konnte von meinem Platz aus nicht viel sehen. Ich bekam selbst irgendetwas an die Schläfe, an den Kopf; das war eine Platzwunde von ca. 4 cm, die nachher im Krankenhaus genäht worden ist. Ich bin nach dieser Detonation, also die natürlich völlig unvorbereitet war und wovon überhaupt keiner eine Ahnung gehabt hätte, daß so was jemals vorkommen würde bei uns. Ich ging dann, ich habe den Ausgang zur Setzerei bei uns, ging raus und wollte nach kurzer Zeit, also unmittelbar danach nochmal wieder zurückgehen, was mit den anderen Kollegen ist und wurde zurückgehalten, weil mir selbst das Blut über die Schulter lief. Also sonst haben wir an sich ...

Vors.:

Nichts beobachtet.

Zeuge Br[unkhorst]:

Nichts weiter ...

Vors.:

Weder vorher noch nachher irgendwelche Beobachtungen gemacht, die [9084] Rückschlüsse auf die möglichen Täter hätten geben können?

Zeuge Br[unkhorst]:

Nein, nachher sind wir gleich ins Eppendorfer Krankenhaus gefahren worden, wo wir - also die stark bluteten und so - versorgt wurden.

Vors.:

Ist es richtig, daß Sie Schichtführer sind?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, ich bin der Schichtführer.

Vors.:

Können Sie angeben wie, stark Ihre Schicht - personell - an diesem Tag gewesen ist?

Zeuge Br[unkhorst]:

Das kann ich so nicht genau sagen. Das sind an sich alle die Kollegen, die hier als Zeugen geladen sind.

Vors.:

Daß wir selber rechnen können, meinen Sie. Es ist also bis jetzt die Zahl genannt worden zwischen 12 bis 14 oder sogar 15.

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, das ..., also ich nehme, das sind ungefähr 12 Personen gewesen.

Vors.:

Die Verletzung, die Sie erlitten haben, Sie sprechen also davon, daß Ihnen etwas gegen den Kopf gefallen oder geflogen oder geschleudert worden. Wissen Sie was das für ein Gegenstand war?

Zeuge Br[unkhorst]:

Nein, das ..., also die Tür, die war ja auch, also die ganze Wand war ja beschädigt und da muß von der Türseite irgendwie ein - das ist eine Vermutung - ein Brocken gegen den Kopf ..., gegen meinen Kopf geflogen sein. Also mein Kopf, der flog zur Seite auf den Tisch, ich wurde aber nicht bewußtlos, sondern konnte noch wieder aufstehen und rausgehen.

Vors.:

Hatte diese Verletzung irgendwelche Folgen?

Zeuge Br[unkhorst]:

Naja, zuerst ..., weiter keine Folgen, die wurde gleich genäht und nach 8 Tagen wurden die Fäden wieder gezogen und dann ...

Vors.:

Es liegt hier ein Schreiben vor, das an Sie gerichtet worden ist, in dem Sie Fragen beantwortet haben. Hier haben Sie noch im September 1972 - das ergibt sich aus Bl. 224 des Ord. 66 - angegeben, daß Sie Schmerzen in der Halswirbelsäule hätten.

Zeuge Br[unkhorst]:

Ach so, ja, das habe ich schon vergessen. Also ich hatte Schmerzen in der Halswirbelsäule, im Nacken, das war ungefähr noch ein halbes Jahr und es wurde ..., einerseits wurde vorgeschlagen, ich sollte das durch Massage behandeln lassen und nachher hat mir aber unsere damalige Betriebsärztin gesagt, also das sollte ich mal lieber nachlassen und abwarten, ob das so wieder weggeht.

Vors.:

Und es ist[d] offenbar weggegangen.

Zeuge Br[unkhorst]:

Es ist offenbar wieder weggegangen.

[9085] Vors.:

Also folgenlos inzwischen.

Zeuge Br[unkhorst]:

Es ist folgenlos geblieben.

Vors.:

Wenn Sie sich jetzt mal die Skizze, die Sie hier vor sich liegen haben, ansehen wollen, Sie müssen sie nur umdrehen.

Der Zeuge besichtigt die aufliegende Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/3.

Vors.:

Hier, wenn Sie ganz auf die linke Seite schauen, dann, ...

Nein, Sie sitzen rechts, sehe ich; als Schichtführer, wenn Sie sich mal suchen würden, ob Sie richtig eingetragen sind auf der Skizze, auf dem Platz, der Ihnen ...?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, das stimmt.

Vors.:

Stimmt dieser Platz?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, und dann bin ich hier rausgegangen in die Setzerei.

Vors.:

In die Setzerei, ja; Ihr Weg ist ja angedeutet hier.

Sie sehen dann auf der linken Seite einen Stern, dieser Stern soll die Detonationsstelle darstellen. Nehmen wir an, sie sei richtig eingezeichnet, wieweit entfernt sind Sie nach der Wirklichkeit, wenn Sie den Platz annehmen[e], auf dem Sie gesessen haben?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, wieviel sind das? Das sind ca. 7 Meter ...

Vors.:

Ja nun, es kommt uns also nicht drauf an, daß Sie das in der Skizze nachmessen, sondern wie Sie das im Gedächtnis haben.

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, also ich rechne das nach den Plätzen aus.

Vors.:

Ja, Sie haben also auf etwa 7 Meter geschätzt.

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, 7 Meter schätze ich.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Herr Berichterstatter, bitte.

Richter Mai[er]:

Waren die Herren Witte und Könnecke zur Tatzeit ebenfalls anwesend?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja, die waren in diesem Raum hier, der hier eingezeichnet ist. Das ist der Abteilungsleiterraum, wenn ich so sagen darf.

Richter Mai[er]:

Sind diese beiden Personen in der Zahl von 12 Korrektoren, die Sie vorher angegeben haben, mitenthalten oder kommen die noch dazu?

Zeuge Br[unkhorst]:

Die kommen hinzu.

Richter Mai[er]:

Die kommen noch hinzu?

Zeuge Br[unkhorst]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Danke.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

[9086] BA Dr. Wu[nder]:

Eine Frage, Herr Zeuge. An der Wand des Korrekturraumes zur Diele, zum Korridor standen Schränke aus Metall. Kann man diese Schränke eher[f] als Blechschränke oder eher als Panzerschränke bezeichnen?

Zeuge Br[unkhorst]:

Also ich würde sie als Blechschränke bezeichnen.

BA Dr. Wu[nder]:

Also die Wände nicht von einer besonderen Dicke, wie es bei Panzerschränken üblich ist?

Zeuge Br[unkhorst]:

Nein, nein, also die sind flexibel, ja, die kann man biegen.

BA Dr. Wu[nder]:

Dankeschön.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

Der Zeuge Brunkhorst bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Thiel erscheint um 9.37 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Thiel macht folgende Angaben zur Person:

Karl Thiel, 56 Jahre alt,
Korrektor, Hamburg-54,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Waren Sie zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlages auf das Springerhochhaus dort auch schon als Korrektor tätig?

Zeuge Th[iel]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag miterlebt?

Zeuge Th[iel]:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie uns schildern wollten, wo Sie ihn miterlebt haben, welchen Hergang Sie feststellen konnten und welche Folgen für Sie eingetreten sind.

Zeuge Th[iel]:

Ja, ich war im Korrektorenraum und zwar ziemlich dicht am Kasten vom Abteilungsleiter, und plötzlich knallte es. Und ich wußte nicht, woher, was nun los war, und meine Verletzungen, die ich bekommen habe, waren Gesichtsverbrennungen, Schürfwunden, einen Rippenbruch und dann habe ich noch eine Schulterverletzung gehabt.

Vors.:

Sind die Verletzungen folgenlos ausgeheilt?

Zeuge Th[iel]:

Sie sind ausgeheilt, ja.

Vors.:

Wielange bedurfte es der Behandlung. bis Sie ausgeheilt waren, [9087] wielange waren Sie arbeitsunfähig?

Zeuge Th[iel]:

¼ Jahr, in etwa, also das kann ich nicht genau sagen.

Vors.:

Die Angaben, die Sie zum Ereignis selbst machen, sind knapp; es knallte und man wußte nicht, woher es kommt. Haben Sie irgendwelche Beobachtungen machen können, als es geknallt hat?

Zeuge Th[iel]:

Nein.

Vors.:

Zum Beispiel über ..., auch über eintretende Schäden oder was da so sich um Sie rum ereignet hat?

Zeuge Th[iel]:

Nein, ich weiß gar nicht, wie ich aus dem Raum rausgekommen bin. Ich stand unter Schockwirkung, also ich kann da gar nichts sagen. Nur hinterher haben mir Kollegen erzählt, daß sie mich rausgeleitet haben, mehr weiß ich nicht.

Vors.:

Vorher haben Sie irgendwelche Wahrnehmungen gemacht, die Ihnen verdächtig erschienen wären?

Zeuge Th[iel]:

Überhaupt gar nicht.

Vors.:

Überhaupt nicht. Können Sie sagen, wieviel Personen, wieviel Kollegen anwesend waren, zum Zeitpunkt des Geschehens?

Zeuge Th[iel]:

Das waren[g] fast, bis auf die Urlauber waren alle da - ja, wieviel waren es - ich kann es nicht genau sagen, 14 vielleicht.

Vors.:

14, meinen Sie. Sind da die Herren, die im Abteilungsleiterraum sitzen, wir denken jetzt an die Herren Könnecke und Witte, sind die da schon mitgezählt oder kämen die noch hinzu?

Zeuge Th[iel]:

Die kämen noch hinzu.

Vors.:

Danke.

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Wir wollen Sie jetzt bitten vielleicht noch, bevor wir noch[h] Fragen stellen[i], daß Sie die Skizze sich ansehen wollen, die auf Ihrem Tisch liegt. Hier haben Sie das Blatt vor sich.

Der Zeuge Thiel besichtigt die aufliegende Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/3.

Vors.:

Zunächst mal sollten Sie hier suchen - ich glaube, sie steht auf dem Kopf, so wie sie ... -

Zeuge Th[iel]:

Ja, ich sehe es aber hier.

Vors.:

Ist Ihr Platz richtig eingezeichnet?

Zeuge Th[iel]:

Nein, ich bin nicht richtig eingezeichnet, ich saß rechts davon, gleich neben der Glasscheibe.

Vors.:

Und nun sehen Sie ja unter sich, bzw. so, wie Sie die Skizze liegen [9088] haben, über sich einen Stern, das soll die Detonationsstelle sein. Wieweit glauben Sie, waren Sie entfernt und zwar nach den tatsächlichen Verhältnissen, wenn das die richtige Stelle ist, dieser Stern?

Zeuge Th[iel]:

Das können höchstens 4 Meter gewesen sein.

Vors.:

Danke.

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Offenbar keine Fragen.

Auch die Verteidigung nicht.

Der Zeuge Thiel bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Damm erscheint um 9.41 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Damm macht folgende Angaben zur Person:

Bernhard Damm, 49 Jahre alt,
Verlagsassistent, Hamburg-74, [Anschrift],

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Verlagsassistent, waren Sie das auch zum Zeitpunkt des Anschlages auf ..., Sprengstoffanschlags auf das Springer-Hochhaus?

Zeuge Da[mm]:

Ja, ja.

Vors.:

Haben Sie diesen Anschlag miterlebt?

Zeuge Da[mm]:

Ja, direkt.

Vors.:

Wenn Sie uns bitte mitteilen wollen, wo Sie ihn miterlebt haben, ferner welchen Hergang Sie wahrnehmen konnten und ob Sie verletzt worden sind, bzw. welcher Art die Verletzung war.

Zeuge Da[mm]:

Ja, ich saß im 6. Stock und zwar war das eine Zimmerflucht von 4 Zimmern, die nebeneinander lagen. Ich saß im äußersten Zimmer und es muß ungefähr so gegen 15.45 Uhr gewesen sein, als ich genau unter mir, also 3 Stockwerke tiefer - im 3. Stock - eine sehr starke Detonation hörte. Und es war an sich im ersten Moment sofort klar, nach den ganzen Vorfällen, die ja in anderen Städten geschehen waren, daß das wohl jetzt ein ähnlicher Fall in unserem Verlag sein [9089] könnte oder müßte. Ich bin dann von meinem Zimmer aus zwei Zimmer weitergegangen in das Sekretariat, ich traf dort mit anderen Kollegen zusammen, die gerade bei einer Konferenz waren und während wir uns noch sehr, wie soll ich mal sagen, intensiv über diese starke Detonation unterhielten, kam etwa, na, ich will so sagen, 3 Minuten später, direkt in unmittelbarer Nähe die zweite Detonation. Es muß also etwa ein Abstand zum Detonationsort von, schätzungsweise 5 bis 6 Metern gewesen sein. Das heißt also, die zweite Detonation war auf der anderen Seite des Ganges, in einer Toilette. Die Folge war, daß die Wand zum Flur restlos rausgerissen wurde, sie stürzte in unser Zimmer rein, mit voller Breite und es ist eins, woran ich mich noch erinnern kann, ich muß irgendwie starke Mauerbrocken mehr oder weniger an die Kniekehle bekommen haben, ich stürzte jedenfalls hin, mit dem Rücken auf den Boden, und das Zimmer war total dunkel durch Rauch, Staub usw., wir konnten uns also alle nicht mehr sehen. Mein erster Gedanke war zum Fenster, Fenster auf, um wieder einigermaßen wieder Luft zu bekommen. Dann hatten wir alle, die wir in diesem Zimmer waren, das große Glück, daß kurz vorher, wenige Tage vorher an der Außenwand ein sehr hohes Malergerüst aufgebaut worden war und das war die einzige Möglichkeit, aus diesem verhältnismäßig engen Zimmer rauszukommen, denn zum Flur raus war einfach kein Durchkommen mehr. Wir sind dann also vom 6. Stock runter[j], das Malergerüst, bis zum dritten auf einen Vorbau und von dort dann aus dem Verlagshaus raus auf die Straße. Dort unten habe ich dann selber erstmal festgestellt, daß ich verletzt war, ich hatte eine etwas unangenehme Platzwunde am Hinterkopf und wie später im Hamburger Hafenkrankenhaus festgestellt wurde, eine Knochenabsplitterung am linken Ellbogen. Ich mußte also dann 4 Wochen den Arm in Gips tragen.

Vors.:

Sind die Verletzungen komplikationslos und folgenlos verheilt?

Zeuge Da[mm]:

Folgenlos verheilt, ja.

Vors.:

Waren Sie längere Zeit dadurch behindert, insbesondere arbeitsunfähig?

Zeuge Da[mm]:

Ich war eine Woche zu Hause und bin dann aber noch 3 Wochen mit dem eingegipsten Arm dann wieder zur Arbeit gegangen.

Vors.:

Sie erwähnten, daß Sie in Ihrem Büro gewesen sind, zunächst, und nach der ersten Explosion das Büro verlassen haben. Welche Zimmernummer haben Sie, wissen Sie das auswendig?

[9090] Zeuge Da[mm]:

Ich habe die Zimmernummer jetzt nicht mehr im Kopf, weil wir inzwischen umgezogen sind. Ich weiß nur das Zimmer, was am stärksten beschädigt war, war Zimmernummer 6066.

Vors.:

Das war das Sekretariat, in dem Sie sich ...

Zeuge Da[mm]:

Und ich hatte zwei Zimmer weiter, ich weiß nicht, war es nun 6056 oder so was ähnliches, ich kann es nicht genau sagen.

Vors.:

6054, ...

Zeuge Da[mm]:

6054, ja, das kann sein, 6054.

Vors.:

Sie haben also nach der ersten Detonation Ihr Zimmer verlassen, sind in dieses dann später stärkstens beschädigte Zimmer gegangen - 6066 - das war das Sekretariat, wer war dort an sich als Angestellter regelmäßig untergebracht?

Zeuge Da[mm]:

Unsre beiden Sekretärinnen; die haben dort normalerweise ihren Arbeitsplatz, aber beide Damen waren zum Zeitpunkt der beiden Detonationen nicht in diesem Zimmer.

Vors.:

Wieviel Personen haben sich in dem Raum eingefunden, also zwischen der ersten und zweiten Detonation?

Zeuge Da[mm]:

Das müssen außer mir etwa 5 oder 6 Personen gewesen sein, ich kann es nicht mehr genau sagen; es war ein Herr Pötter, ein Herr Horster, ein Herr Kleidt, ein Herr Schmitt, ein Herr Maier, ich glaube, diese 5 Personen sind mir noch im Gedächtnis.

Vors.:

Wenn ich noch den Namen Skolik nenne.

Zeuge Da[mm]:

Skolik, ja, ganz recht, ja.

Vors.:

Ich glaube, jetzt ist die Besatzung voll.

Zeuge Da[mm]:

Herr Skolik war noch da, stimmt.

Dem Zeugen Damm wird die Skizze aus Ord. 66, Bl. 200/1 mit der Bitte um Erklärung vorgelegt, ob die Einzeichnungen nach seinem Erinnerungsbild zutreffen.

Vors.:

Die Detonationsstelle hier ist gekennzeichnet durch den Stern, das werden Sie ja nicht unmittelbar beobachtet haben.

Zeuge Da[mm]:

Ja, ja.

Vors.:

Aber so, wie die Büros eingeteilt sind, die Zimmernummern und dann oben sehen Sie, daß die Namen angegeben worden sind, der Herren, die sich in dem Sekretariat befunden haben sollen.

Zeuge Da[mm]:

Ja, das trifft alles zu, trifft alles voll zu.

Vors.:

Trifft alles zu. Und können Sie uns noch sagen, ob Sie sich in der Mitte oder bei der Türseite oder bei der Fensterseite aufgehalten haben?

[9091] Zeuge Da[mm]:

Nicht ganz, also von der Tür aus gesehen, etwa an einem der linken Schreibtische.

Vors.:

Zum Stern wäre das eine Entfernung in der Wirklichkeit, nicht auf der Skizze, sondern wie würden Sie das schätzen?

Zeuge Da[mm]:

Ja, ich schätze 6-7 Meter zum eigentlichen Sternpunkt hier.

Vors.:

Zum Mittelpunkt des Sterns?

Zeuge Da[mm]:

Ja.

Vors.:

Also man wird, wenn man den Maßstab der Skizze anlegt, auf höchstens 4 bis 5 Meter kommen, aber könnte das auch sein?

Zeuge Da[mm]:

Kann auch 5 Meter gewesen sein.

Vors.:

Danke.

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Bitte, Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Herr Damm, Sie sagten, die Wand stürzte in unser Zimmer, welche Wand meinen Sie damit?

Zeuge Da[mm]:

Die Wand ..., also die Wand des Zimmers 6066 zum Flur hin.

Richter Mai[er]:

Diese Wand stürzte herein.

Zeuge Da[mm]:

Ja, die wurde durch die starke Detonation also vollständig weggerissen.

Richter Mai[er]:

Wurde diese Wand nun völlig pulverisiert oder waren das größere Brocken?

Zeuge Da[mm]:

Nein, das waren ... Nein, nein, pulverisiert kann man nicht sagen, es waren so starke Mauerbrocken die in das Zimmer hineingeschleudert wurden.

Richter Mai[er]:

Wie groß waren die Brocken, etwa, die Größten?

Zeuge Da[mm]:

Das ist schwer zu sagen. Na, vielleicht ½ Meter breit ungefähr, in diesem Ausmaß.

Richter Mai[er]:

Also etwa mit einem Durchmesser bis zu 50 cm?

Zeuge Da[mm]:

Schätzungsweise, ja, soweit ich mich daran jetzt noch erinnern kann.

Richter Mai[er]:

Wir zeigen Ihnen aus Ord. 66 ein Foto auf Bl. 144, das soll eine Aufnahme aus dem Raum 6066 nach der zweiten Explosion sein.

Dem Zeugen wird eine Fotografie vorgelegt aus Ord. 66, Bl. 144 mit der Bitte um Erklärung, ob das in etwa seiner Erinnerung entspricht.

Das Gericht nimmt die Fotografie in Augenschein.[4]
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

[9092] Zeuge Da[mm]:

Ja, trifft voll zu, und ich stand an der Kante hier des linken Schreibtisches.

Richter Mai[er]:

Und da liegt etwa gegenüber auf dem rechten Schreibtisch, liegt ein größerer Mauerbrocken, kam der durch die Explosion dahin oder kam der später dahin?

Zeuge Da[mm]:

Der kann an sich nur durch die Explosion dahingekommen sein.

Wir waren alle, die wir in diesem Raum anwesend waren, also hinterher, danach, mehr als erstaunt, daß wir einigermaßen noch so glimpflich rausgekommen sind.

Richter Mai[er]:

Dann noch eine andere Frage, Herr Damm. Sie sagen, Sie sind oder waren auch damals Verlagsassistent, haben Sie in etwa eine Vorstellung, wieviel Beschäftigte seinerzeit in dem ganzen Gebäudekomplex tätig waren?

Ende Band 508

[9093] Zeuge Da[mm]:

Im Hamburger Haus sind, soweit ich unterrichtet bin, schätzungsweise, ich weiß nicht genau, 4 - 5 000, glaube ich.

Richter Mai[er]:

Es ist früher Mal von der Polizei die Zahl von 3 000 genannt worden. Könnte das für die damalige Zeit auch in etwa zutreffen?

Zeuge Da[mm]:

Also ich muß ehrlich gestehen, die genaue Zahl im Hamburger Haus ist mir nicht bekannt.

Richter Mai[er]:

Aber der Größenordnung nach.

Zeuge Da[mm]:

Der Größenordnung nach ja.

Richter Mai[er]:

Könnte 3 000 ...

Zeuge Da[mm]:

Könnte 3 - 4 000 sein, also darüber bin ich nicht genau informiert.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Vors.:

Damit im Zusammenhang noch eine Frage. Haben Sie vor dieser ersten Detonation einen Warnanruf bekommen?

Zeuge Da[mm]:

Einen Warnanruf, nein.

Vors.:

Oder die Mitteilung, daß ein Warnanruf eingegangen sei?

Zeuge Da[mm]:

Auch nicht.

Vors.:

Gab es damals eine Warnanlage, eine Alarmanlage im Hause schon?

Zeuge Da[mm]:

So wie sie jetzt besteht auf keinen Fall. Also eine echte Warnanlage in diesem Sinne, davon kann man wohl nicht sprechen.

Vors.:

Also da müßte man denken an eine zentrale Anlage, wo durch einen Knopfdruck ein Huf oder ein ...

Zeuge Da[mm]:

Nein, nein, so was gab es damals nicht.

Vors.:

... Klingelzeichen oder sonst was, gab es damals noch[k] nicht. Wenn also etwa das Haus hätte geräumt werden müssen, aufgrund eines Warnanrufes, wie wäre dann die Räumung in die Wege geleitet worden?

Zeuge Da[mm]:

Das ist schwer zu sagen.

Vors.:

Unter der Voraussetzung ...

Zeuge Da[mm]:

Man hätte höchstens möglicherweise telefonisch die, sagen wir, mehrere Abteilungsleiter vielleicht informieren können, daß die dann sofort für die Räumung der Angestellten hätten sorgen müssen. Das wäre vielleicht möglicherweise die einzige Möglichkeit gewesen.

Vors.:

Also auf dem Telefonwege an die Abteilungen ran und innerhalb der Abteilungen war dann der jeweils Erreichbare verantwortlich und Derjenige, der für die Räumung sorgen mußte.

Zeuge Da[mm]:

In dieser Form vielleicht.

[9094] Vors.:

Danke. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine Frage, Herr Zeuge. Sind irgendwann in diesem Gebäude schon einmal Räumübungen durchgeführt worden?

Zeuge Da[mm]:

Nein, weil es doch ein Gebäude von besonders großem Ausmaß ist. Nein, nichts.

BA Dr. Wu[nder]:

Dankeschön.

Vors.:

Sonstige Fragen? Ich sehe nicht. Vielen Dank. Wir werden Sie dann nachher mit allen anderen vereidigen.

Der Zeuge Damm bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schmitt erscheint um 9.55 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schmitt macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge Schm[itt]:

Hans-Dieter S c h m i t t,
59 Jahre, Wirtschaftsingenieur,
2081 Ellerbek b. Hamburg.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Schmitt, erinnern Sie sich an den Sprengstoffanschlag im Jahre 72 auf das Springer-Hochhaus?

Zeuge Schm[itt]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie das dort miterlebt?

Zeuge Schm[itt]:

Jawohl.

Vors.:

Wollen Sie uns bitte im Zusammenhang schildern, wo Sie es miterlebt haben, welchen Hergang Sie wahrnehmen konnten und ob, gegebenenfalls welche Folgen für Sie eingetreten sind.

Zeuge Schm[itt]:

Ja. Ich befand mich im 6. Stock in der Verlagsleitung in der „Bild-Zeitung. Wir hatten dort eine Besprechung und während dieser Besprechung gab es im Haus eine Detonation.

Durch die Fenster kam ein Geruch, so daß jemand sagte: „Da ist vermutlich eine Bombe hochgegangen, nichts wie raus.“ Ich habe das Zimmer verlassen und mir beim Hinausgehen überlegt, wenn wirklich eine Bombe hochgegangen ist, dann wird es heute mit Sicherheit keine Besprechung mehr geben, gehe ich schnell zurück, hol deine Unterlagen und dann gibt es vielleicht einen frühen Feierabend. Das habe ich auch getan und beim Verlassen des Raumes zum zweiten Mal mußte ich an einem WC vorbeigehen, [9095] das ist kurz vor der Verlagsleitung. Und als ich die Türe passierte, gab es eine erneute Detonation. Die Türe sprang heraus und mir flog so einiges um die Ohren, und es hat eine sehr starke Druckwelle gegeben, so daß es mich um die eigene Achse gedreht hat. Ja ich war natürlich wie benommen und war an den Händen und im Gesicht verletzt durch Splitter und Gestein, das herumgeflogen ist. Ich bin dann aus dem Hause herausgegangen und habe dann gleich meinen Vorgesetzten - mit dem ich übrigens in dieser Besprechung zusammen gewesen bin - über den Sachverhalt informiert.

Vors.:

Sind diese Verletzungen, die Sie erlitten haben, ausgeheilt?

Zeuge Schm[itt]:

Nein, ich habe eine Gehörminderung davongetragen, die von der Berufsgenossenschaft mit 20 % festgelegt worden ist, beziehungsweise von einem Sachverständigen.

Vors.:

Muß man nach dem heutigen Kenntnisstand davon ausgehen, daß das ein Dauerschaden bleiben wird?

Zeuge Schm[itt]:

Davon muß man ausgehen. Vermutlich wird eine Altersschwerhörigkeit bei mir früher eintreten als das normalerweise der Fall ist.

Vors.:

Herr Schmitt, Sie haben erwähnt, Sie haben an einer Besprechung teilgenommen. Wieviel Personen waren bei dieser Besprechung anwesend?

Zeuge Schm[itt]:

Kann ich nicht mehr sagen.

Vors.:

Können Sie heute nicht mehr sagen.

Zeuge Schm[itt]:

Ich kann einige Namen nennen, die mir noch im Gedächtnis sind.

Vors.:

Vielleicht können Sie sich diese Namen jetzt schnell überschlagen und dann die Zahl benennen. Jedenfalls an die Personen ...

Zeuge Schm[itt]:

Größenordnungsmäßig sechs Personen.

Vors.:

Sechs Personen. Und nun hören Sie die Detonation. Ich weiß nicht, haben Sie die Uhrzeit angegeben, die Sie etwa im Gedächtnis haben, wann das geschehen sein soll?

Zeuge Schm[itt]:

Das war am späten Nachmittag, ich weiß die Uhrzeit nicht mehr.

Vors.:

Sie wissen die Uhrzeit nicht. Sie sind bei der Detonation, der ersten, dann aufgrund dieser Warnung: „Nichts wie raus“, offenbar von den anderen weggegangen oder sind Sie bei denen geblieben? Sind die mit Ihnen rausgelaufen?

Zeuge Schm[itt]:

Es sind vor mir zwei Leute gegangen, das war mein Vorgesetzter und ein Kollege, und ich habe mich dann von den beiden abgesetzt und bin wieder zurückgegangen.

[9096] Vors.:

Ganz präzise, in welchem Gebäudeteil haben Sie sich aufgehalten, als der zweite Knall erfolgte? Waren Sie da wieder in einem Raum oder waren Sie noch auf ...

Zeuge Schm[itt]:

Nein, ich kann Ihnen das ganz präzise sagen, das ist der Durchgang zwischen dem Hochhaus und dem Bauteil B, beziehungsweise Schnittstelle A/B.

Vors.:

Das wäre also ein Flur.

Zeuge Schm[itt]:

Das ist ein Flur jawohl.

Vors.:

Ist Ihnen das Sekretariat, das Zimmer 66 ein Begriff?

Zeuge Schm[itt]:

Es ist mir ein Begriff.

Vors.:

In dem normalerweise beispielsweise Frau Ode arbeitete?

Zeuge Schm[itt]:

Die Dame ist mir kein Begriff.

Vors.:

Das wissen Sie nicht.

Zeuge Schm[itt]:

Mir ist es nur von der Lage her ein Begriff, im Haus.

Vors.:

Wir haben bisher angenommen, aufgrund der übrigen Aussagen, übrigens auch einer vorausgegangenen Aussage, die soeben abgegeben worden ist, daß Sie sich im Zeitpunkt der Detonation in diesem Sekretariat aufgehalten haben sollten.

Zeuge Schm[itt]:

Nein.

Vors.:

Trifft nicht zu.

Zeuge Schm[itt]:

Wir sprechen von der zweiten Detonation.

Vors.:

Von der zweiten Detonation.

Zeuge Schm[itt]:

Nein.

[l] Vors.:

Demnach wäre der Gang der Dinge so gewesen, man hört die erste ... also nach dem, was wir bisher den Unterlagen entnehmen konnten, man hört die erste Detonation und findet sich nun in einer größeren Gruppe im Sekretariat ein, und unter dieser Gruppe sollen auch Sie gewesen sein.

Zeuge Schm[itt]:

Ich habe Sie jetzt nicht ganz verstanden. Können Sie das bitte nochmal wiederholen.

Vors.:

Nach der ersten Detonation habe man diesen Besprechungsraum verlassen, das war wohl das Büro Pötter, und sei in das Sekretariat nebenan gegangen, und dort habe sich eine größere Gruppe, auch aus den nebenan liegenden Büros zusammengefunden, und in dieser Gruppe sollen Sie gewesen sein, als dieser zweite Knall erfolgte.

Zeuge Schm[itt]:

Nein, das ist nicht richtig.

Vors.:

Das trifft nicht zu. Ich glaube auch, Herr Damm, der ... kennen Sie Herrn Damm?

[9097] Zeuge Schm[itt]:

Ja.

Vors.:

Er ist vor Ihnen gehört worden und ich meine, er hätte Sie aufgeführt als einer Derjenigen, die in dem Zimmer, im Sekretariat gewesen sind.

Zeuge Schm[itt]:

Als die zweite Detonation erfolgte?

Vors.:

Ja.

Zeuge Schm[itt]:

Nein, das ist nicht richtig.

Vors.:

Dann wollen wir Sie bitten, daß Sie hier diese Skizze, die vor Ihnen liegt, umdrehen, die obere Skizze und anhand dieser Skizze Ihren Aufenthaltsort genau bezeichnen.

Der Zeuge besichtigt die Skizze aus
O 66 Bl. 200/1
und erläutert seinen Standort:

Zeuge Schm[itt]:

In Verlängerung dieses Flures geht es dann am Zimmer 6072 vorbei, um die Ecke rum und dort ist dieses WC, wo dieser Stern eingezeichnet ist, der offenbar die Detonation symbolisieren soll und dann in etwa zwischen dem Mittelpunkt des Sternes, wenn man den in den Flur hinaus verlängert und der Türe des WCs, die auf den Flur hinausgeht, genau in dem Winkel, wo der Verbindungsflügel mit dem Bauteil A und B zusammenstößt, dort habe ich mich befunden.

Vors.:

Das wäre nun eine ...

Zeuge Schm[itt]:

Da ist hier rechts so ein kleines Quadrat eingezeichnet und das ist auch ein Raum, in etwa davor.

Vors.:

Es wäre also, Sie wären dann nur durch diese eine Mauer, die zwischen dem Stern und diesem Flur gebaut ist, getrennt gewesen.

Zeuge Schm[itt]:

Jawohl.

Vors.:

Was ist das für eine Mauer?

Zeuge Schm[itt]:

Ich weiß es nicht, aber ich vermute eine Steinmauer.

Vors.:

Haben Sie mal irgendwie die Bauweise später besichtigen können, ob das eine massive Mauer ist, etwa eine tragende Wand oder ob das nur eine hochgezogene Zwischenmauer ist?

Zeuge Schm[itt]:

Ich habe es nicht festgestellt, aber es kann gut ...

Vors.:

Wenn Sie’s nicht beantworten können ...

Zeuge Schm[itt]:

Aus der Zeichnung schließe ich, daß das eine Zwischenwand ist.

Vors.:

Wie weit würden Sie, wenn Sie den Stern hier als die richtige Detonationsstelle annehmen wollten, Ihre Entfernung zum Zentrum der Detonation schätzen?

[9098] Zeuge Schm[itt]:

2 Meter.

Vors.:

Nach der Wirklichkeit, nicht nach der Skizze.

Zeuge Schm[itt]:

Ja.

Vors.:

Wir müßten Sie also praktisch ... Ihren Standort dort eintragen, wo dieser rechte Raum, den Sie als kleines Quadrat bezeichnet haben, aufhört und die Verbindung herstellen von dieser Ecke zu dem Zentrum. Ist das etwa richtig?

Zeuge Schm[itt]:

Jawohl.

Vors.:

Sind ... bitte weitere Fragen.

Richter Mai[er]:

Herr Schmitt, ich habe Sie möglicherweise vorher mißverstanden, Sie sagten, Sie hätten gerade die Tür zu diesem WC passiert. War das auf dem Weg weg von den Büros oder ...

Zeuge Schm[itt]:

Weg vom Büro.

Richter Mai[er]:

Ja dann, Sie sehen ja auf der Skizze, die Tür ...

Zeuge Schm[itt]:

Daß die etwas weiter vorn ist, daß ich das nicht ...

Richter Mai[er]:

... daß Sie also dann schon weiter unten in der Skizze auf diesem Weg gewesen sein müssen.

Zeuge Schm[itt]:

Ich habe diese Tür als markanten Punkt im Gedächtnis gehabt, also so wie ich das eben dargestellt habe, in diesem Bereich habe ich mich aufgehalten.

Richter Mai[er]:

Also Sie hatten - dabei wollen Sie wohl bleiben - Sie hatten diese Türe in etwa gerade passiert.

Zeuge Schm[itt]:

Davor ... davor oder passiert, also in diesem Bereich, ich kann das nicht so 100 % auf den Meter genau sagen.

Richter Mai[er]:

Also dann können wir es natürlich auch ... eine Entfernung von ca. 4 Meter gewesen sein?

Zeuge Schm[itt]:

Das ist mir ein bißchen weit, aber ich schließe das nicht aus.

Dem Zeugen wird eine Fotografie aus O. 66 Bl. 148 zur Erläuterung vorgelegt.

Diese Fotografie wird gleichzeitig vom Gericht in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Zeuge Schm[itt]:

Das soll das Büro nun sein, 66?

Richter Mai[er]:

Nein, 148.

Vors.:

148 ist doch die Bildbezeichnung.

Zeuge Schm[itt]:

Das Bild ist mit 148 bezeichnet.

Richter Mai[er]:

Ich weiß nicht, ob Sie sich anhand des Fotos orientieren können, es soll ...

[9099] Vors.:

Wir wollen’s mal versuchen, daß der Herr Zeuge vielleicht die Orientierung selbst findet.

Zeuge Schm[itt]:

Ja, ich erkenne es jetzt wo das ist, das müßte aber das WC sein.

Richter Mai[er]:

Es soll ein Foto sein, das aus der Toilette herausgemacht wurde und wohl diesen Verbindungsgang darstellen soll.

Zeuge Schm[itt]:

Jawohl.

Richter Mai[er]:

Im Hintergrund seien noch irgendwelche Aufzüge zu erkennen.

Zeuge Schm[itt]:

Jawohl, das ist richtig. Wenn Sie den linken Teil des Bildes mit diesem Schlauch, oder was das ist, da sehen, das ist in etwa der Bereich, wo ich mich aufgehalten habe im Flur.

Richter Mai[er]:

Und hat das in etwa so ausgesehen, wie das hier abgebildet ist, entspricht das Ihrer Erinnerung?

Zeuge Schm[itt]:

Kann ich nicht sagen. Mich hat das also ... durch die Druckwelle einmal um die Achse gedreht und ich habe dann selbstverständlich sofort das Weite gesucht.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Zeuge Schm[itt]:

Mehr kann ich nicht sagen.

Richter Mai[er]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

Dann darf ich Sie auch bitten, daß Sie, Herr Schmitt, vielleicht neben Herrn Damm Platz nehmen. Wir werden Sie jetzt dann vereidigen, sobald wir noch Herrn Schultz gehört haben.

Der Zeuge Schmitt bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schultz erscheint um 10.07 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Schultz macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge Schultz:

Walter S c h u l t z,
54 Jahre, Korrektor,
Hamburg - 76.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Schultz, sind Sie in diesem Beruf schon tätig gewesen zur Zeit des Sprengstoffanschlages auf das Springer-Hochhaus?

Zeuge Schu[ltz]:

Ja, bin ich.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag miterlebt?

[9100] Zeuge Schu[ltz]:

Habe ich miterlebt.

Vors.:

Bitte schildern Sie uns dann im Zusammenhang, wo Sie ihn miterlebt haben, welchen Hergang Sie feststellen konnten und welche Folgen Sie betroffen haben.

Zeuge Schu[ltz]:

Ich habe in der Korrektur gearbeitet im 3. Stock. Unser Dienst begann um 15.00 Uhr und gegen halb Vier war plötzlich eine heftige Detonation. Mehrere Kollegen sind von uns verletzt worden und ich bin nicht verletzt worden, weil ich hinter einem Schrank gesessen hatte.

Vors.:

Haben Sie irgendwelche Beobachtungen gemacht, als diese Detonation erfolgte, welche Folgen eintraten?

Zeuge Schu[ltz]:

Ja, das habe ich.

Vors.:

Bitte, wenn Sie die uns schildern wollen.

Zeuge Schu[ltz]:

Die Decke ist eingestürzt und ein Teil der Wand und mehrere Kollegen sind sehr schwer verletzt worden von uns und die haben wir dann draußen auf den Balkon rausgetragen.

Vors.:

Haben Sie vor diesem Geschehen irgendwelche Wahrnehmungen gemacht, die hier von Interesse sein könnten?

Zeuge Schu[ltz]:

Nein, keine.

Vors.:

Wissen Sie heute noch, wieviel Personen damals anwesend waren im Korrekturraum?

Zeuge Schu[ltz]:

Es können 12 oder 14 gewesen sein.

Vors.:

12 oder 14. Sie wissen’s also nicht mehr genau.

Zeuge Schu[ltz]:

Nein.

Vors.:

Sind da schon eingerechnet die beiden Herren Könecke und Herr Witte, die ja einen Abteilungsleiterraum offenbar benutzt haben?

Zeuge Schu[ltz]:

Ja, könnte sein.

Vors.:

Sind die in der Zahl, die Sie eben nannten, schon eingerechnet oder?

Zeuge Schu[ltz]:

Also wir sahen es müßten[m] 12 oder 13 gewesen sein und darin saßen noch zwei ... Herr Könecke und Herr Witte drin im Extraraum.

Vors.:

So daß es also zusammen 14 oder 15 Leute gewesen sein müßten?

Zeuge Schu[ltz]:

Ja, könnte gewesen sein.

Vors.:

Wenn Sie nun hier die Skizze noch umdrehen wollen, die obere die vor Ihnen liegt, und sich mal die Sitzplatzeinteilung ansehen, ob sie richtig angegeben sind.

Der Zeuge besichtigt die Skizze aus
O 66 Bl. 200/3
und erklärt:

[9101] Zeuge Schu[ltz]:

Ja, steht hier mit drauf.

Vors.:

Und wie weit ist die Entfernung, wenn Sie den Stern, der hier eingetragen ist, als die Detonationsstelle annehmen, was wäre das in Wirklichkeit für eine Entfernung?

Zeuge Schu[ltz]:

Wieviel Meter meinten Sie?

Vors.:

Ja.

Zeuge [Schultz]:

10 Meter ungefähr. 8 bis 10 Meter.

Vors.:

Also nach dem Maßstab der Karte müßte die Entfernung etwas kürzer gewesen sein.

Zeuge Schu[ltz]:

Das kann sein, ja.

Vors.:

5 bis 6 Meter, könnte das ...

Zeuge Schu[ltz]:

Ich weiß ja nicht genau, wo das gelegen hat.

Vors.:

Der Stern hier ...

Zeuge Schu[ltz]:

Der Stern ist genau, ja.

Vors.:

Nein, ob das genau ist wollen wir jetzt gar nicht feststellen, das müßte man als den Punkt nehmen von dem aus wir rechnen und Sie kennen ja die Örtlichkeit, wo dieser Stern liegt, die Klimaanlage.

Zeuge Schu[ltz]:

Ja dann sind’s höchstens 4, 5 Meter.

Vors.:

4, 5 Meter Dankeschön. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe, beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Ebenfalls nicht.

Der Zeuge Schultz bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Elsner erscheint um 10.11 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge wird gem. § 57 StPO belehrt.

Der Zeuge ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Der Zeuge macht folgende Angaben zur Person:

Zeuge El[sner]:

Jürgen E l s n e r, 36 Jahre,
Student, Hamburg.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Elsner waren Sie 1972 auch Student?

Zeuge El[sner]:

Nein, Korrektor.

Vors.:

Korrektor beim Springerverlag, ist das richtig?

[9102] Zeuge El[sner]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie dort den Sprengstoffanschlag miterlebt?

Zeuge El[sner]:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie uns bitte nun schildern wollen wo Sie ihn miterlebt haben, welchen Hergang Sie feststellen konnten und ob Sie verletzt worden sind.

Zeuge El[sner]:

Das ist schon eine ganze Weile her.

Vors.:

Versuchen sie das noch zu sagen, was Sie im Kopfe haben.

Zeuge El[sner]:

Also ich war damals als Korrektor in der Spätschicht.

Die Uhrzeit weiß ich nicht mehr, wann das jetzt vorfiel ... und es gab eine Explosion als wir ... während der Arbeitszeit, als wir arbeiteten. Ich saß, die meisten der Kollegen saßen auch. Und etwas rieselte von den Decken, die Scheiben zersprangen und wir suchten Schutz unter den Tischen und krabbelten dann langsam wieder raus und verließen den Raum durch die kaputten Fenster auf ein Vordach das da war. Dort versorgten wir einen Verletzten, der ziemlich stark, wie sich später herausstellte, verletzt war, Helmut Röhrs. Ansonsten ging alles so ein bißchen durcheinander. Wir wurden dann ... uns wurde dann gesagt, daß wir uns auf die Straße begeben sollten, ich weiß nicht was ... wenn Sie vielleicht ein paar Fragen stellen, was Sie interessiert.

Vors.:

Haben Sie sonst noch irgendetwas von sich aus beobachtet, was hier von Belang sein könnte? Etwa vor dem Ereignis irgendwelche Hinweise bekommen?

Zeuge El[sner]:

Nein.

Vors.:

Nichts dergleichen. Es kam also für Sie völlig überraschend?

Zeuge El[sner]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie genauere Beobachtungen machen können über die Art der Zerstörung, die durch diese Explosion eintrat? Insbesondere etwa welche Brocken da reinstürzten, welche Trümmerstücke... was mit dem Mobiliar geschah, die Decke, das haben Sie schon erwähnt, die Wand, und so weiter, wenn Sie also in dieser Richtung etwas feststellen konnten damals, dann wäre das von Interesse.

Zeuge El[sner]:

Wir[n] merkten[o] nur, daß die Scheiben, was uns als absonderlich erschien, nicht nach draußen, sondern nach drinnen gedrückt wurden, obwohl sich nachher herausstellte, daß der Druck von Innen kam.

Vors.:

Weitere direkte Beobachtungen, die Ihnen heute noch im Gedächtnis sind, haben Sie nicht gemacht? Sind Sie verletzt worden?

[9103] Zeuge El[sner]:

Nein.

Vors.:

Gibt es dafür irgendeine spezielle Erklärung? Saßen Sie irgendwie geschützt?

Zeuge El[sner]:

Ich hatte Glück, zumal der am meisten Verletzte genau hinter mir saß, nur so 2 Meter.

Vors.:

Wenn Sie die Skizze, die oben aufliegt, umdrehen wollen hier und mal sehen wollen, ob Sie dort richtig eingetragen sind, Ihr Sitzplatz.

Der Zeuge besichtigt die Skizze aus
O. 66 Bl. 200/3
und erklärt:

Zeuge El[sner]:

Ja.

Vors.:

Also direkt bei dem Fenster. Wie weit würden Sie, wenn Sie den Stern, der hier eingetragen ist, als den Ausgangspunkt nehmen, die Entfernung zu Ihrem Sitzplatz schätzen in der Wirklichkeit? Können Sie das heute noch ...

Zeuge El[sner]:

Zwischen 5 und 7 Meter.

Vors.:

Dankeschön. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe, beim Gericht nicht. Die Bundesanwaltschaft nicht. Die Herren der Verteidigung nicht. Dann können wir die Zeugen alle bitten, vorzutreten. Wir können sie vereidigen. Keine Einwendungen?

Die Zeugen Poorth, Gottschalk, Brunkhorst, Thiel, Damm, Schmitt, Schultz u. Elsner werden einzeln [p] vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 10.17 Uhr entlassen.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung heute Nachmittag um 14.00 Uhr mit der Vernehmung weiterer 5 Zeugen fort. Bis dahin Pause.

Pause von 10.18 Uhr bis 14.03 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr.

RA Künzel ist nunmehr auch anwesend[q].

RAe Eggler und Pfaff sind nicht mehr anwesend[r].

Als Zeugen sind anwesend:
Willi Ahrens,
Hans-Joachim Skolik,
Elisabeth Hiller,
Wolfgang Berkenbaum u.
Arndt Pötter.

[9104] Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen. Heute Nachmittag sind noch anwesend folgende Zeugen: Herr Ahrens, Herr Skolik, Herr Berkenbaum, Herr Pötter und Frau Hiller.

Die Zeugen Ahrens, Skolik, Hiller, Berkenbaun u. Pötter werden gem. § 57 StPO belehrt.

Die Zeugen Ahrens, Skolik, Hiller, Berkenbaum u. Pötter sind mit der Aufnahme ihrer Aussagen auf das Gerichtstonband einverstanden.

Die Zeugen Ahrens, Skolik, Berkenbaum und Pötter werden um 14.05 Uhr in Abstand verwiesen.

Die Zeugin Hiller macht folgende Angaben zur Person:

Zeugin Hi[ller]:

Elisabeth H i l l e r, geb.[s] [Tag].[Monat].21,
Journalistin, Hamburg.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Hiller, als Journalistin waren Sie schon 1972 beim Axel Springer-Verlag tätig?

Zeugin Hi[ller]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie damals den Sprengstoffanschlag mitgemacht?

Zeugin Hi[ller]:

Ja.

Vors.:

Können Sie uns nun bitte schildern, wo Sie ihn mitgemacht haben, welchen Hergang Sie beobachtet haben und ob Sie selbst davon betroffen worden sind.

Zeugin Hi[ller]:

Also ich arbeitete in einem Zimmer, was nicht weit von der Damentoilette war, in der die Bombe lag.

Vors.:

Im wievielten Stockwerk bitte?

Zeugin Hi[ller]:

Im 6. Stockwerk.

Vors.:

6. Stock.

Zeugin Hi[ller]:

6. Stock. Und ich hatte eine Zeitungsfahne wollte ins Layout gehen und das da abliefern, das war so ungefähr 13.45 Uhr oder 46, und ich flog ungefähr 5 oder 6 Meter den Gang entlang.

Vors.:

Die Zeit, um es gleich einzuwenden ...

Zeugin Hi[ller]:

Ja, ich weiß es nicht mehr genau.

Vors.:

... 13.00 Uhr? Ist also Ihre Erinnerung, 13.00 Uhr.

Zeugin Hi[ller]:

Oder 14.45 Uhr, also das war nach dem Mittagessen.

Vors.:

Wir kommen nachher nochmals auf die Zeitfrage zurück, bitte schildern Sie weiter.

[9105] Zeugin Hi[ller]:

Ja, und dann sah ich, also ich sah dann Herrn Ahrens zum Beispiel, der Setzmeister, blutüberströmt auf dem dritten Stock auf so einem Dach stehen und ich rannte in mein Zimmer zurück, holte meine Handtasche und rannte die Treppe runter und dann sah ich, dachte ich mir, es muß also ... es hatte ein Feuerwehrmann mir gesagt: „Bitte, verlassen Sie sofort die Gegend, wenn Sie Pfingsten noch erleben wollen, machen Sie, daß Sie hier wegkommen“, und dann bin ich weggegangen, nach Hause gegangen.

Vors.:

Hatten Sie nun Verletzungen erlitten?

Zeugin Hi[ller]:

Nein, ich hatte vorher schon einen Nagelbettbruch mir geholt auf einer Dienstreise und das ist also nochmal ... ich bin dann direkt auf diesen Nagel nochmal gefallen, aber es war also keine Verletzung aus dieser Sache raus.

Vors.:

Nun sollte der Ort etwas näher festgestellt werden, wo Sie sich im Augenblick der Detonation aufgehalten haben. Sie sagten, vor Ihrem Zimmer ...

Zeugin Hi[ller]:

Vor meinem Redaktionszimmer.

Vors.:

Können Sie uns die Nummer benennen?

Zeugin Hi[ller]:

Ich weiß es nicht mehr die Nummer. Also ...

Vors.:

Also wir haben hier eine Skizze, die zeigt auf das Büro Damm, Büro Horster, Büro Ode, das Sekretariat und das Büro Pötter.

Zeugin Hi[ller]:

Ja, ich bin um die Ecke herum. Journalisten, also die Redakteure saßen um die Ecke herum, das war die Verlagsleitung.

Da kam also der Paternoster, dann kam die Anmeldung und nach der Anmeldung kam mein Zimmer.

Vors.:

Wäre das die Richtung zur Fuhlentwiete hin?

Zeugin Hi[ller]:

Zur Fuhlentwiete, ja.

Vors.:

Vielleicht wenn Sie ...

Zeugin Hi[ller]:

Auf der linken Seite.

Vors.:

Wenn Sie hier anhand dieser Skizze uns mal orientieren könnten, wie das ist. Also Sie haben ja oben diese Büros, die ich eben namentlich genannt habe, wir sehen den Gang unter diesen Büros, dann kommt dieser Stern, der die Sprengstelle darstellen soll, und wo ging es nun zu Ihrem Zimmer.

Die Zeugin besichtigt die vorliegende Skizze aus
O. 66 Bl. 200/1
und erklärt:

Zeugin Hi[ller]:

Also die Sprengstelle ist hier gewesen. Das müßte die Anmeldung sein, das müßte mein Zimmer gewesen sein.

[9106] Vors.:

Also Sie sehen jetzt die Toiletten links neben der Sprengstelle. Wenn Sie jetzt das rechte Bild betrachten und an der linken unteren Ecke des rechten Bildes taucht das Wort „Aufzüge“ auf ... ein bißchen weiter rein, nach links.

Zeugin Hi[ller]:

Ja. hier.

Vors.:

Wenn Sie sich daran vielleicht orientieren können, wo Ihr Zimmer dann wohl wäre.

Zeugin Hi[ller]:

Da gibt es zwei Aufzüge und ein Paternoster ...

Vors.:

Wir kriegen es schon noch raus. Ich meine, wenn Sie Ihren Standort innerhalb der Skizze gehabt haben, also innerhalb des Bereichs, den die Skizze aufzeigt, dann könnten Sie natürlich hier Ihren Standort bezeichnen, wir müßten nicht lange Ihrem Zimmer nachgehen. Wenn Sie sich aber unmittelbar vor Ihrem Zimmer befunden hätten, dann müßten wir das noch klären, wo das liegt.

Zeugin Hi[ller]:

Das ist das Damen-WC ...

Vors.:

Ich darf die Verfahrensbeteiligten noch darauf hinweisen, daß wir in O. 66 Bl. 126 eine Skizze ... oder einen Lageplan des gesamten Stockwerkes haben, das also einen weiteren Ausschnitt wiedergibt als die Skizze hier. Wir wollen dieses Blatt 126 der Frau Zeugin übergeben, vielleicht läßt sich’s dann leichter klären.

Der Zeugin wird die Skizze aus
O. 66 Bl. 126
übergeben.

Vors.:

Frau Zeugin, wenn Sie ich in dieser Skizze zunächst mal orientieren. Da ist die Damentoilette erkennbar und durch Kreuz gekennzeichnet und Kreis die Sprengstelle.

Da ist die Sprengstelle, erkennen Sie sie?

Zeugin Hi[ller]:

Da ist die Sprengstelle, ja.

Vors.:

Und gegenüber sind nun die Redaktionszimmer.

Zeugin Hi[ller]:

Hier gegenüber?

Vors.:

Gegenüber, über dieser Sprengstelle.

[9107] Die Zeugin erläutert nunmehr am Richtertisch anhand der Skizze aus
O. 66 Bl. 126
ihr Zimmer und ihren Standort.

Die Verfahrens beteiligten haben die Möglichkeit, die Ausführungen der Zeugin am Richtertisch mit zu verfolgen.

Die Zeugin zeigt dabei auf den Gang, der auf der rechten Seite der Skizze der äußerste ist und der mit der Zimmernummer 6091 beginnt. Sie war unten in diesem Gang in einem Zimmer untergebracht, das mit einer qm-Zahl von 8,2 bezeichnet ist.
Die Zeugin habe im Augenblick der Explosion das Zimmer verlassen gehabt und sich im Bereich dieses Zimmers auf dem Gang befunden.

Vors.:

Jetzt noch zur Uhrzeit. Sie haben vorhin zunächst gemeint 13.45 Uhr, dann sind Sie eine Stunde vorgerückt, 14.45 Uhr.

Zeugin Hi[ller]:

Ja.

Vors.:

Könnte es noch eine Stunde später gewesen sein?

Zeugin Hil[ler]:

Nein, nein, nein, ich mußte um drei meine Fahne abliefern, also es muß vor drei gewesen sein.

Vors.:

Nun ist es so, wir haben hier also schon eine Vielzahl von Zeugen vernommen, darunter solche, die um 15.00 Uhr mit der Arbeit begonnen haben. Und die hatten alle schon einige Zeit gearbeitet, bevor es krachte. Wenn also die Zeugen hier, die übereinstimmend das bekundet haben, die Wahrheit gesagt haben, sich nicht irrten, dann müßte es doch nach 15.00 Uhr gewesen sein.

Zeugin Hi[ller]:

Ja, also dann wars nach ... Entschuldigen Sie ...

Vors.:

Sie wissen es offenbar nicht mehr. Sie haben keine Zeitvorstellung mehr präzise?

Zeugin Hi[ller]:

Kann ich nicht genau sagen ...

Vors.:

Folgen sind bei Ihnen nicht zurückgeblieben irgendwelcher Art?

Zeugin Hi[ller]:

Nein.

Vors.:

Dankeschön. Weitere Fragen an die Frau Zeugin? Ich sehe nicht. Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Frau Zeugin, Sie sagten doch eben, Sie hätten um 15.00 Uhr die Fahne abliefern müssen.

Zeugin Hi[ller]:

Entschuldigen Sie, da habe ich mich vertan, also entschuldigen Sie. Das war ...

[9108] RA Schn[abel]:

Ja wann hat denn der Umbruch begonnen bei Ihnen?

Zeugin Hi[ller]:

Nein, wir haben keinen Umbruch. Ich bin bei einer Wochenzeitung gewesen, bei der ist also kein Umbruch ...

RA Schn[abel]:

Sondern Layout.

Zeugin Hi[ller]:

Sondern Layout.

RA Schn[abel]:

Und wann ist das Layout, wann fängt das an?

Zeugin Hi[ller]:

Das ist ganz egal, das kommt darauf an, was Sie gerade zu tun haben. Also da haben Sie keine ... Sie fangen um 12.00 Uhr an zu arbeiten und müssen Ihre Sachen abliefern, wenn Sie fertig sind.

RA Schn[abel]:

Das heißt also, daß unter Umständen das Layout auch nach 15.00 Uhr hätte anfangen können?

Zeugin Hi[ller]:

Ja ja, das Layout ist den ganzen Nachmittag. Da es vor Pfingsten war, war es ein Tag, an dem fest gearbeitet werden mußte.

RA Schn[abel]:

Danke.

Vors.:

Sonst keine Fragen mehr, wie ich sehe.

Können wir Sie nachher zusammen mit den übrigen Zeugen vereidigen und Sie dann gleichzeitig entlassen?

Zeugin Hi[ller]:

Ja.

Die Zeugin Hiller[t] bliebt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Skolik erscheint um 14.17 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Skolik macht folgende Angaben zur Person

Zeuge Sko[lik]:

Hans-Joachim S k o l i k,
45 Jahre, Redakteur,
Wohnort: Essen.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Skolik, haben Sie im Zeitpunkt des Sprengstoffanschlages auf das Springer-Hochhaus dort gearbeitet?

Zeuge Sko[lik]:

Ja. Ich muß es genau sagen. Ich arbeitete gegenüber im Haus der „Welt“. Ich war zeitweilig abgestellt, hatte aber um 15.00 Uhr am Freitag vor Pfingsten, ich glaube, es war der 19., eine Konferenz im 6. Stock des Springer-Hochhauses, genau gesagt im Verbindungsteil zwischen Hochhaus und dem Redaktionshaus.

[9109] Vors.:

Ist das das Büro Pötter gewesen?

Zeuge Sko[lik]:

Das Büro Pötter.

Vors.:

Danke. Dann sind wir durch die Skizze inzwischen informiert, wo das gewesen ist. Wollen Sie nun in Zusammenhang bitte schildern, wie sie den Hergang dieses Anschlags erlebt haben und ob Sie selbst betroffen worden sind, Verletzungen und dergleichen.

Zeuge Sko[lik]:

Ja. ich habe verhältnismäßig großes Glück gehabt, das vielleicht auf meine Neugierde zurückzuführen ist. Wir saßen oben und hatten eine Besprechung über unser neues Druckhaus in Kettwig, und so etwa 20 vor Vier knallte es. Ich stürzte ans Fenster und schaute raus und sah unten auf einem Vordach im dritten Stock, daß Korrektoren, verletzte Kollegen auf dieses Dach zogen. Das ist so ein Vorbau in Höhe des dritten Stockwerks. Wir glaubten da drin, daß vielleicht ein Heizkörper oder irgendetwas explodiert ist, aber die Kollegen von unten riefen uns dann rauf: „Hier hat’s gekracht, hier ist eine Bombe geplatzt.“

Wir standen noch am Fenster und unterhielten uns. Drei oder vier der Herren, die bei dieser Konferenz dabei waren, hatten gleich die Flucht ergriffen, die sagten: „Wenn’s einmal knallt, knallt’s vielleicht nochmal“, aber als Journalist ist man etwas neugieriger, ich wollte also sehen, was da unten los war. Und während wir da noch standen und redeten über das, was unten geschehen ist, knallte es dann auch bei uns. Pulverdampf, Mörtel, Steinbrocken flogen, es war plötzlich ganz finster in diesem Baum, der nicht sehr groß ist, obwohl die Fenster noch offen waren wegen des Gesprächs. Wir habe dann eine Weile noch da gestanden und gehorcht, ob noch etwas los ist und ich sagte dann den Kollegen: „Laßt uns jetzt nicht über die Treppe gehen, wer weiß, ob da etwas passiert ist.“ Es standen Leitern am Haus, weil die Außenfassade des Hauses gereinigt wurde, ein Baugerüst.

OstA Holland verläßt um 14.20 Uhr den Sitzungssaal.

Und dann sind wir alle runter auf diesen Vorbau im dritten Stock und da durch ein Fenster in den Gang des Hochhauses, wo dann schon verletzte Kollegen aus der Korrektur lagen.

[9110] Rechtsanwalt Pfaff (als Vertreter für Rechtsanwalt Dr. Heldmann) erscheint wieder um 14.20 Uhr im Sitzungssaal.

Ich bin als letzter runter und sah dann, wie einer der Herren, die bei uns in der Konferenz waren, so wie er ... im Gelände war, zusammenknallte. Wahrscheinlich war der Schock für Ihn zu groß. Ich selbst habe dadurch, daß ich am Fenster stand, sehr wenig abbekommen. Ich hatte nur ein paar Schürfwunden und ein paar Prellungen und der Anzug war hinüber und konnte mich da unten noch[u] in der Korrektur umsehen ... umschauen, wo die Verletzten behandelt worden sind und ich wunderte mich nur, daß man eigentlich, wenn man das Haus „Springer“ treffen wollte, ausgerechnet bei den Korrektoren, wo Menschen sind, deren Gesinnung ein kleines bißchen doch mehr links von der Mitte ist, getroffen hat. Es gibt, glaube ich, lohnenswertere Ziele, wenn man nur die Sache treffen wollte. Wenn man das Rechenzentrum ausgesucht hätte, das hätte einen größeren Schaden für das Haus ergeben.

Vors.:

Nach dem, wie Sie Ihre Verletzung geschildert haben, darf man wohl davon ausgehen, daß sie folgenlos verheilt sind.

Zeuge Sko[lik]:

Ja, ich habe da großes Glück gehabt, also wirklich ...

Vors.:

Sie haben das früher so präzisiert: Hautabschürfungen im Gesicht und an den Händen, Prellungen Arm und Bein. Könnte das heute auch noch gelten?

Zeuge Sko[lik]:

Ja.

Vors.:

Wieviel Herren waren in dem Büro des Herrn Pötter? Können Sie das ungefähr noch sagen?

Zeuge Sko[lik]:

Acht oder neun. Ich muß mal durchzählen, warten Sie mal.

Herr Pötter, Herr Horster, ich selbst, Herr Meyer, Herr Kleidt, und jetzt weiß ich nicht, ob drei oder vier von unserer technischen Organisation bei Herrn Winterbach ... und dann waren noch zwei oder drei dabei, die sind dann aber raus gewesen, dafür ist zum Zeitpunkt der Explosion bei uns im Stockwerk noch der Herr Damm rübergekommen, der zwei Zimmer weiter ... ich glaube, zwei oder drei Zimmer weiter auf dem gleichen Flur gesessen hat.

Vors.:

Besagen Ihnen die Namen Voss[v], Achteln und Schmitt etwas?

Sie sollen auch noch in dem Büro gewesen sein, aber offenbar ...

Zeuge Sko[lik]:

Das werden wahrscheinlich die Herren gewesen sein, die gegangen sind.

[9111] Vors.:

... die Sie jetzt gerade angesprochen haben. Haben Sie nun eigentlich diese Explosion im Büro Pötter erlebt oder?

Zeuge Sko[lik]:

Dieses Büro Pötter hatte praktisch zwei ... das Büro Pötter ist ... wir waren im Sekretariat zwischen dem Büro Pötter und dem ... Wir sind rausgekommen aus dem Sitzungssaal und sind da an’s Fenster gestürzt, weil da an das Fenster im Büro Pötter selbst ... da ist so ein Ventilator davor, oder so eine Heizungsmaschine, da kam man so schlecht ran und konnte nicht öffnen. Im Nebenzimmer war das besser.

Vors.:

Also Sie sind offenbar geschlossen rausgegangen in dieses Sekretariat, den kleineren Raum, der dazwischenliegt.

Zeuge Sko[lik]:

Ja.

Ende von Band 509.

[9112] Vors.:

Haben Sie den Eindruck bekommen können, ob sich alle Personen, die im Büro Pötter bei der Besprechung gewesen sind, in dieses Sekretariat begeben haben oder sind da einzelne vorher schon weggegangen.

Zeuge Sko[lik]:

Herr Winterbach und drei oder zwei, ich weiß jetzt nicht genau, die sind raus, die haben gesagt: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Vors.:

Und sind Sie nun, wenn man das Sekretariat hier betrachtet, auf der Türseite gewesen, in der Mitte des Raums oder auf der Fensterseite?

Zeuge Sko[lik]:

Ich weiß nicht, was Sie für ... wenn Sie von der Tür reinschauen, stand ich rechts am Fenster in einer Ecke, wo verhältnismäßig wenig runtergekommen ist. Ich habe also nachher festgestellt, daß der eine Kollege, der Kollege Horster, der direkt an der Wand stand, dem ist glaube ich, die ganze Wand ins Kreuz gefallen. Im Nachhinein, als ich mir das dann in Ruhe oben ansah, habe ich mich sowieso gewundert, daß bei uns nicht mehr passiert ist. Aber ich glaube dieser Fettabscheider in der Toilette, der da oben hängt, der hat wohl eine ganze Menge abgehalten. Aber das ist eine Vermutung, darf ich eigentlich nicht äußern.

Vors.:

Wie sah denn der Raum selbst aus, wenn man also insbesondere drauf achten wollte, welche Trümmerstücke, welches Ausmaß die hatten, was an Trümmer rumgefahren ist. Waren das Balkenteile, waren das Steinteile, waren das Glasteile?

Zeuge Sko[lik]:

Die Fenster sind ... erstmal ist die ganze Wand, es ist so eine Leichtbauweise, die Wand mit dem Türrahmen ist eingestürzt, in das Zimmer reingedrückt worden. Es sind von der Decke, da waren so schallschluckende Elemente, glaube ich, die sind runtergekommen zum Teil, und natürlich sind die Fenster kaputtgegangen. Die Trümmer haben zum Teil auch, glaube ich, auf den Schreibtischen etwas ausgerichtet. Jedenfalls neben mir stand der Kollege Pötter, dem, so kurz neben ihm ist ein Steinbrocken auf den Schreibtisch gefallen. Er hat auch Glück gehabt; er gehörte auch zu denen, die nicht ganz so viel abbekommen haben.

[9113] Vors.:

Wir wollen Ihnen doch noch Gelegenheit geben, ganz kurz einen Blick zu werfen auf das Bild, Seite 144 des Bandes 66.

Dem Zeugen wird die Fotografie aus Ordner 66, Blatt 144 übergehen.

Vors.:

Gibt das Bild den Zustand wieder, wie Sie ihn nach der Sprengung erlebt haben?

Zeuge Sko[lik]:

Das gibt den Zustand wieder, ja. Wobei man jetzt hier die Fensterfront hat. Hier sehen Sie noch die Leitern vorne, auf denen wir nachher runtergegangen sind. Die Seite hier, wo die Wand vom Flur eingedrückt worden ist, kann man natürlich nicht darauf erkennen.

Vors.:

Und dieser Mauerbrocken wird es wohl sein, der auf dem Schreibtisch liegt ...

Zeuge Sko[lik]:

Der wurde ... ja ja.

Vors.:

Der lag also nach der Detonation schon dort.

Zeuge Sko[lik]:

Der lag dann da drauf.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Berichterstatter, bitte.

Richter Ma[ier]:

Wieweit waren Sie etwa von dem Fettabscheider etwa entfernt, als Sie am Fenster standen?

Zeuge Sko[lik]:

Ich glaube, das Zimmer, schätze ich eine Tiefe von 3 ½ bis 4 Metern, dann der Flur hat vielleicht auch 3 Meter gehabt. Also es könnte so 6, 7 Meter gewesen sein.

Richter Ma[ier]:

Können es auch 8 Meter gewesen sein? 7 bis 8 Meter?

Zeuge Sko[lik]:

So ungefähr, ja.

Richter Ma[ier]:

Danke.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine Frage, Herr Zeuge, hat man sich in Ihren Kollegenkreisen ganz allgemein über die Ablageorte der Bomben, auch der nichtdetonierten Bomben, unterhalten? Das heißt, ich will es präzisieren, daß man dort Arbeiter und Angestellte anvisiert hatte?

Zeuge Sko[lik]:

Nein, ich habe nichts davon gehört.

BA Dr. Wu[nder]:

Sie haben vorhin eine Bemerkung gemacht. Vielleicht haben Sie mich jetzt nicht richtig verstanden.

OstA Holland erscheint wieder um[w] 14.25 Uhr im Sitzungssaal.

[9114] Zeuge Sko[lik]:

Ach, wo die anderen lagen?

BA Dr. Wu[nder]:

Ja.

Zeuge Sko[lik]:

Ich habe gehört, daß im 2. Stock eine nicht detonierte ...

BA Dr. Wu[nder]:

Daß man also auf gut Deutsch nicht den Herrn Springer treffen konnte, sondern daß man Arbeiter und Angestellte im Visier hatte.

Zeuge Sko[lik]:

Das ist nur meine eigene Sache. Ich habe mich damals gewundert, als ich hörte, daß unten gerade in der Korrektur, oben bei uns im 6. Stockwerk, ist ja auch viel Publikumsverkehr, daß man also da Menschen gefährdet hat, wo man eigentlich, die technisch ... [x] mit einem Treffen der technischen Anlagen viel größeren Schaden im Hause Springer hätte[y] anrichten können.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich bedanke mich.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Dann darf ich Sie bitten, daß Sie vielleicht Platz nehmen.

Der Zeuge Skolik bleibt bis zu seiner später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Pötter erscheint um 14.28 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Pötter macht folgende Angaben zur Person:

Arndt Pötter, 37 Jahre alt,
Verlagskaufmann, München,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Pötter, wo sind Sie im Mai 72 beschäftigt gewesen?

Zeuge Pö[tter]:

Bei Axel Springer, bei der Bild-Zeitung.

Vors.:

Haben Sie den Sprengstoffanschlag miterlebt?

Zeuge Pö[tter]:

Ja.

Vors.:

Ist es richtig, daß das im 6. Stock gewesen ist?

Zeuge Pö[tter]:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie uns nun bitte schildern wollten, was Sie beobachtet haben und ob Sie selbst verletzt worden sind.

Welche Folgen eingetreten sind?

Zeuge Pö[tter]:

Es war am Pfingstfreitag, wir hatten in meinem Zimmer im 6. Stock um 15.00 Uhr eine Konferenz mit, ich glaube, etwa 8 Herren anberaumt. Bei dieser Konferenz war Herr [9115] Skolik auch dabei. Die Konferenz fing mit etwa 10 Minuten Verspätung an und wir waren schätzungsweise 20 Minuten dabei, als im 3. Stock, wie wir hinterher erfuhren, eine Detonation erfolgt war, von der wir nichts wußten, natürlich nicht wissen konnten, um was es sich handelte.

Wir sind, glaube ich, vollständig aus unserer Konferenz rausgegangen, auf den Flur des Hauses. Haben vorne auf die Kaiser-Wilhelm-Straße ... nein, Entschuldigung auf die Fuhlentwiete heruntergeschaut, um nach der Ursache dieser Detonation zu suchen und waren im Begriff, wieder in unser Zimmer zurückzugehen. Ich hatte das Glück, daß ich wohl ziemlich der erste war, der wieder ins Zimmer zurückgegangen war. Ich wollte meinen Chef oben im 12. Stock anrufen und in dem Moment, als ich am Telefon stand, detonierte die 2. Bombe. Wie ich hinterher erfuhr, offensichtlich wohl in der Damentoilette, dieses Zwischenstockwerkes im 6. Stock etwa Luftlinie 4, 5 Meter von mir entfernt. Wir sind, nachdem das Haus dann in den späteren Abendstunden freigegeben worden war, bin ich nochmal dort oben hingegangen und fand auf dem Schreibtisch des Sekretariats, von wo ich telefoniert hatte, einen ziemlich großen Steinbrocken, nach meiner Erinnerung etwa dieses Ausmaßes.

Der Zeuge zeigt die Steinbrocken in einem Durchmesser von ca. 40 cm. an.

Ich stand also unmittelbar daneben. Wenn mich der getroffen hätte, könnte ich mir also ausrechnen, was geschehen wäre. Die Auswirkung für mich selbst war die, daß ich hin in Richtung zum Fenster weggedrückt worden bin, von der Detonationswelle, unter Trümmern habe ich mich aufraffen können. Ich selbst habe Riesenglück gehabt und habe außer einem zeitweiligen Schock und einiger Prellungen nichts weiter abbekommen.

Vors.:

Keine Folgen verblieben?

Zeuge Pö[tter]:

Nein.

Vors.:

Haben Sie nun das, die Detonation noch im Sekretariat erlebt, oder?

Zeuge Pö[tter]:

Schon im Sekretariat.

Vors.:

Ja, Sie sagten ja, Sie wollten wieder zurückkehren.

Zeuge Pö[tter]:

Wir standen draußen auf dem Flur und guckten runter aus dieser Glasfront und ich war wie gesagt, einer der ersten, [9116] wenn nicht der Erste, das weiß ich nicht, der also schon wieder auf dem Weg zurück war. Ich war also im Begriff zu telefonieren, als die zweite Bombe losging.

Vors.:

Haben Sie bei der Explosion irgendwelche Beobachtungen gemacht über die Folgen, die eintreten. Etwa über zusammenstürzende Bauteile oder herumfliegende Trümmerstücke?

Zeuge Pö[tter]:

Nein, es war eine völlige Finsternis. Es war eine Riesenstaubwolke und was mich besonders unangenehm erinnerte, war irgendein plätscherndes Geräusch. Es[z] sind ja dort in der Nähe der Toiletten Wasserleitungen[aa] gewesen.

Wir hatten also in diesem Moment, das erinnere ich sehr wohl, daß ich mir gesagt habe, ein Fluchtweg nach ... also hin zum Detonationspunkt schien mir gefährlich zu sein, weil ich ja nicht wußte und nicht sehen konnte, ob Decken wegfallen oder dergleichen. Wir sind dann auch, weil wir Atemnot einfach hatten, es war alles voll Staub und dreckig, zum Fenster. Ich stand also, wie gesagt, dann, durch die Druckwelle, praktisch neben dem Fenster. Wir haben das Fenster geöffnet und haben da überhaupt erst mal Luft geschnappt. Und dann fiel Herrn Skolik, glaube ich, ein[bb], daß wir durch puren Zufall dort gerade Bauarbeiten vor der Fassade hatten und eine Leiter, eine Gerüstleiter vorfanden, und über die sind wir dann runtergeklettert.

Vors.:

Man kann schon anhand Ihrer Schilderung erkennen, eine Vorwarnung ist Ihnen nicht gegeben worden?

Zeuge Pö[tter]:

Nein.

Vors.:

Wie waren die Verhältnisse damals, wenn gewarnt worden wäre. Nehmen wir an, es wäre ein Anruf in der Telefonzentrale eingegangen, wie hätte man damals dann die Warnung an die einzelnen Abteilungen weitergeben müssen? Gab es da eine zentrale Alarmanlage oder hätte das telefonisch an die einzelnen Abteilungen weitergereicht werden müssen?

Zeuge Pö[tter]:

Ich bin etwas überfragt. Es gab aufgrund der Ereignisse Ostern 67[5] in diesem Hause natürlich gewisse Vorkehrungen. Es gab eine Einsatzzentrale, wo solche Anrufe dann sofort hingeleitet worden wären. Aber meines Wissens hätte wohl doch per Telefon die Warnung weitergegeben werden müssen.

[9117] Vors.:

So daß man wohl davon ausgehen muß, bei der Größe des Gebäudes und auch bei der Zahl der dort Beschäftigten, daß einige Zeit vergangen wäre, bis eine Räumung zuwege gebracht ...

Zeuge Pö[tter]:

Unbedingt.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Berichterstatter, bitte.

Richter Ma[ier]:

Wissen Sie heute noch, wieviel Personen zum Zeitpunkt der zweiten Explosion sich in diesem Sekretariat, von dem Sie gesprochen haben, befunden haben?

Zeuge Pö[tter]:

Das kann ich beim besten Willen nicht genau sagen.

Ich meine, mich zu erinneren, daß Herr Skolik ziemlich hinter mir oder sogar einen Schritt vor mir gegangen sein müßte, das weiß ich nicht. Wir sind jedenfalls, nachdem wir uns also aus den Trümmern haben hochrappeln können, haben wir wohl unmittelbar nebeneinander an dem Fenster gestanden. Ich kann mich nicht erinnern, ob noch jemand im Sekretariat drin gewesen ist.

Richter Ma[ier]:

Haben Sie eine Vorstellung, wieviel Beschäftigte damals in dem ganzen Gebäude tätig waren?

Zeuge Pö[tter]:

Meinen Sie in dem Gebäudetrakt, in dem betroffenen oder ...

Richter Ma[ier]:

Insgesamt in dem ganzen Gebäudekomplex, in den 12 Stockwerken.

Zeuge Pö[tter]:

Es war Pfingstfreitag, das ist Produktionstag für die umfangstarken Wochenendausgaben. Ich könnte mir vorstellen, ungefähr 4000 Menschen.

Richter Ma[ier]:

4000. Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Bundesanwaltschaft? Nicht. Verteidigung? Nicht ... Verzeihung, halt, Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte um Entschuldigung.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, können Sie ausschließen, daß ein Warnsystem bestand, von dem Sie nichts wußten und das ermöglicht hätte, daß man das Gebäude relativ schnell hätte räumen können?

Zeuge Pö[tter]:

Also mir ist nicht bewußt von einem Warnsystem, das geeignet gewesen wäre, bei der Größe des Hauses und der Personenzahl für einen so kurzfristigen und unvorhergesehenen Fall, das Haus zu räumen.

[9118] RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, das haben Sie bereits gesagt, auf Frage des Herrn Vorsitzenden, deswegen habe ich Sie gefragt, ob Sie es ausschließen können. Und das ist etwas anderes, ob [cc] Ihnen etwas bewußt ist oder ob Sie etwas ausschließen können.

Zeuge Pö[tter]:

Darf ich Sie dann bitten, doch nochmal die Frage zu wiederholen.

RA Schn[abel]:

Ja. Ob Sie ausschließen können, ausdrücklich ausschließen, daß ein solches System bestand, von dem Sie eben nichts wußten, und das dann die Möglichkeit beinhaltet hätte, das Gebäude relativ schnell zu räumen.

Zeuge Pö[tter]:

Ich möchte das ausschließen.

RA Schn[abel]:

Danke.

Vors.:

Dankeschön, Herr Pötter, wenn Sie jetzt Platz nehmen wollen, dann jetzt ...

RA Schn[abel]:

... Zusatzfrage stellen, Herr Zeuge ...

Sie sagen jetzt, Sie möchten das ausschließen.

Zeuge Pö[tter]:

Ich schließe es aus.

RA Schn[abel]:

Und weshalb schließen Sie es aus? Wissen Sie alles, was im Gebäudekomplex Springer denn passierte oder nicht passierte. Sie haben doch vorhergesagt, Sie wüßten es nicht so genau und seien überfragt. Das war das ursprüngliche, was Sie sagten, auf die Fragen des Herrn Vorsitzenden. Sie fühlten sich etwas überfragt. Und jetzt, wenn man etwas präziser wird, sagen Sie aber ganz klar, „Nein, das schließe ich aus.“ Das stimmt doch dann nicht mit dem überein, was Sie am Anfang sagten. Dann wären Sie nämlich dort nicht überfragt gewesen.

Zeuge Pö[tter]:

Ich habe damals im Springer-Haus die Position des stellvertretenden Verlagsleiters der Bild-Zeitung bekleidet. Und meine, daß ich im Rahmen dieser Position über solche Warnsysteme hätte informiert sein müssen.

So gesehen kann ich es ausschließen. Es ist vielleicht nicht 100 %ig auszuschließen, daß bei der Größe des Hauses hier auch einmal eine Kommunikationslücke entstanden sein kann.

RA Schn[abel]:

Eben, und wenn es nicht 100 %ig auszuschließen ist, wie Sie selber sagen, können Sie es eben nicht ausschließen.

Zeuge Pö[tter]:

Ich für mich ja.

RA Schn[abel]:

Nein, auch Sie nicht für Sie. Das hat nichts damit [9119] zu tun. Sie sagen doch selber, es hätte eine Lücke sein können, die Sie sogar einräumen. Können Sie es also auch nicht ausschließen?

Vors.:

Der Herr Zeuge hat gesagt, er könne nicht ausschließen, daß eine Kommunikationslücke bestanden hätte. Das würde also gleichlautend sein dazu, so verstehe ich es jedenfalls, daß er ausschließen kann, daß ein System dieser Art bestanden hat. Und gerade weil er meint, es hat keines bestanden, deswegen bestätigt er, daß es möglich sei, daß dadurch eine Lücke entstanden ist. Oder habe ich das falsch verstanden?

RA Schn[abel]:

Nein, nein das ist also ... ja sicher nur ist[dd] das also in sich nicht logisch. Also wenn er das eine ausschließen kann, dann kann er das andere auch ausschließen oder kann er beides nicht ausschließen. Ich kann nicht zum einen sagen, es könnte unter Umständen eine Lücke bestehen, von der ich nichts weiß. Aber ich schließe es aus. Das geht eben nicht zusammen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich dazu bemerken. Ich habe es so verstanden - es mag sein, daß ich das falsch verstanden habe - daß er meint, eine Kommunikationslücke innerhalb der gesamten Zahl der Angestellten, daß die eben dadurch bedauerlicherweise nicht rechtzeitig verständigt werden konnten ...

RA Schn[abel]:

Nein, nein ...

Vors.:

Aber wenn Sie meinen, Sie hätten es vielleicht doch nicht erfahren und das umschrieben haben mit der Kommunikationslücke, dann ist der Vorhalt natürlich gerechtfertigt.

RA Schn[abel]:

Ja eben und so habe ich es auch verstanden. Denn um nichts anderes geht es ja. Ich meine, ich frage ja den hiesigen Zeugen nach seinem eigenen Wissen und nicht nach dem, wo irgendwelche Lücken, beim Portier oder sonstwo bestehen. Das kann er ja nicht wissen.

Vors.:

Der Herr Zeuge hat seine Funktion ja beschrieben und deswegen wäre es für ihn natürlich schon wichtig, daß er auch über die Gesamtzahl ein bißchen Überblick hatte. Aber Sie haben jetzt wahrscheinlich ...

RA Sch[nabel]:

Sicher, wobei zu der Funktion, möchte ich noch eines [9120] dazu gleich fragen jetzt. Sie sagten, Sie seien stellvertretender Verlagsleiter der Bild-Zeitung gewesen. Wieviel Zeitungen, abgesehen von der Bild-Zeitung, sind denn dort in diesem Haus hergestellt worden. Das wirft, ich stelle, ich sage es ganz offen, ich stelle diese Frage deswegen, um diesen sogenannten stellvertretenden Verlagsleiter eben nicht ganz oben anzusiedeln. Denn man wird wahrscheinlich sehen, wenn man dann hört, wieviel dort produziert wird, daß der stellvertretende Verlagsleiter wohl nicht zum Top-Management gehört.

Vors.:

Insofern ist die Frage berechtigt und zulässig.

Zeuge Pö[tter]:

Da müßte man überlegen, wo das Top-Management beginnt. Ich folge aber durchaus dem Herrn Rechtsanwalt, daß bei der Größe des Hauses es eine ganze Anzahl von Managern gegeben hat, die über mir standen, ohne Frage.

RA Schn[abel]:

Gut und [ee] besteht jetzt[ff] nicht, und das jetzt wieder die ursprüngliche Frage, die Möglichkeit, daß eben innerhalb dieses Top-Managements, zu dem Sie, wie Sie selbst sagten, nicht gehörten, eben ein solches System vereinbart war. Und Sie eben von dem dann nicht unterrichtet waren, weil Sie eine Stufe drunter standen.

Zeuge Pö[tter]:

Nein, genau das habe ich ausgeschlossen.

RA Schn[abel]:

Gut danke.

Vors.:

Jetzt möchte ich mich aber vergewissern, bevor ich Herrn Pötter bitte, Platz zu nehmen. Keine Fragen mehr? Ja, jetzt stimmt es.

Der Zeuge Pötter bleibt bis zu seiner später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Berkenbaum erscheint um 14.41 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Berkenbaum macht folgende Angaben zur Person:

Wolfgang Berkenbaum, 47 Jahre alt,
Chef-lay-Outer, Hamburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

[9121] Vors.:

Haben Sie den Sprengstoffanschlag im Mai 1972 auf das Springer-Hochhaus miterlebt?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja.

Vors.:

Bitte, wenn Sie uns schildern wollen wo? Welchen Hergang Sie wahrnehmen konnten und ob Sie irgendwelche Verletzungen davongetragen haben?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Es war so gegen Viertel vor Vier, das war die Zeit, wo ich gerade in den 4. Stock wollte, um einige Vorproduktätzungen zu holen. Dabei kam mir also aus dem Paternoster jemand entgegen. Der sprang also etwas hastig raus. Das war also mein Glück, weil ich dadurch rechts auswich und praktisch am Lastenfahrzug stand. Und in dem Moment gab es also einen Knall und einen Feuerschein und dann lag ich auch schon vor dem Paternoster, eingehüllt in Dreck und Staub und Scherben. Und das war im Grunde das, was ich also da erlebte. Ich kroch dann hoch, bin also noch eine Etage höher gegangen. Und dachte „Moment“, nachdem also unten was passiert war, jetzt im 6., „vielleicht passiert also oben was“. Bin also wieder runter, in den 6. Stock und dann über den Notausgang auf die Straße zur unserer Unfallstation und dort wurde ich also dann von der Ärztin in einen Krankenwagen geschickt und kam dann ins Hafenkrankenhaus, wo wir dann untersucht wurden. Es wurde also der rechte Arm genäht, eine Verletzung, eine Schnittwunde, im Gesicht hatte ich mehrere Schnittwunden, Brandwunden am rechten Oberschenkel 1. Grades.

Vors.:

Sind diese Verletzungen ohne Komplikationen und ohne Folgen verheilt?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, die sind soweit verheilt, daß also das ausgestanden ist.

Vors.:

Sie haben also im 6. Stock die Detonation miterlebt?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, im 6. Stock.

Vors.:

Hatten Sie vorher schon wahrgenommen, daß eine Detonation im Hause stattgefunden hatte?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, eine Detonation schon ...

Vors.:

Ich meine, hatten Sie das Geräusch gehört?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ein Geräusch habe ich gehört, ja. Aber da wir einige Maschinen im Hause haben, war also da nicht sofort draus zu schließen, daß das nun eine Bombe sein könnte.

[9122] Vors.:

Haben Sie später einen Eindruck bekommen können oder gar gleich einen Eindruck bekommen, wo nun das Zentrum der Detonation im 6. Stock gewesen sein muß?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, das habe ich, weil ich ja unmittelbar, vielleicht 4 Meter davon entfernt gestanden habe und praktisch die Detonation also miterlebt habe.

Vors.:

So daß Sie also in direkter Linie auf diese Stelle sehen konnten?

Zeuge Ber[kenbaum]:

In direkter Linie, auf die Stelle.

Vors.:

Wir haben hier eine Skizze aufgelegt, wenn Sie sie mal benützen wollen.

Der Zeuge besichtigt die Skizze aus Ordner 66, Blatt 200/1.

Vors.:

Sie sehen hier diesen Stern in der Mitte, das soll die Sprengstelle sein.

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja.

Vors.:

Oberhalb des Sterns sind die Redakteurräume, die Büros für die Redakteure und nun, wo wären Sie gewesen, wenn Sie uns das auf der Skizze bezeichnen können? Wenn Sie also nach unten schauen, dort steht das Wort Aufzüge, das scheint die Richtung zur Fuhlentwiete zu sein.

Waren Sie in diesem Bereich?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, ich war direkt dem Paternoster gegenüber.

Vors.:

Und welches ist der Paternoster, wir haben hier also die Aufzüge charakterisiert, durch diese zwei Kreuze innerhalb von kleinen Kästchen. Und da ist ein großer Aufzug.

Zeuge Ber[kenbaum]:

Direkt am großen Aufzug, bevor der Weg, wo also die Fensterfront ist.

Vors.:

So daß Sie also schon um die Ecke dieses Aufzugs herum waren und dadurch ...

Zeuge Ber[kenbaum]:

Nein, da war ich noch nicht, Gott sei Dank, wenn ich nämlich rum gewesen wäre, wäre ich vermutlich durch den Sog durchs Fenster geflogen.

Vors.:

Wenn Sie uns das vielleicht hier anhand der Skizze nochmals verdeutlichen würden.

Der Zeuge erläutert am Richtertisch anhand der Skizze aus Ordner 66, Blatt 200/1 seinen Standort.

Vors.:

Irgendwelche Wahrnehmungen vorher, die auf das Ereignis hindeuteten?

[9123] Zeuge Ber[kenbaum]:

Nein, das habe ich nicht gehabt.

Vors.:

Sie selbst fühlten sich auch offenbar durch diesen vorher vernommenen Knall nicht vorgewarnt?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Nein.

Vors.:

Danke.

Dem Zeugen wird die Fotografie aus Ordner 66, Blatt 148 vorgelegt, mit der Bitte, es daraufhin anzusehen, ob sich ihm damals schon der Zustand des Gebäudes im 6. Stock so dargeboten hat.

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, das habe ich so gesehen.

Vors.:

Sie können also diesen Zustand, wie er hier wiedergegeben ist, bestätigen?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja.

Vors.:

Danke. Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Berichterstatter, bitte.

Richter Ma[ier]:

Sie schätzen die Entfernung auf 4 Meter, also wenn man hier auf der Skizze, die maßstabsgerecht sein soll, das abmißt, könnten es auch 5 bis 6 Meter gewesen sein.

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, also ich will mal so sagen, das war ja eine Toilette und von da aus sind es höchstens 4 Meter bis zur Türe, ich habe also die Türe gerechnet.

Richter Ma[ier]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Eine einzige Frage, Herr Zeuge, können Sie sagen, wie es zu diesen Verbrennungsverletzungen bei Ihnen gekommen war?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Ja, das habe ich erst nicht festgestellt. Erst im Krankenhaus merkte[gg] ich, daß also mein Bein rechts schmerzte. Und daraufhin habe ich also in die Tasche gefaßt und habe also ein[hh] Metallstück, etwa in dieser Größe,

Der Zeuge zeigt mit der Hand die Größe des Metallstückes mit ca. 3 cm an.

aus der Tasche geholt. Und das habe ich also dem Beamten gegeben. Was dann damit geschehen ist, weiß ich nicht. Es war also, noch als ich es im Krankenhaus rausholte, lauwarm.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke.

[9124] Vors.:

Wobei das natürlich die Körperwärme auch gewesen sein könnte, oder war es deutlich wärmer?

Zeuge Ber[kenbaum]:

Nein, es war deutlich wärmer.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

Der Zeuge Berkenbaum bleibt bis zu seiner später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Ahrens erscheint um 14.50 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Ahrens macht folgende Angaben zur Person:

Willi Ahrens, 61 Jahre alt,
Schriftsetzer, Hamburg 54,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Ahrens, als Schriftsetzer sind Sie zur Zeit des Sprengstoffanschlages auf das Springerhochhaus dort beschäftigt gewesen?

Zeuge Ahr[ens]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie den Anschlag miterlebt?

Zeuge Ahr[ens]:

Ja.

Vors.:

Können Sie uns bitte sagen, wo Sie waren im Zeitpunkt der Detonation, wie Sie den Hergang beobachtet haben und ob Sie verletzt worden sind.

Zeuge Ahr[ens]:

Ja, ich stand an meinem Arbeitsplatz, ich hatte Spätschicht und da rechts war der Korrektorenraum und ich ging vielleicht 15.38 Uhr ging ich raus in den Waschraum, habe noch meine Tasse saubergemacht. Habe mir Tee aufgebrüht und habe die wieder auf meinen Arbeitsplatz gestellt. Da ging die Bombe hoch. Kam eine Qualmwolke und ich wurde hier verletzt und am Rücken und da habe ich mich erstmal hingesetzt und kurz danach ging die zweite Bombe hoch. Dann bin ich runter gekommen mit noch einem Kollegen und dann kamen wir in den Notarztwagen rein. Das war alles und ins Krankenhaus.

Vors.:

Sie sagten, Sie seien getroffen worden, offenbar am Kopf. Haben Sie feststellen können, was das für ein ...

Zeuge Ahr[ens]:

Glasblätter, da war Glas drin, das wurde im Krankenhaus rausgeholt.

[9125] Vors.:

Sind in die Setzerei sonstige Trümmerstücke reingeflogen?

Zeuge Ahr[ens]:

Das kann ich nicht sagen, Mauerbrocken und alles.

Auf meinem Arbeitsplatz lag so ein Fensterglas, so dick,

- der Zeuge deute die Dicke mit ca. 3 cm an. -[ii]

das war mir auch da hin, das habe ich gar nicht gemerkt. Das war an mir vorbeigeflogen, ich weiß das nicht.

Vors.:

Und diese Verletzungen, können Sie die etwas näher beschreiben. Sind Sie, sagen wir mal, war das eine Platzwunde, die vernäht werden mußte oder ...

Zeuge Ahr[ens]:

Ja, es ist genäht worden und ich bin dann abends wieder nachhause gekommen und war dann ungefähr 4 Wochen arbeitsunfähig.

Vors.:

Sie haben früher noch angegeben dazu eine Armverletzung.

Zeuge Ahr[ens]:

Ja, am Arm war ich verletzt und am Rücken noch.

Vors.:

Und welcher Art waren nun die Verletzungen.

Zeuge Ahr[ens]:

Das waren Prellungen, da ist irgendwas gegengeflogen. Das war alles blau und dick.

Vors.:

Und keine Folgen verblieben?

Zeuge Ahr[ens]:

Nein.

Vors.:

Zu wievielt waren sie in der Setzerei?

Zeuge Ahr[ens]:

Ca. 30. Eine Schicht sind immer ungefähr 30 Mann.

Vors.:

Und wieweit ist nun der Platz, den Sie eingenommen haben, entfernt von der Klimaanlage im 3. Stock.

Zeuge Ahr[ens]:

Das ist so ungefähr bis zur Wand, etwas weiter.

Vors.:

Das wäre also eine ...

Zeuge Ahr[ens]:

Da ist die Klimaanlage gewesen.

Der Zeuge deutet auf eine Wand, die ca. 8 bis 10 Meter von ihm entfernt ist.

Vors.:

Ist sonst noch in der Setzerei irgendjemand dagewesen, der verletzt worden wäre.

Zeuge Ahr[ens]:

Ja, da waren mehrere. Wir sind ja mit etlichen Leuten ins Krankenhaus gekommen.

Vors.:

Können Sie sagen, wer die Verletzten gewesen sind? Wüßten Sie das heute noch?

Zeuge Ahr[ens]:

Ja, Hans Szichon, weiß ich, war dabei, Franz Tiefner ...

Vors.:

Sind die Verletzungen dieser Herren, die Sie jetzt erwähnen, gewichtiger[jj] gewesen, als die, die Sie selbst erlitten haben?

Zeuge Ahr[ens]:

Nein.

Vors.:

Dann hat es Sie in der Setzerei am stärksten erwischt.

[9126] Zeuge Ahr[ens]:

Das kann man sagen, ja.

Vors.:

Danke. Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Bitte Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, wenn der Herr Zeuge vielleicht auch auf der Skizze in etwa angibt, wo er gestanden war.

Vors.:

Können wir noch machen.

Der Zeuge besichtigt die Skizze aus Ordner 66, Blatt 200/3.

Vors.:

Und nun sehen Sie in der Bildmitte oben angeschrieben ca. 30 Personen, es geht ein Pfeil runter, der zeigt auf die Setzerei. Hier eingetragen sind die Namen Szichon, Gerdes ...

Zeuge Ahr[ens]:

Gerdes, ja, der war auch damit bei.

Vors.:

Und waren Sie nun im Bereich dieser Person oder unten, wo der Name ...

Zeuge Ahr[ens]:

Nein, ich war ungefähr in gleicher Höhe wie Gerdes. Also etwas vor Gerdes und denn da, wo Zichon steht.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen dazu? Ich sehe nicht. Die Herren Verteidiger? Ebenfalls nicht. Können wir die Zeugen vereidigen? Keine Einwendungen.

Die Zeugen Hiller, Skolik, Pötter, Berkenbaum und Ahrens werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 14.55 Uhr entlassen.

Vors.:

Wir haben damit das heutige Zeugenprogramm erledigt. Am kommenden Dienstag sind vorgesehen vormittags folgende Zeugen: Horster, Kleidt, Sellmann, Schilke, Witte, Lechte, Meyer, Kern, Burzlaff und Schiller. Und nachmittags die Sachverständigen Dr. Kissling und Dr. Grooß. Folgende Ordner sind maßgeblich, das ist nun eine ziemlich große Liste, das ergibt sich aus der, dem Gutachten, die eben in verschiedenen Ordnern zu finden sind. Die Ordner 54, 66 bis 68, 71/2, 77, 88, 91 und 115. Damit ist die Sitzung heute beendet. Fortsetzung am Dienstag um 9.00 Uhr.

Ende der Sitzung 14.56 Uhr.

Ende des Bandes 510.

Siegel des Oberlandesgerichts Stuttgart am 27. Februar 1978 zur Anfertigung von Fotokopien gelöst.

Am 6. März 1978 nach Prüfung und Versiegelung wieder geschlossen.

Karlsruhe, den 6. März 1978


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[5] Gemeint ist vermutlich Ostern 1968. Das Attentat auf Rudi Dutschke am Gründonnerstag, dem 11. April 1968, löste schwere Straßenunruhen aus. In West-Berlin richtete sich die Empörung vieler Protestierender gegen den Axel-Springer-Verlag, der aufgrund von vorangegangenen Kampagnen gegen den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und Dutschke selbst mittelbar für dessen Tod verantwortlich gemacht wurde. In der Nacht auf den 12. April 1968 versuchten sie, das Springer-Gebäude in Kreuzberg zu stürmen. Die Polizei konnte zwar die Stürmung des Gebäudes verhindern; den Protestierenden gelang es jedoch, Hallen und Fahrzeuge auf dem Verlags-Gelände in Brand zu setzen (Kraushaar, in Ders. [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 1075, 1088 ff.; Siegfried, 1968, 2018, S. 163 f.).


[a] Maschinell eingefügt: hat

[b] Maschinell eingefügt: gewesen

[c] Maschinell eingefügt: an

[d] Maschinell eingefügt: ist

[e] Maschinell ergänzt: annehmen

[f] Handschriftlich ergänzt: eher

[g] Maschinell eingefügt: Das waren

[h] Maschinell eingefügt: noch

[i] Handschriftlich ersetzt: Fragestellung durch Fragen stellen

[j] Maschinell eingefügt: runter

[k] Maschinell eingefügt: noch

[l] Maschinell durchgestrichen: Zg.Sch

[m] Maschinell eingefügt: es müßten

[n] Maschinell eingefügt: Wir

[o] Handschriftlich ergänzt: merkten

[p] Maschinell durchgestrichen: werden

[q] Maschinell ersetzt: anwesend durch nunmehr auch anwesend

[r] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[s] Handschriftlich eingefügt: geb.

[t] Maschinell eingefügt: Hiller

[u] Maschinell eingefügt: noch

[v] Handschriftlich ersetzt: Vors durch Voss

[w] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[x] Handschriftlich durchgestrichen: bedingt

[y] Maschinell ersetzt: später durch hätte

[z] Maschinell ersetzt: Wir durch Es

[aa] Maschinell ergänzt: Wasserleitungen

[bb] Maschinell eingefügt: ein

[cc] Maschinell durchgestrichen: ich

[dd] Maschinell ersetzt: logisch durch nur ist

[ee] Maschinell durchgestrichen: die

[ff] Maschinell ersetzt: das durch jetzt

[gg] Handschriftlich ergänzt: merkte

[hh] Handschriftlich durchgestrichen: mein

[ii] Maschinell eingefügt: - der Zeuge deute die Dicke mit ca. 3cm an. -

[jj] Handschriftlich ergänzt: gewichtiger