[9600] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 11. Mai 1976, um 9.15 Uhr.
(109. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft, mit Ausnahme von OStA Holland, erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko und
Just.Ass. z. A. Scholze.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind anwesend:
RAe Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke und Grigat.
Einige Zuschauer bleiben beim Eintritt des Gerichts sitzen.
Vors.:
Ich bitte, Platz zu nehmen.
Wir setzen das Verfahren gegen die Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe fort.
Das Verfahren gegen Frau Meinhof ist infolge ihres Todes beendet; die Verteidigeraufträge sind damit erledigt. Ich darf mich für Ihre Mitwirkung bedanken.
Die RAe König und Linke verlassen um 9.16 Uhr den Sitzungssaal.
Ich habe eben beim Eintreten festgestellt, daß ein Teil der Zuhörer sich nicht erhoben hat; auch ein Herr, der von der Presse kommt. Ich bitte, daß die Herrn Wachtmeister, die heute Sitzungsdienst haben, hier an den vorderen Plätzen - zum Teil [9601] wenigstens - Platz nehmen, vielleicht Herr Kümmerle, und den Saal von vorne im Auge behalten.
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß Provokationen, die hier im Saal heute stattfinden sollten, die Gefahr in sich bergen, daß Sie die Gelegenheit nicht mehr haben, dieser Sitzung weiter zu folgen.
Herr RA Oberwinder hat Vollmacht für Herrn Baader vorgelegt. Er war bislang Verteidiger Frau Meinhofs. Der Senat hat bei Erwägung der Umstände keine aus § 146 StPO[2] erwachsenden vordringlichen Bedenken dagegen, daß Herr RA Oberwinder die Verteidigung von Herrn Baader übernimmt, nachdem Frau Meinhof verstorben ist.
Ich darf die Beteiligten auf folgendes hinweisen:
Der Schriftsachverständige Hecker, der geladen ist auf Donnerstag, den 13.5., 14.00 Uhr, wird noch zu drei weiteren Gutachten gehört - ich gebe die Daten an und die Fundstellen. Es handelt sich um das Gutachten vom 5.7.1972 Ordner 81 Bl. 73;
RA Dr. Heldmann und RA Kopp erscheinen um 9.19 Uhr im Sitzungssaal.
vom 6.10.1972 Ordner 81 Bl. 43;
vom 29.8.1972 Ordner 81 Bl. 8/1.
Diese Gutachten haben, um das den Prozeßbeteiligten zu erläutern, bislang zu keinem sicheren Ergebnis bezüglich einer Urheberschaft von Herrn Raspe geführt. Der Senat hat den Herrn Sachverständigen gebeten, nochmalige Vergleiche mit der Handschrift von Herrn Raspe anzustellen aufgrund einiger handgeschriebener Zettel, die aus der Gefangenenakte von Herrn Raspe stammen. Auch dazu, wie gesagt, wird sich der Herr Sachverständige dann beim nächsten Mal äußern.
Herr RA Dr. Heldmann, ich gehe davon aus, daß das mit der Übersendung von dem Haftbefehl Hoff in Ordnung geht. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, daß die Überprüfung Ihrer Angabe, Sie hätten auch bei Nachsehen im Protokoll nicht feststellen können, daß Ihnen der Haftbefehl seinerzeit [a] übergeben worden ist, nicht richtig ist. Sie müssen das nicht gefunden haben. In der Tat ist, wie ich Ihnen gesagt habe, dieser Haftbefehl Ihnen [9602] seinerzeit in der Sitzung mit dem Sicherstellungsverzeichnis übergeben worden.
RA Dr. He[ldmann]:
Das ist nicht der Fall.
Vors.:
Ich werde Ihnen nachher die Belegstellen des Protokolls benennen.
RA Dr. He[ldmann]:
Die hat mir Herr Dr. Foth schon benannt in seinem Brief an mich - ich habe sie überprüft. Genau das geht daraus nicht hervor. Aber ich kann es Ihnen auch gerne schriftlich vorlegen oder im einzelnen ausführen. Jedoch denke ich nicht daran, mit Ihnen darüber zu sprechen, mit Ausnahme der Antwort auf Ihre Frage.
RA Oberwinder erscheint um 9.20 Uhr im Sitzungssaal.
Darf ich jetzt einen Antrag stellen?
Vors.:
Darf ich jetzt im Augenblick das Wort weiterergreifen?
Sie haben jetzt die Erklärung dazu gehabt.
Herr RA Oberwinder, wir haben Ihre Verteidigung für Herrn Baader zugelassen.
Sollen irgendwelche Anträge gestellt werden?
Herr RA Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich stelle Antrag
auf Unterbrechung der Hauptverhandlung für zehn Tage.[3]
Durch den Tod von Ulrike Meinhof ist auf der Angeklagtenbank und ist in diesem Prozeß eine völlig neue Situation entstanden. Der für jedermann unerwartete Tod von Ulrike Meinhof hat - man kann es so sagen - engste familiäre Bindungen zerrissen, nämlich die dieser vier Gefangenen hier, die seit sieben Jahren wie eine Familie miteinander leben und von denen jeder des Nächsten nächster Angehöriger ist, des anderen nächster Angehöriger ist. Ich denke, es bedarf nicht vieler Worte, um diese Situation kurz anzuleuchten.
Ich meine, dies sei keine juristische Frage; ich meine, dies sei eine Frage des schlichten Anstands, eine Verhandlungspause, wie sie hier begehrt wird, einzulegen.
Ich denke dabei aber auch an Weiteres:
[9603] Ulrike Meinhofs Todesursache ist unklar.[4] Weder der Familie, ihrer Schwester, die sich seit Sonntag ebenso wie die Verteidiger hier befinden, noch den Verteidigern, ist der Obduktionsbefund bekannt; insbesondere fehlen über den Obduktionsbefund hinaus auch Ergebnisse toxikologische Ergebnisse histologischer Untersuchungen. Sie wissen, es ist über die Medien gelaufen, daß heute im Auftrag der Schwester von Frau Meinhof eine Nachobduktion stattfindet, deren Ergebnis jedenfalls abzuwarten ist.
Der Angeklagte Raspe erscheint um 9.22 Uhr im Sitzungssaal.
Ich sagte: Die Todesursache ist völlig unbekannt.
Die Gefangene selbst, die Verteidiger - und nicht nur wir - haben erhebliche Zweifel an der amtlichen Version, Ulrike Meinhof hätte sich selbst getötet; und diese Zweifel sind bisher durch gegenteilige Stellungnahmen, etwa des Justizministers Bender u. a., nicht einmal am Rande berührt worden, abgesehen davon, daß die amtliche Version sich so oder wie es später hieß, so erhängt zu haben, schon der Grundlage technischer Möglichkeit völlig entbehrt.
RA Schily erscheint um 9.23 Uhr im Sitzungssaal.
Absolut spricht gegen die amtliche Version der Selbsttötung, daß Ulrike Meinhof bis zum letzten Tag, man kann sagen, bis zur letzten Stunde in engem Zusammenhang mit den anderen Gefangenen gearbeitet hat, daß für keinen von ihnen - und wir alle ... diese drei anderen kennen sie sehr gut, sehr nahe - für keinen war[b] auch nur der Anflug eines Signals dafür zu erkennen gewesen. Und das spricht absolut wiederum gegen die amtliche Version der Selbsttötung, daß keinerlei Wort an die Freunde, Worte des Abschieds, Worte der Erklärung zu finden waren.
Die Version, Ulrike Meinhof habe sich selbst getötet, ist unglaubwürdig. Um so mehr muß die Verteidigung darauf bestehen, daß, bevor weiterverhandelt wird, die Todesursache - die wahre Todesursache - bekannt geworden ist; denn es ist unsere - [9604] der hier verbliebenen Verteidiger - dringendes, stärkstes Interesse, Gefahren zu erkennen, die sich etwa aus diesem Ereignis auch für das Leben der noch verbliebenen drei Gefangenen abzeichnen könnten, und solche Gefahren liegen aus mehreren Gründen nahe, von denen ich Ihnen lediglich einen, weil er so häufig ja schon Gegenstand unserer Auseinandersetzungen gewesen ist, in Erinnerung rufe, nämlich:
Jedermann weiß oder kann wissen - und die Verantwortlichen müssen es wissen -, daß Isolationshaft[5] über eine solche Länge von Zeit wie im Falle dieser Gefangenen, nämlich jetzt rund vier Jahre, auch ohne vorherige unmittelbare Ankündigungen durch körperliche Symptome zu einem plötzlichen Tod führen kann. Das ist hinreichend bekannt, daß ich in diesem Raum schon wiederholt ausgeführt habe, aus den Ergebnissen der internationalen Hospitalismusforschung:
Eine adäquate Isolationshaftforschung gibt es bislang nicht, aber die Erscheinungen und die Folgen dieser sind in Erscheinungen[c] und Folgen jener absolut identisch, jedenfalls völlig vergleichbar.
Ich bitte, daß ich hier kurz unterbrechen kann und bitte, dem Wunsch des Herrn Raspe stattzugeben, ebenfalls das Wort zu nehmen.
Vors.:
Ich meine, es wäre gut, wenn Sie Ihren Antrag zu Ende brächten, ...
Angekl. Ra[spe]:
Nein, ich möchte kurz was sagen.
Vors.:
... dann kann Herr Raspe seinen Antrag stellen.
Es besteht kein Grund, daß ein Rechtsanwalt das Wort abgibt, damit ein anderer Prozeßbeteiligter dazwischenredet.
Bitte, fahren Sie in der Begründung Ihres Antrags fort.
RA Dr. He[ldmann]:
Sie können sicher sein, daß ich meinen Faden nicht verlieren werde, ...
Vors.:
Davon bin ich überzeugt - Sie haben’s schriftlich vor sich liegen -, aber ich möchte Sie bitten, Ihren Antrag abzuschließen.
RA Dr. He[ldmann]:
...und es wird sicher den Ablauf dieser Hauptverhandlung nicht stören, wenn Herr Raspe als unmittelbar Betroffener durch den Tod jetzt das Wort nimmt.
Vors.:
Ich bitte Sie jetzt, Herr RA Dr. Heldmann, der Reihe nach die Anträge vorzubringen; ich bitte Sie deswegen auch, Ihren Antrag jetzt abzuschließen.
[9605] RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, müssen Sie sich eigentlich heute wieder in dieser Kleinlichkeit produzieren?
Vors.:
Ich habe Ihnen jetzt das gesagt, Herr Rechtsanwalt. Ich bitte Sie, nicht wieder mit diesen Argumenten zu kommen.
RA Schi[ly] (dazwischenredend):
Doch, Herr Vorsitzender.
Vors.:
Das hat mit Kleinlichkeit nichts zu tun. Sie werden jetzt keine abweichende Stellungnahme erreichen. Im übrigen wüßte ich nicht, daß Sie sich jetzt grade um das Wort bemüht hätten; aber ich nehme an, daß das geschehen ist.
RA Schi[ly]:
Ich habe mich um das Wort bemüht und bemühe mich noch zu einer kurzen Bemerkung:
daß Sie es nicht einmal - Sie haben mir zwar eine Viertelstunde Verzögerung heute zugebilligt -, aber Sie haben mir eine Viertelstunde abgehandelt und haben es nicht einmal für erforderlich gehalten, mein Erscheinen hier im Saale abzuwarten.
Auch das finde ich wieder die Produktion dieser Kleinlichkeit in dieser Situation, Herr Vorsitzender. Das finde ich ... -
Vors.:
Ich glaube, Sie können die Uhr selbst lesen: Es war 9.15 Uhr, als wir hier in diesen Saal gekommen sind - genau um die Viertelstunde hat sich’s gehandelt. Ich glaube, daß es Ihrerseits kleinlich ist, immer mit denselben Methoden kommen zu wollen, um mich hier in dieser Form zu diffamieren, denn der Vorwurf der Kleinlichkeit hat keinen anderen Grund; ich sehe jedenfalls keinen.
RA Schi[ly]
Sie diffamieren sich selbst, Herr Vorsitzender.
Angekl. Ra[spe]:
Ich möchte kurz was sagen.
Vors.:
Nein, Sie haben jetzt nicht das Wort.
Herr RA Dr. Heldmann, ich bitte Sie, den Antrag abzuschließen.
RA Dr. He[ldmann]:
Muß ich eigentlich noch einmal, um diesem Wunsch etwas Leben zu geben, noch einmal drauf hinweisen, daß wir doch alle wissen, daß die Verhandlungsfähigkeit[6] der Gefangenen völlig reduziert ist - Sie selbst haben sie verhandlungsunfähig erklärt[7] -, und daß nach diesem Ereignis vom Sonntag ja wohl nicht erhöhte Anforderungen heute zu stellen sind, und deswegen bitte ich noch einmal, nun Herrn Raspe das Wort zu geben.
[9606] Vors.:
Ich betrachte das als eine Beanstandung.[8]
(nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat entschieden:
Es bleibt dabei. Herr RA Dr. Heldmann soll seinen Antrag fortsetzen.
Der Angeklagte Raspe verläßt um 9.30 Uhr den Sitzungssaal.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich sprach davon, daß die Verteidigung nach diesem völlig ungeklärten Tod von Frau Meinhof nicht in der Lage ist, bevor die Daten, die ich vorhin benannt habe, hier vorliegen, abzuschätzen, in welcher aktuellen Lebensgefahr sich die anderen Gefangenen, unsere[d] Mandanten[e] hier befinden. Auch das gebietet - vorhin sprach ich vom schlichten Anstand, hier spreche ich von der Fürsorge des Gerichts und der unseren, der Verteidiger - das gebietet zunächst, zu prüfen, welche Todesursachen dort und welche aktuellen Gefahren, Lebensgefährdungen für die anderen Gefangenen, die noch übriggeblieben sind. Ich rufe dem Senat diese Fürsorgepflicht für die Gefangenen als eine der wesentlichen richterlichen Aufgaben besonders in Erinnerung, und ich habe meine Gründe dafür:
Sie selbst erinnern sich, daß etwa Frau Meinhof vor ca. einem halben Jahr bereits einen schweren Kreislaufkollaps erlitten hatte mit vorübergehender Bewußtlosigkeit;
Sie erinnern sich, daß die von Ihnen berufenen ärztlichen Sachverständigen dringend Therapierung im umfassenden Sinne internistisch wie psychologisch-psychiatrisch gefordert haben, Therapierung in umfassendem Sinne, Therapierung nämlich, wegen der von Sachverständigen - von Ihren Sachverständigen - festgestellten schwerwiegenden Isolationsschäden.
Ich erinnere Sie, daß Ihr Sachverständiger Prof. Rasch in seinem Schreiben vom 7.11. ausgeführt hat - 7.11.1975 -:
„Ich hatte in meinem Schreiben an den Senat vom 22.9.1975 bereits darauf hingewiesen, daß die entscheidenden Behandlungsmaßnahmen auf psychiatrischem Gebiet in einer Änderung der Haftbedingungen mit Ermöglichung größerer sozialen Interaktionen liegen würden.“
[9607] Und es ist wiederholt hier vorgetragen worden, daß als eine dieser Voraussetzungen für eine Therapie die größere soziale Interaktion notwendig sei, nämlich eine Gruppe von um die zehn Personen, daß um die notwendige, sagen wir sensorische Nahrung den Gefangenen zuzuführen, die Kleinstgruppe von vier Personen nicht ausgereicht hat und nicht ausreichen kann. Ich erinnere Sie, daß Prof. Rasch bereits zwei Monate vorher als in jenem Schreiben, nämlich in seiner Stellungnahme vom 10. September 1975, ausgeführt hat, daß Untersuchungen, die vergleichbare Isolationsbedingungen, wie sie bei diesen Gefangenen vorliegen, zum Gegenstand hatten, bislang nicht bekannt sind und daran geschlossen hat - ich zitiere:
„... daß die für die Angeklagten gegebenen Haftbedingungen der Einleitung einer angemessenen Behandlung entgegenstehen bzw. eventuell zu einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes führen“.
Der Angeklagte Raspe erscheint wieder[f] um 9.32 Uhr im Sitzungssaal.
Es ist bekannt, daß der sowohl in Hamburg[9] als auch in Kaiserslautern[10] zum Sachverständigen berufene Arzt Dr. Stoevsant noch deutlicher, noch wörtlicher auf die Lebensgefahr bei Fortsetzung dieser Haftbedingungen hingewiesen hat.
Sie erinnern sich, daß unsere wiederholten Anträge im Anschluß an die letzten der ärztlichen Stellungnahmen, aus einer derselben ich eben zitiert habe, unsere Anträge, nämlich nunmehr die ärztlich als zwingend gebotene erachtete Therapie durch Ärzte des Vertrauens, durch Beschluß dieses Senats abgelehnt worden ist und daß auch die wiederholten Anträge, etwa in der zweiten Novemberhälfte vorigen Jahres, auf eine der ärztlichen Sachverständigengutachten entsprechende Äußerung der Haftbedingungen vom Senat zurückgewiesen worden sind.
Es ist heute in diesem Prozeß darum als prozessuale Maßnahme nichts dringender geboten, als eine sofortige erneute Untersuchung der verbliebenen Gefangenen. Überflüssig, daran zu erinnern, daß von ursprünglich fünf Angeschuldigten noch drei vorhanden sind[11] und das gebietet nicht nur der Verteidigung, [9608] das, was ich hier beantragt habe, was ich als Begründung ausgeführt habe für den gestellten Unterbrechungsantrag, das gebietet auch dem Gericht als die dringlichste prozessuale Maßnahme, hinter der jede andere zurückstehen muß, sofort ärztliche, vertrauensärztliche Untersuchungen der verbliebenen drei Gefangenen einzuleiten, und ich bitte das Gericht, nicht abermals [g] wie monatelang im vergangenen Jahr, solchen Anträgen der Verteidigung mit der Stereotype, wie damals stets gebraucht, zu begegnen, um solche Anträge vom Tisch zu bekommen, nämlich:
Solcher Antrag zielte auf Prozeßverschleppung.
Ich denke, daß sich das Gericht eine solche Erwiderung nicht mehr leisten kann, nachdem es selbst dieses Verfahren mit einer Fülle von Unglaubwürdigkeiten belastet hat, dadurch etwa, daß monatelang die Anträge der Verteidigung auf Feststellung der Verhandlungsfähigkeit zurückgewiesen worden sind.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, hat das noch was zu tun mit dem Antrag auf Unterbrechung für zehn Tage?
RA Dr. He[ldmann]:
Gewiß, sonst würde ich’s nicht vortragen.
Vors.:
Den Eindruck habe ich nicht mehr; ich habe den Eindruck, daß Sie im Augenblick dabei sind zu begründen, warum die Angeklagten untersucht werden sollen.
Wir haben uns wohl nach längerem Hin und Her darüber verständigen können, daß das nicht Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung[12] mehr ist, sondern außerhalb der Hauptverhandlung genauso geschehen kann.
Ich bitte Sie, also jetzt zum Kern der Dinge zu kommen.
Wir sind bereit, den Antrag vor der Fortführung der Beweisaufnahme auf Unterbrechung vollinhaltlich anzuhören. Aber das hat damit nichts mehr zu tun.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich bitte auch, ihn vollinhaltlich zu würdigen und danach vor Fortführung der Beweisaufnahme zu entscheiden.[h]
Ich sagte also, als ich von der jetzt als dringendst gebotenen prozessualen Maßnahme sprach, daß den Ungereimtheiten aus der Vergangenheit nicht neue, umso weniger als diese als lebensgefährlich zu erkennen sind, anzufügen sind, etwa die Verhandlungsfähigkeit ja schlicht postuliert zu haben, [9609] um anschließend die selbstverschuldete Verhandlungsunfähigkeit hier zu postulieren, anschließend die Versagung ärztlicher Behandlung durch Vertrauensärzte, anschließend die Versagung der ärztlich geforderten grundlegenden Änderungen der Haftbedingungen.
Damit ist der Antrag, dieses Verfahren für zehn Tage auszusetzen, unter mehreren Gesichtspunkten, wie ich meine, hinreichend begründet.
Vors.:
Herr Raspe.
Angekl. Ra[spe]:
Ich habe nicht viel zu sagen.
Zunächst zu diesem Antrag:
Die Argumentation ist hilflos und sie ist falsch auch, denn sie vermittelt, als wäre Ulrike an der Isolation gestorben.
Die Angeklagte Ensslin erscheint um 9.39 Uhr im Sitzungssaal.
In dem Antrag, diese Veranstaltung hier zu unterbrechen und in einem Antrag ärztlicher Untersuchung, nachdem, was man über die Maßnahme dieses Gerichts seit seiner Zuständigkeit weiß.
Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem, und wir können das Kalkül der Methode bestimmen.
Ich erinnere an Herolds[13] Satz:
„Aktionen gegen die RAF müssen immer so abgewickelt werden, daß Sympathisantenpositionen abgedrängt werden.“
Und Buback[14]:
„Der Staatsschutz lebt davon, daß sich Leute für ihn engagieren, Leute wie Herold und ich finden immer einen Weg.“[15]
Es war eine kalt konzipierte Hinrichtung, wie Holger hingerichtet worden ist und wie Hausner[16] hingerichtet worden ist.
Vors.:
Herr Raspe, Sie kennen die Einstellung des Gerichts zu diesen Behauptungen. Das Gericht nimmt derartig diffamierende Bemerkungen in keinem Falle hin.
Wenn Sie weiterreden wollen, dann bitte ich Sie, sich darauf zu beschränken, Dinge in Formen[i] vorzutragen, die vor Gericht gebilligt werden können.
[9610] Angekl. Ra[spe]:
Hätte sich Ulrike entschlossen, zu sterben, weil sie als letzte Möglichkeit sah, sich revolutionäre Identität gegen die langsame Zerstörung des Willens in der[j] Agonie Isolation zu behaupten, hätte sie es uns gesagt, auf jeden Fall Andreas. So war diese Beziehung.
Als Hinrichtung bedeutet der Tod von Ulrike, daß die internationale Auseinandersetzung - Guerillastaat - in dieser Exekution nach Bedingungen, die wir kennen, über die wir jetzt nicht reden werden, kulminieren mußte. Strategisch begriffen: Gegen die Politik der illegalen Gruppen in der B. Republik, für die Ulrike eine wesentliche ideologische Funktion hat, war das Ziel, wie in jeder staatlichen Maßnahme und Reaktion gegen die RAF, seit es sie gibt, die physische und moralische Vernichtung und so die Zerstörung ihrer Politik.
Vors.:
Die B. Anwaltschaft hat Gelegenheit, ...
Angekl. Ra[spe]:
Nein, ich bin noch nicht fertig.
Vors.:
Ich darf um folgendes bitten: ...
Angekl. Ra[spe]:
Ich bin noch nicht fertig.
Vors.:
Ja, Herr Raspe, einen Augenblick.
... Sind Sie damit einverstanden - ich sehe grade weitere Wortmeldungen -, da sich auf der Verteidigerseite ...
Angekl. Ra[spe]:
Moment, ich bin noch nicht fertig.
Vors.:
Ja, Herr Raspe, Sie können gleich fortsetzen.
... da sich auf der Verteidigerseite dann weitere Wortmeldungen anschließen, ich Sie dann erst zusammenfassend um die Stellungnahme bitte. Danke.
Herr Raspe.
Ja, Herr RA Künzel, Ihre Wortmeldung ist mitgesehen.
Angekl. Ra[spe]:
Die ganze Zeit, die ich die Beziehung zwischen Ulrike und Andreas kenne, und ich kenne sie seit sieben Jahren, war ihr Signal Intensität und Zärtlichkeit ...
Vors.:
Herr Raspe, können Sie uns den Gegenstand, dessen klarmachen? ...
Angekl. Ra[spe]:
... Sensibilität und Genauigkeit.
Vors.:
... Jetzt eine Gedenkrede zu halten, ist hier nicht der Platz. Ich darf Sie drauf hinweisen, daß Sie die Möglichkeit haben, einen Antrag zu stellen bzw. sich dem Antrag anzuschließen. Wenn Sie das tun wollen, müssen Sie das auch deutlich machen. Dann wollen wir sehen, ob das zur Begründung gehört.
[9611] Angekl. Ra[spe]:
Ich habe gesagt, daß ich nicht viel zu sagen habe.
Vors.:
Die Frage ist nur, was Sie mit diesen Aussagen, die Sie jetzt machen wollen, bezwecken, Herr Raspe.
Angekl. Ra[spe] (dazwischenredend):
Aber wenn Sie mich jetzt dauernd unterbrechen ... -
Vors.:
Wollen Sie einen Antrag stellen?
RA Dr. He[ldmann]:
Ach, Herr Vorsitzender, ... doch sich nur selbst ...
Vors.:
Bitte, ob Sie jetzt einen Antrag stellen wollen, ob Sie sich dem Antrag angeschlossen haben? Um was geht es dabei?
RA Dr. He[ldmann]:
Es geht doch bitte schön erkennbar um das gleiche, was ich ausgeführt habe, d. h. also, Herr Raspes Ausführungen dienen der Begründung des hier gestellten Antrags, ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, es geht uns nicht darum, was Sie jetzt über die Erkennbarkeit meinen.
RA Dr. He[ldmann]:
...und speziell geht es um die Frage, ob die amtliche Version der Todesursache stimmt.
Vors.:
Ich stelle ausdrücklich fest, daß Sie, ohne daß Sie sich zu Wort gemeldet haben, wieder die Verteidigung offenbar von Herrn Raspe übernehmen wollen.
Ich frage Herrn Raspe, der nicht verteidigt ist hier jetzt,[17] d. h. seine Herrn Verteidiger sind ...
RA Schi[ly]:
Das war sehr richtig[k], Herr Vorsitzender.
Vors.:
Herr RA Schily, bitte unterlassen Sie solche Zwischenrufe.
RA Schi[ly]:
Das war sehr richtig[l]. Manchmal unterlaufen Ihnen sogar richtige Feststellungen.
Vors.:
Ich stelle ausdrücklich fest, daß der Herr RA Schily im Augenblick sagte:
„Manchmal unterlaufen Ihnen auch richtige Feststellungen.“
Herr Raspe, Sie müssen uns angeben - Sie haben keinen Kontakt zu Ihren Herrn Verteidigern, weil sie dort drüben sitzen[18] jetzt im Augenblick -, wollen Sie damit einen Antrag stellen?
Die offensichtliche Erkennbarkeit ist kein prozessualer Umstand, der hingenommen werden kann. Sie müssen erklären, was Sie wollen.
Angekl. Ra[spe]:
Ich habe vorhin schon gesagt, daß ich nicht viel zu sagen habe; ich hab das nochmals wiederholt, und ich wäre längst fertig, wenn Sie mich ausreden lassen würden.
[9612] Vors.:
Herr Raspe, wollen Sie einen Antrag stellen damit oder was wollen Sie?
Sie müssen dem Senat doch wenigstens die Gelegenheit geben zu erkennen, über was wir entscheiden sollen.
Angekl. Ra[spe]:
Die Absurdität dieser Veranstaltung, Anträge zu stellen, das war an sich nicht meine Absicht. Aber wenn es so ist, ...
Vors.:
Sie haben also keine Absicht, einen Antrag zu stellen, ...
Angekl. Ra[spe]:
Moment.
Vors.:
... dann kann ich Ihnen das Wort auch nicht weiter belassen.
RA Kopp:[m]
Lassen Sie ihn doch mal ausreden.
Angekl. Ra[spe]:
Nachdem es so ist, daß Sie, was Sie eben demonstriert haben, sofort zu der Methode greifen ...
Vors.:
Herr Raspe, wollen Sie einen Antrag stellen?
Bitte, erklären Sie sich jetzt klar, ob das ein Antrag ist, den Sie im Augenblick begründen, dann können Sie weitersprechen.
Aber den Antrag müssen wir kennen.
Angekl. Ra[spe]:
Ich schließe mich den Anträgen der Verteidigung, die hier laufen, an.
Vors.:
Das hätte schon schnell und rasch gesagt werden können. Jetzt können Sie bitte fortfahren.
Angekl. Enss[lin]:
Sie sind ein Sadist!
RA Dr. He[ldmann]:
... Herr Raspe zu unterbrechen, damit er den Faden verliert.
Vors.:
Ich verbitte mir derartige Behauptungen von Ihrer Seite.
Herr Dr. Heldmann, Sie sind sehr schnell mit solchen Bemerkungen.
Es geht darum, daß prozeßordnungsgemäß erklärt ist, ob es sich um einen Antrag handelt - und nichts anderes.
RA Dr. He[ldmann]:
Es bedurfte die Behauptung nicht. Sie haben’s demonstriert.
Angekl. Ra[spe]:
Ich wiederhole das:
Ich habe gesagt: Die ganze Zeit, die ich die Beziehungen zwischen Ulrike und Andreas kenne, und ich kenne sie seit sieben Jahren, war ihr Signal Intensität und Zärtlichkeit, Sensibilität und Genauigkeit, und ich glaube, daß es genau dieser Charakter in der Beziehung war, aus dem Ulrike die acht Monate Trakt in Ossendorf[19] durchgehalten hat. [9613] Es war eine Beziehung, wie sie sich zwischen Geschwistern entwickeln kann, orientiert am politischen Ziel, und aus der Möglichkeit dieser Politik war diese Beziehung Funktion dieser Politik, d. h., darin war sie frei, die Freiheit nur möglich ist im Kampf um Befreiung.
Es gab in diesen sieben Jahren in der Beziehung keinen Bruch. Er wäre nicht möglich gewesen, weil sie bestimmt war über die Politik der RAF; und wenn in der Gruppe überhaupt Widersprüche entstanden sind, dann waren sie nur möglich über den praktischen Bezug, d. h. politisch als die Entwicklung zweier Linien u. ä. Daß es das nicht gab, beweisen Ulrikes Briefe und Manuskripte bis zum Freitag. In ihnen drückt sich der tatsächliche Charakter der Beziehung aus. Jetzt Spannungen, Entfremdung zwischen Ulrike und Andreas, zwischen Ulrike und uns zu behaupten, um mit dieser primitiven und dunklen Infamie das Projekt der Hinrichtung Ulrikes der psychologischen Kriegsführung verfügbar zu machen, das ist Buback und das ist Bubacks Dummheit.
Vors.:
Die letzte Verwarnung hab ich Ihnen gegeben.
Herr Raspe, ich entziehe Ihnen wegen fortgesetzter Beleidigung des Generalbundesanwalts, wegen [n] diffamierender Behauptungen, es sei hier eine gezielte Hinrichtung erfolgt, das Wort.
Angekl. Ra[spe]:
Naja, Ihr Sadismus, Ihre Maßnahmen ... -
Vors.:
Sind zu diesem Antrag weitere Wortmeldungen?
RA Schi[ly]:
Frau Ensslin möchte.
Vors.:
Frau Ensslin, bitte.
Angekl. Enss[lin]:
Sie sind, und das haben Sie eben ja demonstriert, ein Richter, in dessen Zuständigkeit[20] zwei von fünf Gefangenen umgebracht worden sind und [o] als jetzt einer der drei ...
Vors.:
Frau Ensslin, erste und letzte Verwarnung.
Wenn Sie in dieser Form fortfahren, werden Sie nicht lange Gelegenheit haben, hier Ausführungen zu machen.
Angekl. Enss[lin]:
... also einer der drei von den Tatsachen spricht, von uns spricht, gegen diese Maschine anspricht, für die Sie hier sitzen und als die Sie agieren in Ihrem Sadismus, unterbrechen Sie ihm etwa achtmal innerhalb von acht Minuten höch-
[9614] Der Angeklagte Raspe verlässt um 9.44 Uhr den Sitzungssaal.
stens, und Sie entziehen ihm das Wort. Das ist der Vorsitzende dieses Gerichts.
Vors.:
Ich bitte Sie jetzt um Erklärung, was Sie mit diesen Ausführungen wollen. Sie haben kein Beanstandungsrecht einer Maßnahme, die Herrn Raspe betroffen hat.
Angekl. Enss[lin]:
Sie werden keinen Anlaß dazu haben, mich zu unterbrechen, weil ich Ihnen nur das Protokoll, das ich am Sonntag geschrieben habe, vorlese ...
Vors.:
Ich möchte Sie bitten, zu erklären, ob Sie einen Antrag stellen wollen.
Angekl. Enss[lin]:
... im Rahmen des Antrages, den die Verteidigung hier stellt.
RA Schi[ly]:
Der Antrag gestellt:
die Verhandlung für zehn Tage zu unterbrechen.
Ich werde dann anschließend auch noch eine Begründung vornehmen.
Vors.:
Dankeschön.
Frau Ensslin.
Angekl. Enss[lin]:
Das Protokoll enthält noch nicht alle Punkte, die heute klar sind, die sagen Mord, die ich vorweg mal nenne. Es ist Tatsache, daß die Obduktion vorgenommen hat Rauschke, ein Arzt, den wir hier ja schon kennen,[21] der hier aufgetreten ist, von dem bekannt ist, daß er den Obduktionsbefund eines Gefangenen aus der RAF, der hier in dieser Anstalt und durch die Verlegung in diese Anstalt hier umgebracht worden ist: Das ist Siegfried Hausner.[22]
Vors.:
Frau Ensslin, ich kann’s nicht hinnehmen, daß Sie hier einen Arzt, der bei dieser Tätigkeit eingesetzt war, in dieser Weise diffamieren.
Ich darf Sie aber zu Ihrer Unterrichtung auf folgendes hinweisen:
Herr Prof. Dr. Rauschke hat die Obduktion nicht allein vorgenommen, es war noch der Universitätsprofessor Dr. Mallach mitbeteiligt.
Angekl. Enss[lin]:
Das ändert nichts an der Tatsache, die ich eben formuliert hab.
[9615] Der zweite Punkt ist, daß wir nicht zu Ulrike gelassen wurden und die Anwälte nicht zu ihr gelassen wurden und die Schwester nicht zu ihr gelassen wurde, obwohl alle, also Anwälte und Verwandte, schon zum Teil vormittags, was Anwälte angeht, die Schwester unmittelbar am Mittag da war und das verlangt hat.
Vors.:
Jetzt muß ich Sie auf ein weiteres hinweisen - Frau Ensslin, es tut mir leid :..
Angekl. Enss[lin]:
Sie wollen nicht, daß ich das Protokoll vorlese.
Vors.:
Frau Ensslin, hören Sie bitte.
Frau Ensslin, folgenden Hinweis:
Ich möchte grade, daß Sie reden können, aber dann müssen Sie schon bei der Sache bleiben.
Frau Meinhof war Strafgefangene. Die Zuständigkeit des Senats hat mit dem Vollzug der Strafhaft überhaupt nichts zu tun gehabt.[23] Die Haftbedingungen, die den Untersuchungsgefangenen zugeschrieben worden sind durch den Senat, sind auch Frau Meinhof gewährt worden. Sie waren zum erheblichen Teil Vergünstigungen gegenüber den Bedingungen der Strafhaft.
Über die Abwicklung der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Freitod von Frau Meinhof hat der Senat nicht die mindeste Entscheidungsbefugnis gehabt. Das war ausschließlich Angelegenheit der zuständigen Vollzugsbehörde. Wenn Sie jetzt einen Antrag stellen wollen auf zehn Tage Unterbrechung, dann bitte ich, zur Sache zu kommen und nicht mit Dingen hier zu operieren, die mit diesem Gericht schlechterdings nichts zu tun haben, sonst kann ich Ihnen das Wort nicht weiterbelassen.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich bitte ums Wort.
Vors.:
Herr RA Schily, bitte.
RA Schi[ly]:
Sie können sich nicht hier auf irgendeine formale Zuständigkeit zurückziehen.
Zunächst einmal darf ich Ihnen gegenüber feststellen, daß es eigentlich ein unüberbietbarer Zynismus ist, zu sagen, es waren in erheblichem Maße Vergünstigungen, wenn Sie die übrigen Bedingungen der Haft und der Isolation dabei verschweigen. Im übrigen gehören eben die Umstände und die Aufklärung, unter welchen Umständen Ulrike Meinhof zu Tode gekommen ist, [9616] genau zu diesem Antrag, und darüber spricht Frau Ensslin und sie spricht zur Sache.
Vors.:
Wir werden’s feststellen, ob das zur Sache gehört.
Bitte, fahren Sie fort, Frau Ensslin.
Angekl. Enss[lin]:
Ja, ich will dazu was sagen zu dem, nicht, daß Sie eben unterbrochen haben, sondern womit Sie unterbrochen haben - das ist fast wörtlich die Wiedergabe dessen, was Bender gestern auf seiner Pressekonferenz gebracht hat.
Das heißt: Ihre Abhängigkeit, Ihre Funktion ist nicht nur deutlich im Unterbrechen sondern wirklich auch unmittelbar in jedem Wort, in den Inhalten, und was die Pressekonferenz angeht - die Inhalte -, hab ich da ein kleines Beispiel, also daß wirklich in jedem Detail gelogen wird:
Da wurde gefragt nach der Unruhe in der Anstalt, nachdem zugrunde lag, ...
Vors.:
Frau Ensslin, kommen Sie jetzt zur Sache.
Angekl. Enss[lin] (spricht unverständlich weiter).
Vors.:
Was der Herr Justizminister Dr. Bender gestern geäußert hat, hat nichts mit meinen Ausführungen zu tun.
Angekl. Enss[lin] (spricht unverständlich weiter).
Vors.:
Frau Ensslin, entweder Sie kommen jetzt zur Sache oder aber, ich werde Ihnen wegen Abschweifung das Wort nicht belassen können.
Bitte, fahren Sie jetzt bei der Sache fort.
Angekl. Enss[lin] (spricht unverständlich weiter).
Vors.:
Frau Ensslin, Sie werden damit nicht durchdringen.
Bitte, Herr RA Schily.
Angekl. Enss[lin] (spricht unverständlich weiter).
Vors.:
Frau Ensslin, ich entziehe Ihnen jetzt das Wort.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich bitte ums Wort.
Vors. (zur Angekl. Ensslin):
Ich entziehe Ihnen, wenn Sie nicht sofort still sind, das Wort.
(zu RA Schily):
Ja, bitte.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich glaube, es ist für die Umstände, unter denen Frau Ulrike Meinhof zu Tode gekommen ist, tatsächlich von Bedeutung, ob hier in der Öffentlichkeit mit unwahren Behauptungen operiert wird. Und wenn ein Minister mit Unwahr- [9617] heiten auf einer Pressekonferenz operiert, dann [p] gehört das zur Sache, Herr Vorsitzender! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
Vors.:
Ich nehme nicht zur Kenntnis, daß Frau Ensslin ...
Beifall im Sitzungssaal.
Sie scheinen ja einen stärkeren Anhang hierzuhaben, wenn hier geklatscht wird, Herr Rechtsanwalt.
RA Schi[ly]:
Die Feststellung, wenn bei irgendwelchen Ausführungen von Ihnen hier geklatscht wurde Im Saal - das hat’s ja auch gegeben -, da hab ich nicht gehört, daß Sie einen Anhang hier im Saal versammelt haben, Herr Vorsitzender.
Vors.:
Ich habe ...
RA Schi[ly]:
Aber vielleicht sagt Ihnen etwas, ...
Beifall im Sitzungssaal.
Vors.:
Ich darf jetzt ...
RA Schi[ly]:
Aber Herr Vorsitzender, ...
Vors.:
Ich darf jetzt - Augenblick, Herr Rechtsanwalt - ich darf jetzt folgendes sagen:
Wenn im Publikum noch einmal Mißfallens- oder Beifallskundgebungen zu hören sind, sehe ich mich gezwungen, diejenigen ...
Unverständlicher Zwischenruf
Sie haben jetzt das Wort nicht.
... sehe ich mich gezwungen, ...
RA Schi[ly]:
Für wen sprechen Sie eigentlich? Für wen sprechen Sie, Herr Vorsitzender?
Vors.:
...um diese Verhandlung weiterhin sachgerecht durchführen zu können, das Publikum zumindest so weit, wie ich sie als Störer erkenne, zu entfernen. Wenn es mir nicht mehr möglich ist, einzelne Störer zu entfernen, dann wird das Gericht darüber zu beschließen haben, ob die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden muß.[24] Ich verwarne Sie damit jetzt zum letzten Mal. Das Gericht nimmt es nicht hin, daß Sie mehr tun, als Ihr Recht ist im Zuhörerraum, nämlich zuzuhören.
[9618] RA Schi[ly]:
Wie soll ich das verstehen: zum letzten Mal? Das ist das erste Mal, daß Sie verwarnen.
Vors.:
Sie haben sich ja verspätet - ich habe gleich zu Beginn aus guten Gründen verwarnt.
Frau Ensslin, Sie können jetzt fortfahren. Ich bitte Sie, bei der Sache zu bleiben.
Angekl. Enss[lin]:
Das Protokoll:
„Als die Zellen Heute morgen, Sonntag, 9. Mai, aufgeschlossen wurden - sie werden gleichzeitig aufgeschlossen -, kann ich nicht wie sonst zu Ulrike in die Zelle, weil einer der Beamten sie schon abgeschlossen hat. 15 Minuten später teilt der Sicherheitsbeamte mir mit, daß ich Ulrike nicht sehen kann, weil „Frau Meinhof tot ist“
- das ist ein Zitat.
Wir haben zuletzt gestern Abend - es war etwa 10 Uhr - miteinander am Fenster geredet, nachdem ein Hubschrauber zu hören gewesen war, was seit Monaten nicht mehr vorgekommen war, und ich bin in der Nacht aufgewacht an Musik ... an der Musik aus ihrer Zelle, was öfter war. Sie hat öfter Musik gehört, auch nachts.
Alle vier waren wir gestern Morgen eine Stunde und gestern Nachmittag eine halbe Stunde zusammen. Gesprochen worden ist dabei über das Verhältnis Identität und Bewußtsein an Gramsczy und an Lenin.[25] Kurz vor 9.00 Uhr - ich bin inzwischen zu Andreas und Jan rüber geschlossen, informiert uns einer der Beamten darüber - das ist einer der Beamten, die 24 Stunden in dem Trakt da oben sind, in dem Labor ...
Ende von Band 540
[9619] Angekl. En[sslin]:
... informiert uns einer der Beamten darüber, daß sich Ulrike, nachdem wir gestern Nachmittag eingeschlossen waren, also nachmittags, noch umgezogen hat, was wir uns nicht erklären können. Er spricht auch davon, daß Ulrike nicht auf das Dach wollte gestern, weil es ihr zu heiß war. Und davon, daß wir vier beim Umschluß gestern zusammen gelacht haben. Der Gefängnisarzt Henck kommt und spricht von Selbstmord als Kurzschlußhandlung, nach[q] dem er einen Satz vorher festgestellt hat, zitiert, „die Gruppe ist zu klein“. Er faselt dann noch davon, daß es notwendig Spannungen geben müßte in so einer Gruppe. Und als wir das zurückweisen, und[r] feststellen, daß für jeden, nicht nur für uns, sondern auch für die Anwälte, für die Angehörigen, für die Beamten usw. sichtbar, der[s] Konsolidierungsprozeß für Ulrike gelaufen war, sehr deutlich besser ging usw., sagte er schnell, das muß man allerdings sehen, daß sie Leute sind, die zu größter Selbstdisziplin fähig sind. Das ist einmalig, ich habe so etwas noch nie gesehen. Weiter spricht er von einem Plateau und einem Auslöser. Wir haben das Gespräch an diesem Punkt abgebrochen und schreiben das, ich schrieb das auf, weil daran deutlich wird, wie der Apparat sich aus der Schlinge zu ziehen sucht. Und diese Spannung dauerte, kaum zwei Stunden später kam es aus dem Radio, als von der Bundesanwaltschaft bestätigt, nachdem es über den Staatsschutzartikel in der Welt lanciert war. Wir verlangen Ulrike nochmal zu sehen, es ist also jetzt halb elf etwa. Schreitmüller von der Anstaltsleitung teilt uns etwa um halb elf mit, daß der Staatsanwalt es ablehnt uns zu ihr zu lassen. Sein Begriff ist Besichtigung. Wir verlangen, daß mit dem Abtransport gewartet wird, bis die Anwälte da sind. Als kurz vor Elf der erste Anwalt kommt, angemeldet wird, was wir gehört haben, im Flur, wird die Blechwanne blitzschnell, hastig aus dem Trakt geschoben.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Schily.
Die Angeklagte Ensslin verläßt um 10.00 Uhr den Sitzungssaal.
RA Schi[ly]:
Ich stelle den Antrag, wiederhole den Antrag:
[9620] Die Hauptverhandlung für die Dauer von 10 Tagen zu unterbrechen.
Und zunächst einmal ein ganz nüchterner Hinweis: Das Gericht hat ja in der Vergangenheit, möglicherweise zu Erholungszwecken, 10-tägige Pausen angeordnet und hat sie auch für die Zukunft vorgesehen. Im Terminplan ist eine 10-Tages-Pause ab 26. Mai festgelegt. So daß technische Gründe, die möglicherweise vorgeschoben werden könnten, außer Betracht zu[t] bleiben haben. Die Verteidigung vertritt die Auffassung, daß angesichts des düsteren und tiefgreifenden Ereignisses es unmöglich ist, hier im Saal einfach zur Tagesordnung überzugehen. Und wenn Sie, Herr Vorsitzender, meinen, hier mit einer geschäftsmäßigen Härte das Verfahren weiterwalzen zu können, dann haben Sie dazu die Macht, aber nicht das Recht. Und diese Unsicherheit, die sich in einer solchen scheinbaren Härte verrät, diese Unsicherheit, Herr Vorsitzender, dürfte auch über einige Bedingungen, unter denen dieses Verfahren abläuft, Aufschluß geben. Die Verteidigung hat in der Situation, die sich zwei Tage nach dem Tode von Ulrike Meinhof ihr darstellt, keine andere Alternative als diesen Antrag, wobei dieser Zeitraum knapp bemessen genug ist, um die notwendigen Erörterungen mit den Gefangenen stattfinden zu lassen über die Konsequenzen, die sich aus dem Tode von Ulrike Meinhof ergeben. Jeder verständige und jeder menschlich denkende Mensch muß einen solchen Antrag für angemessen halten. Jan-Carl Raspe hat davon gesprochen, daß die Gefangenen sich als politische Geschwister fühlen, zu Ulrike Meinhof. Und ich glaube, die[u] Verteidigung hat keinen Anlaß, hier noch irgendeinen Satz hinzuzufügen, um den tiefen Einschnitt, der ein solches Ereignis für die Gefangenen darstellt, zu verdeutlichen. Die Besprechungen werden aber auch und insbesondere deshalb notwendig sein, um der weiteren Aufklärung, um die weitere Aufklärung der Umstände, unter denen Ulrike Meinhof zu Tode gekommen ist, zu fördern. Es wird Ihnen bekanntgeworden sein, daß ich im Namen der Verteidigung am Sonntag die Einsetzung eines unabhängigen, internationalen Untersuchungsausschusses gefordert habe. Die Notwendigkeit eines solchen Untersuchungsausschusses liegt auf der Hand, da angesichts der [9621] politischen Interessen, die mit dem Ereignis verbunden sind, naturgemäß nur ein solches Gremium, zu einer objektiven Beurteilung der Vorgänge imstande sein wird. Interessierte Kreise sind sehr schnell, mit deutlicher Hast, mit der Behauptung aufgetreten, es handle sich um einen Mord, um einen Selbstmord. Ich glaube aber, daß angesichts der Tatsache, daß die Umstände, unter denen Ulrike Meinhof hier zu Tode gekommen ist, man besser im gegenwärtigen Stadium von einem „anonymen Mord“ spricht. Von einem „anonymen Mord“. Wir sind nicht der Meinung, die[v] Verteidigung ist nicht der Meinung, daß irgendeine abschließende Beurteilung des Geschehens im gegenwärtigen Zeitpunkt möglich ist, keineswegs. Weder in der einen noch in der anderen Richtung. Aber die Verteidigung übersieht nicht, und sie meint, daß diese Tatsachen für die Beurteilung des Geschehens von besonderer Bedeutung sind. Die Verteidigung übersieht nicht, daß für einen, wie sich der Vorsitzende ausgedrückt hat, Freitod von Ulrike Meinhof, kein Motiv erkennen läßt. Und daß alles, was wir wissen über die letzten Tage im Leben von Ulrike Meinhof, gegen einen Freitod spricht. Wenn wir auf der anderen Seite, ohne etwa daraus bereits endgültige Schlüsse ziehen zu können, durchaus Motive vorhanden sein könnten, die es angeraten sein lassen könnten, daß Ulrike Meinhof sich nicht mehr unter den Lebenden befindet. Wir können nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß in der Tat der Tod von Ulrike Meinhof eine Bresche schlägt oder schlagen könnte oder sollte, um eine leichtere moralische Vernichtung der Roten-Armee-Fraktion und ihrer politischen Ziele zu ermöglichen. Ich glaube, man verkennt die Situation nicht, wenn man zum Ausdruck bringt, daß in der Öffentlichkeit der Name Ulrike Meinhof jenseits aller Diffamierung mit einem moralischen Anspruch, man kann auch sagen mit einer [w] hohen moralischen Rigorosität verbunden ist. Und dieser Umstand, das ist die Auffassung der Verteidigung, könnte einen klaren Bezug zu den zurückliegenden Ereignissen haben. Im übrigen ist nachdenkenswert, ist der Umstand, daß der Tod von Ulrike Meinhof in einem zeitlichen Zusammenhang steht,
Der Angeklagte Raspe erscheint für kurze Zeit um 10.14 Uhr im Sitzungssaal.
[9622] genau in dem Stadium dieses Verfahrens, in dem die Verteidigung den ersten Versuch gemacht hat, nachdem das Gericht systematisch durch breitgefächerte Maßnahmen alle politischen Inhalte, die dieses Verfahren bestimmen müssen, zu unterdrücken. Nachdem die Verteidigung den ersten Versuch unternommen hat, die politischen Inhalte in dieses Verfahren einzuführen, die wesentlich für die Beurteilung der Politik der Roten-Armee-Fraktion sind und denen sich das Gericht stellen muß. Nachdem dieser erste Versuch gemacht worden ist, eine Woche, knapp eine Woche später, ist Ulrike Meinhof tot. Und wenn in diesem Zusammenhang, neben einer Vielzahl von anderen Unwahrheiten, man in der Öffentlichkeit mit der Behauptung aufgetreten ist, es bestehe eine Beziehung zwischen der Erklärung von Gudrun Ensslin, die in der vergangenen Woche nahegelegt hat, daß die Rote-Armee-Fraktion die politische Verantwortung für die Anschläge auf militärische Einrichtungen in Frankfurt und Heidelberg trägt.[26] Und in der, am gleichen Tage deutlich gekennzeichnet worden ist, daß es um eine Erklärung sich handelte, die eine politische Verantwortung zum Inhalt hatte und keineswegs etwa mit diesem Muster eines prozessualen Geständnisses, etwa in der Form einer individuellen Verantwortung,[27] zu verwechseln ist.[28] Und die insoweit nicht über das hinausgeht und nichts anderes war, als die Wiederholung dessen, was die Gefangenen im Januar dieses Jahres erklärt haben. Wenn man das weiß, dann kann man das nur als einen üblen propagandistischen Trick bezeichnen, wenn eine solche Beziehung hergestellt wird. Und das gleiche gilt eben von der Propaganda, die betrieben wird mit angeblichen Differenzen unter den Gefangenen. Und es ist ja offenkundig, der Widerspruch, in dem sich die Staatsschutzbehörden befinden, indem sie einerseits den Angehörigen, ihren Anwälten, den Verteidigern, den Gefangenen, alle Möglichkeiten abgeschnitten haben, alle Möglichkeiten verwehrt haben, sich in den ersten Stunden über die wahren Vorgänge zu vergewissern und andererseits noch am gleichen Tage mit Behauptungen diffamierender Natur hausieren gehen und die Öffentlichkeit irreführen wollen. Dieser Widerspruch ist offenkundig. Ich wieder- [9623] hole es. Appelle an dieses Gericht, und diese Erfahrung haben sie gemacht, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Und es kann sein, daß dieser Antrag nur eine Dokumentation ist. Nur eine Dokumentation dessen, was an Unrecht hier in diesem Hause praktiziert wird.
RA. Kopp verläßt um 10.21 Uhr für kurze Zeit den Sitzungssaal.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Oberwinder.
RA Ob[erwinder]:
Ich schließe mich den Anträgen der Kollegen an.
Ich werde nur kurze Ausführungen dazu machen, weil ich meine, daß es heute in der Situation, da die Verteidigung erkennen muß, daß das, was sie sich als oberstes Ziel gesetzt hat, nämlich das Leben der Gefangenen hier zu schützen, gegen den permanenten Versuch dieses Gerichts und der Staatsschutzbehörden durch diese Festsetzung, daß die Tat dieser Haftbedingungen, das Leben dieser Gefangenen vernichten. Dieser Versuch der Verteidigung und ich kann das als Verteidiger ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Oberwinder, eines bitte ich zu bemerken. Auch für einen Anwalt, vielleicht für einen Anwalt erst recht, gilt der Hinweis, daß Diffamierungen in diesem Gerichtssaal dieser Art, wie Sie sie eben ausgesprochen haben, unerträglich sind und nicht hingenommen werden ...
RA Ob[erwinder]:
Ja, Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Ich entziehe Ihnen jetzt nicht sofort das Wort, aber wenn Sie in dieser Tonart weiterfahren, passiert das auch Ihnen. So peinlich es ist, wenn man einem Anwalt das Wort entziehen müßte.
RA Ob[erwinder]:
Es passieren hier in der Tat wesentlich peinlichere Dinge. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß die Verteidigung in dieser Situation, in dem es eben, das kann ich als ehemaliger Verteidiger von Ulrike Meinhof sagen, eben nicht gelungen ist, das Leben der Gefangenen zu schützen, auch nicht Sache ist, jetzt große Ausführungen zu machen. Ich möchte aber noch hinzufügen, daß der Versuch, den Sie jetzt hier machen, und ich weiß nicht, wie der Antrag [x] beschieden wird, daß hier als weiter die Normalität, jetzt des Verfahrens hier zu behaupten, sich [9624] ja auch, schon am Sonntag angekündigt hat, nachdem ich vom Tod von Ulrike Meinhof erfahren habe, und darüber zutiefst betroffen war. Und dann, als nächste Reaktion darauf, im Radio nur ganz wenig später, nur wenige Stunden später auf der Fahrt hierher erfahren habe, als erste und einzige Reaktion, daß ein Sprecher des Oberlandesgerichts Stuttgart, dieses Gerichts also, gesagt hat: 1. Daß das Gericht, weil Ulrike Meinhof in Strafhaft war mit den ganzen Untersuchungen jetzt nichts zu tun habe und daß selbstverständlich die Verhandlung normal, heute, am Dienstag, weitergehen werde.
Der Angeklagte Baader erscheint um 10.23 Uhr im Sitzungssaal.
Das war die erste Reaktion da drauf.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, gestatten Sie mir dazu eine Aufklärung für Sie?
RA Ob[erwinder]:
Nein, ich möchte jetzt erst mal weiterreden, Sie können ja danach ...
Vors.:
Gut, wenn Sie nicht wollen. Ich hätte Ihnen sonst ... daß das mit dem Gericht nichts zu tun hatte, diese Äußerung.
RA Ob[erwinder]:
Es ist der Versuch, der auch von den Behörden, die gestern zu der Pressekonferenz des Justizministers des Landes Baden-Württemberg zu behaupten, es ginge alles normal weiter und der Versuch darzustellen, daß es keine Reaktion in der Bundesrepublik und international auf den Tod von Ulrike Meinhof gibt. Was sich ganz leicht auch in einfach falschen Behauptungen ausdrückt. Nämlich, daß es da drüben, in der JVA, keine Empörung, keine Solidarisierung gegeben hat. Ich habe das gestern selber gehört, während der Zellendurchsuchung, wie die Gefangenen gerufen haben. Und der Versuch zu behaupten, es gäbe keinerlei Reaktion darauf und zu behaupten, es ginge alles normal weiter, der ist ebenso infam, wie diese Behauptung, daß dem Selbstmord die Spannung zwischen den Gefangenen - und speziell zwischen Ulrike Meinhof und Andreas Baader - zugrunde liegen. Und jetzt, daß ich das Mandat von Andreas Baader übernommen habe, verstehe ich auch als Ausdruck dessen, daß ich weiß, daß es solche Spannungen [9625] nie gegeben hat. Und das hier auch öffentlich sagen möchte.
Vors.:
Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.
RA Schi[ly]:
Nur eine kurze Frage. Wie kommt dann ein sich als Sprecher des 2. Senat, laut Nachrichtenagenturen, bezeichnende Person dazu ...
Vors.:
Ein Sprecher des Oberlandesgerichts hat es geheißen.
RA Schi[ly]:
Ein Sprecher des 2. Senats.
Vors.:
Das ist in der ...
RA Schi[ly]:
Innenmeldung ...
Vors.:
Darf ich Ihnen die Aufklärung geben. Es ist in einigen Blättern, glaube ich, auch ausgeführt worden, daß dieser Sprecher unter Hinzuziehung eines Kommentars, Strafprozeßordnung, einschlägige Stellen nachgelesen hat und seine Meinung damit verbunden hat, es werde weitergehen. Nachdem was in den Kommentaren steht, für den Fall des Todes eines Angeklagten.[29]
RA Schi[ly]:
Und einigen Blättern?
Vors.:
Ich habe es gelesen in einem ... Ich glaube die „Badische Neueste“, die wohl erscheint noch, da habe ich gelesen, das also abgedruckt ist. Ich weiß es auch von dem Referenten selbst, von dem Pressereferenten, weil ich nämlich bei ihm angerufen habe und gefragt habe, wie kommt es zu dieser Erklärung.
RA Schi[ly]:
Haben Sie dann ein Dementi herausgegeben, Herr Vorsitzender?
Vors.:
Ich denke nicht daran. Er hat hier diese prozessualen Bestimmungen und Kommentierungen den Herrn der Presse mitgeteilt. Das war wohl bloß die dpa. Also nur ein Pressevertreter, der das dann weitergegeben hat. Und korrekt weitergegeben hat, wie sich aus dem Abdruck, wie sich zumindest in der „Badischen Neuesten“ zeigt. Herr Rechtsanwalt Künzel, Sie hatten um das Wort gebeten.
Angekl. Ba[ader]:
... jetzt das Wort, würde ich sagen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Künzel wollen Sie zurücktreten? Bitte.
Angekl. Ba[ader]:
Es fällt mir ziemlich schwer, hier überhaupt noch was zu sagen, weil ich der Ansicht bin, daß man zu Ihnen, vor Ihnen und über Sie nicht mehr reden sollte, sondern daß man handeln müßte, um tatsächlich den Antagonismus Staat-Maschine-Mensch, wie er sich ja tatsächlich [9626] ausdrückt. Ausdruck dessen ist diese ganze Maschinerie hier ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich darf wohl davon ausgehen, daß ...
Angekl. Ba[ader]:
Quatschen Sie doch nicht dazwischen.
Vors.:
... bereits gestellten ... Unterlassen Sie diese Tonart, Herr Baader. Ich möchte Sie bitten, in Ihrem Interesse. Ich darf davon ausgehen, daß er sich Ihrem Antrag angeschlossen hat und jetzt zusätzliche Begründung gibt. Weil wir keine Erklärung haben, was das jetzt soll, was bis jetzt an Ausführungen ...
RA. Dr. He[ldmann]:
So ist es.
Angekl. Ba[ader]:
Sie haben keine Erklärung, was das soll, ja?
Vors.:
Wir möchten wissen, ob Sie einem Antrag sich angeschlossen und dazu eine Begründung abzugeben beabsichtigen?
Angekl. Ba[ader]:
Ich begründe hier nichts. Und ich beantrage auch nichts, sondern ich stelle ...
Vors.:
Zur Erklärung haben Sie jetzt das Wort nicht, Herr Baader. Da kann ich Ihnen das Wort leider nicht belassen.
Angekl. Ba[ader]:
Ich habe festzustellen, das heißt, Sie wollen mir das Wort entziehen. Sie wollen verhindern daß ich hier spreche ja?
Vors.:
Ich habe Ihnen gesagt, jetzt ist zur Erklärung, die außerhalb von Antragstellungen liegen, nicht der Raum, prozessual kein Raum gegeben. Und wenn Sie ausdrücklich erklären, es handelt sich um keinen Antrag und keine Begründung eines Antrags, dann kann ich Ihnen auch nicht das Wort belassen.
Angekl. Ba[ader]:
Nein, das ist nicht mehr die Ebene. Das ist nicht die Ebene vor diesem Gericht, vor diesem Rattenhaufen hier Anträge zu stellen.
Vors.:
Ihnen ist das Wort jetzt auch entzogen, wegen Beleidigung des Gerichts, das Sie als Rattenhaufen bezeichnet haben. Wenn Sie in dieser Weise fortfahren, wird das noch weitere Konsequenzen haben müssen, wegen Störung der Hauptverhandlung. Ich bitte das zu Protokoll zu nehmen. Herr Rechtsanwalt Künzel bitte.
Der Angeklagte Baader ruft unverständlich dazwischen.
[9627] Vors.:
Herr Baader, ich verwarne Sie, rufen Sie bitte nicht dazwischen, Sie kennen ja die Folgen die eintreten, wenn Sie hier stören.[30] Sie sind auch genügend oft verwarnt. Herr Rechtsanwalt Künzel bitte.
RA Kü[nzel]:
Ja, ich wollte schon, bevor Herr Rechtsanwalt Heldmann das Wort bekam, den Antrag stellen:
Die Verhandlung für Dauer dieser Woche zu unterbrechen.
Der Angeklagte Baader verläßt um 10.28 Uhr den Sitzungssaal.
Es hat sich nun ein Mensch in tiefster Unfreiheit, mit dem wir es in irgendeiner Weise mehr als ein Jahr lang zu tun hatten, und für den bis zum letzten Augenblick die Unschuldsvermutung[31] gestritten hat. Ein Mensch in größter Unfreiheit macht von der rätselhaftesten, tiefsten menschlichen Freiheit Gebrauch, sich das Leben zu nehmen. Das sollte Anlaß sein, nun in diesem Rechtsverfahren Terminpläne zurückzustellen, auswärtige Zeugen heimzuschicken, um diesen Sachverhalt aufzuarbeiten. So etwas wie die Pietät im Strafprozeß sollte es unmöglich machen, daß verhandelt wird, solange, wie man so sagt, die sterblichen Überreste dieses Menschen nicht ihre Ruhe gefunden haben. Wenn das noch rechtlich zu begründen ist, dann weise ich etwa daraufhin, daß nach der Überschrift des § 265 StPO[32] die Umgestaltung der Strafklage, der Verteidigung das Recht auf Unterbrechung gibt. Die Umgestaltung der Situation, der Gefangenen hier, muß ja nun wirklich auch die Möglichkeit zu einer Unterbrechung geben. Sie können auch nicht sagen, daß weiterverhandelt werden kann, weil es den Gefangenen ja freisteht, zu kommen oder nicht.[33] Dabei wäre übersehen, daß es ihnen schlechterdings nicht zugemutet werden kann, in diesen Tagen sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen, die gegen sie erhoben worden sind. Schlechterdings nicht zugemutet werden kann. Es sei denn, man nimmt Passagen aus einem Gutachten etwa, für bare Münze, daß diesen Gefangenen jede sittliche Bindung fehlt. Ich bitte auch zu bedenken, in welche Situation Sie einen Pflichtverteidiger bringen, wenn wir über Tage hinweg als Garanten dieser Verhandlung auftreten sollten und müssen,[34] müßten, obwohl wir wissen, daß dies dem tiefsten Interesse der [9628] Angeklagten im Innersten zuwiderläuft. Ich bitte auch mich nicht in diese Konfliktsituation zu bringen.
Vors.:
Danke. Herr Rechtsanwalt Kopp.
RA Ko[pp]:
... auch meinerseits, zumindest den Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung stellen.
Und ergänzend noch folgendes zur Begründung anführen: Für wen es nicht ausreichend ist, in dieser Situation, ohne daß man dafür weitere Gründe im einzelnen darlegen muß, für wen es nicht ausreichend ist, in dieser Situation jedenfalls das Verfahren zu unterbrechen, der zeigt damit, daß er in seiner Geisteshaltung in zynistischer Menschenverachtung derjenigen gleichsteht, die hier in Deutschland schon dazugeführt hat, daß menschliche Körper zu Seife verarbeitet wurden.[35]
Beifall im Sitzungssaal.
Vors.:
Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, sind Sie imstande sofort zu erwidern?
BA Dr. Wu[nder]:
Ich erbitte ausnahmsweise für die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, zu diesem Antrag, eine Pause von etwa 30 Minuten. Ich hätte vorher noch eine kurze Frage an die Herren Verteidiger. Und zwar, ob schon zu übersehen ist, wann die Beisetzung von Frau Meinhof stattfindet?
RA Schi[ly]:
Ich kann dazu keine verbindliche Erklärung abgeben, Herr Dr. Wunder, aber möglicherweise am Sonnabend.
BA Dr. Wu[nder]:
Danke.
Vors.:
Ja, in diesem Falle möchte ich diese Pause dann einhalten, 11.00 Uhr bitte ich wieder hier zu sein.
Pause von 10.33[y] Uhr bis 11.07 Uhr[z]
Ende des Bandes 541.
[9629] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.07 Uhr
Vors.:
Wir fahren mit der Sitzung fort.
Die Bundesanwaltschaft hat das Wort.
Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Die Bundesanwaltschaft beantragt,
die auf Unterbrechung der Hauptverhandlung, aus Anlass des Todes von Frau Meinhof gerichteten Anträge zurückzuweisen.
Buhrufe im Sitzungssaal.
BA Dr. Wu[nder]:
Weder aus rechtlichen ...
Vors.:
Ich sehe mich jetzt leider genötigt, aber ich versichere Ihnen, es ist die letzte Gelegenheit, diesen ganzen linken Teil des Saales räumen zu lassen, wenn Sie nicht hier Ordnung wahren und still der Verhandlung folgen.
Ich bitte also jetzt nochmals, daß einzelne Störer festgehalten werden, damit wir nicht die Ungerechtigkeit begehen müssen, unter Umständen Leute aus dem Saal zu weisen, die dafür nichts können, was sich dort ereignet.
BA Dr. Wu[nder]:
Weder aus rechtlichen noch aus sonstigen Gründen könnte dem stattgegeben werden. Die Strafprozeßordnung bietet keine Handhabe, beim Tode eines Mitangeklagten die Hauptverhandlung förmlich zu unterbrechen. Allerdings würde die Anklagevertretung einer[aa] Entscheidung des Senats nicht entgegentreten, wenn mit der Vernehmung der für heute Vormittag geladenen Sachverständigen etwa erst im Verlaufe des Nachmittags begonnen und eine entsprechende Regelung für die Zeit der Beisetzung, falls dies ein Sitzungstag wäre, ins Auge gefasst würde.
Es ist abschließend zu bedauern, daß die Angeklagten und einige Herren der Verteidigung auch den Tod von Frau Meinhof zum Anlaß nehmen, in polemischer, teils beleidigender Form oder mit Unterstellungen den Staat und seine Institutionen anzugreifen.
Vors.:
Ich bitte, um 11.45 Uhr wieder im Saale zu sein, der Beschluß wird dann verkündet werden.
Pause von 11.10 Uhr bis 11.57 Uhr
[9630] Vors.:
Wir können die Sitzung fortsetzen.
Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst:
Den Anträgen auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wird nicht stattgegeben.
- Laute Buhrufe einiger Zuschauer im Sitzungssaal.
Drei Zuschauer auf der linken Seite vom Richtertisch aus gesehen rufen laut dazwischen. -
Vors.:
Ich bitte, daß jetzt mir[bb] benannt wird, wer hat dort geschrien. Kann man im Einzelfall einige der Herrschaften benennen, die im Augenblick geschrieben haben? Bitte, kann einer oder der andere bezeichnet werden?
Ein Gerichtswachtmeister zeigt auf 3 Personen, die auf der linken Seite, vom Richtertisch aus gesehen, sitzen.
Vors.:
Gut, danke, Herr Kümmerle.
Die drei fordere ich auf ob sie sich äußern wollen, daß sie jetzt aus dem Saal zu entfernen sind.
Wollen Sie sich dazu äußern?
Einer der betreffenden Zuschauer:
Wozu habe ich das Recht?
Vors.:
Ob Sie sich äußern wollen, daß Sie jetzt entfernt werden sollen?
Einer der betreffenden Zuschauer:
Habe ich ein Recht mich zu äußern?
Vors.:
Ja, sonst würde ich Sie nicht fragen.
Zuschauer:
Mir kommt es so spanisch vor, daß da irgendwas nicht stimmt, da hinten. Das ist hier ein Marionettentheater.
Vors.:
Es sind jetzt weitere Störungen und Unverschämtheiten von diesem Zuhörer zu erwarten. Die weitere Anhörung erübrigt sich damit. Ich bitte, die drei zu entfernen.
Ein anderer männl. Zuschauer:
Prinzing, raus.
Zuschauerin, die zu den Störenden gehört (kurze Haare, karierte Bluse):
Darf ich auch noch was dazu sagen?
Vors.:
Bitte den Herrn, der sich gerade geäußert hat, jetzt zu entfernen.
Zuschauerin (mit karierter[cc] Bluse):
Ja, ich möchte dazu sagen, daß ich [9631] eigentlich der Meinung bin, daß Sie mich als Öffentlichkeit vertreten und daß ich dann als Öffentlichkeit das Recht habe, irgendeinen Einspruch zu erheben und das Recht steht mir an.
Lauter Beifall und Beifallsrufe im Sitzungssaal.
Die drei ausgeschlossenen Zuschauer erheben sich und verlassen freiwillig den Sitzungssaal.
Daraufhin erheben sich ca. 30 Zuschauer, die sich vor dem Ausgang des Sitzungssaales gruppieren und in Sprechchören rufen:
„Prinzing raus“
„Prinzing Mörder“
„Selbstmord ist Lüge“
Einzelne Zuschauer rufen:
„Woher maßen Sie sich an, im Namen des Volkes zu sprechen?“
„Wer ist der nächste?“
„Mörder“.
Die störenden Zuschauer verlassen dann freiwillig den Sitzungssaal.
Die Ordnungskräfte brauchen nicht einzuschreiten.
Vors.:
So, ich bitte wieder Platz zu nehmen.
Ich begründe die Senatsentscheidung.
Die Angeklagten haben den Tod von Frau Meinhof am frühen Vormittag des vergangenen Sonntags erfahren. Bis zur vorgesehenen Fortsetzung der Beweisaufnahme am heutigen Nachmittag ist ein Zeitraum vergangen, der es auch unter Rücksichtnahme auf die Angeklagten erlaubt, das Verfahren fortzusetzen. Der Senat wäre für den Fall, daß die Beerdigung auf einen Sitzungstag fiele, bereit, darauf Rücksicht zu nehmen.
Rechtsanwälte Kopp und Oberwinder verlassen um 12.00 Uhr den Sitzungssaal.
Vors.:
Kein Grund besteht, die Hauptverhandlung deshalb auszusetzen, weil die Todesursache nicht geklärt sei. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, daß das bis jetzt unter Beteiligung zweier namhafter Pathologen, eines Richters und eines Staatsanwalts gefundene Obduktionsergebnis nicht zutrifft.
Die Argumentation, der Verteidigung mit den Haftbedingungen ist ver- [9632] fehlt. Dazu hat sich der Senat wiederholt geäußert. Die von den Verteidigern aufgestellten Behauptungen werden durch ihre Wiederholung nicht richtiger.
Der Senat hält den Tod von Frau Meinhof für bedauerlich. Er versagt es sich jedoch, auf die in den Anträgen vorgetragene unangebrachte Polemik gegen seine angebliche Unmenschlichkeit einzugehen. Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.
RA Schi[ly]:
Die Verteidigung hat erklärt und erklärt es erneut, daß sie in der gegenwärtigen Situation keine Möglichkeit sieht, die Verhandlung fortzusetzen. Die Verteidigung wird sich daher heute aus der Verhandlung entfernen, und erst ...
Beifall im Sitzungssaal.
und erst ...
Vors.: (Zu einem Gerichtswachtmeister)
Ich bitte darauf zu achten, wer jetzt weiterhin mit irgendwelchen Äußerungen sich am Verfahren beteiligt, im Zuschauerraum, muß mir sofort bezeichnet werden, damit ich die Entfernung veranlassen kann. Ich bitte da vorne Platz zu nehmen, daß Sie vielleicht von vorne Sicht haben, danke. Entschuldigen Sie, Herr Rechtsanwalt.
RA Schi[ly]:
... und wird an der Verhandlung erst nach der Beerdigung von Ulrike Meinhof wieder teilnehmen und das wird frühestens Dienstag kommender Woche sein.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich muß Sie gleichwohl darauf hinweisen, daß Ihre Pflicht - selbstverständlich als Pflichtverteidiger - die ist, hier an der Verhandlung teilzunehmen.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, die Pflicht eines Verteidigers, die weiß ich besser zu bestimmen als Sie.[36]
Vors.:
Ich bin mir nicht so sicher, ob Sie die Pflichten eines Pflichtverteidigers hier richtig beurteilen.
RA Schi[ly]:
Ja, in Ihrem Sinne vielleicht nicht, aber im Sinne meiner Mandanten.
Rechtsanwälte Schily und Dr. Heldmann verlassen um 12.05 Uhr den Sitzungssaal.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung um 14.00 Uhr mit der Anhörung des Herren Sachverständigen fort.
Pause von 12.05 Uhr bis 14.19 Uhr
Ende Band 542
[9633] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.19 Uhr
Rechtsanwalt Eggler ist nicht mehr[dd] anwesend.
Als Sachverständige sind anwesend:
Prof. Wolfgang Schönherr,
Prof. Heinz Pohl
Vors.:
Wir können die Sitzung fortsetzen. Herr Rechtsanwalt Eggler hat sich für den heutigen Nachmittag entschuldigt. Herr Professor Azzola hat Vollmacht vorgelegt für Frau Ensslin. Auch gegen seine Vertretung Frau Ensslins sieht der Senat keine vordringlichen Bedenken aus dem Gesichtspunkt des § 146[ StPO]. Wir haben heute für das Nachmittagsprogramm geladen, die Herrn Professoren Dr. Schönherr und Professor Dr. Pohl als Sachverständige.
Die Sachverständige Dr. Schönherr und Dr. Pohl werden gem. §§ 72, 57 und 79 StPO[37] belehrt.
Die Sachverständigen erklärten sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[38]
Der Angeklagte Raspe erscheint wieder[ee] um 14.21 Uhr im Sitzungssaal.
Vors.:
Herr Raspe?
Angekl. R[aspe]:
Ja, ich wollte nur noch das sagen: Daß Andreas natürlich Recht hat, daß das Spezifische Ihrer Geste und Ihrer Funktion allerdings keine andere Möglichkeit zuläßt, sich zu Ihnen in Beziehung zu setzen, als[ff] in einer Ecke mit einem Gewehr wartend.
Vors.:
Ja. Wollen Sie einen Antrag stellen? Nein. Dann können wir in der Sache fortfahren.
Der Angeklagte Raspe verlässt um 14.22 Uhr den Sitzungssaal.
Vors.:
Meine Herrn Sachverständigen, ich übergebe Ihnen hiermit eine Liste von Asservaten, die hier aufliegen. Diese Liste wird auch sämtlichen Prozeßbeteiligten übergeben. Diese Liste bitte ich durchzusehen, und gleichzeitig sind Sie natürlich jederzeit imstande, sich hier an Hand der Asservate, die dieser Liste entsprechen, zu informieren, [9634] ob Sie diese Gegenstände, die in den Listen aufgezeichnet sind und die hier als Gegenstände vorliegen, zu Vergleichsuntersuchungen bereits gehabt und gesehen haben. Sollte das zutreffen, so möchte ich es Ihnen überlassen, in welcher Reihenfolge Sie uns Ihr Gutachten über die Ergebnisse solcher Untersuchungen abgeben wollen. Sie können sich in aller Ruhe über diese Gegenstände hier informieren
Den Prozeßbeteiligten wird eine Asservatenliste übergeben.
Diese wird als Anlage 1 zum Protokoll genommen.
Vors.:
Ich darf die Herren Gutachter darauf hinweisen, die Bezeichnungen, die in den Vorgutachten, in den schriftlichen Vorgutachten erwähnt sind, die ja[gg] abweichen von der Asservatennummer, kann ruhig hier während der Erstattung des Gutachtens verwendet werden. Sie müssen also nicht etwa das jetzt transponieren auf die Asservatennummern, die hier verzeichnet sind.
Herr Professor Schönherr?
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Ich finde im Augenblick ein Asservat in Ihrer Liste nicht, das für die Erstattung des Gutachtens nützlich wäre, und zwar hat das dem Gutachten nach und dem Antragsschreiben die Nummer, ohne Positionsnummer aber Asservatennummer E 23 V 5/328.
Vors.:
Das ist doch verzeichnet. Wenn Sie unter Ziffer 3 sehen wollten, das letzte.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Entschuldigung, ja, da steht es. Danke. Ja das gehörte der Gruppe nach mehr nach Ziffer 8.
Vors.:
Ja. Nun wie Sie das nun im einzelnen behandeln und zusammenfassen, das müssen wir selbstverständlich ganz Ihnen überlassen.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja, dann müßten für mich die wichtigsten da sein.
Vors.:
Ich bedanke mich. Herr Professor, wollen Sie beginnen?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja. Brauchen Sie die Aussagegenehmigung?[39]
Vors.:
Wir werden sie nachher zu Protokoll nehmen.
Ich darf Sie zunächst um die Angaben der Personalien bitten.
Der Sachverständige machte folgende Angaben zur Person:
Sachverständige Prof. Schönherr
Prof. Dr. Wolfgang Schönherr, Ingenieur, 43 Jahre alt, wohnh. Berlin 45,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
[9635-9636][40] [9637] Vors.:
Dann darf ich Sie jetzt um die Erstattung des Gutachtens bitten.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herrn! Gegenstand des Gutachtens sind insgesamt 35 Positionen von Asservaten gewesen, bei denen das Ziel der Untersuchung darin bestanden hat, übereinstimmende Merkmale zwischen diesen verschiedenen Asservaten festzustellen. Wir haben ausgeführt einen Vergleich der chemischen Zusammensetzung, der Form von Bearbeitungsmerkmalen und auch des Gefüges. Ergänzend sind teilweise Festigkeitsuntersuchungen gemacht worden. Selbstverständlich sind nicht an jedem der ja sehr unterschiedlichen Teile alle diese Untersuchungen ausgeführt worden. Die Untersuchungen sind in zwei schriftlichen Gutachten beschrieben, die aus zwei Teilen bestehen. Teil 1 mit der Nummer 6.4-73/72 und Teil 2 6.4-73-2/72. Im 1. Teil wurden insgesamt 11 Asservate behandelt und zwar die, die wir als sogenannte Rohrbomben bezeichnet haben. Das sind die Objekte, die hier drüben stehen mit den Positionsnummern 12. 1., 2., 3., und 10. Außerdem 6 Bombensplitter mit den Nummern 12.4., 5., 6., 7., 8., 11 und 29.1. Außerdem hat es noch Elektroden gegeben, die aber für das Gutachten von untergeordneter Bedeutung sind.
Rechtsanwalt Schnabel verlässt um 14.31 Uhr den Sitzungssaal.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ich möchte mit diesen zuletzt genannten Asservaten beginnen und allgemein für alle Ausführungen voranstellen, wenn das Gutachten für jeweils verglichene Asservate zu dem Schluß kommt, daß mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit Merkmale von Teilen übereinstimmen, dann ist das stets gegründet auf alle Untersuchungen, die an eben diesen Objekten ausgeführt worden sind. Es ist also nicht so, daß jeweils dann einzelne für sich herausgenommen betrachtet werden können. Ich bitte darum, das in der eventuellen Diskussion zu beachten. Nun also zu dem Ergebnis, das im Teil 1 behandelt ist.
Dem Sachverständigen werden die Asservate
B 51 12. Stock Pos. 1.1 u. 1.2 - 1 Rohrbombe „12/1“
B 51 12. Stock Pos. 1.1 u. 1.2 - 1 Rohrbombe „12/2“
B 51 2. Stock Pos. 1.1 u. 1.2 - 1 Rohrbombe „10“
B 48 Pos. 25 - 1 Rohrbombe „12/3“
B 47 Pos. 15.2 -1 Splitter „11“
B 47 Pos. 15.3 - 1 Splitter „29/1“
zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.
[9638] Sämtliche dem Sachverständigen vorgelegten Asservate werden vom Gericht gleichzeitig in Augenschein[41] genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben[hh] Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Das ist also die erste Gruppe von Objekten, die miteinander verglichen wird. Die Rohrbomben einerseits, unzerstörte Rohrbomben, die 4 Stücke, an denen verschiedentliche Untersuchungen gemacht worden sind. Sie sehen also die Bohrungen, hier z.B. um Analysenspäne zu entnehmen oder auch Abschnitte hier, die herausgetrennt sind und zwei Splitter, diese 11 und 29.1, die offenbar aus Bombenmänteln stammen. Von den nicht zerstörten Bomben oder nur durch Untersuchungen in ihrer ursprünglichen Form veränderten Bomben behandle ich im Augenblick allein die Bombenmäntel, das sind diese äußeren Rohrabschnitte, um sie mit diesen Splittern zu vergleichen.
Rechtsanwalt Schnabel erscheint wieder um[ii] 14.35 Uhr im Sitzungssaal.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Und es ergibt sich, daß in folgenden Merkmalen Übereinstimmung besteht. Erstens in Bezug auf die Analyse. Das ist in Tabelle 2 des 1. Teils niedergelegt. Wenn Sie diese Analysen für insgesamt 8 Elemente, 8 analysierte Bestandteile durchgehen, dann erkennen Sie, daß alle 6 Objekte, 4 Bombenmäntel, 2 Splitter, miteinander übereinstimmen. Abgesehen von der Analysenstreuung, die verfahrensbedingt ist. Diese Übereinstimmung ist aber so weitgehend, daß hieraus schon die sichere Vermutung naheliegt, daß sie aus ein und demselben Halbzeug stammen. Es wird aber darüber hinaus bestätigt durch Gefügeaufnahmen, die z.B. in den Bildern 40 und 45 niedergelegt sind.
Vors.:
Ich darf die Herrn Prozeßbeteiligten darauf hinweisen, in[jj] Ordner 80 Blatt 165 ist die soeben angeführte Tabelle enthalten.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Also wenn wir die Tabelle einmal durchgehen, der Kohlenstoffgehalt als erste Spalte C bezeichnet, schwankt nur im Bereich von 0,113 bis 0,118. Das sind also 5 Tausendstel Gewichtsprozent, das ist unerhört wenig. Siliziumgehalt um 1 Hundertstel. Mangan ebenfalls um 1 Hundertstel. Und besonders wichtig ist die geringe Schwankung bei den letzten drei analysierten Begleitelementen Kupfer, Chrom und Molybdän, die in der Tabelle die letzten drei Spalten einnehmen. [9639] Molybdän ist bis auf das Tausendstel konstant. Chrom, ein sehr guter Indikator bis auf 4/1000, und Kupfer auch zwischen Kleinstwert 0,109 und Größtwert 0,117, nur um 8/1000 verschieden. Diese noch verbleibenden Streuungen sind allein bestimmungsbedingt. Und hieraus kann man schließen, daß die Teile aus demselben Halbzeug stammen, wobei diese Aussage besonders sicher dadurch wird, daß eine Reihe weiterer Merkmale hinzukommen, nämlich vier weitere.
1. Die Gefügeübereinstimmung, niedergelegt auf den Bildern 40-45 dieses 1. Teils des Gutachtens.
Vors.:
Das ist Blatt 205, des Ordners 80.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Auf Bild 40 und 41 sind gegenübergestellt die Rohrbandung 12/2 mit dem Splitter 11. Und auf den folgenden Bildern dann 12/2 und nochmal mit dem Splitter 11 in einem etwas anderen Bereich. Und dasselbe nochmal in der 3. Gegenüberstellung 44-45. Die leichte Gefügeverschiedenheiten zwischen dem jeweiligen Splitterbild rechts auf der Seite und der nicht explodierten oder durch eine Explosion beanspruchten Bandung, links im Bild, resultiert daraus, daß bei der Explosion natürlich eine Kaltverfestigung auftrifft, eine Umformung, und die dann zu diesen leichten Verzerrungen führt. Es ist aber deutlich erkennbar, daß es sich um ein gleichartiges Gefüge handelt. Gleichartig ist auch, als[kk] 3. Merkmal, die Oberflächenbeschaffenheit, das erkennt man sehr deutlich, wenn man diese Objekte nebeneinander legt. Das ist noch jetzt gut erkennbar. Schließlich die Schweißnähte, die an den Splittern noch zu sehen sind. Hier also an dem Splitter 29.1 sehr deutlich erkennbar, daß an dem oberen Rand genau dort, wo auch bei den Bombenmänteln jeweils eine Schweißnaht gesessen hat, hier eine Naht sichtbar ist. Und im Falle des Splitters 11, hier ebenfalls am oberen Rand deutlich erkennbar, eine kreisförmige ringsumführende Naht.
Das Gericht nimmt die Lichtbilder aus Ordner 80 Blatt 205-207 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Die letzte Übereinstimmung ist die Rohrform. Sie ist evident für die Unzerstörten. An ihnen kann man einwandfrei nachmessen, das ist auch in einer Tabelle geschehen für die unzerstörten Bomben. Das ist die Tabelle 1, unmittelbar nach dem Text.
Vors.:
Blatt 164.
[9640] Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Die vier gegenübergestellten Rohrbomben haben dort sehr gleichartige Durchmesser. Die erste Zeile aus dem Durchmesser die im Toleranzbereich solcher Rohre liegen. Die Wanddeckenschwankung liegt ebenfalls im Toleranzbereich so gelieferter Rohre. Und die übrigen Abmessungen, die nun herstellungsbedingt sind, lassen auch eine deutliche Gleichmäßigkeit erkennen. Etwa die Gesamthöhe dieser Abschnitte, die Art, in der die Deckel und Böden eingesetzt sind. Das sind aber Herstellungsmerkmale, die nur für diese vier gelten und nicht zum Vergleich mit den Bombensplittern, es sei denn, die Naht, die ich eben als vorangegangenes Merkmal schon erwähnt habe. Gleichartig sind außerdem, was die Herstellung betrifft, diese Griffe. In diesen beiden Fällen sind sie entfernt. Nun die Tabelle 1 gibt eine Summe von solchen übereinstimmenden Daten an, ich glaube, es ist nicht erforderlich, daß ich diese Werte hier alle verlese. Sie stehen in diesen Angaben. An dem Splitter 11 ist eine Rohrform noch gut erkennbar gewesen. Dieser Splitter ist bei der Bearbeitung im Gutachten etwas weiter abgeplattet worden, um Analysen daran machen zu können. Deshalb ist hier diese Rohrform nun nicht mehr so ganz einwandfrei erkennbar. Aber diese Abplattung war bei dem Splitter auch sehr gering. Die Deformation, die man leicht, kugel- oder kalottenförmig und an dem Teil sieht, ist durch die Explosion bedingt. Ja, das sind also die Summen der hier übereinstimmenden Merkmale zwischen diesen Objekten, Außenform, Rohrmantel und Splitter, woraus wir schließen, daß diese Splitter 11 und 29.2. aus gleichartigen Bomben gestammt haben. Ich bin kurz eingegangen auf die Gleichartigkeit der Herstellungsmerkmale dieser vier unzerstört angelieferten Bomben. Ich denke, auch hierzu braucht man nur in die schon erwähnte Tabelle 1 einzusehen, um jeweils die vollkommene Übereinstimmung zu erkennen im Rahmen einer üblichen Herstellungsgenauigkeit, wie sie bei solchen Objekten nun einmal auftritt. Ein Kennzeichen, das besonders deutlich war, sind Sägemarken an den Abschnitten dieser Rohrabschnitte. Denn man hat sie offenbar nicht in einem Stück durchtrennt, sondern das Teil ist dann jeweils etwas gedreht worden, weil die Säge oder Vorrichtung vielleicht nicht in einem Satz ohne nachzustellen diese relativ große Höhe von rund 160 mm durchschneiden konnte. Auf der Unterseite ist hier an dieser Bombe 10 sehr gut ein solcher Absatz erkennbar. Und jeweils um rund 120 Grad versetzt sind andere Ansätze dieser Art, die nicht so ausgeprägt zu sein brauchen, wie hier [9641] dann deutlich, hier ist ein weiterer. Auch diese Kennzeichen sind an allen vieren in gleicher Weise zu sehen. Das macht deutlich, daß diese 4 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von demselben Hersteller stammen, wobei dieser Hersteller eine Einzelperson oder auch natürlich auch mehrere Personen gewesen sein können. Ich möchte mich nun anderen Einzelteilen zuwenden, die wiederum mit Splittern verglichen werden können und Sie dazu zunächst um Ihre Hilfe bitten.
Vors.:
Es ist noch eine Frage oder mehrere Fragen in dem Zusammenhang, Herr Professor. Bitte, Herr Berichterstatter.
Richter Ma[ier]:
Herr Prof. Schönherr, in dem schriftlichen Gutachten, auf das Sie vorher verwiesen haben, heißt es, diese vier Sprengkörper und die beiden Splitter, die Sie vor sich liegen haben, stammten alle aus demselben Rohr. Heute sagen Sie, es sei dasselbe Halbzeug gewesen. Ist das dasselbe?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja. Das ist so. Der Begriff Halbzeug ist nicht genormt und er wird andererseits im jeweiligen Fertigungsbereich, industriellen Fertigungsbereich so verstanden, daß es ein Produkt ist, was weiterverkauft wird und von Bestellern dann weiter verarbeitet wird. Also in der Stahlindustrie ist Halbzeug z.B. Blech, Profilstahl, Breit-Flachstahl[ll] oder Rohr; [mm] das alles rangiert unter Halbzeug. Für den Stahlverarbeiter, etwa eine Stahlbaufirma, ist dieses Material auch Halbzeug, denn sie machen ja unmittelbar etwas daraus. Wenn Sie andererseits ein Rohr, so wie es gekauft ist, nun als Verarbeiter irgendwo einsetzen, ohne sonst etwas daran zu verändern, dann wird es in der Regel nicht mehr als Halbzeug bezeichnet, sondern dann ist es eben Fertigprodukt. So wie ein Privatmann sich Papier kauft und das nun unmittelbar beschreibt.
Richter Ma[ier]:
Ja. Das sind also die unterschiedlichen Bezeichnungen, aber ich kann also davon ausgehen, daß alle sechs Stücke von einem ganz bestimmten individuellen Fertigungsstück ...
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Das ist meine Überzeugung.
Richter Ma[ier]:
Und wenn Sie sagen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, könnten Sie das bitte näher definieren. Welchen Vorbehalt machen Sie da noch, daß Sie nicht sagen, mit Sicherheit?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Sehen Sie, mit Sicherheit oder mit ... Techniker und Ingenieure sind mit dem Begriff, das ist so, sehr vorsichtig. Es wird bei uns eben viel mit Statistik gearbeitet und wenn eine Wahrscheinlichkeit oberhalb 90 % liegt, dann ist man in der Technik in der Regel schon sicher, daß es so und nicht anders ist, weil eine [9642] 90 %ige Wahrscheinlichkeit, mal als Beispiel gesagt, häufig nur deshalb mit so relativ großer Unschärfe, von 10 % Unschärfe, zugrunde gelegt wird, weil man nur wenige Proben hatte. Wenn aber viele Merkmale zusammenkommen, dann steigt eben diese Sicherheit trotz kleiner Probenanzahl an. Und hier beim Übereinstimmen von so deutlich verschiedenen und seltenen Merkmalen, die an mehreren Objekten zusammentreffen, wobei man eine außerordentlich große Vielfalt in der Wahlmöglichkeit für Fertigungs- und Bearbeitungsmerkmale hat, kommt man dann zu dem Schluß, daß es hier der Gewißheit eigentlich entspricht.
Richter Ma[ier]:
Dankeschön.
Vors.:
Es würde also bedeuten, im Grunde genommen: Die höchste Sicherheitsstufe, die Sie im Rahmen der naturwissenschaftlichen Betrachtung annehmen?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja. Ich gehe hier wirklich vollkommen davon aus.
Vors.:
Nein, es geht nur um die Formulierung. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist also Ihre höchste Sicherheitsstufe. Das Wort Sicherheit wird grundsätzlich offenbar nicht verwendet in Ihrem Bereich.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Nein.
Vors.:
Ja, Dankeschön. Weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen? Herr Rechtsanwalt Schnabel.
RA Schn[abel]:
Herr Sachverständiger, haben Sie Anhaltspunkte dafür, daß Rohre, aus denen diese Objekte hier gefertigt wurden, verschiedene chemische Zusammensetzungen haben?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Wir sind dieser Frage sehr eingehend nachgegangen. Und die Antwort, die wir erhalten haben, ist so: Halbzeug, - ja was ist Ihnen lieber als Begriff, nun, wir können beide verwenden - Halbzeug oder hier gemeint solche Rohre also, sind zwar aus einfachen Massenstählen, haben aber in aller Regel Begleitelemente, die von Schmelze zu Schmelze verschieden sind, so daß man den Nachweis einer verschiedenartigen Schmelze führen kann, wenn diese Schmelzen nur hinreichend genau analysiert werden. Und das haben wir hier gemacht durch zusätzliche Analyse von drei Begleitelementen die[nn] keinesfalls in irgendeiner Form, beim Schmelzen dieses Stahls beeinflußt werden, in der Herstellung dieses Stahls beeinflußt werden. Wenn man nur analysiert, vielleicht Phosphor, Schwefel, Kohlenstoff, nun, dann könnte es schon mal eine gewisse Übereinstimmung geben, die allerdings uns bis auf solche Tausendstel, [9643] wie wir es hier haben, auch nicht bekanntgeworden ist. Ich habe zu diesem Zweck von beruhigten Werkstoffen alle Analysen, die wir im Laufe der letzten 10 Jahre in unserer Prüfpraxis gemacht haben, zusammenstellen lassen. Ich habe dieses Bündel hier bei mir. Das sind 98 Schmelzen, die diese Versuche repräsentieren und darunter entspricht keine der anderen, obgleich hier, wenn Sie eben den Maßstab der Übereinstimmung anlegen, den wir für das Gutachten zugrunde gelegt haben. Obgleich wir nur als analysierte Elemente C, Si, Mn, P und S zur Verfügung haben. Durch die Zunahme von Kupfer, Chrom und Molybdän ist die Aussage noch bedeutend sicherer geworden.
RA Schn[abel]:
Herr Sachverständiger, gehe ich von falschen Voraussetzungen aus, daß eine sogenannte Schmelze, von der Sie eben sprachen, sich nicht nur auf ein Rohr beschränkt, sondern doch wohl auf mehrere Rohre?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Eine Schmelze hat ein Gewicht von heute üblich bis zu 100 t. Sie kann auch größer sein, das ist allerdings schon seltener. Und die Wahrscheinlichkeit, daß vollkommen aus einer Schmelze nur warmgewalzt so eine Abmessung gemacht wird, sind schon die erste Einschränkung, die man machen muß, das kommt sicher nicht sehr oft vor, weil die Bestellmengen für Rohre dieser Abmessung nicht so groß sind. Aber, nun ja, man wird auch davon mal ausgehen können. Ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich. Mir ist jedenfalls bekannt, daß die Stahlindustrie Kommissionsgewichte ab 5 t hat. Nun müßte man hier überlegen, wie wahrscheinlich ist es, daß man mit diesem Rohr, das zur Debatte steht, für die Herstellung der Objekte da auf dem Tisch, eine Kommissionssumme von wenigen oder der vollen Schmelzentonagezahl zugrunde gelegen hat. Das ist kaum zu machen.
RA Schn[abel]:
Ja aber Herr Sachverständiger, Sie sagen doch eben selbst, daß eine Kommission aus rund 5 t besteht. Und daß doch 5 t nicht nur ein Rohr sind, das dürfte doch auf der Hand liegen. So daß also diese Kommission von 5 t schon mehrere Rohre sind. Wieviel das sind, das kann ich also nicht so schnell ausrechnen, weil ich also diese entsprechenden chemischen Gewichte nicht habe. Sie haben sie vielleicht. Gehen wir also davon aus, daß diese Kommission dann doch zumindest 100 Rohre sind oder greife ich zu hoch. Dann wird doch Ihre Aussage, daß diese Objekte von ein und demselben Rohr stammen doch etwas zweifelhaft unter diesem Gesichtspunkt.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja wissen Sie, ja und nein. Wenn wir nur die Analyse [9644] betrachten und deshalb habe ich zu Beginn ja diese Vorbemerkung gemacht, dann müßten wir in diese Diskussion sehr eingehend eintreten. Auch da gibt es Gegenargumente und ich will die zuerst einmal sagen. Unsere Analyse ist hier außerordentlich fein, also bis auf Tausendstel hin ausgeführt für die wichtigen Elemente. Und solche Verschiedenheiten können Sie innerhalb einer Schmelze durchaus schon haben. Das andere ist aber, wir haben Bearbeitungsmerkmale und Fertigungstoleranzen die nun über die Schmelze hinausgreifen. Das ist ja die Gruppe, die ich insgesamt gesagt habe. Und deshalb denke ich doch, daß hier berechtigt ist zu sagen, daß diese Teile aus einem Rohr stammen. Das hängt vor allem mit den Bearbeitungsmerkmalen zusammen. Denn wenn Sie getrennten Personengruppen die Aufgabe geben, stellen Sie aus einem Rohr Abschnitte her von einer bestimmten Länge dann können dazu sehr unterschiedliche Verfahren angewandt werden. Und diese hier sind aber alle auf dieselbe Weise abgesägt worden.
RA Schn[abel]:
Habe ich Sie richtig verstanden, daß also allein die chemische Analyse noch nicht ausreichend ist zu behaupten, daß die Objekte aus ein und demselben Rohr stammen, sondern das noch dazu kommen muß, diese Bearbeitungsmerkmale, die Sie eben angeführt haben.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Auch diese Antwort möchte ich in zwei Abschnitten geben. Wenn Sie mich als Ingenieur fragen, dann würde ich für eine Untersuchung, etwa im Rahmen einer Forschungsarbeit oder einer technischen Aufgabe, zufrieden sein mit der chemischen Analyse, wenn sie so übereinstimmt, wie wir das hier haben, zu sagen, das war dasselbe Rohr. Einfach weil ich weiß, daß die Wahrscheinlichkeit, daß man aus einer 100 t Schmelze nur solches Rohr macht, nur in der Abmessung und nur an eine Stelle verkauft, die dann auch wieder nur gleichartige Abschnitte draus macht, absolut unwahrscheinlich ist. Wenn Sie mich aber hier als Sachverständigen vor Gericht fragen, da sage ich, in diesem Fall nehme ich auf jeden Fall die anderen Elemente mit hinzu, die anderen Merkmale hinzu, die diese Aussage für mich zusätzlich bestätigen.
RA Schn[abel]:
Also daß ich doch wohl recht habe, da Sie ja hier Sachverständiger vor Gericht sind, daß für den Sachverständigen, der hier die Aussage macht, die chemische Analyse noch nicht ausreichte?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Herr Verteidiger, lassen Sie es mich noch ein wenig[oo] deutlicher sagen. Sehen Sie, vom rein technischen Sachverstand her bin ich aufgrund der Analyse überzeugt. Aber gerade Ingenieure [9645] streben an, mit ihren Konstruktionen auf der sicheren Seite zu liegen und nicht bis an die Grenze des Zulässigen zu gehen. Und aus diesem Grund meine ich, ist einfach erforderlich, hier ruhig das andere noch hinzu zu nennen, noch dazu, wo man es so ganz deutlich und offensichtlich vorliegen hat. Denn die anderen Merkmale sind ja ganz evident.
RA Schn[abel]:
Wenn ich nur noch kurz auf die anderen Merkmale jetzt zu sprechen komme, sie sind doch wohl insofern nicht besonders individuell und das ist jetzt meine Frage, als ein Techniker oder Mechaniker wohl eine gewisse Breite hat, wie er etwas bearbeitet. Aber im Grunde, wenn ich so etwas herstellen will, dann gibt es ja nicht allzuviel Wege wohl das herzustellen, aus dem Rohr. Oder liege ich hier falsch?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja, das kommt darauf an, wie Sie die Aufgabe stellen. Sehen Sie, formulieren Sie die Aufgabe doch einmal. Dann kann ich das besser beantworten.
RA Schn[abel]:
Ja, wenn ich diese Aufgabe stellen würde, aus einem Rohr solche Gegenstände hierherzustellen und gebe das einem ... verschiedenen Leuten, die ungefähr die gleiche Ausbildung haben als Mechaniker, Techniker oder als Ingenieur oder wie Sie wollen, dann wird es doch nicht allzuviel Wege gehen, um zu diesem Objekt zu kommen. Mit anderen Worten, um es noch konkret zu sagen, diese Schweißnähte und ähnliches, was Sie gesagt haben, sehe ich persönlich, - ich habe es deswegen nur nicht gesagt, weil das ja keine unmittelbare Frage ist; aber Sie fordern mich ja heraus - sehe ich als nicht so sehr individuell an. Darauf will ich hinaus.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja, ich finde, Sie machen eine unzulässige Voraussetzung und ich habe das schon erwartet. Daß Sie nämlich als Aufgabe stellen, nehmen sie ein Rohr mit einer ganz bestimmten Abmessung, Innen- und Außendurchmesser und das auf eine ganz bestimmte Länge geschnitten werden soll. Sehen Sie und das ist als Voraussetzung für so einen Fall, meine ich, unzutreffend.
RA Schn[abel]:
Herr Sachverständiger, Entschuldigung, wenn ich jetzt hier unmittelbar unterbreche. Ich mache die Voraussetzung und Sie machen die Gegenteilige. Ich glaube, wir bewegen uns doch hier aber auf dem Gebiet des Glaubens, denn das kann ich nicht beweisen, ob diese Voraussetzung, die ich sage, richtig ist. Aber ich glaube auch nicht, daß Sie das Gegenteil beweisen können. Und nicht diese Voraussetzung die ich hier herstelle, ob das wirklich die Voraussetzung war. Ich [9646] habe keine Beweise dafür, aber Sie auch nicht für das Gegenteil. Sondern wir gehen von verschiedenen Thesen oder Hypothesen aus. Denn unser Ausgangspunkt ist nicht beweisbar.
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Ja, ich sehe das anders.
RA Schn[abel]:
Bitte?
Sachverst. Prof. Schön[herr]:
Und zwar so, wie etwa ein Student eine Aufgabe, eine Studienarbeit oder Diplomarbeit für eine Konstruktion gestellt bekommt, d.h. es nicht, konstruieren Sie aus einem bestimmten Werkstoff mit den und den Abmessungen das und das, sondern d.h. es, konstruieren Sie ein bestimmtes Objekt. Und nun ist alles übrige ihm freigestellt. Sie können doch nicht der Personengruppe oder den beiden getrennten Personengruppen an die Sie denken, schon vorgeben, die Halbzeugwahl. Und hier kommt dieser Begriff ins Spiel. Sie können doch ganz andere Halbzeuge verwenden, um so etwas herzustellen. Allein die Vielfalt hier auf dem Tisch zeigt es doch.
Vors.:
Danke. Ich glaube damit, Herr Rechtsanwalt Schnabel, ist die Frage beantwortet, bzw. die Fragen. Sonst keine in diesem Zusammenhang? Dann darf ich Sie bitten, Herr Professor, fortzufahren.
Ende von Band 543
[9647] Dem Sachverständigen Schönherr werden die Asservate
B 47 Pos. 15.1 - 1 Splitter - „12/4“
B 51 6. Stock Pos. 1 - 1 Splitter - „12/5“
B 51 6. Stock Pos. 2 - 1 Splitter - „12/6“
B 51 3. Stock Pos. 12 - 1 Splitter - „12/7“
B 51 3. Stock Pos. 11 - 1 Splitter - „12/8“
zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.
Sämtliche dem Sachverständigen vorgelegten Asservate werden vom Gericht gleichzeitig in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Die 2. Gruppe von Objekten für die die Übereinstimmung gezeigt werden soll, sind wiederum Teile der unzerstörten Bombenmäntel, dieser 4, die Sie da drüben sehen, und zwar Decke und Böden.
Dieser Deckel ..., dieser Boden, hier der Boden, also unteres Teil, und Deckel, das obere, daß eine kreisringförmige ..., eine Kreisöffnung hat um am Ende diesen Stutzen aufzunehmen. Bei den Böden sind zwei Splitter, die deutlich diese Form zeigen, einmal diese hier12,4 hat am Rand - klar erkennbar - die gleichen Bearbeitungsmerkmale. Diese Rundung ist als Deckel auch noch verformt zwar, aber deutlich erkennbar. Dasselbe gilt für diesen 12,5, auch diese Rundung mit dem Schweißnahtrest, Bearbeitungsspuren, die Art der Naht. Und besonders typisch für einen Deckel Pos. 12/7 und /8, die beide noch zusammenpassen in dieser Form; hier das Innenteil. Die äußere Naht und alle Bearbeitungsmerkmale wieder gut übereinstimmend. Ich werde die im einzelnen noch nennen. Einmal stimmen also erneut die Analysen überein, das ist zusammengestellt in Tabelle 4 von Teil 1.
Vors.:
Blatt 166.
Sachverst. Schö[nherr]:
Diese Tabelle 4 enthält für die 4 Deckel der Bomben, der unzerstörten 12.1/2/3 und 10, ebenso für die 4 Böden dieser unzerstörten Bomben und 5 Splitter, die jetzt hier liegen, die Analysen. Wieder stimmen diese Analysen außerordentlich gut, mit geringen Streuungen überein, die allein durch das Analysenverfahren bedingt sind.
Ich bitte Sie auch hier besonders die drei letzten Spalten zu beachten für Elemente Kupfer, Chrom und Molybdän, die bei solchen Werkstoffen, wie sie hier verwandt worden sind, nicht als Legierungselemente, sondern nur als Begleitelemente hinzugefügt werden. Und ihre Übereinstimmung ist sehr gut. Wir haben sie für 2 Splitter, 6 und 7, also [9648] 12.6, 12.7 für Chrom und Molybdän weggelassen, einfach, weil die Übereinstimmung in den übrigen Bereichen so gut war, daß wir glaubten, darauf verzichten zu können.
Das nächste Merkmal, das übereinstimmend ist, ist das der Form - ich habe das eben schon gesagt - hier ist diese Deckelform und die Bodenform jeweils gut erkennbar. Das sehen Sie also entweder hier an den Objekten oder auch an den Bildern im Gutachten 12 bis 22 und besonders also 16 und 22, wenn Sie das extra noch aufschlagen möchten.
Das Gericht nimmt die Lichtbilder aus Ord. 80 Bl. 179 - 187 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Bild 16 ist ganz klar das Abbild eines Bodens, und 22, eines Deckels.
Dann sind Bearbeitungsmerkmale erkennbar, Körnerschläge, wenn Sie da vergleichen Bild 1 einerseits, da ist so ein Körnerschlag auf der Innenseite des Bodens in der Rohrbombe erkennbar.
Vors.:
Blatt 168.
Sachverst. Schö[nherr]:
Und Bild 15 ...
Vors.:
Blatt 182.
Sachverst. Schö[nherr]:
... da erkennen Sie den Körnerschlag im oberen Drittel des Bildes; es müßte also hier auch noch direkt erkennbar ... ja, hier, also an dem Splitter 12/5 deutlich zu erkennen.
Ein weiteres Bearbeitungsmerkmal, was man auch diesen beiden genannten Bildern und hier am Objekt sieht, sind die Anrißlinien, die in ganz typischer Weise gemacht sind, nämlich nicht genau im rechten Winkel, sondern nur annähernd.
Oberstaatsanwalt Zeis verläßt um 15.10 Uhr den Sitzungssaal.
Sachverst. Schö[nherr]:
Schließlich die Schweißnähte am Rand, hier an den Objekten selbst am besten zu sehen, sonst aber auch in den genannten Bildern. Und schließlich die Bearbeitung eben des Randes selbst.
Wenn Sie da Bild 36 nochmal aufschlagen möchten - Bild 36 -
Das Gericht nimmt das Lichtbild aus Ord. 80 Bl. 201 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
[9649] Sachverst. Schö[nherr]:
Daran ist deutlich, daß 1. brenngeschnitten worden ist und 2. - das macht das Deckblatt deutlich, was Sie darüber liegen haben - da ist ein kleiner Streifen aufgelegt aus Pergamentpapier, in denen die Gebiete eingezeichnet sind, wenn Sie das ansehen. Es sind also vereinzelt noch Brennschnittriefen erkennbar, rechts im Bild, sonst kann ich Ihnen das hier auch an dem Objekt zeigen, darüber hinaus dann Schleifriefen. Und unten, also im Bild unten, ist die Bruchfläche des Schweißguts erkennbar. Die Nähte sind also durchweg nicht durchgeschweißt gewesen, auch das noch, ein weiteres Kennzeichen. Auch diese Summe der Kennzeichen, die sich hier ergeben, aus ihnen ziehen wir die Schlußfolgerung, wie vorhin, daß diese[pp] Deckel und Böden aus demselben Halbzeug stammen.
Vors.:
Sind zu diesem Abschnitt des Gutachtens weitere Fragen? Beim Gericht nicht. Die Herren Verteidiger und die Bundesanwaltschaft? Nein.
Dann darf ich Sie gleich bitten ... Herr Professor, wenn Sie für die Ausführung irgendeine Pause benötigen, können Sie es jederzeit ausführen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Nein.
Vors.:
Dann darf ich Sie bitten fortzufahren.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Wir wenden uns dann dem zweiten Teil der Untersuchung zu. Und ich benutze jetzt vor allem die Beurteilung beginnend auf S. 30 des Textteils, dieses Teils 2.
Vors.:
Das ist in Ord. 80, Bl. 297 ff.
Dem Sachverständigen werden die Asservate
C 6.4.2 Pos. 55 - 1 Sprengkörper „Feldflaschenform“ - „16“
E 23 V 5/353 - 1 Sprengkörper „Feldflaschenform“ - „13“
E 23 V 5/354 - 1 Sprengkörper „Feldflaschenform“ - „12“
E 23 V 5/355 - 1 Sprengkörper „Feldflaschenform“ - „14“
E 34 I 5/68 - 1 Sprengkörper „Feldflaschenform“ - „15“
E 23 V 5/350 - 1 Sprengkörper „Magnetbombe“ - „30“
E 23 V 5/328 - 3 Scheiben für Magnetfüße
zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.
Sämtliche dem Sachverständigen vorgelegten Asservate werden vom Gericht gleichzeitig in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
[9650] Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Das sind die sogenannten Sprengkörper in Feldflaschenform mit den Nummern ..., mit den Positionsnummer 12 bis 16 und 30. Diese Objekte liegen hier in Feldflaschenform, irgend jemand hat diesen Begriff geprägt, das stammt nicht von uns. Sie bestehen aus zwei Halbschalen, deren normgerechte Bezeichnung gewölbte Böden in Klepperform mit niedrigem zylindrischen Bord nach DIN 28011 ist, das finden Sie unter 1.2.
Und wir haben in der Kurzform im weiteren diese Böden einfach Kappen genannt; der Sprachregelung wegen sage ich diese Kurzform vorab. Nun, wenn man diese Objekte miteinander vergleicht, dann stimmen sie auch wieder in Herstellungsmerkmalen so weitgehend überein - Sie sehen sie dort liegen - und diese Herstellungsmerkmale haben wir auch zusammengestellt in den Bildern ... Nein, erstmal in den Tabellen 1 - 4, von Teil 2 jetzt.
Vors.:
Hier handelt es sich jetzt um Bl. 319 bis 321.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
In Tabelle 1 und 2 sind Maße angegeben. In Tabelle 3, darauf komme ich noch zurück - chemische Zusammensetzung, auch Tabelle 4 und nun besonders in den Bildern 1 - 14 noch weitere Herstellungsmerkmale.
Das Gericht nimmt die Lichtbilder aus Ord. 80 Bl. 330 ff. in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Oberstaatsanwalt Zeis erscheint wieder um[qq] 15.15 Uhr im Sitzungssaal.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Wenn Sie zunächst einmal diese Bilder 1, 2, 3 und 4 ansehen oder kurz überfliegen, dann werden Sie sehen, daß die Art der Herstellung des Objekts sehr gleichartig ist, genauso wie hier die Teile es auf dem Tisch kennzeichnen.
Tabelle 1 mit den Maßangaben bestätigt den Augenschein. Hier sind nun bezogen auf die Angaben in den Bildern 1 - 4, dann die notwendigen Maße gesagt. Schon diese Übereinstimmung von den äußeren Kenndaten macht deutlich, daß sie von demselben Hersteller stammen müssen. Das gilt auch dann, wenn einige dieser Feldflaschenbomben unterschiedliche Griffe haben oder unterschiedliche Teile oder zusätzliche Teile zum Anbringen an irgendwelche Objekte. Soviel zu den äußeren Merkmalen und dem Schluß daraus, daß mit Sicherheit ..., mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit her davon auszugehen ist, daß diese [9651] Teile vom selben Hersteller stammen. Auch dies ist ein, nach meiner Überzeugung unbedeutender Unterschied, daß die Bombe 30, die Sie auf dem Tisch links, als einzelne liegen sehen oder in Bild - das müßte das letzte sein - Bild 14 ..., Bild 13.
Vors.:
Das entspricht hier Bl. 342 und 343.
Das Gericht nimmt die Lichtbilder aus Ord. 80 Bl. 342/343 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Wenn Sie da einmal das vorangegangene Bild, Bild 12 mitvergleichen. In Bild 12 sind in die Kappen Riefen eingeschliffen, in Bild 13 nicht, das ist offenbar eine Variante, die aber an der Gleichartigkeit der Grundform nichts ändert. Hier besteht die Frage ..., hier ist die Frage der Materialgleichheit, wenn wir uns nun mehr Einzeldaten zuwenden, so zu beantworten, Materialgleichheit in Bezug auf die Analyse besteht zwischen den Positionen 12 bis 16 nicht. Das geht aus der Tabelle 4 ..., nein, Tabelle 3 hervor. Da haben Sie einmal das Gegenbeispiel, hier stimmen diese Analysen untereinander nicht genau genug überein. Zumindest nicht so genau, daß wir für ein solches Gutachten davon ausgehen, sie sind gleichartig.
Wenn man nur technische Aspekte anlegt, dann könnte man eine Gleichartigkeit der Analyse für die Böden 15/2 und 16/1, evtl. auch für 13/1 und 13/2 noch in Erwägung ziehen. Aber ich sage das nur als Hinweis. Es hat für diesen Vortrag hier keine Bedeutung.
Wir gehen davon aus, daß Analysengleichheit zwischen diesen Kappen nicht besteht. Das ist auch nicht verwunderlich, weil solche Kappen nach Norm - ich hatte sie genannt - als Massenprodukt hergestellt werden und wenn sie dann wieder als Halbzeug zur Weiterverarbeitung verkauft werden, dann werden halt aus der großen Kiste des Lieferers nicht unbedingt immer nur gleich aufeinanderfolgende genommen, denn sie werden nicht ganz exakt so gestapelt, wie sie aus gleichartigen Blechen gepreßt sind. Sie können auch beim Handel leicht durcheinandergeraten, weil sie ja in keinem stofflichen Zusammenhang mehr bestehen. Das Kennzeichen, auch das an sich gleichartige Teile, wie eben solche nach Norm gelieferten Kappen oder denkbar Rohrabschnitte, letztlich am Ende auf ihrem Weg, bis in die Einzelfertigung, denn um eine solche handelt es sich ja hier, keine ... Fertigung - doch mehr durcheinandergemischt werden, als das vielleicht gemeinhin an- [9652] genommen wird.
Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt um 15.20[rr] Uhr den Sitzungssaal.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Materialgleichheit zwischen diesen Kappen besteht aber insofern, als sie dieselben Abmessungen und Eigenschaften haben, daß sie eben Kappen nach DIN als Vorschweißkappen sind, als Klepperböden.
Ich bin jetzt nicht auf die einzelnen Bearbeitungsmerkmale getrennt eingegangen, ich will das nur kurz streifen. Der Augenschein spricht hier ganz für sich. Die Nähte sind sehr gleichartig, die eingeschliffenen Riefen in den Fällen, in denen welche enthalten sind, das ist die überwiegende Anzahl, sind gleichartig. Die Abmessungen sind gleich. Für die Griffstücke sind ähnliche Winkel verwand und die Nahtausführung ist auch gleichartig, denn sie ist eben - man muß es so nennen - gleichartig nicht fachgerecht. Sie würde den Bedingungen für geprüfte Schweißer oder zuzulassende Konstruktionen nicht standhalten.
Nun ist hier, in dem Zusammenhang besonders zu erwähnen der Sprengkörper 30. Dieser Sprengkörper 30 kann wieder vergleichen werden, mit einer Splittergruppe, und dazu möchte ich jetzt übergehen.
Der Sprengkörper 30 ist einzubeziehen in die übrigen Feldflaschenbomben, er ist von der Machart her mit ihnen identisch, aber es gibt, und das macht seine Besonderheit aus, für ihn eine Splittergruppe von denen Teile mit Anschlußteilen an den Sprengkörper 30 auch wieder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übereinstimmen. Ich will vorabsagen, das sind einmal die Griffe aus 8 mm Rundstahl, zum anderen die Laschen aus Flachstahl, ich zeige sie am besten am Objekt, einen Moment.
Der Sachverständige macht Ausführungen anhand eines Sprengkörpers mit Feldflaschenform. (Ass. E 23 V 5/350)
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Sehen Sie diese Griffe hier, der fehlende Absatz ist für Analysenzwecke herausgenommen worden und diese Laschen, durch die hier noch ein Aluminiumniet gezogen ist, die Lasche selbst ist an der Stelle nicht ganz halbiert, auch wieder aus Gründen die mit dem Öffnen und der Analyse zusammenhängt. Und wenn Sie mir jetzt ...
[9653] Dem Sachverständigen werden die Asservate
B 48 Pos. 15 - 5 Splitter von Rundeisen - „31/1 bis 31/5“
B 50 Pos. 12/9/39 - 1 Splitter von Rundeisen - „12/9/39“
B 50 Pos. 12/9/40 - 1 Splitter von Rundeisen - „12/9/40“
B 50 Pos. 12/9/41 - 1 Splitter von Rundeisen - „12/9/41“
B 54 II 5/65 - 1 Rundeisen -
B 50 Pos. 12/9/1 - 1 Splitter - „12/9/1“
B 50 Pos. 12/9/29 - 1 Splitter - „12/9/29“
B 50 Pos. 12/9/3 - 1 Splitter - „12/9/3“
B 50 Pos. 12/9/13 - 1 Splitter - „12/9/13“
B 50 Pos. 12/5/30 - 1 Splitter - „12/9/30“
B 50 Pos. 12/9/51 - 4 Magnetteile - „12/9/51“
B 50 Pos. 12/9/52 - 1 Magnetteil - „12/9/52“
B 50 Pos. 12/9/53 - 3 Magnetteile - „12/9/53“
zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.
Sämtliche den Sachverständigen vorgelegten Asservate werden vom Gericht gleichzeitig in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Wir haben jetzt hier mehrere Objekte, und zwar 1. - ich gehe zurück auf die Bombe 30 Feldflaschenform - an ihr sind einmal die Griffteile und einmal diese Laschenteile; wenden wir uns den Griffen zunächst zu. Es handelt sich um 8 mm Rundstahl - einen Moment - ... Und hier ... Ich möchte noch die Analyse aufschlagen, ich bitte einen Augenblick ...
Wenn Sie bitte Tabelle 4 aufschlagen.
Vors.:
321.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Die Rundstahlgriffe sind hier bezeichnet als 30 a und 30 b und sie stimmen überein, mit den Splittergruppen 31/3/4/5. Wir haben in dieser Splittergruppe nicht alle analysiert, weil zwei davon zu klein waren, wir haben also nur drei von den insgesamt 5 dieser Splittergruppe analysiert. Und außerdem stimmen sie überein mit der weiteren Splittergruppe 12/1, 12/9/39 und 12/5/41 und 12/9/40; das ist also insgesamt diese Tabelle.
Die Tabelle kennzeichnet wieder übereinstimmende chemische Zusammensetzung, wobei wir als Begleitelenente uns begnügt haben, mit Kupfer und Nickel in diesen Fall, weil alle übrigen auch sehr gut übereinstimmen so weitgehend, daß wir von der Materialgleichheit überzeugt sind. Als weiteres Merkmal kommt hier die Form hinzu. Denn auch an diesen Splittern, die hier auf dem Tisch sind, können [9654] Sie insgesamt noch klar erkennen, daß es sich um Rundstähle gehandelt hat. Erkennbar sind außerdem, als weiteres Merkmal, Bearbeitungsspuren daran, nämlich Reste von Schweißnähten an den Splittern in der Art, wie sie an der Bombe selbst auch zum Befestigen dieser Griffe geführt haben. Und es sind noch Gefügeuntersuchungen gemacht worden, die ebenfalls die Gefügegleichheit zeigen. Aus der Summe dieser übereinstimmenden Merkmale schließen wir wieder, daß gleiches Halbzeug verwendet worden ist für die Bombe 30 - Griffstück - und die Splittergruppen 12/9/39 bis /41 und 31/2 bis /5 ..., 31/1 bis /5.
Man kann aber die Übereinstimmung an diesem Bombenkörper noch fortsetzen, das ist nun noch weiter abgesichert dadurch, daß sich, auch für die dort angebrachten Laschen, die ich zu Beginn schon mitgezeigt habe, 2 Splitter finden, nämlich die Nummern 12/9/1 und 12/9/29.
Für diejenigen von Ihnen, die jetzt aus der Ferne das ..., das können Sie eigentlich alle nicht so sehr gut sehen, diese beiden also, erwähne ich nochmal die Bildseiten, auf denen die Splitter fotografiert sind, um die es jetzt geht: 12/9/1 auf Bild 15 ...
Vors.:
Bl. 344.
Das Gericht nimmt das Lichtbild aus Ord. 80, Bl. 344 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Das Foto oben links in diesem Bild. Und Sie sehen daran ganz deutlich, daß es sich um ein wirklich gleichartiges, natürlich etwas verbogenes Laschenstück handelt, wie es am Behälter selbst auch angebracht ist. Wenn Sie dazu vielleicht nochmal das Bild 14 ansehen - das ist also das Bild davor - da sehen Sie ja ganz deutlich auch diese angebrachten Laschenabschnitte; die gleiche Art der Bohrung, so ein Stückchen Schweißnaht, die Größenverhältnisse.
Die Größenverhältnisse können Sie verfolgen, wenn Sie das sofort möchten, im Bild 15 - leider fotografisch nicht gerade glänzend herausgekommen -; ganz unten ist eine Millimeterteilung auf diesem Papier erkennbar. Und die Maße zu Bild 14, die gehen aus Bild 1 hervor. Wenn Sie also Bild 1 nochmal aufschlagen, dann haben Sie das direkt vermaßte Teil für den unzerstörten Sprengkörper.
[9655] Moment, aber gerade nicht mit der Lasche, muß ich mich berichtigen, das steht wo anders.
Bundesanwalt Dr. Wunder erscheint um 15.34 Uhr wieder im Sitzungssaal.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Das ist in Bild 4, da ist die Lasche vermaßt.
Das Gericht nimmt das Lichtbild aus Ord. 80 Bl. 343 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
So, und der weitere Splitter 12/9/29 ist in Bild 19 zu sehen.
Das Gericht nimmt das Lichtbild aus Ord. 80, Bl. 347 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Oben rechts, da ist die Öse ausgerissen, also diese kleine Bohrung. Das ist hier nicht mehr ganz so schön zu sehen, wie der erste - 12/9/1 - aber, wenn man das Objekt selbst vor sich hat, zweifelsfrei.
Es stimmen darüber hinaus wieder überein die Bearbeitungsmerkmale, nämlich Reste der Schweißnaht in der Form, wie sie auch dort am Objekt ausgeführt worden ist. Nun, und die ...
Wir haben darüber hinaus noch eine Gefügeuntersuchung gemacht, die in den Einzelbildern hier gar nicht erst ins Gutachten aufgenommen worden ist, weil auch diese Aussagen ganz deutlich sind, sie ist nur im Text erwähnt. Ich habe, wenn das interessiert, die Unterlagen allerdings hier bei mir. Ich kann die Bilder gern dazu[ss] vorlegen, bei denen wieder, wie vorhin in der ersten besprochenen Gruppe, einmal dargelegt, die Gefügebestandteile sich entsprechen.
Auch hier drei unabhängige Merkmale von einander, wobei Bearbeitungsmerkmale noch mehrere erkennbar sind, nämlich auch, daß die [9656] Art der Abrundung der Ecken, die Art der Bohrung zeigen diese Übereinstimmung zum Sprengkörper 30.
Und nun gibt es noch eine dritte Gruppe von übereinstimmenden Merkmalen zu diesem Sprengkörper 30. Das sind die sogenannten Magnetfeststeller. Also wir hatten sie dann wohl im Gutachten Türfeststeller genannt. Bitte, einen Moment, ich muß das aufschlagen. Das ist unterschiedlich ...
Vors.:
Magnetfüße, wird wohl gesagt.
Sachverst. Prof. Schö[nherr][tt]:
Magnetfüße, Entschuldigung.
Vors.:
Ja, es ist so, daß also z. B. Bl. 4 in Ihrem Gutachten von Türfeststeller (Magnetfüße) gesprochen wird und an anderer Stelle, etwa Seite 32 wird dann nur noch von diesen Magnetfüßen gesprochen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Das ist so, das hängt wohl damit zusammen, daß sie uns mit dieser Bezeichnung eingeliefert worden sind; Türfeststeller ist eigentlich der korrekte Begriff, aber im ..., oder umgekehrt. Ich muß das Antragsschreiben aufschlagen. Interessiert diese Begründung oder ist das unerheblich?
Vors.:
Nein, es ist ein synonymer Begriff für Sie, wie wir verstehen, und Sie können sich also jetzt weiterer Ausdrücke bedienen, wir wissen um was es geht.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Also mit Magnetfüßen.
Das ist, wenn Sie jetzt den Sachverhalt verfolgen möchten, auf Seite 37, die Angaben zu e. Diese Merkmale werden ..., die dort aufgeführt sind, also dort in der Zusammenfassung aufgeführt sind, will ich jetzt noch einmal erläutern.
Ich muß dazu erst noch die Bilder aufschlage, bitte einen Moment. Die Magnetfüße sind insgesamt auf den Bildern behandelt 30 bis 37.
Vors.:
Das entspricht den Blattzahlen 354 bis 360.
Das Gericht nimmt die Lichtbilder aus Ord. 80 Bl. 354 - 360 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Ein Magnetfuß in Natura ist also fotografiert in den Bilder 36 und 37, diese Objekte, die Sie hier sehen.
Diese Magnetfüße waren, nach Angaben des Antragstellers an der Bombe 30, wurden uns auch mit diesen Magnetfüßen zum Teil zumindest noch angeliefert, einer ist dann wohl nachgeliefert worden. Muß ich [9657] das jetzt genau nachschlagen? Ich weiß nicht mehr, ob wir alle drei zum gleichen Zeitpunkt oder etwa verspätet bekommen haben. Jedenfalls war ...
Vors.:
Ich bitte also die Herren Prozeßbeteiligten, jeweils sich dazu auch zu äußern, wenn der Herr Sachverständige nun fragt, ob weitere Ausführungen dazu erforderlich sind.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Es ist so, wie es im Gutachten steht. Ich habe das nur eben nicht im Kopf, weil ich ...
Vors.:
Nun ist[uu] es so, wir können natürlich nur auf das uns stützen, was Sie uns mündlich vortragen.[42]
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Nun, ich kann Ihnen ganz klar zeigen, die Übereinstimmung dieser Teile, die Frage der Glaubwürdigkeit, ob diese Teile an der unzerstörten Bombe waren, das ist eine Frage, die ich nicht beurteilen kann; sie ist uns jedenfalls so geliefert worden oder mit dem Hinweis so geliefert worden.
Und Gleichartigkeit kann man nun zeigen für wiederum Splittergruppen, die offenbar aus solchen Türfeststellern stammen und diesen unzerstörten Teilen. Ich habe hier zunächst in Bild 30, die unter der Bezeichnung 12/9/51 zusammengefaßten Splitter, das sind ein Blech, zwei Stahlhalbschalen, ein Magnet. Und wenn Sie das verfolgen möchten in einer Skizze, wie diese Teile überhaupt angeordnet sind, dann bietet sich hierfür Bild 35 an.
Vors.:
Blatt 359.
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Unter Zuhilfenahme vielleicht von dem aufgeschnitten Teil, Bild 34, das ist das davor.
Das Gericht nimmt die Lichtbilder aus Ord. 80, Bl. 358 u.359 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Prof. Sch[önherr]:
Hier ist ein Objekt - hier liegt es auch - einer der[vv] Füße ist[ww] aufgeschnitten worden, um das Innere zu zeigen und die Zuordnung zu diesen Splitterteilen zu ermöglichen. Und da erkennt man dann, daß diese Stahlhalbschalen, die auf Bild 34 unten, in dem aufgeschnittenen Teil noch so ein ganz weniges heraussehen, und zwar in dem Bild 34 sind von oben nach unten erst ein Ring zu sehen, dann das aufgeschnittene Plastikteil und in der unteren Ebene nochmal zwei Objekte und davon das rechte. Wenn Sie das anschauen, dann ist - Moment bitte, ich setz das mal hier schnell zusammen -; sehen Sie, das ist ein [9658] solches Teil mit noch einer Kappe obendrauf. Die Kappe ist hier nicht mehr drin. An dem aufgeschnittenen Stück sehen Sie unten etwa noch 1 mm herausragen, der Maßstab ist 1:1 in dem Bild 34, die beiden Halbschalen so, wie sie hier auch vorliegen mit einem Spalt dazwischen, das ist erkennbar. Und um diese Halbschalen liegt dieses Blech, was in der Splittergruppe 51 und so ... vorliegt. Von der Größe her ist es aber deutlich erkennbar, daß es eben das umschließende Blech ist, was hier um diese Halbschalen herumgelegen haben.
Ganz deutlich zeigt auch, wenn wir nun zu nächsten Splittergruppe übergehen - das ist jetzt 12/9/52 - dieses Teil, eigentlich ein kompaktes Stück noch eines Magnetfeststellers; oben ist der Magnet etwas herausgedrückt. Das Plastikteil, was als Distanzstück dient, ist angebrochen und teilweise herausgeschoben. Aber auch das entspricht vollkommen den Objekten, die man aus den geöffneten Türfeststellern genommen hat. Und auch für den Splitter 12/9/53 sind wieder erkennbar zwei Halbschalen und ein Blech, das von der Hülle, also, wenn wir in die Skizze Bild 35 gehen, die Blechhülse 2 stammt.
Vors.:
Diese Blechhülse ist in der Abbildung Bild 32 - Blatt 356 noch in ganz charakteristisch gekrümmter Form gezeigt, hier scheint mir sie ausgewalzt zu sein, diese Blechhülle. Wenn Sie es vergleichen wollen, Bild 32.
Ist es durch die Bearbeitung geschehen, ist es derselbe Splitter?
Sachverst. Prof. Schö[nherr]:
Also vom Werkstoff her, ja. Die Frage der Krümmung, uns ist es jedenfalls so gekrümmt angeliefert wie fotografiert. Nun, dieses leichte Blechteile[xx], das scheint sich halt irgendwo plattgedrückt zu haben.
Wenn man den ... Ja, doch, also es ist aber klar erkennbar, wenn man ..., ja, das ist das Teil. Hier oben ist ein ganz ..., an der oberen linken Ecke in unserem Bild 32 - oberes Teilbild, als Stück 4 bezeichnet - ist eine ganz charakteristisch vorspringende Wölbung, die ist an diesem Blech, so wie es gelegen haben muß, auch entsprechend erkennbar. Und auch diese Bearbeitungs- oder Auftreffmerkmale, muß man hier vielleicht sagen, in der Mitte des Bildes, entsprechen genau diesem Abschnitt.
Ja, man kann also auch hier ganz zweifelsfrei feststellen, daß diese Splitter 12/9/51, 12/9/52, 12/9/53 von Magnetfüßen oder Türfest- [9659] stellern stammen, wie sie in dieser Form hier vorgelegen haben. Das ist also ein 3. Merkmal, was für die Gesamtsplittergruppe 12/9,1 - 54 übereinstimmende Kennzeichen zum Sprengkörper 30 - Feldflaschenform - aufzeigt. Man muß also davon ausgehen, daß der Sprengkörper, dem diese Splittergruppe 12/9 entstammt, so ausgesehen hat, wie der Sprengkörper 30, d. h. auch vom selben Hersteller gestammt hat.
Vors.:
Zu diesem Abschnitt irgendwelche Fragen? Sehe ich nicht. Vielen Dank. Wenn Sie wollen, können Sie gleich fortfahren, Herr Professor.
Ende Band 544
[9660] Dem Sachverständigen werden die Asservate
E 34 III 5/2 1 Handgranate „21“
E 34 III 5/3 1 Handgranate „22“
E 34 III 5/4 1 Handgranate „23“
C 6.4.2 Pos. 79 a 1 Handgranate„18“
C 6.4.2 Pos. 79 b 1 Handgranate „19“
B 54 III 2-5/2 1 Handgranate „20“
C 90 Pos. 7 1 Handgranate „24“
zur Erstattung seines Gutachtens vorgelegt.
Sämtliche dem Sachverständigen vorgelegten Asservate werden vom Gericht gleichzeitig in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten erhalten die Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Wir wenden uns jetzt zu den Positionen 18 bis 24. Die sind unter Ziff. 1.5 auf Seite 34 des Gutachtentextes beschrieben.
Vors.:
Herr Professor, es ist noch die Frage aufgetaucht, ob nicht im Zusammenhang mit dem eben erörterten Abschnitt die chemischen Ergebnisse zu erwähnen wären, bezüglich der Splitter 12/9/3/13 und 30 ... ich weiß nicht, ist es uns entgangen, daß Sie die chemischen Ergebnisse bereits erwähnt haben?
Sachverst. Schö[nherr]:
Bitte nochmal die Nummern 12/9 ...
Vors.:
12/9/3/, 12/9/13/, 12/9/30 und 12/2, das müßte also ein Kappenteil sein des Sprengkörpers 12.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ich wollte diesen Punkt hier nicht besonders erwähnen, weil er mir verglichen mit den anderen gar nicht so relevant erschien. Aber ich kann selbstverständlich auch darauf eingehen. Dieser hat ...
Vors.:
Zusammenfassend, wenn Sie also das Ergebnis schildern können, vielleicht unter Benennung auch der Seitenzahl im Gutachten, damit die Herren das verfolgen können.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja ... ich hab sie nur in Klammern gesetzt. Moment, dann machen wir das noch vor den sogenannten Handgranaten.
Vors.:
Danke ja.
Sachverst. Schö[nherr]:
Das steht auf Seite 36 unten zu d. Insgesamt ...
Vors.:
Blatt 303 bis 304.
Sachverst. Schö[nherr]:
Die Splittergruppe 12/9 war sehr umfangreich. Wir hatten für die Untersuchung insgesamt 54 ausgesucht. An-
[9661] - Reg. Dir. Widera verläßt um 15.50 Uhr den Sitzungssaal. -
geliefert worden war sie nur als Splittergruppe 12/9. Wobei die eigentliche Positionsnummer, das sollte ich zur Erklärung vielleicht hier sagen, die 9 ist. Und diese ersten 9 Positionen eine 12 insgesamt davorgesetzt bekommen haben, nach dem Antragsschreiben. Warum wissen wir nicht. Aber das ist so gemacht worden. Deshalb besteht kein Zusammenhang zwischen dieser 12 einerseits und der 12 da drüben. Also diese 12 ist eine Positionsnummer. Das hier ist eine zusätzliche Kennummer, da ist die eigentliche Positionsnummer die 9. Bei dieser Splittergruppe 12, mit Betonung auf 9 war sehr umfangreich. Wir haben die Splitter in mehrere Bereiche eingeteilt, die wichtigsten waren die, die ich bis jetzt behandelt habe. Aber auch von den 38 Splittern ohne besondere Funktionsmerkmale - besonderes Funktionsmerkmal war zum Beispiel dieses Rundstahl oder auch die Lasche zum Befestigen des Magnetfußes oder auch der Türfeststeller selbst - wurden noch wieder 5 untersucht. Und hier aus der Analyse für die Splitter 12/9/3, 13 und 30 gibt sich eine Übereinstimmung mit der Kappe 12/2, des unzerstörten Sprengkörpers. Dazu brauchen wir jetzt die dazugehörige Tabelle.
Vors.:
Es ist wohl die 7. Blatt 325.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, wenn man hier also vergleicht, in Tabelle 7. Erst mal die 3 Splitter, dann stimmen diese 3 Splitter überein. Wieder in den Begleitelementen, Kupfer, Molybdyl und Nickel, die ich besonders erwähne. Selbstverständlich auch in den anderen Elementen, die analysiert sind: Kohlenstoff und Mangan. Und nun muß man dazu den Vergleich machen, zu Tabelle 4 ... Nein, Entschuldigung, Tabelle 3 und dort ist ...
Vors.:
12.2.
Sachverst. Schö[nherr]:
Die Kappe 12.2, die die entsprechende Analyse hat. Mit 0,091, vielleicht verfolgen Sie einmal die Tabelle 7, ich lese Tabelle 4 vor: Kohlenstoff 0,091 Silizium haben wir in 7 nicht analysiert, das ist ein unbegehrter Stahl, deshalb sind die Gehalte so gering. Mangan 0,354, Schwefel wieder nicht analysiert, Kupfer 0,044, Molybdyl 0.0035 und Nickel 0.02 ..., 020 muß man hier sagen, weil die Tausendstel mituntersucht sind. Das ist also auch wieder eine sehr gute Übereinstimmung, die auf gleiches [9662] Halbzeug[yy] schließen läßt. Sie sehen in der Tabelle 7, zum Vergleich vielleicht noch, andere Splitter, mitanalysiert, die eine deutlich andere Analyse haben. Das ist auch ein Kennzeichen dafür, wie verschieden eben sonst Analysen von Teilen sind, die man als gleiches Halbzeug kauft, gleiche Stahlsorte[zz] kauft und für sonst gleichartige Verwendungszwecke benutzt. Aber diese Analyse, etwa für die, den Mittleren der aufgeführten[aaa], also den 3. Splitter 12/9/25 und den letzten 12/9/50, die sind von den übrigen dreien schon im Kohlenstoffgehalt um 2/100 verschieden. Im Mangangehalt um 3/100. Das ist also auch schon ganz deutlich. Obgleich beim Mangan da auch [bbb] mal gewisse Schwankungen auftreten können aber[ccc] die Gleichartigkeit hier zeigt das klar. Und[ddd] im[eee] Kupfergehalt nachher wieder um 1/100. Das ist also, wenn wir die 0.044 mal als den Gehalt zugrunde legen, der für uns der zu vergleichende ist, dann ist die 2. der beiden Splittergruppen um 1/4 geringer im Kupfergehalt. Besonders kraß zeigt dann der Molybdängehalt, da sind die Gehalte verdoppelt: 3 oder 6/1000. Und auch im Nickelgehalt 2 oder 6/100 Gewichtsprozent, das ist eben keine Gemeinsamkeit mehr.
Vors.:
Danke.
Sachverst. Schö[nherr]:
War aber derselbe Stahl, das möchte ich hier betonen.
Vors.:
Das war nun noch die chemische Seite ...
Sachverst. Schö[nherr]:
Entschuldigung, der gleiche Stahl[fff], dieselbe Stahlsorte.
Vors.:
Bevor wir nun zu dem neuen Abschnitt kommen, den Sie schon eben durch die Vorlage der Asservate beginnen wollten, wollen wir doch eine kurze Pause einlegen. Es wird Ihnen auch angenehm sein. Reichen 10 Minuten? Dann bitte ich in 10 Minuten wieder hier zu sein.
Pause von 15.55 Uhr bis 16.16 Uhr
Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.16 Uhr.
Reg. Dir. Widera ist wieder[ggg] anwesend.
OStA Zeis ist nicht mehr[hhh] anwesend.
[9663] Vors.:
Wir können, wie[iii] ich sehe, die Sitzung fortsetzen. Darf ich Sie bitten, Ihr Gutachten weiter zu erstatten.
Sachverst. Schö[nherr]:
... von Asservaten, die ich jetzt erwähnen möchte, ist die Gruppe der sogenannten Sprengkörper in Handgranatenform. Mit den Positionsnummern 18 - 24, das sind Objekte dieser Art. Hier hinten ist ja auch zu Untersuchungszwecken aufgeschnitten. So wie sie es in dieser Ansicht jetzt sehen, ist sie also im Anlieferungszustand gewesen. Die insgesamt 7 Sprengkörper haben völlig gleichartige Formen. Wenn Sie dazu bitte die Tabelle 8 aufschlagen.
Vors.:
Sie entspricht Bl. 326.
Sachverst. Schö[nherr]:
Die recht handlich aussehenden Teile, oder[jjj] Objekte, sind sehr kompliziert aufgebaut. Sie bestehen aus einer Vielzahl von Teilen, die sie in der Skizze, die zu Tabelle 8 gehört, ersehen können. Einmal in Tabelle 8 ist nicht mitskizziert, aber hier, ich hebe[kkk] es mal hoch, diese Mutter, die den Abschluß bildet und eine Gewindekappe ist das, nach Norm. Dann ein Gewindestutzen, dieser, der hier abgesägt ist. Schließlich ein Paßring, das ist der untere, ja dieser Paßring, schon das dritte Teil, der Mantel selbst das vierte. Erneut wieder ein Paßring, der hiermit verbunden ist und eine Kopfplatte. 6 Teile um o ein kleines Objekt zu machen. Nun daran, aus der Tatsache, daß so viele Teile verwandt worden sind, um diese Sprengkörper herzustellen, kann man nun an allen Verbindungsstellen nachweisen, daß jeweils dieselben Herstellungsverfahren angewandt wurden und sich daraus gleichartige übereinstimmende Merkmale ergeben. Ganz abgesehen davon, daß auch die Abmessungen, die sie nun eigentlich in der Tabelle 8 im unteren Teil sehen, gut übereinstimmen. Wenn bei einigen der Werte dort „nicht meßbar“ steht, dann liegt das daran, daß über das Abrunden dieser Köpfe, also zum Beispiel der Meßwert B 2, das eben nicht sauber meßbar ist, da ist das Merkmal, daß sie alle in gleicher Form abgerundet sind. Wir hatten es zunächst dennoch in die Tabelle aufgenommen, um den[lll] Meßversuche mitzumachen[mmm], und es ist dann eben nicht mehr herausgenommen worden. Der Paßring, der unter dieser Abflachung liegt, der ist zwar nachweißbar, aber in seiner [9664] Breite, wie ihn die Skizze angibt, nach dem Heraustrennen, wenn man das Teil geöffnet hat, nicht mehr genau ausmeßbar. Besonders deutlich zeigt die Übereinstimmung hier also schon, die Summe der Bearbeitungsmerkmale zwischen diesen 6 Teilen und die, also den 6 Einzelteilen jedes einzelnen Sprengkörpers, meine ich damit, und den Maßen.
Also zum Beispiel, wenn Sie diesen Durchmesser D 1 nehmen, der ist also völlig konstant, Durchmesser D 2 dasselbe. D3, der Außendurchmesser, es ist der Innendurchmesser der Hülse. Und dazu kommt der nur im Text angegebene Außendurchmesser noch dieses Rohmaterials, was die äußere Hülle bildet, also diese Hülle von 45 mm. Schon hiernach besteht überhaupt kein Zweifel, daß es sich um Sprengkörper handelt, die ein Hersteller gemacht haben muß. Wenn man nun aber noch und das bitte in der Tabelle davor, also die Seite davor, aber die Tabelle in der nächsten Nummer, Tabelle 9, die chemischen Analysen vergleicht ...
Vors.:
Blatt 325.
Sachverst. Schö[nherr]:
... für die Rohrmäntel, dann stimmt hier wieder die Analyse so ausgezeichnet überein, daß gar kein Zweifel besteht, daß dasselbe Halbzeug verwendet worden sein muß. Fotografiert sind die Rohrkörper, die Sprengkörper im Anlieferungszustand, auf den Bildern 39 bis 53. Wobei zum Ende hin dann noch eine Anzahl Einzelteile, die wir herausgenommen haben, also die Einzelteile, die ich eben schon mitgeschildert habe, anhand der Skizze in Tabelle 8 mitfotografiert worden sind.
Vors.:
Ja, diese Bilder sind enthalten in Blatt 362 bis 376 des Ordners 80.
Das Gericht nimmt die Lichtbilder aus Ordner 80, Blatt 362 - 376 in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten erhalten die Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ich will sie nur noch einmal durchblättern. Bild 39 bis Bild 46. Das sind die eingelieferten Sprengkörper, da besteht gar kein Zweifel, schon nach diesem äußeren Eindruck, daß sie vom selben Hersteller stammen. Und die Zusatzangaben, die ich vorher anhand der Tabellen 9 und 8 erwähnt habe, belegen das nur um so sicherer. Ich habe jetzt nicht im Einzelnen auf Verarbeitungsmerkmale hingewiesen, die an diesen Sprengkörpern vorhanden sind. Ich will noch besonders erwähnen, die Sägeriefen, die Gleichar- [9665] tigkeit an den Paßringen und Böden und schließlich auch die Drehriefen an den Paßringen und Böden. Und zwar den Paßringen 3 und Böden 6, wenn man dem Bild 47 folgt. Die sind auch ganz deutlich. Und so kann man eine Summe von solchen Merkmalen hieran erkennen.
Vors.:
Danke. Sind zu diesen Handgranaten weitere Fragen? Ich sehe nicht ...
Sachverst. Schö[nherr]:
Ich komme ... Entschuldigung.
Vors.:
Bitte.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ich komme damit zum Abschluß meiner Ausführungen, nämlich nur darauf hinweisen möchte, daß ich zu den weiteren, jetzt nicht erwähnten Sprengkörpern, zum Beispiel diesen Dreien, die hier liegen, sogenannte Sprengkörperkassettenform oder ... Moment, ich sage das noch, wo es im Gutachten enthalten ist. In dem kompletten Text, in der Zusammenfassung steht das. Die weiteren Sprengkörper Rohrform mit zwei Gewindekappen, das ist diese Form, wie sie hier liegt.
Dem Sachverständigen werden die Asservate E 34 III 5/5 u.6 - 1 Doppelrohrbombe - „28“
B 47 Pos. 14.1 - 8 Splitter - „29/2 - 29/9“
B 54 III 2 - 5/1 - 1 Geldkassette - „25“
E 34 II 5/95 - 1 Geldkassette - „26“
E 23 V 5/349 - 1 „Baby“-Bombe - „27“
vorgelegt.
Sämtliche dem Sachverständigen vorgelegten Asservate werden vom Gericht gleichzeitig in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten erhalten die Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Da hat sich also ein Vergleich zu irgendeinem andern Splitter nicht einwandfrei herstellen lassen. Und dann auch die Sprengkörper Kassettenform, das sind diese beiden, die Sie da drüben sehen. Auch der Sprengkörper „26“ eine weitere Kassettenform und schließlich der Sprengkörper in der Halbkugelform. Auch hierzu sind Merkmale, übereinstimmende Merkmale, etwa Materialidentität über Analyse zu Splittergruppen oder sonstigem Halbzeug nicht gefunden worden. Deshalb gehe ich hierauf gar nicht weiter ein. Ich betone abschließend nur nochmal, daß eine Gleichheit des Herstellers für mehrere der Sprengkörpergruppen besteht. Die Rohrbomben, die Feldflaschen, die Handgranatenform und schließlich die Übereinstimmung des Sprengkopfes 30 aus der Feldflaschenform mit der [9666] Splittergruppe 12/9/1 bis 54.
Vors.:
Vielen Dank. Frage noch zu dieser Position „29“, das sind bei uns Splitter mit der Unterbezeichnung 2 bis 9. Sind da irgendwelche vergleichende Untersuchungen angestellt?
Und eventuell zu einem Ergebnis geführt worden, das hier mitzuteilen wäre?
Sachverst. Schö[nherr]:
Es ist so, wir haben innerhalb der Splittergruppe „29“ zwei Übereinstimmungen gefunden. Und zwar für den Splitter 29/3 und 29/7 einerseits und den Splitter 29/5 und 29/6 andererseits. Ich möchte sie aufschlagen, bitte einen Moment. Auch bei diesen beiden gehen wir davon aus, daß sie aus demselben Halbzeug stammen, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, wobei einmal die Analysen und dann einer Dickenübereinstimmung vorliegt. Die Dickenübereinstimmung sehen sie in der Tafel 6, innerhalb allerdings der Grenzen, die bei Splittern, die durch eine Explosion entstanden sind, nun einmal auftreten können. Aber die Abgrenzung zu dem Verglichenen zeigt, daß diese Dickenabgrenzung durchaus berechtigt ist. Dazu müssen wir zunächst noch in die Tafel mit den zugehörigen Analysen gehen, bitte einen Moment ...
Vors.:
311 könnte es, Tabelle 11,
Sachverst. Schö[nherr]:
Tabelle 11 ...
Vors.:
Seite 328.
Sachverst. Schö[nherr]:
In Tabelle 11 sind eine Reihe, insgesamt 9 Splitter der Gruppe 29 analysiert. Dazu könnte man doch nehmen die Analyse des Splitters 29/1, dann hat man die vollständige Palette, die aber Gegenstand der Untersuchung im 1. Teil. Soll ich die noch dazu aufschlagen?
Vors.:
Wenn Sie es zur Darstellung des Ergebnisses benötigen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Also ich halte es nicht für erforderlich. Wir können einmal jetzt in Tabelle 6 alle Dicken für die Splitter 29/2 bis 10 heranziehen.
Vors.:
Das ist Blatt 324.
Sachverst. Schö[nherr]:
Und da zeigt sich, daß die Dickenübereinstimmung sich sinnvoll nur ergibt, für 3 und 7 einerseits, also 29/3, mit maximale Dicke 3 mm, und die ist hier zugrunde zu legen, weil natürlich die geringeren Dicken eines solchen Splitters, der etwa an seinem Ende durch die Explosion [9667] schräg abgeschert ist und nicht um 90° über seine Decke abgesägt wurde. Diese maximale Dicke von 3 mm ist zu vergleichen der des maximalen Dicke des Splitters 29/7, da war es 3,5. Und die 2. der beiden Gruppen, von denen wir sagen, auch das ist denkbar, daß sie, von der wir annehmen, daß sie zum selben Halbzeug gehört hat, einem anderen, aber in sich gleichen, 29/5 und 6. Wenn sie wiederum den Dickenvergleich in Tabelle 6 machen, dann zeigt sich, diese beiden sind maximal 1,7 und 1,8 mm dick. Das deutet eben klar darauf hin, daß die Analysenverschiedenheit auch durch diese Dickenverschiedenheit belegt wird. Und wieder steht die Analyse nicht allein. Obgleich für mich die Analyse wieder, wenn ich das mal ingenieurmäßig sage, die Übereinstimmung schon hinreichend kennzeichnet.
Vors.:
Danke. Zu dieser Splittergruppe, bitte, Herr Berichterstatter.
Richter Ma[ier]:
Ergänzend, Herr Professor Schönherr: Haben Sie bei diesen Splittern, bei der chemischen Analyse irgendeine Übereinstimmung mit sonstigem von Ihnen untersuchten Material festgestellt? Insbesondere etwa mit dem Rohrbombenmaterial?
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, das haben wir ja schon behandelt, eingangs. 29/1 hat ja dazugehört.
Richter Ma[ier]:
Abgesehen von 29/1, ich meine jetzt nur 29/2 bis 29/10.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, einen Moment, das ist in der Zusammenfassung behandelt, da muß ich nochmal nachschlagen.
Vors.:
Blatt 34 Ihres Gutachtens.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, Seite 34 Ziffer 1.4. Wir hatten da noch in einem Brief diese Ergänzung gesagt oder ... nein, das haben wir wohl korrigiert, ja. Also die Fußnote, die auf Seite 34 eigentlich dazugehört, die heißt, Übereinstimmung des Splitters 29/1 mit anderem Material, ist schon in der Antwort zu Frage 1 mitbehandelt, das betraf diese Gruppe 12.1 bis 3 und 10. Die übrigen aber, da müssen wir sagen, es wurde kein wesentliches Merkmal gefunden, indem die Splitter 29/2 bis 29/10 mit Material des Sprengkörpers 28 oder einem anderen Material übereingestimmt hätten. Wir können nur hinzufügen, die chemische Zusammensetzung des Splitters 29/8 ähnelt der Gewindekappe 28/3, die [9668] aus Temperguß besteht. Möglicherweise stammt der Splitter 29/8 aus einer Gewindekappe der Art von 28/3. Dies würde auch den Zinküberzug des Splitters erklären. Aber mehr als eine Vermutung kann ich hier gar nicht aussprechen. Eine Wahrscheinlichkeit ist nicht abzuleiten.
Richter Ma[ier]:
Danke.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, bitte.
BA Dr. Wu[nder]:
Eine ganz allgemeine Frage, Herr Sachverständiger, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dem Gericht die Kompetenz der Bundesanstalt für Materialprüfung ganz kurz darlegen würden. Die Kompetenz für[nnn] derartige Materialuntersuchungen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Nun, in dieser Form pro domo zu sprechen, ist eigentlich unüblich. Ich möchte Ihnen deshalb nur schildern, wie die Bundesanstalt organisiert ist. Sie ist eine Bundesoberbehörde im Bereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die einzige Bundesanstalt für Materialprüfung der Bundesrepublik. Es gibt andere Materialprüfanstalten, die aber Anstalten der Länder sind. Die Bundesanstalt für Materialprüfung hat eine Reihe von hoheitsrechtlichen Aufgaben und deshalb wird sie in der Regel nur für Obergutachter oder Gerichtsgutachten herangezogen. Privatgutachten werden von uns nur in Ausnahmefällen gemacht, dann, wenn eine besondere wirtschaftliche Besonderheit besteht, etwa Auseinandersetzungen mit dem Ausland vorliegen oder nun sehr große Objekte zur Debatte stehen. Die Bundesanstalt für Materialprüfung hat rund 1000 Mitarbeiter. Sie ist in, wird von einem Präsidenten geleitet, ist in 6 Abteilungen gegliedert, die sich mit 4 Stoffbereichen und 2 Verfahrensbereichen verfassen. Die Stoffbereiche sind, ich sage sie jetzt nicht in der Art, wie genau die Abteilungen heißen, sondern welche Stoffgruppen dahinterstehen oder Verfahrensgruppen: Metalle, die erste Abteilung, Baustoffe die zweite Abteilung, Kunststoffe und organische Stoffe die dritte Abteilung und technische Gase in der vierten Abteilung. In dieser vierten Abteilung werden vor allem auch Fragen der chemischen Sicherheitstechnik, übrigens besonders in einem Bereich der hoheitsrechtlichen Aufgaben, ausgeführt. Die beiden verfahrensorientierten Ab- [9669] teilungen, die in ihrer Größe ebenso groß sind, wie die vier anderen, also jede der vier anderen. Die Einteilung ist etwa gleichartig, sind allgemeine Fragen der Materialprüfung und das reicht dort von der Farbprüfung bis hin zum Holzschutz.
Vors.:
Ist, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, die Frage nach der Kompetenz, die daraus geschlossen werden kann, damit schon hinreichend beantwortet.
BA Dr.Wu[nder]:
Herr Vorsitzender, im Moment wollte ich sagen, daß mir die Beantwortung der Frage genügt. Ich bedanke mich sehr.
Vors.:
Danke. Weitere Fragen? Herr Berichterstatter, noch zu einem Zusatzpunkt, bitte.
Richter Ma[ier]:
Ich bitte, dem Herrn Sachverständigen das Asservat B 54 II 5/65, das ist wohl dieses Rundeisen hier vorzulegen.
Dem Sachverständigen wird das Asservat
B 54 II 5/65 - 1 Rundeisen -
vorgelegt.
Richter Ma[ier]:
Herr Sachverständiger, haben Sie dieses Stück ebenfalls untersucht?
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, wir haben ein Rundstahl untersucht. Ich muß eben anhand seiner Nummer prüfen, ja, dieser Stab ist von uns untersucht worden.
Richter Ma[ier]:
Haben Sie eine Übereinstimmung zwischen diesem Stück und den anderen 8-mm-Rundeisenstücken feststellen können?
Sachverst. Schö[nherr]:
Aus der Erinnerung sage ich nein. Aber ich will das nachschlagen im Gutachten. Ich meine, es ist nicht der Fall.
Richter Ma[ier]:
Herr Sachverständiger, ist es möglicherweise auf Seite 33.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, ich habe es. Seite 33 unter 1.3 letzter Absatz. Aus Abschnitt 3.4 geht hervor, daß der Rundstahlabschnitt nicht aus demselben Halbzeug, 8-mm-Rundstahl stammt, wie die Splitter, die vorab im Zusammenhang mit dem Sprengkörper 30 behandelt worden sind.
Dem Sachverständigen wird das Asservat
E 23 V 5 Pos. 328 - 3 Scheiben für Magnetfüße -
vorgelegt.
Richter Ma[ier]:
Wenn Sie vielleicht kurz dazu auch noch etwas sagen wollen.
[9670] Sachverst. Schö[nherr]:
Dazu haben wir Tabellen. Tabelle 5.
Vors.:
Blatt 322.
Sachverst. Schö[nherr]:
Ich bin vorhin auf diese Teile nicht mehr eingegangen, weil die Übereinstimmung zwischen den Magnetfüßen als Splitter, oder unter der Splittergruppe, und denen, die mit dem Sprengkörper 30 angeliefert worden sind, so weitreichend waren, daß ich meinte, das in dem mündlichen Gutachten nicht sagen zu müssen. Aber aus Tabelle 5 geht nun jedenfalls hervor, daß die Scheiben, also solche kleinen runden Scheiben, die sie hier drin drei sehen, die mit dem Sprengkörper 30 angeliefert worden sind, in ihrer Form vollkommen identisch sind, den drei weiteren Scheiben, die unter dieser Asservatennummer 23 V 5/328 angeliefert worden sind. Wir haben Analysen von diesen Teilen gar nicht gemacht, weil wir meinen, daß ebenso wie bei den Kappen dieser Feldflaschenbomben, die Analyse kaum eine Übereinstimmung hätte zu bringen brauchen, denn solche Maßenteile, die dann leicht in der Lagerhaltung gemischt werden, die brauchen dann nicht mehr dieselbe Analyse zu haben, um dennoch als gleichartig bezeichnet werden zu müssen. Jedenfalls geht hier viel deutlicher aus der sehr genauen Maßübereinstimmung hervor, die ja bis auf hundertstel mm übereinstimmt, für die Werte D 1 und h und auf zehntel Millimeter für die anderen Werte hervor, daß es sich um gleichartige Teile handelt. Daß man also davon ausgehen muß, daß diese drei Scheiben demselben Zweck gedient haben, wie die drei, die am Sprengkörper [ooo] 30, beziehungsweise seinen Magnetfüßen angebracht waren.
Richter Ma[ier]:
Danke. Und wenn Sie dann vielleicht einen letzten Punkt noch berühren könnten. Können Sie kurz noch etwas über die Art und Qualität der Schweißarbeiten etwas sagen.
Sachverst. Schö[nherr]:
Nun, ich will mir dazu auch lieber ins Gedächtnis rufen, was wir hier unmittelbar gesagt haben. Ich habe es vorhin einmal kurz erwähnt, anhand der Schweißungen der Feldflaschenbomben, daß die Qualität der Schweißungen den Anforderungen an abnahmepflichtige Bauteile nicht genügt. Man kann es am besten vergleichen, vielleicht mit der Norm DIN 8560. Das ist die Norm, die für die Prüfung [9671] von Handschweißern gilt, nicht an Bauteilen, sondern an Prüfstücken, und da muß man sagen, daß die Schweißungen allesamt diese Anforderungen nicht erfüllen, die in DIN 8560 [ppp] an geprüfte Schweißer gestellt werden. Trotzdem sind die Nähte auch nicht mehr die allerunterste Qualitätsklasse. Es ist nicht so, daß die Nähte von jemandem geschweißt worden sind, der zum ersten Mal eine Elektrode oder einen Brenner in die Hand genommen hat, sondern ein gewisser Übungsgrad, wie er bei nicht speziell Ausgebildeten, aber angelernten Schweißern anzutreffen ist, verraten diese Nähte durchaus. Wahrscheinlich würde der betreffende Schweißer gut in der Lage sein, also in der Lage sein, sage ich’s mal so, brauchbare Kehlnähte zu schweißen. Aber er ist nicht in der Lage, Stumpfstoße zu schweißen. Das ist einfach eine höhere Qualitätsanforderung.
Richter Ma[ier]:
Und meine Annahme ist richtig, daß es sich um Elektroschweißen handelt?
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, also im wesentlichen sind es Lichtbogen handgeschweißte Teile. Aber vereinzelt können durchaus auch Autogenschweißnähte da sein. Also bitte einen Moment ...
Die Ziff. 1.11. Geräte[qqq] zum Lichtbogen Hand- und Gasschnellschweißen stehen in zahllosen Werkstätten in der Industrie und so weiter zur Verfügung. Also wir sind der Meinung gewesen, daß vereinzelt Nähte auch autogen geschweißt worden sind. Ich glaube, im Zusammenhang mit dieser ...
Der Sachverständige, gibt anhand des Asservats E 23 V 5/349 (Baby-Bombe) Erläuterungen ab.
Also diese Bombe, die ist sehr wahrscheinlich autogengeschweißt. Das könnten wir aber nachsehen, mal sehen, ob ich das aus der Erinnerung richtig sage, oder nach Beurteilung der Naht. Ja, es ist auf 29 auch so ausgeführt, also der Augenschein trügt nicht. Diese Grundnaht hier ist autogen geschweißt, also Gasschmelzgeschweißt. Aber diese Nähte hier ... aber die wichtigsten Nähte, der drei anderen großen Sprengkörpergruppen, also Handgranatenform, Feldflaschenform und Rohrbombenform, die sind elektrisch geschweißt, nicht von Hand ...
[9672] Richter Mai[er]:
Angenommen, der Hersteller hätte ein elektrisches Schweißgerät mit einer Stromstärke von 115 Ampere gehabt. Hätte er 1. diese Schweißarbeit, die Elektroschweißarbeiten vornehmen können und hätte das 2. möglicherweise eine Auswirkung auf die Qualität gehabt oder wäre darin eine Erklärung für die mindere Qualität der Arbeiten zu suchen?
Sachverst. Schö[nherr]:
Das ist durchaus eine Erklärung. 114 Ampere sind für die Nahtdicken, die hier teilweise vorliegen, effektiv schon ein bißchen gering. Wahrscheinlich ist nur mit kleinen Elektrodendurchmessern gearbeitet worden, mit denen das dann geht, ... kleinen Augenblick ... Ja also schon für 2,5 mm Elektrode ist das nicht mehr reichlich.
Richter Mai[er]:
Aber man hätte es noch machen können?
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, das kann man noch machen.
Richter Mai[er]:
Und das wäre möglicherweise der Grund gewesen oder hätte auch ein Grund sein können?
Sachverst. Schö[nherr]:
Ja, wissen Sie, üblicherweise werden aber dickere Elektroden verwandt. Ob nun der Hersteller sich mit den dünnen Elektroden begnügt hat, das möchte ich fast bezweifeln. Wir können ... nein, nein, zu den Elektroden haben wir keinen Bezug herstellen können. Ich will hier gar keine Vermutung daran knüpfen, an die Elektroden, die mit Gegenstand der Untersuchung im 1. Teil gewesen sind. Aber jedenfalls eine zu geringe Stromstärke des Geräts, mit dem gearbeitet worden ist und vor allem eine geringere Leistung, die sich durch kleine Einschaltdauer auswirkt, die ist sofort nachteilig, wenn der maximale Strom nur 115 Ampere betragen hat.
Richter Ma[ier]:
Danke, keine weiteren Fragen mehr.
Vors.:
Sind damit alle Fragen an den Herrn Sachverständigen abgeschlossen? Ich sehe ja. Wird ein Antrag auf Vereidigung des Herrn Sachverständigen gestellt? Ich sehe nicht.
Anträge auf Vereidigung des Sachverständigen Prof. Dr. Schönherr werden nicht gestellt.
Der Sachverständige Prof. Dr. Schönherr bleibt gem. § 79 StPO unbeeidigt.[43]
[9673] Der Sachverständige Prof. Dr. Pohl macht folgende
Angaben zur Person:
Prof. Dr. Heinz Pohl, 62 Jahre alt, Chemiker, Berlin,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Nur ganz allgemein, welches ... Sie sind auch hier in der Bundesanstalt, welches ist Ihr spezielles Sachgebiet?
Sachverst. Dr. Pohl:
Mein spezielles Sachgebiet: Chemische Untersuchung, anorganisch chemische Untersuchung. Also Metalle, auch anorganische Stoffe, typisches Beispiel, vielleicht mal Feuerfeststoffe. Darf ich ganz allgemein zu den Analysen sagen, wir haben Erfahrungen seit etwa 100 Jahren. So lange existiert das Amt und auch haben wir da Gutachten früher schon getätigt, auf chemischen Gebieten. Diese Analysentechniken sind modernster Art. Wir sind im engen Kontakt mit der Industrie Eisen und Stahl, Nicht-Eisenmetalle im nationalen und internationalen Rahmen, über die EG mit dem NBS in Washington. Das ist praktisch die Oberbehörde in Amerika, die die BAM und die PPB in Deutschland vereinigt. Wir machen also auch Austauschanalysen. Unter anderem stellen wir, das darf ich betonen, Standradreferenzmaterial her. Die Analysen für die Industrie die dienen zum Testen der Analysen und zum Kalibrieren von Geräten. Und deswegen haben wir auch eine sehr enge Unsicherheitsgrenze in der Analysentechnik. Und wir verwenden für diese Gutachten meistens chemische Analysen, schon speziell deswegen, weil Bombensplitter durch die physikalischen Techniken nicht wegen ihrer ungleichmäßigen Form analysiert werden können. Und die physikalische Technik auch nicht den Grad der Genauigkeit hat, wie die chemische Analyse, weil diese Analysentechnik ein Sekundärverfahren ist, muß mit chemisch geeichten Substanzen praktisch geeicht werden. Wir haben dann durch die langjährige Erfahrung, ich kann das ruhig mal kurz erläutern, die unscharfen Bereiche für die einzelnen Elemente, stati- [9674] stisch erfaßt, die liegen besser als in der Industrie. Und für, zum Beispiel für den Kohlenstoffgehalt, der nun a von der ... von Hause aus durch Ungleichmäßigkeit, mein Kollege hat es schon gesagt, in den technischen Stahlchargen, die hier zur Diskussion standen, gegeben sind, kann der Fehler etwas größer werden. Er liegt in der Größenordnung von 0,001, also 1/1000 plus, minus.
Ende des Bandes 545.
[9675] Sachverst. Dr. Pohl:
Und bei dem Siliziumgehalt ist es ähnlich, da liegt er bei etwa 0,303, manchmal auch, wenn es sehr gut geht, noch darunter. Beim Mangangehalt liegt er auch bei 0,203 und beim Phosphorgehalt, das ist wieder ein Element, was, wie der Fachmann sagt, seigern[rrr] kann, sehr leicht seigern[sss] kann und dadurch auch diese Unschärfe und nicht absolute Eingruppierung, ob das Material gleichmäßig ist. Da liegt er in der Größenordnung von 0,008 bis 0,004. Das hängt eben mit der Ungleichmäßigkeit im Material zusammen und deswegen sind auch so viele Löcher gebohrt worden, um diese Ungleichmäßigkeit etwas herabzumindern. Wir hätten durchaus mehr Arbeit hineinstecken können, aber das ist ja eine mechanische Arbeit und die kostet viel Geld für uns. Beim Schwefelgehalt, das ist ebenfalls ein Element, was seigern[ttt] kann liegt[uuu] die Unschärfe zwischen 0,305 und 0,201, und der Kupfergehalt der läßt sich sehr viel präziser bestimmen, etwa 0,001 bis 0,0005. Beim Molybdängehalt[vvv], das sind sehr[www] kleine[xxx] Gehalte, möchte ich betonen, die sind äußerst[yyy] schwierig zu bestimmen, aber trotzdem ist die Toleranzgrenze 0,001, und schließlich beim Chromgehalt 0,0015. Die Spectrochemie[zzz], die hat etwa doppelt so große Fehler, wie ich soeben ausführte. Ich habe dann noch eine Frage an das hohe Gericht. Wir haben hier noch ein Gutachten, da sind wir ganz alleine tätig gewesen ...
Vors.:
Darf ich noch an das, was Sie jetzt ausgeführt haben, die Frage anknüpfen: das, was Sie jetzt uns darstellten, bedeutet also, daß es sich hier bei diesen chemischen Untersuchungen um eine sehr verläßliche Methode handelt. Haben Sie diese Ausführung, die Professor Schönherr gemacht hat, haben Sie selbst mitgearbeitet bei der Herstellung dieser chemischen Analysen, haben Sie die selbst verantwortlich durchgeführt? Können Sie sie in vollem Umfange bestätigen?
Sachverst. Dr. Pohl:
Ich habe sie nicht selbst durchgeführt, dazu ist meine Position etwas hoch. Ich habe einen Laborleiter ... ich bin ein Mann der Praxis, ... darf ich das ruhig hier sagen, ich habe mal als Lehrling in der BAM vor rund 35 Jahren angefangen und bin dann aufgerückt zu meiner jetzigen Position, also gucke den Analytikern jeden Tag mehrfach über die Schulter und wenn ... und außerdem sichern wir unsere Ergebnisse ab durch[aaaa] die sogenannten Standardreferenz ... die wir selber herstellen, die wir vom Ausland, von England, Frankreich und USA beziehen und kontrollieren [9676] damit unsere eigenen Leute. Und die Leute, die Männer, die das machen, sind 25 Jahre oder mehr im Dienst. Also eine sehr große Sicherheit und wenn da ein Fehler passiert, geht das auch nicht an Herrn Schönherr heraus, sondern wir kontrollieren nochmal, bis die Sache eine gewisse Übereinstimmung zeigt.
Vors.:
So daß Sie das von Herrn Prof. Schönherr Gesagte von ...
Sachverst. Dr. Pohl:
Kann ich völlig unterstreichen.
Vors.:
... von der chemischen Seite her voll unterstreichen können.
Sachverst. Dr. Pohl:
Jawohl.
Vors.:
Dankeschön. Das war nun zu diesem Gutachten, das Herr Professor Schönherr gegeben hat, was Sie jetzt ergänzt haben hinsichtlich der Verläßlichkeit unter eigener Bestätigung.
Sind dazu Fragen? Sonst kommen wir zu einem weiteren Gutachten, das der Herr Sachverständige erstellt hat. Es handelt sich hier um Stahlkugelasservate, die Ihnen vorgelegen haben.
Dem Sachverständigen Pohl werden die Asservate
E 23 V 5/237 - Kartons Stahlkugeln -
E 23 V 5/349 - Stahlkugeln -
E 34 III 5/5 - Stahlkugeln -
E 34 III 5/6 - Stahlkugeln -
zur Erstellung seines Gutachtens vorgelegt.
Sämtliche dem Sachverständigen vorgelegten Asservate werden vom Gericht gleichzeitig in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Sachverst. Dr. Pohl:
Von all diesen Stahlkugeln wurden Proben genommen, und zwar haben wir jeweils zehn Stück herausgezogen. Es war bei dieser Menge nicht möglich noch mehr zu ziehen, weil wir wissen, wenn Stahlkugeln aus dieser Fertigung, wie von SKF, das ist eine deutsche Kugellagerfirma, große Mengen hergestellt werden für Kugellagerherstellung, und wir dann mit dieser Probenahme durchaus zufrieden sein können um Gleichmäßigkeiten herzustellen. Das ist bedingt dadurch, ich sagte es schon, daß große Chargen für diese Kugeln hergestellt, das sind Walzlagerstiele nach DIN - Werkstoff Blatt 350/53, die eine bestimmte Klassifizierung haben und eine sehr enge Toleranzgrenze von der Herstellung her im Kohlenstoffgehalt von 0,9 bis 0,... bis 1,1 %. Im Chromgehalt von 0,4 bis 1,65 %, Mangangehalt 0,25 bis 0,4 % und schließlich im Siliziumgehalt[bbbb] von 0,15[cccc] bis 0,35. Wir haben jetzt von diesen [9677] vorliegenden Proben die Kugeln spektografisch qualitativ erst zunächst untersucht, um überhaupt festzustellen, welche Legierungskomponenten drin enthalten sind. Es gibt eine Legierungstype, die auch noch zusätzlich Molybdän und Nickel enthält, neben diesen genannten Elementen, aber das war in diesem Falle nicht nachzuweisen. Und wir haben dann, wie gesagt, naßchemisch den Kohlenstoff-, Silizium-, Mangan- und Chromgehalt ermittelt und haben bei den Positionen E 23. V 5/237 + 2 den Kohlenstoffgehalt ermittelt von 0,97 %, den Silizium, ich glaube, die Tabellen müßten dem hohen Gericht vorliegen ... den Siliziumgehalt von 0,27, den Mangangehalt von 0,32 und den Chromgehalt von 1,75.
Bei der nächsten Position E 23 V 5/237 + 5 haben wir den Kohlenstoffgehalt ebenfalls ermittelt 1,05, Silizium 0,26, Mangan 0,37 und der Chromgehalt 1,56.
Bei der dritten Position E 34 III 5/6 Kohlenstoff 1,03 %, Silizium 0,24, Mangan 0,34, Chrom 1,55.
Bei der vierten Position E 34 III 5/5 Kohlenstoff 1,03, Silizium 0,25, Mangan 0,35, Chrom 1,57.
Bei der fünften Position B 54/IV 3.2 konnte der Kohlenstoffgehalt wegen der Kleinheit der Probe, das war bloß eine Kugel, soweit ich weiß, nicht ermittelt werden, weil wir die Mengen brauchten, um den Silizium-Mangangehalt zu machen. Auch spectrochemisch konnte diese Kugel nicht erfaßt werden. Wir haben, darf ich sagen, Klimmzüge, wie wir so sagen, gemacht. Es war nicht möglich, da den Kohlenstoffgehalt zu bestimmen, weil das Grundmaterial uns Schwierigkeiten machte, das Einbettungsmaterial.
Bann die letzte Position E 23 V 5/349, auch da der Kohlenstoffgehalt 1,03, Silizium 0,26, Mangan 0,33 und Chrom 1,56.
Wie wir feststellen, ist die Position 1 in der chemischen Zusammensetzung dieser genannten Elemente Kohlenstoff, Silizium, Mangan, Chrom, völlig verschieden von den fünf anderen Elementen, wenn wir voraussetzen, daß die fünfte Probe ebenfalls den Kohlenstoffgehalt von etwa 1,03 zu ermitteln gewesen wäre. Es deutet sich an, [dddd] wenn wir jetzt die Siliziumgehalte vergleichen, stimmen die mit den angegebenen Toleranzwerten sehr gut überein. Der Mangangehalt liegt auch gut zusammen, und der Chromgehalt bestätigt das Ergebnis völlig. Wir haben dann nebenbei versucht, auch die Kugeln noch zu messen, wir [9678] sind eine chemische Abteilung, sind an sich gar nicht befugt, dazu diese Messungen herzustellen, aber da wir eine mechanische ... kleines Laboratorium haben für unsere eigenen Versuche, und die Kugeln nun leider, wie hier im Augenschein zusehen ist, sehr verrostet waren, war eine präzise Messung nicht notwendig ... nicht nötig und wir wissen, daß auch die Firmen Kugel Fischer-Schäfer diese Kugeln sehr präzise, aufgrund der Tatsache, daß sie für Kugellager benutzt werden, herstellen und sie gehören alle mehr oder minder einem mittleren Durchmesser von 7,938 mm an. Also das ... da haben wir die anderen fünf Stahlkugeln da noch herangezogen und da[eeee] bestätigt sich unser Ergebnis. Wir können also sagen, daß es sich um Kugeln einer Fertigung aus der Industrie handelt, die bedingt durch die Massenfertigung durchaus unterschiedlich sein können. Die Firmen gruppieren natürlich nach der Analyse und nach dem Durchmesser und Sie sehen, daß eine Kugel dabei ist, die von einem anderen Kugellager stammen, kann[ffff] von der Konkurrenz aus Schweden zum Beispiel, oder sonstige, die nicht dieser von uns ermittelten Zusammensetzung entspricht.
Vors.:
Vielen Dank. Herr Professor, zu diesen Position B 54 IV 3.2, das ist die Probe, die nicht zu allen Materialprüfungen ausreichend gewesen ist, da sprachen Sie von einer Kugel. Nach dem Übersendungsschreiben, das am 10. Mai 75 an Sie gegangen sein soll, nach den Unterlagen, die wir hier haben, müßte es sich um zwei Stahlkugeln gehandelt haben. Könnte das stimmen? Wenn ich Ihnen das ins Gedächtnis zurückrufe, hier heißt es, ich halte Ihnen das vor aus Bl. 215/1 des Ordners 95: „AGS 99/75 Tagebuchnummer 35 71/73 An die Bundesanstalt für Materialprüfung, zu Händen Herrn Professor Pohl.“ Dann geht es weiter: „Als Anlage übersende ich 1. zwei Stahlkugeln in Kartonhülle Asservat Nr. B 54 IV 3.2 aus dem Besitz“ und dann wird der Name aufgeführt. Wenn ich Ihnen das jetzt so ins Gedächtnis rufe, könnte es sich um die zwei Kugeln gehandelt haben?
Sachverst. Dr. Pohl:
Ja.
Vors.:
Dankeschön. Sind weitere Fragen?
Sachverst. Dr. Pohl:
... Wir hatten versucht, die Kugeln zu quetschen und da ist eine dabei zum Teufel gegangen und da konnten wir sie nur für die chemische Analyse verwenden.
Vors.:
Ursprünglich waren’s zwei.
Sachverst. Dr. Pohl:
Ja.
[9679] Vors.:
Keine Fragen beim Gericht, wie ich sehe. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nicht. Die Herren Verteidiger? Nicht.
Wir danken Ihnen sehr für das Gutachten. Wird[gggg] dein Antrag auf Vereidigung gestellt?
Anträge auf Vereidigung des SV Prof. Pohl werden nicht gestellt.
Der Sachverständige Prof. Pohl bleibt gem. § 79 StPO unbeeidigt.
Die Sachverständigen Prof. Schönherr und Prof. Pohl werden um 17.04 Uhr im allseitigen Einvernehmen entlassen.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung morgen nachmittag um 14.00 Uhr fort.
Morgen früh war noch die Fortsetzung der Anhörung der Herren Sachverständigen vorgesehen, aber das hat sich nun erledigt. Ich darf darauf hinweisen, daß morgen nachmittag das folgendermaßen abläuft. Die Herren Sachverständigen Dr. Stupp und Dr. Trimborn sollen mit anhören, wie die sachverständigen Zeugen Dr. Kexel, Dr. Megges, Dr. Müller und wissenschaftlicher Rat Goebel über Untersuchungen berichten und sollen dann als Sachverständige aus den Untersuchungen uns bestimmte gutachterliche Äußerungen herleiten. Sie haben dann auch noch ein eigenes Gutachten zu vertreten. Es ist eine sehr große Zahl von Ordnern, die morgen dafür maßgeblich wären.
Zunächst wäre es der Ordner 80, das geht jetzt durcheinander, weil es in der Reihenfolge der Gutachten genannt wird, Ordner 80, Ordner 86, 99, 108, 69, 66, 104, 81, 79, 90, 93 und 111.
Damit sind wir für heute am Ende des Sitzungstages. Fortsetzung um 14.00 Uhr morgen.
Ende der Hauptverhandlung um 17.05 Uhr.
Ende von Band 546.
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft. Die Neuregelung des § 146 StPO wurde nach ihrem Inkrafttreten durch die Rechtsprechung gleich in mehrfacher Hinsicht sehr weit ausgelegt; u.a. wurde auch die sog. sukzessive Mehrfachverteidigung nach Beendigung eines Mandatsverhältnisses untersagt (OLG München, Beschl. v. 28.11.1975 - Az.: 1 Ws 1304/75, NJW 1976, S. 252, 253 f.; später bestätigt durch BGH, Beschl. v. 23.3.1977 - Az.: 1 BJs 55/75; StB 52/77, BGHSt 27, S. 154, 155). Die Gefahr eines Interessenskonflikts, den § 146 StPO verhindern sollte, war allerdings im Falle des Todes der früheren Mandantin ausgeschlossen. Seit einer Neufassung des § 146 StPO durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) erstreckt sich das Verbot nicht mehr auf die Konstellation der sukzessiven Verteidigung (BGH, Beschl. v. 15.1.2003 - Az.: 5 StR 251/02, BGHSt 48, S. 170, 173; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015, Rn. 124; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 146 Rn. 18 ff.).
[3] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).
[4] Nach der öffentlichen Bekanntgabe, Ulrike Meinhof habe Selbstmord begangen, entstanden in mehreren deutschen Städten Proteste. In anderen europäischen Ländern wurden deutsche Einrichtungen angegriffen. Die übrigen RAF-Insass/innen sowie weitere Sympathisant/innen und Unterstützer/innen gingen von Mord aus. Meinhofs Tod wurde damit zu einem auch medial breit diskutierten Ereignis. Auf Druck u.a. von Meinhofs Angehörigen wurde schließlich eine Nachobduktion durchgeführt, die jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis führte. Außerdem nahm sich eine internationale Untersuchungskommission des Falls an. Sie bestand überwiegend aus Jurist/innen, Ärzt/innen und Journalist/innen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark; unter den Mitgliedern befanden sich auch bekannte Persönlichkeiten wie etwa Simone de Beauvoir. In ihrem Bericht aus dem Jahr 1978 kam die Kommission zu dem Schluss, dass ein Selbstmord Meinhofs nicht erwiesen sei. Gegenteilige Beweise erbrachte die Kommission allerdings ebenfalls nicht. Die genauen Umstände von Meinhofs Tod blieben weiterhin umstritten (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.; zum Bericht der Kommission s. Internationale Untersuchungskommission zum Tode Ulrike Meinhofs, Der Tod Ulrike Meinhofs: Bericht der Internationalen Untersuchungskommission, 1979).
[5] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen auch als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere S. 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).
[6] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).
[7] Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Mit Beschluss vom 18.7.1975 beauftragte das Gericht schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe. Die Gutachten sind im Protokoll nicht enthalten. Auszüge finden sich in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 207 ff., sowie Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 117 ff. Dem lässt sich entnehmen, dass die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder von einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit von drei Stunden pro Tag ausgingen, wobei kürzere Pausen nicht mit einzubeziehen seien (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 208). Zur Behandlungsmöglichkeit führte der Sachverständige Prof. Dr. Rasch aus: „[D]ie Durchführung einer Behandlung dürfte während der Dauer der Hauptverhandlung und bei Beibehaltung der jetzt gegebenen Haftbedingungen nicht möglich sein“ (so die Wiedergabe des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 3112 des Protokolls der Hauptverhandlung, 39. Verhandlungstag). Am 40. Verhandlungstag verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing schließlich den Senatsbeschluss, wonach die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft selbst herbeigeführten Verhandlungsfähigkeit gem. § 231a StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. Fn. 1).
[8] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.
[9] Während ihrer Inhaftierung in der JVA Hamburg waren einige Häftlinge wie Margrit Schiller und Wolfgang Grundmann (vor seiner Verlegung in die JVA Zweibrücken) strengen Haftbedingungen ausgesetzt. So waren bezüglich des Beschuldigten Grundmann u.a. - jedenfalls zeitweise - angeordnet: Unterbringung in einer Zelle auf Sicherungsstation, Fesselung der Hände auf dem Rücken außerhalb des Haftraumes, Entzug des Essensbestecks und Aushändigung von Plastikbesteck, Einzelfreistunde, Ausschluss von der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen, einschließlich Gottesdienst. Ähnliche Bedingungen galten auch für die Beschuldigte Schiller; hinzu kamen eine halbstündliche Beobachtung, die Fesselung während der Einzelfreistunde und der Entzug aller Einrichtungsgegenstände sowie die Abnahme ihrer Kleidung (vgl. zu den jeweiligen Haftbedingungen die Dokumentation der entsprechenden Anordnungen bei Enzensberger/Michel, Kursbuch 32, Folter in der BRD - Zur Situation der Politischen Gefangenen, August 1973, S. 22 f.)
[10] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Hauptverhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Die Beschuldigten waren in der JVA Zweibrücken inhaftiert. Für den Beschuldigten Grashof galten dabei strenge Haftbedingungen. Unter anderem wurde - jedenfalls zeitweise - angeordnet: Fesselung der Hände auf dem Rücken bei Bewegung außerhalb des Haftraumes, Einzelfreistunde, Ausschluss von der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen, einschließlich des Gottesdienstes, Betreten des Haftraumes nur mit zwei Beamten, Anwesenheit von BKA-Beamten bei Gesprächen mit seinen Eltern, Beschränkung des Besuchs- und Postverkehrs auf Familienangehörige, keine Benutzung eines eigenen Fernsehgerätes, wiederholte Beobachtung bei Nacht unter Einschalten der Zellenbeleuchtung, Durchsuchung des Beschuldigten und der Zelle vor und nach Besuch von Rechtsanwälten (entnommen aus der Antwort der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern an die Rechtsanwälte Groenewold, Degenhardt und Reinhard vom 9. April 1973, abgedruckt in Enzensberger/Michel, Kursbuch 32, Folter in der BRD - Zur Situation der Politischen Gefangenen, August 1973, S. 21 f.). Auch der Beschuldigte Jünschke war von strengen Haftbedingungen betroffen. So klagte er u.a. darüber, dass sich das Fenster in seinem Haftraum aufgrund einer Verkettung nur etwa 20 cm öffnen ließ, was zu unerträglichen Belüftungsverhältnissen geführt habe (vgl. dazu die Sammlung einschlägiger Anträge, Beschwerden und Beschlüsse bei Enzensberger/Michel, Kursbuch 32, Folter in der BRD - Zur Situation der Politischen Gefangenen, August 1973, S. 44 ff.).
[11] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).
[12] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.
[13] Horst Herold war von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (s. die vorangestellte Vita in Bundeskriminalamt [Hrsg.], Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag, 1998, S. 15, 17).
[14] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).
[15] Das Zitat entstammt einem Gespräch des Generalbundesanwalts Buback mit den Spiegel-Redakteuren Rolf Lamprecht und Hans-Wolfgang Sternsdoff: „Staatsschutz lebt davon, dass er von Leuten wahrgenommen wird, die sich dafür engagieren. Und Leute, die sich dafür engagieren, wie Herold und ich, die finden immer einen Weg“ (DER SPIEGEL, Ausgabe 8/1976 vom 16.2.1976, S. 30, 34).
[16] Siegfried Hausner verstarb, wie Holger Meins (Fn. 11), während er sich in Untersuchungshaft befand und damit in Obhut des Staates. Hausner war Mitglied der RAF und Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 Gefangenen, darunter Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, forderte. Aus weiterhin unbekannten Gründen explodierte kurz vor der Stürmung des Gebäudes durch schwedische Spezialkräfte im Inneren der Botschaft ein Sprengsatz, infolgedessen Hausner schwer verletzt wurde. Trotz dieser Verletzungen wurde Hausner wenige Tage später in die Bundesrepublik ausgeliefert und auf die Intensivstation der JVA Stammheim verlegt, wo er Anfang Mai 1975 verstarb (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512. 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80).
[17] Genau dies warf der Angeklagte Raspe dem Vorsitzenden Dr. Prinzing häufig vor. Richtig ist, dass ihm seit der Entpflichtung des Rechtsanwalts von Plottnitz (die Verfügung vom 7.11.1975 ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.) kein Verteidiger seines Vertrauens mehr beigeordnet war. Auch sein Wahlverteidiger Spangenberg wurde aufgrund des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) ausgeschlossen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.1975 - Az.: 2 StE 1/75, NJW 1976, S. 157). Zudem gestaltete sich wohl das Auffinden neuer Vertrauensverteidiger/innen aufgrund einer weiten Auslegung des Verbots der Mehrfachverteidigung durch den 2. Strafsenat als schwierig (s. zuletzt die Diskussion um die mögliche [Nicht-]Zulassung der Rechtsanwältin Bahr-Jendges am 96. Verhandlungstag, S. 8645 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die Beiordnung des Rechtsanwalts Eschen wurde schließlich mit der Begründung, abgelehnt, dieser sei in Berlin ansässig (s. dazu die Ausführungen des Rechtsanwalts Geulen am 87. Verhandlungstag, S. 7788 des Protokolls der Hauptverhandlung). Da den Angeklagten neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Pflichtverteidiger (gegen ihren Willen) zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren, konnte die Hauptverhandlung trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) stets weitergeführt werden. Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch diese von den Angeklagten sog. Zwangsverteidiger auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Heute gibt es für diese Form der Sicherungsverteidigung in § 144 StPO eine gesetzliche Grundlage (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 [BGBl. I, S. 2128]).
[18] Die zwei „Lager“ der Verteidigung - die Vertreter/innen der Vertrauensverteidigung auf der einen, die von den Angeklagten sog. Zwangsverteidiger auf der anderen Seite - wurden auch räumlich sichtbar: Während die Vertrauensverteidigung bei den Angeklagten Platz nehmen konnte, saßen die von den Angeklagten abgelehnten Verteidiger ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Saales, neben den Vertretern der Bundesanwaltschaft (s. auch die Skizze in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 185). Die Angeklagten weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[19] Ulrike Meinhof saß nach ihrer Verhaftung am 15. Juni 1972 zunächst in Köln-Ossendorf in Untersuchungshaft. Dort befand sich der von den Angeklagten als „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichnete isolierte Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in dem Ulrike Meinhof für ca. acht Monate untergebracht war, bevor sie zunächst in eine andere Abteilung und im April 1974 schließlich nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).
[20] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO). S. zur Zuständigkeit in Bezug auf Ulrike Meinhof aber Fn. 23.
[21] Prof. Dr. Rauschke war Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart und beauftragt worden, zur Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten Stellung zu nehmen. Zur Vernehmung des Prof. Dr. Rauschke s. S. 1102 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (14. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn, ebenso wie eine durch den Anstaltsarzt Dr. Henck, lehnten die Angeklagten ab.
[22] Noch im Stockholmer Krankenhaus soll eine Schädelfraktur bei Siegfried Hausner (Fn. 16) festgestellt worden sein, angeblich entstanden durch Polizeigewalt während der Verhaftung Hausners (s. die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 1233 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Auch der Anstaltsarzt Dr. Henck soll diese Verletzung in Stuttgart-Stammheim attestiert haben. Bei der späteren Obduktion durch Herrn Prof. Dr. Rauschke soll sie hingegen nicht entdeckt worden sein, was durch die Angeklagten als „Unterschlagung“ gewertet wurde; den Tod Hausners bezeichneten sie als Mord (Ulrike Meinhof am 19. Verhandlungstag, S. 1544 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[23] Ulrike Meinhof wurde vom LG Berlin mit Urteil vom 29.11.1974 wegen ihrer Beteiligung an der Befreiung von Andreas Baader aus der Haft am 14. Mai 1970 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 95 ff.). Ab dem 29.1.1976 wurde die Freiheitsstrafe schließlich vollstreckt (s. den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 71. Verhandlungstag, S. 6396 des Protokolls der Hauptverhandlung). Die konkrete Ausgestaltung des Strafvollzugs war vor 1977 nicht gesetzlich geregelt, sondern erfolgte überwiegend durch Verwaltungsvorschriften (maßgeblich war vor allem die Dienst- und Vollzugsordnung vom 1.12.1961). Gegen Maßnahmen der Vollzugsbehörden stand dem/der Strafgefangenen nur der allgemeine Rechtsbehelf nach § 23 EGGVG zur Verfügung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung), über den gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 EGGVG das Oberlandesgericht zu befinden hatte. Nachdem das Bundesverfassungsgericht dies in seiner sogenannten Strafgefangenen-Entscheidung beanstandet hatte (BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 - Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1), wurde das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) erlassen, das am 1.1.1977 in Kraft trat (BGBl. I, S. 581). Danach hatten über Anträge auf gerichtliche Entscheidung die Strafvollstreckungskammern zu befinden (§ 110 StVollzG). Gegen diese Entscheidung war die Rechtsbeschwerde gemäß § 116 StVollzG statthaft, über die das Oberlandesgericht zu entscheiden hatte (§ 117 StVollzG). Nachdem die Gesetzgebungskompetenz im Rahmen der Föderalismusreform 2006 den Ländern übertragen wurde (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 70 Abs. 1 GG), haben diese mittlerweile sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch gemacht und entsprechende Landesgesetze erlassen.
[24] Nach § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem/der Vorsitzenden. Leisten Personen einer entsprechenden Anordnung nicht Folge, ermöglicht § 177 GVG die Entfernung aus dem Sitzungszimmer. Nach § 178 GVG kann bei ungebührlichem Verhalten ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt werden. Ist ein geordneter Fortgang der Hauptverhandlung auch unter Einsatz dieser sitzungspolizeilichen Maßnahmen nicht möglich, so ist nach § 172 Nr. 1 Var. 3 StPO („Gefährdung der öffentlichen Ordnung“) auch der Ausschluss der Öffentlichkeit zulässig.
[25] Die Schlagworte Identität und Bewusstsein bilden zentrale Bestandteile des von Karl Marx geprägten Klassenbegriffs. Zur Herausbildung einer die proletarische Diktatur erkämpfenden Klasse sei es nach Marx notwendig, dass sich die arbeitende Masse zunächst ihrer gemeinsamen Erfahrungen aufgrund ihrer gemeinsamen ökonomischen Situation bewusst werde, d.h. ein Bewusstsein dafür entwickele, eine Klasse für sich zu sein. Über die Frage, wie Klassen tatsächlich ein kollektives Identitätsbewusstsein entwickeln, herrschte jedoch unter den nachfolgenden Theoretikern der marxistischen Tradition wie z.B. Lenin und Gramsci Uneinigkeit. Aus Sicht von Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) sollen Berufsrevolutionäre im Sinne einer Avantgarde das Klassenbewusstsein im Fall der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung Russlands wecken und in eine Revolution überführen. Bei Antonio Gramsci (1891-1937) nehmen Intellektuelle, die aus den verschiedenen Schichten einer Bevölkerung hervorgehen, eine ähnliche Rolle ein, indem sie die praktischen Erfahrungen des alltäglichen Lebens artikulieren und in ein eigenes Klassenbewusstsein übersetzen (Esser, „Klasse“ und „Klassenbewußtsein“, in Nohlen/Grotz [Hrsg.], Kleines Lexikon der Politik, Band 1: A-M, 4. Auflage 2010, S. 462 f.; Tuckfeld, Orte des Politischen, 1997, S. 148 ff., 261 f., 272 f., 293 ff.).
[26] Am 106. Verhandlungstag führte Gudrun Ensslin aus: „Wenn uns an der Aktion der RAF 72 etwas bedrückt, dann das Mißverhältnis zwischen unserem Kopf und unseren Händen und den B 52. Hier nochmal einfach: Wir sind auch verantwortlich für die Angriffe auf das CIA-Hauptquartier und das Hauptquartier des 5. US-Corps in Frankfurt/Main und auf das US-Hauptquartier in Heidelberg, insofern, wie wir in der RAF seit 70 organisiert waren, in ihr gekämpft haben und am Prozeß der Konzeption ihrer Politik und Struktur beteiligt waren. Insofern sind wir sicher auch verantwortlich für Aktionen von Kommandos, z. B. gegen das Springer-Hochhaus, deren Konzeption wir nicht zustimmen, und die wir in ihrem Ablauf abgelehnt haben. Zu erwägen ist nicht ein Widerstandsrecht in der Bundesrepublik, wie es hier nicht um Rechte geht, sondern was die Politik der RAF ausdrückt, ist das Bewußtsein der Pflicht zum Widerstand in der Bundesrepublik“ (S. 9449 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[27] Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip (BVerfG, Beschl. v. 25.10.1966 - Az.: 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, S. 323, 323 ff.) folgt, dass eine Person nur für eigenes Verhalten strafrechtlich verantwortlich gemacht werden darf, nicht aber für „fremde Schuld“ (Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil I, 5. Aufl. 2020, § 19 Rn. 53i f.). Darunter fällt allerdings nicht nur die eigenhändige Tatbegehung (zum Tatzeitpunkt nicht gesetzlich geregelt; seit dem 1.1.1975: § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB); als eigenes Verhalten gilt vielmehr auch Verhalten Dritter, das nach den Regeln der mittelbaren Täterschaft (ebenfalls zum Tatzeitpunkt nicht gesetzlich normiert, aber als Rechtsfigur anerkannt, vgl. BGH, Urt. v. 12.2.1952 - Az.: 1 StR 59/50, BGHSt 2, S. 150, 152; BGH, Urt. v. 1.10.1953 - Az.: 4 StR 224/53, BGHSt 4, S. 355, 359; seit dem 1.1.1975 § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB), oder der Mittäterschaft (§ 47 StGB a.F.; heute: § 25 Abs. 2 StGB) als eigenes Verhalten zugerechnet werden kann.
[28] Gleichwohl stützte sich das Gericht in seiner Urteilsbegründung u.a. auf diese Erklärung, um eine „Urheberschaft“ der Angeklagten für die Sprengstoffanschläge zu begründen: „Nicht zu übersehen ist die Bedeutung der von der Angeklagten Ensslin abgegebenen Äußerung, sie seien u.a. verantwortlich für die Anschläge in Frankfurt und Heidelberg, ‚insofern, wie wir in der RAF seit 70 organisiert waren, in ihr gekämpft haben und am Prozeß der Konzeption ihrer Politik und Struktur beteiligt waren‘. Es fällt schwer, darin nur ein Bekenntnis zur ‚politischen‘, sprich: ideellen, Urheberschaft zu erblicken, wenn die drei Angeklagten, denn sie sind im Zusammenhang mit ‚wir‘ gemeint, so weit gehen, die durch ihre Beteiligung begründete Verantwortung nicht nur für eine politische Linie, auch nicht für eine „bewaffnete Politik“ schlechthin, sondern für eine ‚Politik‘ der Sprengstoff-Anschläge gegen US-Einrichtungen und anderes zu übernehmen, also für eine konkrete ‚Konzeption‘ von Praxis. Dies um so mehr, als die Angeklagte Ensslin in demselben Zusammenhang mit ‚der Aktion der RAF 72‘ sich über das Mißverhältnis ‚zwischen unserem Kopf und unseren Händen und den B 52‘ beklagt. Doch mag dies zunächst auf sich beruhen. Jedenfalls kommt in dieser Erklärung zum Ausdruck, dass sie sich mit den Sprengstoff-Anschlägen innerlich identifizieren und dass sie das allgemeine Konzept, solche Anschläge zu begehen, mit entwickelt haben, und sie bestreiten im Rahmen ihrer umfangreichen Teil-Einlassung zur Anklage nicht, die ihnen vorgeworfenen Sprengstoff-Anschläge als verantwortliche Urheber begangen zu haben (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 148 f.).
[29] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wurde überwiegend angenommen, der Tod eines/einer Angeklagten führe zur Selbstbeendigung des Verfahrens (Kleinknecht, Strafprozessordnung, 32. Aufl. 1975, § 206a Anm. 1E; Kohlhaas, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 206a Anm. 2). Der BGH gab diese Rechtsprechung mit Beschluss vom 8.6.1999 auf und schloss sich der inzwischen vermehrt geäußerten Auffassung an, es bedürfe für die Verfahrensbeendigung eines formellen Einstellungsbeschlusses nach § 206a StPO (BGH, Beschl. v. 8.6.1999 - Az.: 4 StR 595/97, BGHSt 45, S. 108, 110 f., 114 f.). Heute ist dies die ganz herrschende Auffassung (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 206a Rn. 8; s. zum Wandel der Rechtsprechung auch Kühl, in Eser/Goydke/Maatz/Meurer [Hrsg.], Festschrift für Lutz Meyer-Goßner zum 65. Geburtstag, 2001, S. 715, 725 ff.).
[30] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.
[31] Die Unschuldsvermutung ist in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankert: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ Sie wird auch aus dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet, wodurch ihr auch Verfassungsrang zukommt (BVerfG, Beschl. v. 26.3.1987 - Az.: 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, S. 358, 370).
[32] Die Überschrift von § 265 StPO lautete „Umgestaltung der Strafklage“ (heute: „Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage“). Nach § 265 Abs. 4 StPO „hat das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen die Hauptverhandlung auszusetzten, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.“
[33] S. Fn. 1.
[34] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).
[35] Gemeint ist der industrielle Massenmord an jüdischen Menschen, ethnischen Minderheiten, der Bevölkerung der besetzten Gebiete in Osteuropa, beeinträchtigten und kranken Menschen, Homosexuellen und politischen Gegner/innen durch das nationalsozialistische Regime (s. einführend Wachsmann, KL. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 2016, S. 285 ff.).
[36] Über die Gewichtung der verschiedenen Interessen im Rahmen der Pflichtverteidigung (Fn. 34), denen der Angeklagten auf der einen und dem öffentliche Interesse an der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens auf der anderen Seite, gab es im Prozess häufige Auseinandersetzung, so etwa am 26. Verhandlungstag (S. 21145 ff., 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie am 41. Verhandlungstag (S. 3176 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[37] § 72 StPO erklärt die Vorschriften für Zeug/innen auch für Sachverständige anwendbar, wenn nicht in den nachfolgenden Vorschriften Abweichendes geregelt ist. § 79 StPO enthält eine solche Abweichung im Vergleich zu § 57 StPO a.F. im Hinblick auf die Vereidigung: Während die Vereidigung für Zeug/innen als Regelfall vorgesehen war, findet die Vereidigung von Sachverständigen nach dem Ermessen des Gerichts statt; der Regelfall ist hier die Nichtvereidigung. Heute ist auch die Vereidigung für Zeug/innen nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen (§ 59 StPO).
[38] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[39] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.).
[40] Anlage 1 zum Protokoll vom 11.5.1976: Asservatenliste.
[41] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).
[42] Das Prinzip der Mündlichkeit, nach dem nur das Grundlage der Urteilsfindung werden darf, was zuvor innerhalb der Hauptverhandlung mündlich vorgetragen wurde, ist nicht explizit in der Strafprozessordnung geregelt. Es findet Ausdruck in den §§ 250, 261 und 264 StPO sowie im Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 169 GVG (Fischer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, Einl. Rn. 15). Eine Ausnahme hiervon stellt z.B. das inzwischen eingeführte Selbstleseverfahren im Rahmen des Urkundenbeweises (§ 249 Abs. 2 StPO) dar. Auch für den Sachverständigenbeweis ist der Grundsatz von Bedeutung. So darf nicht das vorbereitende schriftliche, sondern nur das mündlich erstattete Gutachten verwertet werden (BGH, Urt. v. 21.11.1969 - Az.: 3 StR 249/68, NJW 1970, S. 523, 525). Zulässig ist jedoch die Verwendung einer nachträglich abgegebenen schriftlichen Fassung, wenn sie mit dem mündlichen Vortrag identisch ist (s. bereits Kleinknecht, Strafprozessordnung, 32. Aufl. 1975, § 261 Anm. 2 C).
[43] Sachverständige können nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden (§ 79 StPO), wobei der Regelfall die Nichtvereidigung darstellt. Nach damaliger Rechtslage war die Vereidigung allerdings zwingend, wenn dies durch die Staatsanwaltschaft, Angeklagte oder die Verteidigung beantragt wurde (§ 79 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.).
[a] Maschinell durchgestrichen: nicht
[b] Maschinell eingefügt: war
[c] Handschriftlich ersetzt: Entscheidungen durch Erscheinungen
[d] Maschinell durchgestrichen: unserer
[e] Maschinell ersetzt: Meinung nach durch Mandanten
[f] Maschinell eingefügt: wieder
[g] Maschinell durchgestrichen: wie abermals
[h] Maschinell eingefügt: Fortführung der Beweisaufnahme zu entscheiden.
[i] Handschriftlich ergänzt: Formen
[j] Handschriftlich eingefügt: der
[k] Handschriftlich ersetzt: wichtig durch richtig
[l] Handschriftlich ersetzt: wichtig durch richtig
[m] Maschinell ersetzt: Angekl. Ra.: durch RA Kopp.:
[n] Maschinell durchgestrichen: Diffamierung
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[p] Maschinell durchgestrichen: hört
[q] Handschriftlich ersetzt: auf durch nach
[r] Handschriftlich eingefügt: und
[s] Handschriftlich ersetzt: die durch der
[t] Maschinell durchgestrichen: dazu
[u] Handschriftlich eingefügt: die
[v] Handschriftlich eingefügt: die
[w] Maschinell durchgestrichen: moralischen Anspruch. Man kann auch s
[x] Handschriftlich durchgestrichen: jetzt
[y] Handschriftlich ersetzt: 11.33 durch 10.33
[z] Handschriftlich eingefügt: 11.07 Uhr
[aa] Handschriftlich ergänzt: einer
[bb] Handschriftlich ersetzt: mit durch mir
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[oo] Maschinell durchgestrichen: weniger
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[mmm] Handschriftlich ergänzt: mitzumachen
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