[9923] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 26. Mai 1976, 9.03 Uhr
(116. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Oberstaatsanwalt Zeis - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend: JOS Janetzko
JAss. Clemens.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als Verteidiger sind anwesend:
Rechtsanwälte Schwarz, Schnabel, Künzel, Eggler, Grigat und Herzberg (als ministeriell bestellter Vertr. von Rechtsanwalt Schlaegel).
Als Zeugen sind anwesend: Reg. Dir. Klaus Noetzel
KHM Eickler
Vors.:
Ich bitte, Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Die Verteidigung ist gewährleistet. Soeben erhalten wir den Anruf, daß sich Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann und Herr Rechtsanwalt Schily wiederum mit der bereits als nichtausreichenden Entschuldigung bezeichneten Wendung, sie müßten dringende Mandantengespräche führen, zu entschuldigen versuchen. Der Senat erwähnt erneut, daß derartige Entschuldigungen überhaupt nicht mit den Pflichten, die ein Pflichtverteidiger[2] übernimmt, nach seinem Standesrecht zu vereinbaren sind[3] und daß er das Verhalten dieser beiden Rechtsanwälte schärfstens mißbilligt. Es ist lediglich die Tatsache, ich betone das nochmals, daß diese Herrn mit ihrem Verhalten nicht mehr imstande sind, den geordneten Verfahrensablauf zu gefährden, zu vereinbaren, daß wir die Entpflichtung[4] nicht aussprechen. Von Rechtswegen wären Gründe dafür mehr als genug vorhanden und man kann das Verhalten dieser Herrn Anwälte lediglich noch als eine Provokation des Gerichts verstehen, um diesen Zweck zu erreichen. Aber das Gericht wird diesen Weg wahrscheinlich jetzt zum Schluß des Ver- [9924] fahrens nicht mehr gehen.
Wir haben vor der Belehrung der Herrn Zeugen noch einige Hinweise zu geben. Für Herrn Raspe haben sich zwei Rechtsanwälte gemeldet. Herr Rechtsanwalt Dr. Dieter Hoffmann, der sich ja schon zu früheren Zeiten hier im Verfahren mandiert hatte für Frau Meinhof. Und dann Herr Rechtsanwalt Alexander Keller aus der Sozietät mit Herrn Rechtsanwalt Croissant. Wir haben schließlich dann einen Antrag der Bundesanwaltschaft vom gestrigen Tage, die durch den Beschluß vom 5. April 1976 und eine Zellendurchsuchung vom 22.1., halt umgekehrt, die durch Beschluß vom 5. April 1976 beschlagnahmten Schriftstücke, die aus einer Zellendurchsuchung vom 22.1.1975 stammen und zwar Baader-Materialien Pos. 7-9, 11-13, 19, 20, 60-62, 111 und 10 R, sowie Meinhof-Materialien Pos. 59-62 hier in der Hauptverhandlung durch Urkundenbeweis[5] einzuführen. Dem wird stattgegeben werden. Es ist vorgesehen, daß zunächst Herr Hecker als Sachverständiger am 8.6.1976, also nach der Pfingstpause, sich über die handschriftlichen Vermerke in diesen Materialien äußern soll. Schriftvergleiche entsprechender Art sind ihm bereits in Auftrag gegeben. Dann für den 24.6., für den gestern noch kein Programm angegeben werden konnte, wird nun geladen der Herr Regierungsdirektor Windhaber als Sachverständiger, um sich zu den Schreibmaschinen, die für diese Materialien benutzt worden sind, zu äußern, 24.6.1976. Mich würde noch interessieren, Herr Bundesanwalt Holland, der Sicherstellungszeuge oder die Sicherstellungszeugen. Wir müssen noch klären, wer diese Materialien sichergestellt hat und diese Sicherstellungszeugen bitte ich mir zu benennen, die werden dann gleichfalls auf den 24.6. geladen.
OStA Ho[lland]:
Das wird geschehen.
Vors.:
Dankeschön.
Die Zeugen Reg. Dir. Noetzel und KHM Eickler werden gem. § 57 StPO[6] belehrt.
Die Zeugen sind mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[7]
Der Zeuge KHM Eickler wird um 9.08 Uhr in Abstand verwiesen.
Der Zeuge Noetzel[a] übergibt seine Aussagegenehmigung[8] dem Gericht.
Die Aussagegenehmigung wird als Anlage 1 zum [9925][9] [9926] Protokoll genommen.
Vors.:
Ich darf gleich um die Angaben der Personalien bitten.
Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:
Zeuge Noetzel
Klaus Noetzel, Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt, Abteilung Staatsschutz, in Bonn Bad-Godesberg, Friedrich-Ebert-Str. 1,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Erinnern Sie sich noch, Herr Noetzel, daß es am 1. Juni 1972 in Frankfurt im Hofeckweg zu einer Festnahmeaktion[10] gekommen ist?
Zeuge Noe[tzel]:
Ja.
Vors.:
Ist Ihnen noch bekannt, daß damals, wieviel Personen damals verhaftet worden sind?
Zeuge Noe[tzel]:
Es sind drei Personen festgenommen worden.
Vors.:
Wissen Sie, daß davon zwei in einer Garage festgenommen worden sind und einer außerhalb. Ist Ihnen das heute noch geläufig?
Zeuge Noe[tzel]:
In der Garage ist lediglich 1 Mann festgenommen worden. Das ist Herr Baader gewesen, der dort verletzt war. Herr Raspe ist vorzeitig aus der Garage herausgekommen. Er hatte die Kleidung aufforderungsgemäß abgelegt und war herausgekommen. Und Herr Meins[11] war schon in den frühen Morgenstunden festgenommen worden, als er bei der Ankunft mit dem Wagen von dem dort eingesetzten Polizeibeamten festgenommen worden ...
Vors.:
Es stimmt dem äußeren Ablauf nach, was Sie schildern. Frage aber, wenn Sie Ihr Gedächtnis noch einmal überprüfen, sind Sie sich sicher, daß die Personen die Sie nun den einzelnen Vorgängen zuordneten, wirklich die waren, die Sie meinen? Sie sagten also, Baader, Garage ...
Zeuge Noe[tzel]:
Pardon, umgekehrt. Herr Raspe ist vorzeitig festgenommen und Herr Meins ist ...
Vors.:
Also wir können feststellen, daß es Ihre Erinnerung noch ist offenbar, ich halte Ihnen das vor, ob ich Sie da richtig versteh, daß Meins und Baader im Zusammenhang mit dem Garagenraum [9927] festgenommen worden sind und daß Herr Raspe schon bevor nun die Garage als Objekt mehr oder weniger von der Polizei belagert wurde, festgenommen worden ist.
Ist es richtig, daß Sie in der Folge die Kleidung der Verhafteten nach beweiserheblichen Gegenständen untersucht haben?
Zeuge Noe[tzel]:
Ich habe auf dem Polizeipräsidium mir die Kleidung des Herrn Raspe vorlegen lassen, in einem Nebenzimmer des Erkennungsdienstes. In Gegenwart von Herrn Schlegelmilch habe ich diese Bekleidung durchsucht. Ziel dieser Maßnahme war, festzustellen, ob sich aus den Gegenständen Papiere oder Hinweise ergeben, die auf die Wohnung, den Aufenthalt der Festgenommenen Schlüsse zuließen, was nicht gelungen ist. Vorgelegt sind mir im Wesentlichen nur Bekleidungsstücke, die keine Gegenstände enthielten, außer einem Fahrschein und einem Markstück und zwei Stahlkügelchen, sonst ist überhaupt kein Hinweis zu entnehmen gewesen, was auf eine Wohnung hätte hindeuten können.
Vors.:
Ja. An das erinnern Sie sich noch, daß in der Kleidung zwei Stahlkügelchen enthalten waren. Können Sie etwa angeben, was die für einen Durchmesser gehabt haben könnten, geschätzt?
Zeuge Noe[tzel]:
Ja also, einen halben Zentimeter.
Vors.:
Fünf Millimeter, so haben Sie früher auch mal angegeben. Ist darüber eine Liste angefertigt worden?
Zeuge Noe[tzel]:
Es ist eine Liste angefertigt worden, also zwei Listen sind angefertigt worden, weil die Bekleidungsstücke in zwei Partien in dieses Zimmer gebracht wurden. In der ersten Partie waren es also nur vier Bekleidungsstücke, das war Hemd, Hose, Unterhose und noch ein Kleidungsstück. Und in der zweiten Partie ist dann der Rest vorgelegt worden. Es sind da zwei getrennte Listen vorgelegt worden, die auch von Herrn Schlegelmilch, meine ich, erstellt wurden.
Vors.:
Ja, wir wollen Ihnen hier aus dem Ordner 95 das Blatt 151 vorlegen. Es enthält eine Liste sichergestellter Gegenstände. Hier sind unter Position 4 „Zwei Stahlkugeln verchromt, Durchmesser etwa 5 mm“ angegeben. Frage, ist das die Liste, die Sie damals erstellt haben und bezieht sich dieser Eintrag auf diesen Fund, den Sie erwähnt haben?
Dem Zeugen wird die Liste aus Ordner 95 Blatt 151 vorgelegt.
Zeuge Noe[tzel]:
Ja, das ist die Liste, jawohl.
[9928] Vors.:
Sie sagten, die Kleidung von Herrn Raspe. War es Ihnen damals schon geläufig, daß es sich um den Herrn Raspe handelt?
Zeuge Noe[tzel]:
Nein, zu dem Zeitpunkt haben wir noch nicht gewußt, wer es ist.
Vors.:
Und wie haben Sie jetzt aus dem Rückschluß dann entnehmen können, daß es sich damals um die Kleidung des Herrn Raspe gehandelt hat und die Stahlkugeln?
Zeuge Noe[tzel]:
Das ist nur eine Schlußfolgerung gewesen. Wir haben nicht mit bestimmter ... ich kann jedenfalls nicht mit Bestimmtheit sagen, daß das von Herrn Raspe gewesen ist.
Vors.:
Können Sie sagen, daß es die Kleidung des Mannes war, der außerhalb des Garagenbereiches vorzeitig festgenommen worden ist?
Zeuge Noe[tzel]:
Das kann ich sagen, ja.
Vors.:
Dankeschön.
Ja, es kommt noch hinzu die Liste in Blatt 150. Auch hier bitte ich Sie um die Angabe, ob es sich hier um eine Liste handelt, an deren Erstellung Sie beteiligt gewesen sind und wenn, ob die Unterschrift die Ihre ist?
Dem Zeugen wird die Liste aus Ordner 95 Blatt 150 vorgelegt.
Zeuge Noe[tzel]:
Jawohl, das ist meine Unterschrift und gleichzeitig auch von uns erstellt worden.
Gem. § 249 StPO wird im Urkundenbeweisverfahren die Liste aus Ordner 95 Blatt 150 verlesen.[12]
Gem. § 249 StPO wird im Urkundenbeweisverfahren die Liste aus Ordner 95 Blatt 151 verlesen.
Vors.:
Vielen Dank. Herr Zeuge, können Sie bestätigen, daß diese Liste erstellt wurde nach Gegenständen, die Sie selbst alle gesehen haben ... Daß die Liste richtig und vollständig aufgeführt wurde?
Zeuge Noe[tzel]:
Jawohl.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herrn der Bundesanwaltschaft nicht. Die Herrn Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Schwarz, bitteschön.
[9929] RA Schw[arz]:
Herr Zeuge, Sie haben erklärt im Zusammenhang mit der Aktion Hofeckweg seien drei Personen festgenommen worden. Wollen Sie das bitte überprüfen, ist das Ihre Erinnerung?
Zeuge Noe[tzel]:
Es sind drei Personen festgenommen worden. Eine verletzt und zwei unverletzt.
RA Schw[arz]:
Ich halte Ihnen vor, daß meines Wissens vier Personen festgenommen wurden.
Zeuge Noe[tzel]:
Mit der vierten Person habe ich keine Verbindung gehabt. Ich kann dazu nichts sagen. Ich weiß, daß eine Person vorläufig festgenommen worden ist, mit der habe ich aber überhaupt nichts zu tun.
RA Schw[arz]:
Meine Frage geht jetzt dahin, ob Sie ausschließen können, daß die Gegenstände, die Ihnen vorgelegt wurden, von der vierten Person stammen, nachdem Sie ja sagen, daß sie von Raspe stammen. Das ist eine Folgerung, die Sie ziehen, wobei Sie allerdings auf eine Frage des Herrn Vorsitzenden gesagt haben, es stamme von der Person, die nicht in der Garage festgenommen wurde.
Zeuge Noe[tzel]:
Ich habe die mir vorliegenden Gegenstände, die eben erörtert wurden, selbst nicht sichergestellt. Mir sind sie lediglich vorgelegt worden mit dem Hinweis, daß sie von der Person stammen, die in der Garage oder an der Garage festgenommen wurde.
RA Schw[arz]:
Danke.
Der Zeuge bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.
Der Zeuge Eickler erscheint um 9.18 Uhr im Sitzungssaal.
Vors.:
Zunächst darf ich Sie um Ihre Personalien bitten.
Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:
Zeuge KHM Eickler
Reinhard Eickler, 43 Jahre alt,
wohnh. in Düsseldorf, Polizeibeamter,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Herr Eickler, aus Zeugenaussagen und Unterlagen folgt, daß am 16. Juli 1973 in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf die Zelle [9930] von Frau Meinhof[13] durchsucht worden ist, halt, am 29.8. Also am 16.7.1973, wie ich gesagt habe, war also die Durchsuchung in Köln-Ossendorf. In dieser Zelle ist eine Schreibmaschine, die hier schon durch Zeugenaussagen eingeführt worden ist, mindestens vorübergehend sichergestellt worden. Es soll sich um das Fabrikat „Präsident De Luxe“ gehandelt haben. Können Sie etwas dazu sagen, ob später von dieser Schreibmaschine Schriftproben gemacht worden sind?
Zeuge Eick[ler]:
Ich habe persönlich von einer Schreibmaschine Schriftproben gemacht, die nachträglich geliefert wurde, auf Wunsch der Frau Meinhof. Frau Meinhof beklagte sich, daß ihre Schreibmaschine kaputt sei. Daraufhin wurde ihr gestattet, daß sie eine neue bekommen könnte. Und wenn ich mich recht erinnere, hat diese neue Schreibmaschine, die ihre Schwester die Frau Zitzlaff mitgebracht. Ich hab die dann sofort übernommen, bevor diese Maschine an die Frau Meinhof übergeben wurde und habe die Maschine mitgenommen nach Düsseldorf zum LKA. Dort wurden dann Schriftproben angefertigt von mir und die Maschine wurde kurz KTU-überprüft und wurde dann nach einigen Tagen an Frau Meinhof ausgehändigt.
Vors.:
Wir haben hier eine Schriftprobe unter dem Aktenzeichen KT 42 7311/73-U -7321. Sie wird Ihnen übergeben mit der Bitte zu erklären, ob es sich möglicherweise hier um die Probe handelt, die Sie angefertigt haben. Wenn ja, ob Sie die Unterschrift anerkennen?
Dem Zeugen wird die Schreibmaschinenschriftprobe U 7321 übergeben.
Zeuge Eick[ler]:
Ja, es handelt sich hierbei um meine Unterschrift und diese Schriftstücke sind mit dieser Schreibmaschine angefertigt worden, die Frau Zitzlaff dann mitgebracht hatte. Die dann später wiederum an Frau Meinhof ausgehändigt wurde.
Vors.:
Wohin haben Sie dann diese Schreib- oder Schriftprobe weitergegeben?
Zeuge Eick[ler]:
Die Schriftproben gingen von der Abteilung II zur Sicherungsgruppe.[14] Der weitere Verlauf ist mir nicht bekannt.
Vors.:
Dankeschön. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen. Herr Berichterstatter, bitteschön.
Richter Ma[ier]:
Herr Eickler, da sind Sie sich also ganz sicher, daß diese Schriftprobe gleich am Anfang, also schon bei der Übergabe ...
[9931] Zeuge Eick[ler]:
Vor der Übergabe ...
Richter Ma[ier]:
... vor der Übergabe der Maschine schon gemacht wurde?
Zeuge Eick[ler]:
Ja.
Richter Ma[ier]:
Daß die Maschine also vorher gar nicht in der Zelle gestanden hat?
Zeuge Eick[ler]:
Bin ich mir sicher.
Richter Ma[ier]:
Ja, dankeschön.
Vors.:
Sonst Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Dann können wir die beiden Herrn Zeugen vereidigen.
Die Zeugen Noetzel und Eickler werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.22 Uhr entlassen.
[9932] Vors.:
Ich darf in der Zwischenzeit einen Hinweis geben. Es handelt sich ja heute vorwiegend um einen Tag, der eingelegt wurde zur Fristwahrung.[15] Wir wollen heute die Verhandlung nicht länger fortführen, als bis 10.30 Uhr. Die Beteiligten können sich also darauf einrichten, wir werden nachher, nach Herrn Mauritz, noch mit einer Verlesung fortsetzen.
Der auf Abruf geladene Zeuge KHK Mauritz erscheint um 9.25 Uhr im Sitzungssaal.
Der Zeuge KHK Mauritz wird gem. § 57 StPO belehrt.
- Die Genehmigung zur Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband liegt vor -
Der Zeuge KHK Mauritz macht folgende Angaben zur Person:
Siegfried Mauritz, 42 Jahre alt,
Kriminalhauptkommissar[b] beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Herr Mauritz, erinnern Sie sich daran, daß es im Sommer 1972 in Bad-Homburg zu umfangreichen Funden gekommen ist, im Kurparkbereich?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, ich erinnere mich daran.
Vors.:
Haben Sie mit dieser Fundaktion irgendwas zu tun gehabt?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, ich bin zwar unmittelbar an den Fundstellen nicht gewesen; nur eben später in meiner Eigenschaft als Sicherstellungsbeamter oder Asservierungsbeamter habe ich dann in Wiesbaden die Sachen aufgelistet.
Vors.:
Es würde also bedeuten, daß diese Fundsachen zum BKA geliefert wurden?
Zeuge Mau[ritz]:
Ganz recht, die wurden von mir übernommen von eigenen Kollegen, die in Bad-Homburg eingesetzt waren.
Vors.:
Und Sie haben nach dem, was Ihnen vorlag, eine Liste erstellt, ist das richtig?
Zeuge Mau[ritz]:
Das ist richtig.
[9933] Dem Zeugen Mauritz werden[c] die Listen aus Ord. 112, Bl. 179 - 202 vorgelegt, mit der Bitte diese Listen darauf durchzusehen, ob es sich um die von ihm erstellten Listen[d] handelt.
Zeuge Mau[ritz]:
Es ist die Liste, die von mir erstellt wurde. Ich kann sie an einigen handschriftlichen Vermerken von mir erkennen, obwohl sie selbst von mir nicht unterschrieben ist.
Vors.:
Danke. Dann wird aus dieser Liste im Urkundenbeweis wieder auszugsweise verlesen.
Gemäß § 249 StPO werden im Urkundenbeweisverfahren aus Ord. 112, Bl. 179 bis 187 der Kopf der Liste u.[f] folgende Positionen verlesen:
Bl. 179 Pos. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 11, 12
Bl. 180 Pos. 13, 14, 15, 16
Bl. 181 Pos. 40, 41, 42, 43, 45, 48, 49
Bl. 182 Pos. 68,
Bl. 183 Pos. 78, 79, 82, 83, 84, 85, 86
Bl. 184, Pos. 102, 111
Bl. 185, Pos. 115,
Bl. 186, Pos. 132, 133, 140, 141, 142, 143, 144, 145
Bl. 187, Pos. 146,
Gemäß § 249 StPO werden im Urkundenbeweisverfahren aus Ord. 112, Bl. 188 bis 200 der Kopf der Liste u.[g] folgende Positionen verlesen:
Bl. 189, Pos. 13, 30
Bl. 190, Pos. 33
Bl. 191, Pos. 47, 50, 53
Bl. 191/1, Pos. 47. 1 - 6
Bl. 192, Pos. 58, 64
Bl. 193, Pos. 77, 94
Bl. 194, Pos. 95, 99, 100, 101, 102
Bl. 195, Pos. 111, 112, 112.1, 112.2, 112.3,112.4, 112.5, 112.6, 112.7, 112.8, 112.9, 112.10, 112.11, 112.12, 112,13,
Bl. 196, Pos. 112.14, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126,
Bl. 197, Pos. 129, 129.1, 129.2, 129.3, 129.4, 129.5, 129.6, 129.7, 129.8, 129.9, mit Fortsetzung Bl. 198
Bl. 198, Pos. 129.10, 129.11, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136
Bl. 199, Pos. 139, 140, 141, 142, 143, 149
[9934] Gemäß § 249 StPO wenden im Urkundenbeweisverfahren aus Ord. 112, Bl. 201 - 202 der Kopf der Liste u.[h] folgende Positionen verlesen:
Bl. 201, Pos. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10
Bl. 202, Pos. 11, 11.1, 12, 14.
Vors.:
Vielen Dank.
Herr Mauritz, Sie haben jetzt diese Liste auszugsweise wieder gehört. Können Sie sich dafür verbürgen, daß diese Liste vollständig und richtig nach Gegenständen angefertigt worden ist[i], die Sie selbst alle auch gesehen haben?
Zeuge Mau[ritz]:
Alle diese Gegenstände habe ich selbst gesehen, und die Liste ist so richtig.
Vors.:
Danke.
Herr Berichterstatter, sind noch weitere Fragen? Bitte.
Richter Mai[er]:
Herr Mauritz, wir haben also hier gehört oder können hier dieser Liste entnehmen, daß Bad-Homburg die Komplexnummer E 34 hatte. Wir hätten gerne von Ihnen noch die Komplexnummern von einigen Objekten gewußt. Wozu gehört die Nummer E 37?
Zeuge Mau[ritz]:
E 37 ist das Objekt Hamburg, Paulinen-Allee gewesen.
Richter Mai[er]:
Und E 25?
Zeuge Mau[ritz]:
E 25 ist das Objekt Hamburg, Ohlsdorfer Straße gewesen.
Richter Mai[er]:
E 22?
Zeuge Mau[ritz]:
Ist Frankfurt, Ginnheimer Landstraße.
Richter Mai[er]:
Dann E 27?
Zeuge Mau[ritz]:
Bin ich überfragt.
Richter Mai[er]:
Könnte das in Frankfurt die Raimundstraße gewesen sein ...
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, das dürfte ...
Richter Mai[er]:
... wenn ich Ihnen das vorhalte? Dann E 29?
Zeuge Mau[ritz]:
E 29 ist, soweit ich mich erinnere, Stuttgart, Seidenstraße, gewesen.
Richter Mai[er]:
Und E 28?
Zeuge Mau[ritz]:
Das habe ich nicht mehr in Erinnerung.
Richter Mai[er]:
Könnte das Stuttgart, die Obere Weinsteige ...?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, das könnte sein.
Richter Mai[er]:
Danke.
[9935] Dem Zeugen wird die Schrift
„Rote Armee-Fraktion - Stadtguerilla und Klassenkampf“
(Maschinenschrift mit handschriftlichen Korrekturen mit Aufkleber: RAF-Schrift, Kopie aus Zürich) vorgelegt.
Richter Mai[er]:
Wissen Sie etwas über die Herkunft dieses Asservates, wie es beschafft wurde?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja. Dieses Exemplar wurde von der Kantonspolizei Zürich, ich glaube, wenn ich mich recht erinnere, im Jahr 1972 unserer Dienststelle zur Verfügung gestellt, und von unserer Kriminaltechnik, Herr Hecker, ein Gutachten dazu erstellt, und dann, da es ja nur leihweise zur Verfügung gestellt, wieder zurückgesandt. Ich habe dann das jetzt im Anfang Mai, glaube ich, war das gewesen, so etwa, nochmals angefordert für dieses Verfahren und ... bei der Kantonspolizei in Zürich, und das ist dann auch geschehen ...
Richter Mai[er]:
So daß dieses ...
Zeuge Mau[ritz]:
... und es handelt sich um dieses Exemplar.
Richter Mai[er]:
Es handelt sich um dieses Exemplar, das[j] Sie also von Zürich bekommen haben?
Zeuge Mau[ritz]:
Richtig.
Richter Mai[er]:
Danke.
Vors.:
Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht.
Der Zeuge Mauritz versichert die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf seinen bereits geleisteten Eid (§ 67 StPO)[16] und wird im allseitigen Einvernehmen und 9.51 Uhr entlassen.
Vors.:
Wir können jetzt zur Verlesung des Urteils Mahler, Meinhof des Schwurgerichts Berlin kommen.
Gem. § 249 StPO wird im Urkundenbeweis[k] das Urteil des Schwurgerichts Berlin vom 29.11.1974[17] Az.: (500) 2 P KS 1/71 (2/73) gegen
1. Ulrike Meinhof
2. Hans-Jürgen Bäcker
3. Horst Mahler
wie folgt verlesen:[18]
Seite 3 von: „Es werden verurteilt:“ bis „... Bäcker wird freigesprochen“
Seite 7 ab Teil II bis Seite 34, Ende des ersten Absatzes.
[9936] Das Urteil ist abgelegt im Ergänzungsband Urteile IV Seite 240/327.
Während der Verlesung:
Bundesanwalt Dr. Wunder und OStA Holland verlassen um 9.53 Uhr den Sitzungssaal.
Bundesanwalt Dr. Wunder erscheint wieder um[l] 10.12 Uhr im Sitzungssaal.
Reg. Dir. Widera verläßt um 10.18 Uhr den Sitzungssaal.
Vors.:
Das Gericht hat durch den Vergleich der Urteile, insbesondere das, was nun gestern verlesen worden ist, festgestellt, daß es sich hier um nahezu denselben Inhalt des Hergangs, dieselbe Darstellung des Hergangs, wie gestern schon bekanntgegeben, handelt. Wenn die Prozeßbeteiligten damit einverstanden sind, können wir hier feststellen, daß es dem Inhalt nach im Wesentlichen mit dem gestern verlesenen Urteil übereinstimmt. Wir würden uns dann beschränken, noch die Seite 49 aus dem Urteil durch Verlesen einzuführen. Wird dieses Verfahren gebilligt?
Keine Einwendungen?
Die Verfahrensbeteiligten erheben keine Einwendungen gegen diese Verfahrensweise.
Vors.:
Bitte, Herr Dr. Breucker.
Die Seiten 48/49 werden jetzt noch verlesen.
Gemäß § 249 StPO wird aus dem Urteil des Schwurgerichts Berlin gegen 1. Meinhof, 2. Bäcker, 3. Mahler noch folgendes verlesen.:
ab Seite 47 Teil „D“ bis Seite 50 Ende des ersten Absatzes „... eine Perücke trug.“
Vors.:
Danke.
Ich darf also nochmals feststellen, daß alle Beteiligten einverstanden waren mit der verkürzten Verlesung aufgrund des Hinweises, [9937] daß der wesentliche Inhalt der Sachverhaltsdarstellung mit dem bereits gestern verlesenen Urteil übereinstimmt.
Wir sind damit am Ende des heutigen Sitzungstages. Es sind für den Dienstag, 8.6.1976, vorgesehen die Zeugen Huwe, Wiener, Neumeyer, Garbotz sowie der Sachverständige Hecker mit den dort aufgeführten Gutachten. Das ist eine kurze Beleuchtung der Wohnung Berlin, Knesebeckstraße 89, die mit diesem Beweisprogramm vorgesehen ist. Ich weise ausdrücklich nochmals darauf hin, daß der Sachverständige Hecker auch gemäß dem Auftragsschreiben von gestern die handschriftlichen Eintragungen auf den Materialien, die heute durch den Antrag der Bundesanwaltschaft bekanntgegeben worden sind, begutachten soll.
Herr Rechtsanwalt Schnabel, Sie haben ja gelegentlich schon darauf hingewiesen, daß es zweckmäßig wäre, zuerst die Sicherstellung usw. zu belegen. Es läßt sich in diesem Falle - das ist wieder einer dieser Fälle - nicht anders machen. Die Sicherstellung belegt wird - möglicherweise - am 24.6., und da kommt ja auch dann der Sachverständige Windhaber. Herr Hecker steht uns nach dem 8.6. für vier Wochen nicht mehr zur Verfügung, muß also unerläßlich die Gutachten schon an diesem Tage[m] vornehmen.
Damit ist die Sitzung heute abgeschlossen.
Fortsetzung am 8.6.1976, 14.00 Uhr.
Ende der Sitzung 10.31 Uhr
Ende Band 566
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Da den Angeklagten neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Verteidiger zur Sicherung des Verfahrens (gegen ihren Willen) beigeordnet worden waren, konnte die Hauptverhandlung stets fortgeführt werden, auch wenn die Vertrauensverteidigung nicht anwesend war. Die Angeklagten weigerten sich jedoch, mit den von ihnen sog. Zwangsverteidigern zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[3] Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.). Über die Gewichtung der Interessen, denen der Beschuldigten und dem Interesse an der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, gab es im Prozess häufige Auseinandersetzung, so etwa am 26. Verhandlungstag (2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie am 41. Verhandlungstag (S. 3176 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[4] Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) war ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, dass demnächst ein/e andere/r Verteidiger/in gewählt wird und diese/r die Wahl annimmt (§ 143 StPO a.F.; heute: § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO). Überwiegend wurde aber angenommen, dass die Zurücknahme der Bestellung auch über diesen Fall hinaus aus einem wichtigen Grund zulässig ist (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 244). Als wichtiger Grund wurde auch die grobe Pflichtverletzung nach voriger Abmahnung gesehen; bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s. auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter fällt nun auch der Fall der groben Pflichtverletzung (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).
[5] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).
[6] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).
[7] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[8] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.
[9] Anlage 1 zum Protokoll vom 26.5.1976: Aussagegenehmigung für Kriminaldirektor Noetzel.
[10] Dort wurden am 1.6.1972 die Angeklagten Andreas Baader und Jan-Carl Raspe, sowie der frühere Mitangeschuldigte Holger Meins nach einem Schusswechsel verhaftet. Dieser Vorgang war ab dem 43. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.
[11] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).
[12] Urkunden werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 StPO; heute ebenfalls möglich: Einführung im Selbstleseverfahren, § 249 Abs. 2 StPO). Zwar enthält § 250 StPO für Zeug/innen und Sachverständige den Vorrang des Personalbeweises, wonach Tatsachen, die auf der Wahrnehmung einer Person beruhen, grundsätzlich durch Vernehmung dieser Person in die Hauptverhandlung einzuführen sind und nicht durch Verlesung früherer Vernehmungsprotokolle oder schriftlicher Erklärungen ersetzt werden dürfen. Überwiegend wird jedoch zwischen ersetzender und ergänzender Verlesung differenziert und letztere im Rahmen des Urkundenbeweises für zulässig gehalten (BGH, Urt. v. 16.2.1965 - Az.: 1 StR 4/65, BGHSt 20, S. 160, 162; Erb, in Bockemühl/Gierhake/Müller/Walter [Hrsg.], Festschrift für Bernd von Heintschel-Heinegg zum 70. Geburtstag, 2015, S. 135, 136; Mosbacher, NStZ 2014, S. 1 ff.; a.A. Gubitz/Bock, NJW 2008, S. 958). Inzwischen wurde mit dem 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004 (BGBl I, S. 2198) in § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO die ausdrückliche Möglichkeit geschaffen, Protokolle und Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen (mit Ausnahme von Vernehmungen) zu verlesen.
[13] Ulrike Meinhof saß nach ihrer Verhaftung im Juni 1972 zunächst in Köln-Ossendorf in Untersuchungshaft, bevor sie im April 1974 nach Stammheim verlegt wurde (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97).
[14] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).
[15] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).
[16] § 67 StPO ermöglicht das Berufen auf einen früheren Eid, wenn Zeug/innen im selben Hauptverfahren erneut vernommen werden.
[17] Ab September 1974 fand vor dem LG Berlin das Verfahren gegen Ulrike Meinhof, Horst Mahler und Hans-Jürgen Bäcker wegen der am 14. Mai 1970 durchgeführten gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft statt. Ulrike Meinhof wurde am 29. November 1974 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt, Horst Mahler unter Einbeziehung einer bereits zuvor ausgeurteilten Haftstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 14 Jahren. Bäcker wurde in diesem Verfahren freigesprochen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 94 ff., 252; Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372, 382 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 21 ff.).
[18] Die hier u.a. verlesenen Entscheidungsgründe und die darin festgehaltenen und zugrunde gelegten Tatsachen sind zwar für andere Verfahren nicht bindend, da sie nicht in (materieller) Rechtskraft erwachsen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 170). Gleichwohl ist es anderen (Straf-)Gerichten nicht verwehrt, die dort dokumentierten Ergebnisse der Beweiserhebung im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung einzuführen und sie zur Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zu machen; dies gilt sogar für nichtrechtskräftige (z.B. aufgehobene) Entscheidungen (BGH, Urt. v. 18.5.1954 - Az.: 5 StR 653/53, BGHSt 6, S. 141; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019 § 249 Rn. 17).
[a] Maschinell eingefügt: Noetzel
[b] Maschinell ergänzt: Kriminalhauptkommissar
[c] Handschriftlich ersetzt: wird durch werden
[d] Handschriftlich ergänzt: erstellten Listen
[e] Handschriftlich durchgestrichen: Ri. Mai.:
[f] Handschriftlich ersetzt: , durch u.
[g] Handschriftlich ersetzt: , durch u.
[h] Handschriftlich ersetzt: , durch u.
[i] Maschinell eingefügt: ist
[j] Handschriftlich ersetzt: was durch das
[k] Maschinell durchgestrichen: Urkundenbeweisverfahren
[l] Maschinell ersetzt: um durch wieder um
[m] Handschriftlich ergänzt: Tage