123. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 1. Juli 1976 um 9.03 Uhr



[10182] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 1. Juli 1976 um 9.03 Uhr.

(123. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

J. Ass. Clemens

J. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.

Als Zeuge ist anwesend:

KOR Hans Fernstädt

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Die Verteidigung ist gewährleistet. Herr Rechtsanwalt Geulen wird heute für Herrn Rechtsanwalt Schily kommen; er verspätet sich. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat sein Erscheinen auf 9.30 Uhr angekündigt. Auch Herr Rechtsanwalt Eggler ist wegen der Benutzung der Eisenbahn etwas später dran. Zunächst darf ich darauf hinweisen, unser Sitzungsprogramm ist ja am letzten Freitag dann überraschend geändert worden - und ich[a] möchte nicht sagen - durcheinander gekommen, aber eben aus dem Rahmen gebracht worden, dadurch, daß dem Senat ein ärztliches Zeugnis zuging, aus dem hervorgeht, daß der Zeuge Müller zur Zeit in seiner emotionalen Stabilität derart beeinträchtigt sei, daß er auch über seine kognitiven Funktionen nicht voll verfügen könne, und daher sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, trotz grundsätzlicher Aussagebereitschaft des Herrn Müller, nicht zu erwarten, daß er gegenwärtig in der Lage ist, seinen Zeugenpflichten nachzukommen. Die Zeit für seine Erholung wird von zwei Ärzten mit 14 Tagen angegeben. Darauf Rücksicht nehmend haben wir die [10183] Vernehmung von Herrn Müller verlegt, und sie beginnt nun, das Gericht konnte keinen anderen Weg beschreiten, am Donnerstag der nächsten Woche und wird in der übernächsten Woche fortgesetzt. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, uns ist ja dieses Attest mitgeteilt worden über Sie. Sie sind gebeten worden und haben sich freundlicher Weise bereit erklärt, den Transport des Zeugen zu übernehmen. Deswegen wurden Sie verständigt. Wir haben das Original dieses ärztlichen Attestes nicht. Liegt es bei Ihnen vor?

BA Dr. W[under]:

Nein, bei mir liegt es nicht vor. Ich ging davon aus, daß das längst dem Senat zugeleitet worden ist.

Vors.:

Ist bis jetzt noch nicht zugeleitet. An sich gehört es auch dorthin. Also dann wird es sicher noch kommen, demnächst. Aber Sie können sich ja dafür verbürgen, daß das vom Leiter, oder stellvertretenden Leiter der Vollzugsanstalt, Ihnen als ärztliches Zeugnis dieser beiden genannten Ärzte, eines Psychiaters ...

BA Dr. W[under]:

Das erkläre ich. Die Mitteilung ist auf einen Anruf, der von mir aus getätigt wurde, erfolgt, so daß sichergestellt ist, daß es der stellvertretende Leiter dieser Anstalt war.

Vors.:

Dankeschön.

Dann haben wir heute hier Herrn Regierungsoberkriminalrat Fernstädt erneut als Zeugen geladen. Hier zeichnen sich Komplikationen ab. Sie sollen ja, nachdem uns eine Erklärung zugegangen ist, zunächst seitens der Polizeiabteilung, Polizeidepartement in Bern, daß eine Vernehmung des Zeugen Meier, aufgrund unseres Rechtshilfeersuchens in der Schweiz[2] nicht möglich sei, wenn dieser Zeuge nicht bereit sein würde, freiwillige Angaben zu machen. Nach schweizerischem Recht[3] könne er ohne diese freiwillige Bereitschaft nicht vernommen werden. Und daraufhin haben wir natürlich sofort darum gebeten, zu klären, ob Herr Meier bereit ist, Aussagen zu machen. Es ist uns dann das Protokoll vom 18. Juni 1976 mitgeteilt worden. Aufgenommen bei der Bezirksanwaltschaft in Zürich. Hier hat der Zeuge erklärt ... also: „Rechtsanwalt Dr. Haymann“ - das ist sein Rechtsanwalt - „hat mir den Inhalt des Schreibens der Polizeiabteilung in Bern vom 16. Juni 1976 zur Kenntnis gebracht.“ Hier ging es also um die Anfrage, ob er bereit sei, freiwillig auszusagen. Und dann führt der Zeuge aus: „Es wird mir darin anheimgestellt, freiwillig zu den vorerwähnten Fragen eine Aussage zu machen oder nicht. Ich [10184] erkläre, daß ich in dieser Sache in keiner Form bereit bin, irgendwelche Aussagen zu machen. Selbst gelesen und bestätigt: Unterschrift.“ Es folgt dann weiter die Unterschrift des aufnehmenden Bezirksanwalts Dr. Amsler. Damit schied eine Vernehmung dieses Zeugen aus, und das Gericht hat dann den zunächst jetzt[b] gebotenen Weg zu beschreiten versucht, nämlich die Herrn zu hören, die seinerzeit bei den Vernehmungen des Herrn Meier anwesend gewesen sind - prozeßordnungsgemäßer Weg - oder es[c] käme auch der Gedanke an eine Verlesung der Protokolle in Betracht, wenn ein anderer Weg sich nicht eröffnet hätte. Gestern habe ich die Mitteilung bekommen, daß - durch Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder - daß sich die schweizerische Bundesanwaltschaft auch gegen die Vernehmung der Vernehmungsbeamten wende, da damals bestimmte Zusicherungen gemacht worden seien, als diese Beamten dieser Vernehmung beigewohnt haben. Und es ließ sich daraufhin ohne weitere darauf schließen, daß diesem Problem, seitens der deutschen Behörden zumindest in der Weise begegnet werden würde, daß die heutigen Zeugen, die Vernehmungsbeamten zunächst mal keine Aussagegenehmigung[4] erhalten würden. Ich habe deshalb gestern[d] bei den Behördenleitern angerufen. Es ist also hier der Präsident des Landeskriminalamtes und zwar der Stellvertretende Präsident, Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, die zuständig sind, und es wurde mir angekündigt, daß aller Voraussicht nach keine Aussagegenehmigung erteilt werden könne[e]. Deswegen, bevor wir groß in Ihre Vernehmung einsteigen und irgend etwas weiteres unternehmen, die Frage an Sie, Herr Fernstädt. Ist Ihnen Aussagegenehmigung erteilt?

Zeuge Fern[städt]:

Nein.

Vors.:

Sie haben darüber aber keine schriftliche Erklärung?

Zeuge Fern[städt]:

Nein, ich habe keine schriftliche Erklärung darüber. Mir ist aber zugesichert worden, bzw. bekannt gegeben worden, daß das Verfahren zur Bestätigung der mündlichen Aussageverweigerung eingeleitet ist und umgehend Ihnen zugestellt wird.

Vors.:

Ja. Das würde also bedeuten, zuständig ist der Bundesminister des Inneren, daß von diesem Ministerium uns die Bestätigung schriftlich demnächst zugehen wird, daß Sie keine Aussagegenehmigung in dieser Sache erhalten.

Dazu ist folgendes vielleicht anzuführen, um das verständlich zu machen. Zunächst mal die Frage, ob an den Herrn Zeugen unter [10185] diesen Umständen irgendwelche Fragen außerhalb des Komplexes gestellt werden sollen. Dann müßten wir versuchen, das hier jetzt zu klären. Ich glaube nicht. Bestehen Bedenken gegen die Entlassung des Zeugen?

Der Zeuge KOR Hans Fernstädt wird im allseitigen Einvernehmen um 9.10 Uhr entlassen.

Vors.:

Ich darf auf folgendes hinweisen: Der Zeuge, um den herum nun diese Problematik entstanden ist, war in der Anklage offiziell benannt. Die Vernehmungsprotokolle sind Gegenstand unserer Akten, so daß das Gericht selbstverständlich auf diesen Zeugen zurückgreifen konnte und bei der Sachlage natürlich auch mußte. Was dem Gericht nicht bekannt war, was nur der Bundesanwaltschaft bekannt sein konnte oder den beteiligten Beamten, war die Tatsache, daß offenbar diese Überlassung von Protokollen - wie auch die Genehmigung der Teilnahme an der Vernehmung des Zeugen in der Schweiz - an Zusicherungen geknüpft waren, die wir nur in der Form kennenlernten, daß es in den Akten hieß, man möge den Namen tunlichst nicht nennen. Etwas weiteres hat das Gericht nicht dazu erfahren. Inzwischen haben sich aber schon Illustrierte dieses Zeugen angenommen, und in epischer Breite seinen Namen genannt und das, was er zu sagen hätte. So daß das sicherlich auch in der Schweiz ein gewisses Mißfallen erweckt hat, wie das möglich gewesen ist. Aber das ist nicht Sache des Gerichts. Wir haben hier ein Schreiben vorliegen, das die Bundesanwaltschaft - der Bundesanwalt Dr. Wunder - an mich gerichtet hat unter dem 29.6.1976, das diesen Vorgang nun erklärt. Und da heißt es: „Betrifft: Strafverfahren gegen Andreas Baader, hier Zeuge Claude Meier. Die 1972 und 1973 von schweizer Behörden in Anwesenheit von deutschen Kriminalbeamten durchgeführten Vernehmungen des Zeugen Claude Meier waren von der Zusicherung abhängig gemacht worden, daß die Angaben Meiers in der Bundesrepublik lediglich für Fahndungszwecke verwendet würden. Allerdings durfte damit gerechnet werden, daß diese Beschränkung der Verwertbarkeit im Laufe der Zeit wegfallen werde. Dies war auch der Grund für die Benennung Claude Meiers in der Anklageschrift. Nunmehr hat die schweizer Bundesanwaltschaft mit Schreiben vom 17. Juni 1976 erneut auf diese Bedingung, unter der die Vernehmungen zustande ge- [10186] kommen waren und unter der die Vernehmungsprotokolle den deutschen Stellen zur Verfügung gestellt worden waren, hingewiesen. Sie führt aus - dazu muß ich dann nachher noch eine Erläuterung geben - Noch mehr würde es diesen Zusicherungen widersprechen, wenn das Oberlandesgericht Stuttgart in der von Dr. Prinzing erwähnten Weise an der Gerichtsverhandlung auf diese Einvernahmeprotokolle zurückgreifen sollte“. Die Bundesanwaltschaft weist dann auf § 54 des Deutschen Auslieferungsgesetzes[5] hin, wonach bei Zusicherungen, die gemacht worden sind bei Vernehmungen im Ausland, diese Zusicherungen im inländischen Verfahren zu berücksichtigen seien. Und deshalb gehe die Bundesanwaltschaft davon aus, daß gerade mit Rücksicht auf diese Bestimmung des § 54 die Aussage des Zeugen Claude Meier im vorbezeichneten Verfahren nicht verwertbar seien, weder in der Form der Vernehmung der Vernehmungsbeamten noch in der Form der Verlesung.

Rechtsanwalt Eggler erscheint um 9.13 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Diese Passage,[f] - es würde den Zusicherungen widersprechen, wenn das Gericht in der und der Weise verfahren würde - beruht darauf, daß nach Bekanntgabe der Tatsache, daß Herr Meier nicht in die Bundesrepublik kommen würde zur Aussage, daß er auch nicht bereit sei, in der Schweiz auszusagen, ich seinem Rechtsanwalt, der mich - in dieser Beziehung -[g] wiederholt angerufen[h] oder ich ihn angerufen habe, mitgeteilt habe, das Gericht werde unter diesen Umständen den in der Prozeßordnung vorgesehenen Weg, nämlich die Vernehmung der Vernehmungsbeamten, ins Auge fassen. Und das ist nun das, was die Bundesanwaltschaft in der Schweiz genau hier als einen Verstoß gegen die Zusicherungen, die dem Gericht nicht bekannt gewesen sind, betrachtet.

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, wollen Sie dazu zusätzlich noch irgend etwas erläutern?

BA Dr. W[under]:

Ich kann dazu noch folgendes erklären, Herr Vorsitzender:

Die Bundesanwaltschaft ist selbstverständlich bestrebt, die von ihr einmal in der Anklageschrift benannten Beweismittel in diesem Verfahren auch zur Geltung kommen zu lassen. Dabei sind uns bei Rechtshilfe durch das Ausland aber bestimmte Grenzen gesetzt, und hier in dieser Sache gesetzt worden. Nach einer Aussprache, die [10187] ich mit den beiden, damals für dieses Verfahren und für die Aktenführung zuständigen Kollegen bei der Bundesanwaltschaft geführt habe, ist es in der Tat so gewesen, daß die schweizer Behörden mit einer Verwertung bestimmter Erkenntnisse aus diesem Verfahren nur im beschränkten Rahmen einverstanden waren, obgleich man, und[i] das möchte ich betonen, obgleich man auf beiden Seiten, auf deutscher und schweizerischer mehr oder weniger davon ausgegangen war, daß sich diese Situation zu Gunsten der deutschen Strafverfolgungsbehörden im Laufe der Zeit sicherlich ändern würde. Das war auch Grund und Anlaß für die seinerzeit zuständigen Kollegen, diese Vernehmungsprotokolle zu den Akten zu nehmen und damit in das Verfahren einzuführen. Die schweizer Behörden stellen sich jetzt auf den Standpunkt, daß eine solche Veränderung, von der damals ausgegangen wurde, seither nicht eingetreten ist, und berücksichtigen dabei auch die inzwischen erfolgten Presseveröffentlichungen. Selbst wenn man den Standpunkt, wenn man die Auffassung der schweizer Behörden nicht teilen würde, müßte meines Erachtens auf die letzte Intervention der schweizer Behörden abgestellt werden, denn sie wäre die alle Zweifel an früheren Erklärungen behebende und entscheidende Verlautbarung des rechtshilfeleistenden Staates, auf dessen Willen es in dieser Geschichte allein ankommt. Die Bundesanwaltschaft bedauert diese Situation, aber wir sind der Auffassung, daß die Aussagen des schweizer Staatsangehörigen Claude Meier nicht verwertet werden können.

Vors.:

Dankeschön. Ich darf die Herrn Prozeßbeteiligten noch darauf hinweisen, was ich schon wiederholt getan habe, daß diese Unterlagen, die sich angesammelt haben bei dem Bemühen um diesen Zeugen, diese Bemühungen laufen seit Februar dieses Jahres, jederzeit zur Einsicht auf der Geschäftsstelle befinden. Unser Programm für heute ist durch den Wegfall von dem Zeugen Fernstädt natürlich zusammengeschrumpft. Ich darf jetzt noch auf folgendes hinweisen: Das Gespräch mit den Behördenleitern, das ich gestern geführt habe - zunächst mal dringlich natürlich wegen Herrn Fernstädt wegen der Aussagegenehmigung - hat ergeben, daß auch nicht zu erwarten ist, daß die auf Mittwoch vorgesehenen Zeugen Scheicher und Mellenthin anders behandelt werden würden. Das heißt, auch diesen Herrn wird keine Aussagegenehmigung erteilt werden. Frage an die Herrn: Sollen wir die Zeugen deswegen extra her- [10188] kommen lassen, daß die uns das noch bestätigen oder können wir uns gleich darauf einrichten, daß unter diesen Umständen von Seiten der Prozeßbeteiligten darauf verzichtet wird, daß diese Zeugen extra vorgeladen bleiben? Es ist nur so, wenn wir also am Mittwoch die Zeugen hierhaben, werden wir dieselbe Situation erleben. Wir werden erfahren, sie können nicht, sie dürfen nicht. Und nachdem, was uns die Bundesanwaltschaft hier inzwischen mitgeteilt hat, nur für Fahndungszwecke durfte damals teilgenommen werden an diesen Vernehmungen, ist es wohl auch ziemlich eindeutig, daß der § 54 des Auslieferungsgesetzes im Wege steht. Das heißt, es hängt nicht einmal mehr von der Aussagegenehmigung ab, sondern wir dürften sie gar nicht vernehmen mehr. Herr Rechtsanwalt ... Verzeihen Sie, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, wollten Sie da unmittelbar ...

BA Dr. W[under]:

Was ganz Kurzes nur. Herr Vorsitzender, das von Ihnen angeregte Verfahren wäre sicher das praktischste, und ich möchte ihm eigentlich auch den Vorzug geben; nur meine ich, es müßte förmlich auf die Zeugen verzichtet werden. Wir würden es tun.

Vors.:

Sie sind ja im Augenblick nicht anwesend. Also da differieren ja die Auffassungen des Senats etwas. Wir sind der Meinung, Zeugen müssen nur gehört werden, wenn sie auch anwesend sind.[6] Man kann also Zeugen, die noch gar nicht anwesend sind, deren Ladung erst bevorsteht, auf diese Weise praktisch vom Verfahren nun freihalten. Und ich glaube, das wäre für alle Beteiligten ein Weg, der gangbar wäre.

Herr Rechtsanwalt Schwarz.

RA Schw[arz]:

Wir haben, wohl sämtliche Verteidiger, jetzt erst von dieser neuen Situation Kenntnis bekommen. Wir hören, es sind Schriftstücke da, in die wir Einblick nehmen wollen und auch werden. Ich sehe mich deshalb außerstande, im Augenblick eine Erklärung abzugeben, wobei ich doch auch auf folgendes hinweisen darf, was zunächst einmal auffällt. Der Bundesanwaltschaft mindestens müssen ja diese seinerzeitigen Einschränkungen bekannt gewesen sein. Und ich finde es etwas reichlich dünn, wenn jetzt hier seitens des Herrn Dr. Wunder ausgeführt wurde, man habe wohl auf beiden Seiten die Erwartung gehabt, diese damaligen Zusagen würden im Lauf der Zeit wegfallen. Alle diese Dinge bedürfen meines Erachtens noch einer Klärung. Ich sehe mich deshalb mindestens [10189] für den Angeklagten Baader im Augenblick außerstande, eine Erklärung abzugeben bezüglich der weiteren Zeugen, insbesondere auch deshalb, als wie der Herr Vorsitzende ja ausgeführt hat, nur damit zu rechnen ist - aber auch das könnte ja anders werden -, d.h. nicht, daß die Zeugen am Mittwoch zu kommen brauchen, wir haben heute erst Donnerstag, das kann wahrscheinlich bis dahin geklärt werden. Wir werden mit Ihrer Erlaubnis einen Teil des heutigen Sitzungstags dazu verwenden, diese Urkunden einzusehen, und werden uns dann[j] wohl gemeinsam schlüssig werden. Ein weiteres Problem ist natürlich für mich auch, inwieweit der Verteidiger des Angeklagten Baader auf der Vernehmung und auf der Verlesung bestehen sollte.

Vors.:

Ich danke Ihnen für die Ausführungen. Sie werden nachher in einer Pause, die wir deswegen einlegen - wir haben heute wirklich Zeit dazu - Gelegenheit haben, sich diese Unterlagen anzusehen, vielleicht auch nochmals Rückfrage bei der Bundesanwaltschaft zu halten, wie das im einzelnen ist. Es ist also für uns die Entwicklung natürlich[k] genauso überraschend. Wir haben also Monate von Arbeit investiert, um den Zeugen herzubekommen, um jetzt zum Schluß zu erfahren, daß das nicht geht. Das ist für uns auch eine keineswegs glückliche Situation. Das soll gar nicht verhehlt werden.

Wir haben für heute jetzt lediglich folgendes vor: Verlesung; außerdem soll Herr Rechtsanwalt Künzel Gelegenheit bekommen, angekündigte Beweisanträge zu stellen. Außerdem habe ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann mitteilen lassen, daß Gelegenheit gegeben ist, Anträge die angekündigt sind und die Person des Zeugen Müller betreffen sollen und die er am Dienstag schon, also am vergangenen Dienstag stellen wollte, weshalb er ja um Verlegung der Vernehmung gebeten hat, heute zu stellen, da Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann um halbzehn offenbar zu kommen beabsichtigt. Es kann also auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß hier noch einige Anträge vorgetragen werden. Das Sitzungsprogramm wird sich aber mit Sicherheit, unter diesen Umständen auf den Vormittag beschränken. Unter der Voraussetzung, daß die Zeugen, die wir eben genannt haben, tatsächlich durch die Aussagegenehmigung am Mittwoch wegfallen, hat der Senat in seinem Beweisprogramm ja nur noch den Zeugen Müller. Weitere Vernehmungen sind von Seiten des Senats [10190] im Augenblick nicht ins Auge gefaßt und nicht vorgesehen. Herr Rechtsanwalt Künzel, vielleicht wenn Sie jetzt Ihre Anträge vortragen, und dann machen wir die Pause; und Sie können die Pause benützen, und wir können uns dann gleichzeitig schon Gedanken vielleicht machen. Bitte sehr, Herr Rechtsanwalt Künzel.

RA Kün[zel]:

Ich darf zunächst, so daß es ins Protokoll kommt, erklären, daß ich den Antrag vom 10.12., den Beweisantrag im Festnahmekomplex wegen der Tränengasauswirkung zurücknehme. Dann darf ich noch bemerken, daß dieses von mir vor einiger Zeit angekündigte Beweisprogramm nun im Hinblick auf die uns übergebenen Unterlagen der Vernehmung Müller überprüft worden ist. Es wäre sinnlos, an all diesen Beweisanträgen festzuhalten. Vorausgesetzt, daß die Vernehmung des Herrn Müller so verläuft, wie es nach Aktenlage entspricht, stelle ich diese Anträge zurück. Im Augenblick besteht jedenfalls keine Notwendigkeit, sie zu stellen. Sofern ich Beweisanträge angekündigt habe zur Erhellung persönlicher Situationen[7] der Frau Ensslin, kann ich diese Anträge nicht stellen. Es hat sich gezeigt, daß die Beweismittel, daß also die Verwandten, die ich als Beweismittel im Auge hatte, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht[8] Gebrauch machen werden, so daß es sinnlos wäre, diese Anträge zu stellen.

Rechtsanwalt Geulen (als Vertreter von Rechtsanwalt Schily) erscheint um 9.24 Uhr im Sitzungssaal.

RA Kün[zel]:

Es verbleibt noch bei folgendem Antrag.

Rechtsanwalt Künzel verliest den aus Anlage 1 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll beigefügt wird.

RA Kün[zel]:

Den Sachverständigen, den ich ursprünglich im Auge habe, auf dem zu beharren, wäre sinnlos, weil er nicht erreichbar ist, in nächster Zeit. Ich werde dem Senat in aller kürzester Zeit einen anderen Sachverständigen benennen.

Vors.:

Sollen sonstige Anträge gestellt werden? Ich sehe nicht. Dann legen wir jetzt die Pause ein. Herr Rechtsanwalt Schwarz, Sie waren wortführend. Wie lange wollen Sie die Pause ausdehnen?

RA Schw[arz]:

Ich würde bitten bis 10 Uhr.

[10191] Vors.:

Bis 10 Uhr, gerne. Um 10 Uhr treffen wir uns wieder.

Pause von 9.26 Uhr bis 10.03 Uhr

Ende von Band 584

[10192-10193][9] [Nicht paginierte Deckblätter der Anlagen 2 und 4][10] [10194] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.03 Uhr

Rechtsanwalt Künzel ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort, die Verteidigung ist gewährleistet. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann - bedauerlicherweise - nicht anwesend, denn er sollte seine Anträge stellen, heute und hat auch angekündigt, er würde um ½ 10 Uhr hier eintreffen.

Ich darf im Anschluß an das heute Vormittag Gesagte noch mitteilen, daß inzwischen die Schweiz auch mitgeteilt hat, daß der Detektivwachtmeister Zellweger keine Aussagegenehmigung aus den schon angedeuteten Gründen erhalten wird, so daß seine Vorladung damit überflüssig geworden ist. Die schweizerische Behörde hat zweckmäßigerweise die Ladung gleich gar nicht weitergeleitet, sondern wieder zur Entlastung zurückgegeben.

Nun - Herr Rechtsanwalt Schwarz -, ich habe gehört, daß keine Erklärungen abgegeben werden sollen, im Augenblick.

Dann kommen wir jetzt zu Verlesungen. Zunächst wird - wie angekündigt - aus dem Informations-Dienst, der beschlagnahmt worden ist, verlesen.

Gemäß § 249 StPO[11] wird im Urkundenbeweis aus dem „Informations-Dienst D“ Nr. 127 vom 29. Mai 1976 ab Seite 17 „SCHRIFTEN ULRIKE MEINHOFS: ...“ bis Seite 18 links oben „... in dem subjektivität praktisch wird.“ verlesen (siehe Anlage 2 zum Protokoll vom 1. Juli 1976).

Während der Verlesung:

OStA Zeis und Reg. Dir. Widera verlassen um 10.06 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Nunmehr wird verlesen aus „Agit 883“. Das Exemplar ist Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen und belegt durch den Zeugen Klaus.

[10195] Gemäß § 249 StPO wird im Urkundenbeweis aus der Originalschrift „Agit 883“ Nr. 61 vom 22.5.1970 von Seite 2 die schwarz eingerahmte Spalte „DIE ROTE ARMEE AUFBAUEN ! Glaubten die ...“ bis „... MIT DEM BEWAFFNETEN WIDERSTAND BEGINNEN! DIE ROTE ARMEE AUFBAUEN!“ verlesen, (siehe Anlage 3 zum Protokoll vom 1. Juli 1976; die Anlage ist nicht beigeheftet, sondern dem Protokoll gesondert beigegeben).

Vors.:

Aus der Nr. 4 des Jahrgangs 1975 des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ wird nunmehr das damals veröffentlichte Interview mit den damals 4 Angeklagten verlesen.

Gemäß § 249 StPO wird im Urkundenbeweis aus dem Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ Nr. 4 vom 20. Januar 1975 von Seite 52 („Wir werden in den Durststreik treten ...“) bis Seite 57 („... Sache der Metropolenguerilla.“) verlesen, (siehe Anlage 4 zum Protokoll vom 1. Juli 1976).

Während der Verlesung:

Rechtsanwalt Geulen (als Vertreter von Rechtsanwalt Schily) verlässt in der Zeit von 10.14 bis 10.22 Uhr den Sitzungssaal.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 10.20 Uhr im Sitzungssaal.

Ende des Bandes 385

[10196] Vors.:

Wir wären dann am Ende des Verlesungsprogrammes. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitteschön.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich stelle den Antrag, die seit vorgestern für meinen Mandanten, wie für die anderen Gefangenen verhängten neuen Haftbedingungen, nämlich völlige Isolation ...

Vors.:

Der hat nichts in der Hauptverhandlung zu tun. Ich bitte, den Antrag außerhalb der Hauptverhandlung zu stellen. Ich habe Ihnen mitteilen lassen, daß Sie die Gelegenheit hätten, Herr Rechtsanwalt, hier die Anträge, die Sie in Bezug auf die Person des Zeugen Müller zu stellen beabsichtigten, zu stellen.

Die Angeklagten Raspe und Baader erscheinen um 10.54 Uhr im Sitzungssaal.

An das war gedacht. Über Haftbedingungen sprechen wir in dem Saale jetzt nicht. Im übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, daß das eine vorübergehende Maßnahme bis[l] zur Klärung der Krisensituation ist. Damit ist aber das Thema dann abgeschlossen, bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Das Thema ist sicher nicht abgeschlossen. Liegt eine schriftliche Verfügung vor?

Vors.:

Sie ist mündlich erteilt worden noch am Abend des Geschehens; und im übrigen sage ich Ihnen jetzt zum letzten Mal, es ist damit das Thema abgeschlossen. Wir sprechen in der Hauptverhandlung nicht darüber. Ich bitte Sie jetzt, zu erklären, wollen Sie diese Anträge, die angekündigt worden sind, betreffend die Person des Zeugen Müller, stellen?

RA Dr. He[ldmann]:

Wenn Sie erlauben, mich einmal Ihrer Diktion zu bedienen, ich sage Ihnen jetzt zum letzten Mal, dieses Thema ist nicht abgeschlossen. Wissen Sie ... weiß der Senat überhaupt, daß ein Rollkommando des LKA vorgestern abend in die Zellen eingebrochen ist ...

Vors.:

Darf ich Sie jetzt darauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, daß ich dazu die Zeit der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung stelle. Sie können mich außerhalb der Hauptverhandlung in diesen Fragen jederzeit ansprechen. Sie können mir auch Anträge schicken, jederzeit. Der Senat wird darüber entscheiden. Hier in der Hauptverhandlung sind Sie zu dem Zwecke, der in der Hauptverhandlung vorgesehen ist, nämlich zur Klärung des Sachverhalts und der Schuldfrage,[12] anwesend, zu [10197] sonst nichts. Und jetzt bitte ich Sie aber ganz klar die Antwort zu geben. Wollen Sie die Anträge stellen? Wo nicht, werden wir jetzt die Sitzung beenden und am Dienstag fortsetzen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich werde die Vorgänge von vorgestern Abend, wie die anderen, schriftlich festhalten und auch dem Senat geben. Ich habe heute früh erstmals das Attest, d.h. eine Mitteilung von Bundesanwalt Wunder an den Senat schriftlich gesehen. Nach dieser ärztlichen Beurteilung des Zeugen Müller stelle ich im Moment den angekündigten, den für den vergangenen Dienstag angekündigten Antrag zum Zeugen Müller zurück.

Vors.:

Und wann ist beabsichtigt, diesen Antrag dann zu stellen? Es wäre mir eben sehr lieb, aus Gründen der Prozeßökonomie, daß nicht vor der Vernehmung des Zeugen Müller dann der Wunsch an das Gericht herangetragen wird, Anträge zu stellen. Wenn der Zeuge da ist, wollen wir möglichst versuchen, mit der Vernehmung zu beginnen. Also meine ich, wäre, da der Antrag bereits auf Dienstag angekündigt war, die Gelegenheit heute sehr günstig, zumal wir Zeit haben, da ja Beweismittel ausgefallen sind.

RA Dr. He[ldmann]:

Als ich den Antrag angekündigt habe, nämlich am Donnerstag voriger Woche, habe ich keine Kenntnis gehabt von den körperlichen und psychischen Befunden, die die Anstaltspsychiater in Hamburg Herrn Müller ausgestellt haben. Es wird sich in den nächsten Tagen, denke ich, zeigen, ob Herr Müller überhaupt zu der angekündigten Zeugenvernehmung hier her kommen wird; und sobald ich das weiß, werde ich den Antrag stellen, möglicherweise auch schriftlich stellen.

Vors.:

Das heißt, Sie wollen also heute keinen Antrag stellen. Damit wären wir dann am Ende des heutigen Sitzungsprogramms. Ich bitte am Dienstag wieder hier zu sein. Die Zeit ist vorgesehen für die Anhörung des Herrn Generalbundesanwalts Buback, sofern er in der Sitzung präsentiert[13] wird. Damit ist die Sitzung beendet.

Ende der Hauptverhandlung um 10.57 Uhr.

Angekl. Baa[der]:

Moment, Moment mal, halt, dann stellen wir hier jetzt noch einen Ablehnungsantrag, weil das öffentlich gemacht werden muß. Scheiße, verdammt nochmal.

Ende von Band 586.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Ausländische Zeug/innen können nicht dazu verpflichtet werden, vor einem deutschen Gericht zu erscheinen. Zwangsmittel stehen nicht zur Verfügung. Im Falle einer Weigerung des/der Zeug/in besteht aber die Möglichkeit der kommissarischen Vernehmung: § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch ersuchte oder beauftragte Richter/innen, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

[3] Findet eine Vernehmung durch Mitglieder des erkennenden deutschen Gerichts im Ausland statt, so findet die StPO unmittelbar Anwendung. Wenn aber eine Vernehmung im Rechtshilfewege stattfindet, gilt das Recht des Staates, in dem der/die Zeug/in vernommen wird, hier also das Recht der Schweiz (BGH, Urt. v. 6.5.1951 - Az.: 1 StR 129/51, BGHSt 1, S. 219 ff.; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 251 Rn. 34).

[4] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[5] § 54 des Deutschen Auslieferungsgesetzes (DAG) lautete: „Hat eine ausländische Regierung bei der Bewilligung von Rechtshilfe in Strafsachen die Verwertung der Rechtshilfe an eine Bedingung geknüpft, so ist die Bedingung im inländischen Verfahren zu beachten“ (Gesetz vom 23.12.1929, RGBl. I, S. 239). Eine heutige Entsprechung dieser Norm findet sich im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), welches am 23.12.1982 (BGBl. I, S. 2071) an die Stelle des DAG trat. § 72 IRG besagt: „Bedingungen, die der ausländische Staat an die Rechtshilfe geknüpft hat, sind zu beachten“.

[6] Grundsätzlich haben nur die Verfahrensbeteiligten, die einen Beweisantrag gestellt haben, einen Anspruch auf Tätigwerden des Gerichts, sei es durch Durchführung der Beweisaufnahme oder durch Ablehnung durch Gerichtsbeschluss. Die antragsstellende Person kann jedoch auf die Durchführung verzichten. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die (nach damaliger Rechtslage: gleich auf welchem Wege geladene; heute: durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft geladene) Person als präsentes Beweismittel i.S.d. § 245 StPO anzusehen ist, erwerben jedoch auch die übrigen Verfahrensbeteiligten einen Anspruch auf Durchführung der Beweisaufnahme (Trüg/Habetha, in Kudlich/Knauer/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 244 Rn. 156). Von der Beweisaufnahme kann dann - solange kein Ablehnungsgrund vorliegt - nur abgesehen werden, wenn Staatsanwaltschaft und Angeklagte (heute: auch die Verteidigung) damit einverstanden sind (§ 245 Satz 3 StPO a.F.; heute § 245 Abs. 1 Satz 2 StPO). Vor diesem Zeitpunkt kann das Gericht aber auf die von ihm geladenen Personen unabhängig von der Zustimmung weiterer Beteiligter verzichten.

[7] Die Vernehmung der Angeklagten zur Person nach § 243 Abs. 2 StPO dient in erster Linie der Feststellung der Identität, sowie der Klärung weiterer Prozessvoraussetzungen. Verweigern Angeklagte entsprechende Angaben, kann das Gericht die fehlenden Informationen im Wege des Freibeweises, etwa durch Würdigung des Akteninhalts, feststellen. Darüberhinausgehende Informationen über die persönlichen Verhältnisse, wie das Vorleben, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse, beruflicher Werdegang etc., gehören zur Vernehmung zur Sache und unterliegen dem Strengbeweis. Fehlende Angaben können insbesondere durch die Vernehmung von Verwandten als Zeug/innen in den Prozess eingeführt werden (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 243 Rn. 10 ff.).

[8] Nach § 52 Abs. 1 StPO steht den dort genannten Angehörigen (darunter Verlobten, Eheleuten, in gerader Linie Verwandten) von Beschuldigten ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zu.

[9] Anlage 1 zum Protokoll vom 1. Juli 1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Künzel.

[10] Deckblätter der Anlagen 2 und 4 zum Protokoll vom 1. Juli 1976 (zu Bl. 10194 bzw. 10195). Die Anlagen selbst sind nicht im Aktenbestand enthalten.

[11] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[12] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[13] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).


[a] Maschinell eingefügt: ich

[b] Maschinell eingefügt: jetzt

[c] Maschinell eingefügt: es

[d] Maschinell eingefügt: gestern

[e] Handschriftlich durchgestrichen: können

[f] Maschinell eingefügt: Diese Passage,

[g] Maschinell eingefügt: - in dieser Beziehung -

[h] Maschinell eingefügt: angerufen

[i] Maschinell eingefügt: und

[j] Maschinell eingefügt: dann

[k] Maschinell eingefügt: natürlich

[l] Maschinell ersetzt: ist.. durch bis