125. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 13. Juli 1976 um 9.02 Uhr



[10288] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 13. Juli 1976 um 9.02 Uhr.

(125. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. O. Sekr. Janetzko

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend:

Prof. Dr. Azzola, Rechtsanwälte Dr.[a] Hoffmann, Eggler, Künzel, Schnabel und Grigat.

Als Zeuge ist anwesend:

Gerhard Müller

- vorgeführt aus Untersuchungshaft -

mit Rechtsanwalt Huth.

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Die Verteidigung ist gewährleistet. Herr Rechtsanwalt Schwarz ist für den heutigen Vormittag entschuldigt, Herr Rechtsanwalt Künzel ist ab 10.40 Uhr für den Vormittag entschuldigt. Herr Rechtsanwalt Schlaegel wird sich etwas verspäten. Ich darf noch nachtragen, daß Herr Rechtsanwalt Schnabel für den vergangenen Donnerstagnachmittag entschuldigt gewesen ist.

RA Geulen erscheint um 9.03 Uhr im Sitzungssaal (als Vertreter von Rechtsanwalt Schily).

Vorgesehen ist für heute die Fortsetzung der Vernehmung des Herrn Zeugen Müller. Er ist anwesend mit seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt[2] Huth aus Bonn.

Herr Müller, wir sind bei der Vernehmung soweit vorgerückt, daß Sie uns schildern konnten, was Sie wissen über die Kontakte, über die innere Struktur der Gruppe, über Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen, schließlich dann auch die Durchführung von Sprengstoffanschlägen. Wir kommen jetzt zu der Zeit der Festnahmen. Darunter fällt ja auch Ihre eigene Festnahme, das steht ja objektiv fest. [10289] Das führt zunächst zu der Frage, hat man sich in der Gruppe irgendwelche Überlegungen gemacht, wie man sich für den Fall drohender Festnahmen verhalten solle?

Zeuge Mü[ller]:

Für Festnahmen da gab es Anweisungen zu schießen eben.

Vors.:

Anweisung zu schießen ...

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

... sagten Sie. Könnten Sie das etwas näher erläutern? Wie kam es dazu und wie war das im einzelnen gedacht und von wem gingen solche Anweisungen aus?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, wie das überhaupt anfing in der Gruppe, das kann ich nicht ... da kann ich nichts sagen. Also es war ... das war schon so, als ich dazukam und ...

Vors.:

Ich meine, das war, so sagen Sie, als Sie dazukamen. Sind Sie nun, wenn Sie dazukamen, über diesen Punkt gesondert unterrichtet worden oder haben Sie das beiläufig miterfahren, daß das die allgemeine Ansicht da ist oder wie kommen Sie zu diesen Erkenntnissen, daß so eine Anweisung bestanden haben soll.

Zeuge Mü[ller]:

Also ich habe ... ich habe nicht eine Anweisung von einer bestimmten Person bekommen, wie ich mich zu verhalten hätte, aber es war aus Gesprächen innerhalb der Gruppe eben ... oder es wurde in Gesprächen innerhalb der Gruppe eben eine bestimmte Politik in dieser Hinsicht verfolgt, das heißt, es wurde ... das Tragen von Waffen wurde idealisiert also daß ... wie soll man das sagen ... das ist der treffende Ausdruck eben, daß das Tragen von Waffen idealisiert wurde als eben einem[b] Guerillero entsprechend, wenn man das mal so sagen will und es wurden Schußwechsel, also die stattgefunden hatten, da wurden eben diejenigen, die entweder geschossen hatten, wurden eben gerühmt oder gelobt, wie man das nennen will, und ... oder wenn sie verletzt oder getötet worden waren, dann sind sie eben als Märtyrer hingestellt worden. Außerdem sind nachträglich alle Schußwechsel eben auch in Publikationen heroisiert worden und es gab in dieser Hinsicht dann auch eben Vorbilder. Also wenn ich ... naja als ein Beispiel, ich weiß eben zum Beispiel, der Grashof[3] stand da immer vorm Spiegel und hat dann immer das Ziehen geübt, außerdem wurden bestimmte Bücher ... ich sollte zum Beispiel auch bestimmte Bücher beschaffen also über ... Schießtechnik und solche Sachen.

Vors.:

Die Frage spitzt sich eigentlich deswegen etwas zu, weil Sie früher dazu mal ganz präzise sagten, es hätten ... so sollen Sie sich ausgedrückt haben, das ist Blatt 206 Ihrer Vernehmung, es [10290] hätte ein ganz konkreter Befehl bestanden[c], der auch von einem ... einer bestimmten Person verteilt worden sei innerhalb der Gruppe. Das, was Sie schildern, ist jetzt mehr allgemeiner Art, daß[d] Sie eben durch Gespräche, durch Schilderungen, durch Lob usw., das erteilt worden ist, in Kenntnis gesetzt worden seien. Können Sie heute noch bestätigen, daß es einen ganz konkreten Befehl oder Anweisung, wie man es auch bezeichnen will, gegeben hat, im Falle drohender Festnahme sich in einer bestimmten Weise zu verhalten und wenn ja, wie lautete dieser Befehl präzise und von wem stammte er?

Zeuge Mü[ller]:

Könnten Sie mir da nicht einen Vorhalt machen?

Vors.:

Sie sollen gesagt haben, daß Baader ganz konkret den Befehl gegeben habe, bei Festnahmeversuchen durch die Polizei zu schießen. Das ist enthalten in Ihrer Aussage Blatt 206. Ich meine, es ist selbstverständlich, wenn Sie bei dieser polizeilichen Aussage etwas geschildert haben, was Sie heute nicht mehr bei genauer Überprüfung vertreten können, daß Sie dann sagen müssen, so stimmt es nicht, und es notfalls korrigieren.

RA Dr. Heldmann erscheint um 9.08 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge Mü[ller]:

Nein, nein, das ist so richtig, also letztlich ging das ja alles von ihm aus.

Vors.:

Nur, Sie sprachen von einem konkreten Befehl, das müßte also so, wenn man es sprachlich richtig versteht, gelautet haben, daß er sich an Sie zum Beispiel gewendet hat, oder in Ihrem Beisein an andere Mitglieder, und gesagt hat, ihr habt bei der und der Situation zu schießen. Ist so was geschehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Können Sie das etwas näher schildern, wie das gewesen ist und wie das nun genau lautete?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich habe ja vorhin gesagt, daß also ... daß es ... wenn, das waren dann eben immer solche, wie soll man sagen, eben kleine Zusammenkünfte, wo über alles mögliche geredet wurde und dabei waren dann eben auch immer solche Sachen. Es war jetzt nicht so, daß es jetzt eine Riesenversammlung gegeben hätte in einer bestimmten Wohnung oder so mit Tafel und daß da eben jetzt angesetzt war Thema: „Verhalten bei Schußwechsel mit der Polizei“, sondern das war immer zwischen eingeflochten in Gesprächen innerhalb einer kleineren Gruppe, immer mit verschiedenen Leuten und deswegen ist mir das im Moment auch konkret nicht so eingefallen, was ich damals gesagt hatte, weil das immer unterschiedliche Leute waren, also weil [10291] auch die Zusammensetzung der Leute immer wechselte.

Vors.:

Darf man das dahin verstehen, daß Sie diese verschiedenen Gespräche in der Gruppe dahin verstanden haben, daß es der Wille und der Wunsch von Baader sei, daß im Falle einer drohenden Festnahme durch die Polizei geschossen werde oder von der Schußwaffe Gebrauch gemacht würde?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ging ja auch darum, daß - jetzt, wo Sie mir den Vorhalt gemacht haben, fällt mir das auch wieder besser ein - daß Baaders Taktik eben darauf abzielte, die Leute zu kriminalisieren, um sie eben in die Gruppe zu zwingen.

Vors.:

Das wäre also ein zweiter Effekt oder ging das ...

Zeuge Mü[ller]:

Das geht in eins.

Vors.:

Das geht in eines, daß er also gleichzeitig wohl die Wirkung der Befreiungsmöglichkeit erreicht wird, aber gleichzeitig auch dieser Zusammenhalt in der Gruppe dann auf diese Weise irgendwie verfestigt wird, ist das richtig?

Zeuge Mü[ller]:

Ja es zwingt ja; denn dadurch, daß er eben eine Schußwaffe führt der Einzelne, zwingt es ihn ja zu einem bestimmten Verhalten, weil ja die Haftbefehle und das, was in der Presse steht, das zielt ja immer darauf ab, also heißt es: Vorsicht, Schußwaffe oder Gewaltverbrecher und er ist da automatisch oder halbautomatisch oder wie man’s nennen will, in ein bestimmten Verhalten gezwungen, das heißt, es wurde natürlich das impliziert einerseits, daß er die Schußwaffe auch gebraucht und andererseits, daß er sich dadurch, durch das Führen in ... erstensmal ist es ja sowieso schon insofern eine Kriminalisierung, als es ja gegen bestimmte Gesetze verstößt eine Schußwaffe zu führen. Außerdem führt es ihn dann noch auf den Weg dazu, die auch, wenn er sie schon dabei hat, in dieser Situation eben, die dann zu gebrauchen.

Vors.:

Nun, wenn das so gewesen ist, hätte das ja nur dann Sinn, wenn gleichzeitig damit die Pflicht verbunden worden wäre, auch Waffen tatsächlich zu tragen. Das Idealisieren des Waffentragens, das ist ja noch keine Verpflichtung im Einzelfall zu tragen. Bestand eine Anweisung, daß jeder, jedes Gruppenmitglied die Waffe trägt, eine Waffe trägt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

War das Anweisung oder ergab sich das aus den gesamten Gebräuchen?

Zeuge Mü[ller]:

Naja, es ist ein bißchen deswegen mißverständlich, weil man [10292] nicht so sagen kann, das war nicht wie beim Militär, wo es eben Tagesbefehle oder so gab, sondern es hatte oft eine legerere Form und das hatte auch möglicherweise für verschiedene Leute unterschiedliche Bedeutung. Für mich waren zum Beispiel eine solche Sache eine Anweisung.

Vors.:

Ist über diese Punkte irgendwie dann in der Gruppe diskutiert worden oder blieb es da bei einer einseitigen Äußerung seitens Baaders?

Zeuge Mü[ller]:

Diskutiert in der Form, ob jetzt gemeinsam von allen besprochen worden ist oder eben in einer Diskussion geklärt worden ist, daß dies so zu sein habe, so war das nicht, insofern war das eben eine Anweisung, die eben Baader auch in den Gesprächen mit den Einzelnen und ... die anderen eben durchzusetzen versuchten und auch durchgesetzt haben.

Vors.:

Kann man sagen, daß jedenfalls dieser Wunsch von Baader oder diese Anweisung von den anderen, die bei den Gesprächen beteiligt waren, akzeptiert wurden oder gab es da Widerspruch?

Zeuge Mü[ller]:

Ja von allen.

Vors.:

Bitte?

Zeuge Mü[ller]:

Von allen.

Vors.:

„Von allen“ was, akzeptiert oder Widerspruch?

Zeuge Mü[ller]:

Ja es hat dann, es hat letztlich jeder, der dort war hat eine Waffe getragen und er mußte sie auch tragen, weil so ... wenn ich jetzt ein konkretes Beispiel bringen wollte, also mir hat das Ding nie richtig behagt und ich habe mir oft überlegt, ob ich nicht ohne damit herum gehen könnte, aber dann tauchte immer prompt die Frage auf, wie rechtfertige ich es eben gegenüber zum Beispiel Baader oder auch Ensslin oder sonst welchen Leuten.

Vors.:

Man kann also davon ausgehen, daß sich die anderen diesem Wunsch oder dieser Anweisung gefügt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Nun zur Festnahme ist es gekommen, wie wir schon durch die Beweisaufnahme wissen. Dies[e] sind auch sonst bekannte Daten: Am 1.6. wurde Baader, Meins[4], Raspe verhaftet.[5] Es folgte am 7.6. dann Frau Ensslin[6] und ist es richtig, daß Sie dann die letzten Tage bis zu Ihrer Verhaftung mit Frau Meinhof[7] zusammen gewesen sind?

Zeuge Mü[ller]:

Die letzten Tage, das ist richtig, aber nach der Verhaftung von Andreas Baader und Meins und Raspe, da war ich zuerst mit Gudrun Ensslin zusammen und ich hatte da so die Funktion als einen Laufburschen und Kurier für sie zu spielen, weil sie nicht [10293] auf die Straße wollte. Und danach ist sie erst nach Hamburg zu Ulrike Meinhof gefahren und ich bin später, also wenige Tage später auch nach Hamburg gefahren.

Vors.:

So daß Sie die Tage unmittelbar vor Ihrer Festnahme in der Tat mit Frau Meinhof zusammen gewesen sind?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Zu diesem Zeitpunkt war Frau Ensslin bereits verhaftet, ist das richtig?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich war am Tage der Verhaftung von Gudrun Ensslin in Ulm und bin am nächsten Tag oder am übernächsten Tag dann nach Hamburg gefahren zu Ulrike Meinhof.

Vors.:

Haben Sie in der Zeit zwischen der Verhaftung der jetzt genannten Baader, Meins, Raspe, Ensslin und Ihrer eigenen, zusammen mit Frau Meinhof, irgendwelche Nachrichten aus ... von diesen Verhafteten bekommen, sei es mündlich oder schriftlich oder waren Sie dabei, wie solche Nachrichten übergeben worden sind?

Zeuge Mü[ller]:

Ja es gab einen Brief von Gudrun Ensslin an Ulrike Meinhof, der vom „kleinen Dicken“[f] in der Nähe einer Wohnung in Hamburg übergeben wurde, und zwar handelt es sich bei dieser Wohnung um die Wohnung einer Frau Marquard in der Allerskehre. Soweit ich noch im Kopf hatte, hatte ich auf dem Stadtplan als Übergabeort glaube ich, Richeilstraße rausgesucht, das ist aber eine ... nach dem Stadtplan geschehen, das möchte ich hier nochmal sagen.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 116

übergeben mit der Bitte zu erklären, ob er es schon einmal in Händen gehabt oder gesehen habe.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist das Ding.

Vors.:

Das ist dieses Schreiben, das damals gekommen ist?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Dieses Asservat ist bereits verlesen und allseits in Augenschein genommen worden.

Nun zunächst, wer hat dieses Schreiben überbracht?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das wurde vom, also vom „kleinen Dicken“ übergeben, also dem Wilfried Böse.[8]

Vors.:

Sie setzen ihn heute schon gleich mit Wilfried Böse, jedenfalls, [10294] wie kommen Sie zu der Erkenntnis nochmals?

Zeuge Mü[ller]:

Aufgrund einer Lichtbildvorlage.

Vors.:

Können Sie ganz kurz andeuten, aber nur in kurzen Zügen, ob Sie den Wilfried Böse oder den „kleinen Dicken“, bleiben wir lieber bei diesem Namen, ob Sie ihn persönlich schon zuvor kennen gelernt haben und welche Funktion er gehabt hat. Nur ganz kurze Schilderung!

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe ihn schon einige Wochen vorher kennen gelernt gehabt und er hatte hauptsächlich die Funktion, er war also, nach den Verhaftungen war er Kurier, vorher hat er zum Beispiel eben Sachen besorgt für die RAF, also Waffen, und hat auch andere Unterstützungshandlungen begangen.

Vors.:

Ist es richtig, daß Sie zusammen mit ihm mal eine Verlagerungsaktion gemacht haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, mit ihm zusammen habe ich eine Wohnung in Heusenstamm geräumt.

Vors.:

Das ist die schonmal angedeutete Wohnung da bei Frankfurt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es ist ... naja, es ist eigentlich in der Nähe von Offenbach, es ist so ein kleines Dorf in der Nähe von Offenbach.

Vors.:

Und was für Materialien waren das, wohin sind sie gebracht worden?

Zeuge Mü[ller]:

Ach so, ja, es handelte sich also um Material, was sich in dieser Wohnung befand, es war, soweit ich mich jetzt erinnere, handelte es sich dabei um eine ... naja, zwischen fünf - 10 Reisetaschen und um eine kleine Truhe, in der kleinen Truhe befanden sich eben Schriften der RAF. Es handelte sich um Kleidungsstücke, um ... und um Sachen die zur Wohnung eben gehörten, die man braucht und die man mitnehmen konnte. Es handelte sich um Munition, um fertiggestellte Wecker und Kurzzeituhren, Werkzeuge eventuell, also mehr fällt mir im Moment nicht ein.

Vors.:

Von Handgranaten, war da irgendwas vorhanden, was auch verlagert werden mußte?

Zeuge Mü[ller]:

Sicher waren da auch Handgranaten dabei, weil da lag, sowas lag auch in der Wohnung rum.

Vors.:

Und wohin ist das gebracht worden?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist letztlich von mir und Gudrun Ensslin nach ... in eine Wohnung in Bad-Homburg gebracht worden.

Vors.:

In Bad-Homburg. Sie erwähnen Frau Ensslin, folglich muß es vor deren Verhaftung gewesen sein. Können Sie’s rückwärts nun dadurch eingrenzen, daß Sie etwa sich darauf besinnen, ob das nach der [10295] Verhaftung von Baader, Meins und Raspe gewesen ist?

Zeuge Mü[ller]:

Ja sicher, es war eben zwischen der Verhaftung von den dreien und der Verhaftung von Gudrun Ensslin.

Vors.:

Das wäre also dann zwischen dem zweiten und sechsten Juni 72 gewesen, denn am 1. Juni sind die drei verhaftet worden, natürlich, am 1. könnte es auch noch gewesen sein, und am 7. wurde Frau Ensslin verhaftet.

Das war also das, was Sie von der Tätigkeit des „kleinen Dicken“ wissen und er hat das Schreiben überbracht. Wie hat er sich mit Ihnen treffen können, wie ist die Verständigung zustande gekommen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das waren hauptsächlich immer Treffs zwischen Ulrike Meinhof und ihm, bei dem ich eben immer dabei war, weil sie da eine Begleitung haben wollte.

Vors.:

Kann man davon ausgehen, daß diese Treffs schon vorher routinemäßig festgelegt waren oder sind die von Fall zu Fall vereinbart worden?

Zeuge Mü[ller]:

Die sind von ... also es gab nicht einen Plan jetzt schon Wochen vorher, da und da genau Treffs zu machen, sondern, soweit ich darüber weiß, sind die von Fall zu Fall vereinbart worden.

Vors.:

Können Sie uns nun sagen, was dieser „kleine Dicke“ über die Herkunft dieses Schreibens Ihnen erklärt hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich kann nur sagen, was ich darüber gehört habe eben, also daß es erstens mal, daß er das nicht direkt jetzt von der Stadt, wo Gudrun Ensslin saß, gebracht hat, sondern über Berlin gebracht hatte, und daß es von einem Anwalt stammt, daß es auch dort in einem Büro oder vom Anwalt selbst ... wie nennt man das gleich, umgeschrieben worden sei, also von Handschrift in Schreibmaschine Ja, Namen hat er mir nicht genannt, das war nur also bei ... es hat sich dann auch bei späteren Gesprächen ergeben mit Ströbele oder so, es wurde eben immer stillschweigend von Herrn Schily ausgegangen,[9] daß es zumindest über ihn, beziehungsweise sein Büro gelaufen ist.

Vors.:

Haben Sie, weil Sie gerade sagen, es wurde stillschweigend davon ausgegangen, daß es über diesen Anwalt gelaufen ist, irgendwelche bestimmten Anhaltspunkte, daß das zutreffen könnte?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also ich hab, wenn in diesem Zusammenhang, ich habe da in der Untersuchungshaftanstalt in Bonn ein Gespräch mit Herrn Ströbele gehabt und wir hatten uns überlegt oder wir sprachen auch über den Fall und darum ging es unter anderem, Entlastungsgründe eben für Herrn Schily zu finden, zum Beispiel die Sache mit dem [10296] Fernrohr und so, das war so eine Entlastungsargumentation, große Schrift und Fernrohr und daß man das könne.

Vors.:

Ja, daß man es eben von außen ...

Zeuge Mü[ller]:

... von einem Gebäude aus und daß da eben eine große Schrift rausgehalten wird, die man dann mit dem Fernrohr ablesen könnte.

Vors.:

Weil Sie nun sagten, das sei so aus Gesprächen hervorgegangen: Ist damals ausdrücklich in dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt Ströbele der Name Schily gefallen, daß es darum ginge, für ihn Entlastungsgründe zu finden, oder einfach für einen Anwalt und Sie haben wieder stillschweigend unterstellt, daß es sich um Schily handelt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also es gab eine Übereinstimmung, also der Name Schily ist explizit nicht gefallen. Aber es gab bei diesem Gespräch ... es hätte doch dann Mißverständnisse geben müssen, wenn von zwei verschiedenen Personen ausgegangen wären. Es hat aber übereingestimmt.

Vors.:

So wird man’s nicht ausdrücken können und wir brauchen das nicht allzu sehr zu vertiefen. Also Sie sagen jedenfalls, der Name ausdrücklich wurde jedenfalls nicht ausgesprochen.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Haben Sie sonstige Anhaltspunkte gewonnen, daß diese stillschweigende Annahme, daß das der Weg des Kassibers gewesen sei, zutreffen könnte oder gibt es keine weiteren?

Zeuge Mü[ller]:

Da muß ich mal überlegen ... ja also, im Moment fällt mir nichts mehr ein, bloß noch was außer der Reihe. Es hat ja damals so eine kleine Kampagne zur Unterstützung von Herrn Schily, also so pressemäßig und auch im Hungerstreit und solche Sachen, und das war ja auch mit ein Grund, also da ist es ja auch darum gegangen, eben mit so viel Möglichkeiten, die eben zu finden waren, Herrn Schily Schutz zu geben gegenüber den Angriffen, denen er ausgesetzt war.

Vors.:

Wollen Sie damit sagen, daß diese Kampagne aus der Gruppe heraus veranlaßt worden sei?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es haben ja Gefangene gehungert.

Vors.:

Sind das Leute gewesen, die irgendwie in Verbindung standen mit der Gruppe, haben Sie darüber genauere Erkenntnisse?

Zeuge Mü[ller]:

Ja sicher, das waren Leute ... oder die meisten davon hatten eben solche linken Anwälte und das war ja zu der Zeit, das war ja auch in der Presse eine große Sache, es war ja mehr oder weniger allgemeines Gesprächsthema eben bei solchen Gefangenen.

[10297] Vors.:

Nun könnte so eine Kampagne natürlich dazu dienen, einen Unschuldigen zu schützen, das ist ja kein Hinweis darauf, daß er schuldig sein müsse.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ja, das ist richtig, aber davon ist niemand ausgegangen.

Vors.:

Soweit Sie wissen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Nun, dieser Kassiber - Sie haben ihn vor sich liegen, so wird er ja allgemein bezeichnet, er ist wohl auch ein echter Kassiber, wenn er aus der Zelle herausgekommen sein sollte - ist ziemlich verklausuliert. Wir wollen nun mit Ihnen diesen Text durchgehen und Sie bitten, daß Sie von sich aus insbesondere uns die Namen benennen. Wenn zum Beispiel hier von „Liesel“, „Sack“, „Hut“ usw. die Rede ist, angeben, um was es sich dabei handelt, so daß der Sinn klar wird. Im allgemeinen haben - Sie haben ja dieselbe Aufgabe schon mal bei Ihrer polizeilichen Vernehmung vollzogen - Sie ganz vernünftigerweise darauf hingewiesen, das und jenes ergibt sich sinngemäß aus dem Text, da brauche ich nichts dazu sagen. Wenn wir also hier mal beginnen würden mit diesem einleitenden Satz: „Liesel Sack Hut = Befehl, mach die Presse zu und bleib im Loch“.

Zeuge Mü[ller]:

Das ist eine Anweisung an Ulrike Meinhof in eine Wohnung zu gehen, die Sack genannt wurde von der RAF und die eben die Wohnung war, die ich jetzt gerade vorher schon mal erwähnt hab, die Wohnung in Heusenstamm.

Vors.:

Heusenstamm. Also „Sack“ gleich Wohnung Heusenstamm, Liesel Decknamen für ...

Zeuge Mü[ller]:

Ulrike Meinhof.

Vors.:

... Frau Meinhof.

Zeuge Mü[ller]:

Weiter beinhaltet die folgende Zeile eben, daß sie sich zur Tarnung einen Hut aufsetzen solle, das wäre ein Befehl und sie solle Mund halten und sich in der Wohnung aufhalten.

Vors.: „Ha + Ga - Faß.“

Zeuge Mü[ller]:

„Ha“ das heißt „Hardy“ und „Ga“ heißt „Gabi“, das heißt ich und Irmgard Möller[10] sollten in die Wohnung „Faß“ gehen. Die Wohnung „Faß“ ist in Offenbach; es handelt sich um die Wohnung Schloßstraße.

Vors.:

Wir sind jetzt bei dem „Ha“. Sie benennen das als Ihren Decknamen, übersetzen das mit „Hardy“ könnte es auch sein, daß Sie den Decknamen „Harry“ getragen haben?

Zeuge Mü[ller]:

„Hardy“.

[10298] Vors.:

Gab es in der Gruppe irgendjemand, der den Namen „Harry“ getragen hat?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich wüßte nicht.

Vors.:

Könnte es nicht sein, daß Sie zumindest vielleicht durch eine Abschleifung der Ausdrücke gelegentlich auch der „Harry“ waren und nicht der „Hardy“?

Zeuge Mü[ller]:

Also für mich wurde der Name „Hardy“ gebraucht und ob jetzt ... es besteht die Möglichkeit, daß es jemand am Rande war oder ein Sympathisant, aber ich habe ihn dann nicht gekannt.

Vors.:

Sie selbst kennen also niemand in der Gruppe unter dem ja auch für Verwechslungen ohne weiteres dann zugänglichen Decknamen „Harry“?

Zeuge Mü[ller]:

Nee.

Vors.:

Bitte, wenn wir jetzt fortfahren, die nächste Zeile „EL + Garten, anderer Job später“.

Zeuge Mü[ller]:

EL das heißt „Elsa“, und sie solle in eine Wohnung gehen, die hier mit dem Namen „Garten“ bezeichnet ist. Sie würde andere Jobs später bekommen. Bei der Wohnung „Garten“ ... ja da weiß ich ... ich weiß nicht, um welche Wohnung es sich da handelt, aber das muß eine Wohnung sein, die ich nicht kenne oder die ziemlich neu war oder so.

Vors.:

Und wer ist „Elsa“?

Zeuge Mü[ller]:

Bei „Elsa“ handelt es sich wieder auf Grund einer Lichtbildvorlage um Frau Mordhorst.[11]

Vors.:

Jetzt die nächste Zeile „3 in Teich 14 Tage zusammenkommen“.

Zeuge Mü[ller]:

Es ging darum, daß die ... da befanden sich ... es befanden sich eben RAF-Mitglieder im „Teich“, das heißt in Berlin, Teich ist so eine allgemeine Bezeichnung gewesen für Berlin, die sollten ... mit denen sollte man ... oder die sollten in 14 Tagen zusammenkommen, und dann gibt sie in einer Klammer eine Anweisung, wie der Kontakt zu diesen Leuten, zu diesen RAF-Mitgliedern in Berlin, laufen könnte, das heißt über „Bruder“ an „Toele“. Bei „Toele“ handelte es sich um Angela Luther.[12] Bei dem „Bruder“ handelt es sich um einen Sympathisanten. Also es heißt, daß man über diesen Sympathisanten an Angela Luther rankäme, Keramik-Laden, also bei „KER-Laden“ da handelt es sich um einen Keramik-Laden. Gabi, also Irmgard Möller, würde den kennen. Über den „Bruder“ gäbe es auch einen Kontakt zum „Kleinen Dicken“, einen neuen Kontakt zum „Kleinen Dicken“, und ich unterstelle hier, daß sie ... nicht[g] wußte, daß [10299] wir laufend mit dem „kleinen Dicken“ Kontakt hatten.

Vors.:

Das ist wieder derselbe Sympathisant, der „Bruder“ hier, der kann also sowohl nach Berlin „Toele“ gehen, als auch zum[h] „Kleinen Dicken“; so war es wohl gemeint?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, über den kann Kontakt nach Berlin an Angela Luther und auch Kontakt zum „kleinen Dicken“ herstellen.

Vors.:

„Mac hat seine Ferien, 4 Wochen, dort zu verbringen. Date mit Gas. Kleinem“ - oder Date, ich weiß nicht wie das damals ausgesprochen wurde, bei Ihnen wahrscheinlich Date - „soll sich jetzt entscheiden; ebenso oder Ehemann.“

Zeuge Mü[ller]:

Es handelt sich hierbei um eine Anweisung für die Wohnung in Bad-Homburg. „Mac“ ist der Anmieter dieser Wohnung und hier auch wieder nach einer Lichtbildvorlage handelt es dabei um einen Herrn Henning. Es ist die Anweisung eben, daß dieser Herr Henning seine Ferien in dieser Wohnung zu verbringen hätte. Dann solle ein Treff mit „Gabis Kleinem“ stattfinden, ja und bei „Gabis Kleinem“ handelt es sich um den Tübinger Drucker, das heißt um einen Herrn Konieczny,[13] er solle sich jetzt entscheiden, ebenso der Ehemann, also das entscheiden, das heißt, ob sie jetzt eben zur Gruppe stoßen würden.

Vors.:

Und der Ehemann?

Zeuge Mü[ller]:

Bei dem Ehemann handelt es sich um den Ehemann von der Frau ... also dem Herrn Bornheim.

Vors.:

Dann die nächste Zeile: „Laube räumen 2 Phasen: Wichtiges wie gehabt (Sack) in die Mühle.“

Zeuge Mü[ller]:

Ja, hierbei handelt es sich um eine Anweisung in Beziehung auf die Wohnung Laube. Die Laube, das war der Deckname für die Wohnung in der Inheidener Straße. Sie gibt an, daß die Wohnung in zwei Phasen zu räumen sei, das Wichtige „wie gehabt (Sack) in die Mühle“ ... „wie gehabt“ ... ach so, Wichtiges wie gehabt, das heißt wahrscheinlich, daß sie eben Bezug nimmt hier auf die Räumung der Wohnung in Heusenstamm und die Mühle ist, glaube ich, der Deckname oder offensichtlich der Deckname für diese Wohnung in Bad-Homburg, „nur statt Mieter Mitte oder Hof-Tante; kl. Dicker“. Das heißt beim Räumen sollte das eben nicht der Mieter ... sollte da [i] nicht entweder[j] räumen oder bei der Räumung anwesend sein oder diese unterstützen, sondern eben die „Mitte“ oder „Hof-Tante“ oder „kleiner Dicker“. Bei den drei Personen handelt es sich auch wieder um

Rechtsanwalt Schlaegel erscheint um 9.33 Uhr im Sitzungssaal.

[10300] Sympathisanten. Die „Mitte“, diesen Sympathisanten kenne ich persönlich, ich konnte ihn aber bisher nicht identifizieren. Bei der „Hof-Tante“ handelt es sich um eine Renate Asmuss die auch eine Wohnung angemietet hat, die den Decknamen „Hof“ trägt, daher der Name „Hof-Tante“ und der „Kleine Dicke“ ...

Vors.:

Welche Wohnung war das ...?

Zeuge Mü[ller]:

Diese Wohnung befand sich in der Bergerstraße in Frankfurt.

Vors.:

Den[k] „Kleine Dicken“ haben wir schon.

Zeuge Mü[ller]:

Die 2. Phase besagt, daß die „Mitte“ eine Reinigungsfirma beauftragen soll, also um diese Wohnung reinigen zu lassen, daß aber das Vorreinigen und das Reinigen der Vorhänge selbst geschehen sollte, also nicht durch diese Reinigungsfirma gemacht werden sollte. Die „Laube“ muß aufgegeben werden, sie hat das nochmal unterstrichen, eben weil ... um eben die darin befindlichen Beweismittel beiseite zu schaffen oder zu vernichten.

Vors.:

Also das scheint die Dringlichkeit anzudeuten.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Und das was Sie jetzt sagten, das lesen Sie heraus aus dem Text: „Sie suchen nach Anhaltspunkten in unseren Klamotten, Uhren, Schuhen, etc.“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Ja das war dieser Abschnitt, jetzt kommt 2. „Bunkerschlüssel bei mir gehabt“ ... ach so, ja, „2. Bunkerschlussel bei mir gehabt“, was ist damit gemeint?

Zeuge Mü[ller]:

Moment mal ...

Vors.:

Also dieser ganze Abschnitt bis unten zu dem Wort „mehr“.

Zeuge Mü[ller]:

Ich kann im Moment nicht sagen, ob sie jetzt damit einen 2. Bunkerschlüssel meint oder überhaupt als Punkt 2 ...

Vors.:

„Bunkerschlüssel“, was ist das?

Zeuge Mü[ller]:

„Bunkerschlüssel“ ist ein Schlüssel für eine Wohnung in Hamburg, dabei handelt es sich um eine Wohnung in der Paulinenallee oder Paulinenstraße und die hatte eben den Decknamen „Bunker“. Sie gibt hier wieder Anweisungen, wie die Wohnung zu handhaben sei. Sie meint, Bunker solle man hochgehen lassen, also daß er eben von der Polizei aufgedeckt wird. Sie hatte ein Schlüsseletui auf eine weiße Kommode in dieser Wohnung gelegt. Diese weiße Kommode befand sich, glaube ich, im Flur. Der durchbohrte Schlüssel in diesem Schlüsseletui gehörte entweder zur Wohnung „Halle“, das ist eine Wohnung zwischen Wiesenstraße und Reichenstraße auch in Hamburg, [10301] das ist ganz dort in der Nähe, oder es sei eben ein dritter Bunkerschlüssel. Als Alternative sagt sie, man könnte auch mit der Anmieterin der Wohnung „Bunker“, also „Bunker-Tante“, und Schließnotdienst die Wohnung öffnen lassen und ein neues Schloß anbringen lassen, aber sie begründet nochmal, warum das Auffliegenlassen eine Funktion hatte, weil angeblich der Taxi-Fahrer, mit dem sie in die Nähe der Wohnung gefahren wäre, sie erkannt hätte und da solle auch keiner mehr hingehen. Dann sollen alle Garagen aufgegeben ...

Vors.:

Nein, wir wollen geschwind jetzt noch, Herr Müller: wer ist die „Bunkertante“, ist Ihnen das bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Soweit ich weiß, handelt es sich dabei um eine Frau Marzahn.

Vors.:

Jetzt kommt der nächste Abschnitt: „Alle Garagen aufgeben, bis auf Spaghetti das Arschloch muß noch 3 Monate warten“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, sie gibt weiter Anweisungen, alle Garagen aufzugeben, bei „Spaghetti“ handelt es sich um den Anmieter einer Doppelgarage in dem Garagenkomplex in der Ginheimer Landstraße in Frankfurt. „Spaghetti“, sie sagt damit, daß er mit dem Aufgeben dieser Garagen noch drei Monate warten solle. Mit der Anmietung neuer Garagen schlägt sie vor, also Gudrun Ensslin, solle noch zwei bis vier Wochen gewartet werden um eben diese Wahnsinnswelle, die damals in der Presse war, abklingen zu lassen. Das andere ist ja ersichtlich.

Vors.:

Ja. Nächster Abschnitt ... das heißt noch „Spaghetti“, könnten Sie zur Person irgend etwas sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Zur Person „Spaghetti“ kann ich nichts sagen, zu dieser Person hat hauptsächlich Raspe Kontakt gehalten, oder ich weiß, daß Raspe zu ihm Kontakt gehalten hat. Um wen es sich dabei handelt, das weiß ich nicht, ich habe mit dem nie was zu tun gehabt.

Vors.:

„Ein 2. Zelt in d. Stadt vom Faß nehmen, muß geeignet sein für Toele + Gü; Eo zu Lie; Willi checken und entw. lösen wie ...“ also abgekürzt „lösen wie Ol. od. muß sein, er geht; Ol auf jeden Fall sofort in Angriff nehmen wie besprochen.“ Was heißt das?

Zeuge Mü[ller]:

Hier handelt es sich um die Anweisung eine zweite Wohnung in Offenbach zu nehmen, das ergibt sich aus der Bezeichnung „Stadt vom Faß“, das heißt, es gab dort bereits eine Wohnung, die „Faß“ hieß und somit bezieht sich das auf eben Offenbach. Diese Wohnung solle geeignet sein für „Toele“ gleich Angela Luther und „Günter“. [10302] „Günter“ ist der Deckname für Klaus Jünschke.[14] Also die beiden sollten zusammen in diese Wohnung gehen. „Lolo“, dabei handelt es sich um Ilse Stachowiak,[15] solle zu „Liesel“ ziehen „Willi“,dabei handelt es sich um Augustin,[16] er hatte auch den Namen „Hippie“, solle gecheckt werden, also abgeklärt werden und entweder gelöst werden wie Ol, das heißt „Olav“, Olav ist der Deckname für Siegfried Hausner,[17] also solle gelöst werden wie Siegfried Hausner „oder muß sein, er geht“, also daß er sich von den Leuten trennt. Der nächste Satz heißt dann eben: „Olaf auf jeden Fall sofort in Angriff nehmen wie besprochen“. Und hier war besprochen worden, daß eben Siegfried Hausner entweder abgeschoben wird ins Ausland oder daß er eben liquidiert wird, also erschossen wird.

Vors.:

Aus welchen Gründen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja weil er nicht geeignet war für ...

Vors.:

Frage der Eignung oder Zuverlässigkeit, was war damit gemeint?

Zeuge Mü[ller]:

Ja es ist implizit alles.

Vors.:

Und zwischen wem ist das besprochen worden?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich habe auch mal einen Auftrag gekriegt, mit Hausner zu reden, ja ich weiß, daß das zumindest beredet worden ist zwischen Ensslin und Meinhof. Das hat sich aber schon vorher angebahnt, weil zum Beispiel Hausner ja von Frankfurt weggeschickt wurde nach Hamburg zu Meinhof hoch, das war so eine Abstelllage schon mal ...

Vors.:

Würde das bedeuten, daß diese Überlegung erst nach der Verhaftung der drei Männer zustande gekommen ist?

Zeuge Mü[ller]:

Soweit ich mich erinnere, ja.

Vors.:

Jetzt geht es weiter.

Zeuge Mü[ller]:

Ja hier muß dann noch vielleicht gesagt werden, also daß es damals eben nicht ging, Siegfried Hausner ins Ausland abzuschieben, weil es gab keine Kontakte und das was hier angewiesen worden ist, das ist deswegen nur nicht ausgeführt worden, weil eben der Fahndungsdruck und die Situation, in der sich die Leute befanden, und die kurz folgenden Verhaftungen, die haben das verhindert. Also es war eine ... nicht eine Art Drohung, die[l] jetzt gegen andere und auch gegen Hausner gerichtet war, sondern das war eine ernsthaft besprochene Sache, die auch in Angriff genommen werden sollte.

Vors.:

Nächster Abschnitt: „Ha: noch 2“ und dann kommt dieser angedeutete Stern, „davon 1 Mal Amerika (möglichst!) und 1 Mal wie besprochen und wäre sinnvoll in Liesels Stadt: aber erst weg, sofort; vom Fass aus ebenso zu machen, reicht auch in 4 Wochen.“

[10303] Zeuge Mü[ller]:

Bei Ha, also „Hardy“, handelt es sich wieder um mich. Das ist eine Anweisung, zwei Bombenanschläge, also dieses Sternchen oder diese fünf Striche, das ist ein Symbol für ein Bombenattentat, durchzuführen, davon einen gegen eine amerikanische Einrichtung und eine gegen - einmal wie besprochen, das wär sinnvoll in Liesels Stadt - gegen die Polizei in Hamburg, „Liesels Stadt“ ist eine Bezeichnung für Hamburg, weil Ulrike Meinhof zumindestens eben ... da wurde immer der Ausdruck gebraucht „Liesels Stadt“, das war eben Hamburg oder „Liesels Zeitung“ das war eben „Konkret“, die alte „Konkret“.[18]

Vors.:

Wann ist das besprochen worden und wer war daran beteiligt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich weiß also von der ... ich weiß eben davon es ist besprochen worden. Also auch wieder nach der Verhaftung von den Dreien und zwar, soweit ich mich erinnere, zwischen Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Ich habe die Einzelheiten von der Ulrike Meinhof erfahren dazu. Es war ja auch so, daß der Kassiber an sie ging und daß ich ihn dann von ihr zum Lesen kriegte, um auch unter anderem zu einzelnen Punkten Stellung zu nehmen.

Dann sagt sie weiter, zuerst solle man aber aus Hamburg weggehen und zwar sofort, die Sache wäre vom „Faß“, also von der Wohnung in Offenbach genau so zu machen, das würde auch in 4 Wochen reichen. Dann ist es hier der folgende Satz, der kann sich sowohl auf die Zeit beziehen, also daß man das noch später machen sollte, oder er kann sich auch darauf beziehen, daß man es nicht machen sollte, also entweder eine ganze Zurücknahme dieses Befehls oder eben die Zeit noch mehr verstreichen zu lassen. Dann beschreibt sie ihre Überführung.

Vors.:

Das ist nun der nächste Absatz. „1 Satz der Godesberger Schweine“ usw. bis zu dem „lieber den beschissenen Ernst“, [m] das scheint sich ja auf die Überführung nach ihrer Festnahme zu beziehen. Können Sie mit diesem Text irgendwas besonderes anfangen?

Zeuge Mü[ller]:

Ach so ja, hier ist ja noch was ...

Vors.:

Soweit Namen und so weiter drin sind, die könnten Sie uns erläutern.

Zeuge Mü[ller]:

Also sie überlegt, mit „H“ ist Hamburg gemeint, wieso die Sicherungsgruppe[19] ausgerechnet in Hamburg wäre, ob vielleicht Toele also Angela Luther dafür verantwortlich wäre. Ensslin hätte in der Zeitung gelesen, Angela Luther sei definitiv in Hamburg gesehen worden. Also sie überlegt, ob, eben weil die Luther in Hamburg gesehen worden sei, die Sicherungsgruppe oder ein Teil der [10304] Sicherungsgruppe in Hamburg sich aufhalten würde. Marlies, bei „Marlies“, das ist eine Sympathisantin, da handelt es sich um Frau Marquard, sie soll ... diese drei Striche, das heißt so, wie ich sehe, also Dreieck, Marlies soll also das Dreieck wohl versorgen, das ist eine Wohnung und zwar handelt es sich dabei um die Ohlsdorfer Straße in Hamburg. Dabei solle man sich aber klar sein, wenn die Marquard verhaftet werden würde, daß sie reden würde, und deshalb solle man vielleicht lieber den „beschissenen Ernst“ nehmen. Bei Ernst handelt es sich auch wieder um einen Sympathisanten und zwar Herrn Secken- oder Senkendorf.

Vors.:

Der nächste Satz: „L’s Stadt ist auch nicht viel oder, klar,“ runter bis „Hardy weiß schon“, gibt es da irgend etwas, was Sie uns erläutern können.

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Also sie versucht da offensichtlich Ulrike Meinhof also die ... Süddeutschland schmackhaft zu machen und sie argumentiert damit, daß es da eben noch Wohnungen gäbe und auch bessere Wohnungen eben zur Benutzung. Jetzt sagt sie eben nochmal, wie der Kontakt zum „kleinen Dicken“ geht, also der einfache Kontakt zum „kleinen Dicken“ würde über die „Hof-Tante“ gehen. Da müßte man eben jemand zur „Hof-Tante“ schicken, zum Beispiel die „Mitte“, also diesen Sympathisanten, der „Mitte“ heißt, mit einer Deckgeschichte, also einer Cover, mit einer Ausrede falls er da in eine Observation oder in eine Festnahme rein ... also wenn er da festgenommen wird. Sie glaubt es aber nicht, weil er dann schon früher verhaftet ... oder weil es dann schon früher schiefgegangen wäre. „Elsa“, also Frau Mordhorst, solle vielleicht als Verlobte von „Mac“, also Herrn Henning, aufgebaut werden.

Ende von Band 594.

[10305] Zeuge Mü[ller]:

Ja, und dann „Pfaffenschwein“, dabei kann es sich um zwei Leute handeln. Entweder um den Pfarrer oder Vikar Burkhardt oder um den Pfarrer Kaiser. Weiter überlegt sie, ob die „Mühle“, also die Wohnung in Bad Homburg nicht als ein Depot benutzt werden soll. Also Depot zum Beispiel für Waffen, Munition oder Sprengstoff oder Pässe oder solche Sachen. Es hat eben zu der Zeit damals angefangen, daß man für solche Sachen immer bestimmte Depots angelegt hat, damit da eine Trennung bestand zwischen Wohnung, die man benutzt hat, und den Sachen, die gelagert worden waren. Also Mac soll da Politik machen da. Das heißt, daß er sich in der Wohnung dort aufhalten sollte, dort sich als den Nachbarn und dem Hausmeister als Mieter präsentieren sollte und eben so ganz normal bürgerlich, am Arm eine Tante und Blumen und Samstag/Sonntags ein bißchen gut angezogen und so weiter. Also es betrifft hier diese Wohnung, wie sie behandelt werden soll, wenn man das mal so ausdrücken darf. Ja und sie sagt dann eben, also daß ich, „Hardy weiß schon“, das heißt, daß ich da in Bezug auf diese Wohnung Bescheid wissen würde. Und jetzt ...

RA. Geulen verläßt um 9.49 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Jetzt kommt der nächste Satz:

„Liesel, die Hauptfehlerquelle kann jetzt nur sein, daß ihr den Druck, als RAF da zu sein, nicht auflöst ...“

bis runter zu „kontrollieren“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist so eine moralisch-politische Anweisung, wenn man so will. Das wird damit argumentiert, daß die RAF eben was Bestimmtes und was Elitäres darstellt und daß sich eben die Leute, die jetzt noch verblieben sind, nach der Verhaftungswelle, eben gezwungen sehen würden, dies unter Beweis zu stellen. Also sie will damit sagen, daß [10306] eben die Meinhof jetzt nicht irgendwelche verrückten Aktionen starten soll, um zu beweisen, daß es die RAF noch gibt und daß sie es mit ihrem alten Niveau noch gibt, sondern sie rät eben, im Prinzip die Struktur zu reparieren, das heißt eben, die Struktur, wieder Wohnung, Waffen, Autos, Garagen und so weiter, also hier wieder eine Basis zu schaffen. Und gleichzeitig auch Rekruten aufzunehmen, also den „Kleinen“ und den „Ehemann“, damit ist wieder Konieczny und Bornheim gemeint. Das geht eben ... Anweisung für die Logistik, wenn man so will. Ja und man soll eben die Autos abstoßen, hochgehen lassen. Meinhof soll im „Loch“ bleiben; Treffs sollen in der Stadt gemacht werden vom „Faß“, und sie soll eben im „Sack“ sitzen. Die Orte der Treffs, die Meinhof durchführen soll, soll Mordhorst checken, also abklären vorher. Dann gibt es hier Anweisung, wo und wie Geld deponiert werden soll. Das heißt, 10.000,-- DM sollen bei Frau Marquard deponiert werden. Dann solle das Geld, das im „Dorf“ deponiert worden ist, aufgebraucht werden und dann solle das Geld, das beim „Onkel“ deponiert ist, aufgebraucht werden. Beim „Onkel“, also das ist eine Sache, die auch nicht ganz geklärt ist. Ich war der Meinung oder ich bin der Meinung, daß es sich dabei eben um einen Verwandten von Frau Mordhorst handelt, ich hab da auch was in dem Zusammenhang gehört von ihr, daß sie da einen Ausdruck „Chinese“ gebrauchte. Und soweit ich mich entsinne, solle er ungefähr im Raum Kornwestheim wohnen. Mehr weiß ich auch nicht. Ob es sich jetzt definitiv, also im korrekten Sinne um einen Onkel handelt oder ob das möglicherweise vielleicht ein älterer Freund ist oder ein Freund ihres Vaters, das weiß ich auch nicht.

Vors.:

Und was ist unter „Dorf“ zu verstehen?

Zeuge Mü[ller]:

Unter „Dorf“, da handelt es sich um einen Symphatisanten hier in der Nähe von Stuttgart. Eine Frau, die entweder selber oder deren Mann freiberuflich tätig ist und die einmal eben so, soweit ich von Erzählungen von Irmgard Möller weiß, war sie einmal dort und hat Geld deponiert. Und hat dort auch einen Code ausgemacht, und ich habe aber weitere [10307] Einzelheiten dazu nicht mehr in Erinnerung.

Vors.:

Nun der nächste Abschnitt unter a) geschrieben:

„a) dem Mieter der Laube, Ga weiß welche Stadt, Tel. Buch, Jetzt schon 680, -- ...“

bis herunter zu „... Lügen-Geschichte Panther!)“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja also der ganze Kassiber geht immer quer durch den Garten. Jetzt sind wir wieder bei der Wohnung „Laube“, also Inheidenerstraße. Dem Mieter dieser Wohnung, also Herrn Pflug; Gabi würde wissen, in welcher Stadt der wohnte, im Telefonbuch wäre seine Adresse eben zu finden, solle für Juli 680,-- DM in Briefkasten geworfen werden. Besprochen sei, daß er am 1. August kündigen solle. Dieser Mieter solle am ... vorher, also am 30. Juli, wenn die Wohnung bereits gereinigt sei ... nee Moment ...

RA. Geulen erscheint um 9.54 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Ja, das heißt wahrscheinlich, daß jemand zu diesem Mieter muß, weil der solle den 3. Schlüssel holen vom Hausmeister und die anderen bezahlen, weil die anderen sind ja, die lagen ja bei der RAF, also die lagen da manchmal in so einer kleinen Tasche oder so und wurde auch recht schlampig behandelt. Möglicherweise sind sie tatsächlich verloren. Möglicherweise wußte niemand, wo sie sind. „Muß dich selbst auflösen ...“

Vors.:

Soweit Sie mit dem Text nichts anfangen können auf Anhieb, ist es nicht notwendig, daß Sie sich also hier zu sehr anstrengen. Es soll nur wirklich das von Ihnen erläutert werden, wo Sie sich[n] ganz sicher sind, auf Anhieb ganz sicher sind.

Zeuge Mü[ller]:

Sie sagte, über die Wohnung solle also ... solle nicht über einen Rechtsanwalt aufgelöst werden, was sie für eine Möglichkeit gehalten hätte oder vielleicht doch eben über den Rechtsanwalt Bergmann-Demski, der sei dazu gerade eben gut. Es sei aber heikel wegen der Lügengeschichte. Also entweder ist der Mieter direkt angelogen worden oder er hat, er wußte von dem ganzen und hat dafür eben eine Cover gekriegt, also eine Ausrede, um sich dann eben auch[o] rausreden zu können, falls was mit der Polizei ist. Das kann ich aber [10308] nicht sagen, weil ich darüber nicht informiert bin.

Vors.:

Das „Panther“, ob das auf die Bewegung „Schwarzer Panther“[20] hinweisen könnte.

Zeuge Mü[ller]:

Ja also, es gab da ... ich kenne die Geschichte ungefähr. Das heißt, es wurden eben Leute angesprochen, sie sollten eine Wohnung zur Verfügung stellen, für Leute, die eben der Bewegung „Schwarzer Panther“ oder der „Black Panther Party“ angehören und die eben gesucht waren, oder es handelt sich dabei ja auch zum Teil um Deserteure eben bei der amerikanische Armee. Und es gibt eben[p] zweierlei Möglichkeiten, entweder war ihm direkt das erzählt worden ...

Vors.:

Und er hat es geglaubt ...

Zeuge Mü[ller]:

... Wohnung für „Black Panther Party“-Mitglieder oder es ist ihm erzählt worden als eine Ausrede, also wenn die Polizei kommt, erzählst du das und das, das weiß ich aber nicht.

Vors.:

Wissen Sie im Einzelfall nicht, bei den Mietern. Jetzt b):

„b) Jeder muß sich von allen alles Wissen (Kontakte ect.) aneignen, wichtig, 1 Woche lernen, zeigen, abfragen, Arbeitsstil, Kontrolle; nur so baut man die Scheiße „Sub-Hierarchie“ ab;“

Was bedeutet das?

Zeuge Mü[ller]:

Das handelt, das geht eben da wiederum, wie ich schonmal sagte, also das Ganze funktionierte nach dem Prinzip der offenen Gruppe und hier geht es eben um Anweisung, die besagt, daß eben die verbliebenen Leute sich gegenseitig informieren sollten, über die Sympathisanten, die sie betreuen, über die Wohnung, die sie kennen, über die Kontakte, die sie kennen. So, damit jeder über jedes Bescheid weiß. Das heißt dann eben „aneignen, wichtig“ also richtig eben, daß man es weiß und nicht, daß man das gesagt kriegt und nach zwei Tagen wieder vergessen hat oder so.

Vors.:

Das ist also der Gegensatz zum Zellensystem, wie Sie das bei der letzten Anhörung geschildert haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Ihr Prinzip: Offene Gruppe?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

[10309] Vors.:

„c) Lie.: wir haben ...“

bis herunter zu „... pushen soll her“.

Zeuge Mü[ller]:

Es geht darum, über ... um eine Geiselnahme oder eine Entführung und um eben ein Land, was die Gefangenen eventuell auch die Entführer, nach einer solchen Aktion aufnehmen würde. Und sie bezieht sich hier auf ein Gespräch mit Ulrike Meinhof, über diese Sache. Ich war bei diesem Gespräch nicht anwesend, ich kann bloß, na ja bei dem alten Ehepaar handelt es sich zum Beispiel um die Bornheims. Und sie sagt, daß sie sich da, daß sie mit denen über ein Land gesprochen hätten und dann spricht sie hier von dem „Dicken“. Daß es eben ein mögliches Land gebe, und dabei könnte es sich eben um Kuba gehandelt haben. Und in Klammer schreibt sie eben schon wieder in Frage „schon nicht mehr möglich, siehe Rückdeal mit USA“. Es gab da, glaube ich, so eine Luftpiraterieabkommen zwischen USA und Kuba.[21] Also der „Dicke“ solle eben hier Länder abklären oder eben dieses Land, also Kuba, abklären, ob das für so eine Sache geeignet wäre, also für Aufnahme. Ebenfalls das Land checken, Mission. Bei dem „Dicken“, das will ich jetzt hier mal sagen, da kann es sich eben aufgrund einer fehlerhaften Schreibweise um den „kleinen Dicken“ handeln oder das ist ne identische Bezeichnung für den „Bruder“. Also das ist insofern ein Schluß von mir, weil ich in der ganzen Gruppe niemand kenne, der eben als Dicker, den ich mit einem Dicken identifizieren könnte noch. Weiter ist hier noch gesagt, daß die Frage eben der ... ach so, das „Land des Redners“. Ich habe da nur noch in Erinnerung, daß ich eben mal, weil das ja eine Anweisung von Ensslin ist, mit Gudrun Ensslin und Raspe und Meins und Baader in Frankfurt im Fernsehen einen Film über Castro[22] und[q] Kuba gesehen habe und ist eben ... beschäftigte sich ein größeres Stück dieses Films mit einer Rede von Castro.

[10310] Vors.:

Daraus kommt dann wohl Ihre Vermutung, daß es sich um Kuba handelt, auf das angesprochen wird?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Aber das ist jetzt eine Vermutung.

Vors.:

Nur Vermutung, ja.

Zeuge Mü[ller]:

Also wie überhaupt, weil ich ja bei diesen Gesprächen, ich weiß darüber nichts, ich war da nicht anwesend. Dann die Zusammenarbeit soll der „Dicke“ selbst ...

Vors.:

„Frage von Kohle in diesem Fall ...“

Zeuge Mü[ller]:

Also die Finanzierung dieser Reise und dieser Checkerei, das sollen die Leute, die das machen, sollen sich das Geld selbst dafür besorgen.

Vors.:

„Soll der Dicke selbst ranschaffen“. So liest man es doch: „Frage von Kohl in diesem Falle: Soll der Dicke selbst ranschaffen, anderenfalls brecht die Zusammenarbeit“. Das gehört ja wohl zusammen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. „Den kleinen Dicken jetzt pushen soll her“. Also der „kleine Dicke“ solle eben auch zur Gruppe stoßen. Und aufgrund eben dieses Satzes jetzt ist, hier taucht ja öfter überhaupt mal diese Bezeichnung auf „kl. Dicker“ und „Dicker“. Hier an dieser Stelle ist wohl offensichtlich, daß es sich um zwei verschiedene Personen handelt und was das Thema eben dieses Abschnittes angeht, ist es eben meines Erachtens eine Person, nach einer Lichtbildvorlage, die K.D. Wolf heißt.

Vors.:

Also das sind die Ideen, die da rumkreisen, daß man ein Aufnahmeland für den Fall einer geglückten Geiselnahme finden soll. Ist das richtig?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Nun kommt d).

„d) Kl. Figuren suchen, einzeln, erstmal Valentin, und wenn dafür 3 gekillt werden müssen, Ultimatum einhalten.“

Was heißt das?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist eine konkrete Anweisung für Entführung, beziehungsweise Geiselnahme, und zwar sollten, mit kleinen Figuren sind eben Leute, eben zum Beispiel, wie soll man sagen, auf Landtagsebene gemeint oder so.

Vors.:

Also keine Spitzenpersönlichkeiten der Politik. Ist das richtig so erklärt?

[10311] Zeuge Mü[ller]:

Genau. Untergeordnete Persönlichkeiten. Einzeln, also man sollte die einzeln eben festhalten, entführen oder als Geisel nehmen. Und damit sollte man versuchen, erstmal Valentin, also Valentin, das ist ein Deckname von Andreas Baader, um erstmal Valentin freizubekommen. Und wenn dafür eben drei dieser untergeordneten Figuren gekillt werden müssen, also im Sinne des Wortes.

Vors.:

In Verbindung mit „Ultimatum einhalten“?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, daß da eben so ein Ultimatum gestellt wird, also: „Laßt den Baader raus, bis zu der und der Zeit“. Und wenn das Ultimatum eben nicht eingehalten wird, sollten sie eben, wie sie hier schreiben „gekillt“ werden. Und solange sollte das eben fortlaufen, bis Andreas Baader frei sei.

Vors.:

Wobei jetzt Bezug genommen wird, dem Text nach, auf einen Beschluß der Innenminister, der wohl die Hoffnung ausdrückt ... hier heißt es ... ja: „Innenminister: Leben der Geisel hat Vorrang vor ...“

Zeuge Mü[ller]:

Ja, sie argumentiert damit eben, daß es klappen könnte, so wie sie es vorschlägt, weil eben nach diesem Beschluß das Leben der Geisel Vorrang hätte. Also deswegen auch die kleinen Figuren und so. Das hängt wieder mit Taktik und Logistik zusammen. Also wenn man zum Beispiel eben Spitzenpolitiker oder Spitzenfunktionäre in der Wirtschaft entführt, dann braucht man eine ganz andere logistische Basis, die eben auch durch die Verhaftung nicht da war. Deswegen das Ausweichen auf die kleinen Figuren und sie sagt eben mit diesem Beschluß, den sie da zitiert, oder mit diesem Zitat sagt sie eben, daß es eben auch mit kleinen Figuren klappen könnte.

Vors.:

Jetzt kommt unter e)

„e) ich habe nur 1 Möglichkeit ...“.

Es kommt dann eine Schilderung, die sich wohl aus sich [10312] selbst heraus erklären läßt. Also wenn die Prozeßbeteiligten keinen Wert darauf legen. Es handelt sich um die Schilderung der eigenen Festnahme von Frau Ensslin, dann würde ich den Zeugen hier nicht extra bitten, daß er sich hier mit Erläuterungen einschaltet. Wird Wert darauf gelegt, daß der Abschnitt vom Zeugen erläutert wird? Nein. Die Herren Verteidiger? Auch nicht. Dann kommt unten der 2. letzte Absatz:

„Otto und Hilde ...“

Was kann man dazu sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Bei „Otto und Hilde“ handelte es sich ... also „Otto“ ist der Deckname von Berhard Braun[23] und „Hilde“ ist der Deckname von Brigitte Mohnhaupt[24]. Also sie bezieht sich da auf die Festname von Braun und Mohnhaupt. Und sie sagt eben, es wäre eine Rationalisierung gewesen. Warum sie in diese Falle gelaufen wären, also sie hätten da rationalisiert, eine Sache, die sie eigentlich nicht hätten machen sollen und wären dann eben zu dem Treff gegangen. Sie hätten sich aufgrund der Tatsachen eben sagen müssen, daß sie da nicht hingehen sollten.

RA. Schily erscheint um 10.07 Uhr im Sitzungssaal.

Und da hatte eben „Hilde“, also Mohnhaupt, war das klar und sie hat sich eben Braun gegenüber nicht durchgesetzt und deswegen ist das Ganze abgelaufen.

Vors.:

Ja und dann zum letzten Absatz:

„Die andere Seite ...“

Bis herunter, das endet ja mitten im Text, wenn das richtig zu sehen ist.

[10313] Zeuge Mü[ller]:

Ja, sie bezieht sich also hier auf die Sympathisanten-Szene[r] und sagt, daß eben die immer noch zu den linken Negts gehörden würden. Und in diesem Zusammenhang bezieht sie sich auf eine Rede von Herrn Negt, die der auf einer Veranstaltung, eine Sympathieveranstaltung für Angela Davis gehalten hat, die sich unter anderem sehr scharf mit der RAF auseinandersetzte.

Vors.:

Herr Müller, weil der Text ja mitten im Text abbricht, ist es möglich, daß hier kein vollständiger Text ist, daß damals Ihnen mehr zu Gesicht gekommen sein könnte oder war das damals auch nur ein Blatt.

Zeuge Mü[ller]:

Wieso bricht der ab.

Vors.:

So wie ich das lese. Also ich habe eine Ablichtung, die allerdings schlecht ist, hört es mit einem Wort auf, ja, es ist ein Punkt. Ich sehe gerade, er ist nicht erkennbar. Das ist also bei mir nicht ersichtlich. Ihre Vorlage ist natürlich als Original besser lesbar.

Zeuge Mü[ller]:

Ich kann ja den letzten Satz nochmal vorlesen, der hier steht: „Dazu fällt mir nur ein, daß es richtig ist, die nächsten Monate für das Leben derer, die draußen sind, zu kämpfen, und für das Leben derer, die drinnen sind und Leuten wie den Dicken, Bruder Ernst etc. mal das überlassen, was sie zu ihrem Job erklären vermitteln, öffentlich, Teach-ins, eins nach dem anderen, wenn sie verhaftet werden, deswegen hat dies ne Funktion und lange sowieso nicht“. Und damit ist es zu Ende.

Vors.:

Ich sehe gerade, hier liegt auch eine bessere Ablichtung vor. Ich habe also eine ausnahmsweis schlechte erwischt. Können Sie bestätigen, daß es sich damals bloß um ein Blatt gehandelt hat, das Ihnen vorlag?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, es sind zwei.

Vors.:

Die waren getrennt. 2 Blatt, das wissen Sie noch?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Und wenn Sie jetzt das ganze Schreiben hier gesehen haben, können Sie sagen in vollem Umfange, so habe ich damals auch gesehen, wie es Ihnen hier vorliegt?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich kann nicht mit ... Ich kann nicht sagen, absolut sicher, daß es dieses wäre, es ist zu lange her, um ... aber es ist, so habe ich es in Erinnerung.

Vors.:

Und textlich, inhaltsmäßig?

[10314] Zeuge Mü[ller]:

Textlich und auch der Form her, mit den Strichen da und diesen Pfeilen und so, habe ich das in Erinnerung. Aber ich bin natürlich insofern kein Sachverständiger, der jetzt absolut ausschließen könnte, daß es jetzt ein unheimlich gut gemachtes Duplikat wäre.

Vors.:

Danke. Nun erhebt sich die Frage, der Verfasser oder die Verfasserin dieses Schreibens muß; nach dem Inhalt zu schließen, über eine profunde Kenntnis verfügt haben, über alles, was vorging und auch, wenn man es richtig so deuten darf, über die Möglichkeit, Anweisungen zu geben. Denn es stecken doch erhebliche Anweisungen auch drin.

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Ja, es ist, aufgrund des Inhaltes schon allein ist es also, unzweifelhaft ist es von Gudrun Ensslin.

Vors.:

Wieso bringen Sie nun den Namen in Verbindung mit dem Inhalt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das, was hier drin steht, das kann nur sie, und in diesem Zusammenhang nur sie wissen. Das kann nicht von Brigitte Mohnhaupt sein, weil sie viele Sachen, die hier drin sind, nicht weiß. Sie bezieht sich hier zum Beispiel auf die Wohnung „Mühle“. Und da heißte es: „Hardy weiß schon“ und so. Ich war mit ihr zusammen und Herrn Henning in dieser Wohnung und haben da verschiedene Sachen besprochen und so weiter. Und es war aber nur sie, die mit mir in dieser Wohnung war.

Vors.:

Nun, gesetzt den Fall, es war Frau Ensslin. Hatte sie eine solche Stellung in der Gruppe, daß sie imstande war, solche Anweisungen rauszugeben, zum Beispiel auch an Frau Meinhof?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das hatte sie. Aber es ist natürlich auch so: Auf der einen Seite kann man natürlich Anweisung geben, ob sie durchgeführt werden, ist wieder eine andere Sache.

Vors.:

Also die inhaltliche ... der inhaltliche Ausdruck einer bestimmten Rangstellung muß nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen? Wollen Sie das damit ausdrücken?

Zeuge Mü[ller]:

Das verstehe ich nicht.

Vors.:

Nun, inhaltlich drückt sich das so aus, als ob derjenige, der hier schreibt, einen bestimmten übergeordneten Rang gehabt haben müsse, gegenüber denen, die angewiesen werden. So klingt das. Und Sie sagen aber, ob es dann tatsächlich ausgeführt wird, ist eine andere Frage. Das heißt, kann man [10315] das dahin verstehen, dieses Rangverhältnis, das sich hier andeutet, könnte zwar angemaßt sein, muß aber nicht den tatsächlichen Verhältnissen in der Gruppe entsprochen haben.

Zeuge Mü[ller]:

Doch, das entspricht insoweit ihrer Bedeutung innerhalb der Gruppe. Weil das hängt ja auch davon ab: Sie hat ja in der Situation, in der sie ist, keine Möglichkeit, das durchzusetzen. Also keine Druckmittel, und sie ist ja nicht persönlich anwesend [s] und kann jetzt das so oder so machen.

Vors.:

Gut, dann können wir dieses Asservat wieder zurückholen und kämen jetzt zu einem weiteren Fragenkomplex. Sie sind, wie wir wissen, dann alsbald ja auch verhaftet worden. Sie haben das Datum schon angegeben: 15.6.72. Es zeigen sich dann, der Senat hat insbesondere hinsichtlich verschiedener Beschlagnahmeaktionen in dieser Richtung gewisse Hinweise bekommen, dann, daß innerhalb dieser Verhafteten doch eine gewisse Kommunikation zustande gekommen ist. Ist dieser Eindruck richtig?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Können Sie uns nun im einzelnen schildern, wie kam es dazu, daß die[t] in verschiedenen Anstalten untergebrachten Gruppenmitglieder miteinander, zum Beispiel in Verkehr treten konnten, sei es nun schriftlicher oder durch irgendwelche Mitteilungen, in dieser Art. Wie ist das im einzelnen zu Wege gebracht worden?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es gab da so eine, wenn man das so nennen will, also nach der Verhaftungswelle 1972, so eine lose sporadische Kommunikation zwischen einzelnen Mitgliedern, die eben zur RAF gerechnet wurden. Diese Kommunikation fand statt in Form von ... indem eben Anwälte Grüße ausgerichtet haben oder auch sich bei Besuchen eben geäußert haben ...

Prof. Dr. Az[zola]:

Wenn Sie[u] einen Moment unterbrechen könnten[v].

Vors.:

Bitte, um was geht es, Herr ...

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich möchte die Beantwortung dieser Frage ... die Stellung dieser Frage beanstanden. Ich vermag keinen hinreichenden Sachzusammenhang zwischen dieser Frage und der Anklageschrift zu erkennen.

Vors.:

Wünschen Sie, daß ich Ihnen vorher noch, um das weiter begründen zu können, den Sachzusammenhang, wie ich ihn sehe, [10316] darstelle?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich wäre dafür dankbar.

Vors.:

Es ist der Vorwurf erhoben worden, der behandelt wird, daß es sich hier um eine Gruppe gehandelt habe, die die Voraussetzungen des § 129[ StGB][25] erfüllt und daß diese Voraussetzungen auch noch erfüllt worden seien, als die Gruppenmitglieder bereits verhaftet gewesen sind. Grund-Voraussetzung, wenn dieser Vorwurf stimmen sollte, wäre die Verbindung, der Zusammenhalt, die Kommunikation. Daraus erklärt sich die ganz neutrale Frage, wenn es zu einer solchen Verbindung und Kommunikation gekommen ist, durch welche Umstände? Halten Sie Ihre Beanstandung gleichwohl aufrecht?

Prof. Dr. Az[zola]:

Ja, aus dem einfachen Grunde, weil der Anklagesatz, auf den ja schließlich die Verteidigung aufbaut, insoweit keinerlei Anhaltspunkte enthalten hat, die es ermöglicht hätten, das, was durch Ihre jetzt gestellte Frage und darauffolgenden Fragen hier zur Sprache kommen soll, im Sinne einer sachgemäßen Verteidigung vorzubereiten. Sollten solche Fragenkomplexe, die,[w] wie Sie zugeben müssen, groß und umfangreich sind, gleichwohl zur Sprache kommen, dann müßte meines Erachtens ausdrücklich der Anklagesatz insoweit geändert werden und der Verteidigung Raum gegeben werden, mit den betroffenen Personen hinreichend Kontakt zu haben.

Vors.:

Will die Bundesanwaltschaft Stellung nehmen? Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Ze[is]:

Die Rechtsauffassung des Herrn Professors ist falsch. Es ist ganz klar, daß hier anklagemäßig § 129 StGB zur Debatte steht. [§ ]129 StGB, Herr Professor, ist, wie in jedem Kurzkommentar nachzulesen, eine Dauerstraftat.[26] Das heißt also, daß von Anfang an bis zum Schluß der Beweisaufnahme möglicherweise das strafbare Verhalten hier zur Debatte steht. Es kann keine Frage sein, daß im Hinblick darauf Ihre Frage, Herr Vorsitzender, zulässig war.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat[27] hat beschlossen:

Die Frage ist zulässig.

[10317] Bitte, Herr Müller, wenn Sie die Antwort geben könnten.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also, wie gesagt, gab es eben in der 1. Phase eine sporadische und zwanglose Kommunikation, eben in Form von mündlichen Weitergaben über Anwälte zwischen einzelnen Gefangenen und in schriftlicher Form, so daß eben Briefe weitergeleitet wurden, um ... na ja, die sich eben mit der Problematik und mit der Situation beschäftigten. Also ich selbst habe zum Beispiel mehrere Briefe gewechselt mit Berliner ... also mit in Berlin Gefangenen, gefangengehaltenen RAF-Mitgliedern. Ja, das ist eigentlich diese Phase, die erschöpft sich damit, also mehr lief da nicht. Es bestand eben aufgrund der Haftsituation ein Kommunikationsbedürfnis, und das wurde eben auf diese Art und Weise befriedigt, wenn man so will.

Vors.:

Nun müssen ja ansich Briefe von Häftlingen durch die Zensur gehen. Wie ist das geschehen. Sind die Ihnen direkt überbracht worden von Rechtsanwälten?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, die sind ... das gab es in verschiedenen Formen, entweder wurden Handakten mitgebracht von anderen Gefangenen, wo Briefe drin waren dieser Leute an diese Anwälte. Also zum Beispiel, um das jetzt mal bloß zu skizzieren: Ein Brief von Irmgard Möller an den Rechtsanwalt Laubscher, und der hat dann eben die Handakte mitgebracht von Irmgard Möller und ich konnte die einsehen, konnte eben sehen, was sie so denkt, mit was sie sich beschäftigt, was sie schreibt. Die andere Form war eben die, daß direkt geschriebene Briefe mitgebracht wurden, also die sich eben mit einem bestimmten Thema beschäftigten. Ich weiß eben, daß ich kurz nach meiner Verhaftung habe ich eben von aus[x] Berlin Briefe gekriegt, die fragten eben: „Wie soll das überhaupt weitergehen, wie siehst Du das“ und so weiter. Und ich habe die Briefe dann während des Besuches gelesen und habe dann entweder, je nachdem, wie viel Zeit zur Verfügung stand, entweder kurz zurückgeschrieben oder habe eben länger geschrieben und habe entweder die Briefe beim nächsten Besuch mitgegeben oder per „Verteidigerpost“ eben hingeschickt und so funktionierte der Austausch damals.

Vors.:

Hat nun dieser Austausch von schriftlichen Gedanken irgendwelche anderen Formen noch angenommen? Ist das systematisiert worden?

[10318] Zeuge Mü[ller]:

Ja. Der ... die Anfänge dazu also, die Anstöße, wenn man so will, liegen eigentlich in dem Mahler-Prozeß[28] damals und in dem Schiller-Prozeß.[29] Das waren quasi wieder die ersten Versuche, na ja, weiterzumachen, wenn man so will. Weil in der Folge darauf kam dann, also so Februar oder Frühjahr 1973, kam ich dann zu einer ganzen Reihe von Anwälten. Also das war dann eben diese sogenannte Blockverteidigung.[30] Und da liegen auch, da liegt auch der Beginn einer organisierten, wenn man so will, einer organisierten Kommunikation. Und zwar gab es da, wenn man ... also das ganze Ding ist ziemlich komplex und es gab ungefähr, es gab 3 Ebenen oder 3 Linien, wenn man so will. Es gab sogenannte „Ströbelsche Rundbriefe“ es gab Schreiben oder Briefe von ... vom Büro Becker und es gab dann das Informationssystem[31] oder Informationsbüro, was dann von und beziehungsweise über Rechtsanwalt Groenewold organisiert war.

Vors.:

Wenn Sie uns nun diese Begriffe, sie sagten Schreiben des Rechtsanwalt Ströbele, Rundschreiben, Becker und noch Informationssystem. Wenn Sie uns die ganz kurz erläutern würden. Beim Informationssystem werden vielleicht dann etwas gründlichere Ausführungen wünschenswert sein.

Herr Rechtsanwalt Künzel.

RA Kü[nzel]:

Herr Vorsitzender, ich muß nun doch noch einmal Bedenken gegen die Ausweitung der Vernehmung dieses Zeugen auf diesen Komplex geltend machen. In zweifacher Hinsicht, zeitlich müßte klargestellt werden, daß die Anklage nur Vorwürfe bis einschließlich Frühjahr 74 enthält und dann ist doch wohl die Seite 21 der Anklageschrift etwas zu interpretieren. Es heißt dort: „Auch nach der Verhaftung gaben die Angeschuldigten ihre Ziele nicht auf, noch aus der Haft heraus versuchten sie, die Gruppenarbeiten zu organisieren, indem sie die Anweisungen für das Verhalten der Verhafteten und der in Freiheit befindlichen Bandenmitglieder erteilten“. Das ist Gegenstand des Vorwurfs. Wenn nun als geschichtliches Ereignis hinzukommt und wenn gemeint war, in der Anklageschrift, daß diese Anweisungen geben, diese Gruppenarbeit aufrechterhalten, über zum großen Teil zugelassene Anwälte in der Tat geschehen sein soll, und wenn das Gericht diesen [10319] Vorwurf zum Gegenstand der Anklage macht, dann muß wohl die Verteidigung darauf in Anwendung des § 265 StPO[32] hingewiesen werden. Und es muß der Verteidigung Gelegenheit gegeben werden, sich auf diesen geschichtlichen Vorgang, der nun neu hinzukommt, einzustellen. Und deshalb halte ich eine Ausdehnung dieses, der Vernehmung dieses Angeklagten auf diesen Komplex, bevor die Verteidigung darauf hingewiesen wird, daß nun, ich wiederhole, zugelassene Anwälte ins Spiel gebracht werden, halte ich für unzulässig. Ich bitte darüber einen Senatsbeschluß herbeizuführen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel, auch zu Ihren Ausführungen noch, um Ihnen die Überlegung vielleicht zu erleichtern, noch folgendes: Es ist natürlich kein neuer Komplex, der eingeführt werden soll, der etwa die Anwälte betrifft. Sondern es geht schlicht und einfach um die Kommunikationsformen, die Voraussetzung sind, daß ein Nachweis in Richtung der erhobenen, auch in der Anklage erhobenen Vorwürfe, daß nach der Verhaftung noch die Tätigkeit nach [§ ]129[ StGB] fortgesetzt worden sei, geführt werden kann. Über diese Gegenstände, die hier erörtert werden, sind Sie selbst als Verteidiger gelegentlich zumindest informiert worden im Rahmen der von mir schon erwähnten Beschlagnahmeanträge der Bundesanwaltschaft. Sie hatten sich dabei auch mit diesen Komplexen zu befassen. Es ist also keine Sache, die in irgendeiner Weise überraschend wäre oder ein neuer Komplex wäre. Es ist rechtlich genau das, was die Anklage umreißt. Und dient nur als eines der Mittel. Mir kommt es überhaupt nicht darauf an, daß etwa der Herr Zeuge im Zusammenhang mit seinen Ausführungen Namen erwähnt. Das ist für uns nicht wichtig. Es ist für uns lediglich von Bedeutung, das Kommunikationssystem, das aufgerichtet worden ist, als Voraussetzung des Anklagevorwurfs, der gemacht wird, hier aufzuhellen. Das ist sogar die Pflicht des Gerichts.

RA Kü[nzel]:

Herr Vorsitzender, es wird in der Anklage gesagt, daß [y] diese Kommunikation stattfand. Und der Unvoreingenommene weiß ja noch nicht wie. Jetzt wird offiziell vom Gericht auch erörtert wie. Und es werden nun neue historische Fakten zum Gegenstand der Verhandlung gemacht und das muß, meiner Meinung nach, über den [§ ]265[ StPO] gehen.

[10320] Vors.:

Wir können doch nicht bloß die schlichte Anklagebehauptung hinnehmen, daß Kommunikation stattgefunden hat, sondern wenn wir jetzt einen Zeugen haben, der mal diese Kommunikation als Insider darstellen kann, müssen wir selbstverständlich ihn[z] doch zu diesem Vorwurf, der gemacht wird und in der Anklage umrissen ist, hören. Das läßt sich doch nicht umgehen.

RA Kü[nzel]:

Nun, wenn Sie nun zum Gegenstand der Verhandlung machen, wie, dann muß, ich wiederhole, die Verteidigung Gelegenheit haben, sich darauf einzustellen ... das sind neue geschichtliche Vorgänge.

Vors.:

Wenn sich der Verteidiger nicht darüber im klaren ist, daß, wenn der Vorwurf, daß erhoben wird, das[aa] Gericht die Pflicht hat, den Beweis zu erheben, wie, daß das geschehen ist, dann tut es mir leid. Das ist für mich kein neuer Komplex. Ich kann also Ihrer Rechtsauffassung nicht folgen. Aber bitte, der Senat möge entscheiden. Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern? ... Herr Professor Azzola.

Prof. Dr. Az[zola]:

Ich teile die Rechtsansicht des Kollegen Künzel insoweit, als auch ich der Meinung bin, daß eine ordnungsgemäße Verteidigung nur hätte vorbereitet werden können zu einem Fragenkomplex, zu dem mindestens die Namen von 20 Anwälten ins Spiel gebracht werden sollen. Jedenfalls nach der polizeilichen Aussage des Herrn Zeugen Müller. Nur also ordnungsgemäß vorbereitet werden konnte, wenn von vornherein etwa auf Bl. 21 des Anklagesatzes die Bundesanwaltschaft nach ihrer damaligen Kenntnis geschrieben hätte, noch aus der Haft heraus versuchten sie mit Hilfe ihrer Anwälte, das und das durchzuführen. So habe ich das Gefühl, daß wir, zum wiederholten Male übrigens, binnen kurzer Frist in die Situation gesetzt werden, einen Fernprozeß zu erleben. Einen Fernprozeß, den wir, weil die betreffenden Menschen über die ganze Bundesrepublik verstreut sind, in angemessener Weise nur führen könnten, wenn uns wirklich Zeit und Gelegenheit geboten wäre, mit allen diesen Namen, die hier erwähnt sind, und die Herr Müller ja ersichtlich die Absicht hat, zu erwähnen, denn er hat bisher keine Namen ausgelassen ... in Kommunikation zu treten.

Vors.:

Sie haben die Namen, die Vernehmungsprotokolle lagen ihm ja vor.

[10321] Prof. Dr. Az[zola]:

... andere Zwecke etwa, um bestimmte Kollegen hinter Schloß und Riegel zu bringen.

Vors.:

Herr Professor, ich darf Sie nochmals darauf hinweisen, es liegt wirklich, jedenfalls nach meinem Vernehmungsprogramm, wie ich es habe, gar nichts an den Namen. Es ist auch nicht beabsichtigt, diese Namen einzuführen. Daß hier [bb] sozusagen stichwortartig unter bestimmten Namen Kommunikationsmöglichkeiten angedeutet worden sind, bei Rundbriefen, das ist ein reiner Zufall. Es geht hier nicht darum, die Namen, das Verhalten der einzelnen zu klären, sondern das Kommunikationssystem aufzuklären, wie es geschehen konnte, daß aus der Haftanstalt heraus noch die Tätigkeit nach [§ ]129[ StGB] fortgesetzt wurde oder werden konnte oder werden sollte.

RA Kü[nzel]:

... es wiederum nicht ohne Nennung von Namen geht. Weil die Verteidigung ja nur, wenn sie nun weiß, wer das gewesen sein soll, sich darauf einstellen kann.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ob Sie die Durchführung der Beweisaufnahme so verstehen, daß Beweisbehauptungen von der Anklage aufgestellt werden und dann die Beweisaufnahme dazu dient, das „wie“ festzustellen? So haben Sie sich ja wohl ausgedrückt.

Vors.:

Ich möchte mich mit Ihnen also jetzt nicht über meine Auffassung über die Pflichten des Richters im Rahmen der Beweisaufnahme erörtern.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, Sie haben ...

Vors.:

Wenn Sie es nicht verstehen wollen, Herr Rechtsanwalt Schily ...

RA Schi[ly]:

Ich habe es so wörtlich von Ihnen gehört.

Vors.:

Das Gericht hat zu [cc] klären ...

RA Schi[ly]:

Da wollte ich eine Interpretation.

Vors.:

Das Gericht hat zu klären, welche der Anklagevorwürfe beweisbar sind und welche nicht. Und das tun wir und nichts anderes.

RA Schi[ly]:

Das ist was ganz anderes ja.

Vors.:

Darf ich fragen, will die Bundesanwaltschaft nochmals Stellung dazu nehmen.

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft versteht natürlich die Aufregung, die plötzlich dort drüben ausge- [10322] brochen ist. Aber ich darf nochmal eines sagen ...

- Unruhe im Sitzungssaal -[dd]

Prof. Dr. Az[zola]:

Das ist eine Provokation ...

Vors.:

Ich bitte im Saal um Ruhe.

OStA Ze[is]:

Ich darf nochmal eines sagen: Gegenstand der Anklage ist auch § 129[ StGB]. Und sollte sich der Vorwurf bestätigen lassen, dann spielt es zumindest bei der Strafzumessung eine ganz entscheidende Rolle, welche kriminelle Energie die Angeklagten bei der Verwirklichung dieses § 129[ StGB] aufgewendet haben. Und da könnte zum Beispiel strafmildernd berücksichtigt werden, daß sie von der einen oder anderen Seite tätige Mithilfe bekommen haben. In diesem Rahmen legt die Bundesanwaltschaft größten Wert darauf, nicht nur allgemein, sondern daß hier auch Namen genannt werden, schon aus den Gründen, die der Herr Rechtsanwalt Künzel hier angeführt hat. Man muß ja notwendigenfalls auch diesen Vorwürfen nachgehen können.

Ende des Bandes 595.

[10323] Vors.:

Bevor ich die Entscheidung darüber fälle, wir entscheiden darüber, darf ich vielleicht darauf hinweisen, ich möchte den Herrn Verteidigern, die hier Bedenken äußern, nochmals versichern, daß es dem Senat hier nicht darum geht, diese Fragen zu vertiefen, sondern nur den ganzen Austausch von Nachrichten einmal von einem Manne, der, jedenfalls nach seinen bisherigen Aussagen, darüber ein Insiderwissen haben soll, dargestellt zu bekommen. Es geht nicht um irgendwelche Aufklärung von Namen und beteiligten Anwälten. Das ist in der Tat nicht Aufgabe dieses Prozesses. Insoweit stimme ich mit Ihnen überein. Ich glaube also, die Aufregung ist vielleicht etwas verfrüht. Vielleicht hätte man abwarten können, wieweit das Gericht hier die Fragen ausdehnt und wenn es weitergeführt wird, dann sich erst mit Bedenken melden. Aber wir werden jetzt entscheiden über die geäußerten Beanstandungen.

RA Dr. H[eldmann]:

Hatten Sie den unqualifizierten Ausdruck „Aufregung“ wiederholt eben? Wenn die Verteidigung Einwendungen erhebt gegen bestimmte Fragestellungen, das kennen wir von Herrn Zeis, da wundert man sich ja nicht, aber doch nicht vom Richtertisch.

Vors.:

Das ist sehr liebenswürdig, daß Sie sich bei mir noch wundern. Aber ich habe das also in keiner Weise mit irgendeinem Unterton ausgedrückt, sondern ich wollte nur sagen, vielleicht erübrigt sich dieser Aufwand, der jetzt im Hinblick auf die Beanstandung notwendig geworden ist, wenn man gewartet hätte, wieweit die Fragen hier gehen.

Wir ziehen uns zur Entscheidung zurück. Kurze Pause. Wir legen eine Pause von einer viertel Stunde ein.

Pause von 10.32 bis 10.50 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.50 Uhr

Rechtsanwalt Künzel ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat beschlossen:

Er bleibt bei seiner Rechtsauffassung, daß die Frage zulässig ist. Der Fragenkomplex ist durch den Anklagevorwurf umfaßt. Eines Hinweises nach § 265 StPO bedurfte es nicht und bedarf es nicht. [10324] Dies umso weniger, als schon im wesentlichen Ermittlungsergebnis, Seite 342 der Anklageschrift, vermerkt ist, daß die Angeklagten ein umfassendes Kommunikationssystem hergestellt hätte, um ihre Tätigkeit fortsetzen zu können. Der Senat ist gehalten, Kraft seiner Aufklärungspflicht dieses Kommunikationssystem bei geeigneten Beweismitteln versuchen aufzuhellen.

Die Frage lautete: Ob Sie die angedeuteten Kommunikationsmittel, Sie haben Rundschreiben der Rechtsanwälte Ströbele und Becker erwähnt, und später ein Informationssystem das über, unter dem Namen Groenewold als Stichwort laufen kann. Ob Sie uns das im einzelnen näher beschreiben können, wobei ich zu Ihrer Unterrichtung sagen möchte, Sie sollen nicht den Eindruck haben, durch die Belehrung, die Ihnen erbeilt worden ist, es sei Ihnen in Ihrer Darstellung nun mehr oder weniger verwehrt, Namen zu nennen. Es geht nur darum, daß der Senat - und das zu ihrer Unterrichtung - nicht beabsichtigt, die an die Namen geknüpften weiteren Ermittlungsversuche der Polizei hier im Verfahren einzuführen, aber daß, soweit der Herr Zeuge im Rahmen seiner Darstellung Namen mit einführen möchte oder kann oder muß, wahrheitsgemäß er dazu verpflichtet ist, als Zeuge der unter der Wahrheitspflicht stehend, das läßt sich keineswegs übersehen.

Herr Müller, können Sie nun diese Frage in der Form, wie sie allgemein gestellt ist, beantworten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich muß ja Namen erwähnen, also um das Ganze zu erläutern.

Vors.:

Ja, das dürfen Sie auch. Ich kann das in keinem Fall und will es auch natürlich nicht verwehren. Sondern wir wollen nur nicht dann ... Sie sind ja dann gefragt worden, was wissen Sie sonst noch beispielsweise zu dem und dem Namen. Das wollen wir hier nicht wissen. Nur den Zusammenhang mit dem Informations-, mit dem Kommunikationssystem. Den sollten Sie uns hier darstellen, soweit Sie darüber etwas sagen können.-

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich fang mal an bei den sogenannten Ströbelschen Rundbriefen. Die wurden, die bekam ich also vom Büro Ströbele. Die hatten zum Teil oder zum großen Teil Briefkopf von der Sozietät Ströbele, also Ströbele-Eschen, die alten hatten noch Mahler drauf. Und der Inhalt dieser Schreiben befasste sich eben mit der Situation der einzelnen Gefangenen, mit ihren Plänen und Ideen. [10325] Es[ee] befaßte sich also mit anderen oder mit die Leute betreffenden, politischen Strafprozessen. Ein Teil, also ich hab z.B. in Erinnerung, es wurde ja auch zum Teil dieses Informationssystem wie es dann übers Büro Groenewold verwirklicht wurde, wurde auch mal in so einen Brief angesprochen. Diese Briefe erhielten, jedenfalls am Anfang, alle Mandanten die eben zum Kreis der RAF gehörten und die Mandanten eben dieses Büros waren. Später gingen dann die Briefe auch weiter. Also einen weiteren Kreis von Gefangenen, indem sie INFO gegeben wurden und dann über dieses Verbreitungssystem liefen, um eben alle zu erreichen, weil ja eben Ströbele bzw. Eschen usw. nicht alle Gefangenen hatten. Sie hatten ja nur einen Teil der RAF-Gefangenen, wenn man so will. Dann gab es über dieses Büro Becker gab es also, wenn man so will, einen Vorläufer des eigentlichen INFO. Und dabei handelt es sich um direkte Briefe zwischen Gefangenen, also im Unterschied z.B. zwischen den Ströbelschen Rundbriefen, wo jetzt nicht Briefe von Gefangenen angehängt waren oder so, sondern der immer nur zitiert hat, der meint dieses und der meint jenes. Und die Lage von dem ist so und in dem Prozeß sieht es so aus. Und bei diesen Rundbriefen oder Rundschreiben von Becker, da waren eben schon Briefe einzelner Gefangener dabei, die eben mehrfach, 10, 20 oder 30fach kopiert wurden und dann entsprechend verschickt wurden. Im verstärkten Maße waren dann auch eben dabei, Flugblätter, Artikel aus Zeitungen. Ja, das war also das Beckerische INFO, wenn man so will, in der ersten Phase. Das hat nämlich eine Umwandlung durchgemacht. Daraus wurde dann eben, oder auf diesem INFO basierte eben dann das eigentliche INFO. Und das Beckerische INFO wurde in einer anderen Form aber beibehalten. Also darüber liefen dann hauptsächliche konkrete Anweisungen, Vorschläge, Selbstkritiken usw. von dem führenden Kern. Also ich hab z.B. erhalten eine Selbstkritik von Meins. Eine Selbstkritik von Grashof über seinen Hungerstreikabbruch. Ich hab bekommen eine oder zwei Anweisungen von Baader, wenn man so will, als, die man als Prozeßstrategie bezeichnen kann. Ich hab bekommen Selbstkritik von Ulrike Meinhof. Und eben solche Sachen, die hauptsächlich von diesen Leuten des führenden Kerns kamen. Diese Schreiben hatten dann am Kopf oder auch am Ende ein paar Zeilen, wo eben genau namentlich genau diejenigen aufgeführt waren, die diese Schreiben erhalten sollten. Ich hab das mal als eine Art Quasiverschlußsache bezeichnet, weil [10326] dies in gewisser Weise, war das, wenn man es so sagen will, ehrend, wenn man dann seinen Namen darauf aufgefunden hat. Man konnte ja dann feststellen, aha, der bekommt es nicht und der ist wahrscheinlich jetzt schlecht angesehen oder so. Die Aufführung in diesem Verzeichnis, die bei den einzelnen Schreiben waren, drückte gleichzeitig auch eine gewisse Wertung aus.

Vors.:

Das würde dann bedeuten, daß diese Einteilung von Ihnen so angesehen wird, daß es für den engeren Kern eine bestimmte Nachrichtenverbindung gab und für weitere, die entfernter stehen, irgendwelche andere Mittel oder wie wollen Sie das andeuten?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, die Namen z.B. die umfassten schon also nicht nur jetzt den engeren Kern oder einen weiteren Kern, sondern es waren durchaus 20 Namen oder auch 15 oder auch 25, ich kann das jetzt nicht mehr so genau sagen. Nur eben, da fehlte immer mal wieder ein Name und daraus war eben zu schließen, daß er[ff] jetzt im Moment nicht gut angesehen ist, daß er sich eben Kritik eingeheimst hat oder was weiß ich. Also es ist nicht eine Trennung zwischen den Mitgliedern im allgemeinen und dem harten Kern. Diese Trennung findet statt in der Form, ist[gg] dadurch gegeben, daß eben nur die Schreiben, wenn man so will, von oben runter kamen. Also es wurde jetzt nicht die Meinung derjenigen, der anderen wurde dann über dieses INFO, also über das Büro Becker usw. weitergegeben, sondern nur das, wenn man so will, von oben kam. Und das war wieder an eine bestimmte Anzahl von Leuten gerichtet die eben namentlich genannt waren und dieses Vorgehen hatte eben - das ist schwer zu sagen - hatte eben zur Folge, daß man das gleichzeitig in seiner Situation als eben eine Wertung ansah. Daß man sich sagte, ich werde eben für Wert erachtet, ein Schreiben oder was weiß ich, von Baader, von soundso, von soundso zu bekommen und der andere eben nicht.

Vors.:

Das würde aber doch bedeuten, daß also das Material, das da verteilt werden sollte, irgendwie eingeteilt worden ist. Was war da das Einteilungskriterium?

Zeuge Mül[ler]:

Es waren nur die zwei Kriterien. Daß es eben von einem bestimmten Kreis von Gefangenen kam, also von dem führenden Kern und daß es allgemein an die Mitglieder gerichtet war, aber die namentlich genannt wurden. Also das Ganze hatte so einen Charakter. Und dieser Kreis der dort genannt wurde, deckte sich eben nicht immer mit INFO 1. Also er entsprach ungefähr dem INFO 1, was da [10327] über das Büro Becker kam, aber der deckte sich nicht immer. Da fehlte mal ein Name und da war mal ein Name mehr drin und so. Also wenn das die Frage beantwortet ...

Vors.:

Und nun, wenn Sie gerade dabei sind, INFO 1. Welche weitere Einteilung gab es? Was war Gegenstand?

Zeuge Mül[ler]:

Ja das tauchte ja dann, das war dann gleichzeitig vorhanden, bzw. tauchte erst später auf, daß da eben ein Informationssystem gegründet wurde über das Büro Groenewold. Und dieses Informationssystem hatte empfängerseitig und auch absenderseitig eine Einteilung in INFO 1, was einen bestimmten Kreis von Gefangenen umfaßte, INFO 2, bzw. während des Hungerstreiks wurde es dann INFO HS genannt. Und dann gab es noch ein INFO 3, das einen noch weiteren Kreis von Gefangenen umfaßte. Man kann sich das vorstellen wie ein Kegel, der da eben an bestimmten Stellen in Scheibe geschnitten ist.

Vors.:

Und war nun bei 1, 2, 3 verschiedene Gegenstände vorgesehen, die durch diese Materialien beleuchtet werden sollten oder gruppierte sich das bloß nach den Empfängern 1, 2, 3?

Zeuge Mül[ler]:

Das war so. Wenn jemand aus INFO 3 ein Schreiben gerichtet hat, dann hat jeder automatisch der INFO 1 war und INFO 2 bzw. HS war, hat auch alle gekriegt die INFO 3 waren. Aber diejenigen, die INFO 3 waren, haben nicht INFO 2 HS, bzw. INFO 1 bekommen. Und dann natürlich auf der anderen Stufe auch noch. Die INFO 2 HS waren, haben nicht INFO 1 bekommen.

Vors.:

Ja. Und daher jetzt nochmals die Frage. Das ist also ein Stufenverhältnis. Drückte das die Rangstufe der Empfänger gleichzeitig aus und durch was unterschied sich nun, dem Inhalte nach z.B., INFO 1 von 2 und 3?

Zeuge Mül[ler]:

Erstens mal drückte es eine Rangstufe aus. Dem Inhalt nach unterschied es sich eben, daß man sagen kann, INFO 1 das war die interne Diskussion in der RAF, die die Leute im INFO 1 nichts anging[hh] oder so.

Vors.:

Könnte man sagen, das was zu 1 gehörte, war das, daß man mit dem höchsten Vertrauenswert bedacht hatte. Daß das nur an Leute, die sagen wir mal, absolut sicher sind, gehen könnte und dergleichen. Also das ist eine Möglichkeit ...

Zeuge Mül[ler]:

Das hing damit zusammen. Also es hängen ja mehrere Sachen damit zusammen. Natürlich ist, INFO 1 bekommt nur derjenige, der erstmal als RAF-Mitglied im Gefängnis war, der bekam eben INFO 1. [10328] Natürlich hat es auch etwas mit einem Vertrauensverhältnis zu tun. Aber es hatte auch wieder noch einen anderen Aspekt. Also es bestand die Möglichkeit, innerhalb dieser verschiedenen INFO Stufen zu wechseln oder gewechselt zu werden, von oben.

Vors.:

Und was hatte das für einen Sinn, wenn man wechselte oder gewechselt wurde?

Zeuge Mül[ler]:

Naja eben, das war ja ein Hirarchie und INFO 1 bedeutete eben eine Anerkennung. Und INFO 2, wenn man dann gewechselt wurde, hieß dann eben quasi eine Degradierung.

Vors.:

Das wäre also eine Art der Disziplinierung?

Zeuge Mül[ler]:

Genau.

Vors.:

Kann man das so ausdrücken?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Jetzt nochmals muß ich fragen. Also vom Gegenstand her haben sich 1,2,3 grundsätzlich nicht unterschieden, so daß man etwa sagen kann, 1 hatte die Innenpolitik und 2 die Außenpolitik oder so?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, so kann man es nicht sagen.

Vors.:

Und nun, können Sie uns zeitlich etwa angeben, ab wann kam es zu diesem Informationssystem das [ii] über das Büro Groenewold abgewickelt wurde, wie Sie sagten?

Zeuge Mül[ler]:

Das war Sommer/Herbst 1973.

Vors.:

1973. Wissen Sie etwa, wie groß der Gesamtkreis der INFO-Empfänger war?

Zeuge Mül[ler]:

Schätzungsweise, aber ich müßte mir jetzt, bevor ich eine Zahl sage, müßte ich mir erst mal wieder die Leute aufzählen und so.

Vors.:

Also Sie können das auch nur ganz grob schätzen, offenbar?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich mein, ich weiß ungefähr, welcher Gefangener da war und welcher eben 1 bekam und welcher 2 bekam und welcher 3 bekam.

Vors.:

Und wieviel waren das zahlenmäßig ungefähr?

Zeuge Mül[ler]:

Genau kann ich das nicht sagen. Ich müßte jetzt kurz anfangen zu rechnen.

Vors.:

Gut, dann wollen wir es mal zunächst lassen. Ich meine, die Frage vielleicht, aus dem Verteiler selbst ergab sich da keine präzise Zahl oder?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, es war nicht so wie bei dem Beckerschen INFO, daß da extra ein Verteiler angegeben war mit Namen, sondern da war nur immer vermerkt INFO 1 am Kopf oder stand obenauf, oder INFO 2 bzw. [10329] INFO Hs oder INFO 3. Und das war nun gleich die Sortierung. In den Büros wußten die dann, wer dazu gehörte und haben das dann entsprechend sortiert, bzw. einzelne Gefangene haben von sich aus draufgeschrieben, dies geht nur eben an INFO 1 oder dies kann an INFO 3.

Vors.:

Welchen Umfang hatten diese Materialien? Wie oft kam was und wie?

Zeuge Mül[ler]:

Pro einzelne Sendung?

Vors.:

So daß man etwa den Eindruck kriegen kann, wie hat das ungefähr ausgesehen. Wieviel war pro einzelne Sendung? Wie häufig sind Sendungen erfolgt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja das war also pro Sendung immer zig Seiten und es war fast täglich. Also wenn in den Gefängnissen eben Posttage sind, also Postankunftstage. Das ergab sich unter anderem aber auch daraus, weil ein gewisser Zwang oder es bestand ein Zwang zur Teilnahme an diesem Kommunikationssystem.

Vors.:

In welcher Form drückte sich dieser Zwang aus? Was hatte man zu tun? Wie konnte man nachweisen, daß man teilnimmt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja indem man sich eben mit zu bestimmten Themen, die eben gerade im Moment im INFO akut waren, äußerte und das[jj] war[kk] einfach deswegen, weil Andreas Baader kontrollieren wollte, wie es mit dem oder dem, das war seine einzige Möglichkeit, die Leute direkt zu kontrollieren um[ll] zu sehen, ob sie eben bei der Stange sind oder nicht, oder was sie machen.

Vors.:

D.h., es wurden also auch Äußerungen verlangt, durch Stellungnahmen und dergleichen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Wie ist das nun an die einzelnen INFO-Empfänger gelangt, das Material?

Zeuge Mül[ler]:

Das lief dann über die Verteidigerpost. Aber nicht nur, sondern auch, ich erinnere mich, daß ich z.B. solche INFO’s bekommen habe, die mir direkt bei Besuchen ausgehändigt wurden.

Vors.:

Durch wen?

Zeuge Mül[ler]:

Köncke, weiß ich im Moment ...

Vors.:

Also auch durch Rechtsanwälte?

Zeuge Mül[ler]:

Rechtsanwalt Köncke, ja Rechtsanwälte, natürlich. Nicht andere Besucher.

Vors.:

Also auch bei Anwaltsbesuchen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Sind diese Materialien nun irgendwie gekennzeichnet gewesen, [10330] daß sie ohne jede Kontrolle zu Ihnen gelangen konnten? Liefen die auch in der Verteidigerpost?

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich mein, ich hab ja da einen einfachen Ordner mitgenommen, also einen Aktenordner. Und da habe ich die dann zwischen reingepackt. Und ich mein, die darf ja niemand durchsehen. Das sind ja Verteidigersachen, Prozeßsachen.[33]

Vors.:

Nun wie dicht war dieses Informationssystem. Damit meine ich, können Sie uns einen Eindruck vermitteln, ob man nun durch diese Materialien einen aus Ihrer Sicht ziemlich nahtlosen Überblick gewinnen konnte, über das was sich bei anderen tat? Was man für Absichten verfolgte? Wie man sich gegenseitig zu bestimmten Absichten, die vielleicht geäußert wurden, selbst stellt und dergleichen und so fort?

Zeuge Mül[ler]:

Im Prinzip kann man sagen, ist die Übersicht nahtlos. Es ist allerdings vorgekommen, daß einige Leute etwas vorgegeben haben, was sie jetzt wirklich nicht gedacht haben oder so. Also das sie eben etwas vorgespielt haben im INFO. Aber aufgrund der Situation in der sich die Gefangenen befinden, ist es eben nur eine bestimmte Zeit lang möglich und das, was dann tatsächlich da ist beim einzelnen, das bricht dann eben nach einer gewissen Zeit mit Sicherheit aus. Und dann weiß man eben auch Bescheid, was mit dem los ist.

Vors.:

Ich meine, kann man sagen oder bzw. ich möchte es als Frage so formulieren, glauben Sie durch diese Materialien nun in der Tat ein zuverlässiges und rasch zustande gekommenes Bild gewonnen zu haben, über Absichten anderer Leute die zur Gruppe gezählt wurden über Absichten, die etwa hier in Stuttgart-Stammheim gehegt wurden und dergleichen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja hier ist ja noch etwas dazu zu sagen. Es gab ja auch eine inoffizielle Kommunikation in Form von Privatbriefen zwischen einzelnen, die nicht immer, teilweise mir bekannt wurden, weil derjenige eben blöderweise darauf Bezug nahm oder so auf so einen Brief. Mir ist bekannt, als Beispiel jetzt. An Meins gab es Privatbriefe von Baader vor seinem Hungerstreiktod.[34] Es gab im Zusammenhang mit dem Hungerstreikabbruch von Grashof Privatbriefe von Baader eben an Grashof. Es gab zwischen Baader und mir mehrere Privatbriefe, wenn man so will, von denen die anderen nichts wissen sollten. Ja und so gab sicher auch noch mehr, von denen ich nichts weiß.

[10331] Vors.:

Und wer hat diese Privatbriefe, die ja nun nicht zum System gehörten, befördert?

Zeuge Mül[ler]:

Die liefen auch wieder über Verteidigerpost, bzw. über das Mitbringen bei Anwaltsbesuchen. Ja, das war das in der Hauptsache. Ich hab ein Schreiben direkt an Becker gerichtet, bei einer Handakte von Rechtsanwalt Groenewold gefunden, wo eben Eberhard Becker den Befehl kriegte, also mich wieder auf RAF Kurs zu trimmen. Also der Herr Baader hatte offensichtlich gemerkt, daß ich da nicht mehr so richtig wollte.

Vors.:

Können Sie überblicken, ob es da auch ein bestimmtes System bei denjenigen, die diese Materialien transportierten gegeben hat. Ob hier bestimmte Zuständigkeiten vorhanden waren?

Zeuge Mül[ler]:

Wie soll ich das verstehen?

Vors.:

Nun, Sie sagen, daß lief über Verteidigerpost. Soll man davon ausgehen, daß dann grundsätzlich die Verteidiger die legitimiert waren, diejenigen waren, die das Material an die einzelnen Mandanten transportiert haben oder gab es da andere Zuständigkeiten?

Zeuge Mül[ler]:

Das kann man nicht sagen. Also ich kann von meinem Wissen, von meinen Kenntnissen her nicht sagen, daß die Verteidigerbriefe und die Verteidigerpost, die ich erhalten habe, auch von jetzt ... wenn die Stempel, nehmen wir mal an, Stempel war Groenewold, auch von Groenewold selbst abgepackt war. Meines Wissens gab es z.B. im Büro Groenewold eine oder zwei Personen, die sich speziell damit beschäftigten, also das Technische ausführten. Also es mußte ja, wenn von mir ein Brief ans INFO ging, der mußte ja 20, 30 oder 35fach kopiert werden und möglicherweise hatte ich verschiedene Schreiben, also einen INFO 1, einen INFO 3, mußte dann sortiert werden. Der mußte abgepackt werden in Kuverts. Die Kuvert die waren ja alle verklebt mit Tesa und so. Das ist ja auch alles eine Riesen-Arbeit. Für diese Zwecke waren z.B. eben im Büro Groenewold Leute beschäftigt. Ich hab, wenn man so will, ich hab die Leute natürlich dort nie gesehen, weil ich ja im Gefängnis war. Ich hab aber mit einzelnen dieser Leute, in diesem Büro, geschrieben, wenn man so will. Also ich hab mich beschwert. Ich hab geschrieben, mir fehlt noch Nr. 33, 35, 36 von der Verteidigerpost. Wo bleiben die und was ist los, und wo ist die Bestätigung für meine Nummern und so. Also daher und auch aus anderen Gesprächen weiß ich z.B., daß eben diese, wenn man so will, diese technische Organisation bestand.

[10332] Vors.:

Es müßte also auch unter den Transporteuren ein Austauschverhältnis je nach den einzelnen Mandanten bestanden haben. Ist das richtig gesehen?

Zeuge Mül[ler]:

Wie meinen Sie das?

Vors.:

Nun nehmen Sie an, Sie haben einen bestimmten Anwalt. Jetzt hat er ja nicht unmittelbar Zugang zu Materialien, die von einem Manne oder einer Frau stammen, die er nicht vertritt. Da muß dann doch ein Austauschverhältnis existieren.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das gab es auch. Also bei mir war das ja so eben, aufgrund der Anfang 73 propagierten Blockverteidigung, daß ich ja ziemlich viele Anwälte hatte. Aber es war bei einzelnen der Fall, daß sie eben z.B. nicht durch Groenewold bzw. seine Mitverteidiger verteidigt wurden. Und da lief es dann eben so, daß die INFO Sachen über ein anderes Rechtsanwaltsbüro dann an dieses Mitglied gegeben wurden. So z.B. die Sachen an Braun, als er noch in München war, also über Croissant liefen. Also ich weiß nicht, ob der Lang damals noch da war, entweder Croissant oder Lang. Und später dann in Berlin, als er dann in Berlin war. Jansen[35] war, glaube ich, auch nicht Groenewolds Anwalt. Da liefen die Sachen dann eben über Berliner Anwälte, zum Teil Ströbele, zun Teil auch Hoffmann und so.

Vors.:

Können Sie, aber das ist nun eine Frage, da müssen Sie gleich sagen nein, wenn es nicht geht, uns ungefähr sagen, wieviel Seiten dieses Material, das Ihnen in der ganzen Zeit, solange dieses System für Sie klappte, das heißt, solange Sie angeschlossen waren, umfaßt hat. Nur daß man ...

Zeuge Mül[ler]:

Insgesamt?

Vors.:

Ja, was kam da ungefähr. Ging das in 100 von Seiten oder in 1000. Verstehen Sie, nur damit wir größenordnungsmäßig irgendwie den Eindruck bekommen, was da eigentlich umgesetzt wurde?

Zeuge Mül[ler]:

Also für die ganze Zeit des INFO Systems?

Vors.:

Solange Sie angeschlossen waren?

Zeuge Mül[ler]:

Ja das geht in die 1000de Seiten.

Vors.:

Meinen Sie, 1000de[mm] Seiten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja

Vors.:

Gab es noch außer diesen schriftlichen Kommunikationsmöglichkeiten andere Methoden, um Ihnen Nachrichten in irgendeiner Art zukommen zu lassen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja es gab also, was ich schon sagte, die mündliche Form, also daß da jemand eben kam von Andreas Baader und jetzt nicht ein [10333] Schreiben mitbrachte, sondern daß er quasi als sein Vertreter auftrat und mir eben sagte, was er oder was Baader meinte oder erwartete. In diesem Sinne habe ich also, um das zu charakterisieren mal Besuche von Rechtsanwalt Haag[36] gekriegt, der da als Abgesandter, wenn man so will, von Baader bei mir aufgetreten ist. Weiter gab es, daß war ungefähr 1973, da wurden dann Kassetten, also ich weiß von zwei Fällen, einmal weiß ich von Gesprächen bzw. aus eben INFO Texten, daß Kassetten besprochen wurden, die bei anderen abgespielt wurden. So z.B. von Ulrike Meinhof bei Astrid Proll.[37] Eberhard Becker[38] hat bei mir mal eine von Andreas Baader besprochene Kassette abgespielt, die sich hauptsächlich mit einem Text von Ulrike Meinhof zum Prozeß Proll und mit der Verhaftung von Andreas Baader selbst beschäftigte.

Vors.:

Das war also die Darstellung, wie diese Verständigung innerhalb oder unterhalb der Gruppe noch möglich gewesen ist. Ab wann ist bei Ihnen eine solche Kommunikation abgebrochen?

Zeuge Mül[ler]:

Ich hab den Hungerstreik Ende November Anfang Dezember abgebrochen und habe aber schon vor meinem Abbruch nur noch wenige, also ich seh’s, wenn ich es mal so sagen will, als Spielmaterial an, gekriegt. Also ich hab nicht mehr richtige INFO’s gekriegt, sondern entweder oberflächliche Sachen, so daß ich den Eindruck haben mußte, ich wäre quasi noch im INFO.

Vors.:

Was könnte die Ursache dafür gewesen sein, daß schon vor dem endgültigen Bruch bei Ihnen die Sache so versandete?

Zeuge Mül[ler]:

Ja die hatten offensichtlich so etwas abgesehen.

Vors.:

Könnte das auch damit Zusammenhängen, daß man mit Ihnen im Zusammenhang mit dem Hungerstreik nicht zufrieden gewesen sein könnte?

Zeuge Mül[ler]:

Es gab verschiedentliche Kritiken an mir. Ich hatte mir z.B. Vitamintabletten besorgt. Ich hatte auch eine, mir verschiedentlich erlaubt, eine eigene Meinung zu haben und da wurde mir natürlich allerhand auf den Hals gehetzt. Und in diesem Zusammenhang sehe ich auch, daß ich eben, so wie ich sehe, eben nur INFO Spielmaterial erhielt die letzten Tage.

Vors.:

Welche Rolle spielte denn das Material im Zusammenhang mit diesem Hungerstreik? Sie sagten ja, es gab das INFO 2, wurde zu einem speziellen INFO HS. Ist das richtig?

Zeuge Mül[ler]:

Ja. Und das INFO HS umfaßte eben alle, die an dem Hungerstreik teilnehmen. Und da war es dann wieder so, das fällt mir [10334] jetzt wieder ein, daß diejenigen, die jetzt eingeordnet waren in INFO HS konnten durch eine bestimmte Beteiligung, durch eine bestimmte Qualität der Beteiligung am Hungerstreik quasi in INFO 1 aufsteigen. Also mir fällt da z.B. Blenck ein, der da angeschrieben wurde. Und ihm wurde quasi übers INFO gesagt, nun[nn] hunger mal schön und da hast du die Möglichkeit ins INFO 1 zu kommen. Das stellt eben eine bestimmte Wertigkeit da, weil innerhalb der gesammten Szene besteht ein relativ hohes Ansehen der RAF oder bestand, ich weiß ja nicht, wie es jetzt ist.

Vors.:

Ist beim Auslösen des Hungerstreiks dieses INFO-System irgendwie bedeutungsvoll gewesen? Also Frage, wurde das schon vorbereitet?

Zeuge Mül[ler]:

Der Hungerstreikanfang der war ja schon vor dem Hungerstreikanfang bekannt.

Vors.:

Ja wie ist der bekannt geworden?

Zeuge Mül[ler]:

Ja der ist ja vorher abgesprochen worden, bei Besuchen und bei Verteidigerbesuchen.

Vors.:

Ist das nun mündlich geschehen oder ist darüber auch geschrieben worden, im Rahmen des INFO Systems? Wissen Sie das?

Zeuge Mül[ler]:

Soweit ich mich erinnere, ist da, glaube ich, nur mündlich darüber gesprochen worden. Ja, und das ist eben abgemacht worden. Es ist abgemacht worden, daß eben Ulrike Meinhof eine Rede hält und daß die gleichzeitig mit die Aufforderung ist ... Achja, zum Hungerstreikanfang, das war bekannt. Man brauchte da nicht jetzt darauf zu warten. Um das eben bißchen nicht so einheitlich zu machen, haben eben manche morgens angefangen und manche abends. Um da eine gewisse, um da den Eindruck einer Spontanität zu erhalten, also das jetzt aufgrund dieses Aufrufs im Prozeß der Hungerstreik angefangen werden würde, das war nicht der Fall. Es sind, ich überlege gerade, wie war denn das mit der Rede. Ja, ich kann das im Moment nicht mehr sagen. Ich weiß jetzt nur noch, daß eben diese Rede oder diese Erklärung in diesem Prozeß wurde von Ulrike Meinhof vorbereitet und sollte auch von ihr geschrieben und gehalten werden. Wann ich die jetzt über das INFO gekriegt hab, das weiß ich jetzt gar nicht mehr.

Vors.:

Gut. Da wir jetzt ja beim INFO sind und klären wollen, wie diese Kommunikation geklappt hat, auch was sie inhaltlich für eine Bedeutung hatte, was hat sie nun gerade im Zusammenhang mit dem Hungerstreik bewirkt, diese Kommunikation über das INFO System?

Zeuge Mül[ler]:

Ja das INFO System hat im Zusammenhang mit dem Hungerstreik [10335] bewirkt, daß eben diese Aktion so geschlossen und so forciert wie möglich durchgeführt werden konnte.

Vors.:

Sind da auch etwa Anweisungen gegeben worden, wie man sich zu verhalten habe, gegenüber medizinischer Betreuung, gegenüber Kontakten mit der Außenwelt, sei es auch nur innerhalb der Haftanstalt mit Personal und dergleichen und so fort?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Ich beanstande diese Frage, weil ich jedenfalls bei dieser Frage einen sachlichen Zusammenhang zu § 129 StGB nicht zu erkennen vermag. Herr Zeis rüstet schon zur Antwort. Das ist sein gutes Recht. Hungern, Herr Vorsitzender Richter, ist nicht rechtswidrig und gerade das, worauf Sie jetzt bei Ihrer Frage gesetzt haben, vermag keinen Zusammenhang zu rechtswidrigen Handlungen oder Absichten herzustellen. Also jedenfalls im Rahmen dieser Frage vermag ich, so konkret wie sie gestellt war, vermag ich einen Zusammenhang mit der Anklageschrift nicht zu erkennen.

Vors.:

Darf ich, bevor ich Gelegenheit gebe, noch ganz kurz den Zusammenhang, so wie ich ihn sehe, hier darstellen. Ich gehe davon aus, daß der Hungerstreik eine Aktion gewesen ist, die hier in dem INFO vielleicht den Niederschlag gefunden hat. Wenn sie eine gemeinschaftliche Aktion gewesen sein sollte, so könnte sie der Fortsetzung, dem Zusammenhalt der Agitation gedient haben und damit eine Sache gewesen sein, die auch unter den Tatbestand des [§ ]129[ StGB] zu bringen wäre.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Das habe ich nicht bestritten, nur die Frage, die Sie soeben gestellt haben, ließen diesen Bezugspunkt nicht erkennen.

Vors.:

Aber den habe ich, ausschließlich. Bleiben Sie dann bei der Beanstandung?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Das wird sich entscheiden, wie der Herr Müller auf die Frage antwortet. Ich behalte mir eine Wiederholung vor, denn ich meine, ich habe gesehen, was Sie fragen wollen und ich sehe den Bezugspunkt, den Sie ins Spiel bringen wollen. Aber ich werde versuchen zu verhindern, daß durch Antworten des Herrn Müller Dinge ins Spiel gebracht werden, die mit diesem Bezugspunkt inhaltlich nichts zu tun haben.

Vors.:

Gut. Ich darf vielleicht meine Frage neu formulieren. Vielleicht unter Berücksichtigung gleich dessen, was Sie glauben, daß es nicht zulässig wäre. Die Frage geht dahin, ob, nachdem das Auslösesignal ja offenbar mündlich gegeben worden ist und Sie schon angedeutet haben, der Hungerstreik sei eine geschlossene Aktion ge- [10336] wesen, das war Ihr Wort, ob mittels dieses INFO Systems diese Geschlossenheit gewahrt worden ist. Ob diese Geschlossenheit auch dadurch erreicht worden ist, daß bestimmte Detailanweisung, Einzelanweisung gegeben worden sind, z.B. wie man sich verhalten soll im Falle medizinischer Betreuung oder im Umgang mit der Außenwelt und dergleichen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, in diesem Sinne diente das INFO System auch. Entweder in Form also schriftlicher Anweisungen, die bei Besuchen überreicht wurden. Zum Teil bei Sachen die verschickt wurden, zum Teil auch bei mündlichen Anweisungen. In diesem Zusammenhang gab es einen Besuch von Rechtsanwalt Haag, der da mal ganz gezielt und konkret Anweisungen eben gab, wie man sich zu verhalten hätte.

Vors.:

Ja gehörte das nun auch im Zusammenhang mit dem schriftlichen INFO System, daß das über das Büro kam oder mündlich?

Zeuge Mül[ler]:

Um da nicht Mißverständnisse auftauchen zu lassen, das INFO oder das INFO System bestand ja nicht nur aus den Papieren, sondern es bestand aus den Besuchen, aus den Gesprächen usw.

Vors.:

So daß Sie das also, wenn Sie von INFO System sprechen auch mit einbeziehen die Nachrichten, die Sie über solche Besuche bekommen haben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Ist es richtig, daß Sie im Zusammenhang mit Ihrer polizeilichen Vernehmung Unterlagen übergeben haben, die Sie noch besaßen, die Sie über dieses INFO System bekommen haben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Dem Zeugen wird aus Ordner 127 eine Ablichtung von Blatt 140 (Anlage 3) übergeben.

Hierzu erklärt der Zeuge:

Zeuge Mül[ler]:

Die Anlage 3 ist geschrieben von Margrit Schiller. Und hier möchte ich vielleicht noch dazu sagen, daß ich dieses Schreiben, das über das INFO ging, kurz nachdem Margrit Schiller dieses Schreiben geschrieben hatte, wurde mir das Originalschreiben von Groenewold gezeigt. Und er fragte mich in dem Zusammenhang, was ich eben dazu meinen würde usw. später erhielt ich dann auch eben dieses Ding hier.

Vors.:

Ich darf Ihnen zusammenfassend aus den ersten Absätzen dieses Schreibens vorhalten, daß hier draus hervorgeht, daß sich offenbar die Untersuchungsgefangene Schiller damals Gedanken gemacht hat, [10337] ob sie Mitglied der RAF sein oder bleiben könnte und ob sie den Hungerstreik fortführen solle. Und es endet dann der erste Absatz - ich hab es gerade mit Bleistift für Sie unterstrichen, weil ich nach dem Sinn dann Sie fragen will - mit dem Wort: „Sie habe, als es ihr kotzübel wurde, entdeckt, daß sie nicht sterben wolle. Also könnt ihr euch nicht auf mich verlassen.“ Was ist das, hat das einen Zusammenhang mit dem Hungerstreik und was sollte die Parole, daß sie nicht sterben wolle und deswegen ist[oo] kein Verlaß auf sie?

Zeuge Mül[ler]:

Achso, ja, daß hängt mit der Projektierung des Hungerstreiks zusammen. Es war ja so, die Forderungen des Hungerstreiks waren ja absolut und außerdem was als Druckmittel quasi eingesetzt wurde war ja genauso absolut. Das war ja das Leben der einzelnen Teilnehmenden. Und am 28.11. war schon die Diskussion gelaufen übers INFO über einen Durststreik und der hätte bei der gesundheitlichen Lage aller Gefangenen also unweigerlich den Tod von einigen zur Folge gehabt, wenn er konsequent durchgezogen worden wäre. Und sie sagt hiermit, daß sie nicht sterben will. Naja, ich mein, für mich ist das irgendwie logisch. Ich versteh da nicht ...

Vors.:

Ja nun, die Frage ist nur, ob die Verlässlichkeit die man voraussetzte im Zusammenhang mit dem Hungerstreik, offenbar auch die Forderung beinhaltete, notfalls zu sterben. Und ob das irgendwie vorbereitet worden war durch dieses System, daß man den Hungerstreik unter solchen Devisen antritt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja es ist ja so. Dieser Hungerstreik ist ja als Aktion der Guerilla im Knast, wenn man diese Worte gebrauchen will, bezeichnet worden. Und die impliziert natürlich auch, daß man da eben in so einer Aktion sein Leben einsetzt! Und wenn man das nicht will, dann wird man fragwürdig und man gehört eben nicht mehr dazu.

Vors.:

Also solche Fragen, um das als inhaltliches Beispiel zu nehmen, sind im INFO erörtert worden? Wenn man das jetzt unterstellen darf, daß das dann verteilt wurde unter allen Empfängern. So muß das doch Gegenstand der geistigen Auseinandersetzung geworden sein. Oder täuscht man sich, wenn man das glaubt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja ich mein, diese Frage die ist übers INFO diskutiert worden. Also Leute die konkret nicht bereit waren oder wo es den Anschein hatte, daß sie diesen Einsatz eben nicht bringen wollten, die wurden da manchmal ziemlich kräftig übers INFO zurechtgerückt.

Vors.:

Das wäre also ein Beispiel für, kann man es so verstehen, für [10338] Einzelanweisung welche Voraussetzung, welche Bereitschaft der Hungerstreik bei den Einzelmitgliedern erfordert?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, das ist hier ein Papier, das ist normal über die Verteidigerpost gekommen und das war eben ein Set mehrere Seiten INFO 1. Das war jetzt keine Einzelanweisung, sondern das war eine Selbstkritik von Margrit Schiller zu ihrem Hungerstreik.

Vors.:

Ja sicher, sicher. Da haben wir uns mißverstanden. Aber offenbar, wenn man auf solche Punkte eingeht. „Auf mich könnte ihr euch nicht verlassen, weil ich nicht die Bereitschaft habe“, die offenbar vorausgesetzt wird. So müßte doch der Punkt, es ist Voraussetzung für jeden Einzelnen der teilnimmt, daß er bereit ist, notfalls auch sein Leben zu opfern. Die müssen doch vorher erörtert worden sein, sonst könnte doch niemand antworten und sagen, ihr könnt euch auf mich nicht verlassen, denn ich erfülle eure Voraussetzungen nicht.

Ende von Band 596

[10339] Zeuge Mül[ler]:

Ja, der ganze Hungerstreik ist ja so konzeptiert worden.

Vors.:

Ja, aber die Frage geht eben, ob das über das INFO-System, über diese Kommunikation geschehen ist.

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

So daß das also mittels dieses Kommunikationssystems erarbeitet wurde, vor dem Hungerstreik oder während des Hungerstreiks?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das ging ja auch gar nicht anders.

Vors.:

Und von wem kamen nun die Überlegungen, die und die Voraussetzungen müssen gegeben sein, z. B. die Bereitschaft zu stärken? Wer war da der Kern, der solche Dinge verlautbart hat über das INFO-System?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich meine, das kam mit der, wenn man jetzt genau die Leute benennen will, dann waren eben so treibende Elemente Andreas Baader und Gudrun Ensslin.

Vors.:

War das, weil Sie jetzt gerade die Namen nennen, für Sie selbstverständlich oder wissen Sie, daß das nun der Kern gewesen ist, so war ja die Frage?

Zeuge Mül[ler]:

Es ist nicht angenommen von mir, sondern das weiß ich aus der ganzen Diskussion, die im INFO stattgefunden haben, und da waren eben die beiden diejenigen, die da auf Teufel komm raus gehetzt haben.

Dem Zeugen wird aus Ord. 127 eine Ablichtung von Anlage 6.4., Bl. 4 übergeben.

Vors.:

Zunächst die Frage, erinnern Sie sich an solch ein Schreiben, gehörte das zum INFO und wenn, können Sie sagen, von wem dieses Schreiben stammt?

Zeuge Mül[ler]:

Also ich muß hier mal sagen, aus dem Blatt kann ich es nicht ersehen, ob das über das INFO Groenewold oder über das INFO Becker lief, aber auf jeden Fall lief das über das INFO. Weil die Schreiben, die ... also Schreiben von Baader, die bei Besuchen mitgebracht wurden, die wurden jedenfalls bei mir von, z. B. von Köncke sofort wieder mitgenommen, die wurden mir nicht überlassen. Da ich das hier zur Verfügung gestellt habe, schließe ich daraus, daß es aus einem der über Verteidigerpost geschickten INFO stammt, entweder über das von Groenowold oder über das von Becker.

Vors.:

Nun, Sie setzen offenbar da voraus, daß es von einem bestimmten Absender stammt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das ist von Andreas Baader.

[10340] Vors.:

Nur um den Inhalt dieses Schreibens noch[pp] zu charakterisieren und damit natürlich das System an sich. Ich möchte Ihnen zunächst das vorhalten, daß hier Stellung genommen wird, z. B. heißt es hier im 2. Absatz „Zu u.“. Kann man davon ausgehen das unter „Zu u.“ jemand bestimmtes gemeint ist?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, „Zu u.“ das heißt zu Ulrike Meinhof oder zu Ulrike.

Vors.:

Und da heißt der Text „... ist klar, daß du nichts mehr entscheiden wirst, daß du auch nichts mehr ankündigen wirst - das letzte - du wirst nichts mehr andrehen, wozu wir nicht gesagt haben So, jetzt. antworte darauf + zwar sofort.“

Zunächstmal zum äußeren Ton. Konnte sich jeder Beteiligte an diesem System einen solchen Ton erlauben im Umgang mit den anderen? Ist das so geschehen oder ist das nun hier wieder der Hinweis für eine bestimmte Rangordnung, wenn man es so ausdrücken darf?

Zeuge Mül[ler]:

Also, er konnte es nicht, es kam ... Also mir ist dieser Ton eben auch hauptsächlich nur von dieser Person in Erinnerung. Ich hab, wenn ich mal ein Beispiel bringen soll, Gudrun Ensslin hat über das INFO geschrieben, also man hätte mir damals zu einem bestimmten Punkt mal in die Fresse hauen müssen. Und da habe ich gesagt, habe ich es über das INFO geschrieben, habe gesagt, also es wäre nicht der Ton, mit dem man mit mir redet, und habe dann nun in dergleichen Art zurückgeschrieben. Und dann habe ich aufgrund dessen einen Privatbrief von Andreas Baader gekriegt, daß ich 1. niemanden von diesem Brief sagen darf und daß ich 2. das öffentlich zurücknehmen soll, was ich gegen Gudrun Ensslin über INFO geschrieben hätte. Ich bin dann sofort an die Kandarre genommen worden. Mir ist eigentlich nur bekannt, daß ... Manfred Grashof hatte manchmal auch so einen Ton gegenüber bestimmten Leuten, aber ich habe nicht in Erinnerung, daß er den auch mal gegen Andreas Baader gehabt hätte.

Vors.:

Es heißt dann oben „Kg-sofort. Wenn dieser „Vermittler“ Priceschwestern bei Dir auftaucht, von dem in Berlin die Rede war, schickt ihn hierher, macht das auch klar, daß hier oder überhaupt nicht über Verhandlungen geredet wird. Und jedenfalls komm mit. Also das kann ein Gespräch werden, wenn er legitimiert ist z. B. durch eine Connection, Auftrag, Justizministerium, woran ich nicht glaube. Check mal das durch, klar was ich will, Information.“ Was soll das bedeuten, konnten Sie das verstehen und was ist das?

[10341] Zeuge Mül[ler]:

Ja, das geht an ... kg heißt Kurt Groenewold, das ist sein ... das ist die ... also er ist meistens im Schreiben mit kg angeredet worden; das ist eine Kürzung für seinen Namen und soweit ich das noch in Erinnerung habe, tauchte damals auf, jemand, der in Beziehung mit diesem ... da war ein Hungerstreik von zwei IRA-Frauen, also den sogenannten Price-Sisters.[39] Und die versuchten gerade zu der Zeit, alle möglichen Leute zu mobilisieren, damit sie sich eben für den Hungerstreik einsetzten und andererseits waren sie natürlich dauernd an einer Connection, also am Kontakt zur ...

Vors.:

Herr Müller, damit wir uns nicht falsch verstehen, mir kommt es vor allen Dingen darauf an, in dem Zusammenhang, „ich will Informationen, und macht auch klar, daß hier oder überhaupt nicht über Verhandlungen geredet wird.“

Zeuge Mül[ler]:

Ach so ...

Vors.:

Was bedeutet das?

Zeuge Mül[ler]:

Das besagt ganz einfach, daß die Zentrale und die Anweisungen für den Hungerstreik eben von Baader von Stuttgart ausgingen.

Vors.:

Also das Wort „hier“ würde dann auf Stammheim hinweisen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Und ist das nun akzeptiert worden, soweit Sie einen Einblick haben, daß hier gesagt wird, wenn wo verhandelt wird, dann hier oder überhaupt nicht, oder gab es da durch das INFO wieder Hinweise darauf, daß es eine solche Rangordnung in der Gruppe nicht gab?

Zeuge Mül[ler]:

Natürlich gab es die, insofern ist es immer akzeptiert worden. Alles was bei diesem Hungerstreik an Wichtigem durchgeführt wurde, mußte letztlich also entweder von hier, also von Baader in Stammheim, genehmigt sein oder es kam direkt von ihm. Das war genauso mit dem Sartre-Besuch[40] und so. Also da gab es eine Anweisung, daß Ulrike Meinhof an Sartre einen Brief schreibt, und sie kann das ja so schön, daß er eben einen Besuch macht bei Andreas Baader, weil dieser eben in Gefahr wäre, während des Hungerstreiks umgelegt zu werden und man dies eben verhindern müßte. Und da mit diesem Schreiben von Ulrike Meinhof ist eben, das habe ich, also das will ich jetzt sagen, das sind nur Sachen vom Hörensagen, ist dann eben ein Anwalt bei Sartre aufgetaucht, und der hat dann aufgrund dessen einen Besuch hier gemacht.

Vors.:

Sind nun außer diesen Erörterungen z. B. hier im INFO II Hungerstreik und dergleichen, auch andere Themen Gegenstand dieses [10342] INFO’s geworden, z. B. Planungen, Schulungen; um was ging es dabei, wenn so etwas geschehen sein sollte?

Zeuge Mül[ler]:

Es ist jetzt die Thematik, also im INFO, die war natürlich, die bezog sich natürlich auf alles, also auf Prozesse, auf Hungerstreiks, sie bezog sich auf Aktionen, die draußen liefen, die bezog sich natürlich ...

Vors.:

Was heißt das, Aktionen, die draußen liefen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, also ich weiß mindestens eben von solchen kleinen Sachen, wie Besetzungen, Brandanschläge, Krawalle, Schmierereien an Häusern[qq] und solche Sachen.

Vors.:

Um gleich bei diesem Thema zu bleiben. Nachdem ja Sprengstoffgeschehen schon eine Bedeutung erlangt hatte, nach Ihrer Darstellung, innerhalb der Gruppe, ist z. B. auch im INFO versucht worden, über diese Dinge sich schlüssig zu werden, was da in Zukunft passieren könnte oder wie die Kenntnisse und dergleichen verbessert werden könnten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es gab natürlich also eine Planung, die sah eben voraus, jetzt die Lage, in der sich die Gefangenen befanden, also die Isolierung, vom Anstaltsleben aufzubrechen und dann die Gefangenen zu politisieren und eben als Rekruten, wenn man so will, der RAF oder ähnlicher Gruppen, zu gewinnen, einerseits, und andererseits um dadurch auch danach oder gleichzeitige verbesserte Möglichkeiten für eine, wenn man so will, Ausbildung eben der Guerilla im Knast zu haben. Das heißt, daß man[rr] sich eben theoretisch zumindestens für solche Aktivitäten draußen brauchbare Kenntnisse eben im Knast aneignet, also chemische Kenntnisse, elektrische, sprengstofftechnische ... naja, und so weiter, was da alles so dazugehörte.

Vors.:

Und war beabsichtigt oder gar verwirklicht, daß das INFO solche Kenntnisse vermitteln sollte?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das war ja schon angefangen, das lief ja zum Teil schon über das INFO.

Vors.:

Und das kam auch als Verteidigerpost zum Teil oder wurde direkt gebracht?

Zeuge Mül[ler]:

Also das kam, zumindenst zum Teil auch per ... also ich glaube sogar, das meiste kam per Verteidigerpost. Bei mir war insoweit eine besondere Situation, weil bei mir eine gewisse zeitlang alle Verteidigerpost entweder verschwand oder beschlagnahmt[41] wurde und deswegen kriegte ich die dann stapelweise bei Besuchen und so. Und [10343] darüber gab es, wenn man nochmal auf den Anfang zurückgehen will, es gab da Anweisungen, also so ein Arbeitsteiler[ss], wenn man so will, über die Themas, mit denen sich einzelne beschäftigen sollten. Man war auch gezwungen, sich da was auszusuchen; ja, in dieser Hinsicht handelte es sich dabei, also z. B. daß man sich mit einem bestimmten Land beschäftigt. Dieses Land schloß natürlich immer evtl. existierende Organisationen z. B. IRA[42] oder ETRA[43] oder ... in der Türkei gab es auch so was, ein, und das Studium natürlich der Organisation, und auf der anderen Seite sollte man sich auch damit beschäftigen, also mit in der Bundesrepublik existierenden, wichtigen Organisationen, wie eben Wirtschaftsverbände, Konzerne usw. Dieses Material, soweit es eben brauchbar wäre, sollte dann, von den Gefangenen erarbeitete Material sollte eben dann archiviert werden - draußen - um dann einen Rückgriff zu haben, wenn also draußen wieder eine Organisation existiert, um dieses erarbeitete Material dann für Aktionen oder bei Aktionen verwenden zu können.

Vors.:

Herr Müller, Sie haben jetzt den Vormittag ausgesagt. Ich habe nur noch wenige Fragen, dann wird der Herr Berichterstatter sich insbesondere mit weiteren Fragen und den Asservaten hier mit Fragen an Sie wenden. Es sind dann noch ein paar abschließende Fragen meinerseits an Sie zu stellen.

Sind Sie noch für ein paar allgemeine Fragen jetzt im Augenblick im Stande?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Wir interessieren uns dafür, Sie waren Mitglied, Sie müssen ein Mitglied gewesen sein, das lässt sich folgern aus den Kenntnissen, die Sie hier preisgeben, das hohes Vertrauen genossen hat, also doch, muß man ganz klar sagen, in den inneren[tt] Kern Einblick gewonnen hat, wenn Ihre Aussagen zutreffen. Wie kommt es, daß Sie bereit sind, Aussagen zu machen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das ist nicht eine Sache, die sich plötzlich ergeben hat, ich meine, die hat sich so langsam angebahnt. Ein wichtiger Punkt war eben mein Hungerstreikabbruch. Ich war mit der Art und Weise, wie der[uu] geführt war, nicht einverstanden. Ich bin schließlich in, wenn man so will, in einen Gewissenskonflikt gekommen durch bestimmte Anschläge, die damals stattgefunden haben. Ich denke ... es gab einen Anschlag gegen Prof. Klug,[44] es gab einen Anschlag gegen den Hauptbahnhof,[45] es gab die Ermordung von Drenkmann,[46] und es gab dann das Verhalten verschiedener Leute mir gegenüber; also ich meine sowohl [10344] Mitglieder als auch Anwälte. Und ich habe mir eben ... aufgrunddessen habe ich mich entschlossen, aus der RAF rauszugehen, wegzugehen und habe mich dann in der Folge sehr stark mit diesen ganzen Problemen und dieser ganzen Problematik, die ja auch meine eigene Vergangenheit ist, beschäftigt. Und ich habe dann eben aufgrunddessen und weil ich ja auch inzwischen raus war, deswegen konnte ich das ja, also ist mir klar geworden, um was es sich eben bei der RAF handelt, und daß es hier nichts gibt, was in irgendeiner Weise zu verteidigen wäre, und daß es eben am ehestens notwendig ist, mal genau und im Detail zu sagen, was da eigentlich geschieht, daß es sich hier nicht um eine revolutionäre Organisation handelt oder daß es sich hier eben nicht um eine sogenannte Guerilla handelt, und was da eben so an großen und kleinen Schweinereien lief.

Vors.:

Sind Ihnen von irgendeiner Seite bei Ihren Angaben, die Sie gemacht haben, vorher oder während der Aussagen, irgendwelche Versprechungen gemacht worden, irgendwelche Zusagen oder Vergünstungen, um Sie zu diesen Aussagen zu zwingen oder um Ihre Aussagebereitschaft zu fördern?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, das ist nicht richtig.

Vors.:

Wie ist denn die Vernehmung, die hier nun zugrundeliegt, abgelaufen? Sind Sie durch Polizeibeamte vernommen worden?

Zeuge Mül[ler]:

Ich habe mich selbst, also wenn das die Frage sein sollte, ich habe mich selbst dazu entschlossen und ich stehe dahinter, und ich habe, soweit ich mich erinnere, die Polizeibeamten angesprochen.

Vors.:

Wie ist denn[vv] die Vernehmung nun äußerlich verlaufen? Haben Sie etwa, was hier als Protokoll sichtbar ist, von sich aus diktiert oder ist das von Ihnen erzählt worden und die Herren haben es dann in ihrer Sprache diktiert und Sie mitverfolgt und abgezeichnet, wie ist das gegangen?

Zeuge Mül[ler]:

Also es war ein Kampf.

Vors.:

Ein Kampf?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Den müssen Sie uns schildern, wer gegen wen und warum gekämpft hat.

Zeuge Mül[ler]:

Also, weil ich immer sehr darauf bestanden habe, daß das so niedergeschrieben wird, wie ich das meine, und ... ja, und da haben sich ab und zu eben Differenzen ergeben, weil manchmal eben doch in der Wortwahl, und so[ww] die ist in gewisser Weise manchmal entscheidend, und ich habe eben darauf bestanden, daß es so und so geschrieben wird, also da, wo mir das wichtig erschien. Andererseits war es natürlich so, daß ich nicht die[xx] geistigen Fähigkeiten, hab[yy] also so das nur von mir [10345] allein herzumachen; in gewisser Weise habe ich auch wieder Formulierungshilfe bekommen.

Vors.:

Konnten Sie sich, nachdem Sie Ihre Angaben gemacht hatten, und ein Protokoll erstellt war, jeweils davon überzeugen, ob das zumindest sinngemäß so niedergelegt wurde, wie Sie es ausgesagt haben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich hab da also nachher dann, am Schluß jedes Vernehmungstages habe ich ja die Sache nochmal durchgelesen, habe sie geprüft, ob sie zumindest im Sinn das wiedergeben, was ich aussagen wollte und hatte dann die Sachen unterschrieben.

Vors.:

Ist es richtig, daß Sie jede einzelne Seite Ihrer Vernehmung seinerzeit abgezeichnet haben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, und ich hab auch jede einzelne Seite also durchgelesen nochmal.

Vors.:

Bedeutet dieses Abzeichnen jeder einzelnen Seite, daß Sie damals bei der Vernehmung die Überzeugung gewonnen hatten, es sei inhaltlich richtig wiedergegeben, was Sie angegeben haben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Und Sie können uns also hier bestätigen, wenn ich Sie richtig verstehe, daß das von Ihnen aus geschehen ist, Sie selbst das angeregt haben, daß Sie Angaben machen und daß niemand Ihnen mit irgendwelchen Versprechungen oder Vergünstungen diese Bereitschaft abgerungen hat?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ja.

Vors.:

Ich würde vorschlagen, daß wir jetzt in die Mittagspause eintreten, und um 14.00 Uhr - die Beteiligten sind einverstanden - fortsetzen, der Herr Berichterstatter wird dann die Fragen übernehmen.

Bis 14.00 Uhr unterbrechen wir.

Pause von 11.52 Uhr bis 14.03 Uhr

Ende Band 597

[10346] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr.

RA Künzel ist wieder anwesend.

RA Schwarz ist nunmehr auch anwesend.

[zz]

RAe Dr. Heldmann, Schily, Huth und Prof. Dr. Azzola sind nicht mehr anwesend[aaa].

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen; die Verteidigung ist gewährleistet.

Herr Müller, ich sehe grade, Ihr Herr Rechtsanwalt ist nicht anwesend.

RA Schily erscheint um 14.03 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, er ist kurz zum Telefonieren. Er kommt gleich wieder.

Vors.:

Legen Sie Wert darauf, daß wir mit der weiteren Befragung warten?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, wenn’s geht.

Vors.:

Wenn Sie es wünschen, müssen wir uns daran halten.

RAe Dr. Heldmann und Huth erscheinen wieder um 14.04 Uhr im Sitzungssaal.

Kommt schon, ja? Danke schön.

Ich glaube, jetzt sind wir ganz komplett.

Wie angekündigt: Bitte schön, Herr Berichterstatter.

Richter Mai[er]:

Wir wollen Asservate vorlegen.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 69.3 vorgelegt.

Kennen Sie das, Herr Müller?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist das anarchistische Kochbuch[47] und ... -

Richter Mai[er]:

Wo haben Sie das gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Das steht hier drin. Ich habe aber jetzt aufgeschlagen die Stelle, wo die ...

Richter Mai[er]:

Nein, ich meine, in welcher Wohnung haben Sie das gesehen?

[10347] Zeuge Mü[ller]:

In der Inheidnerstraße.

Richter Mai[er]:

Wenn Sie jetzt bitte vielleicht mal die S. 116 aufschlagen wollen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, die habe ich bereits aufgeschlagen.

Richter Mai[er]:

Am Rande links oben ist eine Handschrift. Von wem ist die?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich Ihnen nicht sagen; ich weiß bloß, daß ... entweder Gudrun Ensslin oder Raspe hat hier Übersetzungen gemacht, weil: Das ist ja alles in Englisch geschrieben.

Richter Mai[er]:

Sie selber können nicht Englisch?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, doch, aber nicht ...

Richter Mai[er]:

Aber keine chemischen Texte?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, und auch nicht normale Texte. Also ich kann einzelne Worte und so -

Richter Mai[er]:

Und die Handschrift können Sie also nicht entziffern, die da am Rande angebracht ist?

Zeuge Mü[ller]:

Nee.

Richter Mai[er]:

Wenn Sie da grade dieses Rezept unter der Ziff. 1 sich vielleicht einmal ansehen - wir haben uns das übersetzen lassen -, da sind angeführt „60 % Ammoniumnitrat 29,5 % Kaliumnitrat“ - das wären also annähernd etwa 90 % - der Rest dann „Schwefel, Holzkohle und Sägemehl“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist die graue Mischung.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat E 23 V 5 Pos. 84

- eine Ablichtung befindet sich in Ordner 81 Bl. 83/1 -

vorgelegt.

Kennen Sie das?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich selber muß sagen, daß ich das Ding nicht kenne; aber ich weiß, daß es ... Also hier steht die Herstellung für Knallquecksilber drin mindestens und dieses komische rote Zeug.

Richter Mai[er]:

Dann sehen Sie sich mal auf der ersten Seite unter A 2 die Thermitladung an.

Zeuge Mü[ller]:

Thermit, ja. Da steht unter A: 2 Aluminiumstaub, 4 - das soll Ammoniumnitrat sein - und das andere Bleioxyd.

[10348] Richter Mai[er]:

Und 3 Teile PBO 2, 3 - das soll Bleioxyd, also Bleimennige sein.

Kennen Sie dieses Rezept?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist das Rezept für den roten Sprengstoff.

Richter Mai[er]:

Und wer von den Frankfurter Mitgliedern hat dieses rote Rezept organisiert?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist das Rezept - dazu gehört eben auch die Knallquecksilberherstellung - was von Gudrun Ensslin über Brigitte Mohnhaupt und über RA Ströbele besorgt wurde.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 VI 5 Pos. 61

- eine Ablichtung befindet sich in Ordner 81 Bl. 12 -

vorgelegt.

Wenn Sie sich da mal diese Zahlen ansehen, Herr Müller, in der Mitte links: 4 AM 2,5 Blei 2 Alu.

Von wem ist das?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich nicht sagen; ich weiß nur, das ist diese geänderte Formel für ... also mit dem geänderten Bleianteil von 2,5. Aber wer diese Formel aufgeschrieben hat, das kann ich nicht sagen. Also meine Schrift ist das nicht.

Richter Mai[er]:

Wenn Sie dann bitte mal umdrehen, die Vorderseite dieses Blattes.

Wessen Schrift ist das? Das ist offenbar ne andere.

Wenn Sie oben rechts mit Faserstift sehen.

Zeuge Mü[ller]:

Mhm -

Richter Mai[er]:

Da sind offenbar Berechnungen angestellt worden A,K,S,HK,HM, - also möglicherweise Ammoniumnitrat usw, das graue Rezept.

Zeuge Mü[ller]:

Also die rote Filzstiftschrift ist von mir.

Richter Mai[er]:

Das oben rechts?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Aber hier ist auch ... auf der anderen Seite ist ... also neben dieser Formel, und zwar rechts sind da Berechnungen, also 100 : 8,5 - das ist auch meine Schrift.

Richter Mai[er]:

Und wissen Sie noch, wo Sie diese Berechnungen angestellt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, in der Inheidnerstraße.

[10349] Richter Mai[er]:

Ja, dort soll es gefunden worden sein.

Danke schön.

Dem Zeugen wird ein Original-Lieferschein[bbb]

- eine Ablichtung befindet sich in Ordner 79 Bl. 183 -

vorgelegt.

Ein Lieferschein der Fa. Hölzle & Chelius KG in Frankfurt. Können Sie damit etwas anfangen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist für die Rechnung für 500 kg Ammoniumnitrat, die ich dort bestellt und abgeholt habe.

Richter Mai[er]:

Sie haben ja bereits über einen derartigen Vorgang berichtet. Es taucht hier eine Fa. Merkko Handelsgesellschaft, Frankfurt/Main, Mainzer Landstr. 227 auf.

Zeuge Mü[ller]:

Dabei handelt es sich um eine Phantasiefirma, und der Name Merkko der ist so ein abgeänderter Name der Fa. Merk, die ja auch eigentlich ne Chemiefirma ist.

Richter Mai[er]:

Es handelt sich also um den Vorgang, den Sie bereits geschildert haben.

Nur noch eines, Herr Müller:

Haben Sie selbst diese 500 kg Ammoniumnitrat und die 250 kg Kaliumnitrat abgeholt? Allein oder war jemand dabei?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich hab die auf dem Fabrikgelände selbst abgeholt; bei der Abholung war aber noch - ich kann mich nicht mehr dran erinnern, ob es zwei Abholungen waren oder eine - jedenfalls war mindestens bei einer Raspe dabei, und zwar stand der neben der Einfahrt bzw. Ausfahrt zu dieser Handlung. Da befand sich ein Kiosk, und vor diesem Kiosk stand er in einem größeren Wagen, während ich in der Firma war und das Zeug abholte.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen werden die Asservate

E 23 VI 5 Positionen 146 - 148

vorgelegt.

Kommt Ihnen das bekannt vor, Herr Müller?

[10350] Zeuge Mü[ller]:

Ja. Wenn die Sachen, die drin sind, also noch das Originalzeug ist, dann kann es sich um Kaliumnitrat handeln.

Also das ist auf jeden Fall die Verpackung von dem Kaliumnitrat.

Richter Mai[er]:

Das erkennen Sie wieder?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Und wo kam dieses Material hin?

Zeuge Mü[ller]:

Zuerst in die Garage Marbachweg bzw. Dornbusch - also die sind identisch - und dann ein Teil des Materials in die Wohnung Inheidnerstraße und ein anderer Teil nach Berlin.

Richter Mai[er]:

Also dieses Material hier, das soll nach dem, was uns die Polizei gesagt hat, in der Inheidnerstraße gefunden worden sein.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 VI 5 Pos. 149 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Das ist Schwefel. Nun ja, ob jetzt unbedingt diese Pakkung aus dieser Drogerie stammt, kann ich nicht sagen, aber u. a. solche Packungen und auch diese innere Verpackung, Plastikfolie und so, solchen Schwefel hab ich besorgt in einer Drogerie in der Mainzer Landstraße.

Richter Mai[er]:

Und wo kam das hin?

Zeuge Mü[ller]:

Zum Teil Inheidnerstraße, zum Teil Garage Hofeckweg.

Richter Mai[er]:

Das hier soll also aus der Inheidnerstraße stammen.

Dem Zeugen werden die Asservate

E 23 VII Positionen 6 - 8 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Dieser Karton hat zuletzt gestanden auf dem Balkon in der Inheidnerstraße und er enthält Schwefelsäure. Das sind die Chemikalien, die nötig sind zur Herstellung von diesem Knallquecksilber.

Richter Mai[er]:

Handelt es sich um Säuren, die Sie beschafft haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, zumindest um einen Teil.

Richter Mai[er]:

Wenn Sie vielleicht mal die Etiketten[ccc] auf den[ddd] Flaschen[eee] ansehen.

[10351] Zeuge Mü[ller]:

Ja, also hier „Marktdrogerie“, da hab ich z. B. einmal alleine eingekauft, einmal mit Angela Luther.

Richter Mai[er]:

Marktdrogerie in Offenbach?

Zeuge Mü[ller]:

... in Offenbach. Dann ist hier Mainzer Landstraße ne Drogerie; von der stammt nicht nur Säure, sondern eben auch solches Schwefelzeug und Holzkohle.

Dann ist Marktdrogerie - das ist wieder Offenbach.

Das ist hier Giessen - Schwefelsäure, die hab ich gekauft.

Das ist Mainzer Landstraße - haben wir schon gesagt.

Ja, und diese Flaschen, wenn sie nicht ausgeleert worden sind, dann sind sie - da war vorher was drin - und dann ist davon Knallquecksilber hergestellt worden.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 I 5 Pos. 1 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Das ist ein Behälter, so wie ich in Erinnerung hab, für Quecksilber.

Richter Mai[er]:

Und wo kam das hin? Wo haben Sie das gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Zuletzt auch in der Inheidnerstraße und - naja, ich weiß jetzt nicht, ob das jetzt die 100-Gramm-Portion ist oder die Kiloportion; und je nachdem, war es entweder von mir gekauft worden in Stuttgart oder von Angela Luther.

Richter Mai[er]:

Ja. Es soll also in der Inheidnerstraße gefunden worden sein.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 VI 5 Pos. 64 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Eisenoxyd. Ja, das ist von mir gekauft worden in einer Chemikalienhandlung in Richtung Frankfurt-Giesheim oder Frankfurt-Griesheim - das weiß ich nicht mehr so genau.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

[10352] Dem Zeugen wird das Asservat

E 29 Schlafzimmer Pos. 140 vorgelegt.

Kennen Sie diese Schrift?

Zeuge Mü[ller]:

Nee -

Richter Mai[er]:

Der Sachverständige meinte, das sei die Schrift von der Frau Möller und das soll gefunden worden sein in Stuttgart in der Seidenstraße.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also das ist ja so, das muß man vielleicht hier auch sagen:

Also der schriftliche Verkehr lief ja immer nach der Verhaftung über Schreibmaschinen und so, und deswegen bekam ich[fff] von den Einzelnen wenig Handschriften zu Gesicht; und vorher wurde ja eigentlich relativ wenig geschrieben, außer eben solchen Sachen, nicht?

Richter Mai[er]:

Ich glaube, mich erinnern zu können, daß Sie bereits berichtet haben, daß die Frau Möller in Stuttgart sich aufgehalten habe. Sie sei hier die Statthalterin gewesen.

Was war denn der gewöhnliche Aufenthaltsort in Stuttgart, in welcher Wohnung?

Zeuge Mü[ller]:

Normalerweise die Wohnung eben in der Seidenstraße.

Richter Mai[er]:

Ja. Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 34 III 5 Pos. 5 u. 6 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, solche Bomben sind in der Wohnung Inheidnerstraße fabriziert worden.

Richter Mai[er]:

Also die sollen in Homburg im Schloßparkweiher gefunden worden sein.

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Die sind dann eben nach der Fertigstellung noch nach Bad Homburg in die Wohnung verbracht worden und der Vermutung nach von irgendeinem Sympathisanten da weggeworfen worden.

Richter Mai[er]:

Sie meinen, aus der Wohnung in der Dietigheimer Straße, aus der Mühle seien sie in den Weiher geworfen worden?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

[10353] Richter Mai[er]:

Nun sprachen Sie letzte Woche von Nippelbomben.

Ist das das gleiche?

Zeuge Mü[ller]:

Jaja, das ist im allgemeinen ohne diese Kappen ... heißt das Ding bei den Klempnern Nippel.

Richter Mai[er]:

Wer kam denn auf die Idee, diese Sprengkörper herzustellen?

Zeuge Mü[ller]:

Moment mal. -

Zuerst sollte, soweit ich mich erinnere, von Baader zum Teil für Versuchszwecke dienen, also damit man verschiedene Sprengstoffe ausprobieren kann.

Richter Mai[er]:

Wer hat sie gebaut?

Zeuge Mü[ller]:

Es waren verschiedene. Also was meinen Teil angeht, verweigere ich die Aussage.

Richter Mai[er]:

Umgekehrt negativ gefragt:

Der „Pfirsich“[48] hat diese Sprengkörper nicht hergestellt?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich wüßte nicht, daß er solche Sprengkörper hergestellt haben soll.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie evtl. noch, wie groß diese Gewindekappen sind, die sich auf diesen Nippelbomben befinden, was sie für einen Durchmesser haben?

Zeuge Mü[ller]:

Das sind ungefähr ... das sind die, die ich ungefähr mit der Größe, naja 2 Zoll + - ¼ oder ½ Zoll bezeichnet waren.

Richter Mai[er]:

Das sollen also 2 Zoll sein, also 60 mm.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 241 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Das sind also solche Kappen, wie sie u. a. von mir, auch von „STP“, Hausner besorgt worden sind. Ob’s dieselben sind, kann ich nicht sagen, aber Kappen dieser ...

Richter Mai[er]:

Es sollen also auch 2 Zoll-Kappen sein wie hier auf diesen Nippelbomben.

Nun haben wir ja hier noch - da werden wir nachher drauf kommen - diese sog. Rohrbomben.

Wissen Sie, ob das gleichgroße oder größere Kappen sind?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, wie soll ich das sagen, oder wie soll ich Ihre Frage verstehen?

[10354] Richter Mai[er]:

Wenn das hier 2-Zoll-Kappen sind.

Wissen Sie etwas darüber, in welcher Größe man Kappen für diese Rohrbomben verwendet hat? War das die gleiche Größe?

Zeuge Mü[ller]:

Ganz genau hab ich das nicht mehr in Erinnerung, weil verschiedene Größen beschafft wurden; jetzt vom Augenschein her würde ich sagen, daß sie eben größer sind, nicht?

Richter Mai[er]:

Ja, sie sollen also etwas größer sein: 2 ½ Zoll - das wären 79 mm.

Nur meine Frage, Herr Müller:

Wenn Sie sagen, Sie, der Herr Hausner und der Herr Jünschke hätten diese Kappen besorgt. Bezieht sich das auf alle Kappen, gleich, welche Größe?

Zeuge Mü[ller]:

Nee, ich hab auch gesagt „STP“.

Richter Mai[er]:

Das bezieht sich auf alle Kappen, auch auf die Kappen für die ...

Zeuge Mü[ller]:

Das ist pauschal für alle Kappen die[ggg], in dem Zusammenhang beschafft worden sind.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen werden die Asservate

B 54 III 2 5[hhh] Pos. 1

E 34 II 5 Pos. 95,

E 34 II 5 Pos. 112 und

E 34 II 5 Pos. 149

vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, dabei handelt sich’s um Geldkassetten, wie sie u. a. von mir und Angela Luther in Offenbach gekauft wurden. Die 2 Kassetten sind hier verschweißt - man sieht auch, daß sie schlecht verschweißt sind. Also ich kann nicht sagen, ob die jetzt in Bad Homburg verschweißt wurden und so, weil ich bei einem solchen Schweißvorgang nicht dabei war. Allerdings stand nur ein Schweißgerät zur Verfügung, was eigentlich nicht für solche Schweißungen geeignet war.

Richter Mai[er]:

Das war zu schwach?

Zeuge Mü[ller]:

Nee, zu stark.

Richter Mai[er]:

Und wo sind die Kassetten hingekommen, die Sie gekauft haben?

[10355] Zeuge Mü[ller]:

Ja, die sind in die Wohnung in Bad Homburg, in die „Mühle“ gekommen.

Richter Mai[er]:

Ja. Also ein Teil davon soll in Homburg im Kurparkweiher gefunden worden sein, und eine soll im Hofeckweg in der Garage in Frankfurt gefunden worden sein.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, die wollten, soweit ich auch wußte, die Kassetten ausprobieren.

Richter Mai[er]:

Sind derartige Kassetten irgendwo bei einem Sprengstoffanschlag verwendet worden?

Zeuge Mü[ller]:

Nee, die sind nicht verwendet worden. Also es war wieder mal so: Baader hatte eben die Idee entwickelt, daß jetzt ne andere Form von Sprengkörpern verwendet werden sollte, und da wollte er eben erst mal diese Dinge hier testen.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen werden die Asservate

E 23 V 5 Pos. 372 und

E 23 V 5 Pos. 296.25

vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Hierbei handelt es sich um ... offensichtlich um den Karton, wo diese - ja, hier steht grade „10 Stück“ - also wo diese größere Menge von diesen Batterien drin war, die ich vom „kleinen Dicken“ bekommen hab.

Richter Mai[er]:

Und können Sie vielleicht nochmals die Stärke dieser Batterien angeben, wieviel Volt?

Zeuge Mü[ller]:

50 Volt.

Richter Mai[er]:

Und Sie sagen, das sind die, die der „kleine Dicke“ beschafft hat?

Zeuge Mü[ller]:

Mhm.

Richter Mai[er]:

Nicht die, die Sie beschafft haben?

Zeuge Mü[ller]:

Nee - die waren nicht in so einem Karton, sondern die waren lose.

Dem Zeugen wird ein Original-Lieferschein[iii], dessen Fotokopie in Ordner 100 Bl. 39 abgelegt ist, vorgelegt.

[10356] Richter Mai[er]:

Das ist ein Lieferschein aus München „Autobedarf Burger“, Liefertag: 2.5.72, und es soll sich hier um insgesamt 20 50-Volt-Vartabatterieen Pertrix 49 handeln; Unterschrift Seiler.

Können Sie damit etwas anfangen? Kennen Sie die Schrift?

Zeuge Mü[ller]:

Nee. Also ich kenn weder die Schrift, noch wüßte ich, daß von der RAF aus 20 ... oder jemand auch beauftragt worden sei, 20 Batterien da zu kaufen.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie etwas darüber, ob der „kleine Dicke“ diese Batterien - 10 oder 20, wieviel es gewesen sein mögen - selbst im Laden gekauft hat oder evtl. über eine Mittelsperson?

Zeuge Mü[ller]:

Ich muß sagen, ich weiß darüber nichts.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 34 II 5 Pos. 47 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Das sind Batterien dieser Art, von denen ich also fünf Stück in Frankfurt bei Arlt gekauft hab und wie sie eben in diesem Karton da waren.

Richter Mai[er]:

So haben Sie sie reingelegt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Also die soll man im Kurparkweiher in Homburg gefunden haben.

Dem Zeugen wird das Asservat

KT V 5162/73 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Der stammt aus dem Laden; die Unterschrift ist von mir.

Richter Mai[er]:

Die Unterschrift Cremer ist von Ihnen, sagen Sie,

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Handelt es sich hierbei um den Vorgang, den Sie letzte Woche geschildert haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist mein Einkauf dieser Batterien bei Arlt.

Richter Mai[er]:

Also der Sachverständige hat gemeint, wahrscheinlich sei es Ihre Schrift.

Danke schön.

[10357] Dem Zeugen werden die Asservate

E 23 VI 5 Pos. 14,

E 23 VI 5 Pos. 96,

E 23 V 5 Pos. 307 und

B 54 II 5 Pos. 82

vorgelegt.

[Zeuge Müller:]

Ja, das sind hier ... diese Aluminiumrohre, solche Rohre - also ich weiß nicht genau, ob das jetzt noch dieselben sind -, aber solche Aluminiumrohre habe ich in einer Nichteisenmetallhandlung zwischen Frankfurt und Offenbach gekauft.

Und dann ist hier aber noch ein Messingrohr. Aber ich hab die Vermutung, daß da irgendwie was im Schrank stand.

Richter Mai[er]:

In welche Wohnung haben Sie die Sachen hingebracht?

Zeuge Mü[ller]:

Die sind verblieben zumindest u. a. in der Wohnung Inheidnerstraße.

Richter Mai[er]:

Ja, also dort soll man sie gefunden haben, zum Teil auch in der Garage im Hofeckweg; und Sie sagten, glaube ich schon, wofür die Verwendung finden sollten?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, zur Herstellung von eigengefertigten quasi [jjj] Zündkapseln.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie noch, wie groß der Durchmesser etwa dieser Rohre war, die Sie erworben haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist die Größe hier.

Richter Mai[er]:

Die Größe?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, mit den verschiedenen Stärken. Ich hatte damals auch geschaut, daß ich verschiedene Rohre kriegte, denn es war ja immer so: Wenn Baader nen Auftrag kriegte - und für ihn war das irgendwie was Neues - mußte ich immer verschiedene Sachen anschleppen, damit er Auswahlmöglichkeit hat.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen werden die Asservate

E 23 V 5 Pos. 375. 13 - 18,

E 23 I 5 Pos. 15,

E 34 II 5 Pos. 129.9 und

E 34 II 5 Pos. 112. 11

vorgelegt.

[10358] Zeuge Mü[ller]:

Ja, es handelt sich hierbei um Wecker, die entweder schon umgebaut sind zum Einsatz in Zündstromkreisen oder zum Umbau vorgesehen waren.

Das halte ich also für eine voreilige Schlußfolgerung (deutet auf einen gelben großen Wecker).

Richter Mai[er]:

Hat es sich um solche Stücke - einmal abgesehen jetzt von dem gelben hier - um solche Stücke gehandelt, die seinerzeit angeschafft wurden?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Also das sind Wecker der Art, wie sie besorgt worden sind u.a. von mir.

Richter Mai[er]:

Von wem noch?

Zeuge Mü[ller]:

Wie gesagt, also von der „Hoftante“ z.B. von „STP“, u.a. auch noch von andern einzelnen Mitgliedern.

Richter Mai[er]:

Waren daran auch Frau Ensslin und der Herr Raspe beteiligt?

Zeuge Mü[ller]:

Jaja.

Richter Mai[er]:

Und wohin sind diese Wecker gebracht worden?

Zeuge Mü[ller]:

Die sind einmal zum Teil in der Wohnung Inheidnerstraße gelandet; dann sind ein Teil in der Wohnung in Heusenstamm gelandet und von dort dann in Bad Homburg, also „Mühle“.

Richter Mai[er]:

Also diese Sachen hier sollen gefunden worden sein in der Inheidnerstraße und in Homburg im Kurparkweiher.

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 34 II 5 Pos. 33 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es sind hier also Schweißelektroden, wie sie u.a. auch von mir besorgt worden waren.

Richter Mai[er]:

Wo sind die hingebracht worden?

Zeuge Mü[ller]:

Die sind auch in der Wohnung in Bad Homburg gelandet.

Richter Mai[er]:

Ja. Gefunden worden sollen sie sein im Kurparkweiher von Bad Homburg.

Der Zeuge besichtigt die Asservate

B 51 2. Stock Pos. 1.1,

B 51 12. Stock WC Pos. 1.1,

B 51 12. Stock Flur Pos. 1.1.

[10359] Sie haben letzte Woche schon auf diese Sprengkörper oder auf Reste davon gedeutet im Zusammenhang mit „Pfirsich“ und haben gesagt: Solche Dinger wie diese da hat der „Pfirsich“ hergestellt.

Wer hat denn eigentlich die Idee gehabt, solche Rohrbomben zu bauen?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist ... der Anlaß dafür, daß ich wußte, daß die von dem „Pfirsich“ stammen sollen, das ist ... der steht im Streit zwischen Meins und Baader. Der brachte nämlich ein paar solcher Dinger an und Meins war nicht mit der Form einverstanden, also er hatte über ... beim Griff was zu meckern, das passte ihm nicht; und aus diesem Streitgespräch habe ich entnommen, daß der Andreas Baader für die Herstellung dieser Bomben, also die Idee und die Anweisung geliefert hat und daß Holger Meins der Zwischenträger war, daß er letztlich nicht genauso ...

Richter Mai[er]:

Und sie entsprachen dann nicht seinen Vorstellungen?

Zeuge Mü[ller]:

Genau.

Richter Mai[er]:

Sie sagten gerade, der Herr Meins habe welche gebracht. Hat er die denn alle auf einmal gebracht oder wurden die in mehreren Portionen gebracht?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich nicht sagen, weil ich ja nicht dauernd in der Wohnung war. Und ich hab jetzt einmal eben mitgekriegt, wie er welche anbrachte. Ich hab sie auch nicht nachgezählt.

Richter Mai[er]:

Wieviel können das etwa gewesen sein?

Zeuge Mü[ller]:

Welche dann insgesamt dort gelandet ...

Richter Mai[er]:

Nein. Die der Herr Meins da angebracht hat.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich weiß nicht. Ich würde mal so sagen: drei, viere.

Richter Mai[er]:

Drei bis vier. Nicht mehr?

Zeuge Mü[ller]:

Ja Moment mal. Es ist ja möglich, daß er so’n Teil im Auto gelassen hat oder daß er ...

Richter Mai[er]:

... daß Sie die nie gesehen haben.

Zeuge Mü[ller]:

Genau. Oder daß er ein paar im Nebenraum abgestellt hat.

Richter Mai[er]:

Das wissen Sie natürlich nicht.

Haben Sie noch in etwa eine Vorstellung, wann das war, wenn Sie einmal als zeitlichen Fixpunkt den ersten Sprengstoffanschlag vom 11. Mai in Frankfurt[49] nehmen?

War das Tage, Wochen vorher?

[10360] Zeuge Mü[ller]:

Also zeitlich hab ich ein ziemlich schlechtes Gedächtnis, würde aber sagen, es war mindestens Tage vorher.

Richter Mai[er]:

Mehrere Tage vor dem Anschlag in Frankfurt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Kann es auch am selben Tag gewesen sein?

Zeuge Mü[ller]:

Nee, nee. - Das wäre mir auch aufgefallen, weil ja ein solches Ding da verwendet worden ist, nicht? Und ich kann mich also nicht dran erinnern.

Richter Mai[er] (zunächst unverständlich):

... wenn man einen Sprengstoffanschlag geplant hätte, und die Sprengkörper wären noch gar nicht dagewesen - oder wie soll ich das verstehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also die sind ja vorher, vor den Anschlägen, wenn man so will, als Sprengkörper auf Lager vorbereitet worden, und dabei waren auch solche Dinger.

Das ist möglich, daß da jemand am selbigen Tag noch welche abgeholt hat. Aber davon weiß ich nichts.

Richter Mai[er]:

Nun sagten Sie:

Sie schätzen, daß insgesamt etwa acht von diesen Rohrkörpern in der Inheidnerstraße vorhanden gewesen seien im ganzen. Können Sie zusammengefaßt sagen, was mit diesen acht geschehen ist?

Sie sagten, glaube ich, schon in Frankfurt wurde ...

Zeuge Mü[ller]:

Es sind ja mal welche nach Hamburg gekommen für den Anschlag auf Springer[50] - das waren vier oder fünf Stück.

Richter Mai[er]:

Das sollen fünf gewesen sein, was wir von der Polizei gehört haben: zwei detonierte und drei nichtdetonierte; das wären fünf.

Zeuge Mü[ller]:

Und dann zwei in Augsburg.[51]

Richter Mai[er]:

Sind Sie sich da sicher?

Zeuge Mü[ller]:

Naja, auf jeden Fall mindestens einen, nicht?

Richter Mai[er]:

Die Polizei hat einen nichtdetonierten Rohrkörper in Augsburg gefunden und einen in Frankfurt - dann hätten wir sieben.

Sind sonst noch irgendwo derartige Rohrkörper verwendet worden?

Zeuge Mü[ller]:

Nee -

[10361] Richter Mai[er]:

Nichts bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Nee -

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 350 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Es handelt sich hier um so’n feldflaschenförmigen Bombenkörper, an dem offensichtlich also Magnetfüße dran waren.

Richter Mai[er]:

Sie sagten, es habe zwei Typen von diesen Feldflaschenbomben gegeben, einer davon mit Magnetfüßen.

Handelte es sich um derartige Sprengkörper?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Nun sagten Sie, von den Feldflaschen insgesamt habe es mindestens sechs gegeben.

Wieviel hat es denn von diesem Typ der Magnetbombe gegeben?

Zeuge Mü[ller]:

Naja, das wäre jetzt eine Schlußfolgerung: Wenn hier einer liegt und einer ist hochgegangen, dann müßte es ja mindestens zwei gegeben haben.

Richter Mai[er]:

Das ist jetzt aber eine Schlußfolgerung von Ihnen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Wo ist denn die eine hochgegangen?

Zeuge Mü[ller]:

Eine ist ja zum Anschlag gegen Herrn Richter Buddenberg[52] verwendet worden.

Richter Mai[er]:

Eine ist in Karlsruhe verwendet worden; eine liegt hier, die soll also in der Inheidnerstraße gefunden worden sein.

Und nun kommen wir nochmals auf Augsburg zurück:

Ist Ihnen irgend etwas darüber bekannt, ob möglicherweise in Augsburg ein derartiger Sprengkörper, wenn auch ohne Magnetfüße verwendet worden ist?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, genau. Wenn, dann ohne Magnetfüße.

Richter Mai[er]:

Aber ist Ihnen etwas darüber bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich habe bloß noch zwei Bombenkörper in Erinnerung, und zwar mindestens eine große Rohrbombe und eine kleine Preßluftflasche. Ob, das kann ich nicht ... -

Richter Mai[er]:

Davon wissen Sie nichts?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

[10362] Richter Mai[er]:

Wer hat denn die Idee für diese Feldflaschenbomben gehabt?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich nicht sagen, woher diese Idee kam.

Richter Mai[er]:

Dann die andern Asservate ...

Zeuge Mü[ller]:

Moment mal.

Richter Mai[er]:

Bitte?

Zeuge Mü[ller]:

Für die Dinger kann ich natürlich was sagen; aber für die Feldflaschenform im allgemeinen kann ich nichts sagen. Also hier war ...

Richter Mai[er]:

Sie haben jetzt diese Magnetfüße in der Hand.

Zeuge Mü[ller]:

Genau. Für die Magnetfüße, also das war ne Sache, wo sich eigentlich immer Meins dahintergeklemmt hatte, nicht? Also auszuprobieren, ob die Magnetfüße überhaupt das Gewicht halten und so; also da hat er sich damit beschäftigt. Aber woher die Form im allgemeinen die Idee kommt, das weiß ich nicht.

Dem Zeugen werden die Asservate

E 23 V 5 Pos. 353 - 355 vorgelegt.

Das ist offensichtlich die Ausführung mit Griff und Handgranatenzündung.

Richter Mai[er]:

Mit dem Handgranatenoberteil?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Hier ist der Sicherungshebel.

Richter Mai[er]:

Von wem haben sie denn - ich meine jetzt nicht Sie sondern die betreffenden Personen - den Handgranatenoberteil bezogen?

Zeuge Mü[ller]:

Der Handgranatenoberteil, wie er hier vorliegt, der soll ja auch von „Pfirsich“ stammen. Aber soweit ich mich erinnere, hat’s mal irgendeine Originalvorlage - wenn man so will - gegeben. Wo die genau herkommt, das weiß ich nicht.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeuge werden die[kkk] Asservate

C 6.4.2 Pos. 79 a und b vorgelegt.

[10363] Zeuge Mü[ller]:

Das sind die selbstgefertigten Handgranaten, wie sie u. a. auch, also mindestens ein Stück davon eben in der Wohnung Rodewald in Hannover „hochgegangen“ sein müssen.

Richter Mai[er]:

Beide Handgranaten, die Sie vor sich liegen haben, sollen in Langenhagen bei Ihrer Festnahme und der Festnahme der Frau Meinhof gefunden worden sein, also insgesamt zwei Stück.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie, wer die Idee zu diesen Handgranaten hatte?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, die basieren auf’n Dings ... Das wichtigste Material kam ja von dem Tübinger Chemiker, und Andreas Baader hatte die Unterredung mit dem. Soweit ich das in Erinnerung hatte, kommt die Idee für diese Handgranaten auch von Andreas Baader.

Richter Mai[er]:

Danke schön.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 237 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Das sieht man von hier: Das sind die Stahlkugeln oder Kugellagerkugeln, die bei einer Kugellagerfirma - „SKF“ heißt die, jaja - gekauft hab. Das ist eine Niederlassung gewesen in Frankfurt.

Richter Mai[er]:

In welche Wohnung sind die Kugeln hingekommen?

Zeuge Mü[ller]:

Die sind in der Wohnung, hab ich sie zuletzt gesehen, in der Inheidnerstraße.

Richter Mai[er]:

Dort sollen sie gefunden worden sein.

Wissen Sie etwas darüber, wer in der Inheidnerstraße sich mit diesen Kugeln zu schaffen gemacht hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich weiß, daß z. B. Meins die miteingebaut hat in diese sog. Baby-Bombe.[53]

Richter Mai[er]:

Hat auch der Herr Raspe sich damit befaßt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, möglich ist es, aber ... -

Richter Mai[er]:

Gesehen haben Sie’s nicht?

Zeuge Mü[ller]:

Nee, ich kann ja nicht alles sehen.

[10364] Dem Zeugen wird das Asservat

E 34 II 5 Pos. 13 vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist eine Maschinenpistole Beretta, hier soll der „Pfirsich“ einen Griff und eben diese Schulterstütze drangemacht haben soll.

Richter Mai[er]:

Wer hat das bei „Pfirsich“ in Auftrag gegeben?

Zeuge Mü[ller]:

Soweit ich weiß, war damit Raspe beschäftigt.

Richter Mai[er]:

Und wo haben Sie diese Waffe gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Zuletzt habe ich sie gesehen in der Wohnung „Mühle“ in Bad Homburg.

Richter Mai[er]:

Gefunden worden sein soll sie in Homburg im Kurparkweiher.

War sie vorher mal in der Inheidnerstraße?

Ende von Band 598.

[10365] Zeuge Mü[ller]:

Ja, doch, sie war auch mal in der Inheidener Straße, weil die hat Meins mal mitgenommen, um es im Wald auszuprobieren.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 14 + 15

vorgelegt.

Das ist die sogenannte „Schrot-MP“ und die basiert auf einer amerikanischen automatischen fünfschüssigen Flinte.

Richter Mai[er]:

Wo haben Sie die gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Diese Schrot-MP habe ich zuletzt gesehen in der Wohnung Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Dort soll sie gefunden worden sein.

Zeuge Mü[ller]:

Ja und diese Schrotflinten, die lagen in mehreren Wohnungen rum. Es gab mehrere davon, die sollen von einem Schweizer Sympathisanten stammen.

Richter Mai[er]:

Ist es auch möglich, daß der „Pfirsich“ sich damit befasst hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja also, das ... diese Zutaten hier zu der Schrotflinte, Magazine und so ... eigentlich war ja das bei der richtigen Schrotflinte, das Magazin, das soll von ihm stammen und die Schulterstütze und so.

Richter Mai[er]:

Das soll „Pfirsich“ umgebaut haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 19 - 21

vorgelegt.

Ja, das sind die Schrotderringer.

Richter Mai[er]:

Schrotderringer sagten Sie, Schrotabschußgeräte.

Zeuge Mü[ller]:

Ja genau, da wird hier eine Schrotpatrone eingebaut und irgendwie muß das Ding ja auch dann noch ... muß ein Schlagbolzen gespannt werden und dann kann man eine Schrotpatrone damit zünden.

Richter Mai[er]:

Wer hat die gebaut?

Zeuge Mü[ller]:

Bitte?

Richter Mai[er]:

Wer hat die gebaut?

Zeuge Mü[ller]:

Die soll auch von „Pfirsich“ stammen.

Richter Mai[er]:

Von „Pfirsich“ und wo haben Sie sie gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe sie gesehen in der Inheidener Straße. Ich war auch mal dabei, als Meins so ein Ding ausprobierte.

Richter Mai[er]:

Ja, dort sollen sie gefunden worden sein.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 VI 5 Pos.97

vorgelegt.

[10366] Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist die Nitrieranlage, wie sie von ... die soll auch von „Pfirsich“ stammen, wurde auf Anweisung von Baader gefertigt, weil dieser ... oder die sollte der Tübinger Chemiker haben, um damit eben originalen entweder militärischen oder gewerblichen Sprengstoff herzustellen, also zum nitrieren, das ist hier eine ... da ist ein Kühlmantel drin, also oben kommt Wasser rein, untern wieder raus.

Richter Mai[er]:

Wo haben Sie das Gerät gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ich hab das zuletzt gesehen in der Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Dort soll’s gefunden worden sein.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 281

vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das sind hier diese Schloßauszieher oder Schloßausdreher, die zum Diebstahl von Kfz benutzt wurden. Es gab dann auch verschiedene Änderungen, es war ja zum Beispiel mal so, daß ... Andreas Baader wollte mal einen BMW 2500 knacken und da ist diese erste Fassung oder die erste Form ist einfach abgebrochen weil das Schloß zu stark war und ... ja da ist „Pfirsich“ angewiesen worden noch ein paar stärkere zu bauen.

Richter Mai[er]:

Es gab also verschiedene Größen, so wie Sie das ausdrücken.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ja, es gab sowieso also ... es war nie ein einheitliches Maß, es gab allerdings auch welche und das muß ich gleich dazu sagen, es sind auch welche selbst gefertigt worden von Mitgliedern in Wohnungen. Also ich kann hier nicht sagen, ob es sich dabei um welche handelt, die von „Pfirsich“ kommen.

Dem Zeugen wird das Asservat

B 56 II 5 Pos. 1

vorgelegt.

Ja, es handelt sich um solche Gasflaschen, wie sie an der Nähe dieses Autobahnkreuzes von Baader, Meins und mir entwendet wurden.

Richter Mai[er]:

Sie sagten insgesamt 12 Stück.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

An der Autobahn entwendet, Sie seien dabei gewesen. Wissen Sie noch, um welche Zeit etwa das gewesen ist?

Zeuge Mü[ller]:

Moment mal, das war ... also das genaue Datum kann ich nicht sagen, ich kann aber einen Fixpunkt nennen. Sie haben, Baader, Meins und Ensslin haben so eine Gasflasche ausprobiert, die haben da eine Probesprengung damit gemacht und dabei ist ein Auto kaputtgegangen ein Renault R 16 und der ist verbrannt worden. Es muß also vor [10367] dem Verbrennen dieses Wagens liegen. Ich schätze jetzt ungefähr im April, mehr kann ich aber nicht sagen.

Richter Mai[er]:

Kann es eventuell auch zwischen dem 10. und 15. Mai gewesen sein, 1972?

Prof. Dr. Azzola erscheint um 14.48 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Zeuge Mü[ller]:

Es muß auf jeden Fall ...

Richter Mai[er]:

Wissen Sie nicht mehr genau.

Zeuge Mü[ller]:

10. und 15.?

Richter Mai[er]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ich glaube, auf jeden Fall vorher.

Richter Mai[er]:

Sie meinen früher?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Sie nannten, glaube ich, letzte Woche schon das Gewicht, das Füllgewicht der Flaschen, die da entwendet wurden der ... wissen Sie das aus dem Gedächtnis noch?

Zeuge Mü[ller]:

Das habe ich ja bei meiner Vernehmung am Donnerstag schon gesagt, daß es sich um 11 Kilo handeln würde, hier sind ja verschiedene Gewichte, je nach Gasart und so.

Richter Mai[er]:

Ja. Handelt es sich um Flaschen dieser Größenordnung?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Dann weiter E 23 ... ja höchstens noch das eine, Sie sagten glaube ich auch, daß 6 Flaschen nach Offenbach gebracht wurden.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, in die Wohnung Schloßstraße.

Richter Mai[er]:

Wer war denn da beteiligt bei dem Transport dorthin?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich bin mit Gudrun Ensslin und dieser VW-Doppelkabine von der Wohnung Heusenstamm zu dieser Wohnung Schloßstraße gefahren, um da welche auszuladen, dann ist da noch jemand hingefahren, ich weiß ich habe undeutlich in Erinnerung, daß es sich dabei um Raspe handelt, ich würde mich da aber nicht festlegen.

Richter Mai[er]:

Und wo sind die anderen 6 hingekommen?

Zeuge Mü[ller]:

Die anderen 6 sind in die Garage Marbachweg gekommen und dann in die Wohnung Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Diese Flasche hier soll in der Garage Hofeckweg gefunden worden sein, ist es möglich, daß man einzelne Flaschen auch dorthin gebracht hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, aber dann kommt daraus, wie ich jetzt gerade sagte, entweder von, daß die irgendmal jemand von der Schloßstraße dahingeschleppt hat oder von der Garage Marbachweg aus.

[10368] Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 351 u. 352

vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja hier ist es eindeutiger zu sagen, weil hier zum Beispiel so [lll] silbermetallig gespritzt, das wurde da gemacht. Da wurde einfach um Flaschen unkenntlicher zu machen, es wurde ja auch die ... dieses Schild da oben wurde abgemacht ...

Richter Mai[er]:

Das Typenschild.

Zeuge Mü[ller]:

... das Typenschild, genau, und dann wurde hier ... so ein bißchen abgeschliffen, also der Firmenname, nicht das hier, sondern der ... oder was weiß ich ...

Richter Mai[er]:

Was geschah mit dem Ventil?

Zeuge Mü[ller]:

Die Ventile sind ja jetzt hier wieder dran.

Richter Mai[er]:

Ventile sind nicht dabei der der Position, nichts weiter dabei.

Die hier, die sollen [mmm] so in der Inheidener Straße gefunden worden sein. Dann können wir die wieder wegstellen.

Zeuge Mü[ller]:

Da waren zwei abgeblieben, also sprengfertig, die waren fertig gemacht.

Richter Mai[er]:

Die waren schon sprengfertig gemacht.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also da gingen die Drähte raus und so und die waren noch gefüllt, soweit ich weiß.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 VI 5 Pos. 95 u. Pos. 98

vorgelegt.

Also das waren die bevorzugten Mahlmaschinen. Da konnte hier oben der Einfülltrichter abgeschraubt werden, da wurde dann ein Deckel dazwischengesetzt[nnn] für einen Eimer oder für so ein ...

Ja, hier ist es demonstriert, also, ja und durch das Drehen konnte man dann auch nicht nur daß sie am Deckel festgesetzt wurde, konnte man auch die Feinheit einstellen, wie fein das gemahlen wurde, ja und die Dinger hatten einen unheimlichen Verschleiß.

Richter Mai[er]:

Wenn ich Sie recht verstanden habe, hat man diesen Deckel angebracht, weil es ziemlich stark gestaubt hat.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ja, das wurde dann hier so draufgesetzt, so und dann wurde es auf eine Steckdose ... dann wurde hier das Zeug oben reingekippt und dann kam hier unten das Gemahlene raus.

Richter Mai[er]:

Und wo, in welcher Wohnung hatte man diese Sachen?

Zeuge Mü[ller]:

Das fand statt also in der Wohnung Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Dort sollen sie auch gefunden worden sein.

[10369] Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 VL 5 Pos. 94

vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das sind die Handmixer mit denen also die gemahlenen Sachen gemischt wurden. Und die dürften auch in der Wohnung Inheidener Straße ...

Richter Mai[er]:

Dort sollen sie gefunden worden sein.

Dem Zeugen werden die Asservate

E 23 VI 5 Pos. 137

E 23 VI 5 Pos. 138

E 23 VI 5 Pos. 139

E 23 VI 5 Pos. 141

E 23 VI 5 Pos. 142 und

E 23 VI 5 Pos. 144

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Kommen Ihnen diese Eimer bekannt vor?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, mit denen wurde zum Beispiel ... entweder waren da fertig gemischte beziehungsweise gemahlene Teile drin, mit denen wurden auch die Sachen, zum Beispiel ... habe ich zum Beispiel mal gesehen, eben Meins mit solchen Eimern wie er in die Garage Hofeckweg ging.

Richter Mai[er]:

Da hat man dann also den Sprengstoff in diesen Eimern mitgenommen in eine Garage zum abfüllen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, oder man hat auch aus einer Garage Grundsubstanzen in die Wohnung damit geholt, später hat man dann eben auch zum Teil ganze Säcke hingeschleift.

Richter Mai[er]:

Ja, das soll auch in der Inheidener Straße gefunden worden sein.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 24 I 5 Pos. 48

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Kennen Sie das?

Zeuge Mü[ller]:

Das ist offensichtlich so ein Verzögerungsglied ...

Richter Mai[er]:

Ein Verzögerungsglied?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Von wem stammt das?

Zeuge Mü[ller]:

Da muß ich jetzt überlegen, eins war vergossen und eins war in einem Aluchassis drin, ja ... ich kann jetzt nur sagen, entweder ist es das hier was vom Tübinger Chemiker kommt oder es kommt von unserem Schweizer Sympathisanten.

Richter Mai[er]:

Dem Schweizer Sympathisanten. Wo haben Sie das gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe das gesehen in der Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Gefunden worden soll es sein in Homburg im Heuchelbach unter einer Brücke.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das kann sein.

[10370] Richter Mai[er]:

Was ist Ihnen von diesem Schweizer Sympathisanten denn sonst noch bekannt, haben Sie ihn mal gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Gesehen habe ich ihn nie, aber ... was weiß ich über ihn ... naja, erstens mal, daß er diese Schrotflinten da angeschleppt hat, dann hat er Munition dafür, also Rehposten[ooo] auch größere Mengen geliefert, dann eben so ein Verzögerungsglied, dann diese Kennzeichenhalterung also diese schweizer Kennzeichenhalterungen, die haben da so eine komische Regelung und da brauchen die die Dinger und die waren ...

Dem Zeugen wird das Asservat

E 23 V 5 Pos. 66

vorgelegt.

Ja, das sollen die Sachen, die auch von dem Schweizer Sympatisanten stammen, die waren dafür gedacht, eben um einen schnellen Schilderwechsel zu ermöglichen.

Richter Mai[er]:

Wo haben Sie die gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Wo habe ich die zuletzt gesehen ... also wo ich sie zuletzt gesehen ... ich habe sie mal gesehen in der Wohnung Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Da sollen sie gefunden worden sein. Wissen Sie etwas über einen Besuch dieses Schweizer Sympatisanten in Frankfurt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, der war einmal in Frankfurt und dann gab es ... ob es nochmal einen Besuch in Stuttgart gab, weiß ich nicht, aber es gab einen laufenden telefonischen Kontakt ...

Richter Mai[er]:

Wann war denn der Besuch in Frankfurt?

Zeuge Mü[ller]:

Wie bitte?

Richter Mai[er]:

Wann war der Besuch in Frankfurt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das war auch Frühjahr 72, also genauer kann ich’s nicht eingrenzen.

Richter Mai[er]:

War es möglicherweise auch mal Mitte Mai 72 in Frankfurt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja Moment, der hat ja einen Brief mitgenommen, ja.

Richter Mai[er]:

Was sagten Sie gerade?

Zeuge Mü[ller]:

Er hat ja einen Brief mitgenommen.

Richter Mai[er]:

Von einem Brief der mitgenommen ...

Zeuge Mü[ller]:

Der da an der Schweizer-Grenze in einem Briefkasten lag und da irgendwelche ...

Richter Mai[er]:

Kann es sich um Lörrach gehandelt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist möglich.

Richter Mai[er]:

Daß er dort einen Brief, einen Kommandobrief eingeworfen hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja also, es muß eine Stadt oder eine Ortschaft sein kurz vor der Schweizer-Grenze.

[10371] Richter Mai[er]:

Und um was für einen Brief hat es sich da gehandelt?

Zeuge Mü[ller]:

Ich weiß nur, daß es sich da um eine Erklärung zu irgendeinem der Anschläge handelte.

Richter Mai[er]:

Kann es sich um das Kommando „Thomas Weisbecker“,[54] also München - Augsburg gehandelt haben?

Zeuge Mü[ller]:

Das kann ich nicht sagen.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie, wo der Besuch stattgefunden hatte in Frankfurt?

Zeuge Mü[ller]:

In der Wohnung Reimundstr. 104.

Richter Mai[er]:

Reimundstraße. Sie sagten letzte Woche, die Angela Luther habe zur Zeit des Anschlags in Heidelberg, das war der 24.5., in der Reimundstraße gewohnt, daß sie möglicherweise schon 10 Tage vorher, also Mitte Mai, dort gewohnt hat?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, also sie hat vorher schon, aber ob das jetzt 10 Tage waren, das weiß ich nicht.

Richter Mai[er]:

Wie groß ist denn Angela Luther?

Zeuge Mü[ller]:

Sie ist groß, also größer als ich.

Richter Mai[er]:

Wie groß sind Sie?

Zeuge Mü[ller]:

1,75 m.

Richter Mai[er]:

1,75 m, kann sie 175, 180 cm groß sein?

Zeuge Mü[ller]:

Also ich hätte, ich würde sagen 1,80.

Richter Mai[er]:

1,80, gab es damals unter den weiblichen Mitgliedern in Frankfurt noch jemand anders, der in etwa so groß wie Frau Luther gewesen wäre?

Zeuge Mü[ller]:

Na es wäre ... die Ensslin ist ja auch nicht gerade klein, sie hatte aber, glaube ich, auch bloß ...

Richter Mai[er]:

Für wie groß halten Sie Frau Ensslin?

Zeuge Mü[ller]:

Also auf jeden Fall aber kleiner wie die Luther.

Richter Mai[er]:

Bitte?

Zeuge Mü[ller]:

Kleiner wie die Luther. Die Ensslin würde ich sagen, ungefähr einen 70er, also zwischen 1,71 und 1,77 oder sogar 1,79.

Dem Zeugen wird das Asservat

E 34 II 5 99-101

vorgelegt.

Ja, dazu weiß ich nichts.

Richter Mai[er]:

Das sind schweizer, insbesondere Züricher Kfz.-Kennzeichen. Wissen Sie nichts darüber, ob der Schweizer Sympatisant auch diese Sachen gebracht hat?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Haben Sie auch nicht gesehen?

[10372] Zeuge Mü[ller]:

Ja, so ganz undeutlich, daß da irgendwas ... daß der auch mal auch mal solche Schilder anbringen sollte, weil es ging ja darum, auch Fälschungen herzustellen von schweizer Papieren, irgendwie was war da, aber ich kann nicht sagen das stammt von dem.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Dem Zeugen wird das Asservat

B 49 Pos. 4

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Das soll ein Halsringsplitter sein von einer Gasflasche, die man in München auf dem Hof des Landeskriminalamts gefunden haben soll.

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich meine, dazu kann ich nichts sagen weil ... die Gasflaschen habe ich mir nicht angeschaut.

Richter Mai[er]:

Können Sie uns etwas darüber sagen, wie groß die Gasflasche war, die in München verwendet worden ist, war das auch so eine kleine Flasche wie wir sie hier vorher gezeigt haben, so eine 11-Kg-Flasche?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, nein, das war eine größere.

Richter Mai[er]:

Eine größere.

Zeuge Mü[ller]:

Ja. Die war ... naja, das ist ziemlich ungenau aber ich würde sagen, mindestens doppelt so groß wie so eine kleine von da ...

Richter Mai[er]:

Haben Sie irgendeine Maßangabe, wenn das also eine 11-Kg-Flasche ist, in die ein Füllgewicht von 11 Kg Propangas hat, was in etwa auch[ppp] dem Leergewicht entspricht, können Sie dann etwas über die Münchner Flasche sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Gewichtsmäßig nicht.

Richter Mai[er]:

Nachdem was wir an sachverständigen Zeugen gehört haben, soll es sich um eine 33-Kg-Flasche gehandelt haben, die ein Volumen von 79 l[qqq] hatte, wenn man also Wasser einfüllt, während die 11-Kg-Flasche ein Volumen von 27 Liter haben soll. Es müßte also eine Flasche gewesen sein, die gut 2 ½ mal so groß war als diese kleinen hier. Können Sie dazu etwas sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja ich meine, wenn ich mir die Längen vorstelle und die längenmäßig[rrr] [sss] vergleiche, würde ich sagen, daß eben die große mindestens doppelt so hoch war wie ...

Richter Mai[er]:

Mindestens doppelt so viel, doppelt so hoch.

Von den großen Flaschen sagten Sie, die seien bei Nürnberg entwendet worden, insgesamt drei. Was ist mit diesen drei Flaschen, wenn Sie das kurz zusammenfassend sagen können, was ist mit diesen [10373] drei großen Flaschen, 33-Kg-Flaschen geschehen? Also eine wäre, nachdem, was Sie sagen, in München verwendet worden.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ja die eine ist in ein Auto eingebaut worden, das verwendet wurde in Heidelberg.

Richter Mai[er]:

Eine in Heidelberg und was ist mit der dritten geschehen? Ist Ihnen nicht bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Ich weiß es nicht, bei einem Anschlag wurde sie nicht verwendet.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie etwas darüber, wieviel von dem roten oder von dem grauen Sprengstoff in so eine große Flasche reinging?

Zeuge Mü[ller]:

Also ...

Richter Mai[er]:

Wir haben hier Chemiker gehabt, die meinten, das seien also 2 Zentner, rund 100 Kg dieses Sprengstoffs reingegangen, haben Sie darüber irgendeine Vorstellung, wieviel Sprengstoff man brauchte, um diese[ttt] große Flasche zu füllen?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Haben Sie nicht.

Dem Zeugen wird ein Vergleichsstück zu B 48 vorgelegt.

Ja also, zu dieser Flasche hier kann ich nichts sagen, bei der anderen meine ich, daß sie das ... oder habe ich den Eindruck, daß sie kleiner gewesen sei, längenmäßig.

Richter Mai[er]:

Welche Flasche meinen Sie jetzt?

Zeuge Mü[ller]:

Die in Augsburg verwendet wurde.

Richter Mai[er]:

Ja, also wir haben hier Zeugen gehabt und die meinten, die Augsburger Flasche habe in etwa so ausgesehen wie diese hier, eine 0,8 Liter-Flasche ...

Zeuge Mü[ller]:

Das habe ich auch in Erinnerung.

Richter Mai[er]:

0,8-Liter haben Sie in Erinnerung. Und wir haben vorher schon mal drüber gesprochen, Sie sagen Augsburg, eine Rohrbombe[uuu], eine solche kleine Pressluftflasche. An den dritten Sprengkörper können Sie sich nicht erinnern, wie der ausgesehen hat?

Wir hatten hier Sachverständige die meinten, das[vvv] sei möglicherweise so eine Feldflaschenbombe vom Typ der Magnetbombe gewesen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja aber denn ... dies war aber ohne Magnetfüße.

Richter Mai[er]:

Aber Sie haben keine Erinnerung daran?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ich kann mich explizit nur an diese ...

[10374] Dem Zeugen werden die Asservate

B 51 2. Stock Pos. 1.3

E 34 II 5 Pos. 58.1

E 23 V 5 Pos. 296. 24 und

E 23 V 5 Pos. 328.2

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Sagen Ihnen diese Stücke etwas?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das sind Sachen, wie sie entweder zur Verwendung bei Sprengstoffanschlägen vorbereitet wurden oder wie sie eingebaut wurden oder eingebaut worden waren.

Richter Mai[er]:

Darf ich mal das Stück B 51 sehen? Das scheinen irgendwie Teile eines Schalters zu sein, kommt Ihnen das bekannt vor?

Zeuge Mü[ller]:

Das hier, jaja, das ist so ... das gehört hier drauf eigentlich, also ich weiß nicht unbedingt, ob jetzt auf diesen Schalter, aber der Anordnung nach, möglicherweise gehört hier noch eine zweite Schraube dazu, gehört das hier so drauf ...

OStA Holland verläßt um 15.14 Uhr den Sitzungssaal.

Richter Mai[er]:

Haben Sie etwas derartiges, was sie jetzt in der Hand haben, mal gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Wo?

Zeuge Mü[ller]:

In der Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Und wofür wurde das verwendet?

Zeuge Mü[ller]:

Ja. ich sage es, es war da entweder vorbereitet worden für ... zur Verwendung bei Sprengstoffkörpern oder es war eingebaut in Sprengstoffkörper, also solche Sachen waren besonders für Hamburg vorgesehen.

Richter Mai[er]:

Für Hamburg war das vorgesehen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, da kann ich mich daran erinnern, daß da besonders solche Sachen mit Schaltern ...

Richter Mai[er]:

Das was Sie jetzt in der Hand haben, das soll in Hamburg gefunden worden sein und zwar in der nicht detonierten Bombe im 2. Stock. Ein Schalter mit der englischen Bezeichnung „on“ und „off“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Und das andere Stück, das soll im Homburg im Kurparkweiher gefunden worden sein und müssen wir noch Verpackungsmaterial haben, wenn Sie das bitte ansehen wollen. Kommt Ihnen das bekannt vor?

[10375] Zeuge Mü[ller]:

Ja das sind solche ... die es in diesen Geschäften eben gibt, da gibt es so einen Ständer und da hängen dann diese Dinger dran mit den elektrischen Kleinteilen[www], nicht unbedingt Schalter, sondern auch Schrauben oder was weiß ich.

Richter Mai[er]:

Haben Sie derartiges Verpackungsmaterial in der Inheidener Straße gesehen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe ja solche Schalter selbst gekauft und da habe ich ja auch solche Dinger in solchen Verpackungen gekauft.

Richter Mai[er]:

Danke.

Dem Zeugen werden die Asservate

B 51 2. Stock Pos. 1.4 und

E 23 V 5 Pos. 308

vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, eines dieser Dinger, also das fällt mir jetzt ein, könnte aus einer dieser Bomben in Hamburg stammen und zwar ... ja, da war eine Bombe war gebaut worden und Andreas Baader hat diese Bauform nicht so gefallen, hat er es nochmal rausgerissen und hat mindestens eine dieser Bomben selbst nochmal fertig gemacht und hat sie eben abgeschlossen indem er eben in den Rand da solche ... das ist so Autospachtelkitt ...

Richter Mai[er]:

Also in die Öffnung des Gewindestutzens.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, wenn ich’s mal kurz zeigen darf.

Richter Mai[er]:

Was für einen[xxx] Zweck sollte das haben?

Zeuge Mü[ller]:

Ja das weiß ich auch nicht.

Richter Mai[er]:[yyy]

Es soll also gefunden worden sein, das eine in Hamburg in der nicht detonierten Rohrbombe im zweiten Stock und das andere soll aus der Inheidener Straße in Frankfurt stammen.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist möglicherweise der rausgerissene ...

OStA Holland erscheint um 15.16 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Dem Zeugen werden die Asservate

B 54 II 5 Pos. 2 und

B 52 Pos. 2.1

vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja als, das waren die Typenschilder wie sie eben an diesen Gasflaschen dran sind.

Richter Mai[er]:

Sie sagten vorher, die wurden entfernt die Typenschilder?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Wenn also das was Sie hier vor sich liegen haben, das soll in [10376] der Garage im Hofeckweg gefunden worden sein. Der Splitter, den Sie vor sich liegen haben, soll gefunden worden sein in Heidelberg am Tatort 1, Halsringsplitter einer 33-Kg-Flasche und ein Sachverständiger den wie hier hatten, der ... beziehungsweise aus sachverständigen Aussagen und Zeugenaussagen konnte man entnehmen, daß Typenschild und Halsringsplitter ursprünglich sich an einer Gasflasche, an ein und der selben Gasflasche befunden haben sollen. Sie haben ja, glaube ich, schon berichtet, wie der Heidelberger Anschlag vorbereitet wurde, in welchen Garagen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, für diese Flasche, also das war Garage Hofeckweg und ich kann da mehr nicht drüber sagen.

Richter Mai[er]:

Die große Flasche wurde im Hofeckweg vorbereitet?

Zeuge Mü[ller]:

Hofeckweg, ja Garage.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Dem Zeugen wird das Asservat

B 52 Pos. 1.1

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Das soll der Splitter einer 11-Kg-Gasflasche sein, ein Halsringsplitter ... Das soll also ein Halsringsplitter sein von einer 11-Kg-Flasche, gefunden in Heidelberg. Jetzt sagten Sie, wenn ich mich recht entsinne, es sei an einem anderen Tatort ... seien zwei 11-Kg-Flaschen verwendet worden.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

In einem Fahrzeug?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Und wo in dem Fahrzeug waren die untergebracht?

Zeuge Mü[ller]:

Im Kofferraum und in dieser Ablage hinter dem Rücksitz.

Richter Mai[er]:

Und wie hat man die gezündet, was für eine Stromquelle hatte man dazu?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, soweit ich mich erinnere, hat er die angeschlossen an die Autobatterie.

Richter Mai[er]:

An die Autobatterie angeschlossen, dankeschön.

Dem Zeugen wird das Original eines Mietvertrags

- dessen Ablichtung in O. 72 Bl. 221 abgelegt ist - vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Ein Mietvertrag, sagt Ihnen der etwas?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, eben nur, daß es sich hier um die Schloßstraße 20 - 22 handelt und daß die von Tropf angemietet ist, aber mit der [10377] Anmietung selbst und dem Mietvertrag hatte ich ja nie etwas zu tun.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Gem. § 249 StPO[55] wird im Urkundenbeweis[zzz] aus dem Original des Mietvertrages - dessen Ablichtung in O. 72 Bl. 221 abgelegt ist - der wesentliche Inhalt festgestellt.

Dem Zeugen wird das Original eines Mietvertrages - dessen Ablichtung in O. 114 Bl. 346/32 abgelegt ist - vorgelegt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist ein Mietvertrag für die Wohnung „Mühle“ in Bad Homburg.

Richter Mai[er]:

Und Sie nannten, glaube ich, auch schon den Namen des ...

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist Herr Henning.

Richter Mai[er]:

Sie selber haben mit der Anmietung nichts zu tun gehabt?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Gem. § 249 StPO wird im Urkundenbeweis[aaaa] aus dem Original des Mietvertrages - dessen Ablichtung in O. 114 Bl. 346/32 abgelegt ist - der wesentliche Inhalt festgestellt.

Dem Zeugen werden die Asservate

E 34 I 5 Pos. 1 u. 40

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Kommen Ihnen diese Handtaschen irgendwie bekannt vor?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, was soll ich sagen, es gab da eine unheimliche Menge von solchen Reisetaschen oder von solchen Taschen.

Richter Mai[er]:

Sie sagten, Herr Müller, Sie hätten mal eine Anzahl von Reisetaschen oder Koffern wie Sie sich ausgedrückt haben, mitgenommen aus der Wohnung Heusenstamm und dieselben nach Homburg in die Dietigheimer Straße gebracht. Wenn Sie diese Taschen hier vor sich sehen, hat es sich um derartige Behältnisse gehandelt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja also, soweit kann ich sagen, daß es sich um derartige Sachen gehandelt hat, aber ob es jetzt ...

Richter Mai[er]:

Haben Sie etwa so ausgesehen?

Zeuge Mü[ller]:

... genau die waren, das kann ich nicht mehr sagen.

Richter Mai[er]:

Also man soll derartige gefunden haben im Heuchelbach in Homburg unter einer Brücke.

Zeuge Mü[ller]:

Ja vielleicht ... naja eigentlich waren die ja ... diejenigen die [10378] RAF benutzt hat, die waren, wenn man so will, teurer also, das sieht man ja jetzt nicht mehr so, die sind ja ziemlich vergammelt.

Richter Mai[er]:

Sie meinen, die hatten eine bessere Qualität als die hier?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, naja aber es waren natürlich Taschen dieser Art, sicher, aber ob die jetzt ... ob jetzt diese und diese dabei waren, das kann ich nicht mehr sagen.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 113

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Können Sie die Beschriftung des Anhängers lesen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, „Jock“ oder „Jack“.

Richter Mai[er]:

Das soll „Sack“ heißen.

Zeuge Mü[ller]:

„Sack“ ja, „Sack“ momentmal, das dürfte sich dann um Briefkastenschlüssel handeln.

Richter Mai[er]:

Ja. Haben Sie derartige Schlüssel in Langenhagen bei der Festnahme dabei gehabt. Sie[bbbb] oder die Frau Meinhof?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich hatte keine dabeigehabt, wenn, dann Frau Meinhof.

Richter Mai[er]:

Der soll in Langenhagen sichergestellt worden sein.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das kann sein.

Richter Mai[er]:

Ihnen ist nichts bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Also wenn, wie das mit den Schlüsseln lief, das war ja so, die Schlüssel oder ein Teil der Schlüssel von Süddeutschland, Frankfurt und so weiter, hatte Gudrun Ensslin und als sie dann nach Hamburg gefahren ist hat sie die mitgenommen und die haben ja untereinander, also Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, auch Informationen ausgetauscht und dann ist ja die Gudrun Ensslin verhaftet worden und dann hatte Ulrike Meinhof die ... allgemein die Schlüssel dort, wenn man so will.

Richter Mai[er]:

Die Schlüssel mitgenommen, danke.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 109

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Können Sie dort eine Aufschrift lesen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja also, hier handelt es sich um nachgemachte Schlüssel ohne ... nein hier steht bloß „Leder“ drauf, ja um nachgemachte Schlüssel die für eine Wohnungstür dienen.

Richter Mai[er]:

An einem dieser Anhänger soll „Hof“ stehen.

Zeuge Mü[ller]:

„Hof“?

[10379] Richter Mai[er]:

Ja.

Zeuge Mü[ller]:

Ach „Hof“, hier, ja wo gehört das Ding jetzt dazu. Das liegt hier lose rum.

Richter Mai[er]:

War lose dabei?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Auch dieser Schlüssel soll in Langenhagen sichergestellt worden sein.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das gehört wahrscheinlich alles zu „Hof“. Ja, da kann ich auch wieder nur sagen, daß dieser Schlüssel eben über den Weg Gudrun Ensslin - Ulrike Meinhof dort gelandet ist.

Dem Zeugen wird das Asservat B 54 II 4 Pos. 27

vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Können Sie dort eine Aufschrift lesen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, hier steht also ganz unleserlich „Hof“ drauf.

Richter Mai[er]:

Ja. Der soll also gefunden worden sein in der Garage im Hofeckweg. Näheres dazu ist Ihnen nicht bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ja Moment mal, ich könnte höchstens eine Vermutung äußern, aber mehr kann ich auch nicht dazu sagen, also daß entweder Meins oder Raspe diese Schlüssel bei sich gehabt haben.

Dem Zeugen wird das Asservat

C 6.4.2 Pos. 108

vorgelegt.

Ja, das ist so ein Schlüssel für die Inheidener Straße.

Richter Mai[er]:

Der soll jedenfalls in Langenhagen bei der Festnahme vorgefunden worden sein. Inheidener Straße, das wäre also die „Laube“?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Dankeschön. Nun gerade im Anschluß an diese Schlüssel Herr Müller, wenn wir vielleicht ganz kurz die Wohnungen in Frankfurt und der Frankfurter Gegend nochmal kurz durchgehen. Wir haben vorher von der Wohnung in Homburg in der Dietigheimer Straße gesprochen und Sie sagten, Sie hätten von Heusenstamm da verschiedene Taschen hingebracht.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Welchen Zweck hatte eigentlich die Homburger Wohnung?

Ende von Band 599.

[10380] Zeuge Mül[ler]:

Die Bad Homburger?

Richter Mai[er]:

Ja.

Zeuge Mül[ler]:

Das war eine neue Wohnung, funktional kann man vielleicht sagen daß es so eine Art Ausweichwohnung war.

Richter Mai[er]:

Eine Ausweichwohnung. Ist es möglich in dem Kassiber, den wir heute früh hatten, dieses Schriftstück, das Sie erläutert haben, das Sie in Hamburg bekommen haben sollen, da ist ja die Rede davon, daß die Laube geräumt werden soll

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Ist es möglich, daß Sachen aus der Laube, also aus der Inheidener Straße, nach Homburg gekommen sind?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich habe da in die Laube nochmal diese Hoftante, also diese Renate Assmus geschickt, und sie sollte dort einige Sachen rausholen; dabei handelte es sich um Sprengschnur, Schilder, ein kleines Fernsehgerät und noch so ein paar Kleinigkeiten, an die ich mich nicht mehr erinnere. Sie hatte ... sie sollte ja auch die Wohnung reinigen, und sie war auch in der Wohnung drin, weil ich sie ja dort angerufen habe. Und das Reinigen hat sie ja offensichtlich nicht betrieben, und ich habe sie dann später in einem Lokal in Frankfurt getroffen und habe dann die Sachen von ihr, die sie mir bringen sollte, entgegengenommen. Und dann habe ich die Sachen zu Gudrun Ensslin, die in der Raimundstraße 104 war, gebracht, und von dort aus sind die Sachen in die Wohnung in Bad Homburg gegangen.

Richter Mai[er]:

So daß also sowohl von Heussenstamm als auch von der Laube Sachen nach Homburg gegangen sind?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Nun haben Sie gerade die[cccc] Raimundstraße erwähnt. Welche Funktion hatte diese Wohnung?

Zeuge Mül[ler]:

Die Wohnung sollte ja aufgegeben werden, weil ... die ist erstmal geräumt worden nach der Verhaftung von Thomas Weisbecker und Carmen Roll[56] bzw. nach dem Tod von Thomas Weisbecker und der Verhaftung von Carmen Roll, und zwar weil eben diese beiden bei dieser Wohnung, oder[dddd] im Zusammenhang mit dieser Wohnung aufgetreten sind. Und danach ist die Wohnung eigentlich nur [eeee] für Treffs benutzt worden oder weil es eben nicht mehr anders ging oder ... naja z. B. hat die Luther dort gewohnt, damit sie nicht noch andere Wohnungen, kurz bevor sie weggeht, kennenlernt, und Gudrun Ensslin und ich, wir haben sie auch für eine oder zwei Nächte, nach der Verhaftung von den dreien, benutzt.

[10381] Richter Mai[er]:

Dann die Wohnung in Offenbach, in den Schloßstraße, das wäre also das Faß, da haben wir vorher den Mietvertrag Tropf verlesen. Zu welchem Zwecke sollte diese Wohnung dienen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das war eigentlich auch[ffff] eher nur eine Aufenthaltswohnung, wenn man so will. Es stand da allerdings ein Funkempfänger und es wäre wahrscheinlich so was wie eine kleine ... naja nicht Funkleitzentrale, aber so eine Funkaufklärungszentrale, wenn man so will, geworden.

Richter Mai[er]:

Und vorher erwähnten Sie, daß 6 dieser kleinen Gasflaschen dort hingebracht wurden, zunächst.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, einfach zur Unterbringung. Also die waren untergebracht, wenn man reinkommt, rechter Hand ist da ein Wandschrank und da waren die.

Richter Mai[er]:

Dann haben Sie letzte Woche eine Wohnung in der Berger Straße in Frankfurt erwähnt, im Zusammenhang mit eben wohl dieser Hoftante, die Wohnung Hof, wozu diente die?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, in der Wohnung Hof, da waren viele Fälschungssachen, dort wurden zumeist diese Fälschungen hergestellt, also Kfz-Fälschung oder Führerscheinfälschung oder Verfälschung von Ausweisen bzw. Pässen. Weiter war dort ... die hatten sich was neues ausgedacht, die wollten diese ... es gibt doch diese Typenschilder an den Autos und das Material dafür war auch z. B. in der Wohnung, um Typenschilder fälschen zu können. Und was war noch in der Wohnung? Naja, es war eine umheimlich alte Wohnung von der RAF.

Richter Mai[er]:

Dann haben Sie weiter, Herr Müller, eine Wohnung in der Wiener Straße in Frankfurt-Oberrat erwähnt, was hatte die für einen Zweck?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das war eher auch eine Aufenthaltswohnung, also in der wurde z. B. mal eines dieser Papiere geschrieben; also wie heißt denn das ...

Richter Mai[er]:

Meinen Sie eine RAF-Schrift?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Welche, die erste oder die zweite?

Zeuge Mül[ler]:

Nein, nein, nicht die. Die erste war ja von Stadt-Guerilla,[57] dann gab es da eine von Mahler, dann gab es ja noch mal eine, die ungefähr im Mai rauskam 1972 ...

Richter Mai[er]:

Meinen Sie „Stadtguerilla und Klassenkampf“?[58]

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es waren ja ... die hat verschiedene Schlagzeilen, es werden ja verschiedene immer wieder welche[gggg] genannt. Die beschäftigt sich mit dem Chemie-Arbeiterstreik und ...

Richter Mai[er]:

Die im Frühjahr 72 rauskam ...

[10382] Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

... verbreitet wurde?

Zeuge Mül[ler]:

Die Rote Armee aufbauen und so was ähnliches.

Richter Mai[er]:

Und die ist dort entstanden, sagen Sie?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Wer hat die geschrieben?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, die hat Ulrike Meinhof dort geschrieben.

Richter Mai[er]:

Hat sie sich im Frühjahr 72 in Frankfurt[hhhh] aufgehalten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, nur zeitweise.

Richter Mai[er]:

Dann haben Sie diese Wohnung Heusenstamm erwähnt - der Sack - aus[iiii] der Sie Taschen abgeholt hatten, welchen Zweck hatte diese Wohnung?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, also vom Namen her war das eben eine Ausruhwohnung und ...

Richter Mai[er]:

Ausruhewohnung; was versteht man darunter, unter Ausruhewohnung?

Zeuge Mül[ler]:

Naja, pennen und faulenzen, wenn man so will, außerdem war diese Wohnung gedacht als Anlaufstelle, wenn man z. B. von Süddeutschland kommt, spät in der Nacht, so daß man dann nicht mehr über den Main fahren muß, durch die Hauptverkehrsstraßen und so.

Richter Mai[er]:

Die Laube in der Inheidener Straße ist ja schon hinreichend erörtert worden. Dann haben Sie noch drei Garagen erwähnt: im Hofeckweg, Ginnheimer Landstraße und Marbachweg. Welche Funktion hatten diese Garagen?

Zeuge Mül[ler]:

Die Garage Ginnheimer Landstraße und Garage[jjjj] Marbachweg, da konnten z. B. Reparaturen gemacht werden, umfrisieren von Wagen. Also nach dem Knacken müssen kleine Schäden behoben werden und wechseln der Nummerschilder, zum Teil wurden auch Sachen aufbewahrt. Das waren auf jeden Fall Garagen, die oft frequentiert, auch von verschiedenen Fahrzeugen oft[kkkk] frequentiert werden konnten.

Richter Mai[er]:

Hat man die Ginnheimer Landstraße auch dazu benützt - die Garage dort - um Sprengkörper abzufüllen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, also da war mal, ein[llll] Teil der Grundsubstanzen mindestens war da auch gelagert und das ist von dort geholt worden; entweder handelte es sich um Alupulver oder um Bleimennige.

Richter Mai[er]:

Dann zu den Anschlägen noch mal kurz, Herr Müller. Sie haben gesagt, Karlsruhe - Buddenberg, da seien also morgens die Herren Baader, Meins und Raspe, abends vielmehr, nicht morgens, hingefahren. Wo befand denn[mmmm] sich zu diesem Zeitpunkt die Frau Ensslin?

Zeuge Mül[ler]:

Die war entweder in der Inheidener Straße oder war unterwegs.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie das heute nicht mehr? War sie möglicherweise auch mit in Karlsruhe?

[10383] Zeuge Mül[ler]:

Nein. Also ich habe das nicht in Erinnerung. Ich will das nicht hundertprozentig ausschließen, aber ich weiß explizit nur, daß sie mitgefahren ist nach München.

Richter Mai[er]:

Ist Ihnen ein Porsche mit einer komischen Farbe, so ein blauviolett, aubergine, bekannt? Mit einem Konstanzer Kennzeichen KN-CU 90?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Hat dieser Porsche irgend etwas mit dem Anschlag in Karlsruhe zu tun?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich weiß ja nicht, welche Wagen die benutzt haben. Also der Porsche war eigentlich zu der der Zeit noch ... Das war ja so, Baader hat sich ja immer bestimmte Wagen beschafft, ein Porsche oder ein Iso und dann hat er den eine Zeitlang gefahren und hat dann den abgeschoben an andere. Das war mal eine Zeitlang Baaders Auto, aber ich weiß nicht, ob das dazu benutzt wurde.

Richter Mai[er]:

Ich kann Ihnen sagen, wir haben hier Zeugen gehabt, die wollen gesehen haben, an dem Tag, an dem der Anschlag in Karlsruhe erfolgte, daß kurz nach 7.00 Uhr morgens auf der Autobahn zwischen Karlsruhe und Heidelberg, Richtung Frankfurt, ein Porsche mit so einer auffallenden Farbe, so einer Aubergine-Farbe - Konstanzer Nummer, noch mit den Buchstaben CU - unterwegs gewesen sei. In dem Fahrzeug seien ein Mann und eine Frau gesessen. Können Sie dazu irgendetwas sagen?

Zeuge Mül[ler]:

Also ich bin von meiner Erinnerung ausgehend, bin ich eigentlich fest der Meinung, daß Gudrun Ensslin da nicht mit war.

Richter Mai[er]:

Können Sie ausschließen, daß Frau Ensslin dabei war?

Zeuge Mül[ler]:

Das kann ich aber auch nicht.

Richter Mai[er]:

Wer hat die Telefonwache gehabt in dieser Nacht?

Zeuge Mül[ler]:

Also ich war in dieser Nacht nicht wach.

Richter Mai[er]:

Dann weiter zu dem zweiten Anschlag am folgenden Tage, in Augsburg und in München. Da sagen Sie, da sind also Baader, Ensslin und Meins mit dieser großen Gasflasche nach München gefahren ... und Luther und Möller seien beauftragt gewesen, den Anschlag in Augsburg zu begehen. Und Sie hätten Sprengkörper vorher in der Inheidener Straße gesehen, die zum Transport nach Stuttgart bestimmt gewesen seien.

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie, wer diese Sprengkörper nach Stuttgart gebracht hat?

Zeuge Mül[ler]:

Da habe ich, wie gesagt, auch keine Erinnerungen daran. Ich habe nur Erinnerungen, daß eben in einer Ecke Sprengkörper bereitgestellt waren, wie ich gesagt habe, auch eine große Rohrbombe [10384] und eine kleine Pressluftflasche, den dritten Sprengkörper weiß ich nicht mehr, und wer die auch dahingeschafft hat und wie das im einzelnen genauer alles gelaufen ist, das weiß ich alles nicht.

Richter Mai[er]:

Haben Sie das am Tage des Anschlages gesehen oder schon an einem vorhergehenden Tag?

Zeuge Mül[ler]:

Das ist von mir eine Schlußfolgerung; ich habe das nicht mehr in Erinnerung, daß das Tage vorher gewesen sein muß.

Richter Mai[er]:

Tage vorher. Wo befand sich denn der Herr Raspe am Tag des Anschlags in Augsburg und in München?

Zeuge Mül[ler]:

Da habe ich auch keine Erinnerung mehr daran.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie nicht. Waren denn die beiden Mädchen in Stuttgart, also Möller und Luther in der Lage, Sprengkörper zündfertig zu machen?

Zeuge Mül[ler]:

Na, ich würde sagen, nein.

Richter Mai[er]:

Wer hat ihnen dann gezeigt, wie man das macht, oder hat es möglicherweise selber gemacht, wissen Sie darüber etwas?

Zeuge Mül[ler]:

Da verweigere ich die Aussage.

Richter Mai[er]:

Dann zu der Sache ... zu dem Anschlag in Hamburg bei Springer. Da sagten Sie ja, da kam Frau Meinhof mit einer Idee, das hat man dann besprochen, und hat ihr dann diese Rohrkörper gegeben, und hat es ihr dann überlassen den Anschlag im einzelnen auszuführen. Hinterher habe es eine Kritik vom Herrn Baader gegeben, wogegen richtete sich nun eigentlich diese Kritik?

Zeuge Mül[ler]:

Die Kritik richtete sich, soweit ich das mitkriegte, nur dagegen, daß Arbeiter verletzt worden waren.

Richter Mai[er]:

Daß Arbeiter verletzt worden waren?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Nun, wenn man in einem Verlagsgebäude insgesamt 5 solcher Rohrbomben deponiert, in dem auch ein Druckereibetrieb ist, dann ist es eigentlich nicht so fernliegend, daß auch Drucker und Setzer in Mitleidenschaft gezogen werden. Was war denn da nun eigentlich sozusagen das Anstößige an der ganzen Sache? Mußte man damit nicht von vornherein rechnen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, der Anschlag bezweckte natürlich auch, Menschen zu treffen, aber Baader war eben dagegen, dass es sich gerade um Drucker und Setzer handelte.

Richter Mai[er]:

Wenn ich das recht verstehe, richtete sich seine Kritik dagegen, daß ... nicht so sehr dagegen, daß hier Menschen getroffen wurden, sondern daß man die Sprengkörper sozusagen an den falschen Stellen, in den falschen Stockwerken deponiert hat, oder wie soll [10385] ich das verstehen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, daß das Ganze so organisiert war, daß es nicht vermieden wurde, daß Arbeiter verletzt worden waren. Sei es durch die Plazierung, sei es durch eine korrekte oder ausreichende Warnzeit.

Richter Mai[er]:

Mit was hat man denn in Hamburg gerechnet? Hat man damit gerechnet, daß es dort Verletzte gibt oder daß es dort auch Tote gibt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, inwiefern? Es war ja so, daß Ulrike Meinhof nach Frankfurt gekommen war und dort eben diese Idee vortrug, ob sie sie durchführen kann, und das durfte sie eben, und dann war das ihre Sache, wie das Ganze geplant und[nnnn], organisiert wurde. Und ich weiß nicht, was sie da für konkrete Ziele hatte.

Dem Zeugen Müller wird das Asservat Baader-Material Pos. 12 (Zellendurchsuchung vom 22.1.75) vorgelegt.

Richter Mai[er]:

Es soll sich um ein INFO handeln, wissen Sie, von wem dieser INFO-Beitrag stammt?

Zeuge Mül[ler]:

Sie meinen Seite 12?

Richter Mai[er]:

Pos. 12, und der Schluß ist wohl auf Seite 14 oder auf Seite 13 Rückseite; dort steht „h 12.8.74“.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das heißt Hardy, und das ist von mir.

Richter Mai[er]:

Das ist von Ihnen. Und wenn Sie jetzt, Herr Müller, bitte auf Seite 12 - Seitenzahlen oder Positionszahlen weichen ab, es steht oben rechts die Zahl 12, die ist maßgebend - wenn Sie sich da den 3. Absatz ansehen, da heißt es „... penetrant erwähnst Du, daß Al einen Bullen in der RAF gesehen hätte, weil alle Dinger hätten hochgehen müssen. Abgesehen davon und unterstellt es hätte einen gegeben, ist es doch mindestens fraglich, ob die Bullen die politischen Bedingungen für so fortgeschritten gehalten hätten um ein paar evtl. Tote auf ihr Konto zu nehmen“. Können Sie diese Stelle erläutern?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es dreht sich hier um ... Das ist 12.8.74 nicht 75.

Richter Mai[er]:

Bitte?

Zeuge Mül[ler]:

Das ist der 12.8.74. Das ist im Zusammenhang mit dem Hungerstreik. Ja, das dreht sich hier um die Auseinandersetzung innerhalb der Gruppe, die ich als Gruppe 4.2.[59] bezeichne ...

Richter Mai[er]:

Das interessiert mich nicht, Herr Müller, sondern mich [10386] interessiert nur: da ist ja irgendeine Anspielung darauf, daß einige Dinger nicht hochgegangen seien und daß es möglicherweise 2 oder 3 Tote hätten geben können. Was ist damit gemeint?

Zeuge Mül[ler]:

Ach so, dieser - Moment, wie heißt denn der gleich - dieser Allnach, Herr Allnach, Kai Allnach, der hat eben in Diskussionen in der Gruppe 4. 2., er hat eben gedacht, das hätte in der RAF, hätte es entweder Bullen, also Polizisten gegeben, die eben verhindert haben, dass alle Dinger hochgegangen seien, weil es sonst eben mehr Tote gegeben hätte. Und das ist Becker ... es gab eine Auseinandersetzung zwischen Becker und Allnach und Allnach sagte eben, in der RAF hätte es einen Bullen oder einen Polizeispitzel oder wie man es nennen will, gegeben, und der hätte eben verhindert, daß alle Bomben hochgegangen seien, weil es ja dann eben mehrere Tote hätte geben können.

Richter Mai[er]:

Wer hat nun mit mehreren[oooo] Toten gerechnet?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich meine, das ist hier ... hier ist nur Becker zitiert.

Richter Mai[er]:

Sie meinen Becker habe mit mehreren Toten gerechnet? Da muß doch irgendjemand der Meinung gewesen sein, wenn alle Dinger hochgegangen wären, dann hätte es möglicherweise 2 bis 3 Tote gegeben.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, das ist ...

Richter Mai[er]:

Und wer war das? Hat man darüber sich unterhalten damals?

Zeuge Mül[ler]:

Das ist ja auch richtig.

Richter Mai[er]:

Ist es eine Spekulation, die man hinterher angestellt hat, oder hat man, bevor Frau Meinhof nach Hamburg[pppp] ging mit diesen Rohrbomben, sich darüber unterhalten, wieviel Tote es dabei evtl.[qqqq] geben könne?

Zeuge Mül[ler]:

Nein. Die Sache war von Anfang bis Ende, also bis auf die Genehmigung, die sie brauchte, die Sache von Ulrike Meinhof. Und der Abschnitt, der sich hierdrauf bezieht, bezieht sich auf Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe 4.2., bevor sie verhaftet wurden. Und es ist logisch, also daß wenn alle Bomben explodiert wären, daß es da eine evtl. eine Reihe von Toten gegeben hätte ...

Richter Mai[er]:

Das meinen Sie, es sei logisch ...

Zeuge Mül[ler]:

... unter diesen Bedingungen ...

Richter Mai[er]:

... das sei selbstverständlich?

Zeuge Mül[ler]:

Ja. Unter den Bedingungen, wie der Anschlag auch organisiert war und abgelaufen ist.

Richter Mai[er]:

Dann, zu Heidelberg haben Sie gesagt, Herr Müller, eine Idee [10387] von der Frau Ensslin, und dann habe noch diese Besprechung in der Ginnheimer Landstraße stattgefunden, losgefahren seien dann Baader, Meins, Luther, Möller. Wo war die Frau Ensslin an diesem Tage?

Zeuge Mül[ler]:

Also ich habe gesagt, mindestens losgefahren sind die vier. Soweit ich mich erinnere war sicher Gudrun Ensslin nicht dabei, ich will aber nicht ausschließen, daß noch jemand anderes dabei war, also Braun z. B.

Richter Mai[er]:

Wo war der Herr Raspe an diesem Tag?

Zeuge Mül[ler]:

Wo sich Raspe und Gudrun Ensslin aufgehalten haben an dem Tag, das weiß ich auch nicht.

Richter Mai[er]:

Sie haben gesagt, die Frau Ensslin hatte die Idee, vor wem hat sie denn diese Idee vorgebracht?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich habe das ja nur im Nachablauf mitgekriegt durch Gespräche mit Angela Luther und beim Mithören von Telefongesprächen. Und Gudrun Ensslin war bei diesem Sammelpunkt, war sie mit dabei. Aber meiner Erinnerung nach ist sie nicht mitgefahren, da wo dieser Sammeltreff war.

Richter Mai[er]:

Sie haben hinterher von der Frau Luther gehört, wie sich die Sache abgespielt habe; Sie waren[rrrr] nicht dabei, als [ssss] Frau Ensslin ihre Idee anderen Mitgliedern unterbreitet hat, verstehe ich Sie so richtig?

Oberstaatsanwalt Zeis verlässt um 15.53 Uhr den Sitzungssaal.

Zeuge Mül[ler]:

Ja. Oder ich habe das aus Telefongesprächen, wie sie das ... die hatte oft Gespräche gehabt mit der Luther, wo eben die ganze Checkerei abgesprochen worden war zwischen den beiden, und von daher weiß ich, daß sie die Initiatorin war. Und bei dieser, wenn Sie so wollen, wenn Sie darauf abspielen, bei der Versammlung, diesbezüglich war ich nicht dabei.

Richter Mai[er]:

Nun sagen Sie gerade Versammlung. Also Sie haben ja berichtet, einmal die Sache von der Frau Meinhof, ihre Idee, dann haben Sie gesagt, sie konnte das nicht allein machen, sie mußte sich durchsetzen in einer Diskussion. Sie haben von der Frau Ensslin gesagt, sie habe die Idee für die Anschläge in Frankfurt und Heidelberg gehabt, und die sei[tttt] dann wohl irgendwie besprochen worden, diese Idee; Sie haben vom Herrn Baader, wenn ich mich recht entsinne, letzte Woche gesagt, der Herr Baader setzte sich fast immer durch; [10388] das setzt ja auch logisch irgendeine Diskussion, eine Besprechung voraus, sonst brauche ich mich ja nicht durchzusetzen, wenn nichts besprochen wird. Frage, war es denn ein Prinzip in der Gruppe, eine grundlegende Linie, dass man vor wichtigen Aktionen, wie etwa solchen Sprengstoffanschlägen, vorher mit anderen diskutiert hat, daß man die Zustimmung von anderen wollte, und daß es gegen dieses Prinzip verstoßen hätte, wenn da einer nun eigenmächtig oder auf eigene Faust etwas derartiges gemacht hätte, ohne sich mit anderen darüber abzusprechen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es war nicht so, daß es eine Diskussion in der ganzen Gruppe gegeben hat. Z. B. weiß ich von den[uuuu] Gruppenmitgliedern, die in Berlin waren, wurden nur die nachträglichen Kommentare entgegengenommen.

Richter Mai[er]:

Gut, aber von denen, die in Frankfurt nun etwa waren?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, es hat eine Diskussion gegeben vor den Anschlägen, aber ich weiß darüber wenig und ich war da auch ziemlich sauer, weil ich da unheimlich zur Schnecke gemacht worden war. Aber es ist so, wenn Raspe oder Ensslin oder Meinhof oder Meins was machen wollen, was einigermaßen von Bedeutung ist, dann müssen sie das diskutieren, aber wenn Baader was vorhat, dann braucht er es nicht.

Richter Mai[er]:

Ist etwa einer der Sprengstoffanschläge allein vom Herrn Baader auf eigene Faust, mit Helfern möglicherweise, denen man Anweisungen gab, gemacht worden, ohne dass er sich vorher mit anderen Mitgliedern in Frankfurt besprochen hätte. Ist Ihnen darüber etwas bekannt?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, hier muß ich ja natürlich auch wieder sagen, daß ich nicht unbedingt in diesem Zusammenhang über alles informiert war und sein muß, weil es Gespräche gegeben haben kann, von denen ich nichts weiß. Also bezüglich der Anschläge München, Augsburg und Karlsruhe, da war das, meiner Erinnerung nach, eigentlich ein kurzer Satz von Baader; währenddessen der Anschlag gegen Springer, der hat immerhin erfordert, daß Ulrike Meinhof in Frankfurt war und daß sie mit denen geredet hat.

Richter Mai[er]:

Ja, und wenn man da so geredet hat, wie etwa Ulrike Meinhof, wie hatte sich das abgespielt? Hat man das für und wider erwogen, oder wie war das?

Zeuge Mül[ler]:

Über die ganze Diskussion in diesem Zusammenhang weiß ich ... kann ich wenig sagen.

Richter Mai[er]:

Etwas anderes, Herr Müller, Sie sagten, man habe zum ersten Mal solche Sprengstoffanschläge erörtert in Hamburg damals, an [10389] einen Hubschrauber hat man gedacht, eine Wohnung, da ist nichts draus geworden. Da hatte man also konkrete Ziele, aber noch keine Sprengkörper. Und konkrete Ziele habe man dann erstmals gehabt mit Frankfurt; dazwischendrin habe man Sprengkörper nun eben mal so auf Vorrat hergestellt. Aber hat man in dieser Zeit denn nun irgendwie darüber gesprochen oder hat man irgendwelche Vorstellungen gehabt, für welche Art von Zielen diese Sprengkörper in Betracht kamen?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, wie soll ich das verstehen?

Richter Mai[er]:

Man hat noch nicht konkret gesagt, haben Sie gesagt, man will etwa im Hauptquartier in Frankfurt einen Sprengstoffanschlag machen. Aber hat man sich so ganz generell etwas darunter vorgestellt, wollte man etwa gegen „die Amerikaner“ in Deutschland vorgehen, oder wollte man gegen Politiker vorgehen oder gegen die Polizei vorgehen, ohne daß das schon konkret festlag? Aber hat man sich über die Art von Zielen schon Gedanken gemacht?

Oberstaatsanwalt Zeis erscheint wieder um 15.58 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge Mül[ler]:

Nein. Es war ja so und es ist ja auch kein Widerspruch, wie ich das bereits gesagt hatte, daß Baader damit diese Geiselnahmen bzw. Entführungen vorbereiten wollte, um als potente Organisation hinter diesen Entführungen zu stehen. Wenn er jetzt aber diese Sprengstoffanschläge durchführt, um das eben zu demonstrieren, und geht in den Wald und läßt da diese Bomben hoch, dann ist es nicht unbedingt ein Argument dafür, daß die RAF auch die Brutalität besitzt im Falle einer Nichterfüllung von Forderungen, die Leute entweder umzulegen oder was weiß ich. Also müssen die Bomben ja irgendwo müssen ja irgendwo was demonstrieren, sie müssen irgendwo gelegt werden und da bietet sich eben, das ist auch Motivationsfaktor, wenn man so will, an: es gab eben eine starke antiamerikanische Einstellung innerhalb der RAF oder der Leute, die mit der RAF sympathisieren und aus den Aktivitäten der RAF heraus, gab es eben auch die entsprechende Einstellung staatlichen Behörden und Polizeiorganen, Richtern gegenüber und da, wenn man so will, bietet sich das an.

Richter Mai[er]:

Sie meinen, das lag an sich schon in der Luft, schon vorher derartige Ziele, wie sie tatsächlich nachher ausgewählt wurden. Man hat nun schon darüber gesprochen, Herr Müller, hat man einfach diese Sprengkörper hergestellt, und da hat kein Mensch irgend etwas [10390] darüber gesagt, wofür die nun eigentlich mal verwendet werden sollten, oder hat man da schon mal diskutiert, für was die eigentlich in Betracht kommen könnten?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, eben für ... allgemein für Sprengstoffanschläge, aber nicht, daß jetzt gesagt worden wäre 3 Monate vorher, ein Sprengstoffanschlag für Buddenberg oder für Augsburg oder für München.

Richter Mai[er]:

Sicher, das nicht, Herr Müller. Ich möchte es nicht allzusehr vertiefen. Es gibt ja noch etwas dazwischen; daß man also nicht sagt, in Frankfurt im Hauptquartier des 5. US-Corps, aber daß man etwa sagt, da werden wir bei verschiedenen amerikanischen Stellen, Kasernen, Hauptquartieren, Stäben oder so etwas, werden wir diese Bomben zur Explosion bringen. Haben derartige Gespräche schon vor dem Mai 72 stattgefunden?

Zeuge Mül[ler]:

Nein ... nicht, also ...

Richter Mai[er]:

Oder ließ man das einfach mal darauf ankommen?

Zeuge Mül[ler]:

Ich weiß davon nichts.

Richter Mai[er]:

Davon wissen Sie nichts.

Zeuge Mül[ler]:

Für mich ist die Entscheidung, von diesem Sprengstoffanschlag in Frankfurt aus gesehen, also hat sich mir als total spontane Entscheidung der Leute dort, also Gudrun Ensslin dargestellt.

Richter Mai[er]:

War für den Sprengstoffanschlag in Heidelberg, Herr Müller ... wann sind denn da die Fahrzeuge beschafft worden, in denen man die Sprengkörper dann deponiert hat?

Zeuge Mül[ler]:

Teils, soweit ich mich erinnere, teils im Mai und teils auch vorher, aber das ist daselbe, wie mit der Vorbereitung der Sprengkörper. Die Fahrzeuge wurden besorgt, um allgemein als Autobomben eingesetzt zu werden.

Richter Mai[er]:

Also noch nicht für bestimmte Ziele, sondern sozusagen einmal auf Vorrat?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Noch etwas anderes, Herr Müller ...

Vors.:

Wir wollen jetzt, glaube ich dazwischenrein, da die Fragen noch nicht ganz beendet sind, eine Pause einlegen; ¼ Stunde.

16.15 Uhr bitte Fortsetzung.

Pause von 16.03 Uhr bis 16.20 Uhr

[10391] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.20 Uhr

Rechtsanwalt Huth ist nicht mehr[vvvv] anwesend.

Vors.:

So wir können, wie ich sehe, die Sitzung fortsetzen.

Allerdings fehlt Herr Rechtsanwalt Huth. Sie legen ja Wert darauf, daß Ihr Anwalt anwesend ist.

Ich benütze die Zeit, bis er kommt, darauf hinzuweisen a) daß die Klimaanlage leider defekt ist[wwww], daher dieses unerträgliche Klima im Saale, und b) wir beabsichtigen heute noch die Fragen des Gerichts abzuschließen und dann das Fragerecht morgen erst weiterzugeben an die Bundesanwaltschaft. Ich glaube, es ist auch Ihnen angenehm, denn Sie sind seit 9.00 Uhr heute früh als Zeuge befragt worden.

Rechtsanwalt Huth erscheint wieder um[xxxx] 16.21 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Jetzt hat der Herr Berichterstatter nun weitere Fragen, bitte.

Richter Mai[er]:

Herr Müller, Sie sagten, die Kommandobriefe zu sämtlichen 6 Sprengstoffanschlägen habe alle die Frau Meinhof geschrieben. Beim 1. Kommandobrief habe man allerdings ursprünglich die Absicht gehabt, daß der Herr Raspe den verfassen soll, warum denn der Herr Raspe?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, damit der das lernt.

Richter Mai[er]:

Bitte?

Zeuge Mül[ler]:

Damit der das lernt, wenn man das so sagen will.

Richter Mai[er]:

Ist das gerade geeignet, bei einer solchen Gelegenheit da Lernprozesse zu machen. War das der einzige Grund?

Zeuge Mül[ler]:

Naja, wie soll ich das am kürzesten darstellen.

Richter Mai[er]:

Ich meine, Herr Müller, wer hat denn die RAF-Schriften verfasst? Wer hat denn die 1. RAF-Schrift verfaßt, das „Konzept Stadtguerilla“?

Zeuge Mül[ler]:

Also die 1. RAF-Schrift, das weiß ich nur vom Hörensagen, die ist von Ulrike Meinhof.

[10392] Rechtsanwaltlt Dr.[yyyy] Hoffmann verlässt um 16.22 Uhr den Sitzungssaal.

Richter Mai[er]:

Über die andere: „Stadt-Guerilla und Klassenkampf“ vom Frühjahr 72, haben wir uns vorher schon unterhalten, Sie sagten: ebenfalls Frau Meinhof. Wer hat nun die 3. RAF-Schrift „Schwarzer September“[60] verfasst?

Zeuge Mül[ler]:

Hier kann ich nur eine Vermutung anbringen, meiner Meinung nach stammt die von Gudrun Ensslin.

Richter Mai[er]:

Meinen Sie? Wer sollte denn die 4. RAF-Schrift, das Projekt „Bassa“ übernehmen?

Zeuge Mül[ler]:

Bassa?

Richter Mai[er]:

Bassa.

Zeuge Mül[ler]:

Cabora Bassa, das war doch ... momentmal, das war doch ein Name für Raspe.

Richter Mai[er]:

Lief unter dieser Bezeichnung nicht die Absicht, eine weitere RAF-Schrift zu verfassen? Wissen Sie nichts näheres darüber? Nun, es geht um folgendes, Herr Müller. Bot sich denn Frau Meinhof nicht an sich an, von vornherein an, um diese Kommandoerklärungen abzufassen; als ehemalige Journalistin, und nachdem sie das „Konzept Stadt-Guerilla“ usw. ja auch schon abgefasst[zzzz] hatte. Deshalb meine Frage: Wie kommt man da auf den Herrn Raspe?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, etwa ... einfach in dem Sinne, wie ich das gesagt hab. Das ist natürlich ... ein bißchen komisch klingt das, aber ... naja um ... damit er es eben auch mal macht, damit man eben nicht nur auf die einzige, wenn man so will, Public-Relation-Dame angewiesen ist.

Richter Mai[er]:

Nehmen wir mal gleich die erste Kommandoerklärung, zu Frankfurt, Kommando Petra Schelm.[61] Wo ist denn diese Kommandoerklärung abgefasst worden?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, bei der drehte es sich um diese ... Ich kann das nicht mehr genau sagen. Also ich habe nur ganz undeutlich im Kopf, daß die noch in Frankfurt geschrieben ist.

Richter Mai[er]:

In Frankfurt. Also wir hatten hier eine Kommandoerklärung vom 14.5.72, die[aaaaa] soll auf einer „Erika“-Schreibmaschine geschrieben worden sein, die in der Inheidener Straße in Frankfurt stand.

Zeuge Mül[ler]:

Das kann sein, ja.

[10393] Richter Mai[er]:

Können Sie sich an eine derartige Schreibmaschine erinnern?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, Schreibmaschinentypen und so, eigentlich nicht. In der Wiener Straße gab es eine, das war eine uralte und welches in der Wohnung Berger Straße gab, also wenn, dann war das die aus der Berger Straße, ich weiß nicht, was das für ein Typ war. Ich habe ja auch nie mit den Schreibmaschinen geschrieben.

Richter Mai[er]:

War mehr als eine Schreibmaschine in den Frankfurter Wohnungen vorhanden?

Zeuge Mül[ler]:

Möglicherweise, aber nicht mehr als zwei.

Richter Mai[er]:

Nicht mehr als zwei.

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

War darunter möglicherweise eine, die eine sehr kleine Schrift hatte?

Zeuge Mül[ler]:

Also da bin ich überfragt.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie etwas darüber, wo dann die zweite Kommandoerklärung, zu Augsburg und München, „Thomas Weisbecker“,[62] abgefasst wurde?

Zeuge Mül[ler]:

Da habe ich nur die Vermutung, daß die auch in Frankfurt abgefasst wurde.

Richter Mai[er]:

Auch in Frankfurt; näheres wissen Sie nicht?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Und die dritte Kommandoerklärung zu Karlsruhe, „Grashof“?[63]

Zeuge Mül[ler]:

Da weiß ich nicht, ob die schon in Hamburg geschrieben wurde, weil ein Teil der Erklärung wurde in Frankfurt geschrieben und ein Teil der Erklärung in Hamburg.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie etwas darüber, warum diese Erklärung - Karlsruhe - nicht wie die beiden vorhergehenden abgeschickt worden ist zur Veröffentlichung an die dpa oder sonst an eine Tageszeitung?

Prof. Dr. Azz[ola]:

Der Herr Zeuge hat noch überhaupts nichts über die Formen der Abschickung gesagt.

Vors.:

Darf ich nochmals, bitte, Herr Professor.

Prof. Dr. Azz[ola]:

Eine unzulässige Einführung einer Voraussetzung. Der Herr Zeuge hat überhaupt noch nicht Stellung genommen zur Frage der Form der Abschickung, also auch nicht zu möglichen Unterschieden.

Richter Mai[er]:

Herr Müller, wissen Sie etwas darüber, ob diese dritte Kommandoerklärung abgeschickt worden ist?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Hat man sich möglicherweise darüber unterhalten, ob man die abschickt oder nicht?

[10394] Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich muß hier mal grundsätzlich im Zusammenhang mit diesen Erklärungen sagen, ich weiß darüber nur, daß [bbbbb] eben die erste von Raspe geschrieben werden soll, danach aber alle von Ulrike Meinhof geschrieben worden sind. Wie die gehandhabt wurden, das ist mir ... ich habe da bloß noch ganz undeutliche Sachen im Kopf, wie jetzt die Geschichte mit dem Schweizer und so, die mir jetzt noch nebenbei eingefallen[ccccc] ist, vorab. Wie die aber geschickt wurden und an welche Adresse alles, da habe ich eine viel zu ungenau Erinnerung.

Richter Mai[er]:

Darüber wissen Sie keine Einzelheiten.

Zeuge Mül[ler]:

Ja. Das war ja auch ihre Sache.

Richter Mai[er]:

Bitte?

Zeuge Mül[ler]:

Das war ihre Sache, da hing das ja auch mit zusammen.

Richter Mai[er]:

Wissen Sie etwas darüber, wann die Frau Meinhof nach Frankfurt gekommen ist von Hamburg aus, im Mai 1972?

Zeuge Mül[ler]:

Ja, also sie war ... das ist schwierig. Also sie war mehrmals in Frankfurt, mindestens aber einmal, als die ... Ich kann die zeitlich kann ich diese[ddddd] Besuche nicht mehr einordnen. Ich weiß, daß sie am Tage des Diebstahles dieses Steinbrucheinbruchs im Frankfurter Raum war, ich weiß das sie um die Zeit des ersten Anschlages im Frankfurter Raum war und ich weiß auch, daß sie unter anderem damit verbunden haben Wagen auszutauschen, also diejenigen die in Hamburg gestohlen waren und diejenigen die in Frankfurt gestohlen waren. Aber ich kann die einzelnen Besuche nicht mehr ...

Richter Mai[er]:

Wer war in Begleitung von Frau Meinhof, als sie zum Zeitpunkt des ersten Anschlages, also Frankfurt, nach Frankfurt kam?

Zeuge Mül[ler]:

Das war Jünschke.

Richter Mai[er]:

Es soll in Hamburg, in der Wohnung in der Ohlsdorfer Straße, ein Kfz-Schlüssel gefunden worden sein, der zu[eeeee] dem blauen VW passte, den man auf dem Gelände des Hauptquartiers in Frankfurt zurückgelassen hat. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Sie haben heute früh im Zusammenhang mit dem sogenannten Ensslin-Kassiber bereits eine ganze Reihe von Decknamen erklärt. Ich hätte nur noch ein paar, Herr Müller.

Wissen Sie, wer Erwin war?

Zeuge Mül[ler]:

Erwin, ja, ich glaube das war ein zweiter Name von Meins.

Richter Mai[er]:

Und wer war Lester?

Zeuge Mül[ler]:

Raspe.

Richter Mai[er]:

Schnauze?

[10395] Zeuge Mül[ler]:

Ensslin.

Richter Mai[er]:

Theres?

Zeuge Mül[ler]:

Ich bin nicht sicher, Meinhof.

Richter Mai[er]:

[fffff] Jimmy?

Zeuge Mül[ler]:

Das war Meins.

Richter Mai[er]:

Sie haben heute morgen schon gesagt, wenn auf Schriftstücken[ggggg] ein kleines „u“ verzeichnet war, da werde es sich wohl um die Frau Meinhof handeln. Wer ist gemeint in solchen Schriftstücken, wenn ein kleines „g“ angeführt ist?

Zeuge Mül[ler]:

Ensslin.

Richter Mai[er]:

Und wenn ein kleines a angeführt ist?

Zeuge Mül[ler]:

Baader.

Richter Mai[er]:

Heute morgen schon, Herr Müller, wurde die Frage erörtert, ob es jemand gegeben hat mit dem Decknamen Harry. Sie selbst sagen, Sie hätten den Namen Hardy geführt, von einem Harry wüßten Sie nichts. Haben Sie sich das nochmal überlegt, Herr Müller?

Zeuge Mül[ler]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Haben Sie möglicherweise im Zusammenhang mit dem INFO-System einmal Vorschläge unterbreitet, in welchem Umfang man Zeitungsausschnitte sammeln könnte?

Zeuge Mül[ler]:

Ich kann mich jetzt daran nicht mehr erinnern. Ich weiß jetzt nur, daß solche Vorschläge z. B. also von Meinhof bzw. Baader gekommen sind.

Richter Mai[er]:

Wir haben hier bereits früher einmal ein Schriftstück verlesen, es soll bei einer Zellendurchsuchung am 16.7.73 in der Zelle von Herrn Baader gefunden worden sein - es ist Baader-Material Pos. 16/1.2[hhhhh] - und da heißt es im 2. Absatz: „Die Zeitungsauswertung durch die Gefangenen ist nur möglich, wenn in dem Informationsbüro einer alles redunante[iiiii] Zeug rausschmeißt. Wir brauchen nur die Information, nicht die Dokumentation, weil 90 % der Nachrichten, [jjjjj] auf dieselben Agenturmeldungen[kkkkk] zurückgehen, jeder sowieso eine überregionale Zeitung liest, bleibt dann nicht zu viel übrig. Ich habe auch keine Lust hier den ganzen Tag rumzuschnipseln; kommt mir so vor, als würden die Stichworte, die Harry vorschlägt, jeweils die ganze Zeitung mit Annoncen und Sport bedeuten. Ich habe mir gedacht“- und dann kommt also eine Liste - „RAF, Guerilla, Antiguerilla, Kriegsführung, Polizeiorganisation, BGS, Anti-Terror, Nachrichtendienste, Vollzug.“ Da ist also einwandfrei von einem Harry die Rede.

Zeuge Mül[ler]:

Ja, ich kann dazu nichts sagen.

[10396] Richter Mai[er]:

Haben Sie dafür eine Erklärung?

Zeuge Mül[ler]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Keine weiteren Fragen.

Vors.:

Das leitet dazu über, Herr Müller, was ich heute früh hier schon angekündigt habe, daß ich dann noch ein paar Fragen an Sie richten möchte, es sind nicht mehr viele.

Ende Band 600

[10397] Vors.:

Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß Sie der „Harry“ nicht sind? Nicht sein können, der hier gemeint ist.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich habe das bereits schonmal gesagt, daß mein Deckname war „Hardy“ und wenn hier der Name „Harry“ öfters genannt wird, ich kann diesen Namen mit niemand verbinden.

Vors.:

Und würden Sie damit auch sagen wollen, Sie schließen aus, daß durch Abschleifung beim Ausdruck aus dem „Hardy“ plötzlich ein „Harry“ geworden ist, was ja auch möglich wäre, daß das trotzdem also dann Sie betroffen hätte?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Können Sie das ausschließen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich schließe das eigentlich aus.

Vors.:

Nun folgendes, Sie haben uns ja am Donnerstag geschildert, wie Sie ein Metallrohr größeren Ausmaßes mit besorgt hätten. Sie haben die Möglichkeit angedeutet, daß es sich auch um 2 Stücke gehandelt haben könnte. Ich sage das nur, um den Vorgang zu charakterisieren. Sie haben dabei gesagt, Sie seien von Meins gebeten worden, im Transit zu fahren und bei einer bestimmten Firma dieses Rohr abzuholen. Und Sie hätten dann erfahren, als Sie gefahren seien, daß dieses Rohr an „Pfirsich“ übergeben werden soll. Ist das richtig?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Können Sie mit dem Namen „Pfirsich“ [lllll] jemand Bestimmten verbinden[mmmmm]? Jetzt, heute?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es soll sich dabei um Dierk Hoff handeln.

Vors.:

Um Dierk Hoff. Sie haben heute uns hier verschiedene Asservate dargestellt, von denen Sie sagten, sie stammten nach Ihrer Kenntnis, was Sie erzählensweise gehört haben, von dem „Pfirsich“: Rohrbombe, Magnetbombe, die Feldflaschen hier, dann die[nnnnn] Schulterstütze haben Sie erwähnt, Schrot-MP, die Abschußgeräte, Schrotabschußgeräte, Nitrierrgerät und die Auszieher. Und in der Tat hat Herr Hoff hier als Zeuge angegeben, er habe diese Gegenstände hergestellt. Es besteht also ein gewisser Grad, wenn man das mal vorsichtig so ausdrücken will, von Wahrscheinlichkeit, daß unter „Pfirsich“ in der Tat, wie Sie jetzt schildern, Herr Hoff gemeint sein könnte. Sie sagen, Sie haben - in Ihrer Vernehmung am Donnerstag - [10398] Herrn Hoff selbst nicht kennengelernt.

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Sind Sie jemals in seiner Werkstatt oder vor seiner Werkstätte gewesen?

Zeuge Mü[ller]:

Also in der Werkstatt war ich nicht. Ich weiß über Herrn Hoff eben, was, ich sollte für Meins einen Aushilfstreff wahrnehmen und die Sache hat sich aber wieder zerschlagen, aber für die Wahrnehmung dieses Treffs hatte ich Informationen bekommen über Hoff. Die Umgebung in der er wohnt, die Personen, mit denen er zusammen ist, um eben ein möglichst umfassendes Bild von Hoff zu haben. Das heißt, damals war das für mich „Pfirsich“.

Vors.:

Ja nun, Informationen würden ja nicht bedeuten, daß Sie deswegen in der Gegend etwa von dem Domizil des „Pfirsich“ gewesen sein müßten. Deswegen die Frage: Waren Sie mal in dieser Gegend?

Zeuge Mü[ller]:

Also ausschließen kann ich das nicht.

Vors.:

Ich möchte Ihnen dann vorhalten, daß Sie ausweislich Ihrer polizeilichen Vernehmung Bl. 37. gesagt haben sollen, bei dieser Gelegenheit: Meins hätte Ihnen eine genaue Beschreibung des „Pfirsich“ gegeben und er habe Ihnen zu diesem Zweck, für dieses Treffen die Werkstatt des „Pfirsich“ gezeigt. Ruft Ihnen dieser Vorhalt die Erinnerung an diesen Vorgang wieder zurück?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, dann ist das korrekt, was da drin steht.

Vors.:

So daß insoweit das, was Sie am Donnerstag gesagt haben, daß es nur eine Instruktion gewesen sei, ohne diese persönliche Besichtigung der Werkstätte nicht aufrechterhalten werden würde oder ...

Zeuge Mü[ller]:

Wie, das verstehe ich jetzt nicht.

Vors.:

Ja daß Sie jetzt Ihre Aussage ... Sie haben am Donnerstag angegeben, Sie hätten nur Instruktionen erhalten. Sie haben nichts davon erwähnt, daß Sie auch mal die Werkstätte selbst gezeigt bekommen haben.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, weil ich es nicht mehr in Erinnerung hatte.

Vors.:

Ja, deswegen frage ich, wenn ich Ihnen das jetzt vorhalte, können Sie das aus der Erinnerung wieder bestätigen, tatsächlich, daß Sie dort gewesen sind, vor der Werkstätte?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

[10399] Vors.:

Nun haben Sie also geschildert, wie Sie als Fahrer mit dem Transit zu dieser Abholung des Rohres gefahren sind. Und dazu kann ich Ihnen sagen, daß eine Schilderung für diesen Vorgang, mutmaßlich, auch von Herrn Hoff abgegeben worden ist. Ich will jetzt gerade die Stelle suchen, das ergibt sich aus dem Protokoll-Band S. 5961/62, da sagte er: Er sei also dort hingefahren, die Straßennamen seien ihm nicht geläufig, er habe auf der rechten Seite geparkt, „wie wir das besprochen hatten, da habe ich eine Weile lang gewartet, 20 Minuten schätzungsweise. Jedenfalls fing es mir gerade an, ein bißchen langweilig zu werden, da kam also ein grauer Ford-Transit angefahren, aus derselben Richtung, aus der ich gekommen war, vom Erlenbruch her. Er kannte, der Fahrer kannte offensichtlich meinen Wagen, setzte sich vor mich und stieß zurück, bremste scharf und ich hörte also ein Riesen-Gepolter im Wageninnern.“ Dem entspricht Ihre Schilderung, daß Sie sagen: „Dort sind wir auch hingefahren, da stand auch ein Bus und ich habe mich dann mit dem Transit vor den Bus gesetzt“. Und dann sei also der Umladevorgang erfolgt. Man müßte annehmen, es handelt sich hier um denselben Vorgang. Und hier kommt nun von Herrn Hoff folgende Aussage: „Der Harry fuhr den Wagen“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, woher will er das wissen.

Vors.:

Er hat eben einen Mann als Fahrer bezeichnet. Wir wollen uns jetzt auf den Namen noch gar nicht zu sehr festlegen. Aber wenn es sich um denselben Vorgang gehandelt haben sollte, den hier sie beide schildern und der übereinstimmende Merkmale zeigt: es ging um die Umladung dieses großen Rohres. Selbst das Detail, wie sich der Transit vor den wartenden Wagen des Herrn Hoff setzt, da sagt er: „Der Fahrer, den habe ich gesehen, es war der Harry“. Und Sie selber sagen: „Ich war der Fahrer“.

Zeuge Mü[ller]:

Ja, ich hatte als Beifahrer hatte ich „STP“ und ich habe aber den „Pfirsich“ damals nicht gesehen.

Vors.:

Aber er scheint jedenfalls einen Fahrer gesehen zu haben, den er mit dem Namen „Harry“ verband. Und deswegen nochmals die Frage, da Sie ja selbst sagen, immer unter Voraussetzung, es war derselbe Vorgang, aber davon wollen wir jetzt mal ausgehen, daß Sie selbst sagen, ich war der Fahrer, müßte er [10400] also Sie unter dem Namen „Harry“ gekannt haben. Und das knüpft nun genau an die Fragen an, die bereits gestellt worden sind, ob Sie eben nicht doch in der Gruppe den Namen „Harry“ gehabt haben.

Zeuge Mü[ller]:

Nein. Ich weiß nicht, wie er dazukommt, mich als „Harry“ zu bezeichnen. Und ich kenne ihn nicht und er war auch oben in Hamburg in meinem Termin und da war auf entsprechende Fragen des Richters auch nichts.

Vors.:

Jedenfalls scheint er den Fahrer gesehen zu haben. Und er bezeichnet ihn, jetzt unabhängig davon[ooooo], welchen Namen Sie getragen haben in der Gruppe, als „Harry“. Und nun macht er noch weitere Angaben. Er sagt nämlich, dieser „Harry“ sei ihm sehr wohl persönlich bekannt. Wollen wir mal den Namen „Harry“ weglassen, wir könnten genauso sagen, der Fahrer dieses Wagens, den er nur charakterisiert mit dem Namen „Harry“, wie der nun richtig war oder anders war, das ist gleichgültig, der Fahrer dieses Wagens sei bei ihm gewesen, in der Werkstatt. Und zwar, ich kann es Ihnen aus dem Protokoll dann vorhalten, werde es auch tun, mehrfach und zuletzt sogar in einem sehr entscheidenden Augenblick. Dieser Fahrer, den er als „Harry“ versteht, soll nämlich derjenige gewesen sein, das möchte ich Ihnen gleich vorhalten, der unmittelbar vor dem Sprengstoffanschlag in Frankfurt, 2 Stunden vorher, die noch brühwarmen Rohrbomben abgeholt haben soll. Nach dem ganzen Zusammenhang müßte es sich da um Sie gehandelt haben, das möchte ich Ihnen vorhalten. Was sagen Sie dazu?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist entweder eine Verwechslung oder eine absichtlich falsche Beschuldigung.

Vors.:

Ich will Ihnen also vorhalten, wie er den „Harry“ kennengelernt haben will, den er nachher als den Fahrer des Wagens bezeichnet, der zu sein, Sie selber angaben. Er habe die Schalen angefertigt für diese feldflaschenförmigen Sprengkörper und die seien abgeholt worden, das ist Seite 5948 des Protokolls, und bei diesem Besuch kam eine zweite Figur noch mit, ein dritter Mann, er hatte inzwischen kennengelernt, das wissen wir aus seinen Aussagen, den „Erwin“ und den „Lester“. „Ein dritter Mann kam hinzu, ein paar Jahre jünger. [10401] Das ist, wie mir jetzt klargeworden ist, ist Müller gewesen.“ Da hat er nachher gewisse Abstriche gemacht und Sie erzählen das auch von Ihrem Verfahren. Aber er sagte der wurde mir als „Harry“ vorgestellt. Also schon damals, beim Abholen der Schalen für diese feldflaschenförmigen Sprengkörper sei der „Harry“ gekommen und er schildert nun, wie „Erwin“ den „Harry“ empfohlen habe, der sei 100 %ig, voll vertrauenswürdig. Er habe sich sehr interessiert in der Werkstätte umgesehen, habe alles interessant gefunden, da habe[ppppp] er sich das alles zeigen lassen. „Ein ganz prima Laden“: „Wau, was für ein prima Laden, hier kann man ja alles machen“. So habe sich damals beim ersten Kennenlernen der „Harry“ geäußert. Und dann fährt er fort, zu einer weiteren Begegnung: Als er an dieser Maschinenpistole gearbeitet habe mit diesem Griff ... halt nein, an der automatischen Schrot-Maschinenpistole, deren Schußfähigkeit immer wieder zu Schwierigkeiten geführt habe, so drückt er sich hier selbst aus, da sei nun der „Lester“ gekommen, habe bei der Arbeit zugeguckt. Es sei aber auch möglich, daß der „Harry“ dagewesen sei. Die MP sei fertig gewesen, „Lester“ kam sie abholen. Möglicherweise war „Harry“ dabei. Hier legt er sich nicht fest. Aber für ihn ist „Harry“ in diesem Augenblick schon ein fester Begriff. Und dann kommt die Geschichte, die nun die Verbindung herstellt, Fahrer gleich „Harry“, und Fahrer zu sein, geben Sie selber an. Dann kommt die entscheidende Schilderung, dann kommt noch eine weitere Begegnung. Er erzählt, das ergibt sich aus 5965, daß er sich mal in Frankfurt, in der Gegend der Hauptwache aufgehalten habe und wie es der Zufall will, gegenüber auf der Straße sehe er den „Harry“. Und dann hat er sich noch lange überlegt, oder blitzartig überlegt, was tut man, wenn man sozusagen einen Mann dieser Art auf freier Wildbahn treffe und da sei der Harry schon auf ihn zugekommen und hätte ihn völlig ungezwungen begrüßt: „wie gehts, wie steht es mit der Arbeit?“ und so weiter. Und dann habe er den Harry angespitzt, er solle endlich dafür sorgen, daß er Geld bekomme, und in der Tat, für seine Arbeiten, und in der Tat habe dann der Harry am nächsten Tag 600,-- DM gebracht, das sei zu wenig gewesen dieses Geld, aber er habe es mal hingenommen und da er Urlaub hatte er reisen wollen, auch [10402] nicht weiter reklamiert und, doch schon reklamiert, aber nicht großes Theater gemacht, jedenfalls habe dann der „Harry“ zugegeben, na ja, man sei zur Zeit ein bißchen knapp bei Geld, „aber Du kriegst noch das Geld, also noch einen weiteren Betrag.“ Das war also wieder eine Sache mit „Harry“. Und „Harry“ habe an diesem Tage sogar noch Arbeiten mitnehmen wollen, dazu habe er eine Tragetasche dabeigehabt, um diese Rohrabschnitte schon mitzunehmen, die besagten hier, aber diese seien eben an diesem Tage noch nicht fertiggewesen. Und dann sei das am nächsten Tag, am 11.5.72, passiert, da sei dann der „Harry“ wiedergekommen, wieder mit Tragetaschen, um diese Dinger abzuholen, das war der Tag des Sprengstoffanschlags. Die seien noch brühheiß gewesen, der „Harry“ sei mit, man habe die in der Badewanne abgekühlt, sie seien zu schwer gewesen und er habe dem „Harry“ noch helfen müssen, diese Taschen an einen Pkw zu tragen, abgefahren, und es seien knapp 2 Stunden vergangen, da habe er in seiner Wohnung, die offenbar akustisch so liegt, daß man das akustisch wahrnehmen konnte vom IG-Farbenhaus, drei Explosionen gehört. Und nun mit sich gerungen, waren das die Dinger oder waren sie es nicht. Und alles der „Harry“, der den Transit gefahren hat, von dem Sie selber sagen, Sie hätten ihn gefahren. Das müßte also im Gegensatz zu Ihrer Darstellung, Herr Müller, eine recht eingehende Bekanntschaft geworden sein. Wenn Sie sich mit Ihrem Herrn Verteidiger zu diesem Punkte besprechen wollen, bitte.

Der Zeuge Müller bespricht sich mit seinem Verteidiger Huth.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Huth, Verzeihen Sie, wenn es Ihnen in diesem Punkte, der ja nicht ganz unerheblich ist, angenehmer ist, in etwas größerer Ruhe sich mit Ihrem Mandanten zu besprechen, wir geben Ihnen natürlich dazu auch Gelegenheit.

Zeuge Mü[ller]:

... auch schon ziemlich anstrengend war.

RA Huth:

Er hätte auch gerne eine Pause.[qqqqq]

Vors.:

Gut, dann machen wir hier eine Pause von 10 Minuten.

Pause von 16.48 Uhr bis 17.01 Uhr.

[10403] Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung:

Prof. Dr. Azzola ist nicht mehr[rrrrr] anwesend.

Vors.:

So, ich glaube, wir können die Sitzung fortsetzen. Will Herr ...

RA Huth:

Ich habe für[sssss] Herrn Müller zu erklären, daß er auf[ttttt] die zuletzt an ihn gerichteten Fragen von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht. Im übrigen aber verweist auf die Erklärungen, die Herr Hoff in seinem, des Herrn Müllers Verfahren in Hamburg, insbesondere auf die[uuuuu] Kenntnis der Person des Herrn Müller abgegeben hat.

Vors.:

Entspricht diese Erklärung, die gerade abgegeben wurde, Ihren Absichten? Das würde also bedeuten, Herr Müller, daß Sie sich insoweit, als ich Ihnen diese Frage nun gestellt habe, im Wege verschiedener Vorhalte keine Auskunft geben wollen, unter Berufung auf § 55[ StPO].[64]

Zeuge Mü[ller]:

Ja und eben daß ich um die Beiziehung der Aussage Hoff in meinem Verfahren, ich weiß nicht, ich kann das ja nicht beantragen.

Vors.:

Ich habe dann keine weiteren Fragen mehr. Herr Dr. Breucker, ich glaube, es sind noch Fragen, bitte.

Richter Dr. Br[eucker]:

Herr Müller, gab es in der Gruppe jemand, der zentral das Geld verwaltet hat, also einen Verwalter oder Verwalterin der gemeinsamen Kasse?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es war in erster Linie, die[vvvvv] diese Funktion wahrgenommen [wwwww] hat, war das Gudrun Ensslin.

Richter Dr. Br[eucker]:

Wissen Sie aus eigener Wahrnehmung oder vom Hören-Sagen, woher das Geld stammte, was in dieser Kasse sich befand?

Zeuge Mü[ller]:

Ein Großteil dieses Geldes stammt aus Banküberfällen, ein kleinerer Teil wurde aber auch von Sympathisanten gegeben.

Richter Dr. Br[eucker]:

Bei den von „Pfirsich“ gebauten Geräten befand sich auch diese Schrot-MP. Sie haben sie vorhin hier in der Hand gehabt. Wurde mit dieser Schrot-MP mal geschossen, wurden da Schußversuche gemacht. Und wenn ja, von wem?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, es wurden Schußversuche von Meins gemacht. Bei einem dieser Schußversuche war ich dabei. Dabei war auch Andreas Baader.

[10404] Richter Dr. Br[eucker]:

Herr Müller, Sie haben von sogenannten konspirativen Wohnungen in Stuttgart gesprochen. Sie haben hier die Wohnung in der Seidenstraße genannt. Ist Ihnen in Stuttgart noch eine weitere Wohnung bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, Obere Weinsteige.

Richter Dr. Br[eucker]:

Danke, dann habe ich keine Fragen mehr.

Vors.:

Sind sonst beim Gericht noch Fragen? Ich sehe nicht.

Prof. Dr. Azzola erscheint wieder um[xxxxx] 17.04 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Darf ich das Einverständnis der Beteiligten voraussetzen, wenn wir jetzt abbrechen und nicht weiter mit Fragen angeknüpft werden soll. Wir werden dann also morgen zunächst der Bundesanwaltschaft und dann den Herrn Verteidigern Gelegenheit geben, an den Herrn Zeugen Fragen zu stellen. Für heute ist die Sitzung beendet. Fortsetzung morgen früh um 9.00 Uhr.

Ende der Sitzung um 17.04 Uhr.

Ende des Bandes 601.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] 1974 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Recht auf ein faires Verfahren verlange, Zeug/innen grundsätzlich das Recht zuzugestehen, einen Rechtsbeistand des Vertrauens zur Vernehmung hinzuzuziehen, wenn sie es für die Wahrnehmung ihrer prozessualen Befugnisse erforderlich hielten. Insbesondere die Lage derjenigen Zeug/innen, die sich durch ihre Aussage der eigenen Strafverfolgung aussetzen könnten, sei mit der Lage von Beschuldigten in einem Strafverfahren vergleichbar (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 - Az.: 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, S. 105, 112 ff.). Inzwischen ist dieses Recht gesetzlich in § 68b StPO verankert.

[3] RAF-Mitglied Manfred Grashof schoss bei seiner Festnahme am 2. März 1972 zwei Mal auf den Polizeibeamten Hans Eckhardt, der schließlich am 22. März 1972 verstarb. Grashof selbst wurde in dem anschließenden Schusswechsel ebenfalls schwer verletzt (Pflieger, Die Rote Armee Frakton, 3. Aufl. 2011, S. 31 f.).

[4] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[5] Am 1.6.1972 wurden die Angeklagten Andreas Baader und Jan-Carl Raspe, sowie der frühere Mitangeschuldigte Holger Meins nach einem Schusswechsel in Frankfurt a.M. verhaftet. Ihnen wurde in diesem Zusammenhang versuchter Mord vorgeworfen. Dieser Vorgang war ab dem 43. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[6] Gudrun Ensslin wurde am 7.6.1972 in einer Boutique in Hamburg verhaftet. Dieser Vorgang war ab dem 56. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[7] Am 15.6.1972 wurden Gerhard Müller und Ulrike Meinhof in Hannover-Langenhagen festgenommen. Dieser Vorgang war am 59. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[8] Der Soziologiestudent Wilfried Böse war eine der Führungspersonen der Revolutionären Zellen(RZ). Dabei handelte es sich um eine 1973 von ihm mitgegründete terroristische Gruppe, die international vernetzt war. Teile der RZ waren an dem Attentat auf die OPEC-Konferenz 1975 in Wien sowie an der Entführung eines Flugzeugs und der anschließenden Geiselnahme in Entebbe im Jahr 1976 beteiligt. Obwohl die RZ sich als alternative Stadtguerilla-Formation zur RAF definierten, gab es dennoch Verbindungen zwischen ihnen. Böse selbst hatte die RAF wohl zumindest für eine gewisse Zeit mit verschiedenen logistischen Tätigkeiten unterstützt (Kraushaar, in Ders. [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 583, 592 ff.; Wörle, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 257, 258 ff., 265 f.).

[9] Gemeint ist hier das bei der Festnahme von Ulrike Meinhof gefundene und offenbar von Gudrun Ensslin stammende Schreiben, in welchem sich Schilderungen konkreter Geschehnisse im Zusammenhang mit ihrer Verhaftung befanden (sog. Ensslin-Kassiber; das Schreiben wird am 59. Verhandlungstag thematisiert, S. 5396 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; Auszüge finden sich im Urteil auf S. 152). Da es nur wenige Tage nach der Verhaftung Ensslins außerhalb der Haftanstalt aufgefunden wurde, wurde schnell der Verdacht geäußert, Rechtsanwalt Schily habe diesen Kassiber im Rahmen eines Anwaltsbesuches illegal aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt. Sichere Beweise hierfür gab es allerdings nicht (s. hierzu Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 65 ff.).

[10] Irmgard Möller schloss sich im Sommer 1971 der RAF an. Zuvor lebte sie in der Münchner Kommune Wacker Einstein, hatte 1969 als Teil der „Rechtshilfe der APO“ zum „Knastcamp“ aufgerufen und war Mitglied der Tupamaros München. Am 8. Juli 1972 wurde sie verhaftet, am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen sie und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren verurteilt. 1976 erfolgte ihre Verlegung zu den Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe nach Stammheim. Dort überlebte sie als Einzige die sogenannte Todesnacht von Stammheim (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 68; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 111 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99, 100 f.).

[11] Susanne Mordhorst arbeitete bei der italienischen Zeitschrift „Controinformazione“, die dem Umfeld der italienischen Terrorgruppe Rote Brigaden zugerechnet wird. Mordhorst spielte als Kontaktperson eine wichtige Rolle bei der Kommunikation und Organisation zwischen den deutschen und italienischen Sektionen des Internationalen Komitees zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa (IVK). Als Mordhorst 1976 als mutmaßliches RAF-Mitglied eine Verhaftung in Italien und die Auslieferung in die Bundesrepublik drohten, heiratete sie kurz vorher den italienischen Staatsbürger Michele Stasi und entging damit einer Auslieferung (Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 189, 393 ff.).

[12] Angela Luther war Teil der Tupamaros West-Berlin (TW), die seit Ende 1969 in Berlin Anschläge verübte und Anfang 1972 in der Bewegung 2. Juni aufging. Im Sommer 1971 wechselte Angela Luther gemeinsam mit Thomas Weisbecker zur RAF. Dort soll sie auch an dem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der 7. US-Armee und der US-Landstreitkräfte in Europa (USAREUR) am 24. Mai 1972 beteiligt gewesen sein. Angeblich plante Luther nach dem Tod Weisbeckers, zur Bewegung 2. Juni zurückzukehren. Im Laufe des Jahres 1972 verschwand sie jedoch unter weiterhin ungeklärten Umständen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 246; König, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 430, 459 f.; Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31ff.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 547).

[13] Hans-Peter Konieczny gelangte im Februar 1972 über seinen Anwalt Jörg Lang zur RAF. Als Druckerlehrling fälschte er für die Gruppe Dokumente und Schreiben. Nach seiner Festnahme am 7. Juli 1972 half er den Behörden bei weiteren Verhaftungen und sagte als Zeuge aus (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 370 ff., 411 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 250 f.).

[14] Klaus Jünschke war Psychologiestudent und ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). In der RAF überfiel er 1971 mit anderen eine Bank in Kaiserslautern. Im Verlaufe des Geschehens wurde der Beamte Herbert Schoner erschossen. Jünschke wurde am 9. Juli 1972 zusammen mit Irmgard Möller in Offenbach verhaftet. Ihm wurde neben den Straftaten im Zusammenhang mit dem Banküberfall auch die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie die Beteiligung an der Herbeiführung der Sprengstoffexplosion in Frankfurt a.M. am 11. Mai 1972 vorgeworfen. Im Hinblick auf die Sprengstoffexplosion wurde er zwar freigesprochen; das LG Kaiserslautern verurteilte ihn am 2.6.1977 aber u.a. wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe (Overath, Drachenzähne, 1991, S. 89 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 257, 761 Anm. 59; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff.; DER SPIEGEL, Ausgabe 24/1977 vom 6.6.1977, S. 104).

[15] Ilse Stachowiak war ein frühes Mitglied der RAF. Im Sommer 1970 reiste sie im Alter von 16 Jahren mit anderen RAF-Mitgliedern für eine paramilitärische Ausbildung nach Jordanien. Stachowiak wurde zusammen mit Christa Eckes, Helmut Pohl und Eberhard Becker am 4.2.1974 in Hamburg verhaftet. Das Landgericht Hamburg verurteilte sie am 28.9.1976 zu einer Jugendstrafe in Höhe von vier Jahren und sechs Monaten. Am 19.6.1978 wurde sie aus der Haft entlassen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 116 ff.; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 277; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 835).

[16] Der niederländische Student Ronald Augustin war Teil der Bewegung 2. Juni und Mitglied der ersten RAF-Generation. Er wurde im Juli 1973 festgenommen. Die Hauptverhandlung in Bückeburg wurde, ähnlich wie die in Stuttgart-Stammheim, in einer eigens dafür eingerichteten Mehrzweckhalle durchgeführt. Der Prozess wurde nicht nur deshalb von manchen als Generalprobe für das Verfahren in Stuttgart angesehen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 108 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 206; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 367 ff.).

[17] Siegfried Hausner war als Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK) im Juni 1971 nach einer Verkehrskontrolle in eine Schießerei mit der Polizei verwickelt, weshalb er bis zum Sommer 1974 er eine Jugendstrafe absaß. Nach seiner Entlassung schloss er sich der RAF an. Er war Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 RAF-Gefangenen, darunter der Angeklagten Baader, Ensslin sowie der früheren Angeklagten Meinhof, forderte. Aus weiterhin unbekannten Gründen explodierte kurz vor der Stürmung des Gebäudes durch schwedische Spezialkräfte im Inneren der Botschaft ein Sprengsatz, infolgedessen Hausner schwer verletzt wurde. Trotz dieser Verletzungen wurde Hausner wenige Tage später in die Bundesrepublik ausgeliefert und auf die Intensivstation der JVA Stammheim verlegt. Hausner starb dort Anfang Mai 1975 (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512, 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80).

[18] Zwischen 1959 und 1969 verfasste Ulrike Meinhof etliche Kolumnen für die Zeitschrift „konkret“, für die sie von 1961 bis 1963 auch als Chefredakteurin tätig war. Durch die Kolumnen erlangte sie bundesweite Bekanntheit (Seifert, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 3350, 361 ff.).

[19] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[20] Die Black Panther Party for Self-Defense (BBP) war eine militante politische Organisation. Gegründet wurde sie 1966 in Oakland (Kalifornien) von den Studenten Bobby Seale und Huey Newton. Die BBP forderte bessere Lebensbedingungen und Bildungschancen für afroamerikanische Bürger/innen und leistete in vielen Gemeinden unmittelbare Hilfe für Bedürftige. Mitglieder der BBP traten zudem mit offen sichtbaren Waffen auf und führten ihrerseits Patrouillen durch, um rassistisch motivierte Polizeigewalt zu unterbinden. Die Aktivitäten der BBP fanden international Beachtung. So gründeten sich z.B. innerhalb der deutschen Studentenbewegung Black-Panther-Solidaritätskomitees. Nach diversen Rückschlägen, Verhaftungen und Abspaltungen radikalerer Gruppierungen löste sich die BBP 1982 auf (Klimke, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 562, 572 ff.; Wilson, in Levy [Hrsg.], The Civil Rights Movement in America, 2015, S. 38 f.).

[21] Am. 15. Februar 1973 schlossen die USA und Kuba unter Schweizer Vermittlung ein Abkommen gegen Flugzeugentführungen ab (sog. Anti-Hijacking-Agreement). Danach sollten Flugzeugentführer/innen entweder strafrechtlich verfolgt oder ausgeliefert werden. Hintergrund dieses Abkommens war eine Anhäufung von Flugzeugentführungen zwichen 1968 und 1972 (Kornbluh, in Domínguez/Hernández/Barberia [Hrsg.], Debating U.S.-Cuban Relations, 2012, S. 101, 103 ff.; s. auch Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten, https://www.eda.admin.ch/eda/en/fdfa/fdfa/aktuell/dossiers/alle-dossiers/schweizer-schutzmachtmandate-usa-kuba/abkommen-gegen-flugzeugentfuehrungen.html, zuletzt abgerufen am: 18.10.2021).

[22] Fidel Castro (1927-2016) führte gemeinsam mit seinem Bruder Raúl und Ernesto „Che“ Guevara Guerillaeinheiten in der kubanischen Revolution an. Nach dem Sturz des kubanischen Diktators Fulgencio Batista Anfang des Jahres 1959 wurde Castro Regierungschef Kubas. Ihren institutionellen Niederschlag fand die Revolution, die sich von einer national-egalitären zu einer sozialistischen gewandelt hatte, aber erst 1976 mit der Verabschiedung der Verfassung. Castro selbst herrschte bis 2008 in dem auf seine charismatische Person ausgerichteten System des „Castroismus“ (Werz, in Wende [Hrsg.], Große Revolutionen der Geschichte, 2000, S. 276, 278 ff.; Zeuske, Insel der Extreme, 3. Aufl. 2017, S. 166, 174 ff., 186 ff., 214 ff).

[23] Der Kfz-Schlosser Bernhard Braun war seit 1971 Mitglied der RAF. Gemeinsam mit Brigitte Mohnhaupt war Braun vor allem in Berlin aktiv. Im Juni 1972 lösten in einer von ihnen genutzten Wohnung gelagerte Sprengstoffe eine Explosion aus. Eine Woche später wurden sie in West-Berlin festgenommen. Die Polizei konnte in der Wohnung Chemikalien und Anleitungen zur Herstellung von Bomben sicherstellen. Mohnhaupt und Braun wurden wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von je vier Jahren und sechs Monaten verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 54, 92 ff., 250; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 112 f.).

[24] Bevor Brigitte Mohnhaupt ab Frühjahr 1971 zur ersten RAF-Generation in den Untergrund ging, war sie bereits in verschiedenen linken Organisationsformen in München wie den Tupamaros und der Kommune Wacker Einstein vernetzt. Am 30.8.1974 wurde sie vom Landgericht Berlin wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Einen Teil ihrer Haftstrafe verbrachte sie zusammen mit den Stammheimer Gefangenen. Diese Nähe zu den führenden Mitgliedern ließ sie nach ihrer Entlassung im Februar 1977 selbst zu einer Führungsperson der zweiten RAF-Generation aufsteigen. Als solche war sie auch für die Gewalttaten während des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 mitverantwortlich. Bis zu ihrer erneuten Festnahme 1982 war sie an weiteren Aktionen der Gruppe beteiligt. Sie blieb bis zum Jahr 2007 in Haft (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 92 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt[Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99, 100., 105, 111 f., 118 f.; Wunschik, Baader-Meinhofs Kinder, 1997, S. 196 f., 248 ff., S. 367 ff.).

[25] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen, der allen Angeklagten in unterschiedlicher Ausgestaltung vorgeworfen wurde (den Angeklagten Baader und Ensslin die Gründung und Beteiligung als Rädelsführer, dem Angeklagten Raspe die Beteiligung an der kriminellen Vereinigung als Mitglied). Zum Vorwurf der Fortführung der kriminellen Vereinigung aus der Hat heraus s. S. 338 ff. der Anklage (Teil D, Abschnitt V.).

[26] Sog. Dauerdelikte umfassen nicht nur die Herstellung eines rechtswidrigen Zustands, sondern auch dessen Aufrechterhaltung (von Heintschel-Heinegg, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 2, 3. Aufl. 2016, § 52 Rn. 28).

[27] Über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet - soweit der/die Vorsitzende sie nicht bereits nach § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen kann (insbesondere eigene Fragen sowie solche der beisitzenden Berufsrichter/innen) - gem. § 242 StPO das Gericht, das ist in diesem Fall der Senat in voller Besetzung (zur Anwendbarkeit des § 242 StPO auf Fragen von Berufsrichter/innen s. Schünemann, StV 1993, S. 607 ff.).

[28] Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen den Rechtsanwalt und RAF-Mitglied Horst Mahler vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. In einem späteren Verhfahren vor dem LG Berlin wurde er wegen seiner Beteiligung an der am 14. Mai 1970 durchgeführten gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft unter Einbeziehung der früheren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff., 384; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.)

[29] Vor dem Landgericht Hamburg fand das Verfahren gegen die sog. Gruppe 4.2. statt, die nach ihrem Festnahmedatum am 4. Februar 1974 benannt wurde. Nach den Verhaftungen der RAF-Führungsriege 1972 hatte eine Gruppe um Margrit Schiller ab Mitte 1973 damit begonnen, sich zu reorganisieren. Ihre Pläne zur gewaltsamen Befreiung der inhaftierten Mitglieder wurden jedoch durch ihre Festnahmen am verhindert. In Anlehnung an das Verhaftungsdatum wurde die Gruppierung als Gruppe 4.2. bezeichnet. Zu den Festgenommenen gehörten neben Margrit Schiller auch Kay-Werner Allnach und Wolfgang Beer, darüber hinaus Eberhard Becker, Christa Eckes, Helmut Pohl und Ilse Stachowiak in Hamburg, sowie Ekkehard Blenck (zusammen mit Axel Achterrath) in Amsterdam. Mit Urteil vom 28.9.1976 wurden sie zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 55, 78 ff., 116 ff., 121 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219).

[30] Bis zum 31.12.1974 war die sog. Blockverteidigung - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig. Durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass die Verteidigung neu sortiert werden musste.

[31] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[32] „Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt“ (§ 264 Abs. 1 StPO). Nur über die angeklagten Taten darf das Gericht daher grundsätzlich ohne weitere Schritte befinden. Möchte das Gericht hiervon in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht abweichen, so bedarf es eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 und 2 StPO. Ob sich ein Vorgang noch im Rahmen der angeklagten Tat befindet, wird in der Rechtsprechung durch den prozessualen Tatbegriff beantwortet: „Eine Tat im Sinne dieser Vorschrift ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angekl. einen Straftatbestand verwirklicht haben soll [...]. Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angekl. darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angekl., soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet“ (st. Rspr., s. BGH, Beschl. v. 13.2.2019 - Az.: 4 StR 555/18, NStZ 2020, S. 46). Für sog. Dauerdelikte (s. Fn. 26) gilt, dass Einzelakte bis zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung berücksichtigt werden können können (Schmitt, in Meyer-Großner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 264 Rn. 16 f.).

[33] § 148 StPO a.F. (entspricht dem heutigen § 148 Abs. 1 StPO) lautet: „Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.“ Hieraus wird der Grundsatz der freien Verteidigung hergeleitet, der grundsätzlich den ungehinderten und unüberwachten Verkehr zwischen Verteidiger/in und beschuldigter Person voraussetzt (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 148 Rn. 1 ff.) Noch während des Stammheimer Verfahrens wurde mit Gesetz vom 20.8.1976 (BGBl. I, S. 2181) ein Absatz 2 eingeführt, der für den Fall, dass nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte einer Tat nach § 129a StGB (Straftatbestand der Bildung terrorirstischer Vereinigungen, ebenfalls eingeführt mit diesem Gesetz) verdächtig waren, Ausnahmen von diesem Grundsatz zuließ. Diese - inzwischen leicht veränderte - Ausnahmeregelung wird auch heute noch kritisiert (Lüderssen/Jahn, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 4. Band, 26. Aufl. 2007, § 148 Rn. 27; Wohlers, in Wolter [Hrsg.], Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, 5. Aufl. 2016, § 148 Rn. 37 ff.).

[34] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[35] Heinrich Jansen war ein frühes Mitglied der RAF. Nach der militärischen Ausbildung in Jordanien war er mit Meinhof und Ruhland u.a. verantwortlich für die Beschaffung von Waffen, Geld und Pässen. Darüber hinaus nahm er an den Berliner Banküberfällen vom 29. September 1970 teil. Im Dezember desselben Jahres wurde Jansen nach einem gescheiterten Autodiebstahl verhaftet. Da er sich seiner Festnahme durch Schüsse auf zwei Polizeibeamte entziehen wollte, wurde er 1973 wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 246, 254 ff., 271 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 218).

[36] Rechtsanwalt Siegfried Haag, der ursprünglich Andreas Baader als Pflichtverteidiger beigeordnet war, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Zusammen mit Roland Mayer und weiteren Unterstützer/innen versuchte er in der sogenannten Haag-Mayer-Bande, die RAF neu zu formieren. Mit ihrer Festnahme fand die Gruppe im November 1976 jedoch ein jähes Ende. Die bei der Verhaftung beschlagnahmten Haag-Mayer-Papiere enthielten verschlüsselte Anschlagspläne. Die Entschlüsselung der Papiere gelang jedoch erst nach und nach mit der Umsetzung der Pläne durch die zweite RAF-Generation (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 68 ff.; Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 2017, S. 185 f., 193 ff., 205 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 371 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 60 f.).

[37] Die Fotografin Astrid Proll hatte bereits im Oktober 1967 im Zuge der Vietnam-Demonstration versucht, mit Baader einen Sprengstoff-Anschlag auf das Berliner Amerikahaus durchzuführen, der jedoch scheiterte. Zusammen mit Baader und Ensslin ging sie 1969 in den Untergrund. Anfang Mai 1971 wurde sie in Hamburg verhaftet. Während ihrer Einzelhaft in der JVA Köln-Ossendorf verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sodass das Verfahren gegen sie vor dem LG Frankfurt im Herbst 1973 unterbrochen und sie im Februar 1974 schließlich wegen Haftunfähigkeit entlassen werden musste. Anschließend tauchte sie unter. Im September 1978 wurde sie schließlich in London verhaftet und im Sommer 1979 in die Bundesrepublik ausgeliefert, wo sie zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren verurteilt wurde. Da Proll bereits längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen hatte, wurde ihr diese Zeit angerechnet und sie wurde auf Bewährung entlassen (Edschmid, Frau mit Waffe, 3. Aufl. 2014, S. 171 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 41; Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 2017, S. 47, 150; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 125 f.).

[38] Rechtsanwalt Eberhard Becker ging Ende 1973 in den Untergrund und schloss sich der RAF an. Am 4. Februar 1974 wurde er zusammen mit Christa Eckes, Helmut Pohl und Ilse Stachowiak in Hamburg verhaftet. Das LG Hamburg verurteilt ihn am 28. September 1976 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und sechs Monaten (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 116, 122; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 835).

[39] Die Schwestern Marian und Dolours Price waren als IRA-Mitglieder seit dem Frühjahr 1973 in England inhaftiert. Mit einem über 200 Tage dauernden Hungerstreik protestierten die beiden ab November 1973 gegen ihre Haftbedingungen. Damit gelang ihnen schließlich die Verlegung in nordirische Gefängnisse, wo sie als politische Gefangene Hafterleichterungen genossen. Die Price-Schwestern dienten den RAF-Insass/innen als Vorbilder für ihre eigenen Hungerstreiks (Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 206 f.).

[40] Während des dritten Hungerstreiks in Stammheim besuchte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre am 4. Dezember 1974 Andreas Baader in der Haftanstalt. Über ihren Rechtsanwalt Dr. Croissant hatten die RAF-Mitglieder zuvor Kontakt zu Sartre aufgenommen, damit dieser persönlich die von ihnen als „Isolationsfolter“ bezeichneten Haftbedingungen bezeugen konnte. In einer anschließenden Pressekonferenz bestätigte Sartre diese Angaben. Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass Sartre während des relativ kurzen und für beide Seiten enttäuschenden Gesprächs mit Baader zu keiner Zeit Zugang zu dessen oder anderen Zellen hatte, um sich ein eigenes Bild zu machen. Nichtsdestotrotz rief Sartre auf der Konferenz zur Gründung eines internationalen Komitees zum Schutz der politischen Gefangenen in der BRD auf (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 254 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 275 ff.).

[41] Schriftliche Mitteilungen zwischen Beschuldigten und ihren Verteidiger/innen unterliegen grundsätzlich gemäß §§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht der Beschlagnahme. Anders als § 148 StPO (Fn. 33) sah § 97 StPO in Abs. 2 Satz 3 StPO a.F. (heute Abs. 2 Satz 2) eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor, wenn der/die Verteidiger/in, der Tatbeteiligung verdächtig ist. Mit Beschluss vom 13.8.1973 (Az.: 1 BJs 6/71/StB 34/73, NJW 1973, S. 2035) entschied der BGH in einem Fall betr. den Rechtsanwalt Ströbele, dass die Durchsicht und Beschlagnahme der Verteidgerpost im Falle des Verdachts der Tatbeteiligung auch nicht gegen den Grundsatz der freien Verteidigung aus § 148 StPO verstoße: § 148 StPO schütze nur den reinen Verteidigungsverkehr zum Zwecke der Verteidigung. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, wenn der/die Verteidiger/in selbst verdächtig sei, an der Tat beteiligt zu sein, da in diesem Fall gerade nicht die reine Verteidigung, sondern die Unterstützung der Haupttat - in diesem Fall die Unterstützung der kriminellen Vereinigung - bezweckt werde.

[42] In Nordirland kämpfte die Irish Republican Army (IRA) bereits seit dem Irischen Unabhängigkeitskrieg (1919-1921) immer wieder mit terroristischen und Guerillamethoden für die Unabhängigkeit von Großbritannien. Mit den Unruhen von 1969 infolge der Straßenschlachten von Londonderry sowie der Abspaltung der Provisional Irish Republican Army (PIRA) von der nun Official IRA (OIRA) genannten Organisation Ende des Jahres 1969 begann eine neue Phase des Konflikts, der Anfang der 1970er Jahre zu einer Eskalation der Gewalt und ab Mitte der 70er in einen von der PIRA ausgerufenen „Langen Krieg“ gegen britische und irische Sicherheitskräfte sowie loyalistische Extremisten mündete (Riegler, Terrorismus, 2009, S. 60 f., 66 ff.; Korstian, in Bonacker/Greshoff/Schimank [Hrsg.], Sozialtheorien im Vergleich, 2008, S. 13, 21 ff.).

[43] Gemeint sein dürfte die ETA. Aus dem Untergrund versuchte die Euzkadi to Askatasuna („Baskenland und Freiheit“, ETA) seit ihrer Gründung 1959 auf dem Gebiet des Baskenlands einen von Spanien unabhängigen, sozialistischen Staat zu errichten. Dazu setzte sie in großem Umfang auf (Sprengstoff-)Anschläge, denen im Laufe der Jahrzehnte mehrere hundert Menschen zum Opfer fielen (Riegler, Terrorismus, 2009, S. 69 ff.).

[44] Der Hamburger Justizsenator Ulrich Klug (FDP) entging am 4. Oktober 1974 einem von RAF-Mitgliedern verübten Sprengstoff-Anschlag auf sein Haus (Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa: der Linksterrorismus der siebziger Jahre als transnationales Phänomen, 2014, S. 200).

[45] Am 13. September 1975 explodierte im Hamburger Hauptbahnhof ein Sprengsatz, der elf Menschen verletzte. Schon am 6. Dezember 1974 war es zu einer Explosion im Bremer Hauptbahnhof gekommen. Während des Jahres 1975 gingen neben Hamburg auch in Köln und Nürnberg Bomben in Bahnhöfen hoch. Tageszeitungen wie BILDund die Welt erkannten darin Aktionen der radikalen Linken. Die RAF und andere Gruppen hingegen distanzierten sich ausdrücklich von „Aktionen gegen das Volk“. Die Anschlagsserie blieb unaufgeklärt (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 189 f., 194).

[46] Der Präsident des Berliner Kammergerichts Günter von Drenkmann wurde von der Bewegung 2. Juni in einem Racheakt für den verstorbenen Holger Meins getötet. Nachdem Meins am 9. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben war, versuchte die Bewegung am folgenden Tag, von Drenkmann zu entführen. Als dies aufgrund von Drenkmanns Gegenwehr misslang, wurde er erschossen (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 470 f.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 550).

[47] Der Amerikaner William Powell veröffentlichte 1971 „The Anarchist Cookbook“, welches u.a. Anleitungen zur Herstellung von Waffen, Sprengstoffen, Drogen und elektronischer Überwachung enthielt sowie Informationen zu Guerilla-Training und Nahkampf. Das FBI wurde schnell auf das „Kochbuch“ aufmerksam, verboten wurde es allerdings nicht (Sanomir, The New York Times vom 30.3.3017, S. 16). Später distanzierte sich der Autor von dem Buch, das er als 19-jähriger verfasst hatte (Powell, The Guardian vom 19. Dezember 2013, abrufbar unter: https://www.theguardian.com/commentisfree/2013/dec/19/anarchist-cookbook-author-william-powell-out-of-print, zuletzt abgerufen am: 18.10.2021). Zu Teilübersetzungen aus dem „anarchistischen Kochbuch“ s. S. 9727 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (111. Verhandlungstag).

[48] „Pfirsich“ war der Deckname für Dierk Hoff, der im Auftrag der RAF verschiedene Sprengkörper herstellte. Er wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.

[49] Am 11. Mai 1972 fand der erste der insgesamt 6 Sprengstoffanschläge der sog. Mai-Offensive der RAF statt. Im Hauptquartier des 5. US-Corps in Frankfurt a.M. detonierten insgesamt drei Sprengkörper, wobei eine Person getötet und weitere verletzt wurden (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 1 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 65. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[50] Im zwölfstöckigen Verlagshaus Springer in Hamburg detonierten am 19. Mai 1972 zwei Sprengkörper; drei weitere Bomben, die nicht zündeten, wurden am Abend und am nächsten Tag gefunden. Mehrere Personen wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 18 ff.; Peters, RAF, 1991, S. 121). Der Vorgang war ab dem 100. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[51] Am 12. Mai 1972 detonierten drei Sprengkörper in der Polizeidirektion Augsburg. Mehrere Personen wurden hierbei verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 6 ff.). Der Vorgang war ab dem 85. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[52] Am 15.5.1972 fand in Karlsruhe ein Anschlag auf den damaligen Richter am Bundesgerichtshof Buddenberg statt, dessen Auto mit einer Sprengvorrichtung versehen wurde. Bei der Explosion wurde seine Frau schwer verletzt. Dieser Vorgang war am 96. und 97. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[53] S. zu dieser Konstruktion auch die Ausführungen des Zeugen Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt u.a. die als „Baby-Bombe“ bezeichnete Vorrichtung hergestellt hatte (S. 6006 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 68. Verhandlungstag).

[54] Das „Kommando Thomas Weisbecker“ bekannte sich in einer Erklärung vom 16 Mai 1972 zu den Sprengstoffanschlägen in Augsburg und München am 12. Mai 1972. Sie ist abgedruckt in ID-Verlag (Hrsg.), Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, S. 145 f. Thomas Weisbecker starb am 2. März 1972 in Augsburg. Erst im Juli 1971 war er mit Angela Luther von den Tupamaros West-Berlin zur RAF übergetreten. Weisbecker wurde bereits seit dem 14. Februar 1972 observiert. Die genauen Umstände von Weisbeckers Tod wurden nie geklärt. Bekannt ist nur, dass Weisbecker, der vermutlich bewaffnet war, am Nachmittag des 2. März von zwei Polizeibeamten verfolgt und dann von einem der beiden erschossen wurde. Weisbecker gehörte mit Petra Schelm und Georg von Rauch zu den ersten Opfern der RAF und galt fortan als Ikone der RAF (s. die Beiträge von König und Wunschik in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 430, 459 f., 464 ff., bzw. S. 531, 546 ff.).

[55] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[56] Carmen Roll war Teil des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Nach einem Schusswechsel mit der Polizei infolge einer Verkehrskontrolle bei Heidelberg und den anschließenden verstärkten Ermittlungen der Polizei gegen das SPK ging sie in die Illegalität zur RAF. Am 2. März 1972 wurde sie in Augsburg wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verhaftet und am 19. Juli 1973 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 80 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 761 f. Anm. 60).

[57] Die RAF veröffentlichte 1971 mit dem „Konzept Stadtguerilla“ ihre erste Programmschrift. Sie ist abgedruckt in ID-Verlag (Hrsg.), Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, S. 27 ff.

[58] Der RAF-Text „Dem Volk dienen. Stadtguerilla und Klassenkampf“ (April 1972) ist abgedruckt in ID-Verlag (Hrsg.), Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, S. 112 ff.

[59] S. Fn. 29.

[60] Während der Olympischen Spiele in München überfiel die palästinensische Terrorgruppe Schwarzer September am 5. September 1972 die israelische Mannschaft. Mit der Geiselnahme von elf israelischen Sportlern versuchten die Terroristen über 200 palästinensische Inhaftierte in Israel freizupressen. Das „Olympia-Attentat“ endete mit einem Schusswechsel auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck, von dem die Geiselnehmer ausgeflogen werden wollten. Insgesamt starben an diesem Tag alle elf israelischen Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizeibeamter (Dahlke, Demokratischer Staat und transnationaler Terrorismus, 2011, S. 57 ff., insbes. 62 ff. und 68 ff.). Die Schrift „Die Aktion des ‚Schwarzen September‘ in München“ (November 1972) ist abgedruckt in ID-Verlag (Hrsg.), Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, S. 151 ff.

[61] Die mit „Kommando Petra Schelm“ unterschriebene Erklärung vom 14. Mai 1972 ist abgedruckt in ID-Verlag (Hrsg.), Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, S. 145. Die 20-jährige Petra Schelm starb am 15. Juli 1971 in Hamburg. Sie entkam in ihrem Auto zunächst einer Polizeisperre und flüchtete schließlich, nachdem sie durch ein weiteres Polizeifahrzeug gestoppt werden konnte, mit ihrem Begleiter Werner Hoppe zu Fuß vor der Polizei. Bei einem Schusswechsel mit zwei Polizeibeamten wurde sie durch einen Kopfschuss getötet. Sie war das erste Todesopfer aus den Reihen der RAF. Ihr Tod löste nach Angaben von Mitgliedern eine Radikalisierung der Gruppe aus (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 312 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 64).

[62] S. Fn. 54.

[63] Die Erklärung des „Kommando Manfred Grashof“ vom 20.5.1972 ist abgedruckt in ID-Verlag (Hrsg.), Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, S. 146.

[64] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.


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[iii] Maschinell ergänzt: Original-Lieferschein

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[jjjj] Handschriftlich durchgestrichen: Garagen

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[pppp] Maschinell ersetzt: Frankfurt durch Hamburg

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[ggggg] Maschinell ersetzt: Schriftzügen durch Schriftstücken

[hhhhh] Handschriftlich ersetzt: 2 durch 1.2

[iiiii] Maschinell ersetzt: ... durch alles redundante

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[kkkkk] Maschinell ersetzt: Agenturen durch Agenturmeldungen

[lllll] Maschinell durchgestrichen: etwas

[mmmmm] Handschriftlich ersetzt: finden durch verbinden

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[ppppp] Handschriftlich ersetzt: hat durch habe

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