13. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 3. Juli 1975, 9.05 Uhr



[1028] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 3. Juli 1975, 9.05 Uhr

13. Verhandlungstag

Das Gericht und die Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Justizsekretär Janetzko,

Justiz-Assistent z. A. Clemens

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern: Rechtsanwälte Schily, Becker, Dr. Heldmann, Riedel, von Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke, Grigat.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort und zwar, wenn es möglich ist, kommen wir jetzt zur Vernehmung zur Person.[1]

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich bitte um’s Wort.

Es ist nicht möglich. Ich habe vorher für den Herrn Raspe noch einen Antrag zu stellen. Der Antrag ist etwas länger im wesentlichen auch schriftlich ausgearbeitet, so daß er überreicht werden kann. Da es aber nötig sein wird, hin und wieder vom Text abzuweichen, muß ich bitten, das Band mitlaufen[a] zu lassen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

In dem Verfahren gegen Andreas Baader,

hier: Jan-Carl Raspe, das Aktenzeichen ist bekannt, lehnt der Gefangene Raspe den Vorsitzenden Richter des 2. Strafsenates, Richter Dr. Theodor Prinzing, sowie die beisitzenden Richter Dr. Foth, Dr. Berroth und Maier, wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.[2]

[1029] Die Ablehnung des Gesuches, das sich gegen den Richter Dr. Theodor Prinzing richtet, ist zunächst wie folgt zu begründen:

Rechtsanwalt von Plottnitz verlas daraufhin die Begründungen der Anträge aus seinen Schriftsätzen vom 3. Juli 1975 aus Anlage 1 + 1 a.

Zusätzlich zu der schriftlichen Begründung der Anträge trägt Rechtsanwalt von Plottnitz noch folgendes vor:

3. Seite, 1. Absatz des Zitates, Satz 1.

Dazu ein Wort zwischendurch. Herr Auster war der Sicherheitsbeamte in der Anstalt an diesem fraglichen 9.11.1974. Und was es mit dem Gespräch aus Karlsruhe auf sich hatte, das folgt aus der weiteren Aussage.

3. Seite, 1. Absatz des Zitates, nach dem 3. Satz:

Daß diese Vermutung richtig war, ergibt sich aus dem weiteren Verlauf der Vernehmung.

3. Seite, 2. Absatz des Zitates, nach dem 1. Satz:

Der Gesprächspartner schien diesem Zeugen verärgert.

3. Seite, 2. Absatz des Zitates, im zweiten Satz nach dem Strichpunkt:

Das mit der Freizeit erinnert uns alle an andere Vorgänge.

3. Seite, 2. Absatz des Zitates, 2. Satz nach dem Strichpunkt:

Und jetzt geht es weiter und da bitte ich gut zuzuhören.

3. Seite, 2. Absatz des Zitates, nach dem 2. Satz:

Ich lese das nochmal vor, weil das eben der zentrale Punkt hier ist. Hören wir, wie der abgelehnte Richter darauf reagiert hat.

3. Seite, nach dem 3. Absatz des Zitates:

Auch das wird ein zweites Mal vorgelesen, weil es wichtig ist. (Nach zweimaligen Vorlesens): Der Zeuge sagt also nicht, ich erinnere mich nicht mehr an alles, was gesagt worden ist, sondern erklärt ausdrücklich, dieses Gespräch ist so sinnge- [1030] mäß richtig wiedergegeben. Es geht dann weiter:

3. Seite, nach dem[b] letzten Absatz des Zitates:

Soweit also das Zitat aus der polizeilichen Vernehmung dieses Zeugen vom 26.11. des vorigen Jahres. Und bei dieser Gelegenheit muß man sich nochmal in Erinnerung rufen, daß ja unmittelbar vor diesem Telefongespräch des abgelehnten Richters mit diesem Zeugen, der abgelehnte Richter von dem Rechtsanwalt Dr. Croissant erfahren hatte, daß Holger Meins[3] in Lebensgefahr schwebe.[4] Was hat der abgelehnte Richter getan? Hat er in Wittlich nachgefragt, wie geht es ihm, ist sichergestellt, daß die ärztliche Versorgung, daß eine ärztliche Versorgung, besteht? Nichts dergleichen hat er getan, nichts dergleichen hat er getan. Das sage ich Ihnen besonders, von der Bundesanwaltschaft, weil Sie von ungeheuerlichen Vorwürfen sprechen.

4. Seite, nach Punkt 2:

Übrigens dieser Punkt 2 ist nachdrücklich wichtig für die Frage der Beiziehung dieser Akten. Mir ist also nicht möglich gewesen hier bereits Fotokopien zu überreichen.

4. Seite, 4. Absatz, 1. Satz:

... daß Holger Meins also nicht mehr in der Lage war auf den Beinen zu stehen.

4. Seite, 4. Absatz, 1. Satz.

Er sehe die Sache dann als erledigt an, also ob es gang und gäbe ist, in der Bundesrepublik ist, daß Untersuchungsgefangene mit einer Bahre zu ihren Anwälten ins Sprechzimmer getragen werden müssen ...

4. Seite, 4. Absatz, 2. Satz nach dem Strichpunkt:

... also auch diesen Beamten der Justizvollzugsanstalt gegenüber konnte man es sich offenbar nicht verkneifen hier noch mal auf die gestörte Samstagsruhe hinzuweisen.

4. Seite, 4. Absatz nach letztem Satz:

Das ist der zentrale Punkt hier.

[1031] 4. Seite, 5. Absatz, 2. Satz:

Man könnte in diesem Zusammenhang auch sagen „Skepsis“ ist überhaupt hier ein anderes Wort zur Voreingenommenheit und Befangenheit, den Gefangenen gegenüber, die in diesem Verfahren angeklagt sind.

5. Seite, nach dem ersten Absatz:

Wobei wieder hinzuzufügen ist, er hat, nach dem ihm zuvor von dem Kollegen Dr. Croissant ja mitgeteilt worden war, daß Lebensgefahr bestand, es noch nicht mal für nötig befunden, entsprechende Nachforschungen und Nachfragen anzustellen - er hat sich über seine Samstagsruhe beschwert, die gestört war -

5. Seite, 2. Absatz, 1. Satz:

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf § 126 Abs. 2 S. 3 der StPO.

5. Seite, 3. Absatz, nach letztem Satz:

Soweit das Zitat aus der Stellungnahme.

6. Seite, 2. Absatz, 1. Satz:

Der abgelehnte Richter hat seine dienstliche Äußerung nicht als ein Beschuldigter abgegeben, dem es, wie wir natürlich alle wissen, nach der Strafprozeßordnung freisteht, die Wahrheit zu sagen oder die Wahrheit nicht zu sagen.[5]

7. Seite, 1. Absatz, 1. Satz:

Der Inhalt des Schriftsatzes vom 7.10.1974 ist dem abgelehnten Richter am 9.10.1974, also 8 Tage vor Beginn der Untätigkeit in diesem Verfahren, aufgrund des Ablehnungsgesuches, zur Kenntnis gelangt.

7. Seite, 2. Absatz, letzter Satz:

Man sage also wirklich nicht, die Verteidigung habe hier nicht dem Senat eine Vielzahl von Umständen zu Kenntnis gebracht, die Anlaß zu allergrößten Zweifel an der ärztlichen Versorgung von Holger Meins, in Wittlich gaben.

[1032] Seite 7, 3. Absatz 3. Satz:

Es ergibt sich schon daraus, daß der Antrag nicht beschieden war und der abgelehnte Richter ja inzwischen wieder[c] mit der Akte befaßt war, in dem der Schriftsatz ja noch vorlag.

8. Seite, nach 1. Satz:

Schriftliche Stellungnahme des Anstaltsarztes am 18.10.1974.

8. Seite, 2. Satz:

Es wird ausdrücklich zur Glaubhaftmachung[6] dafür Bezug genommen, daß der abgelehnte Richter auch vom Inhalt dieser schriftlichen Stellung des Anstaltsarztes Kenntnis genommen hat.

8. Seite, 3. Satz:

Übrigens, wie einiges im Zusammenhang mit der ärztlichen Versorgung von Holger Meins, ohne Eingangsstempel des Senats, das gilt etwa auch für ein Antrag, der ..., des Generalbundesanwalts unseren Schriftsatz vom 15.10.1974 abschlägig zu bescheiden, da ist auch kein Eingangsstempel darauf. Der Antrag der Bundesanwaltschaft stammt vom 15.11.1974, da findet sich dann ein lakonischer Vermerk darauf, ich glaube vom 13.11.1974: „Antrag hat sich nach dem Tode von Holger Meins erledigt“. Ich zitiere jetzt aus der schriftlichen Stellungnahme vom 18.10.1974 des Anstaltsarztes.

8. Seite, 1. Absatz des Zitates, 1. Satz:

Also der Anstaltsarzt schreibt nicht etwa ... Die Menge der dargereichten Kost ist so beschaffen, daß irgendwelche Gefahren für die Gesundheit nicht zu befürchten sind. Er schreibt - reicht [d] zur Lebenserhaltung gerade aus -.

Ein weiteres Zitat aus dieser Stellungnahme.

(RA v[on] P[lottnitz] wiederholt den letzten Satz im zweiten Absatz des Zitates nochmals)

8. Seite, 2. Absatz, nach dem 2. Satz:

Das sagt der Anstaltsarzt. So schätzt er seine eigenen Fähigkeiten ein, eine Zwangsernährung vorzunehmen.

[1033] Seite 8, 3. Absatz des Zitates, nach dem letzten Satz:

Der Anstaltsarzt sagt also, was seinen eigenen objektiven und subjektiven Voraussetzungen angeht, Verlegung auf ein Krankenhaus. Das sagt er im Klartest. Soweit dies’ Zitat.

Soweit die Begründung des Ablehnungsgesuches gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing. Das Ablehnungsgesuch gegen die beisitzenden Richter Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth ist wie folgt zu begründen:

Rechtsanwalt von Plottnitz verlas den letzten Absatz der ersten Seite nicht.

2. Seite, 1. Absatz, 1. Satz:

Zur Glaubhaftmachung wird auch insoweit auf dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter verwiesen.

RA von Plottnitz verlas den 2. Satz des 1. Absatzes auf der 2. Seite nicht.

3. Seite, 2. Absatz:

Das ist ja schließlich das gewesen, was der Anstaltsarzt gesagt hat, und so wie er seine eigenen Fähigkeiten und Kräfte eingeschätzt hat.

4. Seite 1. Satz:

Der abgelehnte Richter Maier, der in diesem Zeitraum offensichtlich als Berichterstatter tätig war, hat den Inhalt seiner fernmündlichen Gespräche am 21.10.1974, wohlgemerkt immer dem gleichen Tag, von dem die Verlegungsverfügung stammt, mit der JVA Wittlich in einer Aktennotiz vom gleichen Tage festgehalten, in der es u. a. heißt und ich zitiere jetzt aus dieser Aktennotiz vom 21.10.1974:

4. Seite, nach dem 4. Punkt:

Das ist eine Rechtsauffassung. Was wir von der halten, haben wir bereits bei anderer Gelegenheit im Verfahren klargestellt.

4. Seite, nach Punkt 5:

Auch das ist ein Satz, der zu wiederholen ist, „die Anstalt fahre mangels eines anderen Arztes mit der bisherigen Methode fort.“

[1034] 5. Seite, nach dem 1. Absatz:

Soweit das Zitat. Zu diesem Zitat ist noch zu sagen, daraus wird zweierlei deutlich; einmal, daß durchaus Rücksprache genommen wurde mit der hiesigen JVA zur Frage der Qualität der künstlichen Ernährung bzw. der Zwangsernährung, der hier einsitzenden Gefangenen. Etwas, was ja bislang in Abrede gestellt wurde, und zum anderen, das ist auch ein wichtiger Gesichtspunkt, daß die Zwangsernährung nach den Regel der ärztlichen Kunst offensichtlich so schwierig nicht sein kann, wenn sie hier von einem Pfleger durchgeführt wurde, wo hingegen offensichtlich der Anstaltsarzt Dr. Hutter ja erklärt, er sei nicht in der Lage, derartiges zu machen.

5. Seite, 5. Absatz:

Das waren die beiden Herren, die in dieser Frage miteinander Kontakt gehalten haben.

Soweit die Begründung der beiden Ablehnungsgesuche. Abschließend vielleicht noch ein Wort zu der erwartenden Reaktion der Bundesanwaltschaft. Die Bundesanwaltschaft wird vermutlich auch diesem Ablehnungsgesuch gegenüber ...

Vors.:

Ich glaube nicht, daß Sie die Möglichkeit haben, eine zu erwartende Reaktion jetzt bereits zu kommentieren. Warten Sie doch die Reaktion der Bundesanwaltschaft vorher ab.

RA v[on] P[lottnitz]:

Das hat immer den Nachteil, daß unsere Stellungnahme ...

Vors.:

Ich kann mit Ihnen jetzt nicht verhandeln. Ich stelle folgendes fest ...

RA v[on] P[lottnitz]:

... aber die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft ja relativ ...

Vors.:

Es geht nicht, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, daß Sie eine erwartende Stellungnahme bereits jetzt kommentieren wollen, dann müssen Sie es schon in[e] andere Worten kleiden.

Die Frage, die jetzt noch auftaucht, ist die, bis wann die [1035] dienstliche Stellungnahme der abgelehnten Richter ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich höre gerade, daß sich der Herr Raspe ... Herr Raspe will noch ergänzend etwas zur Begründung seines Ablehnungsgesuches sagen.

Vors.:

Bitte.

Angekl. R[aspe]:

Also zu den, über die bisher genannten Gründen hinaus,

lehne ich Prinzing und den Senat zusätzlich aus folgenden Gründen und Zusammenhängen ab.

Vors.:

Herr Raspe, um Sie von vornherein darauf hinzuweisen, ich sagte Ihnen, die beharrliche Verweigerung der Anrede „Herr“ in diesem Gerichtssaale wird als Beleidigung verstanden werden müssen. Bitte, gewöhnen Sie sich an diese Form, damit Sie unbeanstandet reden können.

Angekl. R[aspe]: (Begründung des Antrags)

Der Richter Prinzing, hat an der Befragung von Henck[7] gestern, und in seinen Entscheidungen zur Frage der Zulassung unabhängiger Ärzte - ebenfalls gestern -, hier nochmal demonstriert, daß er mit einer von ihm als gewisse Sicherheitsbelange bezeichneten Begründung, die Vernichtungsinteressen des Staatsschutz, der Bundesanwaltschaft aktiv durchsetzt. Er zeigt, er beweist, in der Analogie seiner Entscheidung, die Zulassung eines unabhängigen Arztes für Holger zu verweigern und in seiner Weigerung, jetzt hier unabhängige Ärzte zuzulassen, seine vollständige Abhängigkeit von den politischen Entscheidungen Bubacks[8] und der Bundesanwaltschaft. Und er beweist in seiner Entscheidung jetzt, seine Beteiligung am Mord von Holger. Dieser Richter ist ein Werkzeug der Bundesanwaltschaft, des Staatsschutz. Seine Funktion besteht darin, gegenüber vor allem der internationalen Öffentlichkeit, die dieses Verfahren hat, den Schein von Rechtsstaatlichkeit nach außen darzustellen. Die Fassade von Rechtsstaatlichkeit, die dieser Staat noch braucht, um seiner imper- [1036] ialistischen Ziele vor allen gegenüber den Völkern durchzusetzen, die den deutschen Faschismus erfahren haben. Und das in einer Situation umfassender, aller gesellschaftlichen Bereiche erfassender Faschisierung im Innern. Deswegen, weil gegenüber dieser Öffentlichkeit die Tatsache, daß Faschismus durch den Schein der Rechtsstaatlichkeit verleugnet und verschleiert werden muß, muß auf diesen Sessel ein fungibles Werkzeug des Staatsschutz sitzen. An seinen Formulierungen und Entscheidungen gestern, das forcierte Begehren nach einer Untersuchung durch unabhängige Ärzte käme nicht ganz von ungefähr und zeige, daß etwas dahinterstecke und der Untersuchung stehen gewisse Sicherheitsbelange entgegen. In diesen Formulierungen und Entscheidungen drückt er genau die Vernichtungsstrategie von Bundesanwaltschaft und Staatsschutz aus, für die das Sicherheitsbedürfnis dann erfüllt ist, wenn der politische Gefangene tot ist. Ein Beispiel für die Realität dieser Sicherheitsargumentation ist z. B. eine Anweisung des Bundeskriminalamts, die sich darauf bezieht, die Zusammenlegung der Gefangenen hier aus vier verschiedenen Gefängnissen aus Sicherheitsgründen zu verzögern, weil im Fall des Versuchs einer Befreiung durch Austausch die polizeilichen Operationen, auf den Zeitraum, in dem die Gefangenen zusammengelegt würden, angewiesen sei. Unter solchen Vorwänden ist die Verlegung nach Stammheim durch den Staatsschutz verzögert worden und dieses Papier vom Bundeskriminalamt stammt, soviel ich weiß, aus dem Juli 1974 und ist natürlich geheim, d. h. es ist nach dem Mord an Holger bekannt geworden.

Prinzing, der Richter Prinzing, bringt in seinen Formulierungen und Entscheidungen genau die Rolle zum Ausdruck, die er bei der Ermordung von Holger gespielt hat und die er unverändert im Verfahren gegen uns einnimmt. Bundesanwaltschaft, Staatsschutz, der Richter Prinzing, der zweite Senat, Bundeskriminalamt, sie haben dieses Kalkül am Mord an Holger und an Siegfried Hausner[9] verwirklicht. Der Richter Prinzing, der zweite Senat, klammern sich an diese Bestimmung, an dieser Bestimmung der Bundesanwaltschaft fest, in dem sie auch jetzt [1037] die Untersuchung durch unabhängige Ärzte verhindern. Wenn Prinzing erklärt, hinter den Anträgen Ärzte der eigenen Wahl zuzulassen, müsse etwas dahinterstecken, dann hat er jetzt klar ausgesprochen, daß hinter der Ablehnung von Ärzten durch ihn und dem zweiten Senat, genau dieses Vernichtungsinteresse steckt. Aber es steckt noch mehr hinter dieser Ablehnung, die Fungibilität dieses Richters, und sie drückt sich genau darin aus, daß er jetzt die Zulassung unabhängiger Ärzte um jeden Preis verhindern muß, um jeden Preis verhindern muß, weil mit ihrer Diagnose die Frage der Verhandlungsfähigkeit virulent wird, weil mit ihrer Zulassung die Tatsache der Folter, die Vernichtungsstrategie des Staates gegen politische Gefangene, gegen die Guerilla, gegen die „RAF“, offensichtlich wird. Nicht mehr zu verleugnen ist, weil mit ihr die Tatsache, daß vom Staatsschutz arrangierten Mordes an Holger und an Siegfried Hausner zwangsläufig öffentlich wird, weil mit ihr die Tatsache der Beteiligung des Richter Prinzing am Exekutionsarrangement offensichtbar wird.

Prinzing ist so selbst, in dem er sich auf diesen Sessel hat setzen lassen und sich selbst gesetzt hat, eine Marionette der Bundesanwaltschaft. Auch das, diese vollständige Abhängigkeit, drückt sich im Verhalten der vier Figuren da drüben aus. Sie brauchen ...

Vors.:

Herr Raspe, ich bitte Sie nochmals sich daran zu erinnern, das gehört nicht zu einer Antragsformulierung.

Angekl. R[aspe]:

Sie brauchen nicht zu intervenieren. Ihr Schweigen und ihr undurchsichtiges Grinsen, an dem die Presse rumrätselt, ist der Schlüssel zum Ablauf nicht nur des Verfahrens bis jetzt, ist der Schlüssel nicht nur zum Ablauf der ganzen drei Jahre Vernichtungsstrategie.[10] Ihr undurchsichtiges Grinsen ist der durchsichtige Ausdruck ihrer vollständigen Sicherheit, daß der Richter Prinzing und dieser Senat, in ihrem Sinn funktionieren. Sie müssen nicht intervenieren und sie brauchen allenfalls hier und da etwas Druck auszuüben, z. B. in dem Zeis plötzlich die Vereidigung von Henck verlangt,[11] [1038] um Henck zu warnen, unter Druck zu setzen schlicht. Um ihn an seine Funktion im Apparat zu erinnern, die Vernichtungsmaßnahmen der Bundesanwaltschaft auszuüben und zu befolgen.

In der Analogie der Ablehnung unabhängiger Ärzte bei Holger und jetzt, zeigt sich die Anatomie der Abhängigkeit dieses Richters und dieses Senats. Der Richter Prinzing bezeichnet in seiner dienstlichen Äußerung die Informationen Croissants als groteske Behauptungen. Es zeigt sich darin genau, was und wie der Richter Prinzing und dieser Senat am Staatsschutzarrangement zur Exekution Holgers beteiligt waren, indem er die Nachricht, daß Holger im Sterben liegt, nicht zur Kenntnis nahm, sie als groteske Behauptung bezeichnet.

Er unterließ, wie hier gesagt worden ist, alles, um sich über den Zustand Holgers zu informieren, was seine Pflicht gewesen wäre, zumindest nach Croissants insistieren, und er blieb bei seiner Weigerung, irgendetwas zu veranlassen, und das obwohl ihm und wir wissen jetzt, weil ihm klar war, daß seine Veranlassung darüber entscheidet, ob Holger stirbt oder nicht. Der Richter Prinzing stellte sich bewußt taub, wie schon gesagt, seine Antwort auf die Information, daß Holger auf einer Bahre zum Anwaltsbesuch getragen worden war, damit ist die Angelegenheit für mich erledigt. Die Weigerung des Richters Prinzing zu handeln, war das Todesurteil für Holger, und der Richter Prinzing wußte das. Es ist unmöglich die Analogie zur Justiz des „Dritten Reiches“ nicht zu sehen.

Dieser Richter ist in seiner ganzen Argumentation, in seinen Lügen, in seiner Methode, ein Muster der Sorte richterlicher Unabhängigkeit, die nach 1945 massenhaft auftrat und von ihren Opfern nichts gewußt hatte. Er stellte sich taub und er beharrt darauf jetzt, weil genau das seine Rolle war in dem Exekutionsarrangement, von dem sich die Bundesanwaltschaft den Abbruch des Hungerstreiks versprach.

Vors.:

Ich höre mir das nicht mehr länger an ...

Angekl. R[aspe]:

Ich bin gleich fertig.

[1039] Vors.:

Sie haben nicht das Recht derartige Verunglimpfungen auszusprechen, auch nicht zur Begründung eines Antrags. Also mäßigen Sie sich bitte in Ihren Formulierungen. Der Vergleich mit der Justiz des „Dritten Reiches“ und dergleichen, wird hier nicht hingenommen.

RA v[on] P[lottnitz]:

... Herrn Raspe hier wieder nicht in seinen Äußerungen zu zensieren, ihm Gelegenheit zu geben. Sie haben Gelegenheit, wenn Sie meinen, daß das, was er sagt, hier in irgendeiner Weise Strafgesetze verletzt, dann lassen Sie das zu Protokoll geben, erstatten Sie Strafanzeigen, Sie haben genügend Gelegenheit sich dagegen zu wehren. Herr Raspe begründet hier sein Gesuch als Gefangener in Wahrnehmung seiner eigenen Berechtigten ... Dabei ihn zu hindern geht nicht.

Vors.:

Es geht. Ich habe keine Veranlassung hier im Rahmen der Verhandlungsleitung, daß Begründungen, die beleidigenden Inhalts sind, hingenommen werden. Im übrigen, Herr Rechtsanwalt, ich habe schon mal darauf hingewiesen, daß es an sich die Sache der Anwälte wäre, ihre Mandanten in diese Richtung richtig zu beraten.

Bitte Herr Raspe, Sie sagten, Sie sind sowieso gleich am Ende. Verlesen Sie‘s vollends.

Angekl. R[aspe]:

Ich weiß nicht, vielleicht kommen Sie mal auf die Idee ...

Vors.:

Würden Sie Ihren Antrag vortragen.

Angekl. R[aspe]:

... was für eine Beleidigung, die Tatsache, daß Sie auf diesem Stuhle sitzen, für uns darstellt. Aber ich mach jetzt weiter, es ist nämlich ein Ablehnungsantrag gegen Sie und gegen den Senat.

Der Richter Prinzing stellte sich taub und er beharrt darauf jetzt, weil genau das seine Rolle war im Exekutionsarrangement von dem die Bundesanwaltschaft den Abbruch des Hungerstreiks[12] versprach, sich versprach. Sicher, die Rolle dieses Richters [1040] war nicht die des Initiators dieses Mordes, sondern die des Staatsschutzfunktionärs, wie das Schily korrekt formuliert hat. Insofern er in den politischen Entscheidungen der Bundesanwaltschaft, des Staatsschutz entsprechend funktioniert hat und das ist im ganzen Verfahren bisher noch deutlicher geworden, funktioniert. Der Richter Prinzing ist jetzt in einer Situation, in der jede Entscheidung, die von der abweicht, welche dem Staatsschutz die Exekution ermöglicht hat, in der jede Entscheidung sich gegen ihn selbst richten muß. Zwischen seinen Entscheidungen damals und jetzt, das habe ich schon gesagt, besteht eine zwangsläufige, wechselseitige Abhängigkeit. Er kann jetzt nicht anders entscheiden als damals, und der Richter Prinzing weiß es. Ließe er jetzt Ärzte und Gutachter zu, würde die Tatsache der Vernichtungshaft offensichtlich, die Tatsache der Isolation, die Tatsache der Folter, die Tatsache des Mordes an Holger und an Siegfried Hausner, d. h. nachträglich würde der Hungerstreik auch auf der Ebene legitimiert werden, die der Richter Prinzing und dieser Senat ideologisch zu propagieren haben, auf der Ebene der Rechtsstaatsideologie, wo tatsächlich die Rechtsstaatlichkeit in der Sonderbehandlung und den Ausnahmegesetzen, vollständig liquidiert ist. Genau das muß aber im Interesse des Staatsschutz verhindert werden, weil damit zugleich ein neuer Widerspruch aufgerissen würde, denn schließlich haben sie, also der Staatsschutz, Bundesanwaltschaft, die Exekutive am Hungerstreik als Reaktionen auf ihn, die faschistischen Ausnahmegesetze durchgesetzt. Schließlich wird mit dem Hungerstreik die Kriminalisierung der Verteidiger begründet und praktiziert. Würde er durch die Ergebnisse von Untersuchungen unabhängiger Ärzte nachträglich auch auf der Ebene ihre Ideologie Rechtsstaatlichkeit, als gewaltloses Kampfmittel gegen die Ausnahmegesetze, die sie diese Ideologie vollends liquidieren, legitimiert, dann bräche auch noch diese verlogene Struktur öffentlich völlig zusammen, weil der Richter Prinzing, Ärzte damals abgelehnt hat, muß er sie jetzt ablehnen und aus genau diesen Gründen, muß dieser Richter und muß dieser Senat abgelehnt werden.

[1041] Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Ihr Mandant hat den Senat abgelehnt ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, das wollte ich ...

Vors.:

... es wäre uns lieb zu verdeutlichen ...

RA v[on] P[lottnitz]:

... ich wollte, um Mißverständnisse zu vermeiden, nochmals darauf hinweisen, daß abgelehnt worden ... werden, der Vorsitzende Richter Dr. Prinzing, die beisitzenden Richter Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth.

Vors.:

Das gilt auch für die Zusatzbegründung?

RA v[on] P[lottnitz]:

Das gilt auch für das, was der ...

Vors.:

Ja. Dann unterbreche ich jetzt sofort die Sitzung, die ...

BA Dr. W[under]:

Moment mal, ich möchte auch eine Erklärung abgeben.

Vors.:

Bitte sehr, darf ich zunächst mal fragen, wird irgend etwas ergänzt...

RA v[on] P[lottnitz]:

... ergänzen zu dem was, soweit Herr Raspe seinen Vortrag auch gestützt hat, auf Tatsachen, im Zusammenhang mit dem Verhalten des abgelehnten Richters Dr. Prinzing in der gestrigen Sitzung, wird zur Glaubhaftmachung auch insoweit auf eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters Dr. Prinzing Bezug genommen.

Vors.:

Ja, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Und auf die Sitzungsniederschrift vom gestrigen Tag.

Vors.:

Bitte.

[1042] BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich erwäge die Abtrennung des Verfahrens[13] gegen den Angeklagten Raspe zu beantragen, denn die anderen Angeklagten schließen sich dieser Ablehnung offenbar nicht an und gegen sie könnte sogleich weiterverhandelt werden.

Die Abtrennung wäre eine unaufschiebbare Maßnahme.[14] Ich erbitte hierzu fünf Minuten Pause, um hierüber beraten zu können.

Vors.:

Ich darf aber gleich darauf hinweisen, Herr Bundesanwalt, daß der Senat angesichts der Schwere der erhobenen Vorwürfe insgesamt es doch für zweckmäßig hielte, daß zuerst über diese Ablehnungsgesuche entschieden ist.

BA Dr. W[under]:

Dann nehme ich zur Frage der Zulässigkeit jetzt Stellung und werde auf die Frage der Abtrennung später zurückkommen. Nach einer im Augenblick möglichen vorläufigen Prüfung, halte ich die von Herrn Plottnitz vorgetragenen Ablehnungsanträge gegen die Richter Dr. Prinzing, Foth, Berroth und Maier für zulässig. Eine Stellungnahme zur Frage der Begründetheit wird später nachgereicht werden.

Vors.:

Wir werden gegen 14.00 Uhr die dienstlichen Erklärungen hergestellt haben. Ich bitte die Verfahrensbeteiligten um 14.00 Uhr hier im Saale zu sein, damit die dienstlichen Erklärungen übergeben werden können.

Die Sitzung ist damit unterbrochen. Publikum ist heute nachmittag dann natürlich nicht mehr anwesend.

Rechtsanwalt von Plottnitz übergibt die verlesenen Anträge vom 3. Juli 1975 zu Protokoll.

Die Anträge sind dem Protokoll als Anlagen 1 + 1a beigefügt.

- Die Sitzung wurde um 10.11 Uhr unterbrochen -

Ende Band 40

[1043-1051][15] [1052-1056][16] [1057-1060][17] [1061][18] [1062-1066][19] [1067][20] [1068][21] [1069][22] [1070-1071][23] [1072-1074][24] [1075-1080][25]


[1] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Das Verfahrensstadium zwischen dem Aufruf der Sache und der Vernehmung zur Person nimmt üblicherweise nur wenig Raum ein. In diesem Verfahren allerdings fand die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklageschrift aufgrund vorrangiger Anträge erst am 26. Verhandlungstag statt.

[2] Gemäß § 24 Abs. 1 StPO können Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

[3] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[4] Unstreitig ist, dass Rechtsanwalt Dr. Croissant den Vorsitzenden Dr. Prinzing am 9. November 1974 anrief und ihn auf den kritischen Gesundheitszustand von Holger Meins hinwies. Der genaue Inhalt des Gesprächs wird von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt. Dr. Prinzing gab an, hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes der Schilderung skeptisch gewesen zu sein. Die Hinzuziehung eines Arztes unterblieb letztlich - aus welchen Gründen ist unklar. Die Justizvollzugsanstalt in Wittlich soll Dr. Prinzing auf Nachfrage versichert haben, der Zustand von Holger Meins sei nicht so dramatisch, wie von Rechtsanwalt Dr. Croissant dargestellt. Gegen 17 Uhr am selben Tag verstarb Holger Meins (s. zu den unterschiedlichen Schilderungen der Ereignisse die hierauf gestützte Ablehnung des Vorsitzenden durch die Angeklagte Ensslin, Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, S. 620 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 7. Verhandlungstag, sowie die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing, S. 677 ff., ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[5] Der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO normierte Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) besagt, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten. Darunter fällt auch die Freiheit, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen. Dieser Grundsatz ist im Rechtsstaatsprinzip verankert (Art. 20 Abs. 3 GG) und hat Verfassungsrang. Er ist „Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung“ (BGH, Urt. v. 6.3.2018 - Az.: 1 StR 277/17, NJW 2018, S. 1986, 1987). Ob davon ein Recht zur Lüge umfasst ist, ist streitig; jedenfalls sind Beschuldigte nicht zur Wahrheit verpflichtet (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136 Rn. 18). Im Falle unwahrer Behauptungen können daher keine strafprozessualen Sanktionen ausgesprochen werden, eine Strafbarkeit etwa wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) oder Vortäuschens einer Straftat (§ 145d StGB) bleibt hingegen grundsätzlich möglich (zu den Möglichkeiten und Grenzen einer teleologischen Reduktion s. Jeßberger, in Hilgendorf/Kudlich/Valerius [Hrsg.], Handbuch des Strafrechts, Band 4, 2019, § 22 Rn. 24 f., 44 f.).

[6] Der Grund, aus welchem der/die Richter/in abgelehnt wird, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[7] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Am 12. Verhandlungstag wurde er zum wiederholten Mal zur Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten befragt (S. 937 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch bereits S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 5. Verhandlungstag).

[8] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[9] Siegfried Hausner verstarb, wie Holger Meins (Fn. 3), während er sich in Untersuchungshaft befand und damit in Obhut des Staates. Hausner erlag Verletzungen, die er während der Geiselnahme in der Deutschen Botschaft in Stockholm erlitten hatte (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512, 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80). Für beide Tode machten die Angeklagten staatliche Akteure verantwortlich (s. dazu auch die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 586 f., 6. Verhandlungstag).

[10] Die Angeklagten waren alle im Juni 1972 verhaftet worden und befanden sich zu diesem Zeitpunkt seit über drei Jahren in Haft. Dabei verbrachten nicht alle Angeklagten die gesamte Haftdauer in Untersuchungshaft. Andreas Baader saß noch bis zum 1. November 1974, Gudrun Ensslin bis zum 1. August 1974 in Strafhaft. Sie verbüßten jeweils den Rest einer dreijährigen Haftstrafe, zu der sie im sog. Frankfurter Kaufhausbrandstiftungsprozess verurteilt wurden (s. S. 2378 des Protokolls der Hauptverhandlung, 29. Verhandlungstag).

[11] Diesen Antrag stellte OStA Zeis am 12. Verhandlungstag, S. 1023 des Protokolls der Hauptverhandlung.

[12] Zum Zeitpunkt des Todes von Holger Meins am 9.11.1974 dauerte der insgesamt dritte und längste Hungerstreik bereits knapp zwei Monate. Er endete erst im Februar 1975 (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[13] Verbundene Verfahren können nach § 4 Abs. 1 Var. 1 StPO auch nach Eröffnung der Hauptverhandlung auf Antrag oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluss getrennt werden, wenn dies zweckmäßig ist (vgl. § 2 Abs. 2 StPO). Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich im Hinblick auf eine/n Mitangeklagte/n besondere Verfahrensverzögerungen ergeben.

[14] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[15] Anlage 1 zum Protokoll vom 3. Juli 1975: Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing durch den Angeklagten Raspe.

[16] Anlage 1a zum Protokoll vom 3. Juli 1975: Ablehnung der beisitzenden Richter Dr. Foth, Maier und Dr. Berroth durch den Angeklagten Raspe.

[17] Dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[18] Dienstliche Äußerung des Richters Dr. Foth.

[19] Dienstliche Äußerung des Richters Maier nebst zweier Anlagen.

[20] Dienstliche Äußerung des Richters Dr. Berroth.

[21] Verfügung: Stellungnahmefrist und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung.

[22] Aktenvermerk: Aussagegenehmigung für die dienstliche Äußerung des Oberverwalters Hower.

[23] Dienstliche Äußerung des Oberverwalters Hower.

[24] Antrag der Bundesanwaltschaft: Zurückweisung der Ablehnungen als unbegründet.

[25] Stellungnahme des Rechtsanwalts von Plottnitz zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter.


[a] Maschinell ergänzt: mitlaufen

[b] Maschinell eingefügt: dem

[c] Maschinell eingefügt: wieder

[d] Maschinell durchgestrichen: für

[e] Handschriftlich ersetzt: mit durch in