130. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, 27. Juli 1976, 9.05 Uhr



[10767] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, 27. Juli 1976, 9.05 Uhr

(130. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

JOS Janetzko, JAss. Clemens.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend:

Rechtsanwälte Eggler, Künzel, Schwarz, Schnabel, Grigat und Schlaegel.

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Auf unserem Programm stehen heute an sich die Zeugen Rechtsanwälte Ströbele, Groenewold und Köncke. Die Herren Rechtsanwälte Groenewold und Köncke haben gestern durch ein Fernschreiben mitgeteilt, das Wissen, zu dem sie hier Aussagen machen sollen, hätten sie ausschließlich im Rahmen ihrer Verteidigungstätigkeit erlangt. Außerdem laufe gegen sie ein Ermittlungsverfahren. Der Vorwurf, der gegen sie erhoben werde, treffe wieder den Kern des Wissens, über den sie hier aussagen sollten. Und sie würden sich deshalb weder entpflichtet sehen, als Verteidiger,[2] noch würden sie sich imstande sehen, ohne Berufung auf den § 55[ StPO][3] hier Angaben zu machen. Es hat dann eine Rückfrage erfolgt, ist erfolgt. Und zwar deswegen, es wurde den Herren bedeutet, daß die Berufung auf die anwaltliche Schweigepflicht dann nicht gelte, wenn die Anwälte von ihren Mandanten entbunden werden würden von der Schweigepflicht. Und daraufhin hat Herr Rechtsanwalt Köncke für sich und Herrn Rechtsanwalt Groenewold erklärt, sie seien bisher von keinem Mandanten von der Schweigepflicht entbunden.

-Der Gehilfe des RA. Dr. Temming, Herr Wackernagel, erscheint um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.-

[10768] Selbst aber wenn sie im Stuttgarter Verfahren von den hier angeklagten Mandanten entbunden werden würden, wäre eine Vielzahl anderer Mandanten noch vorhanden, die sie nicht entbunden hätten von der Schweigepflicht. Außerdem sei eine Entbindung von der Schweigepflicht, seitens der verstorbenen Mandanten Meins[4] und Meinhof[5] nicht mehr möglich.[6] Sie würden sich deshalb auf keinen Fall von ihrer Schweigepflicht als entbunden betrachten und deswegen keine Angaben machen können. Sie würden sich außerdem auch in vollem Umfang auf § 55 der Strafprozeßordnung berufen. Diese Gesichtspunkte hat Herr Rechtsanwalt Köncke gegenüber Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann vortragen wollen, mit der Anfrage, ob nicht seitens der Wahlverteidiger,[7] die ja diesen Antrag gestellt haben, die gewählten Pflichtverteidiger,[8] ob nicht seitens dieser Herren der Antrag zurückgenommen werden würde. Offenbar ist dieser Kontakt aber gestern nicht zustande gekommen. Ich habe den beiden Herrn Zeugen gesagt, daß sie unter diesen Umständen heute nicht zu erscheinen bräuchten, denn nur zu dem Zwecke, daß sich ein Anwalt auf die ihm zustehende, diesem Fall zustehende Zeugnisverweigerung beruft, aus der Schweigepflicht heraus, ihn aus Hamburg anreisen zu lassen, erschien nicht angezeigt. Deswegen sind also die Herren Rechtsanwälte Groenewold und Köncke heute nicht anwesend.

Die Telegramme der Rechtsanwälte Groenewold und Köncke, sowie der Aktenvermerk werden als Anlage 01 zum Protokoll genommen.

Herr Rechtsanwalt Ströbele müßte als Zeuge anwesend sein?

Noch nicht anwesend.

Wir müssen in diesem Falle, obwohl es einem Zeugen an sich zur Pflicht gereichen würde, rechtzeitig am Vortag anzureisen, wohl davon ausgehen, daß [a] insbesondere unter den heutigen Wetterbedingungen möglicherweise sich der Anflug etwas verzögert hat. Wir wollen deswegen noch eine gewisse Zeit zugeben, bevor die Frage einer Ordnungsstrafe[9] erwogen wird. Es kann die Zeit benützt werden, zunächst auf folgende Erledigungen hinsichtlich der gestellten Beweisanträge hinzuweisen. Soweit die Zeugen geladen sind, [10769-10769a][10] [10769b][11] [10770] erledigen sich die Beweisanträge dadurch. Dann hat Herr Rechtsanwalt Schily beantragt, einen vom Zeugen Müller im Hamburger Verfahren gestellten Beweisantrag vom 13.9.75 beizuziehen. Das ist geschehen. Dieser Beweisantrag liegt hier vor. Es handelt sich um einen von den Verteidigern des Angeklagten Müller gestellten Beweisantrag vom 13.9.75 um die Rechtsanwälte Peter und Leonore Gottschalk-Solger. Dieser Beweisantrag wird auszugsweise verlesen, entsprechend dem von Herrn Rechtsanwalt Schily gegebenen ... angegebenen Umfang und wird dann als Anlage zum Protokoll genommen. Die Verlesung erfolgt soweit, wie das Schriftstück durch gelbe Kennzeichnungen es angibt.

... Zunächst, Herr Wackernagel, darf ich noch fragen, was ist im Augenblick mit Ihnen. Sie sitzen alleine hier. Sie sind kein Verteidiger.

Herr Wa[ckernagel]:

Dr. Temming spricht noch mit den Gefangenen. Er kommt gleich.

Vors.:

Sie sind als Gehilfe von Dr. Temming hier im Saale zugelassen. Es setzt also die Anwesenheit von Herrn Dr. Temming voraus, bis Sie hier zugelassen werden können. Ich bitte Sie dann, solange draußen zu warten, bis Herr Dr. Temming mit erscheint.

Herr Wackernagel verläßt daraufhin um 9.11 Uhr den Sitzungssaal.

Gem. § 249 StPO[12] werden im Urkundenbeweis aus dem Antrag der Rechtsanwälte Peter Gottschalk und Leonore Gottschalk-Solger, vom 13.9.1975 - gerichtet an das LG -Schwurgericht- Hamburg - die mit gelbem Filzstift gekennzeichneten Stellen verlesen.

Es wird festgestellt, daß es sich bei dem Antrag um eine vom Landgericht Hamburg am 21.7.1976 beglaubigte (ohne Dienststempel) Fotokopie handelt.

Diese beglaubigte Fotokopie wird als Anlage 1 zum Protokoll genommen.

Vors.:

Dann hat Herr Rechtsanwalt Schily beantragt, aus den Akten des Untersuchungsrichters beim Landgericht Hamburg [10771] einen Beschluß dieses Richters vom 21.11.1974 beizuziehen.

Die Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Dr. Temming sowie der Gehilfe des RA. Dr. Temming, Herr Wackernagel, erscheinen um 9.14 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Auch dieser Beschluß liegt inzwischen vor.

Gem. § 249 StPO wird im Urkundenbeweis der Beschluß des Landgerichts Hamburg - Untersuchungsrichter 1 - vom 21.11.1974 (Az.: (51) 2/74 - 141 Js 38/74) verlesen.

Es wird festgestellt, daß es sich bei dem Beschluß um eine vom Landgericht Hamburg am 22.7.1976 beglaubigte Fotokopie handelt.

Diese beglaubigte Fotokopie wird als Anlage 2 zum Protokoll genommen.

Während der Verlesung:

RA Geulen (als Vertreter von Rechtsanwalt Schily) erscheint um 9.17 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Wir haben dann im Zusammenhang mit dem Antrag des Rechtsanwalts Dr. Hoffmann, den Bundesjustizminister zu laden, folgendes Schreiben an den Herrn Bundesminister[b] der Justiz gerichtet:

Der Vorsitzende verliest nunmehr das Schreiben vom 20.7.1976 an den Herrn Bundesminister der Justiz.

Eine Ablichtung des Schreibens wird als Anlage 3 zum Protokoll genommen.

[10772-10772d][13] [10773-10773d][14] [10774][15] [10775] Vors.:

Ferner ist bekanntzugeben, daß der Angeklagte Raspe inzwischen den Rechtsanwalt Dr. Croissant von seiner Schweigepflicht entbunden hat. Der Senat hat diese Entbindung dem Zeugen weitergeleitet, den sie ja in erster Stelle angeht. Welche Folgen daraus gezogen werden, ist Sache der Verteidigung, insbesondere, nachdem Raspe darauf hingewiesen hat, daß noch weitere, etwa 20 Häftlinge wegen einer Entpflichtung befragt werden müßten. Das ist aber nicht Sache des Gerichts. Ohne neuen Antrag sieht das Gericht keinen Grund, hinsichtlich einer Vernehmung des Zeugen etwas zu veranlassen.

Eine Ablichtung des Entpflichtungsschreibens des Angeklagten Raspe vom 23.7.1976 wird als Anlage 4 zum Protokoll genommen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel ist angeschrieben worden vom Senat - wir werden vielleicht später Gelegenheit haben, nachdem jetzt der Herr Zeuge schon anwesend ist. Ich möchte aber noch der Vollständigkeit halber auf folgendes hinweisen: Herr Rechtsanwalt Schily hat die Vernehmung mehrerer Journalisten beantragt. Von vier Journalisten ist ein brauchbarer Anhaltspunkt wegen der Adresse gegeben worden. Der Senat verfolgt das gegenwärtig. Es wird sicherlich sich heute noch im Laufe des Vormittags zeigen, ob wir diese ehemals bei der Illustierten „Quick“ beschäftigten oder vielleicht heute noch beschäftigten Journalisten anschriftenmäßig[c] erfassen können.

Anders ist es bei dem Herrn Ruch. Hier ist nur mitgeteilt worden, er wohne in Heidelberg und die Bundesanwaltschaft könne sicher weiterhelfen. Die Bundesanwaltschaft ist aber kein Adressenermittlungsbüro und muß also die Aufgabe sicherlich weitergeben an den Herrn Verteidiger. Oder ist die Bundesanwaltschaft imstande, sich zu der Adresse sich irgendwie zu äußern.

OStA Zeis:

Nein, Herr Vorsitzender, nicht.

Vors.:

Ich bitte also Herrn Rechtsanwalt Schily darauf hinzuweisen, daß diese Adresse noch - bevor über diesen Antrag entschieden werden kann - noch vervollständigt werden muß. Wo das nicht geschehen sollte, müßte daraus die übliche Konsequenz[16] [10776] gezogen werden.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Geulen.

RA Geu[len]:

Die Bundesanwaltschaft kann sicher nicht aus dem Handgelenk die Adresse benennen, aber vielleicht kann sie nach einigem Bemühen und in Ausübung ihrer Verpflichtung, auch entlastende Tatsachen und entlastende Beweismittel einzuführen,[17] sich doch bemühen, die Anschrift des Zeugen, Herrn Ruch, zu finden und mitzuteilen.

Vors.:

Das ist Sache natürlich, ob die Bundesanwaltschaft das tun will. Grundsätzlich hat derjenige, der den Antrag stellt, die Beweisperson, das Thema und die Anschrift der Beweisperson zu benennen. Und Adressbücher, Telefonbücher, die hier verwendet werden können, stehen auch der Verteidigung zur Verfügung. Da ist es nicht notwendig, daß eine Behörde eingeschaltet wird.

Hinsichtlich des Antrags von Herrn Dr. Heldmann, den Zeugen Jansen zu hören, ist folgender Beschluß ergangen, der verlesen wird und in Abschrift als Anlage zum Protokoll genommen wird.

Der Vorsitzende verliest nunmehr den Beschluß des Senats vom 23.7.1976.

Eine Ablichtung des Beschlusses wird als Anlage 5 zum Protokoll genommen.

Vors.:

Das waren also Hinweise hinsichtlich der Erledigung der gestellten Beweisanträge soweit wir nicht sie durch die Vernehmung der Zeugen erledigen oder noch eine zusätzliche Entscheidung treffen.

Jetzt bitte ich den Herrn Zeugen, Rechtsanwalt Ströbele.

Der Zeuge, Rechtsanwalt Ströbele, erscheint um 9.26 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge wird gem. §§ 57, 55 StPO[18] belehrt.

Der Zeuge erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[19]

[10777][20] [10778-10781][21] [10782] Vors.:

Ich darf um die Personalien bitten.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:

Zeuge Ströbele:

Hans-Christian Ströbele, 37 Jahre alt, wohnh. in Berlin, Rechtsanwalt,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Zeuge, es ist ein Antrag seitens der Verteidigung gestellt worden, Sie zu bestimmten Themen zu benennen. Darf ich fragen, sind Ihnen die Themen schon bekannt?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, mir ist von meinem Büro ein Zettel gegeben worden, wo drei Themen angedeutet wurden.

Vors.:

Ich habe also mich bemüht, Ihnen die Themen, jedenfalls stichwortartig mitteilen zu lassen, so daß Sie also nicht völlig überrascht werden dadurch. Das erste Thema lautet: Sie könnten bekunden, daß der Zeuge Müller[22] gedroht habe, er werde Anwälte, die bei Baader bleiben, nach Belieben belasten. Er könne auch sagen, was er wolle, man werde ihm glauben. Können Sie zu diesem Thema etwas sagen, wobei ich Ihnen den Hinweis geben möchte, daß der Zeuge Müller auf ausdrückliche Frage erklärt hat, er entpflichte keinen seiner Anwälte von der Schweigepflicht. Die Herrn Groenewold und Köncke haben auch davon Gebrauch gemacht. Sie sind also heute deswegen gar nicht erschienen.

Zeuge Str[öbele]:

Das ist ein schwieriges Problem und ich bitte mir deshalb Gelegenheit zu geben, in etwa, ich will das auch überreichen in eineinhalb Seiten, meine Entscheidung zu diesem Problem mitzuteilen, weil das in allen möglichen Einzelfragen dann wieder problematisch werden kann. Ich hab das schriftlich gemacht, damit ich es dem Gericht überreichen kann, der Staatsanwaltschaft auch.

Rechtsanwalt Ströbele verliest die aus Anlage 6 zum Protokoll ersichtliche Erklärung, die anschließend übergeben und dem Protokoll beigefügt ist.

[10783] Vors.:

Darüber müssen wir uns dann kurz Gedanken machen, das wollen wir uns überlegen. Das kann ich nicht vom Tisch aus jetzt beantworten. Herr Zeuge, nur zwei Hinweise sind notwendig. Es ist falsch, wenn Sie vermuten, daß hier über die Vorwürfe gegen die Anwälte entschieden werden würde. Sie sind beiläufig im Zusammenhang mit einer Zeugenaussage, zum Teil im Zusammenhang von Müller selbst erwähnt worden, zum Teil erfragt worden. Es ist nicht Aufgabe dieses Gerichts, in dieser Richtung etwas zu klären, sondern wir sind hier allein dazu da, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Müller anhand Ihrer Aussagen und anderer Aussagen der benannten Beweispersonen zu überprüfen. Das zweite, Sie erwähnten Rücksprache mit Ihren Herrn Verteidigern. Dürfen wir davon ausgehen, daß Ihre Verteidiger nicht Verteidiger sind, die auch hier verteidigen?

Zeuge Str[öbele]:

Keiner meiner Verteidiger ist auf der Verteidigerbank anwesend.

Vors.:

Weil das Problem ist bei Dr. Croissant aufgetaucht und hat gewisse Schwierigkeiten offenbar bis jetzt noch nicht überwunden. Es wäre eine Verteidigung, die eben der § 146[ StPO][23] nicht zuließe, eine Doppelverteidigung.

Sie wollen also eine klarstellende Äußerung dahin, inwieweit Ihnen aus dem Gesichtspunkt wohl des übergesetzlichen Notstands die Möglichkeit oder?

Zeuge Str[öbele]:

Wie man es rechtlich einordnet, ob es übergesetzlicher Notstand[24] ist oder einfach eine Befugnis darstellt, dann auszusagen, das ist rechtlich, glaube ich, schwer zu qualifizieren.

Vors.:

Es ist natürlich so. Was wir im Augenblick machen ...

Zeuge Str[öbele]:

Ich mein, auch das, was Sie mir sagen, ist nicht bindend, nur eben ist es für mich möglicherweise eine Stütze.

Vors.:

Eben, eben. Und würde möglicherweise noch gar nicht dazu ausreichen können, weil wir natürlich mit dieser Frage im Augenblick auf die Schnelle auch nicht so schnell ein bindendes Urteil abgeben können, um nachher die Frage, wenn es dazu käme, des Verbotsirrtums[25] zu klären.

Will sich die Bundesanwaltschaft zu diesem Punkte äußern?

BA Dr. W[under]:

Wir wollen uns nicht äußern. Im übrigen, zu dem[d] was der Zeuge Ströbele angeschnitten hat, daß ihm eine Festnahme droht, können wir uns auch gar nicht äußern, weil wir kein Verfahren [10784-10786][26] [10787] gegen Herrn Rechtsanwalt Ströbele führen. Das ist Sache der Staatsanwaltschaft in Berlin.

Vors.:

Wollen die Herrn Verteidiger dazu irgend etwas noch beitragen? Ich sehe nicht. Bitte, Herr Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Die Verteidigung ist der Auffassung, nach der Qualität der Zeugenaussagen Müller, soweit diese verschiedene Anwälte, frühere Verteidiger von ihm belastet haben, eine Qualität, die demonstrativ sichtbar geworden ist, als Rechtsanwalt Croissant verhaftet worden ist,[27] aufgrund eines Haftbeschlusses, der ausdrücklich sich[e] auf die Aussage Müller in diesem Prozeß bezieht. Angesichts dieser Qualität jener Aussagen halte ich die Anwendung des § 34 StGB[28] nicht nur für gerechtfertigt, sondern auch für geboten und ich bin im übrigen der Auffassung, daß der allgemeine Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen, wie er über [§ ]193[ StGB] hinaus entwickelt worden ist,[29] abermals rechtfertigt eine solche Aussage, wo sie bestimmt ist, geeignet ist, jenen Zeugenaussagen Müller entgegenzutreten, eine solche Aussage hier für zulässig zu erachten.

Vors.:

Ja nun, zulässig ist sie auf jeden Fall. Nichtwahr, es geht ja nur darum, ob der Herr Zeuge durch die Äußerungen des Gerichts einen Hinweis bekommt, daß ihm auch später eine Strafverfolgung nicht drohen würde, daß er sich frei entscheiden kann.

RA Dr. H[eldmann]:

Erlauben Sie mir den Hinweis, Herr Vorsitzender. Was gesetzlich verboten ist, können wir sicher nicht als zulässig ansehen.

Vors.:

Nein, es ist nicht verboten. Der Herr Zeuge hat das Recht, trotz bestehens der Schweigepflicht zu sagen: Ich mache trotzdem Angaben. Das sind seine persönlichen Gründe. Also es ist nicht gesetzlich verboten ...

RA Dr. H[eldmann]:

Dann kann er nach objektivem Tatbestand mit dem [f] [§ ]203[g] Strafgesetzbuch kollidieren.

Vors.:

Ja. Es ist klar, daß wir jetzt nicht über die Frage der Zulässigkeit Ihrer Aussage entscheiden können, sondern nur eine allgemeine Rechtsmeinung wohl äußern können, ob wir glauben, daß Sie im Rahmen des § 34[ StGB] das Recht haben, hier zu den Beweisthemen sich zu äußern. Ob das dem Senat gelingt, in der Beratung gleich zu klären, ist eine Frage. Wir machen eine [10788] Pause. Ich bitte in einer Viertelstunde wieder hier zu sein.

Pause von 9.37 Uhr bis 9.59 Uhr

Ende von Band 624

[10789] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.59 Uhr

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat sich vergewissert, daß es nach allgemeiner Meinung eine persönliche Entscheidung des nicht entpflichteten Geheimnisträgers ist, ob er aussagen will, ob die überwiegenden Interessen, die er sieht und nur er sehen kann, ihn dazu veranlassen, die Schweigepflicht hinten anzustellen. Der Senat kann und darf keine Rechtsbelehrung dazu erteilen, wobei zu bemerken ist, daß dafür auch bei Rechtsanwälten kein Grund besteht, da sie ja selbst Literatur und Rechtssprechung entsprechend würdigen und auswerten können. Selbst aber wenn der Senat gewollt hätte oder hätte eine Belehrung geben können, so würde das einmal nichts genützt haben, denn er kann keine Auskunft geben, die in irgendeinem anderen Verfahren rechtliche Verbindlichkeit erlangen könnte. Schließlich aber kann er es auch deswegen nicht, selbst wenn der Wille vorhanden gewesen wäre, weil er tatsächlich gar nicht beurteilen kann, was Ihnen seinerzeit anvertraut worden ist und wie die Interessenlage für Sie aussieht, welche Interessen bei Ihnen auf dem Spiel stehen. Das könnte der Senat nur beurteilen, wenn Sie sich schon voll offenbart hätten; aus diesem Grunde kann der Senat also in gar keiner Richtung hin diese Auskunft geben, weder rechtlich noch tatsächlich.

Der Senat sieht sich lediglich angesichts der Ankündigung, daß Sie nur bereit wären, allenfalls so weit auszusagen, als dies zur Widerlegung von strafrechtlich relevanten Beschuldigungen gegen Sie selbst dienlich sei, veranlasst, darauf hinzuweisen, daß natürlich die Teilaussage, eine so beschränkte Teilaussage auch die Gefahr einer unrichtigen Aussage in sich bergen kann. Diese Gefahr muß man dabei sehen und wir müssen es nun, Herr Zeuge, Ihrer Entscheidung überlassen.

Das von Ihnen Vorgetragene und schriftlich Übergebene wird als Anlage zum Protokoll genommen.

Soll ich Ihnen die erste Frage, die sich aus dem Beweisantrag ergibt, nochmals nennen?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, bitte. Ich habe also[h] nur ganz sporadische Notizen: „Zweck und Inhalt des INFO’s, Einführung beim ersten Besuch und dann Ströbele Sprengstoffrezepte“, mehr habe ich also nicht.

[10790] Vors.:

Ja, da ist ein bißchen wenig mitgeschrieben worden, offenbar. Es wird durch den Beweisantrag behauptet, der Zeuge Müller habe in Ihrer Gegenwart seinerzeit gedroht, er werde Anwälte, die bei Baader blieben, nach Belieben belasten, er könne auch sagen, was er wolle, man werde ihm glauben. Können Sie zu dieser Beweisbehauptung etwas sagen?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ich hatte im Sommer 1974 kaum noch Kontakt zu Gerhard Müller, obwohl ich noch das Mandat hatte - da komme ich noch nachher darauf zurück -. Ich wurde dann zu ihm gerufen, durch einen Brief, einen Eilbrief, Ende November 1974, ich könnte das genau feststellen, aber etwa Ende November 1974, und bin dann im Dezember mehrfach bei ihm gewesen, wohl im November auch nochmal. Und da hatte er die anderen Rechtsanwälte, die er vorher auch mit seiner Verteidigung beauftragt hatte, insbesondere den Kollegen Groenewold, Dr. Croissant und das Büro Haag, Laubscher, Becker, denen hatte er das Mandat bereits entzogen und hatte ihnen, so hat er mir das wiederum geschildert, hatte ihnen, als er sie auf dem Flur in der Untersuchungshaftanstalt in Hamburg getroffen hat, angedeutet, er habe Material gegen sie, schriftliches Material. Das habe er zurückbehalten und damit werde er ihnen, wenn sie weiterhin den Interessen von Baader dienen würden, schaden. Das mußte ich als Vorgeschichte sagen, sonst ist das andere nicht verständlich.

In einem Gespräch, ich glaube, es war im Dezember, ich glaube, das letzte oder das vorletzte Gespräch, das ich mit ihm hatte, hat er mir dann gesagt, und da war er ziemlich verzweifelt, das stimme gar nicht, er habe gar kein Material gegen die zurückbehalten und er werde Baader bekämpfen bis auf’s Messer, und dann wörtlich - das hat er mir dann auch nochmal geschrieben: „Baader habe in ihm seinen Meister gefunden, und er werde die Rechtsanwälte“ - damals hatten wir ja noch ein gutes Verhältnis - „er werde die Rechtsanwälte, die weiterhin zu Baader hielten, fertig machen, und er brauche ja gar kein Material, gar kein schriftliches Material, denn wenn er sich den Behörden als Zeuge zur Verfügung stelle, dann wollten sie und[i] würden sie ihm ja alles glauben.“ Das war ein längeres Gespräch, in dem er eigentlich, wie in der ganzen Zeit, als ich ihn da gesehen hab, sehr verzweifelt war eigentlich, und da hatte er mir das so gesagt. Das bezog sich damals ausschließlich auf die Rechtsanwälte Groenewold vor allen Dingen, Dr. Croissant und aus dem Büro Becker, Laubscher, Haag, also, glaube ich, vor allen Dingen gegen Frau Becker.

[10791] Vors.:

Gibt es eine Erklärung dafür, warum der Zeuge Müller Ihnen gegenüber diese Bedenken nicht hatte, daß Sie, Sie waren ja damals wohl noch auch Verteidiger vom Angeklagten Baader, daß man Sie also in seinem Vertrauenskreis einbeziehen dürfe und die anderen müsse man notfalls bekämpfen?

Zeuge Str[öbele]:

Also ich habe insgesamt, der Zeuge Müller hat mir einige hundert Briefe geschrieben. Er war sehr schreibfreudig und aus diesen Briefen ergibt sich in vieler Hinsicht das Gegenteil von dem, was er hier in der Hauptverhandlung ausgesagt hat. Ich war ja hier nicht anwesend, aber ich habe das aus der Zeitung gelesen, zum Teil als wörtliche Zitate. Hier soll er ja ausgesagt haben, Ströbele sei einer der Rechtsanwälte, die voll auf dem Kurs, politisch, oder ich weiß nicht, welchen Kurs, der RAF gewesen sind; also mit allem oder mit allem Wesentlichen einverstanden was die Gefangenen aus der RAF wollten oder sogar vorher, oder welche die draußen sind, was die wollten. Ich kann nur sagen, daß das absoluter Quatsch ist, absoluter Unsinn ist und so eindeutig Unsinn ist, daß ich mich frage, wie er dazu kommt, so etwas in einer Hauptverhandlung als Zeuge auszusagen. Ich will Ihnen dazu, ich habe unzählige Zitate dazu, und er hat praktisch in jeder Hauptverhandlung dazu ausführlich Stellung genommen; in jedem Gespräch, was ich mit ihm geführt habe, hat er dazu Stellung genommen. Ich will Ihnen mal nur eine der gröbsten Geschichten dazu sagen, nur damit Sie einen etwaigen Überblick bekommen, und zwar hat er in der Zeit, er hat ja, ich möchte sagen, sein Verhalten im Gefängnis ist in mehrere Phasen einzuteilen. Am Anfang war er sehr freundlich, entgegenkommend und für jede Hilfe, jede Unterstützung sehr dankbar und zeigte das auch, und hat das auch geschrieben, das war die erste Phase. Und da hat er mir z. B. geschrieben: „Mein Bedürfnis“ - das ist im Dezember 1972, also ein paar Monate nach seiner Verhaftung -. „Mein Bedürfnis nach einem Besuch von Euch ist groß. Ihr seid doch gerade ein Zeichen dafür, daß ihr bezüglich uns die einzige menschliche Instanz seid. Eure Besuche decken doch gerade die verlogene Propaganda der herrschenden Presse auf. Wenn es Euch nicht gebe, die Isolation wäre perfekt, die Folter vollkommen. Was gebe es sonst dann noch zu sagen.“

Vors.:

Ja, aber das beantwortet nun die Frage nicht, Herr Ströbele.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ja, das ist die erste Phase, ich habe für jede Phase ein Beispiel. Die zweite Phase, die vorletzte Phase aus dem Frühjahr 1974, da hat Herr Müller an mich geschrieben - Brief vom März 1974 - „Was Du bist, wissen wir doch. Du windest Dich, taktierst, kreist um [10792] den Punkt, um nur ja das zu bleiben, was Du bist, Advokat, Juso, Bourgeois, Marzipan in den toten Trakt, und ein Klumpatsch von unpolitischer, dreckiger, verkümmerter, verwaschener, sozialer Sensibilität.“

Vors.:

Ja, ich habe durchaus Verständnis, daß Sie das Bedürfnis haben, gewisse Schlaglichter hier mitzusetzen, die auch Ihre Person trifft. Die Frage ging dahin, wie kommt Müller dazu, Sie als einen Vertrauensmann anzusehen, dem man seine Aversionen gegen Baader anvertrauen kann, obwohl Sie doch damals noch Verteidiger von Baader gewesen sind? Das, was Sie hier jetzt eben zuletzt vorgelesen haben, erhebt ja gerade noch zusätzliche Zweifel, warum Müller dieses Vertrauen zu Ihnen gehabt haben sollte.

Zeuge Str[öbele]:

Müller hat dieses Vertrauen zu mir gehabt, weil er wußte, daß ich in meiner Haltung zu den Gefangenen[j], zu Mandanten überhaupt, auch zu politischen Gefangenen, ein sehr juristisch verstandenes Mandatsverhältnis hatte. Und daß erstens, wenn er mir so etwas sagt, davon ging er aus, das hat er mir auch dann schriftlich gegeben, daß ich das für mich behalte, daß das dann das Problem zwischen uns beiden ist, und zweitens ging er davon aus, aufgrund seiner Kenntnisse meines Verhältnisses zu den Gefangenen aus der RAF, daß er solche Sachen mit mir besprechen kann. Weil er damals meinte, im Dezember bis Ende Januar 1975, Dezember 74, daß im Gegensatz zu anderen Kollegen, zu anderen Verteidigern, die er vorher gehabt hat, der Ströbele einer ist, mit dem man auch, wenn man mit der RAF nichts zu tun hat, sogar gegen sie eingestellt ist, sogar wenn man gegen Baader eingestellt ist, noch weiterhin zusammenarbeiten kann, das Mandatsverhältnis aufrechterhalten kann und alle seine Probleme besprechen kann.

Vors.:

Das war der Punkt eins. Dann sollen Sie von Müller gehört haben, daß Ermittlungsbeamte vielfach versucht hätten, ihn mit „Zuckerbrot und Peitsche“ zu belastenden Aussagen zu bringen, z. B. unter anderem auch durch Androhung einer langdauernden, sehr langdauernden bzw. sogar lebenslangen Freiheitsstrafe einerseits und andererseits durch Angebote, im Falle einer Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden, eine erhebliche Strafermäßigung gewärtigen zu können oder Geldangebote, Vermittlung von Pressekontakten u. ä. hier nun animiert worden zu sein, um Aussagen zu machen.

Zeuge Str[öbele]:

Gerhard Müller hat mir gleich von seinem ... von dem ersten Besuch bei ihm an, ich möchte sagen 50mal mindestens, in den verschiedensten Gesprächen, in den verschiedensten Briefen, Protokollen, [10793] die er dazu angefertigt hat, detailliert geschildert, in welcher Weise einzelne Beamte des Bundeskriminalamts, die ich namentlich gleich nennen werde, ihm diese Vergünstigungen in Aussicht gestellt haben. Sie haben auf der einen Seite ihm immer wieder, es war eigentlich der Wortlaut immer wieder derselbe, 50 % Straferlaß, Geld, was bei ihm eine ganz erhebliche Rolle spielte, - Geld - und die Vermittlung an die Presse, an ein großes Presseorgan. Im Gespräch war der „Spiegel“ und der „Stern“. Eine Geschichte sollte durch das Bundeskriminalamt, dieser Herren vermittelt werden, mit dem Ziel, ihm weiter Geld zukommen zu lassen und mit dem Ziel, ihn berühmt zu machen. Das war für ihn ein ganz wesentlicher Punkt. Und diese Versuche sind gleich zu Beginn nach seiner Inhaftierung, nach der Bekundung von Müller, mit ihm unternommen worden, mehrfach. Und in einer Weise zum Teil, die mich veranlasst haben, dann eine Strafanzeige zu erstatten, weil nicht nur die Menschenwürde verletzt wurde, meiner Auffassung nach, sondern weil das ganz übelste Methode; ich kann Ihnen also ein Detail erzählen: Seine Eltern wohnen hier in der Nähe von Stuttgart, die wurden hinzitiert, nach Bad-Godesberg zur Sicherungsgruppe[30], mit den minderjährigen Kindern. Die wurden in einen Raum mit ihm gebracht, und dann wurde dort so lange auf seine Mutter eingeredet, negative Dinge über ihren Sohn gesagt, er halte hier mit irgendwelchen Fakten zurück, die er wisse und womit er Schlimmes anrichte[k], bis die Mutter in Tränen ausbrach, sich vor ihm hinkniete und von ihm ... ihn unter Tränen anflehte, doch bei der Sicherungsgruppe eine Aussage zu machen. So hat er mir das erzählt, ähnlich hat er mir das dann berichtet. Und zwar diese Gespräche fanden statt in Gegenwart, und das war der Hauptbeteiligte, eines Beamten namens Wolf und zweier weiterer Beamten. Den einen nannte er immer „Vater-Bulle“, „Vater-Bulle“ deshalb, weil der, wie er meinte, eine Art der Vernehmung hatte, eine väterliche Art, und dann der andere hieß, irgendwie so „Heimat-Bulle“ oder so was, weil der aus dem Nachbardorf kam, angeblich, in dem Müller aufgewachsen war. Und diese Herren haben versucht, intensivst offenbar, nach den Schilderungen von Müller, ihn zu einer Aussage zu bewegen. Und das ging dann auch während seiner Haftzeit weiter. Später sind andere Beamte bei ihm erschienen, z. B. aus Hannover, das hat er mir auch schriftlich gegeben, geschickt, die ihm vorgehalten haben, er hätte bei seiner Festnahme eine Pistole bei sich gehabt und hätte versucht, nach der Pistole zu ziehen, und daraus könne ein Verfahren wegen [10794] versuchten Mordes gegen ihn gemacht werden, wofür er lebenslänglich zu erwarten habe, möglicherweise, und er könne ihnen aber helfen, dann würde man ihm auch helfen.

Müller hat dann, und das ist das letzte, was ich von ihm gehört habe, nach ganz erheblichen Schwierigkeiten in der Haft, er war völlig verzweifelt, das sind die letzten Briefe, die ich von ihm bekommen habe, bevor dann die Auseinandersetzung mit mir war, im Sommer 1974, da hat er mir geschrieben, z. B. er sei völlig am Ende, nervlich am Ende, er sei jetzt praktisch in der Situation, in der Astrid Proll sei[31] - ich weiß nicht, das ist Ihnen wahrscheinlich aus den Akten bekannt, Astrid Proll war haft- und verhandlungsfähig, aufgrund der Haftverhältnisse - und bei ihm war ähnliches eingetreten. Und er schrieb dann, so in seinem letzten Brief: „Jetzt ist es 5 vor 12 Uhr ...“ in einem Appell an mich oder an die Anwälte überhaupt, - der Brief ging wohl an mehrere Anwälte - „... was zu unternehmen, endlich was zu unternehmen“. Und das nächste, was ich dann von ihm gehört habe, an Inhaltlichem, also außer so Briefen, wo er nur mich bat, irgendwelche Zeitungen an- oder abzubestellen, war dann dieser Brief, mit dem er mich während des Hungerstreiks[32] dann nach Hamburg bat, wo er mir dann mitteilte, daß er den Hungerstreik abgebrochen habe und sich von der RAF losgesagt habe. Und in einem allerletzten Brief, in dem er mich zum ersten Mal eigentlich dann gesiezt hat, teilt er mir dann mit, in einer Postkarte - handschriftlich - ich könne jetzt bei den Stellen, von denen er ... also verschiedenen „Roten Hilfen“, von denen er Geld bekomme, das war dann im ... ich glaube März oder Mai 1975 könne ich das Geld abbestellen, auch die Zeitschriften, die ich für ihn bestellt habe, könne ich alle abbestellen, er habe jetzt eine neue Geldquelle.

Vors.:

Gut, das waren also Hinweise, die Sie bekommen haben.

Zeuge Str[öbele]:

Aber ich will das vertiefen, Herr Vorsitzender, ich meine, ich bin dem Gericht das schuldig. Anhand der schriftlichen Unterlagen, die ich von Herrn Müller geschickt bekommen habe, das ist also authentisch, nicht nur, was er mir in der Haftzelle, in der Sprechzelle mitgeteilt hat, sondern was er mir geschrieben hat.

Ich habe das mal der Reihe nach zusammengestellt, aus den Briefen. Ich habe die Briefe nicht hier, sondern Auszüge aus den Briefen gemacht, falls es darauf ankommen sollte, für die Entscheidung, bin ich bereit, wenn man sich über die Prozedur einigt, auch diese Briefe zur Verfügung zu stellen. Es sind meistens handschriftliche Briefe. Es kann also festgestellt werden, daß sie von Gerhard Müller stammen. [10795] Ich will jetzt da mal raus zitieren, weil das eigentlich die Situation viel näher beleuchtet, als ich das mit der Nacherzählung kann. Er schreibt, Müller: „In den zwei Monaten seit meiner Verhaftung hat die SOKO“ - das ist die Sonderkommission des Bundeskriminalamtes - „nichts unversucht gelassen, meine Aussageverweigerung umzukehren (Gehirnwäsche). Ich habe am 16.6. morgens mündlich zu BKA-Beamten“ - das war der Tag seiner Festnahme - „gesagt, daß ich keine Aussage zur Sache mache. Abends, am gleichen Tage, habe ich es ihnen erneut gesagt und sie haben das auch protokolliert. Am Dienstag, den 20.6.72, habe ich vor zwei Beamten, Wolf und Geisler, zu Protokoll gegeben, daß ich weder eine Aussage zur Sache noch zur Person mache“, dann ... - ein Protokoll, was er extra auf meine Bitten angefertigt hat darüber, seinerzeit „... daß ein Bulle kommen würde, dachte ich ...“ - Bulle ist Polizeibeamte - „... daß die Methode, mit der sie vorgehen, so einfach und primitiv ist, das hat mich doch etwas erstaunt. Sie haben zum Beispiel mitgekriegt, daß ich jeglicher Karriere abgeneigt bin, auch der eines Rodewald.“ - Gemeint ist der, der Müller und die Meinhof da angezeigt hat, in Hannover. - „... und das habe ich auch am Montag meinem Vater nochmals gesagt. Aber sie wissen, daß ein Proletarier sowieso nie genug Geld hat. Sie wissen vielleicht, daß ich jahrelang weniger als das Existenzminimum hatte, und sie wissen von Sonntag, daß ich meine Besucher um Geld angehauen habe. Ihr Köder ist deshalb einfach; hier kärgliches Sträflingsdasein, ein Nichts, verraten und verkauft, und da halbe Strafe mit meisten Geld.“ Nächstes Protokoll: „Der Bulle, sprachgestört ...“ er wußte nicht die Namen von allen, den hat er dann so typisiert - sprachgestört. „... spricht[l] davon, wie das Gericht bei meinem Entgegenkommen reagieren würde. Er meinte, ich könnte mit der Hälfte der zu erwartenden Strafe rechnen. Ich fragte: „Das ist ein Deal, den Sie da mit mir machen wollen.“ Nach einiger Zeit sagt er: „Ja.“ Um mir den Deal schmackhaft zu machen, zieht er alle möglichen Dinge herbei, einschließlich Andreas Baader, der gesagt haben soll: „Der dreckige Deal mit der Klassenjustiz läuft nicht mehr.“ Und er versucht ihn zu entkräften. Mit Wolf habe ich dann nochmals über Ruhland[33] als Verräter und Denunziant gesprochen. Nach Wolf ist Ruhland kein Denunziant und kein Verräter; das Bundeskriminalamt hätte ihn fast als Kraftfahrer eingestellt, wenn er nicht diese Vorstrafe gehabt hätte.“ In seinem Brief, einem Brief an mich, handschriftlich: „In Bonn hat das Bundeskriminalamt mit Zuckerbrot ...“

[10796] Vors.:

Würden Sie freundlicherweise, Herr Zeuge, dabei noch angeben, von wann diese Briefe stammen.

Zeuge Str[öbele]:

August 1972.

Vors.:

Sind das alles Briefe aus dem Jahre 1972?

Zeuge Str[öbele]:

Das sind jetzt 72.

Vors.:

Also den ersten Monaten nach der Verhaftung?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

„In Bonn hat das Bundeskriminalamt mit „Zuckerbrot und Peitsche“ versucht, mich zum Reden zu bringen. Die Peitsche, das war außer Haft-Schikanen, moralische Vorhaltungen, Erpressung durch Androhung von langjähriger Freiheitsstrafe und Schilderung der Strafhaft.“ Und dann hat Müller, das kann ich nicht datieren, es müßte Ende 1972 gewesen sein, sogar einen Sketch geschrieben für ein Straßentheater, in dem er, die handelnden Personen sind der Kommissar Wolf und Herr Saubermann und dann schreibt er, ich will nicht den ganzen Sketch hier vorlesen, wo er also diese Vernehmungsmethoden schildert, und dann schreibt er als Kommentar dazu, am Schluß: „Es sollte nur gezeigt werden, daß die Kripoermittlungen im Zusammenhang mit der RAF die Funktion haben, einem bestimmten Täter die „Schuld“, egal wie, zu beweisen und daß sie nicht im rechtsstaatlichen Sinne den Tathergang und die Beteiligung objektiv ermitteln.“

Das ist also dieser Sketch, den er geschrieben hat.

Und dann Ende Dezember 1972 schreibt Müller: „Am 17. Juni, anlässlich des großen Verhörs, sprach Wolf ...“ - das ist der Kriminalbeamte - „... lediglich davon, daß ich natürlich meine Geschichte an den „Spiegel“ verkaufen könne. Ein anderer SOKO-Beamter sprach am gleichen Tag davon, daß ich dann Geschichte machen könne.“

Und dann in einem Brief an mich, handschriftlich: „Dann kamen die Androhungen, und zwar waren da anwesend, der Polizeibeamte Wolf und der „Schwaben-Bulle“ ... So hat er den genannt, das ist der, der also da in dem Nachbardorf offenbar wohnte oder herkommen sollte. „... dann kam die Androhung einer sehr langen oder lebenslänglichen Strafe und das Angebot mit 50 %. Ferner meinten sie, daß ich Punkte verloren hätte, weil die Inheidener Straße[34] von den Bullen entdeckt wurde.“ Also damit meint er, daß er da zur Aufklärung nicht mehr beitragen konnte und deshalb Punkte verloren habe.

Und dann 1973, Ende März: „Die Bullen-Scheiße geht anscheinend wieder los. Gegen mich würde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes in Hannover laufen. Sie waren ziemlich hartnäckig. Ich muß sie anbrüllen, damit sie abhauen.“

[10797] Dann im Januar 1974: „Zu Überlegungen, ob seine Haft noch Folter genannt werden könne ...“ Es geht da um einen anderen Gefangenen. „... kann ich nur sagen, er soll mal die Dokus lesen und da steht eben drin, daß eine Wirkung der Isolationsfolter gerade Liberalität und Toleranz gegenüber den Schweinen ist ...“ Gemeint waren die Polizeibeamten. „... = Anfangserfolge der Gehirnwäsche.“

Damit will er sagen, daß die Folge der Haftbedingungen, der Folter, Liberalität und Toleranz gegenüber den Polizeibeamten sind und daß das zu dem Anfangserfolg der Gehirnwäsche führt.

Im Dezember 1973, also 1 Jahr später, schreibt Müller an mich: „Kriegstagebuch“ Überschrift, hat er selber geschrieben. „Herr Spieker ...“ das war der zuständige Polizeiinspektor in der Haftanstalt Köln-Ossendorf „... ich solle nur warten bis zum nächsten Sommer; das würde ein heißer Sommer für mich werden. In diesem Zusammenhang passt der Satz von meinem Alten, den ich verdächtige, mindestens sporadisch mit den Bullen zusammenzuarbeiten.“ „Meinen Alten“, meint er seinen Vater.

„Ich solle nur noch 1 Jahr sitzen und dann auspacken“, er sagte das Ende August; nach 1 Jahr, das wäre also August 1974. „Das ist auch meine derzeitige Lage, dauernder totaler Krieg und man hat nur die Möglichkeit, oben zu schwimmen oder unterzugehen.“

Das heißt also, daß sein Vater und der Herr Spieker [m] ihm im August 1973 zu verstehen gegeben haben oder sogar ganz deutlich erklärt haben, 1 Jahr später werde er auspacken. Darüber machte er sich dann längere Gedanken, wie die darauf kommen.

Dann im Januar 1974: „Ich glaube, ich bin derzeit etwas kaputt, ich brauche meine ganze Energie gegen die Front der Schweine.“ Im selben Monat, in einem anderen Brief: „Es ist bei mir 5 vor 12 Uhr, jedenfalls habe ich Momente, in denen es so erscheint[n] und die Perioden dazwischen werden immer kürzer. Da anscheinend niemand begreift, was los ist, weder die Anwälte noch die gefangenen Genossen, muß ich das eben begreiflich machen. Wenn die Lichtfolter, Schlafraub als Folter ...“ Lichtfolter, damit meinte er, daß bei ihm in gewissen Zeiten über Wochen und Monate stündlich in der Zelle, auch nachts das Licht angekipst wurde und dadurch ist er immer aufgewacht. „... wenn die Lichtfolter Folter ist, dann muß diese Folter jetzt Wirkung haben ...“ Er schildert dann eine neuro-vegetative Dystonie. Das ist eine Erkrankung, da ist er auch vom Arzt behandelt worden, die er als[o] Folge der Lichtfolter darstellt, also eine Nerven- [10798] erkrankung.

Und dann schreibt er im März 1974. Das ist dann der vorletzte Brief vor der Auseinandersetzung mit mir: „Ich habe gerade zwei Tage hinter mir, an denen es mir unendlich dreckig ging, mit viel Krankheit und so. Ich sehe mich letztlich in der Situation von Astrid.“ Gemeint war Astrid Proll.

Dann habe ich, wie gesagt, diese Auseinandersetzung mit ihm gehabt. Dann hat er sich lange nicht gemeldet. Und was ich dann von ihm bekommen habe, war eine Postkarte vom 6.3.1975, die beginnt mit der für mich damals sehr ungewöhnlichen Anrede, ich habe ihm dann auch geschrieben, warum:

„Sehr geehrter Herr Ströbele, da ich demnächst finanziell besser dastehe, habe ich Eva Michel geschrieben ...“ Das war eine, die ihm immer Geld überwiesen hat. „... daß sie[p] mir ab[q] Mai 1975 kein Geld mehr zu schicken braucht. Sie soll sich an Sie wenden.“ Also an mich wenden. Daraus folgt für mich, vor allem hinsichtlich dieser Geldgeschichte, müssen Sie wissen, er deutete das ja beim ersten Mal auch an, daß Geld, seine finanzielle Lage auch im Gefängnis für ihn ein so gravierender Punkt war, daß er das praktisch bei jedem Gespräch mit mir und den sicherlich 150 - 200 Briefen, die ich von ihm bekommen habe, in nahezu jedem Brief spielte die Frage, daß er Geld braucht für Einkauf und Zeitungen u. ä., eine Rolle; manche Briefe handelten praktisch nur davon. Das war also für ihn ein ganz zentrales Thema und für mich gab es, nach all dem nur den einen Schluß, daß er unter anderem aufgrund der Haftbedingungen dann eben dieses Geschäft, was ihm angetragen worden war, gemacht hatte.

Vors.:

So, das ist also eine Schlußfolgerung, die Sie aus dieser Korrespondenz ziehen.

Zeuge Str[öbele]:

Aus der Korrespondenz und aus den Gesprächen mit ihm.

Vors.:

Aber feststellen darf man danach zunächstmal wohl, ist es richtig, daß er über 2 Jahre lang keine Angaben gemacht hat, trotzdem er sich bedrängt fühlte?

Zeuge Str[öbele]:

Ja. Also ich weiß es nicht[r], ich war ja nicht dabei, aber er hat mir nie irgend etwas, und ich habe auch keine Veranlassung, anzunehmen, daß er vorher Angaben gemacht hat. Also vor Mai 1975.

Vors.:

Ich müßte jetzt beinahe fragen, haben Sie ihn in dieser Richtung dann beraten, wie er sich verhalten soll gegenüber solchen Versuchungen?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, natürlich. Ich habe ihm bei meinem ersten Besuch, wie ich das in solchen Verfahren immer tue, eigentlich grundsätzlich tue, [10799] gesagt, bevor ich und damit er nicht Akteneinsicht bekommen habe und genau weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird, soll er keine Angaben machen, das wäre mein Rat.

Vors.:

Nun mag das auch zutreffen. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte durch die Gespräche mit Herrn Müller bekommen, daß er für den Fall, daß er Aussagen macht, deswegen unbedingt falsche Aussagen machen müßte? Ich meine, hier wird ja nun nur die Motivation von Ihnen dargestellt, die vielleicht zu suchen wäre. Er selbst hat, wie Sie wissen, es dargestellt nach dem Abbruch des Hungerstreiks von seiner Seite und sonstigen Umständen, sei er dann zumindest mal zu informellen Gesprächen bereit[s] gewesen, als die Trennung vollzogen war; das sieht ein bißchen anders aus von der Seite her. Aber haben Sie Anhaltspunkte bekommen ...

Zeuge Str[öbele]:

Also ich habe ...

Vors.:

... daß für den Fall, daß er bereit ist, etwas auszusagen, er auch bereit wäre, dann sozusagen erfundene Dinge preiszugeben?

Zeuge Str[öbele]:

Das ... dazu habe ich ... also bis Ende 1974 keinerlei Veranlassung gehabt, das anzunehmen, überhaupt nicht. Ich hatte auch nicht Veranlassung, anzunehmen, daß er überhaupt eine Aussage macht. Das hat er mir auch nicht gesagt, daß er das vorhat, bis auf diese Andeutung über seine gesundheitliche Lage. Aber aus den wenigen Gesprächen, ich weiß jetzt nicht, wieviele es waren, es waren mindestens 2, wieviel weiß ich aber nicht, die ich mit ihm nach seiner Trennung, nach der Beendigung seines Hungerstreiks, also nach seiner Trennung von der RAF, danach hatte ich allerdings aus seinem Verhalten, nicht nur die Sache, die ich Ihnen bereits vorher erzählt hatte, was er mir bezüglich der Belastung anderer Anwälte, es bezog sich ja damals alles nicht auf mich. Zu mir hatte er ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe auch mehrere Briefe, wo er mir nochmal sein Vertrauen ausdrücklich in dieser Zeit dann, Ende 1974, bescheinigt. Es bezog sich immer auf andere. Wo er aber das ganz klar gesagt hat, und er hat das vor allen Dingen bezüglich Andreas Baader gesagt, er hat ... bezüglich Andreas Baader war er in einem grenzenlosen Haß befangen, der so weit ging, daß er manchmal in der Zelle, also einmal, an einmal erinnere ich mich genau, richtig zusammengebrochen ist, als er über Baader gesprochen hat. Er hatte einen grenzenlosen Haß zu Andreas Baader und ich habe ihm dann auch gesagt, ich habe ja Baader damals noch vertreten, verteidigt, ich habe ihm aber völlig unabhängig davon, ob ich nun Baader verteidige oder nicht, habe ich ihm gesagt, daß ich, [10800] und das habe ich ihm auch schriftlich gegeben, das habe ich also auch geschrieben, daß das, eine solche Art, sich mit einem Menschen zu beschäftigen, mit dem er früher andere Beziehungen, Kontakte menschlicher Art gehabt hat, absolut unsinnig sei. Und ich habe, glaube ich, auch gesagt, krankhaft sei, sondern er solle versuchen, da ein normales, möglicherweise kritisches Verhältnis zu finden und er soll aber jetzt nicht hier einen Kleinkrieg, so habe ich mich, glaube ich, auch ausgedrückt, gegen Andreas Baader beginnen, aus einem solchen grenzenlosen Haß heraus.

Vors.:

Es hat sich also dann eine Entwicklung, wenn ich Sie richtig verstanden habe, abgezeichnet.

Zeuge Str[öbele]:

Da muß irgendwas passiert sein, ich habe ihn ja in der Zeit nicht besucht, im November 1974, woraus ... Früher habe ich mit ihm auch über Baader sehr wenig gesprochen und habe nie irgendwie besondere, weder positive noch negative, also es hätte ja sein können, das habe ich mir jetzt nachträglich überlegt, daß er vielleicht eine besonders positive Bindung früher zu Baader gehabt hat. Dafür habe ich aber nie irgendwelche Anhaltspunkte dafür gehabt, mir ist das nie aufgefallen. Im November 74 muß irgendwas mit ihm psychisch, äußerlich, innerlich vorgefallen sein[t], war mir alles völlig unerklärlich und neu.

Vors.:

Könnte das nicht gewesen sein, daß er sich im Zusammenhang gerade mit dem damals ja laufenden Hungerstreik unter einem außerordentlichen starken Druck gefühlt hat, der, jedenfalls nach seiner Auffassung, von Baader ausgegangen sein könnte?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, das ist ... diese Hungerstreikgeschichte ist absolut falsch. Das[u] läßt sich auch, ich kann Ihnen also wieder das jetzt aus den Zitaten belegen. Müller war der[v], das wundert mich auch, ich habe ja auch in der Zeitung gelesen, daß Müller behauptet habe[w], Baader habe diesen ganzen Hungerstreik inszeniert, durch die Anwälte oder weiß ich wie. Müller war der, der eigentlich vor diesem Hungerstreik immer am meisten auf Hungerstreiks gedrängt hat. Ich habe also Äußerungen von ihm: „Ich bin unheimlich scharf auf den neuen Hungerstreik“, u.so. Müller war der, der auch, der zweite oder dritte Hungerstreik, der zweite war es, glaube ich, ja, der zweite Hungerstreik - beim dritten hat er ja dann aufgehört - beim zweiten Hungerstreik war er sogar derjenige, der nicht aufhören wollte, nicht. Ich habe noch mit ihm telefoniert; die Bundesanwaltschaft hat dann ein Telefonat nach Köln-Ossendorf, was sonst nicht genehmigt wurde, möglich [10801] gemacht und er hat dann auch aufgehört. Aber er war der, der eigentlich weitermachen wollte. Also so rum auf gar keinen Fall, so rum ist es nicht möglich; daß er sich in einer Ausnahmesituation insgesamt befand, die dann vielleicht durch den Hungerstreik oder seine Lage im Hungerstreik verschärft wurde, das halte ich allerdings für sehr möglich.

Vors.:

Also konkrete Anhaltspunkte dafür, daß für den Fall der Bereitschaft zur Aussage auch die Bereitschaft völlig Falsches[x] [y] zu bekunden, haben Sie eigentlich nicht. Sie ziehen es nur ...

Zeuge Str[öbele]:

Erst ab Dezember 74.

Vors.:

Ja, aber was ist[z] an konkreten Anhaltspunkten? Hat er Ihnen gesagt, ich werde ...

Zeuge Str[öbele]:

Wenn er mir sagt: „Ich werde die Rechtsanwälte ...“ und zwar machte er das allein davon abhängig, ob die weiterhin für Baader tätig sind, d. h. ob sie die Mandate behalten, ob sie in dem Stuttgarter Prozeß auftreten und ob sie in irgendeiner Weise für Baader in der Öffentlichkeit, auf Pressekonferenzen auftreten, „dann werde ich diese Rechtsanwälte belasten“; und zwar schilderte er: „mir wird man glauben“, und zwar in dem Sinne, „Ich kann über die erzählen, was ich will, man wird mir das alles glauben, weil man auf so einen Zeugen ja sicherlich gewartet hat.“ Also insoweit war das sinngemäß.

Vors.:

Glauben Sie nicht, daß er subjektiv der Meinung sein konnte, er wüßte einiges über die Anwälte, was belastend wäre, in der Tat, so daß die Offenbahrung dazu führen könnte, daß die Anwälte ...

Zeuge Str[öbele]:

Sie fragen nach meinem Glauben, also ich weiß es nicht, ob er, ich habe mich da auch nicht mit ihm unterhalten.

Vors.:

Jetzt können wir zum nächsten Punkt kommen, die Behauptungen Müllers über Inhalt und Zweck des sogenannten INFO’s[35] seien unrichtig.

Sie gingen zusammenfassend, jetzt von Einzelheiten abgesehen, dahin, daß das INFO dem Zusammenhalt, praktisch dem Wiederaufbau der Gruppe gedient haben und gleichzeitig mit ein Diziplinierungsmittel gewesen wäre, ein Kontrollmittel; daß es gleichzeitig ein Schulungsprogramm beinhaltet habe für zukünftige Aktivitäten von Gruppenmitgliedern, wenn sie wieder in die entsprechende Lage versetzt werden würden und daß das INFO über die Anwälte praktisch zum Leben erweckt und am Leben gehalten worden wäre. Ich hoffe, daß ich also jetzt das nicht falsch interpretiere, es ist jedenfalls keine Absicht das falsch zu interpretieren[aa]. Ich glaube, so kann man es zusammenfassend darstellen.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, zu dem INFO habe ich ja auch in meinem eigenen Verfahren ...

Vors.:

Wobei Sie natürlich nochmals, ich darf Sie darauf hinweisen, sich [10802] darüber im klaren sein wollten, daß Sie sich nur insoweit äußern, als es sich um Vorwürfe gegen Sie selbst handelt.

Zeuge Str[öbele]:

Das INFO ist ja eines der, einer der Punkte, der als wesentlichs Belastung gegen mich, auch in meinem Strafverfahren[36] ja vorgebracht wird, im Ehrengerichtsverfahren,[37] im Strafverfahren. Ich habe mich dazu auch mehrfach sehr eingehend geäußert. Umfassend zu dem INFO und zu dem, was da gemeint worden war, was geplant war, was gesprochen war und was dann daraus geworden ist, Stellung zu nehmen, da muß man wahrscheinlich zwei, drei Tage reden und auch anhand der Unterlagen, die Sie zum Teil ja hier in Ihren Aktenordnern, Zellenzirkulare haben. Ich will versuchen, das relativ kurz zunächst zusammenzufassen und dann Sie bitten, einzelne Fragen zu stellen, weil, wenn ich jetzt einen Tag darüber rede, bräuchte ich auch mehr Unterlagen, dann ist es vielleicht schwierig.

Das INFO, zunächst erstmal muß ich erklären, daß diese berühmten, berüchtigten Rundbriefe - 18 oder 19 - von mir, daß die zunächstmal mit dem INFO überhaupt nichts zu tun haben. Ich weiß nicht, was Müller dazu gesagt hat, aber möglicherweise hat er die da in Zusammenhang gebracht?

Vors.:

Nein, hat er nicht.

Zeuge Str[öbele]:

Sondern ich habe, wohl als einziger der Verteidiger, der zahlreichen Verteidiger, die in den Verfahren tätig waren, immer sehr ausführlich, auch schriftlich mich mit den Mandanten beschäftigt, auseinandergesetzt. Ich habe also zu allen möglichen Themenbereichen, die meine Tätigkeit als Anwalt betrafen, andere Prozesse betrafen, die meine Reisen betrafen, die sonstige Schwierigkeiten betrafen, sehr ausführlich immer an die Mandanten Briefe geschrieben. Ich habe also, das habe ich mir mal als Anwalt angewöhnt, auch nach Besuchen bei den Mandanten, meistens so in Form eines Vermerkes oder so was ähnliche dann Briefe geschrieben, wo ich das dann nochmal festgehalten habe[bb], was vereinbahrt wurde. Diese Briefe habe ich ursprünglich, also in den Jahren, seit ich solche Mandate habe, 1970 bis 19... Ende 1972 immer an den jeweiligen Mandanten geschickt.

Im Sommer 1972 wurden es ja sehr viel mehr Mandanten, es wurden ja eine ganze Reihe verhaftet und ich habe eine ganze Reihe Mandate übernommen, nicht so viel, wie ich nachher hatte, aber doch eine ganze Anzahl. Das heißt, es war arbeitsmäßig, außer den vielen Reisen, die da erforderlich wurden, noch lange Briefe zu schreiben und dann an jeden einzelnen, das war praktisch kaum noch möglich. Außerdem fiel mir nun auf, daß ich an die einzelnen Mandanten eigentlich inhaltlich [10803] bis auf einige Pasagen, die sich mit den Problemen eines bestimmten Mandanten beschäftigten, daß ich da eigentlich immer das gleiche geschrieben habe; an alle mit ein bißchen anderen Worten und eine Woche dem, eine Woche dem. Und da bin ich dazu übergegangen, ich habe mir das auch genau überlegt, vom standesrechtlichen Standpunkt, vom strafrechtlichen Standpunkt aus, ob da irgendwelche Bedenken bestehen, dachte ich, was ich also nur an einen Mandanten schreiben kann das ist unbedenklich, das kann ich auch an einen anderen Mandanten schreiben, solange nicht[cc] ein Fall auch im weitesten Sinne der Interessenkollision vorliegt, also soweit unterschiedliche Interessen betroffen sind. Und da das nicht der Fall war, zumal die Themen, also meistens auch sehr allgemein gehalten waren, es ging ja, wie gesagt, um Schwierigkeiten in Haftverhältnissen u. ä., bin ich dann dazu übergegangen, daß ich jeweils einen Brief diktiert habe, meistens, manchmal habe ich ihn auch selber geschrieben, wird[dd] da Herr Zeis festgestellt hat, mit orthographischen Fehlern, und habe die zum Teil diktiert, teils selber geschrieben und habe sie dann an alle, also an alle, an die ich damals Briefe schreiben wollte, geschickt. Das war unterschiedlich, es waren also mal 10, mal waren es 5 Leute, mal waren es ein Dutzend, mal waren es nur drei. Und zwar richtete sich der Adressantenkreis einfach danach, wo ich zuletzt Besuche gemacht hab und wo, also irgendwie, was zu klären war. Und die Briefe hatten dann meistens einen zweiten Teil, in dem so zu den einzelnen Personen dann geschrieben wurde, die Bücher für den habe ich bestellt, und das für den ist abgegangen usw. Da hatte ich auch keine Bedenken, daß ich also, beispielsweise die Meinhof da nun Kenntnis davon bekommt, daß ich für Baader das und das Buch bestellt habe; das sah ich nicht als bedenklich an, sehe ich auch heute als nicht bedenklich an. So habe ich also diese Briefe geschrieben, so sind diese Briefe zustandegekommen und die waren zu keinem Zeitpunkt irgend etwas anderes, und es[ee] hat auch nicht irgend jemand versucht, nun in diese Briefe irgendwas reinzubekommen. Das hat ja der Müller mal behauptet, sondern die Briefe habe ich so geschrieben, ich wurde dann mal, wie in vieler Hinsicht, kritisiert, die Briefe seien zu allgemein, die Briefe seien, zeigten meinen liberalen Standpunkt, meinen sozial-demokratischen Standpunkt usw., aber sonst wurde eigentlich dazu nichts gesagt. Ich habe diese Briefe also eigentlich bis Ende 74 geschrieben, nachher etwas weniger. Das hat mit dem INFO überhaupt nichts zu tun.

Vors.:

Ja, ich wollte Sie nicht unterbrechen, damit Sie die Möglichkeit haben, das darzustellen ...

[10804] Zeuge Str[öbele]:

Ja, jetzt komme ich zum INFO.

Das INFO ist ...

Vors.:

Die Frage bezieht sich nur auf das INFO.

Zeuge Str[öbele]:

... das Bedürfnis nach dem INFO ist entstanden im Frühjahr 1973, Ende 72, Führjahr 73. Und zwar ist das einfach aus dieser großen Zahl der Mandate, die jetzt jeder einzelne Anwalt hatte, und der großen Zahl der Verteidiger, die daran beteiligt gewesen sind; das waren ja bis zu, also nicht diese Zahlen, die dann immer in der Zeitung standen, es waren nie 40 - 50, sondern es waren, ich schätze vielleicht 20; die nun alle an den, meistens in den gleichen Mandaten in irgendeiner Weise tätig waren und zwar sehr umfassend tätig waren, weit über das hinaus, was in anderen Mandaten erforderlich ist. Also wir hatten ja von Anfang an z. B. was nie bekannt ist, von Anfang per richterlichen Beschluß die Aufgabe, z. B. sämtliche Bücher und Zeitschriften für die Mandanten zu bestellen. Da gab es einen Beschluß für eine bestimmte Art und Weise, wie das zu geschehen hatte. Das heißt also, jedes Buch, was irgendeiner der Dutzend oder es waren ja nachher mehr Mandanten, bestellen wollte, der[ff] 20 Mandanten, mußte er an mich oder an den oder an den Anwalt schreiben: „Bitte bestell das“, das ging auf eine komplizierte, über ein kompliziertes Bestellsystem wurde das dann in die Wege geleitet und durchgeführt.

Bundesanwalt Dr. Wunder verlässt um 10.43 Uhr den Sitzungssaal.

Und außerdem war im Unterschied zu allen anderen Mandaten eigentlich die ich hatte, waren hier in Hinsicht der Haftverhältnisse besonders viel zu unternehmen.

Ende Band 625

[10805] Zeuge Str[öbele]:

Und so kam es sehr häufig dazu. Und da wurden wir auch sehr, sehr kritisiert, auch von den Mandanten. Aber auch untereinander selbst haben sich die Anwälte sehr stark kritisiert, darüber, daß die Koordination in gar keiner Weise klappte. Da wurden also teilweise Sachen erledigt, teilweise Sachen doppelt erledigt, teilweise Sachen überhaupt nicht erledigt, Beschwerden eingelegt. Dreimal, manchmal sogar mit[gg] sich widersprechender Begründung. Da wurden Zeitungen doppelt bestellt. Da wurden, wir sind dann sehr bald dazu übergegangen, aus Zeitungen Ausschnitte zu fertigen, die die einzelnen Prozesse und die einzelnen Mandanten betrafen, und wir haben die auch an die geschickt, weil das ja unmittelbar zur Vorbereitung einzelner Prozeßhandlungen oder auch Verteidigungshandlungen diente und auch zur Information, zur Vorbereitung der Verteidigung. Und da stellten wir also nun fest, daß die Zeitungen, beispielsweise die gängigen Zeitungen von dutzend Leuten ausgewertet wurden und andere überhaupt nicht. Und so kam es dann dazu, daß sich die Anwälte untereinander überlegten - an den Gesprächen habe ich mich sehr intensiv beteiligt - hier das in irgendeiner Weise zu koordinieren, da eine Zentrale einzurichten. Und da haben mehrere Gespräche stattgefunden, eine ganze Anzahl Gespräche mit den Mandanten. Die fanden das sofort sehr gut. Und auch unter den Anwälten, da gab es unterschiedliche Standpunkte, teils kritischer, teils welche die also sagten, das muß gemacht werden. Und ich kann da verweisen auf einen Brief von mir vom 2.3.1973, der ist auch in Ihren Ordnern drin, Anlage 8, da steht, ich zitiere jetzt aus diesem Brief: März 1973: „Einheitlich wird an den Anwälten kritisiert, daß sie drei Wochen lang nichts wesentliches getan haben, um den Hungerstreik öffentlich zu machen. Schlechte Kommunikation und schlechte Koordination unter den Anwälten. Um Abhilfe zu schaffen soll über das Büro der Hamburger Anwälte eine regelmäßige, ständige Kommunikation in Form kurzer Rundschreiben mit entsprechender Anlage geschaffen werden.“

Bundesanwalt Dr. Wunder erscheint wieder um[hh] 10.45 Uhr im Sitzungssaal.

Das war so die erste Voridee dieses INFO’s. Es war ein sehr früher Zeitpunkt, also noch März 1973. Es gab dann, und das wird ja immer wieder zitiert in den Vorwürfen gegen die Rechtsanwälte, auch von den zahlreichen Mandanten sehr unterschiedliche Auffassung, was man [10806] nun alles so mit einem INFO machen könnte. Und in der Tat gab es auch Vorstellung, daß man beispielsweise, es tauchte mal das Wort Revolutionsarchiv könne angelegt werden. Oder es könnten also die Erfahrungen, die alle Gefangenen draußen gemacht haben, als Kämpfer gemacht haben oder die sie auch in der Haftanstalt gemacht haben, Überlegungen, die könnten gesammelt werden und archiviert. Das waren so Überlegungen ...

Vors.:

Darf ich Ihnen ein weiteres Stichwort geben. Ist es richtig, daß auch von der Entwicklung der Strategie und Taktik des Guerillakampfes ...

Zeuge Str[öbele]:

Da komm ich gleich drauf.

Vors.:

... daß das auch Gegenstand des INFO’s werden sollte?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, da komm ich gleich drauf. Eine Überlegung allerdings ist nie ... Das will ich mal ganz klipp und klar, das ergibt sich auch nirgendwo aus keinem Brief, daß etwa eine Kommunikation, so weit hat keiner der Gefangenen gedacht oder jedenfalls sich nicht geäußert, daß eine Kommunikation nach außen hergestellt werden sollte. Daß also beispielsweise ein INFO erstellt werden sollte, aus dem nun irgendwelche im Untergrund arbeitende Gruppen auf irgendwelche dunkle Kanäle versorgt werden oder durch dunkle Kanäle versorgt werden.[ii] Das war überhaupt nie das Problem, wurde auch nie besprochen, wurde nie verlangt und wurde deshalb auch nie von irgendeinem abgelehnt oder positiv oder negativ dazu Stellung genommen. Das war ... dann ging es natürlich, war ein zweites Gebiet, was dann sehr schnell in Diskussion kam, das war die koordinierte Beschäftigung mit verschiedenen Gebieten, wie z.B. die Entwicklung Imperalismus in der dritten Welt. Und zwar ganz gezielt auch im Hinblick auf Prozeßerklärung. Wenn Sie mal verschiedene Prozesse, ich hab ja an einer ganzen Reihe von Prozessen gegen die RAF teilgenommen, verfolgt haben, wurde nahezu in allen dieser Prozesse eine sehr lange, häufig sehr lange Prozeßerklärung abgegeben, in der so der politische Standpunkt versucht wurde, darzulegen. Einschätzung, Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und deshalb auch die Schlußfolgerung, warum also nun der bewaffnete Kampf gegen diese gesellschaftlichen Verhältnisse erforderlich ist. Und in diesem Rahmen und überhaupt, weil das natürlich auch [10807] vom Großteil der Mandanten das Interessengebiet war, wurden also z.B. Interessen, daran erinnere ich mich jetzt, Imperialismus und natürlich die Gegenstrategie, also Stadtguerilla, Guerilla überhaupt in Lateinamerika.[38] Es wurden sehr ausführliche Sachen über, überhaupt das Gefälle Dritte Welt und Industriestaaten[jj], also Nord-Süd Gefälle. Es wurden aber auch, jetzt um hier zur Bundesrepublik zurückzukehren, über die Metropolen, also die Funktion beispielsweise der Konzerne in den Metropolen, die Funktion, die Verflechtungen der Konzerne, die personelle Verflechtungen der Monopole, der einzelnen Industriezweige in den Metropolen wurden also bis hin zu Graphiken erstellt. Und es wurde auch versucht, personell zu verfolgen. Also wer sitzt im Aufsichtsrat, wer ist der Aufsichtsrat in der Firma, in der Firma und in der Firma und welche multinationalen Konzerne, wie z.B. aus den USA, haben da ihre Leute da drin und da drin. Das wurde versucht zu analysieren, das waren Projekte. Das wurde also, wir sind ja jetzt immer noch im Planungsstadium. Das waren also Überlegungen, was man da machen könnte. Das war ein ganz wichtiger Teil und ein ganz wichtiger Teil war natürlich die Analyse der verschiedenen gegnerischen Organe, so möchte ich es einmal bezeichnen. Die Arbeitsweise des Bundeskriminalamts, die Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft bis hin zu solchen Analysen, aus denen dann heraus kam, daß die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt Vernichtungsstrategie gegenüber bestimmten Gefangenen, bestimmten Menschen in den Haftanstalten betreiben. Das war eigentlich ein Ergebnis der Arbeiten, die da in den Haftanstalten, Vergleiche, Äußerungen in Zeitungen, das waren alles - das muß ich also jetzt der Vollständigkeit halber gleich hier sagen -: Diese ganze Informationen wurden nicht etwa aus irgendwelchen Geheimdiensten beschafft, sondern alles eigentlich nur eine Sammlung der normal zugänglichen Quellen. Es wurde also beispielsweise wenn Herr Herold[39] in irgendeiner Zeitung, die vielleicht nicht so bekannt war oder in irgendwelchen Publikationen irgend etwas gesagt hatte, wurde das dazu als Äußerung genommen. Dieses Zitat wurde dann eingebaut in die Analyse, die dann erstellt worden ist. Und so ging das, zu all diesen Themen war das Ziel, zunächst das Informationsmaterial konzentriert zu sammeln, d.h. möglichst an alle Informationsquellen ranzukommen, möglichst viele Zeitungen abzudecken, Zeitschriften auch, Zeitschriften wie „Die Polizei“ oder [10808] Zeitschriften wie „Kriminalistik“ usw. Die wurden dann bestellt, alle normal über den Richter bestellt, normal in die Haftanstalt reingeliefert und die Artikel, die denen dann nun wichtig vorkamen, der Person die an bestimmten Gebieten arbeitet, die sollte das dann zur Informationszentrale schicken. So in etwa der Aufgabenkreis dieser Informationszentrale und da kommen Sie auch gleich auf diesen weiteren Punkt, der ja auch eine Reihe von Briefen von mir anklingt, dieses Schulungsprogramm. Das Schulungsprogramm, das ist ja mehrfach draußen in der Presse so dargestellt worden, das soll also nun mit Hilfe der Anwälte aufgrund der Erfahrungen der[kk] Gefangenen im Grunewald oder sonst irgendwo, ich weiß nicht wo, irgendwelche Gruppen aufgebaut werden und da Stadtguerillagruppen geschult werden oder so ein Schwachsinn. Das ist überhaupt nie in Erwägung, also jedenfalls mir nichts davon bekannt, in Erwägung gezogen worden und auch nicht besprochen worden, nirgendwo. Sondern es ging hier genau darum, daß zu bestimmten Gebieten einfach das Wissen erweitert werden sollte. Und zwar zu bestimmten Gebieten, die ich jetzt konkret benannt habe, aber auch ganz theoretischen Sachen. Wie z.B. Marxismusanalysen, da ist wahnsinnig viel geschrieben worden, ich hab sehr viel Material. Die Bundesanwaltschaft hat das zum Teil ja weggetragen aus der Praxis, von einzelnen Leuten, aber nicht nur jetzt, sagen wir, von Ulrike Meinhof, sondern auch zum Beispiel von Gerhard Müller. Wo die sich mit theoretischen Problemen auseinandergesetzt haben. Wo sie versucht haben, sich durch die Klassiker des Marxismus, Leninismus durchzubeißen mit Schwierigkeiten, wo sie auch in Briefen sehr häufig darüber schildern. Und wo man da sich gegenseitig, zumindest in der Weise helfen sollte, daß war also jetzt auch die Planung, daß man 1. dem anderen mitteilen sollte, wo findest du was, wo findest du also für dein Gebiet was, wo findest du was, beispielsweise zu dem und dem Theoriekreis. Wo ist das also so dargestellt, daß es auch einer der nicht so sehr belesen ist, verstehen kann. Und dann auch, das war die Planung, meiner Ansicht nach ist das nie gemacht worden, ich weiß es aber nicht genau. Es sollte [10809] dann von allen Leuten eigentlich, die wesentliche Themen bearbeiten, alle Monate, alle viertel Jahr was Schriftliches, also praktisch ein Arbeitsergebnis erstellt werden und das sollte auch in der Informationszentrale bewahrt werden, also für bestimmte Arbeitsgebiete, Vorbereitung von Prozeßerklärung und ähnliches dann zur Verfügung stehen. Das sollte gar nicht immer rumgeschickt, sondern sollte da nun zunächst erst einmal festgehalten werden. Das war eine weitere Überlegung. Soweit die Planung. Und ich kann dazu nur sagen, daß mir aus einer ganzen Reihe von anderen Mandaten, um das jetzt mal in das Verhältnis zu rücken, bekannt ist, daß natürlich wenn jemand weiß, daß er jahrelang in Haft sitzen muß und wenn es sich dabei um Leute handelt, die gewöhnt sind, sich intellektuell lesend und arbeitend zu beschäftigen, dann weiß ich das auch von vielen anderen Mandanten, nicht nur von politischen Mandanten, daß sie sehr intensiv lesen und sich solches Material besorgen, zum Teil also auch beispielsweise bei Wirtschaftsstraftätern sehr intensiv da weiterhin ihre Akten bearbeiten und an[ll] bestimmten Problemen, theoretischen Problemen arbeiten. Ich hatte also von daher, das will ich damit sagen, überhaupt keine Bedenken, daß die Leute sich damit beschäftigen[mm], daß sie über ihre Anwälte, so wie das vorgeschrieben war, die Literatur dazu besorgt bekamen und als Kontrollorgan war ja nach wie vor da, die richterliche Kontrolle. Die waren ja zum größten Teil Untersuchungsgefangene, d.h., das ging alles durch die richterliche Kontrolle. Und daß Sie das nun zurückschicken ...

Vors.:

Aber, Herr Rechtsanwalt, ich seh mich jetzt wirklich genötigt, bei Ihren Ausführungen Sie darauf hinzuweisen, daß Sie hier mit einem Senat gerade zu tun haben, der genau weiß, wieweit er imstande war, durch richterliche Kontrolle das zu kontrollieren, was Sie jetzt sagen.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ...

Vors.:

Ich möchte Sie bitten, sich Ihrer Rolle als Zeuge nicht ganz unbewußt zu werden, wenn Sie jetzt hier die Zwecke des INFO’s schildern und die richterliche Kontrolle erwähnen.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ich fasse diesen Hinweis so auf, daß Sie der Meinung sind, daß Sie das INFO nicht kontrollieren konnten. Das ist sicherlich richtig. Ich habe ja auch nur behauptet, daß die Literatur, die be- [10810] schafft worden ist, soweit sie mir bekannt, soweit ich sie beschafft habe oder auch soweit mir bekannt, ausschließlich, also ich habe von nichts anderem Kenntnis, über die Richter gelaufen sind. Über die richterliche Kontrolle und mir liegen also auch mehrere Beschlüsse, z.B., wo das problematisch wurde ...

Vors.:

Ja, die Literaturbeschaffung wirft Ihnen ja wohl auch niemand im einzelnen vor ...

Zeuge Str[öbele]:

Doch, doch, doch ...

Vors.:

... soweit sie nicht außerhalb der Kontrolle geschehen ist. Aber können wir uns, weil dieser Punkt nun gerade angesprochen worden ist, darüber einigen, daß das, was im engeren Sinne dann bei der Durchführung des INFO’s als dort zugehörig betrachtet wurde, nicht über das Gericht lief.

Zeuge Str[öbele]:

Nein, die Literatur ist ...

Vors.:

Nicht die Literatur, nicht die Literatur, das können Sie jetzt mal streichen. Das, was textlich beigetragen wurde, sei es von den Häftlingen, sei es auch von Seiten der Anwälte. Das ist doch nicht über das Gericht gelaufen.

Zeuge Str[öbele]:

Nein, natürlich nicht.

Vors.:

Natürlich nicht, sondern?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, das lief, ich schildere ja jetzt, was Inhalt des INFO’s war.

Vors.:

Lief als? Als was lief es?

Zeuge Str[öbele]:

Das lief als Verteidigerpost.[40]

Vors.:

Als Verteidigerpost, ja. Sie wissen ja, daß wir über den Inhalt dessen, was hier über das INFO innerhalb der Zellen ausgetauscht worden ist, natürlich zwangsläufig durch Beschlagnahmeanträge und durch Anklage und durch Mitteilung jetzt von Herrn Müller einen ziemlich deutlichen Einblick bekommen haben und das möchte ich zum Anlaß dazu benützen, Sie darauf hinzuweisen, daß also die Darstellung eben unter der Wahrheitspflicht als Zeugen läuft.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, diesen Vorhalt halte ich für unzulässig, nachdem Sie dem Herrn Zeugen sagen, durch Äußerungen des Herrn Müller wüßten Sie Bescheid. Dann lassen Sie sich vielleicht auch Mitteilungen dieses Zeugen geben, um danach Bescheid zu wissen.

[10811] Vors.:

Nein, Sie haben wahrscheinlich das mißverstanden, was ich sagte. Ich sagte, durch das Material, das auch von Herrn Müller übergeben wurde, das Sie ja im Ordner 127 mit finden ...

RA Dr. H[eldmann]:

Verzeihung, Sie sagten Mitteilungen des Herrn Müller.

Vors.:

Das wäre dann ein Versprecher, sondern das sind die Materialien, die meinte ich, die im Ordner 127 enthalten sind.

RA Dr. H[eldmann]:

Der Zeuge wird sich hier auch mit Materialien anbieten können, nicht?

Vors.:

Ich habe das Recht, einen Zeugen darauf hinzuweisen, wenn ich das Gefühl habe, es sei notwendig, um hier eine allzu möglicherweise einseitige Betrachtungsweise, die nachher zu Gefahren führen könnte, zu verhindern. Das ist mein Recht und sogar meine Pflicht.

Zeuge Str[öbele]:

Also ich kann Ihnen, ich bin ja immer noch in meiner Darstellung bei der Planung, was da ins Auge gefaßt worden ist. Da habe ich abgegrenzt zu dem, was niemals ins Auge gefaßt worden ist, was meiner Ansicht nach auch nie, also meiner Kenntnis nach auch nie diskutiert worden ist und dem, was diskutiert worden ist.

Vors.:

Verzeihen Sie, Herr Zeuge, wenn ich jetzt hier mal, um die Sache zu kanalisieren, Sie folgendes frage: Gut Planung, gut Durchführung, was war der Endzweck des Ganzen? Daß man Informationen bekommt, schön, zu was aber sollte man Informationen bekommen? Daß man Prozeßstrategie entwickelt, ja. Daß man schult, ja. Daß man sich mit Materialismus auseinandersetzt, mit Imperialismus auseinandersetzt. Daß man unter Umständen technische Fertigkeiten bekommt. Wir wissen ja, was da alles geschrieben worden ist. Ich kann Ihnen aus den Unterlagen ja vorhalten, daß z.B. auch die Entwicklung der Taktik, der Guerilla speziell angesprochen, der Job im Gefängnis sei. Das ist in Ihrem Antrag, der gegen Sie gerichtet war, ausdrücklich mit erwähnt. Zu was das alles, was war der Endzweck?

Zeuge Str[öbele]:

Also das war mit Sicherheit, nach meiner Kenntnis, ich kann nicht wissen, was Gefangene oder andere sich dazu überlegt haben. Nach meiner Kenntnis war Inhalt dieses Informations... Zweck dieser Informationszentrale 1. die Koordinationsschwierigkeiten unter den Anwälten und unter den Mandanten in irgendeiner Weise in den Griff zu bekommen. Wie ich das vorhin geschildert habe, ganz praktische Sachen. Daß also Sachen nicht doppelt gemacht wurden, Sachen nicht ausgelassen wurden und auch gleichmäßig, daß [10812] also beispielsweise nicht nur Frau Meinhof oder Frau Ensslin bestimmte Unterlagen bekommen haben, sondern daß die alle bekommen haben. Und der Endzweck, das Ziel war einmal die Beschäftigung mit bestimmten Themen im Gefängnis, um da Wissen zu akkumulieren, um da Wissen anzusammeln und dann ganz konkret die Vorbereitung der Verfahren, sei es der Prozeß-Erklärung im Verfahren. Ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im klaren sind, daß jede einzelne dieser Prozeßerklärung, die Sie ja in den Akten haben, auch aus anderen Verfahren, daß das nicht irgend etwas ist, was einer oder mehrere der Gefangene in einem Tag oder einer Stunde oder auch in einer Woche hingeschrieben haben, sondern das basiert alles auf langen Analysen, wo die sich damit auseinandergesetzt haben. Ich hab das nur beobachtet, wo die sich damit auseinandergesetzt haben, mit einer Entwicklung, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik.

Vors.:

Das wissen wir. Wir wissen auch ...

Zeuge Str[öbele]:

Und als Grundlage dafür, das war ein weiteres Ziel, jetzt als Hilfsmittel für die Anwälte, diese ganze Reihe von Prozeßakten da in den Griff zu bekommen. Das war z.B. immer mein Problem.

Vors.:

Wissen Sie etwas davon, um gleich jetzt bei diesem Punkte wieder zu bleiben, Hilfsmittel für die Anwälte. Ist Ihnen bekannt, daß durch das INFO Anweisungen erteilt worden sind, daß die Prozeßstrategie allein die Gefangenen zu bestimmen haben und daß die Anwälte, die sich dem nicht unterordnen, daß die zu gehen hätten und daß ohne Rücksicht auf solche Anwälte diese Forderung von den Angeklagten durchgedrückt werden würde. Das ist in einem Schreiben, das über das INFO gelaufen ist. Wissen Sie, daß das INFO ...

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, verzeihen Sie bitte, jetzt frage ich mich, sind Sie eigentlich hier der Zeuge, der etwas schildert, oder ist der Zeuge hier zu eben diesem Zweck hierher geladen worden. Im übrigen haben Sie den Zeugen unterbrochen, der soeben im Begriff war, in mehreren Punkten Ihre Frage zu beantworten nach dem Zweck des INFO. Er ist gerade bis zu Punkt 2 gekommen.

Vors.:

Ja, eben. Koordination war das eine, Hilfsmittel für die Anwälte [10813] war das andere. Und zu diesem Punkte wollte ich diese Frage nachstellen. Ich halte das für keine Zeugenaussage, die ich gemacht habe, sondern für eine klare Frage. Ob Sie wissen, daß, weil Sie von Hilfsmittel für Anwälte sprechen, das INFO dazu benutzt wurde, um die Anwälte sozusagen zur Disziplin zu bringen?

Zeuge Str[öbele]:

Zu disziplinieren, ja, ja, das steht auch immer in der Anschuldigungsschrift ...

RA Dr. Tem[ming]:

Herr Vorsitzender, woher wissen Sie eigentlich, daß das über das INFO-System gelaufen ist. Daß das von den Gefangenen tatsächlich geschrieben worden ist. Daß es jemals an die Anwälte gelangt ist. Sie ... das bereits als Unterstellung, und deswegen beanstande ich Ihre Frage.

Vors.:

Nein, nein, nein, Herr Rechtsanwalt Dr. Temming. Es ist Anlage 41 zu dem Ausschlußantrag[41] wohl für Herrn Rechtsanwalt Ströbele gewesen. Da steht oben drüber: „INFO: Alle“. Daraus kann man schließen, daß das an alle gegangen ist, die am INFO angeschlossen waren. Es steht drunter der Empfänger: „Golzem und Plottnitz“. Und dann kommen die Ausführungen: „Schön, kommt nochmal her, dann legen wir die Bedingungen politischer Verteidigung fest, verbindlich für die Prozesse und die Verteidigung“.

RA Dr. Tem[ming]:

Was hat das mit der Zeugenaussage zu tun? Woher wissen Sie, daß dieser Schrieb von Gefangenen stammt, daß er echt ist. Ich beanstande Ihre Frage, weil Sie hier Sachen einführen, die überhaupt noch nicht verwertbar sind.

Vors.:

Herr Dr. Temming, Sie übersehen wahrscheinlich nicht, was bis jetzt an Urkundenmaterial in den Prozeß eingeführt ist. Im übrigen aber weise ich Sie darauf hin, daß alles, was Gegenstand der Akten ist, Gegenstand der Akten sind auch die Ausschlußanträge gewesen, mitsamt den Anlagen, selbstverständlich zum Zwecke des Vorhalts benützt werden kann und das wird auch geschehen ...

RA Dr. Tem[ming]:

Herr Vorsitzender, ich habe Ihre Frage beanstandet.

Vors.:

... wenn ich die Gefahr seh, daß ein Zeuge sich hier unter Umständen verrennt.

RA Dr. Tem[ming]:

Herr Vorsitzender, ich habe Ihre Frage beanstandet,[42] gerügt, die Zulässigkeit einer Frage von Ihnen und zwar ...

RA Geu[len]:

Darf ich vor der Beratung ...

RA Dr. Tem[ming]:

Dürfte ich vielleicht zu Ende reden, ist es nicht möglich.

Vors.:

Ich will Ihnen jetzt, damit Sie die Beanstandung geordnet an- [10814] bringen können, sagen, daß ich Ihnen also folgenden Vorhalt machen möchte. Ich habe das nur aufgrund der Beanstandung als Material benutzt, ich habe ja bis jetzt noch gar nicht zitiert draus. Es sind hier sehr deutliche Sätze drin, die Sie möglicherweise schon kennen, Herr Zeuge ...

Zeuge Str[öbele]:

Die ich kenne, ja.

Vors.:

Sie kennen das Schreiben, ganz klar. Ich geh eigentlich auch davon aus. Es gibt keinen Grund als Rechtsanwalt und als Zeuge, das zu verheimlichen. Daß aus Schreiben dieser Art hervorgegangen ist, daß das INFO nicht etwa vielleicht nur ein Hilfsmittel für Anwälte gewesen ist, sondern auch dazu gedient hat, um die Anwälte in ihrer politischen Verteidigung, wie es hier ausgedrückt wird, festzulegen. Ist das richtig oder nicht?

RA Dr. H[eldmann]:

Beanstandung, Beanstandung. Der Vorhalt ist erstens überflüssig. 2. Der Zeuge hat mit keinem Wort gesagt, daß was ... hat bisher als die Zwecke des INFO’s angegeben, Koordinationsschwierigkeiten zwischen Anwälten und Mandanten. 2. Beschäftigung mit verschiedenen Themen im Gefängnis, um Wissen zu akkumulieren, wie zum Beispiel die Prozeßerklärung der Angeklagten zeigt, welche Arbeit dahinter steckt. Sie haben also unterbrochen ...

Vors.:

Nein, ich habe unterbrochen bei dem Punkt „Hilfsmittel für die Anwälte“, das muß richtiggestellt werden, sonst können Sie ja keine geordnete Beanstandung bringen. Und bei diesem Punkte sind wir im Augenblick.

RA Dr. H[eldmann]:

Er war bei Beschäftigung mit verschiedenen Themen im Gefängnis ...

Vors.:

Hilfsmittel für die Anwälte, INFO als Hilfsmittel für die Anwälte.

RA Dr. H[eldmann]:

Was hat er dann bisher dazu gesagt?

Vors.:

Sie haben es nicht gehört, aber wir haben es gehört hier.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich konnte es nicht mehr hören, weil Sie mit Ihrem Vorhalt so schnell waren.

Vors.:

Dann sag ich es Ihnen jetzt, daß der Herr Zeuge sagte, das INFO habe auch den Zweck gehabt, ein Hilfsmittel für die Anwälte zu sein. Bei diesem Punkte habe ich mir gestattet, nachzufragen.

RA Dr. H[eldmann]:

Genau da kam Ihr Vorhalt, ehe der Zeuge die Möglichkeit hatte, darüber Ausführungen zu machen.

[10815] Vors.:

Jetzt bitte ich meinen Vorhalt und die daran geknüpfte Frage zu beanstanden.

RA Dr. H[eldmann]:

Das habe ich doch getan.

Vors.:

Sonstige Begründung?

RA Geu[len]:

Ja, doch. Ich möchte noch einen Satz ... Herr Vorsitzender, darf ich, bevor Sie beraten noch einen Satz ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Geulen?

RA Geu[len]:

Das Beweisthema ist ja mit gutem Grund die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Zeugenaussage von Herrn Müller gewesen. Mit gutem Grund im Hinblick auf § 203 StGB und § 53 und [§ ]55 StPO.[43] Ich halte es für unzulässig, Vorhalte zu machen, die sich nicht aus der Aussage von Herrn Müller ergeben oder aus der Aussage des hier sitzenden Zeugen selbstverständlich, sondern etwa aus einem INFO, die der Zeuge Müller eben selbst nicht angegeben hat. Insofern möchte ich den Vorhalt beanstanden.

Vors.:

Also welche Vorstellung Sie von der Pflicht der Wahrheitsermittlung damit entwickeln, Herr Rechtsanwalt Geulen, verstehe ich nicht. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß, wenn ein Zeuge Angaben macht, anhand von Aktenmaterial Vorhalte gemacht werden können, um diese Antworten zu überprüfen. Wollen Sie wirklich diesen Punkt auch zum Gegenstand der Beanstandung machen?

RA Geu[len]:

Ja, möchte ich auch beanstanden.

Vors.:

Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?

Bitte, Herr Dr. Temming?

RA Dr. Tem[ming]:

Ich beanstande Ihre Frage auch und zwar nochmals aus dem Grund, daß Sie verpflichtet sind nach § 69 Abs. 1[ StPO], den Zeugen erst nach seiner Vorstellung und in seinen Worten die Sache umfassend, wie er es kann, darzustellen und Sie erst anschließend befugt sind, präzisierende Fragen zu stellen.[44] Herr Ströbele hatte einen Satz gesagt, das INFO habe als Hilfsmittel für die Anwälte gedient. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Ströbele damit bereits fertig war, sondern sicherlich hätte er das ausgeführt. Und das kann man ausführen. Stattdessen haben Sie sofort versucht und dann auch mit unzulässigen Unterstellungen, indem Sie nämlich von der Wahrheit all dessen ausgegangen sind, was Sie vorgehalten haben, haben Sie sofort versucht, das INFO darzustellen etwa als Disziplinierungsmittel auch noch der Anwälte. [10816] Und das ist genau der Punkt, an dem Ihre Frage schlichterdings unzulässig ist.

Vors.: (Nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen:

Die Frage ist zulässig. Sie gehört zum Sachzusammenhang der Ausführungen des Herrn Zeugen und Fragen des Vorsitzenden Richters während der Ausführungen sind durchaus durch § 69[ StPO] nicht untersagt.

Ich habe Ihnen bloß zur Vervollständigung dessen, da Sie jetzt den Punkt angeschnitten haben. Wir sind ja beim Gesamtzweck des INFO’s. Das ist ja das Beweisthema, weil Herr Müller, wie ich Ihnen angedeutet habe, hier einen bestimmten Zweck genannt hat, Sie sollen das Gegenteil bekunden können, nach dem Beweisantrag. Sie waren erst beim Punkt 3 angelangt, Hilfsmittel für Verteidiger. Ich habe Ihnen den Vorhalt gemacht, ob, nachdem Ihnen ja, wie Sie schon sagen, bekannten Schreiben es nicht gleichzeitig auch ein Mittel zur Festlegung der politischen Verteidigung, der verbindlichen Linie für die Verteidiger gedient hat?

Zeuge Str[öbele]:

Also ich kann Ihnen sagen, natürlich wurde das INFO war auch insofern Kommunikationszentrum als die verschiedenen Überlegungen über Ziele, Zwecke, Inhalte und Formen von Prozeßstrategie und Verteidigung, daß das da auch diskutiert wurde. Das ist richtig. Ich kann ganz deutlich und da gibt es überhaupt weder vorn noch hinten irgend etwas abzuknapfen, daß das INFO zu keinem Zeitpunkt, jedenfalls das INFO, das ich kenne, von dem ich jemals was gehört habe, zu keinem Zeitpunkt dazu gedient hat oder auch nur dazu dienen konnte, aus mehreren Gründen nicht dazu dienen konnte, ein Disziplinierungsmittel gegenüber den Rechtsanwälten zu sein, den Verteidigern zu sein. Das ist absolut unrichtig, wenn das jemand behauptet. Man muß natürlich die Frage, da kommen wir jetzt allerdings dann in die Nähe des § 53[ StPO],[45] wo ich Schwierigkeiten habe, die Frage der Rolle der Rechtsanwälte allgemein und wer bestimmt die Prozeßstrategien in einem solchen Verfahren, nicht ...

[10817] Vors.:

Da muß ich, da wollte ich Ihnen ja gerade diesen einen Punkt ...

Zeuge Str[öbele]:

Ja, da kann ich Ihnen nun mal zunächst, einfach zur Information meine Meinung, das habe ich auch an anderer Stelle häufig gesagt, ohne das jetzt auf einen ganz konkreten Fall hier hinzubringen, weil ich meine, das ist nicht mehr gedeckt von meiner Befugnis, hier auszusagen. Ich kann Ihnen also nicht sagen, Meinhof war der Meinung, der bestimmt die Prozeßstrategie oder das und das habe ich mit Meinhof über die Prozeßstrategie besprochen. Das werde ich hier nicht aussagen, weil ich das nicht darf. Aber ich kann Ihnen ganz allgemein sagen, ich bin allerdings der Meinung und es ergibt sich aus dem Wort, das habe ich auch schon mehrfach schriftlich niedergelegt „Mandatsverhältnis“, daß Richtung, Ziel und auch dem wesentlichen Inhalt natürlich der Mandant, der Auftraggeber bestimmt. So verstehe ich mich als Rechtsanwalt. Daß für mich nur die Möglichkeit besteht, zu sagen, „also Mandant, wenn du das und das meinst, das und das ist richtig oder das und das sollte gemacht werden und ich bin damit nicht einverstanden“, und gerade in politischen Verfahren kann es das natürlich häufiger geben, daß ich dann sage: „Gut, dann kann ich das nicht machen, dann nicht mit mir.“ Dann muß ich entweder das Mandat niederlegen oder ich kann jedenfalls den Antrag nicht stellen oder den Antrag nicht vertreten oder nicht verteidigen. Ich kann mich dann da nur zurückziehen. Aber letztlich ist das Verfahren, Subjekt des Verfahrens ist der Angeklagte, ist der Mandant und der hat zunächst auch zu bestimmen, was zu geschehen hat in dem Verfahren. Also wenn z.B. ein Mandant zu mir sagt, ich möchte nicht auf Freispruch verteidigt werden, dann kann ich sagen, ich find das richtig oder falsch und kann mich dann rausziehen, wenn ich nicht seiner Meinung bin und er sagt, ich möchte sogar eine Strafe, das gibt es ja manchmal, ich möchte allerdings eine geringe Strafe haben, dann kann ich mich da nur zurückziehen. Und so sind diese Dinge auch zu verstehen. Sicherlich in manchmal sehr harten Formulierungen wurden da Vorstellungen zur Prozeßstrategie entwickelt, uns wurde auch gesagt, „wenn das nicht läuft, fliegt ihr raus.“ Das ist das gute Recht jedes ...

Vors.:

Herr Zeuge, Herr Zeuge, es ist also hier jetzt, wie Sie zu Recht sagen, natürlich nicht die Gelegenheit, das gesamte Bild [10818] des INFO’s in der Form darzustellen, wie Sie es jetzt beginnen, sondern es geht nur darum, ob die Aussage Müller’s ...

Zeuge Str[öbele]:

Also wenn der das gesagt hat, das ist falsch ...

Vors.:

... in dem Punkt falsch ist und es geht dahin, daß ich Ihre Frage dahin vertiefen können muß, und ich hab es Ihnen vorgehalten, Sie kennen dieses Schreiben selbst. Ich hab Ihnen das gesagt, wie es heißt, wir legen die Bedingungen verbindlich für die Prozesse fest oder wir verständigen uns nicht und ihr verliert die Mandate. Und dann heißt es unter Ziffer 1: „Die Gefangenen bestimmen die Prozeßstrategie und zwar kollektiv. 2. Auch wenn das bedeutet, daß bei bestimmten Entwicklungen die Anwälte kollektiv die Verteidigung für unmöglich erklären und rausgehen. 3. Alle Anwälte, die Besuche machen, verteidigen und arbeiten an dem INFO mit, d.h. füttern und verteilen es.“ Und jetzt, weil Sie sagen, das ist nur noch Aufgabe des Mandanten im Grunde genommen, zu bestimmen. Hier aus diesem Schreiben geht dann hervor, eine Anweisung etwa: „Ihr sollt in den ...“

Oberstaatsanwalt Holland verläßt um 11.09 Uhr den Sitzungssaal.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande ...

Vors.:

Ich mache einen Vorhalt.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, ich beanstande diesen Vorhalt ...

Vors.:

Darf ich bitten, meinen Vorhalt zuerst mal zu Ende bringen zu lassen, dann knüpfe ich die Frage dran ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich beanstande den bereits gemachten Vorhalt und beanstande die Fortsetzung des Vorhalts ...

Vors.:

Ich muß doch aus Aktenteilen Vorhalte machen können.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja natürlich, aber nicht, um mit dem Zeugen hier Meinungen auszutauschen, Ihre Meinung gegen seine Meinung ...

Vors.:

Nein, nein, warten Sie doch die Frage ab. Sie können doch nicht den Vorhalt beanstanden, sondern nur die Frage, die sich daran knüpft.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich beanstande den Vorhalt, natürlich beanstande ich den Vorhalt.

Vors.:

Wollen Sie sagen, er ist inhaltlich nicht richtig aus dem verlesen, was ich hier vor mir habe ...

RA Dr. H[eldmann]:

Er hat ja auch keinen Sachzusammenhang.

[10819] Vors.:

Es geht darum, daß der Herr Zeuge, um Ihnen das zu erläutern, im Augenblick erklärt hat, dieses Hilfsmittel INFO für die Verteidiger habe selbstverständlich den Angeklagten mit das Recht gegeben, die Prozeßstrategie zu bestimmen ...

Zeuge Str[öbele]:

Nicht das INFO, das INFO hat mit der Prozeßstrategie allenfalls insofern etwas zu tun, daß darüber die Kommunikation lief. Genau wie über normalen Verteidigerpostverkehr, also so einen Brief, ich glaube sogar, diesen Brief, wenn ich den bekommen habe, den habe ich normal aus der Haftanstalt zugeschickt bekommen. Das INFO ist nichts anderes, als ein verlängerter Postweg oder so etwas.

Vors.:

Ich wollte Ihnen jetzt vorhalten draus ... Es ist so, Herr Zeuge, vielleicht, ich halte es Ihnen jetzt nicht mehr wörtlich vor, sondern zunächst mal dem Sinnzusammenhang nach, da Sie ja das Schreiben kennen. Aus dem Schreiben geht hervor, daß da auch Anweisungen etwa von nicht betroffenen Angeklagten über das Verhalten der Anwälte in anderen Verfahren gegeben wurden: „Ihr habt dort so und so euch zu verhalten.“ Wie würden Sie das vereinbaren mit Ihrer Meinung, daß da Angeklagte ...

RA Dr. Tem[ming]:

Ich beanstande diesen Vorhalt. Es geht nicht darum, es geht 1. nicht darum, welche Meinung Herr Ströbele hat zu irgendwelchen ihm vorgehaltenen Schlußfolgerungen von Ihnen. Sie sagen immer, es geht hervor. Es geht 2. schlichterdings darum, wenn Gefangene in einem Diskussionsprozeß auch mit Anwälten den Vorschlag machen oder wollen, daß sie eine Prozeßstrategie, gleich in welchem Verfahren, bestimmen wollen, dann heißt das noch lange nicht und das unterstellen Sie permanent, daß das auch gelaufen ist, sondern d.h., daß es Auseinandersetzungen, Diskussionen zwischen Gefangenen und Anwälten über die Art und Weise der Führung der Prozesse gibt. Und, Herr Prinzing, Sie wissen ganz genau, daß sich die Gefangenen ...

Vors.:

Ich habe Sie schon wiederholt gebeten, Herr Rechtsanwalt, daß Sie hier im Gericht möglichst die Funktionen anwenden. Ich sage zu Ihnen „Rechtsanwalt“. „Vorsitzender“ ist kein Titel, aber der Familienname liegt mir nicht sehr im Prozeß. Wir wollen die Distanz wahren in dieser Form, das tue ich ganz bewußt.

RA Dr. Tem[ming]:

Ja und ich durchbreche ganz bewußt die Distanz, weil ich mich auf das Rollenspiel nicht einlassen will und nicht einlassen [10820] muß.

Vors.:

Sie meinen also, Sie müßten mich hier unbedingt mit dem Familiennamen zitieren ...

RA Dr. Tem[ming]:

Ich finde nichts Unhöfliches dabei, wenn ich Sie mit dem Familiennamen nenne ...

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, daß ich aus gewissen Gründen Wert darauf lege, die Funktion, kein Titel ...

RA Dr. Tem[ming]:

Ja, aus gewissen Gründen. Ich lege aus gewissen Gründen Wert darauf, diese Funktion zu hinterfragen.

Vors.:

Jetzt fahren Sie aber bitte fort ...

RA Dr. Tem[ming]:

Jetzt haben Sie es natürlich wieder fertiggebracht, den Zusammenhang zu zerreißen. Es geht darum, daß Sie permanent unterstellen mit Ihren Vorhalten, daß die Gefangenen mit solchen und die Prozeßstrategie betreffenden Vorschlägen wünschen, es tatsächlich auch durchgesetzt hätten. Es geht weiterhin darum, daß Sie jetzt wieder mit Ihrem Vorhalt, daß einige Gefangenen auch über andere Verfahren bestimmen wollten. Daß Sie mit diesem Vorhalt wieder aus der Welt diskutieren, daß sich die Gefangenen aus der RAF als Gesamtheit verstehen und sämtliche Verfahren als einziges Verfahren verstehen gegen Sie. Und von daher aus weiß ich nicht, was Ihre Vorhalte sollen, außer in der Öffentlichkeit verbreiteten Funktion des INFO’s, die falsch ist, jetzt hier wieder propagandistisch im Hauptverfahren selbst mitzuwirken.

Oberstaatsanwalt Holland erscheint wieder um[nn] 11.15 Uhr im Sitzungssaal.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, ich hab auch noch was.

Vors.:

Bitte?

RA Dr. H[eldmann]:

Nach Ihnen.

Vors.:

Nein, nein, der Senat will beraten über die Beanstandung. Wenn Sie dazu noch beitragen wollen, müssen Sie sich jetzt äußern.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Temming hat den Vorhalt beanstandet und ich beanstande die Frage.

Vors.:

Welche?

RA Dr. H[eldmann]:

Ihre Frage war ...

Vors.:

Noch keine gestellt.

[10821] RA Dr. H[eldmann]:

... „wie würden Sie das vereinbaren mit Ihrer Meinung?“

Vors.:

Ja richtig, ja doch, Sie haben recht.

RA Dr. H[eldmann]:

Keine Zeugenfrage, eine[oo] Sachverständigenfrage[pp].

Vors.: (Nach geheimer Beratung)

Der Senat hat beschlossen:

Der Vorhalt und die Frage ist zulässig, es geht um die Abgrenzung dessen, was Gegenstand und Zweck des INFO’s gewesen ist.

Sie haben erklärt, es bleibe auch unter dem Gesichtspunkt der Verbreitung unter mehreren Mandanten dabei, daß der Mandant zu bestimmen habe, wie die Prozeßstrategie läuft.

Und ich wollte Ihnen vorhalten und tue das jetzt weiterhin, nachdem es zulässig ist, daß es hier in diesem Ihnen bekannten Schreiben heißt: „Ihr sollt in den Prozessen in Zweibrücken[46] (die drei) und Hamburg[47] (die zwei), die wahrscheinlich, die[qq] neue Konzeption ist, sowenig Öffentlichkeit wie möglich haben werden, nach der Erklärung rausgehen. Auch das wird erklärt. Im Prozeß seid ihr nur Puppen. Zu vermitteln ist darüber nichts. Wenn, sollst du kurz vor Ende des Prozesses nochmals eine kurze klare Erklärung drauf setzen. Anders ist es nur in Stuttgart, weil dieser Prozeß mit internationaler Öffentlichkeit rechnen kann“ usw. und so fort. Das war der Vorhalt. Daraus würde ich folgern und das ist die Frage an Sie, daß es also nicht nur darum ging, daß ein Mandant gegenüber seinem Anwalt bestimmen kann, was geschehen soll, sondern daß sich hier Leute, die mit den Prozessen gar nicht betroffen sind, etwa die Stuttgarter Angeklagten, dazu äußern, wie sich ein Anwalt bei der Verteidigung in Zweibrücken und Hamburg verhalten soll. Und wie kann das noch gerechtfertigt werden in diesen ...

Zeuge Str[öbele]:

Dazu gibt es dreierlei zu sagen. Zu diesem speziellen Fall, ganz allgemein ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich beanstande die Frage. Sie haben gefragt, wie ist das noch zu rechtfertigen ...?

Vors.:

Als Gegenstand des INFO’s.

RA Dr. H[eldmann]:

... ist ja nun sichtlich keine Zeugenfrage. Das ist eine Frage nach rechtsanwaltlicher Einschätzung und rechtsanwaltlicher Rechtsauffassung, aber sicher nicht eine Zeugenfrage.

Vors.:

Ich korrigiere die Frage einfach dahin, wie rechtfertigt sich das, [10822] was ich Ihnen vorgehalten habe, mit Ihrer bisherigen Aussage über den Zweck des INFO’s im Zusammenhang mit Ihrer Angabe, Hilfsmittel für Anwälte.

Zeuge Str[öbele]:

Ich kann Ihnen dazu 1. sagen, daß zu keinem Zeitpunkt irgendein Mandant, der an einem Verfahren nicht beteiligt war, an dem ich mitgewirkt hab, mein Prozeßverhalten oder das Prozeßverhalten anderer, soweit ich darüber informiert worden bin, bestimmt hat. Allerdings ist es so, daß ist eine ganz allgemeine Sache, daß ich mich mit sehr vielen Leuten über Prozeßstrategien, Taktiken und Beweisanträge und ähnliches, ob das richtig oder falsch ist, unterhalte[rr], auch mit ganz anderen Leuten, auch über ganz andere Verfahren, draußen außerhalb der Haftanstalt, innerhalb der Haftanstalt mit Kollegen und anderen. Und hier zu diesem ganz konkreten Fall, d.h. doch nicht und Sie werden natürlich und deshalb habe ich ja gesagt, es gab die unterschiedlichsten Auffassungen, was über das INFO laufen sollte. Und es geht ja hier gar nicht darum, was über das INFO laufen sollte, sondern es geht hier darum, wer die Prozeßstrategie bestimmt und wie die Prozeßstrategie bestimmt wird. Ich kann Ihnen sagen von ... 90 % von dem, was beispielsweise in diesem Schreiben steht, ist nie verwirklicht worden. Das sehen Sie einfach daran, daß Sie an bestimmten Prozessen, ich wirke z.B. in dem Prozeß, ich will Ihnen das nur zur Erläuterung sagen, in dem Prozeß in dem Stockholmer Verfahren in Düsseldorf[48] als Verteidiger mit. Da sind von der Bundesanwaltschaft offenbar paar Monnate vor, da war ich noch nicht Verteidiger, kann ich mich gut drüber äußern, Unterlagen aus den Zellen herausgeholt worden, in denen sich die Mandanten bestimmte Vorstellung über Prozeßstrategie gemacht haben. Z.B., da soll also drin stehen, mir ist das nachträglich mitgeteilt worden, soll drinstehen, daß der Prozeß nicht geführt wird. Ich kann nur sagen, ich bin seit dem 1. Tag der Hauptverhandlung, seit dem 10. Mai 1976 in diesem Verfahren und habe dem Gericht auch mehrfach erklärt, daß ich in diesem Verfahren bis zum Ende verteidige. Das heißt also, dieses Schreiben, das mag möglicherweise ein Gedanken von irgend einem gewesen sein, 1. daß man so verfahren könnte, sollte, sollte sogar. Aber 1. [10823] ist nicht so verfahren worden und 2. hat das überhaupt keine Verbindlichkeit und 3. hat es mit INFO überhaupt nichts zu tun, weil zur Disziplinierung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das INFO an Anwälte überhaupt nicht geschickt werden konnte und nicht geschickt worden ist, die mit dem INFO nichts zu tun haben wollten.

Vors.:

Also Sie bleiben bei Ihrer Darstellung, Hilfsmittel für die Anwälte. Die Vorhalte haben nicht dazu geführt, die ja dahin gingen[ss] ob es nicht nur ein Hilfsmittel sondern auch ein Disziplinierungsmittel gewesen wäre, bleiben Sie bei Ihrer Verneinung nur Hilfsmittel. Jetzt weitere Zwecke des INFO’s.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ich darf Ihnen auch da ein Brief von Müller, der befindet sich als Anlage 16 in Ihrem Ordner zu meinem Ausschlußverfahren. Da schreibt Müller am 28.6.19... ne, schreibe ich zu Müller am 28.6.1973, um mal zu beleuchten, wie ich damals, auch schon damals das INFO eingeschätzt habe. Müller als Mann der Tat hat begonnen, systematisch und sortiert Zeitungsausschnitte zu sammeln und zwar nach folgender Einteilung: 1. Recht-Allgemein BRD. 2. Verhältnisse und sonstiges, Imperialismus nach innen. 3. Internationale Revolution, Konterrevolution BRD Imperialismus. 4. Revolution, Linke militante Linke, Guerilla BRD. 5. Konterrevolution politisch, militärisch, polizeilich. Er hat FR,[tt] FAZ, Bild, Kölner Stadtanzeiger. Er meint, 1. und 2. sollten die anderen Zeitungen einschließlich Auslandspresse übernehmen. Er will noch eine Schweizer Zeitung übernehmen. Das ganze ist der erste Schritt zur INFO-Zentrale, wo ist das Schema aus Schwalmstadt dazu. Da sollte also ein Schema werden, was da übernimmt ...

Vors.:

Ja, dieses Schema wird noch Gegenstand eines Vorhalts dann sein.

Zeuge Str[öbele]:

Das zeigt also ganz eindeutig, um was es hier ging. Müller hatte da angefangen. Das INFO ist dann, die ersten Anfänge hat es, glaube ich, im Herbst 19...

Vors.:

Weitere Zwecke, weil Sie jetzt wieder zum tatsächlichen zurückkehren, was dann daraus geworden ist. Welche weiteren Zwecke waren damit verbunden, Sie haben jetzt drei genannt: Koordination unter den Angeklagten, die Vermittlung den Zusammenhang über andere Prozesse mit herzustellen und sich zu informieren drüber und, wenn ich es recht verstanden habe, 3. Hilfsmittel für Anwälte.

Zeuge Str[öbele]:

Ja und zu ...

Vors.:

Das kann sein, Punkt 2 war mir gerade nicht mehr geläufig, um was hat es sich ...

[10824] RA Dr. H[eldmann]:

Punkt 2, darf ich Sie erinnern, Beschäftigung der Gefangenen mit verschiedenen Themen, um Wissen zu akkumulieren.

Vors.:

Ja, ja, dankeschön.

Zeuge Str[öbele]:

Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Vors.:

Das war also die, die Sie bisher nannten. Sonstige Zwecke, die Sie für das INFO noch ...

Zeuge Str[öbele]:

Im Augenblick fällt mir sonstiger Zweck nicht ein, nein.

Vors.:

Nicht mehr ein. Dann möchte ich Ihnen noch ein paar, es sind ja aus der Fülle des Materials, von dem Sie selber gesagt haben, es würde Tage in Anspruch nehmen können, nur einige Punkte, die eben zur Vertiefung dessen führen und vielleicht auch dazu führen ...

Zeuge Str[öbele]:

Sie müssen immer unterscheiden, das habe ich auch in allen meinen bisherigen Äußerungen zum INFO gesagt, einmal, was geplant war, 2. was die unterschiedlichen Vorstellungen waren und 3. was tatsächlich gemacht worden ist. Das müssen Sie auseinanderhalten, wobei ich Ihnen zu dem 3. Thema, was tatsächlich übers INFO gelaufen ist, nicht sehr viel Auskunft geben kann, weil ich das INFO seit Anfang 74 nicht mehr bekommen habe.

Vors.:

Ist Ihnen bekannt, daß das INFO verteilt wurde oder verteilt werden sollte nach dem Willen einzelner Beteiligter nach einem Zahlenschlüssel und unter Decknamen?

Zeuge Str[öbele]:

Also mir ist bekannt, das war nicht unter Zahlenschlüssel und Deckname, sondern das war, weil wir, wie aus meinen Schreiben sich, aus allen Schreiben ergibt, immer davon ausging, daß die Ermittlungsbehörden unsere Post mitlesen, das habe ich, glaube ich, in fünf oder sechs Schreiben angesprochen, da haben wir gesagt, wir sollten doch vielleicht uns auf Namen oder Zahlen verständigen, damit nicht jeder immer gleich weiß, wer da gemeint ist. Wer also nun welche Äußerung zu was gemacht hat. Darum ging das mal. Da ist mir bekannt, daß da ein solches Schreiben mal existiert hat.

Vors.:

Wer hat die Decknamen und die Zahlen festgelegt?

Zeuge Str[öbele]:

Das weiß ich wirklich nicht. Kann ich nicht sagen.

Vors.:

Wir haben da eine Urkunde verwertet, die aus der Hand von Frau Ensslin stammen soll und diese Einteilung, die darin zu ersehen war, taucht später in einem Rechtsanwaltschreiben wieder auf als verbindliche Nummerierung. Ihnen wird das Schreiben wohl geläufig sein.

[10825] Zeuge Str[öbele]:

Also ich kann nur sagen, daß eine verbindliche Nummerierung erstens von mir überhaupt nie gemacht worden ist und auch nie angewandt worden ist und auch nie akzeptiert worden. Ich habe davon nur Kenntnis erlangt, wobei ich nicht mal weiß, ob ich das damals oder ob ich das im Nachhinein gehört habe. Ich weiß es aber nicht[uu], ob jemand eine Nummerierung gewollt hat, also vorgeschlagen hat, das weiß ich, daß das geschehen ist. Aber wer das und wie das gelaufen ist, ich weiß nur, daß es nicht angewandt worden ist, jedenfalls von mir nicht und nicht mit meiner Kenntnis.

Richter Dr. Fo[th]:

Herr Rechtsanwalt Ströbele, Sie haben gerade vorgelesen, dieses Schreiben, das Herrn Müller gerichtet haben soll an Sie. Er meint; „1. oder 2. sollten die anderen Zeitungen“, also da taucht ja eine solche Zahl offensichtlich auf, oder was ist das sonst? 1 oder 2 müßten ja wohl Personen sein, die Zeitung lesen sollen.

Zeuge Str[öbele]:

Ich hab jetzt nicht das ganze Schreiben hier ...

Richter Dr. Fo[th]:

Das haben Sie doch gerade vorgelesen.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, das ist aber nur ein Auszug, den ich aus meiner ...

Richter Dr. Fo[th]:

Aber 1. oder 2. mein ich, das ist die Stelle, die Sie vorgelesen haben mit.

Zeuge Str[öbele]:

Das muß sich auf irgendeine Aufzählung von mir mal beziehen. Auf irgendeine Aufzählung, wer an was mitarbeitet.

Vors.:

Jedenfalls scheint das ein Anwendungsfall des Ihnen eben vorgehaltenen Zahlenschlüssels.

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

Vors.:

Könnte es nicht sein?

Zeuge Str[öbele]:

Nein. 1 oder 2, das sollten die anderen Zeitungen übernehmen. Das könnten ja allenfalls zwei Personen gewesen sein und die sollen alle anderen Zeitungen übernehmen. Das ist Quatsch. Also das schließe ich jetzt aus dem Inhalt ganz sicher ...

Vors.:

Sie meinen, 1 oder 2 sollten ...

Zeuge Str[öbele]:

1 oder 2 ...

Vors.:

Einfach eine Zahlenbezeichnung ...

Zeuge Str[öbele]:

1 oder 2 sollten beteiligt sein. Das ist also mit Sicherheit keine Nummerierung.

Ende von Band 626

[10826] Vors.:

Es ist hier in der Anklage aufgeführt, daraus halte ich Ihnen vor, aus Baader-Material 7/2.1 beziehungsweise Meinhof-Material 17/5 beinhaltet im Ordner 123 Bl. 23 beziehungsweise 274. In einem Schreiben, das hier verteilt in Zellen gefunden worden ist, wird angegeben: „4. ist nun vollends klar, daß alles zu II an alle Gefangenen geht, daß bestimmte Sachen zu I nur an RAF und SPK,[49] daß bei bestimmten Themen aber auch da noch mal unterschieden werden muß, je nach Absicht, also Notwendigkeit/Kanal. Ohne diese Systematisierung, Orientierung, Kanalisation kommt sonst früher oder später Scheiße zustande und dann ’ne Sekte raus.“

Diesen Text möchte ich Ihnen vorhalten zunächst mal. Ich weiß nicht, ob Sie ihn inhaltlich kennen.

Zeuge Str[öbele]:

Ich kenne ihn inhaltlich, aber ich weiß nicht, ob ich ihn ... ich glaube, nicht, daß ich ihn von damals kenne, sondern der ist ja nun in vielen vielen Anträgen und Verfahren ...

Vors.:

Er ist auch in der Anklage enthalten ... nun Herr Zeuge ...

Zeuge Str[öbele]:

... aber ich ... von so einer Einteilung war weder bei der Planung, noch sonst in irgendeinem Zusammenhang, solange ich daran mitgearbeitet habe, die Rede.

Vors.:

Aber wenn es in der Praxis so gehandhabt worden wäre, dann würde doch allein diese Einteilung so verstanden werden können, daß es um keine breite Information für einen feststehenden Kreis gegangen ist, sondern daß es je ... ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll ... das heißt, bei bestimmten Themen nochmals unterscheiden, selbst zwischen der höchsten Stufe, nämlich I, die nur für RAF und SPK bestimmt ist, das heißt, das wäre doch eine Einteilung, man muß es beinah so verstehen, wie wenn es nach der Brisanz der Sache ging, wer davon erfahren dürfe. Ist das richtig so verstanden?

Zeuge Str[öbele]:

Ich kann Ihnen das nicht sagen ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich beanstande die Frage, Herr Vorsitzender. Sie können den Zeugen nicht danach fragen, wie etwas möglicherweise zu verstehen sein könnte, sondern Sie haben den Zeugen nach Tatsachen, die in seinem Wissen stehen, zu fragen, nicht nach irgendwelchen Meinungen.

Vors.:

Es ist richtig, da stimme ich Ihnen bei, bloß frage ich ihn, ob der den Text kennt, der Herr Zeuge, und ob er zu diesem Text nach seinem Wissen eine Erklärung geben kann und in wieweit das übereinstimmt mit seiner Darstellung, daß dieses INFO gedient [10827] habe, um einem Kreis von 20 Leuten Informationen ...

Zeuge Str[öbele]:

Es waren mehr, es waren ja alleine ungefähr 20 Anwälte.

Vors.:

... gut, also dann ist der Kreis größer gewesen - eine gleichbleibende Informationsmöglichkeit zu geben. Wenn man das hier liest, müßte man davon ausgehen. Keineswegs, sondern da ist sehr unterteilt worden. Können Sie aus eigener ...

Zeuge Str[öbele]:

Also ich kenne das ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beanstande die Frage. Sie können in diesem Zusammenhang den Zeugen nicht fragen, ob er das INFO kennt, wie Sie es eben getan haben, sondern die Frage kann ja nur erheblich[vv] sein, wo Sie formulieren, ob er seinerzeit dieses INFO kannte, denn nach seiner Mitwirkung oder von seinem Wissen vom INFO aus der damaligen Zeit befragen Sie ihn doch nicht aus dem, was er zwischenzeitlich aus Akten der Staatsanwaltschaft geschöpft hat.

Vors.:

Ich darf davon ausgehen, der Herr Zeuge ist Rechtsanwalt. Er wird sich selbst darüber ein Bild machen können, daß die Fragen dahin gehen grundsätzlich, ob er aus damaliger Sicht Kenntnis hatte und ob er aus damaligem Wissen etwas dazu sagen kann und daß er auch heute beurteilen und vergleichen kann, ob das, was ihm hier bekanntgegeben wird, sich deckt, mit dem, was er bisher angegeben hat. Das sind die drei Punkte, die damit verknüpft werden. Wollen Sie die Beanstandung in dieser Form aufrechterhalten, wenn ich so formuliere? Nein.

Zeuge Str[öbele]:

Also mir ist aus der damaligen Zeit bekannt, daß es Diskussionen gegeben hat, an denen ich nicht beteiligt war, wer das INFO bekommen soll oder wer das INFO bekommen kann, vor allen Dingen 74 muß das wohl gelaufen sein, und über die Einteilung und nach welchen Kriterien das im einzelnen vorgenommen worden ist, kann ich Ihnen nichts sagen. Zu diesem Schreiben konkret kann ich Ihnen nicht mal sagen, ob ich das damals gekannt habe. Ich habe Ihnen ja vorhin gesagt, ich weiß nicht, das ist vielleicht überhört worden, daß ich ab ... ich kann es jetzt nicht mehr genau datieren, aber ich glaube, Anfang 74 das INFO selber nicht bekommen habe, insofern, viele Sachen, die mir in den späteren Verfahren vorgehalten worden sind, wie zum Beispiel dieser berühmte Meßwandler-Elektronenzünder, oder wie das Ding heißt, was also in allen Verfahren gegen mich eine entscheidende Rolle gespielt hat, das habe ich mit hundertprozentiger Sicherheit vorher, bevor das mir mit den Akten dann zur Verfügung gestellt [10828] worden ist und bevor ich das bekommen habe, als es als Vorwurf auftauchte, habe ich das nie gekannt und ich hätte es auch, wenn ich es irgendwo bekommen hätte, schnell in meine Akte abgeheftet und sonst nichts damit gemacht. Und so geht es mit einer ganzen Reihe von Unterlagen, wobei ich das jetzt nicht mehr genau auseinanderhalten kann, da müßte ich das Schreiben selber zur Hand haben und die Datierung sehen und müßte gucken, ob ich das irgendwo bei mir habe, weil das ja sehr viel war.

Vors.:

Die nächsten Vorhalte dienen nur dazu, Sie zur Überprüfung Ihrer Aussage hinsichtlich des beabsichtigten und dann möglicherweise auch tatsächlich verwirklichten Inhalts des INFOS zu veranlassen. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß in einem ... diesem Schreiben Baader-Material 16/1.1, es kommt nicht darauf an, ob Sie es jetzt im einzelnen damals gekannt oder erfahren haben, sondern nur als Überprüfungsmaterial jetzt verwerten können, Ordner 123 Bl. 27/1 da heißt es: „Strategie und Taktik der Guerilla hier zu entwicklen“ - bezogen auf das Gefängnis - „ist unser Job“. Dann heißt es in einem weiteren Rundschreiben, das ist das Asservat H 4/74 III 5/2.65.14, das hier eingeführt worden ist durch Verlesung Ordner 124 Bl. 520, da heißt es von einem, der das INFO bezogen hat: „Ich bin mit Mititärstrategie/ND, (was alle machen werden)“, - ND eine Abkürzung, möglicherweise für Nachrichtendienst - „so gut wie fertig, mache jetzt die ganze Technokratiekiste, was sicher ein halbes Jahr dauert plus internationale Beziehungen[ww] immer mit Blick auf Mititärstrategie ...“. Wir haben hier ... das sind auch weitgehend Zitate aus Urkunden, die im Zusammenhang mit dem Ausschlußverfahren bei Ihnen eine gewisse Rolle gespielt haben, ein Asservat eingeführt H 4 74/II 5.2 21.1, Abbildung Ordner 123 Bl. 554, da wird davon geredet: „Jetzt arbeiten vier (soviel ich weiß) Gefangene, weil das mit Job Lernprozeß Imperialismusanalyse zusammenhängt, an Konzernanalyse“ - haben Sie erwähnt - „Unternehmensorganisation, Unternehmerverbände, Finanzkapital, zwei:“ - also zwei Gefangene - „EDV, sechs Nachrichtendienst, (Struktur, Funktion, Methode, Konzept), sechs reguläre-irreguläre Kriegsführung (Guerilla etc.) gehört dazu die psychologische Kampfführung, die uns schließlich geschnappt hat, und die ganzen Counter-Strategien, die jetzt aus der amerikanischen Wehrforschung (73 % für Spezialwarefare[xx] Counter-Guerilla) übernommen werden, vier Bullen, BGS Organisation.“ Dann ...

RA Dr. He[ldmann]:

Darf ich noch fragen, Herr Vorsitzender, wohin zielen [10829] Sie mit dem Vorhalt, den Sie soeben gemacht haben, indem Sie Inhalte des INFO’s des Schulungsprogrammteils[yy] aufgegliedert und vorgelesen haben und ...

Vors.:

Ich zitiere, Herr Rechtsanwalt, ich kann es Ihnen jetzt schon beantworten nur dazu, den Herrn Zeugen, wie ich schon sagte, zur Überprüfung dessen, was er angegeben hat, über Zweck und Inhalt des INFO’s zu veranlassen. Deswegen stelle ich ihm aus hier eingeführten Prozeßunterlagen und aus Unterlagen der Akten einige Beispiele heraus, die ihm die[zz] Gelegenheit dieser Überprüfung geben sollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ist zufällig ...

Zeuge Strö[bele]:

Ja, vielleicht kann man mal nacheinander machen, Sie lesen immer relativ viel vor und ich habe schon wieder vergessen, was Sie als erstes vorgelesen haben, also vielleicht, daß Sie jeweils mir danach sofort die Möglichkeit zur Äußerung geben, wenn Sie ...

Vors.:

Gerne, ich kann es Ihnen wiederholen. Es war also das erste, Strategie und Taktik der Guerilla entwickeln. Das zweite, da ging es wohl um die Militärstrategie, daß man an der jetzt ein halbes Jahr gearbeitet hätte, jetzt käme die Technokratiekiste, man müsse sich dann wieder damit befassen, aber immer im Hinblick auf Militärstrategie, und das dritte war nun auch die Einteilung, zwei arbeiten an dem, zwei an dem und sechs unter anderem an regulärer und irregulärer Kriegsführung (Guerilla etc.). Das ist also der Hinweis, daß sich das INFO möglicherweise, das ist ja das, was wir erfragen wollen, doch sehr eingehend auch seinem Zweck nach mit solchen Fragen hat befassen wollen. Wissen Sie dazu was?

Zeuge Str[öbele]:

Also die einzelnen Zitate dazu ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich beanstande, ich beanstande auch diesen Vorhalt. Ich möchte es jetzt wirklich mal etwas begründen. Herr Ströbele hat ausgeführt, einer der Zwecke sei Schulung gewesen, des INFO’s, einer der Zwecke sei gewesen Prozeßstrategie. All das, was Sie hier vorgetragen haben, was inhaltlich darin steht oder stehen soll, all das ist inhaltlich und vom Zweck her Schulung oder Prozeßstrategie. Ich will Ihnen sagen, daß ich mich für einen bestimmten Antrag, den ich mal gestellt hab, ein halbes Jahr lang mit Strategie und Taktik der Guerilla, mit Militärstrategie, mit Counter-Guerilla, mit psychologischer Kriegsführung, mit Völkerrecht, mit der Entwicklung ... der neuesten Entwicklung des Völker- [10830] rechts, mit Konzernanalyse, mit Imperealismusanalyse beschäftigt habe, um diesen Antrag, das war ein Prozeßantrag, stellen zu können. Der einzige Zweck meiner Beschäftigung damit war, weil ich es für richtig hielt, das zu prüfen und das auszuarbeiten, das zu tun. Genau dieser Zweck, und mehr sehe ich in dem nicht, was Sie vorlesen, es sei denn, Sie ziehen bereits wiederum eine Schlußfolgerung daraus, daß das anders gemeint ist, als es da steht. Dann müßten Sie allerdings nicht mehr das vorhalten, was Sie da vorgehalten haben, denn das passt genau zu dem, was Herr Ströbele schon mehrfach ausgeführt hat, sondern Sie müßten irgendwelche Schlußfolgerungen von Ihnen vorhalten und das ist unzulässig.

Vors.:

Es ist schwer zu verstehen, was Sie[aaa] jetzt als Unzulässigkeit an meinem Vorhalt bezeichnen würden, ich meine, die Tatsache, daß Sie sich selbst mit solchen Dingen befasst haben, die ich dem Herrn Zeugen gerade vorhielt durch[bbb] diese Zitate, daß das möglicherweise auch Gegenstand des INFO’s gewesen ist, macht doch den Vorhalt nicht unzulässig.

RA Dr. Te[mming]:

Aber Herr Vorsitzender, ein Vorhalt ist doch nur dann zulässig, wenn das, was Sie vorhalten, geeignet ist, die Zwecke, die Herr Ströbele bereits mehrfach genannt hat und in sein Wissen gestellt hat, diese Zwecke in Frage zu stellen und genau die Tatsachen oder das, was Sie hier vorhalten, ist nicht geeignet, und deswegen ist es so, daß Sie im Grunde genommen immer wieder und immer wieder mit diesem Vortrag irgend etwas anderes verknüpfen, was Sie entweder nicht offenlegen oder nicht offenlegen können.

Vors. (nach geheimer Beratung):

Der Senat hat beschlossen: ...

RA Dr. Te[mming]:

Der hat schon beschlossen, bevor ich überhaupt fertig war. Ich frage mich wirklich, was das für ein Verfahren ist.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Der Vorhalt ist zuläsig und die daran[ccc] angeknüpfte Frage, ob der Herr Zeuge hierzu aus eigenem Wissen etwas sagen könne, ob nämlich diese Zitate seine bisherige Darstellung des Inhalts und Zwecks des INFO in irgendeiner Weise verändern könnten.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, zu dem ersten, was Sie vorgelesen haben, mir ist dieser Zweck des INFO, dieser „Zweck“ angebliche [10831] Zweck, wenn das so gemeint ist, nicht bekannt. Wenn das so gemeint ist, daß im Gefängnis Guerillagruppen aufgestellt werden sollen oder so ähnlich, ich habe das jetzt nicht mehr in Erinnerung, das ist mit Sicherheit weder diskutiert worden, noch weiß ich da was von, noch war das Inhalt des mir bekannten INFO’s. Hinsichtlich der anderen Punkte, die Sie da verlesen haben, da habe ich mich bemüht, das bereits darzustellen. In der Tat wurde von einer ganzen Reihe von Gefangenen zu den Themen, und zwar zu allen, die Sie da vorgelesen haben, gearbeitet und zwar hier wirklich ganz konkret, um einen Prozeß vorzubereiten. Es mag vielleicht ... es ist nun ein außergewöhnliches Verfahren, nicht nur das hier, sondern überhaupt die Verfahren, aber Sie wissen ja selber, daß hier in dem Verfahren, das habe ich aus der Zeitung entnommen, hier auch gerade die Frage der Rolle der Geheimdienste, CIA beispielsweise, glaube ich, sogar in Gestalt von Beweisanträgen eine ganz erhebliche Rolle gespielt haben und daß dazu Vorarbeiten über die Arbeitsweise des CIA, da gibt es ja eine ganze Reihe Literatur heutzutage, gemacht worden sind und beschafft worden sind und auch bearbeitet worden sind, auch irgendwelche Ergebnisse also Analysen, die dann wieder verworfen worden sind ... das ist doch nicht richtig, das widerspricht doch dem ...

Vors.:

Herr Zeuge, klar, aber die Frage richtet sich im Zusammenhang mit der Guerillataktik und Strategie, das ist das, was gemeint war und dazu sollten Sie sich erklären. Sie haben es getan inzwischen ...

Zeuge Str[öbele]:

Ja, auch dazu haben ja die Gefangenen, man mag nun zu[ddd] den einzelnen Prozeßerklärungen, die die Gefangenen in den verschiedensten Verfahren abgegeben haben, mag man unterschiedlicher Meinung sein, aber daß in diesen Prozeß-Erklärungen zu diesen Fragen Stellung genommen worden ist und da bestimmte Schlußfolgerunen auch daraus gezogen worden sind, meiner Ansicht nach sogar auch juristisch relevante Schlußfolgerungen gezogen worden sind, das ist doch ein Faktum und diese Meinung, diese ... für solche Erklärung die ist erarbeitet worden, das ist richtig. Da ist auch natürlich sehr intensiv ... die haben sich mit nichts so intensiv beschäftigt, wie mit der Frage von Guerilla in der Welt überhaupt und Stadtguerilla in der Welt überhaupt und vor allen Dingen Stadtguerilla in Mitteleuropa, das ist ganz klar. Auch in Zeitungsausschnitten in allen, was sie sich besorgt haben, das war ja der Tatvorwurf ...

[10832] Vors.:

Ein letzter Vorhalt in dem Zusammenhang, dann wollen wir den nächsten Fragenkomplex anschneiden. In dem Ausschlußantrag gegen Sie ist zitiert ein Aufruf, so wird er hier bezeichnet, vom 21. Oktober 74, das war die Anlage 73, und dort heißt es: „An die Koms“ - man darf wohl annehmen Abkürzung für Komitees - „nehmt Urlaub, macht blau, wir brauchen jede Stunde. Der tägliche Fahrplan: 1. täglich militante Aktionen gegen Einrichtungen des Staates, der Konzerne (Industrie, Handel, Banken) und der[eee] US-Besatzer. Für Freiheit für alle gefangenen Revolutionäre! Schluß mit der Isolationsfolter, weg mit allen Sondermaßnahmen in Gefängnissen, es lebe die RAF! Und wenn ein Wort mehr, dann was gerade aktuell ist, wie jetzt: ‚die Berliner Justiz will die hungerstreikenden Gefangenen ermorden‘ und es ist immer aktuell, der Mord, und so kann die Zahl der Aktionen nicht groß genug sein, und sie können nicht militant genug sein, solange nicht alle Gefangenen befreit sind.“ Das Zitat kennen Sie ...

Zeuge Str[öbele]:

Da kann ich dasselbe sagen wie zu dem Elektronikmeßwandler ...

Vors.:

Darf ich noch abschließend sagen ...

Zeuge Str[öbele]:

... dieses Schreiben ist mir weder bekannt gewesen damals, noch hat das irgend etwas mit dem INFO zu tun, das ich kenne. Wobei ich mehr dazu nicht sagen kann. Ich weiß weder, bei wem es gefunden worden ist, das könnte ich nachsehen, das ergibt sich wohl aus irgendwelchem Durchsuchungsprotokoll. Ob es überhaupt bei jemand gefunden worden ist, wie es dahin gekommen ist, das kann ich Ihnen alles nicht sagen.

Vors.:

Also das schließt ...

Zeuge Str[öbele]:

Das hat jedenfalls mit dem INFO, wie ich es verstehe, wie ich es kenne, nichts zu tun.

Vors.:

Also das ist die Einschränkung: „Soweit sie es kennen.“

Zeuge Str[öbele]:

Ja. Soweit ich es verstehe und soweit ich es kenne, soweit ich an der ... an den Überlegungen vorher und während des INFO’s überhaupt beteiligt gewesen bin.

Vors.:

Kann man diese Antwort dahin verstehen, ein solcher Aufruf zu täglich militanten Aktionen, das schließt auch nochmals das weitere Zitat ab mit: „Alles habe nur einen Sinn, wenn täglich militante Aktionen zur Eroberung der Gewalt, zum Ausdruck bringen ...“ und so weiter und so fort ... daß das ...

Zeuge Str[öbele]:

Wenn ich das gekannt hätte, kann ich nur sagen, wäre das oder mit Sicherheit entweder sofort verbrannt worden, oder[fff] ich hätte [10833] versucht rauszukriegen, wo das her kommt oder hätte mich also jedenfalls fürchterlich darüber aufgeregt und hätte gesagt, mit dem INFO hat das nichts zu tun. Ich habe solche ...

Vors.:

Also zum Beispiel solche verbreitete Schreiben, wenn sie verbreitet worden sein sollten, drücken wir es so aus, die würden nicht zu dem Bild des INFO’s passen, wie Sie es vor Augen haben.

Zeuge Str[öbele]:

Genau.

Vors.:

Nächster Punkt soll sein ... Sie sollen entgegen der Darstellung ...

Zeuge Str[öbele]:

Nichts mit dem INFO zu tun haben, an dem ich mitgearbeitet hab, an dem ich in Planungen und Überlegung überhaupt beteiligt gewesen bin.

Vors.:

Nächster Punkt: Sie sollen nach dem Beweisantrag ... wir wollen vielleicht die kürzeren Punkte jetzt vorwegnehmen, dann nacher noch eine Pause einlegen, sich äußern können, daß Sie entgegen den Angaben des Zeugen Müller zu keinem Zeitpunkt ein Sprengstoffrezept besorgt oder weitergegeben hätten.

Zeuge Str[öbele]:

Tja, dazu kann ich sagen, daß ich zu keinem Zeitpunkt irgend etwas Ähnliches getan habe, weitergegeben habe oder so was. Wie der Zeuge Müller darauf kommt, dazu kann ich nur spekulieren.

Vors.:

Ich möchte also jetzt nicht eine präzise Auslegung geben, aber es könnte so sein, daß Herr Müller die Aussage so gemeint hat, Sie seien in Berlin gewesen, das ganze soll gelaufen sein über Mahler[50]/Mohnhaupt[51] und Sie hätten dort Zugang gehabt, und daß er deswegen Ihren Namen erwähnte. Sagt Ihnen das irgend etwas?

Zeuge Str[öbele]:

Das sagt mir auch überhaupt nichts. Mir sagt allerdings folgendes was, das will ich Ihnen mal dazufügen, insofern ist Herr Müller da meiner Ansicht nach schlecht vorbereitet. Es ergibt sich aus den Akten, aus den Akten, die Sie hier auch stehen haben, ich kann Ihnen auch den Ordner nennen, aus den Akten, daß bereits im Dezember 1970 die RAF Zugang hatte zu den seinerzeit angefallenen Ermittlungsakten. Und zwar Zugang nicht etwa, wie das immer in der Öffentlichkeit verbreitet wird, über einen Rechtsanwalt, sondern Ruhland hat gesagt, Zugang gehabt hat über das Amtsgericht Tiergarten in Berlin, die, so hat Ruhland das ausgedrückt, die Spitze der RAF, oder irgendwelche Leute aus der RAF, hätten da über gute Kontakte verfügt. Und daß das nicht nur eine bloße Spekulation von Ruhland ist, der ja im Januar 1971 festgenommen worden ist, sondern daß das auch faktisch so war, das können Sie aus dem Sonderordner Kassel entnehmen. Also das ist [10834] in sich Blödsinn, das, was er da erzählt, schon jetzt unabhängig davon, daß es nicht stimmt.

Vors.:

Ein weiterer Punkt soll sein ...

Zeuge Str[öbele]:

Das muß ich noch hinzufügen, in diesen Akten, das wissen Sie ja wahrscheinlich auch, befinden sich die Akten aus der Durchsuchung in der Knesebeckstraße und ich weiß aus meiner Tätigkeit als Verteidiger und aus Kenntnis der Akten, daß sich in diesen Akten aus der Knesebeckstraße, Band 3 ist das glaube ich, sehr umfangreiche Aufzeichnungen finden über den dort gefundenen Sprengstoff, über ... Aufzeichnungen über Sprengstoff und ähnliches, und zwar ist das, glaube ich, ein ganzer Ordner voll oder ein halber.

Vors.:

Nächster Punkt. Sie sollen bei der ... - nach der Aussage Müller - beim ersten Besuch sich ihm gegenüber durch die Nennung von Decknamen ausgewiesen haben. Was können Sie dazu sagen?

Zeuge Str[öbele]:

Das erste Gespräch, soweit ich das erinnere, hat so begonnen: Ich betrat die Zelle nach, glaube ich, halbtägigen Schwierigkeiten, die Sicherungsgruppe hat zunächst erstmal alles versucht, zu verhindern, daß ich ihn besuche. Ich bin übrigens zu ihm gekommen aufgrund eines Briefes von ihm und eines Briefes seines Vaters, die mich etwa gleichzeitig erreichten. Dann bin ich in die Haftanstalt, in Bonn war das seinerzeit, gegangen, habe da einen halben Tag davor gestanden und versucht, reinzukommen und habe ihn dann in der Sprechzelle zu sehen bekommen, zum ersten Mal in meinem Leben, und habe mich vorgestellt: „Ich bin der Herr Ströbele, Du kennst mich wahrscheinlich“, so ungefähr sinngemäß, „Du kennst mich wahrscheinlich aus Zeitungen“ und dann sagte er: „Jaja, ist schon gut.“ Also irgendwelche Namensnennungen haben da nicht stattgefunden, waren auch blödsinnig, waren auch überflüssig.

Vors.:

Also das trifft auch nicht zu. Gestatten Sie, daß ich nochmals zu dem einen Punkt nur aus Ihrem eigenen Ausschlußbeschluß Ihnen vorhalte, was damals anhand der Anlagen mit unter das INFO-System gezählt ist, denn es dient einfach zur Überprüfung dessen, ob das zutrifft, was Sie hier als Bild entwickeln vom INFO.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beanstande das. Es kommt überhaupt nicht darauf an, was der Senat, der hier ausgeschlossen hat, seinerzeit in Urkunden zusammengestellt hat ...

Vors.:

Der Senat hat nicht ausgeschlossen, jedenfalls „der“ Senat, wenn Sie den meinen.[52]

[10835] RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, sagte ich, derjenige, der ausgeschlossen ...

Vors.:

Derjenige, Entschuldigung.

RA Dr. He[ldmann]:

Soweit habe ich es[ggg] auch noch in Erinnerung. Sondern es kommt darauf an, ob dem Zeugen bestimmte Urkunden bekannt sind. Und ob diese Urkunden zu einer Vertiefung seiner Aussage führen können, dann, wenn man sie ihm vorhält. Aber es ist unzulässig schlechthin, dem Zeugen aus einem Senatsbeschluß über seine Ausschließung als Verteidiger in einer Strafsache zu zitieren.

Vors.:

Das ist Bestandteil der Akten und es geht genau um das, was Sie als richtigen Zweck eines solchen Vorhalts bezeichnen, dem Herrn Zeugen das vorzuhalten, ob ihm solche Urkunden bekannt sind und ihn anhand dessen vielleicht zur Überprüfung seiner Aussage zu bringen. Etwas anderes ist nicht bezweckt.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe beanstandet. Ich bleibe bei dieser Beanstandung.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Beschluß:

Der Vorhalt ist zulässig.

Er stammt aus dem Beschluß des ersten Strafsenates vom 13. Mai 1975, Bl. 10. Hier heißt es folgendermaßen: „Das nunmehr im Rahmen des INFO-Systems zur Verteilung gekommene Informationsmaterial enthielt außer programmatischen Beiträgen von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung Berichte über den Stand verschiedener Prozeße, insbesondere Auszüge, Ablichtungen oder Zusammenfassungen von Artikeln aus Militär- und Polizeifachschriften, Fachzeitschriften, die von Mitgliedern [hhh] der Vereinigung aus denen diesen zuvor zugewiesenen Arbeitsgebieten ausgewählt und für das INFO bestimmt worden waren. Darunter befanden sich zum Beispiel neben Artikeln über Flammenwerfer, automatische Gewehre und neue Pistolen (Anlage 43) über den Spähpanzer XIII 800 (Anlage 44), über militärische Befehlsysteme (Anlage 45), Kriegführung in der Stadt (Anlage 46), Sprerrenbau mit technischem Gerät (Anlage 49), Funküberwachung und Funaufklärung (Anlage 55), über Minispione (Anlage 56), den Aufbau des Grenzschutzes und der Länderpolizei (Anlagen 60, 61, 63), über Alarmanlagen und Werkschutz (Anlage 63), auch die von einem Mitglied der kriminellen Vereinigung gefertigte Zusammenstellung der Verwendungsmöglichkeit von Meßwandlern und Relais bei der elektrischen Zündung von Sprengladungen.“

Wenn Sie das jetzt nochmals zu dem vorvergangenen Punkt hören, bleiben Sie bei Ihrer bisherigen Aussage, daß das INFO nur den [10836] von Ihnen dargestellten Zweck gehabt haben sollte ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande die Frage. Die Frage impliziert Ihre Behauptung, der Zeuge hätte vorhin etwas ausgesagt, was zu dem, zu dieser Inhaltsangabe im Widerspruch stand. Der Zeuge hat ausgesagt, Beschäftigung mit verschiedenen Themen im Gefängnis, um Wissen zu akkumulieren. Da haben Sie allerdings es nicht für interessant gehalten, den Zeugen nach diesen verschiedenen Wissensgebieten zu befragen, offenbar damit, daß Sie[iii] nun fortwährend aus Anschuldigungen, Ausschließungsschriften und anderem dem Zeugen vorhalten können, wobei [jjj] es Ihnen, so habe ich den Eindruck, wesentlich darauf ankommt, die Vokabel Anschuldigungs- oder Ausschließungsschrift hier noch einmal durch den Saal segeln zu lassen.

Vors.:

Ich bitte, daß ...

RA Dr. He[ldmann]:

Kein Widerspruch ...

Vors.:

... Sie derartige Unterstellungen unterlassen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, solche Eindrücke interessieren im Zusammenhang mit der Beanstandung ohnedies nicht. Es ging um die ganz nüchterne Aufzählung bestimmter Urkunden ... Frage, ob der Herr Zeuge sie kennt und ob ihm das zu einer Überprüfung seiner Antwort verlaßt ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich beanstande das auch und möchte das auch noch eigenständig begründen. Die Tatsache, daß ein anderer Senat diese Beschäftigung mit diesen Gegenständen als unzulässig angesehen hat, diese Tatsache ist schon für meine Begriffe kennzeichnend für das, was hier abläuft, und Sie haben das so eingeführt, Sie haben das nicht als Tatsache eingeführt, sondern als unzulässige Beschäftigung. Und wenn man sich vor Augen führt, und das hat der Zeuge die ganze Zeit schon gesagt, wenn man sich vor Augen führt, daß das aus Zeitschriften zusammengestellt worden ist, die jedermann zugänglich sind, die über die gerichtliche Kontrolle in die Gefängnisse gelangt ist, dann kann die Zusammenstellung dessen nicht verboten sein und der Zweck dessen, das hat Herr Ströbele hier gesagt, ist Wissensakkumulierung und es kann niemand verboten sein, sich mit diesen Gegenständen zu beschäftigen. Deswegen ist Ihre Frage überhaupt nur als Vorhalt sinnvoll, wenn Sie unterstellen, das, was es überhaupt erst zu beweisen gilt, daß das zu einem ganz anderen Zweck als der Wissensakkumulierung gesammtelt worden sei.

[10837] Vors. (nach geheimer Beratung):

Senatsbeschluß:

Der Vorhalt ist zulässig.

Es geht nicht um irgendwelche Feststellungen, daß die Beschäftigung damit unzulässig gewesen sei. Hier geht es nur um die Feststellung, was Gegenstand des Informationsmaterials innerhalb des sogeannten „INFO’s“ gewesen ist. Dazu diente der Vorhalt ausschließlich.

Zeuge Str[öbele]:

Also zu dem letzten Schreiben habe ich ja vorhin schon Stellung genommen, das habe ich nie gekannt, bevor mir das auf anderem Wege nachträglich zur Kenntnis gekommen ist. Ich weiß auch nichts darüber, wo es herstammt. Es gibt ja inzwischen die Meinung, daß das von Herrn Müller stammen soll, ich weiß es nicht, ich kann dazu nichts sagen. Und hinsichtlich der anderen Punkte, die Sie da vorher verlesen haben, da ist es richtig, es ist zu den ... unter anderem zu den dort genannten Themenkreisen sind Informationen, also sind einfach Zeitungsausschnitte fotokopiert oder Zeitschriftenausschnitte[kkk] oder Buchausschnitte fotokopiert im INFO gewesen und das war auch ein Teil des INFO’s, da geht es ja eben um, soweit ich mich jetzt erinnere, Polizeiorganisation und Rüstungsgeschichten, also die ganze Panzersache hat was mit Rüstungssachen zu tun, wo die verflochten sind, das ist ja alles ein sehr interessantes Gebiet.

Vors.:

Jetzt kommen wir zum letzten Punkt des Beweisantrages: Zweck, Durchführung des Hungerstreiks und die Rolle des Angeklagten Baader bei der Durchführung des Hungerstreiks. Könnten Sie entgegen der Darstellung Müllers angegeben.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, also vielleicht zunächst, weil ich das natürlich, fällt mir jetzt ein, vergessen habe, bei der Schilderung des Inhalts des INFO. Es war während der Hungerstreiks, kamen die Berichte, wie es den einzelnen Gefangenen ging und was an besonderen Vorfällen war, Zwangsernährung durch Schlauch oder nicht Schlauch, Wasserentzug und ähnliches, solche Berichte gingen dann auch über’s INFO, das ist mir auch bekannt.

Vors.:

Ist es richtig, wenn Müller sagt, es gab ein spezielles INFO - HS?

Zeuge Str[öbele]:

Das kann ich jetzt nicht sagen. Also ich weiß jedenfalls, daß ich da sehr viel Material auch bekommen habe und, ich weiß nicht, hunderte von Schilderungen der einzelnen Gefangenen über ihre Situation im Hungerstreik und über das, was Ziel des [10838] Hungerstreiks sein sollte. Ja, die letzte Frage bezieht sich natürlich auf eines der umfangreichsten Gebiete meiner Verteidigertätigkeit, nämlich im Zusammenhang mit den Hungerstreiks und das wiederum ist nicht zu trennen von den Haftbedingungen. Ich kann vielleicht vorweg den einen Satz sagen: Alle Hungerstreiks dienten ausschließlich und allein, entgegen mehrfachen anderslautenden Vorschlägen und Überlegungen, allein dem Ziel, dafür habe ich mich vor allen Dingen auch immer wieder eingesetzt, allein dem Ziel, die Isolationshaft und die teilweise wie in Köln-Ossendorf praktizierte, gegen richterliche Beschlüsse praktizierte Isolationshaft im toten Trakt,[53] im Gehirnwäschetrakt, wie Frau Meinhof das zurecht genannt hat, diese Haftbedingungen zu ändern. Und zwar das war der alleinige Zweck und da ist auch immer wieder entgegen anderslautenden Überlegungen einzelner Gefangener, die mir auch zur Kenntnis gekommen sind, ist das[lll] auch immer wieder dann einheitliche Meinung gewesen. Herr Müller soll ja gesagt haben, die Hungerstreiks seien von den Anwälten inszeniert worden, so kann ich sagen, daß kein einziger dieser Hungerstreiks von den Anwälten auch nur initiiert worden ist, daß im Gegenteil, soweit ich mich jetzt erinnere, eigentlich alle Anwälte, mit denen ich damals darüber gesprochen habe, sogar Gegner des Hungerstreiks gewesen sind ... der verschiedenen Hungerstreiks gewesen sind. Der erste Hungerstreik hat damit angefangen, daß in der Hauptverhandlung gegen Horst Mahler in Berlin Andreas Baader anläßlich seiner Zeugenvernehmung im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme über die Haftbedingungen oder jedenfalls war das Gegenstand der Aussage von ihm und von Frau Meinhof ... von Frau Proll vor allen Dingen auch, daß in diesem Zusammenhang Andreas Baader - den Satz weiß ich noch heute - gesagt habe: „Ab heute fresse ich nichts mehr, bis die Haftbedingungen sich geändert haben“ und daß vom nächsten Tag an, als das dann in der Zeitung stand, sich sämtliche Gefangenen, nicht nur die sich der RAF zurechneten, sondern auch eine ganze Reihe anderer, ich glaube, mindestens nochmal so viele, dann in den Hungerstreik begeben haben und daß dieser Hungerstreik, das war der erste Hungerstreik - Dezember 1972, daß dieser Hungerstreik im Januar 1973 dann abgebrochen worden ist nach einem Telefonat, das ich mit Herrn Bundesanwalt Wunder geführt habe. In diesem Telefonat versicherte[mmm] mir Herr Bundesanwalt Wunder, ich war damals sicherlich auch in ... es war ja auch in dieser Art so der erste Hungerstreik, den ich aus der Nähe beobachten [10839] mußte, also auch in einer etwas erregten Stimmung, versicherte mir Herr Wunder, daß sich die Haftbedingungen ändern würden. Und zwar machte er folgenden Vorschlag, da Sie ja nicht für alle zuständig seien, unter anderem nicht für die, die sich in Strafhaft befinden, wie zum Beispiel Andreas Baader,[54] daß man die Haftbedingungen insbesondere die Isolation dadurch aufheben könne[nnn] oder die Aufhebung betreiben könne und auch erreichen könne, daß man Sachverständige, also Ärzte, die die einzelnen Gefangenen begutachten sollten, in die Haftanstalten reinhole und sich dann nach diesen ärztlichen Gutachten die Haftanstalten ... beziehungsweise die Ermittlungsbehörden, Bundesanwaltschaft, Staatsanwaltschaft dann sich diesem Gutachten anschließen würden. Und während des Hungerstreiks ist auch Ulrike Meinhof aus dem toten Trakt in Köln-Ossendorf, in dem sie sich seit ihrer Inhaftierung befunden hatte, ausgelassen worden, in einen anderen Trakt verlegt worden, so daß wir alle, die Gefangenen und die Anwälte, davon ausgingen, daß hier Zusagen eingehalten würden, weil bei Meinhof war es ja tatsächlich schon Faktum. Dann habe ich auf Bitten, ich habe Herrn Bundesanwalt Wunder gebeten, mir zu ermöglichen, mit Andreas Baader unter anderem zu telefonieren und das habe ich auch getan und dieses Gespräch habe ich seinerzeit auch aus irgendeiner Vorahnung auf Tonband aufgenommen, nicht das mit Herrn Wunder, sondern das mit Herrn Baader. Es befindet sich also auch bei[ooo] mir in der Kanzlei und da habe ich dem Andreas Baader diese ... das wiedergegeben, was ich von Herrn Wunder gerade gehört habe, und der war sehr skeptisch und sagte: „Die halten das doch nicht ein, und das ist wieder ein schmutziger Deal und wir[ppp] sollen aufhören“ und so, und da ich, wie auch die anderen Anwälte, im Interesse der Gesundheit der Mandanten dringend daran interessiert waren[qqq], den Hungerstreik zu beenden, habe ich ihn dann gedrängt und habe gesagt: „Naja, dann ... wenn die Zusagen nicht eingehalten werden, dann kann man ja zur Not wieder anfangen, jedenfalls hört doch erst mal auf.“ Die hatten ja schon eine ganze Zeit lang gehungert und es sah ja bei einzelnen sehr schlimm aus. Und dann wurde der Hungerstreik beendet. Ich habe dann noch mit mehreren telefoniert, das war also die einzige Gelegenheit, wo ich koordinierend tätig geworden bin, praktisch nicht nur mit Wissen, sondern mit ... auch nicht nur mit Billigung, sondern unter tatkräftiger Unterstützung der Bundesanwaltschaft bin ich dann tätig geworden, um einen Abbruch des [10840] Hungerstreiks tatsächlich, um da die Koordination zu machen, daß nicht also Leute da noch weiter hungern, die man so schnell nicht erreichen kann. Habe mehrere Telefonate da geführt. Und das Ergebnis war dann, daß, glaube ich, acht Tage oder vierzehn Tage nach Beendigung dieses Hungerstreiks Ulrike Meinhof wieder im toten Trakt war, daß die Isolation bei, ich kann mich jedenfalls heute an keinen mehr erinnern, daß die Isolation, auch nicht bei Andreas Baader, aufgehoben worden ist, daß also praktisch all das, was mir zugesagt worden ist und was praktisch für mich als Verhandlungsgrundlage, ich fühlte mich als Unterhändler oder so was ähnliches, als Verhandlungsgrundlage[rrr] gegenüber dem Mandanten ich dargelegt habe, daß das mit einem[sss] Ding[ttt] weg ... mir fehlte von da ab, vor allen Dingen auch für die nächsten Hungerstreiks jede Argumentationsbasis, um bei den Mandanten auch nur halbwegs glaubwürdig da eine Meinung vertreten zu können. Also zu sagen, das ist doch nicht nötig, irgendwie wird beispielsweise die Isolation ja doch anders aufgehoben oder so, sondern von da ab war eigentlich mein Wort in dieser Hinsicht überhaupt nichts mehr wert und ich kann nur sagen zurecht.

Vors.:

Nun, auch in diesem Zusammenhang, der vordergründige Zweck, Sie sagen, Aufhebung der Isolation, zu welchem Zwecke? Ich meine, geht es da nur um gesundheitliche, um rein menschliche, humanitäre Gesichtspunkte oder ...

Zeuge Str[öbele]:

Es ging in erster Linie darum, Menschenleben und Gesundheit und Psyche von Menschen zu erhalten ...

Vors.:

Und zweitens?

Zeuge Str[öbele]:

... und das können Sie mir glauben, ich hätte mich in diesen ganzen Hungerstreiks nicht mit meiner ganzen Persönlichkeit Tag und Nacht[uuu] so engagiert, wirklich Tag und Nacht, wenn das nicht mir darum ... wenn ich nicht gesehen hätte, in welchem Zustand beispielsweise Astrid Proll aufgrund der Haftbedingungen in Köln-Ossendorf vor mir hier an so einem Tisch, so vor mir gesessen hat. Die fing um 17.00 Uhr abends an zu zittern am ganzen Körper und konnte nicht mehr reden und dann haben wir überlegt, was das sein könnte, und wir mußten, wir sahen, wir konnten erst auch nicht helfen, haben dann einen Professor aus Berlin dahingeholt, Professor Tores[vvv], der sie untersucht hat und der sagte, ja er kann nur die Symptome feststellen, mehr nicht. Er weiß auch nicht, was das ist. Später haben wir dann rausbekommen, was das ist, das ist [10841] die Isolationshaftbedingung. Andere hatten dann ähnliche Erscheinungen[www] und Astrid Proll war auf richterlichen Beschluß bereits Ende November 1972 aus der Isolation rauszunehmen und das ist nicht geschehen. Entgegen richterlichem Beschluß ist die Isolation nicht aufgehoben worden. Und da war ich, und alle Verteidiger, die daran beteiligt waren, Astrid Proll war dann bis April 1973 entgegen den bindenden richterlichen Beschluß weiterhin in vollständiger Isolation im toten Trakt und ich habe[xxx] eine Beschwerde geschrieben. Auf die Beschwerde wurde mir sechs Monate später geartwortet: Ihre Beschwerde ist zu Recht erhoben worden. Ich habe auch einen Bescheid bekommen ...

Vors.:

Sie haben jetzt den Fall Proll erwähnt, der Fall Proll ist überdies auch bei der medizinischen Beurteilung später ja ein Sonderfall gewesen, als dort die Verhandlungs- und Haftunfähigkeit festgestellt worden ist. Inzwischen ist Frau Proll wieder im Untergrund, wie es heißt ...

Zeuge Str[öbele]:

Ja, wie es heißt.

Vors.:

Wie es heißt, das sage ich ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, der Zeuge war nicht im Begriff, [yyy] die Lebensgeschichte der Frau Proll bis zum abermaligen Untergrund hier darzustellen, sondern ...

Vors.:

Herr ... jaja ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bin nicht fertig, sondern er war im Begriff, die Motive und die Anlässe für den gemeinsamen Hungerstreik darzustellen ...

Vors.:

Er war zu Ende mit seinen Ausführungen ...

RA Dr. He[ldmann]:

... und damit war er nicht zu Ende, sondern Sie haben ihn unterbrochen.

Vors.:

Nein.

RA Dr. He[ldmann]:

Er hat soeben angesetzt darzustellen, wie seine rechtlichen Maßnahmen gegen rechtswidrige Haftbedingungen ... zu welchen Erfolgen sie geführt haben und da haben Sie ihn unterbrochen.

Vors.:

Ja nun, das ist auch nicht der Inhalt der Frage.

Zeuge Str[öbele]:

Es ist Ihnen vielleicht unangenehm, aber das ist nun mal ein Fakt, das kann ich belegen.

Vors.:

Das ist nicht unangenehm, zu diesem Thema, Herr Rechtsanwalt, kann ich mich jetzt, ich möchte sagen, leider nicht vertiefen, denn da gäbe es sehr vieles dazu zu sagen, wie die Isolation in Wirklichkeit beispielsweise hier beim Senat erscheint, denn ...

Zeuge Str[öbele]:

Es geht ja nicht um den Senat, es geht um die Haft- [10842] bedingung von Astrid Proll 1972.

Vors.:

Und das war jetzt Gegenstand der Frage, was war Sinn und Zweck des Hungerstreiks. Sie haben’s damit begründet, haben als Spezialfall jetzt den Fall Proll erwähnt und ich meinte, Sie waren jetzt am Ende. Da muß ich wieder einige Vorhalte ...

Zeuge Str[öbele]:

Nee, ich will das vertiefen.

Vors.:

Was möchten Sie vertiefen?

Zeuge Str[öbele]:

Intensiver noch dieser selben Isolation ...

RA Geu[len]:

Ich möchte doch zunächst das jetzt doch noch mal beanstanden. Herr Vorsitzender, erstens haben Sie den Zeugen tatsächlich unterbrochen ...

Vors.:

Sind Sie doch ... Herr Rechtsanwalt Geulen, ich bin ja gerade dabei, zuzuhören, was der Herr Zeuge, von dem ich annahm, er sei zu Ende, noch fortführen will.

RA Geu[len]:

Ich möchte jetzt gerne Ihre Frage und Ihre Verhandlungsweise beanstanden.

Vors.:

Es gibt noch nichts zu beanstanden, weil der Herr Zeuge ja im Augenblick fortfährt, warten Sie doch ab ...

RA Geu[len]:

Aber Herr Vorsitzender, ich kann doch auch, wenn der Zeuge redet, beanstanden, außerdem redet er im Augenblick gar nicht.

Vors.:

Jetzt hat der Herr Zeuge das Wort. Es ist kein Grund zu einer Beanstandung, solange ich dem Herrn Zeugen nicht eine Frage vorlege, die er beantworten soll. Das ist nicht mehr geschehen, sondern ich will jetzt Mal sehen ob ...

RA Geu[len]:

Sie haben den Zeugen aufgefordert und ich möchte das beanstanden.

Vors.:

Was habe ich?

RA Geu[len]:

Darf ich jetzt beanstanden oder nicht? Ich wäre schon längst fertig mit meiner Beanstandung. Sie haben den Zeugen unterbrochen, das beanstande ich. Zweitens beanstande ich, daß Sie, was nun in der Tat nicht dazu gehört, daß Sie gesagt haben, daß Frau Proll sich wieder im Untergrund befindet, das ist ganz klar eine Bemerkung, die in eine bestimmte Richtung zielt und die mit dem Beweisthema überhaupt nichts zu tun. Der Grund, wofür Sie so was sagen, ist ja wohl ziemlich eindeutig.

Vors.:

Herr Zeuge, Sie können fortfahren. Es ist überholt diese Beanstandung, Herr Rechtsanwalt, weil ich ja im Augenblick dabei bin, dem Herrn Zeugen zu sagen, er kann, wenn er vertiefen will, fortfahren. Damit ist die Unterbrechung, wenn es eine solche gewesen sein sollte - [10843] ich glaubte, er wäre zu Ende - in der Tat überholt. Es gibt keinen Grund mehr, etwas zu beanstanden. Bitteschön, was wollen Sie noch vertiefen.

Zeuge Str[öbele]:

Astrid Proll ist ja nur einer der Fälle, mindestens oder meiner Auffassung nach, und auch da habe ich es persönlich mehrfach in der Woche oder im Monat selbst erlebt, war Ulrike Meinhof diesen Haftbedingungen, diesen verschärften [zzz] im toten Trakt in Köln-Ossendorf. Ich habe auch den Trakt gesehen. Ich habe sie selber erlebt dabei und sie war da insgesamt über ein Jahr und gerade auch der Hungerstreik, der erste Hungerstreik im Dezember 1973 sollte dazu dienen, vor allen Dingen in Köln-Ossendorf diese Haftbedingungen zu beseitigen und ich selber habe mich vor den Bundesgerichtshof gestellt und dort demonstriert. Das habe ich auch nicht etwa gemacht, weil ich ... also weil es in dem Regen so schön war, sondern das habe ich gemacht, weil ich einfach keine andere Möglichkeit mehr gesehen habe. Weil ich dachte, ein richterlicher Beschluß ist überhaupt in diesem Zusammenhang nichts mehr Wert. Das habe ich nicht nur gedacht, sondern das habe ich erfahren müssen. Und nicht nur bei Ulrike Meinhof, sondern wir haben festgestellt, daß nahezu alle, nahezu alle, ich mache eine Ausnahme, nämlich in der Haftanstalt in Berlin in der Lehrter Straße hat eine solche isolierte Unterbringung oder auch nur vergleichbare isolierte Unterbringung nie stattgefunden. Aber sonst in allen Haftanstalten haben solche Isolationshaftbedingungen geherrscht und Ulrike Meinhof und Astrid Proll waren ja welche, die in Köln-Ossendorf untergebracht waren. Aber mindestens genau so gravierend aufgrund der Länge, der Dauer waren die Haftbedingungen von Horst Mahler und Heinrich Jansen[55] beispielsweise, die über 3 Jahre in Isolierhaft waren, in Einzelhaft waren, zwar nicht in dem Maße wie in Köln-Ossendorf aber in Isolierhaft waren und ...

Vors.:

Gut, nun darf ich Sie um Verständnis ...

Zeuge Str[öbele]:

... auch da habe ich mich auf das Strafgesetzbuch berufen.

Vors.:

Herr Zeuge darf ich Sie um Verständnis bitten, ich muß hier ein bißchen auf das Programm mit achten. Wir haben heute Mittag auch noch Beweisaufnahme. Sie wollen jetzt in Einzelheiten ...

RA Dr. He[ldmann][aaaa]:

... Unterbrechung des Zeugen.

Vors.:

Ich darf jetzt zuerst meinen Vorhalt zu Ende bringen. Das ist ...

[10844] RA Dr. He[ldmann]:

Nein, Sie haben jetzt ...

Vors.:

Eine Maßnahme der Prozeßleitung, dazu habe ich das Recht.

Herr Zeuge, ich möchte nicht, daß wir jetzt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, das beanstande ich, § 69 Abs. 1 Satz 2[ StPO].[56]

Vors.:

... im einzelnen die Haftbedingungen hier erörtern, sondern Sie haben dargelegt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Der Vorhalt ist unzulässig und rechtswidrig. ...

Vors.:

Ich möchte mir jetzt verbitten, daß Sie mich weiterhin unterbrechen bei meinen Ausführungen.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben den Zeugen unterbrochen.

Vors.:

Es ist mein Recht ...

RA Dr. He[ldmann]:

Nein ...

Vors.:

Ich habe hier den Zeugen zu leiten, das liegt in der Verhandlungsführung.

RA Dr. Te[mming] (mit lauter Stimme)

... die Aussage des Zeugen, das betrifft die Sachleitung und das beanstande ich ...

Vors.:

Bitte stellen Sie dem Herrn das Mikrofon ab. (zu den Protokollf.)

RA Dr. Te[mming]:

... hat der Senat zu entscheiden und nicht Sie, § 238 Absatz 2 Strafprozeßordnung.[57]

Vors.:

Es geht jetzt nicht darum, Ihnen irgend einen Vorhalt zu machen, sondern ich wollte Sie nur bitten, bei der Erläuterung des Zwecks des Hungerstreiks, zu dem sind[bbbb] Sie ja im Augenblick gefragt, nicht jetzt im einzelnen alle die Haftbedingungen nachzuvollziehen, das kann nicht Sinn der Beantwortung sein. Im Grunde genommen haben Sie gesagt, es ging darum, diese, und zwar aus menschlichen Gründen, in erster Linie aus menschlichen Gründen zur Erhaltung der Gesundheit, diese Isolationshaft zu beseitigen, das sei der Zweck des Hungerstreiks gewesen. Und ich wollte Sie nur bitten ...

Zeuge Str[öbele]:

Alleiniger Zweck.

Vors.:

Ja ... vorhin sagten Sie, der hauptsächliche oder insbesondere, Sie sagen jetzt der alleinige Zweck.

Zeuge Str[öbele]:

Alleinige Zweck war die Haftbedingung, diese Isolationshaftbedingung zu ändern. Es war nicht mal, wie das vorgeschlagen war, es gibt eine Reihe von Briefen, da ist, soweit ich mich erinnere, aus Zweibrücken beispielsweise vorgeschlagen worden, Hungerstreikforderung auch aufzunehmen beispielsweise sexuelle Kontakte im Gefängnis oder ähnliche Geschichten. Also irgendwelche Haftbedingungen zu ändern war nicht mal, sondern allein Aufhebung [10845] der Isolation. Das war allein der Zweck des Hungerstreiks und so ist es immer von allen verstanden und so ist er von allen vertreten worden in der Öffentlichkeit und überall. Und Sie wollen jetzt darauf hinaus, ich kann das vielleicht vorwegnehmen, daß sich in einer ganzen Reihe von Schreiben Überlegungen darüber finden, was man also alles machen kann, wenn die Haftbedingungen aufgehoben ... wenn die Haftbedingungen, die Isolationshaftbedingungen geändert sind.

Vors.:

Woher wissen Sie das?

Zeuge Str[öbele]:

Naja, Sie haben gerade angesetzt, da was vorzuhalten und das ist mir ja nun in einer ganzen Reihe von anderen Verfahren auch schon vorgehalten worden. Soviel Phantasie gehört da nicht dazu.

Vors.:

Gut, also Sie kennen jetzt den Inhalt, darf ich ... bedürfen Sie keines Vorhalts, wollen Sie ...

Zeuge Str[öbele]:

Brauche ich nicht.

Vors.:

... aber lassen Sie mich doch lieber den Vorhalt machen, denn es ist dann doch Ihre Antwort vielleicht leichter.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, bitte.

Vors.:

Ich möchte Ihnen aus drei, allein aus drei Stellen etwas bekanntgeben, alle stehen im Bezug zu Ihrem eigenen ...

RA Dr. Te[mming]:

Der Zeuge geht auf den Punkt von sich aus ein und wenn Sie jetzt einen Vorhalt machen, ein Vorhalt ist nur gerechtfertigt, um etwas, was der Zeuge gesagt hat, auf seine Richtigkeit zu prüfen, wie Sie mehrfach selbst hier ausgeführt haben. Herr Vorsitzender, das hat nur noch propagandistischen Zweck, wenn Sie jetzt irgendwas hier vorlesen wollen. Der Zeuge wollte ... der Zeuge hatte von sich aus angesprochen ...

Der Vorsitzende stellt ausdrücklich zu Protokoll fest, daß er sich solche derartigen Unterstellungen von RA Temming:

„... das hat nur noch [cccc] propagandistischen Zweck, wenn Sie jetzt irgendwas[dddd] hier vorlesen wollen.“

verbitte.

RA Dr. Te[mming]:

Aber ich stehe gerne zu diesen Ausführungen, Herr Vorsitzender. Herr Vorsitzender, das ist für jeden eindeutig, es kann gar keine andere Funktion mehr haben.

Vors.:

Ich habe also von Ihnen, Herr Zeuge, das heißt, wir alle haben erfahren, es ging darum, die Isolation zu beseitigen und Sie haben nun schon auf den ferneren Zweck, der nun mit der Beseitigung [10846] der Isolation möglicherweise verbunden sein könnte ...

Zeuge Str[öbele]:

War nicht ein Zweck des Hungerstreiks, wäre eine Folge der Aufhebung der Isolation gewesen.

Vors.:

... abgehoben, deswegen wollte ich Ihnen, und ich bin der Meinung, das ist die logisch richtige Folge, die paar Anknüpfungspunkte geben, damit Ihre Antwort sich dann mit dem auseinandersetzen kann.

Ende von Band 627.

[10847] Vors.:

Es hat keinen Sinn, daß Sie schon vorweg etwas erklären, wo Sie erst mutmaßen, daß etwas vorgehalten werden würde.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beanstande; ein Vorhalt ist nur dann zulässig, wenn er dazu dient, daß sich die Auskunftsperson zu dem Gegenstand des Vorhalts äußert, d. h. zum Gegenstand der Aussage des Beweisthemas äußert. Wo der Zeuge noch dabei ist, seinen Vortrag zu dem Beweisthema zu geben, so steht einem Vorhalt erstens die zwingende Vorschrift des § 69 Abs. 1, S. 1[ StPO][58] entgegen. Und 2. der Zweck des Vorhalts, der lediglich nachzuhelfen hat, daß der Zeuge seine bis dahin gemachten Aussagen vertieft.[59]

Ich beanstande den Vorhalt, und ich füge an, Herr ...

Vors.:

Welchen Vorhalt, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann? Ich habe bis jetzt noch keinen Vorhalt gemacht. Ich wollte einen machen. Sie beanstanden, daß ich überhaupt Vorhalte mache.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, daß Sie abermals den Zeugen unterbrechen, beanstande ich, um, wie Sie es nennen, einen Vorhalt zu machen. Doch da Sie auch genausogut wissen, wie wir hier, daß das nicht ein Vorhalt ist oder jedenfalls kein zulässiger Vorhalt ist, so muß der Eindruck ja wohl nicht nur hier entstehen, daß es Ihnen mit diesen Unterbrechungen des Zeugen, die Methode haben, nur darauf ankommt, die Zeugenaussage zu zerstören.

Selbstverständlich wenden wir uns dagegen, das ist nicht nur unser Recht, das ist unsere Pflicht, denn dieser Zeuge sitzt hier, um zu einer Thematik zu sprechen, an der wir die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen Müllers prüfen wollen. Deswegen unzulässig, den Zeugen permanent zu unterbrechen.

Vors.:

(nach geheimer Beratung) Der Senat hat beschlossen:

Es ist zulässig, einen Vorhalt zu machen.

Und wenn ich jetzt den Vorhalt gemacht habe und Sie wollen den beanstanden, dann ist dazu Gelegenheit.

Aus Ihrem ... dem Antragschreiben damals im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem 1. Senat, Seite 18, wird zitiert, ein Zellenzirkular mit der Überschrift „zu den anwälten organisieren“. Dieses Zirkular dürfte Ihnen bekannt sein, es ist die Anlage 24 damals gewesen. Hier heißt es auf Seite - auszugsweise - zitiert auf Seite 20: „In meiner Einschätzung, die sich nicht geändert hat, hat dieser Streik nur einen Zweck: er soll die Typen aus der Isolation befreien, damit sie eine Möglichkeit zur Agitation, Organisation und Aktion im Knast haben. Die einzige Chance, außer Büchern und Akten was zu [10848] lernen und zu politischer Arbeit zu kommen.“ Und dem geht der von Ihnen vorhin selbst zitierte Satz voraus: „Weil sich nichts verändert hat, werde ich ab 2. April nichts mehr fressen.“

Das heißt, das ist ...

Zeuge Str[öbele]:

Das muß aber ein ...

Vors.:

Bitte? Das ist dieses Schreiben gewesen.

Zeuge Str[öbele]:

... April ...

Vors.:

Also Zweck, Isolation, damit man wieder politische Arbeit, sprich hier, laut dem Zitat, Agitation, Organisation und Aktion im Knast haben kann. Und das wäre nun die Frage an Sie, war es, nach Kenntnis von Ihnen, Zweck des Hungerstreiks, die Isolation an sich aufzuheben oder war es, wie es hier in einem solchen Zellenmaterial zum Ausdruck kommt, nicht Selbstzweck, die Isolation aufzuheben, sondern damit zu erreichen, daß man im Knast agitieren, an anderer Stelle, wir könnten Ihnen zahllose Stellen dieser Form vorhalten, ist von Revolutionieren und dergleichen die Rede. Was können Sie dazu sagen?

Zeuge Str[öbele]:

Solche Überlegungen sind natürlich angestellt worden, aber das war nicht Ziel des Hungerstreiks. Natürlich ist jeder, der sich im Gefängnis einigermaßen so bewegen kann, wie das alle Gefangenen dort in der Enge als Gefangene können, der hat natürlich die Möglichkeit, mit anderen Kommunikation zu treiben und auch mit anderen Agitation, meinetwegen auch zu betreiben oder auch Zeitungen auszutauschen oder propagandistisch tätig[eeee] zu werden. Aber das ist was, was ... worüber ich mir damals klar war, worüber ich mir heute klar bin, daß das natürlich eine notwendige Folge dessen ist, daß man jemand sein Recht zubilligt auf körperliche Unversehrtheit und die impliziert im Gefängnis eben, zumindest nach einer bestimmten Zeit, die Kommunikation mit anderen Gefangenen. Und wir haben ja auch immer wieder gesagt, auch wenn uns das vorgehalten wurde, auf öffentlichen Veranstaltungen, das ist ja alles ein uralter Vorwurf, da haben wir immer gesagt, ja, natürlich. Es gab ja auch eine ganze Reihe von Beispielen. Natürlich wird das die Folge sein, man wird nicht erreichen daß man sagen kann, ihr kommt zwar aus der Isolation raus, aber danach da müßt ihr euch selber isolieren oder wie. Sondern daß die sich dann so verhalten, wie das jeder andere Gefangene tut, daß er sich im Gefängnis über seine Interessengebiete verständigt, möglicherweise auch gegen Mißstände angeht oder weiß ich was alles, das ist ja auch geschehen. Und wir haben ja immer als Beispiele, die gerade dokumentieren sollten, daß es durchaus möglich ist, diese Isolationshaftbedingungen [10849] aufzuheben, die Beispiele Horst Mahler und Jansen usw. gebracht. Die ja in Berlin, in der Untersuchungshaftanstalt Alt-Moabit drei Jahre isoliert waren oder zum Teil 3 ½ Jahre isoliert waren und ...

Vors.:

Aber, Herr Zeuge, das ist doch ...

Zeuge Str[öbele]:

... die dann raus verlegt worden ...

Vors.:

Herr Zeugen, verzeihen Sie bitte, ich möchte Ihnen nichts abschneiden, aber das ist doch nicht der Gegenstand der Frage.

Zeuge Str[öbele]:

Doch, es kommt jetzt. Doch, es kommt jetzt, sofort.

Vors.:

Ja, ich müßte Ihnen ...

Zeuge Str[öbele]:

Sie sind aus der Isolation raus ...

Vors.:

Ich müßte Ihnen dann doch entgegenhalten, welche Gelegenheiten an anderer Stelle gegeben worden sind, von denen kein Gebrauch gemacht wird usw. und so fort, das ist nicht die Frage.

Zeuge Str[öbele]:

Nein ...

Vors.:

Die Frage ist ausschließlich, ob Sie aus eigenem Wissen wissen, daß die Aufhebung der Isolation einen weiteren Zweck verfolgt hat, nämlich den der Agitation usw. im Gefängnis ...

Zeuge Str[öbele]:

Nein, das war eine ...

Vors.:

... um politische Arbeit im Sinne dieser Angeklagten ...

Zeuge Str[öbele]:

... eine uns klare Folge, wenn die Isolation aufgehoben würde, daß dann auch eine Kommunikation im Gefängnis mit anderen Gefangenen, das war ja klar. Und das, wie wir die Mandanten kannten, daß die sich da auch in irgendeiner Weise mit den anderen politisch auseinandersetzen würden[ffff], das war uns auch klar.

Vors.:

Es ist nicht nur von Agitation ...

Zeuge Str[öbele]:

Aber das war nicht irgendwo das Ziel ...

Vors.:

... sondern von Aktion auch die Rede; Aktion, nicht bloß von Agitation, auch von Aktion.

Zeuge Str[öbele]:

Es gibt eine ganze Reihe von Aktionen, die ja auch in den Gefängnissen durchgeführt worden sind, die meiner Ansicht nach gegen bestimmte Mißstände auch durchaus legal sind und durchaus zulässig sind, die auch zum Erfolg geführt haben.

Vors.:

Gut, das war also die Beantwortung dieses Punktes. Und jetzt der letzte Vorhalt, der auch nach einem, auf einen Zweck des Hungerstreiks, möglichen Zweck abzielt. Wir haben bei dem Ordner 127, Anlage 3, das sind die Unterlagen Müller, ein Schreiben, das Herr[gggg] Müller als[hhhh] von Margrit Schiller[60] stammend bezeichnete[iiii]. Vorauszuschicken ist, daß er erläutert hat, daß sie auch den Hungerstreik abgebrochen hat und sich [10850] nun darüber auseinandersetzt mit der Gruppe und da möchte ich Ihnen die Sätze vorhalten, die einen Hintergrund geben könnten, für die Beurteilung des Zwecks eines Hungerstreiks.

„Vor ein paar Wochen, irgendwann während der Aktion, habe ich davor kapituliert, noch RAF werden zu können. Jetzt muß ich auch den Hungerstreik abbrechen, weil weitermachen nur noch Lüge ist, ich Euch damit jede Sekunde anlügen würde. Als ich nach 14 Tagen[jjjj] zum ersten Mal wieder INFO 1 bekam: totale Panik bei mir. Danach der erste Kollaps. Letztes Wochenende wollte ich aufschreiben, warum ich den Hungerstreik weitermache, obwohl ich weiß, daß ich nicht mehr RAF werden kann, nach dem hier“ - jetzt, das ist der wichtige Satz - „nachdem hier gesagt worden ist, daß das ein Widerspruch ist[kkkk], der nicht geht, daß das eben eine Aktion für die RAF ist[llll], eine Aktion, in der die Gruppe entsteht.“ Und sie sagt dann, da sie nicht sterben wolle, könne sie zu der Gruppe nicht zählen, man könne sich nicht auf sie verlassen. Ausführungen, die Sie sicher nicht kennen?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

Vors.:

Aber ich halte es Ihnen also nochmals im Zusammenhang vor; Voraussetzung das Verlassenkönnen, weil die Gruppe im Hungerstreik entstehe, so drückt sie es hier aus. Daß das eine Aktion ist, für die die RAF, eine Aktion für die RAF ist, eine Aktion, in der die Gruppe entsteht, und da könne sie nicht mitmachen, denn sie wolle nicht sterben und deswegen könne man sich nicht auf sie verlassen.

Was sagen Sie dazu, über den möglichen Zweck?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, d. h. tatsächlich das ins Gegenteil zu verkehren, was gelaufen ist. Der Hungerstreik, ich habe das Ziel genannt, das alleinige Ziel genannt, die Aufhebung der Isolation, hatte natürlich zur Folge und Sie können sich da natürlich wahrscheinlich selbst kaum eine Vorstellung machen, hatte natürlich zur Folge, daß die, die sich dazu entschlossen haben, beispielsweise wie beim letzten Hungerstreik 145 Tage nichts mehr zu essen, daß bei denen in der Psyche als Menschen wahnsinnge Probleme, Schwierigkeiten, aber auch Stärken aufgetaucht sind; also ich würde mir das beispielsweise nicht zutrauen. Und daß von daher natürlich als Folge, da sie nun die Leute, die das durchgehalten haben, den Hungerstreik, einen solchen Hungerstreik, der wirklich ja nach dem Tode von Holger Meins,[61] von dem keiner mehr davon ausgehen konnte oder jeder davon ausgehen müßte, daß er zum Tode führen konnte sogar. Daß ein solcher Hungerstreik natürlich, wenn man das gemeinsam macht, das ist so ähnlich, wie wenn sie sich gemeinsam [10851] aus einer Katastrophe irgendwo retten, aus einem Brandgebiet oder so, daß das in[mmmm] irgendeiner Weise dann auch gemeinsame Erfahrungen bringt und gemeinsam und irgendwo zusammenschweißt. Das ist eine notwendige Folge. Das hat aber doch mit dem Ziel des Hungerstreiks, daß jetzt einer sagt; wir machen einen Hungerstreik, damit diese Erfahrungen gemacht werden und damit wir eine Gruppe werden oder eine Truppe werden oder was weiß ich was[nnnn], überhaupt nichts zu tun. Das hat mit dem Ziel des Hungerstreiks, sondern das war eine Folge dessen, der Erfahrung, die da gemacht worden sind, die ich auch erstmalig in meinem Leben erlebt habe. Ich kann nur abschließend zu dem Hungerstreik sagen, die Anwälte und zwar alle Anwälte, die ich dazu gesprochen habe, die haben gerade aus diesem, weil sie ganz erhebliche Schwierigkeiten hatten, auch psychisch, damit fertigzuwerden, haben immer wieder versucht, da Argumente dagegen zu finden. Und nachdem die Gefangenen sich dazu entschlossen haben und im Hungerstreik waren, blieb uns eigentlich entweder uns völlig, die also jetzt ihrem Schicksal zu überlassen, das war die Alternative, oder wir mußten das Ziel, das wir als legales und rechtmäßiges Ziel, die unmenschlichen Haftbedingungen aufzuheben, das wir als solches erkannt haben, wir mußten dieses Ziel versuchen durchzusetzen. Da wurde ja nichts Böses durchgesetzt, sondern das, was wir den Gefangenen auch immer gesagt haben: Das ist euer gutes Recht, nach der Menschenrechtskonvention[oooo] und nach dem Strafgesetzbuch und nach allem ist das euer gutes Recht. Und wenn sie das mit dem Hungerstreik machen, dann blieb uns nur noch die Möglichkeit, soweit wie möglich sie darin zu unterstützen, daß das möglichst schnell geschieht, damit dann möglichst wenig Schaden bei den einzelnen angerichtet würde. Und diese ganze Argumentation, sowohl hinsichtlich der Folgen des Hungerstreiks, als auch dieser Folge, mögliche Folge, ich kannte das bisher nicht, des Hungerstreiks, die Sie jetzt hier gerade verlesen haben, die wäre doch ganz einfach dadurch zu vermeiden gewesen, wenn die Zusagen von Herrn Wunder eingehalten worden wären, dann wäre es zu keinem anderen Hungerstreik gekommen,

Vors.:

Gut. Herr Zeuge, geben Sie sich ...

Zeuge Str[öbele]:

... mit Sicherheit, jedenfalls nicht mit meiner ...

Vors.:

... geben Sie sich bitte jetzt nicht den Anstrich, als müßten Sie noch für alte Ideen hier irgendwo werben; Sie sollen Ihr Wissen bekanntgeben und nicht jetzt mit ...

Zeuge Str[öbele]:

Ich will nicht werben, ich will Ihnen klarmachen, daß das völliger Unsinn ist, was da und jetzt hieraus geleitet wird, daß [10852] ein Hungerstreik unternommen wird ...

Vors.:

Sie haben jetzt im Augenblick darauf hingewiesen, daß das oder jenes hätte geschehen müssen, können. Wir kennen den Inhalt des Gesprächs nicht, damit ist dem Gericht nicht gedient. Ich habe an Sie ...

Zeuge Str[öbele]:

Dann hätte kein Hungerstreik stattgefunden mehr.

Vors.:

Ich habe keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen. Es ist jetzt die Frage, wie wir fortfahren.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender ... vernommen, daß sich Ihre Äußerung, der Zeuge solle sich nicht verhalten, als gelte es, weiterhin für alte Ideen zu werben.

Vors.:

Nein, ich habe gesagt: setzen Sie sich nicht dem Anschein aus, als gelte es ... ich habe nicht gesagt, er verhalte sich so. Ich habe gesagt, setzen Sie sich nicht dem Anschein aus.

RA Dr. He[ldmann]:

Als gelte es ...?

Vors.:

Das, was Sie jetzt gerade beanstanden wollten, jetzt müssten[pppp] Sie schon ausführen, doch nicht ich.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, wir werden es ja bald im Tonband nachlesen: „Noch heute für alte Ideen zu werben“, Herr Vorsitzender, das ist[qqqq] solch eine Äußerung, die in einem normalen Strafprozeß absolut für die Ablehnung des Richters reicht. Das werden Sie wohl selbst wissen.

Vors.:

Ich habe gesagt, setzen Sie sich nicht dem Anschein aus, als gelte es, hier noch für irgendwelche alten Überlegungen oder Ideen Propaganda zu machen, so könnte es sein, weil er auf Herrn Wunder hinwies ...

Zeuge Str[öbele]:

Alles Propaganda.

Vors.:

... was mit dem Wissen des Herrn Zeugen nichts zu tun hatte. Wenn Sie endlich verstehen würden[rrrr], daß es Aufgabe des Vorsitzenden ist, einen Zeugen auch dann, wenn er Ausführungen macht, die nicht mehr zu seinem Wissen gehören, zurückzuhalten und ihn auch notfalls zu belehren, welcher falscher Eindruck entstehen könnte. Das ist geschehen, sonst nichts.

Und jetzt darf ich fragen, wie verfahren wir weiter, meine Herren? Wollen Sie jetzt gleich an den Herrn Zeugen Fragen stellen oder treten wir in die Mittagspause ein?

RA Dr. He[ldmann]:

... Mittagspause.

Vors.:

Dann ist es jetzt eine andere Überlegung. Herr Rechtsanwalt Ströbele, wir haben heute mittag Zeugen, die auf einen Transport angewiesen sind, der noch bei Tageszeiten stattfinden muß. Wäre es Ihnen möglich, daß wir zunächstmal die beiden anderen Zeugen hören und Sie so lange zuwarten?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich widerspreche diesem Vorschlag.

[10853] Zeuge Str[öbele]:

Wenn ich heute fertig werde, ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich widerspreche ...

Vors.:

Das Gericht würde selbstverständlich ... die Reihenfolge auch dieser Prozeßhandlung - Sie dürfen widersprechen, aber lassen Sie mich doch mal wenigstens einen Vorschlag machen - ist immer noch Sache des Verhandlungsleiters. Herr Rechtsanwalt, es würden selbstverständlich die Kosten, die entstehen würden dadurch, etwa für Übernachtung usw. vom Gericht übernommen werden, wenn etwas passieren würde, daß Sie nicht mehr zurückkämen rechtzeitig.

Zeuge Str[öbele]:

Es geht darum, daß ich bis gestern abend in Koblenz Prozeß hatte und hierhergefahren bin und morgen auch wieder woanders sein wollte. Also, wenn wir heute fertig werden ...

Vors.:

Es wäre natürlich uns auch lieb, wenn wir fertig werden können. Die Frage ist nur, ob wir nicht auf diesen Transport die Möglichkeit haben ...

RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender, das geht schlechterdings[ssss] nicht. Nach § 257 Abs. 1[ StPO] in Verbindung mit Abs. 2[62] hat die Verteidigung das Recht, nach der Vernehmung eines jeden Zeugen Fragen zu stellen. Wenn Sie jetzt andere Zeugen mit ganz anderen oder zum Teil ganz anderen Beweisthemen hier einführen ist es uns unmöglich, Fragen zu stellen. Der Zusammenhang ist zerrissen und ich bin dann nicht in der Lage, vielleicht sind Sie ein derartiges Gedächtnisgenie, ich bin nicht in der Lage, mich wirklich, wie es eine Verteidigung erfordert, auf das einzustellen, was Herr Ströbele gesagt hat, wenn zwischendurch irgendjemand anders Aussagen macht.

Vors.:

Ist gut. Wenn Sie ... Ich hätte selbstverständlich, nach dem zuerstmal die Fragen an den Herrn Zeugen zu richten war, auch die übrigen Prozeßbeteiligten ... Selbstverständlich ist die Frage, ob er überhaupt im Stande ist, daß er evtl. eine Übernachtung auf sich nimmt, wenn aber die übrigen Prozeßbeteiligten Wert darauf legen, daß die Fragen, die an sich natürlich auch nach Unterbrechung durch eine andere Vernehmung gestellt werden können, und zwar in einer Form, die dem Gesetz Genüge tut, Wert darauf legen, daß wir sofort die Fragen nachher stellen, dann können wir damit beginnen. Es wird natürlich gewisse Schwierigkeiten dann mit den weiteren Zeugen mit sich bringen.

Wird Wert darauf gelegt, daß Fragen sofort gestellt werden können, an den Herrn Zeugen?

Sie haben schon gemeldet.

[100854] BA Dr. Wu[nder]:

Wir haben nur wenige Fragen, Herr Vorsitzender, und wir sind gedächtnismäßig auch in der Lage, die später zu stellen.

Vors.:

Danke. Ich will aber trotzdem, mit Rücksicht auf Verteidigung, dann doch mit der Vernehmung fortfahren, aber ich bitte dann pünktlich um 14.00 Uhr wieder hier zu sein.

14.00 Uhr Fortsetzung.

Pause von 12.27 Uhr bis 14.02 Uhr

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.02 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Zunächst der Hinweis, die Adressen der 4 Journalisten, Herr Rechtsanwalt Geulen, die der „Quick“ seinerzeit zugerechnet wurden, sind inzwischen bekannt geworden. Es dreht sich jetzt noch um die Adresse des Herrn Ruch.

Wir können die Sitzung fortsetzen. Soweit ich gehört habe, sind beim Gericht keine Fragen.

Die Herren der Bundesanwaltschaft.

Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Zeuge, einige Fragen. Sie haben mit Ihrem Wissen über das INFO mit dem Jahr 1974, wenn ich Sie richtig verstanden habe, eine Zäsur gemacht. Habe ich Sie richtig verstanden darin, daß Sie den Inhalt des gesamten INFO-Materials, solange Sie es erhalten haben, also[tttt] bis in das Jahr 1974 hinein, kannten? Und wenn ich das Kennen jetzt präzisieren darf, dann meine ich damit, nicht erst später davon erfahren haben, sondern es zur Zeit seiner Aktualität oder Herausgabe kannten, habe ich Sie da richtig verstanden?

Zeuge Str[öbele]:

Das, was ich bekommen habe kannte ich, natürlich. Ich habe es gelesen.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint wieder um 14.03 Uhr im Sitzungssaal.

BA Dr. Wu[nder]:

Also aus dieser Phase bis in das Jahr 74 hinein sind Ihnen alle Stücke bekanntgeworden?

[10855] Zeuge Str[öbele]:

Ja, die, die ich bekommen habe, ja. Ich weiß nicht, ob ich alle bekommen habe. Die, die ich bekommen habe ...

BA Dr. Wu[nder]:

Ach, das wissen Sie nicht?

Zeuge Str[öbele]:

Alles, was bei mir als Post eingegangen ist oder ich sonst irgendwie bekommen habe, habe ich gelesen.

BA Dr. Wu[nder]:

Sie wissen nicht, ob Sie alle bekommen haben?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke. Eine weitere Frage. Herr Zeuge, Sie haben heute vormittag ein Telefongespräch, das Sie mit der Bundesanwaltschaft geführt haben, mit mir, erwähnt, in dem es, wie Sie es bezeichneten, um die Aufhebung der Isolation gegangen sei, um einen Abbruch des damaligen Hungerstreikes zu erreichen. Erinnern Sie sich daran, Herr Zeuge, daß oder ob der Hauptgesprächspunkt dieses Telefonats, die damals zunächst ins Auge gefasste Zusammenführung der beiden Frauen Ensslin und Meinhof in eine Haftanstalt war?

Zeuge Str[öbele]:

Das kann sein, daß das Thema war, ja. Also das kann ich jetzt nicht mehr auseinanderhalten, in welchen Gesprächen, aber ich nehme an, weil das zeitlich auch unmittelbar darauf dann folgte, im Frühjahr 1973, daß das da auch angesprochen wurde.

BA Dr. Wu[nder]:

Weil wir, das glaube ich, sagen zu können, beide[uuuu] der Meinung waren, daß man damit vielleicht diesen Hungerstreik eindämmen könnte. Wissen Sie, wann die beiden Frauen dann im Zuge dieser Planung zusammengeführt wurden in eine Anstalt?

Zeuge Str[öbele]:

Ich glaube im Februar, ich weiß es aber nicht genau, keine Ahnung. Also irgendwann im Frühjahr 73.

BA Dr. Wu[nder]:

Danke. Ich gebe das Fragerecht weiter.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis, bitte.

OStA Z[eis]:

Herr Rechtsanwalt Ströbele, weil wir gerade bei diesem Telefongespräch sind, von dem Sie gesagt haben, Sie hätten es mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft führen dürfen, mit Herrn Müller, um ihn zum Abbruch des Hungerstreiks zu bewegen oder zu was?

Zeuge Str[öbele]:

Ich habe alle die Telefonate, die ich in dem Zusammenhang ja nicht nur bei dem Hungerstreik, sondern auch bei späteren Hungerstreiks geführt habe, sonst wurde uns ja das Telefonieren in der Regel jedenfalls oder eigentlich immer untersagt, also man bekam diese Erlaubnis nie, da habe ich nichts anderes getan, als dem Herrn Müller mitgeteilt, daß der und der aufgehört hat zu hungern und der und der dafür ist, aufzuhören zu Hungern. Ich habe nie meine Funktion darin gesehen, also nun zu sagen: Du sollst oder Du mußt oder irgendetwas, [10856] sondern ich habe gesagt: der und der hat aufgehört und mit dem und dem habe ich auch gesprochen, der ist auch dafür, unter den Bedingungen jetzt aufzuhören.

OStA Z[eis]:

Aber das Telefongespräch ...

Vors.:

Entschuldigung. Darf ich darauf hinweisen, Herr Wackernagel, nicht einschalten, solange die Bundesanwaltschaft frägt.[63] Die Antworten können Sie mitnehmen.

OStA Z[eis]:

Habe ich Sie richtig verstanden, daß das Telefongespräch Ihnen genehmigt worden ist, weil Sie sagten, Sie wollten mit Müller sprechen um ihn zum Abbruch des Hungerstreiks zu bewegen?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, nein, das steht in mehreren meiner Anschuldigungsschriften sowohl vor dem Ehrengericht als auch sonst wo, daß das die Bedingung gewesen sei, unter welcher ich da telefonieren dürfte, das war völlig anders. Ich habe mit Herrn Wunder gesprochen, ich habe ja zunächst mit Herrn Baader danach dann gesprochen, habe mit Herrn Wunder gesprochen darüber, daß ich dieses Ergebnis unserer Unterredung, unserer Unterhaltung ja nun auch mit den Mandanten besprechen[vvvv] müsse und dass die ja alle in den verschiedensten Haftanstalten quer in der Bundesrepublik verteilt sitzen und daß ich dazu eine Möglichkeit sehe, durch Telefonate, und daraufhin wurde mir das Gespräch mit Baader, den sollte ich auch nicht dazu überreden oder was weiß ich, den Hungerstreik abzubrechen, sondern ihm das mitteilen und dann ... und genau das gleiche habe ich mit Müller auch getan und die gleiche Voraussetzung galt auch für Müller, daß ich ihn darüber informiere, daß das und das vereinbart oder zugesagt worden ist und daß er danach seine Entscheidung richten kann.

Dieses Gespräch taucht übrigens in mehreren Briefen, oder zumindestens in einem habe ich es in Erinnerung, von mir auch auf.

OStA Z[eis]:

Herr Rechtsanwalt Ströbele, haben Sie selbst mal an einem Hungerstreik teilgenommen?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

OStA Z[eis]:

Könnte es sein, daß Sie in diesem Punkt Ihr Gedächtnis im Stich lässt?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

OStA Z[eis]:

Nicht. Ist es nicht richtig, daß Sie 1973 vor dem Bundesgerichtshof unter Plakaten wie „BGH = brauner Gängsterhaufen“ demonstriert und gehungert haben?

Zeuge Str[öbele]:

Nein. Nein, das ist auch falsch.

RA Dr. Te[mming]:

Die Frage ist unzulässig.

[10857] OStA Z[eis]:

Das ist nicht richtig?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

Vors.:

Die Frage ist beanstandet. Ob unzulässig, wird das Gericht dann entscheiden müssen.

Sie wollen Sie beanstanden. Bitte Begründung.

Zeuge Str[öbele]:

Ist ja schon beantwortet.

Ich kann Ihnen aber dazu erläutern, ich bin ja als Zeuge verpflichtet.

Vors.:

Es ist überholt. Die Antwort ist gegeben.

Zeuge Str[öbele]:

... die ganze Wahrheit zu sagen.

Vors.:

Verzeihen Sie, Herr Zeuge.

(zu RA Dr. Temming)[wwww] Der Herr Zeuge ist der Meinung, er habe die Antwort schon gegeben. Wollen Sie die Beanstandung aufrechterhalten?

RA Dr. Te[mming]:

Ja. Es geht darum, ob die Bundesanwaltschaft jetzt Fragen stellen kann, die mit dem Gegenstand der Beweisaufnahme nichts zu tun hat.

OStA Z[eis]:

Darf ich dazu etwas sagen, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Bitte, selbstverständlich.

OStA Z[eis]:

Der Herr Rechtsanwalt ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich war an sich aber noch ...

OStA Z[eis]:

Der Herr Rechtsanwalt Dr. ... Ich kann doch, wenn Sie was beanstanden, was[xxxx] zu sagen, weswegen aus meinen Gründen die Fragen zulässig sind.

RA Dr. Te[mming]:

Ich war mit meiner Begründung noch nicht fertig.

Vors.:

So, dann bitte, Sie haben weiterhin natürlich dann das Wort. Ich bitte um Entschuldigung.

RA Dr. Te[mming]:

Also Gegenstand der Beweisaufnahme hier sind die Aussagen des Herrn Müller in Bezug auf den Zeugen Ströbele und in Bezug auf das INFO-System und in Bezug auf die Funktion des Hungerstreiks. Ob der Zeuge selbst an einem Hungerstreik teilgenommen hat, der bestimmt nicht der Hungerstreik war, um den es hier geht, ob er vor dem Bundesgerichtshof war oder nicht war, spielt in dem Zusammenhang keine Rolle. Meines Wissens hat Herr Müller nicht ein Wort darüber geäußert.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis, bitte.

OStA Z[eis]:

Herr Rechtsanwalt Dr. Temming geht, wie schon verschiedentlich aus seinen Beanstandungen auch in letzter Woche hervorgegangen ist, offenbar davon aus, wir würden hier ein Zivilprozeß führen. Das Beweisthema hier ist doch nicht dadurch umgrenzt, daß Sie den Zeugen zu bestimmten Punkten vernommen haben wollen. Wenn der Zeuge hier ist, dann muß seine Glaubwürdigkeit und seine Erinnerungsfähigkeit über- [10858] prüft werden und dabei bin ich.

Vors.:

Die Frage erscheint zulässig. Wenn Sie das beanstanden wollen, dann entscheidet das Gericht.

RA Dr. Te[mming]:

Ich habe gesagt, sie ist unzulässig.

Vors.:

(nach geheimer Beratung) Der Senat hat entschieden,

die Frage ist zulässig.

Zeuge Str[öbele]:

Also vielleicht darf ich ...

OStA Z[eis]:

Dann muß ich ... Jetzt bin ich dran.

Sie haben gesagt, Sie hätten nicht daran teilgenommen, dann muß ich Ihnen einen Vorhalt machen, und zwar aus Ihrem Ausschlußverfahren Anlage 7. Unter Verteidigerpost an Andreas Baader haben Sie einen Brief verschickt, in dem es folgendes heißt: „Wir haben es nicht abgelehnt, uns mit den hungernden Anwälten in Karlsruhe zu solidarisieren. Wir sind vielmehr am Samstag aus Berlin zu viert nach Karlsruhe gereist, haben uns in Roben dazugestellt und eine entsprechende Erklärung an die Presse abgegeben.“

Zeuge Str[öbele]:

Ja, lesen Sie das mal ganz genau. Ich versuche ja die ganze Zeit, Ihnen das zu erklären, Sie wollen ja nicht.

Ich habe an keinem Hungerstreik teilgenommen, sondern ich habe mich mit dem Hungerstreik, der dort hungerstreikenden Kollegen solidarisiert. Das sah so aus, daß ich mit anderen Kollegen aus Berlin nach, das habe ich übrigens auch schon vorher angesprochen, nach Karlsruhe gefahren bin und mich dort dazugestellt habe, an dem Vormittag, und wir haben, glaube ich, auch ein Transparent gehabt oder so, das weiß ich jetzt nicht mehr genau. Und dieses Schild, daß Sie mir unterschieben wollen oder was immer versucht wird, den Anwälten unterzuschieben „BGH = brauner Gängsterhaufen“, das war zu diesem Zeitpunkt bereits von einem anderen Kollegen von mir, ich habe es also gar nicht mehr gesehen, bereits entfernt worden. So ist es richtig.

OStA Z[eis]:

Sind Ihnen noch andere Schilder bekannt, etwa „Wir Anwälte hungern hier“, unter die Sie sich dann gestellt haben könnten?

Zeuge Str[öbele]:

Also, ob da stand „Wir Anwälte hungern hier“ das glaube ich nicht, aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.

OStA Z[eis]:

Ist es richtig, daß Sie dort in[yyyy] Robe gestanden sind?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Das ist richtig.

Herr Ströbele, haben Sie mal in Ihren Rundbriefen Befehle des Herrn Baader weitergeleitet an andere Gefangene?

[10859] Zeuge Str[öbele]:

Nein.

OStA Z[eis]:

Nicht? Dann möchte ich Ihnen folgendes vorhalten und aus und zwar[zzzz] Anlage 15 eines Rundbriefes von Ihnen vom 21.6.73 „Zu Journalisten: Baader: Keiner spricht ein Wort mit denen oder empfängt auch nur. Ensslin und Grashof grundsätzlich selbe[aaaaa], meinen aber, man könne vielleicht was über Hungerstreik und Iso unterbringen. Halte ich für abwegig. Die Gefahr besteht, daß sie aus [bbbbb] bloßem Empfang auch ohne Sprechen schon was machen. Wie abgemagert, verzweifelt, haßerfüllt oder ruhig ihr ausgesehen hättet usw. Meinhof hat dpa-Typ und Busche durch Seibert[ccccc] an Becker verweisen lassen. Also nichts von Einverständnis mit Besuch! Baader: Schweigen in Berlin und gegenüber Journalisten als Befehl“, steht hier.

Zeuge Str[öbele]:

Das ist kein Befehl, den ich von Baader weitergeleitet habe ...

OStA Z[eis]:

Ach, nichts weitergeleitet?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

OStA Z[eis]:

Nichts weitergeleitet?

Zeuge Str[öbele]:

Das ist kein Befehl.

OStA Z[eis]:

Hier heißt es doch „Schweigen in Berlin und gegenüber Journalisten als Befehl“. „Baader: Schweigen in Berlin und gegenüber Journalisten als Befehl“, als was würden Sie denn das bezeichnen, Herr Rechtsanwalt?

Zeuge Str[öbele]:

Das ist ein Vorschlag von Baader ...

RA Geu[len]:

Ich beanstande die Unterbrechung des Herrn Bundesanwalt.

Zeuge Str[öbele]:

... ein Vorschlag von Baader in dem er sagt, daß unter Befehl ...

RA Geu[len]:

Eine Sekunde doch mal, ich habe das doch jetzt beanstandet. Der Bundesanwalt kann Fragen stellen, dann soll der Zeuge die Antworten geben, aber der Herr Bundesanwalt soll nicht immer in[ddddd] die Beantwortung der Fragen durch den Zeugen einfallen, durch seine Bemerkungen. Sie brauchen jetzt dazu jetzt auch nicht unbedingt was sagen, Sie haben das eben gemacht ...

Vors.:

Ich stelle fest, die Frage selbst wird also nicht beanstandet, die Antwort auch nicht, dann bitte ich die Antwort zu geben.

Zeuge Str[öbele]:

Das ist kein Befehl von Baader, den ich weitergeleitet habe, sondern das ist ein Vorschlag für eine verbindliche Regelung von Baader, der aber meiner Ansicht nach, meiner Erinnerung nach, nie zustandegekommen ist.

OStA Z[eis]:

Darf ich also Ihre[eeeee] Antwort so verstehen, daß, wenn Herr Baader Vorschläge gemacht hat, daß er sie dann als Befehl ...?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

OStA Z[eis]:

Nicht. Haben Sie ...

Zeuge Str[öbele]:

Sondern daß Baader meint, das solle man als verbindliche [10860] Regelung, das versteht er unter Befehl;

OStA Z[eis]:

Ah, ja, ja.

Zeuge Str[öbele]:

... verbindliche Regelung solle man das beschließen oder ins Auge fassen. So ist das. Lesen Sie doch mal den ganzen Absatz, Sie haben ihn ja vorgelesen, daraus ergibt sich das.

OStA Z[eis]:

Also ich darf nochmal zusammenfassen, wenn Herr Baader irgendetwas von Befehl schreibt, dann meint er es gar nicht so, sondern nur als Vorschlag.

Zeuge Str[öbele]:

Nein, er meint das als Vorschlag für eine verbindliche Regelung; als Vorschlag für eine verbindliche Regelung, und deshalb, das Wort Befehl heißt praktisch verbindliche Regelung.

OStA Z[eis]:

Sie haben vorhin auf entsprechende Frage des Herrn Vorsitzenden, Herr Rechtsanwalt Ströbele, gesagt, der Hungerstreik hätte nur einen Zweck gehabt, nämlich den, menschenwürdigere Zustände in den Haftanstalten.

RA Geu[len]:

Ich möchte das beanstanden, das stimmt nicht; das hat der Zeuge so nicht gesagt; die Aufhebung der Isolation hat der Zeuge gesagt ...

OStA Z[eis]:

Ja, gut, also ...

RA Geu[len]:

... meinen, wie Sie das gesagt, Herr Bundesanwalt.

OStA Z[eis]:

Einverstanden[fffff], dann Aufhebung der Isolation. Und Sie haben weiter gesagt, daß, was Ihnen der Herr Vorsitzende vorgehalten hat, das sei nur mehr oder weniger eine Folge gewesen, nämlich daß die Typen eine Möglichkeit haben zur Agitation, Organisation und Aktion im Knast. Habe ich Sie da so richtig verstanden?

Zeuge Str[öbele]:

Daß das eine Möglichkeit ... Wenn die Isolation aufgehoben würde, daß sie dann in dieser Hinsicht Möglichkeiten hätten, ja. Das ist eine Folge. Aber das war niemals Ziel des Hungerstreiks.

OStA Z[eis]:

Wie kommt es aber dann, daß Herr Baader in einem Zellenzirkular, das Sie kennen, geschrieben hat: „In meiner Einschätzung, die sich nicht geändert hat, hat dieser Streik nur einen Zweck“ - nur einen Zweck - ...

Zeuge Str[öbele]:

Ja, lesen Sie mal weiter.

OStA Z[eis]:

Wie bitte?

Zeuge Str[öbele]:

Lesen Sie mal weiter.

OStA Z[eis]:

Ja, „er soll die Typen aus der Isolation befreien, damit“ - damit, - das Ziel jetzt - „damit sie eine Möglichkeit zur Agitation, Organisation und Aktion im Knast haben.“

Zeuge Str[öbele]:

Ja, es soll die Typen aus der Isolation befreien, darum ging es.

OStA Z[eis]:

Ja, aber was sollte damit weiter bezweckt werden, „damit“ ist doch zielgerichtet, Herr Rechtsanwalt?

[10861] Zeuge Str[öbele]:

Ja, daß Hern Baader sich, also Sie unterstellen jetzt, daß dieses Schreiben von Baader ist, daß Herr Baader sich in diese Richtung Gedanken gemacht, das ergibt sich aus einer ganz anderen Reihe von Schreiben. Ich habe ja auch gesagt, daß eine ganze Reihe Leute und Mandanten auch dazu Überlegungen zusätzlicher Art hatten, was dann alles möglich wäre, aber das war nie Ziel des Hungerstreiks. Es wurde ja eine Zeitlang mal, es gab, die haben Sie sicherlich auch gefunden, es gab Erklärungen, Hungerstreikerklärungen, Presseerklärungen, die Presseerklärung wohl nicht, aber Hungerstreikerklärung und Briefe dazu, wo eine ganze Reihe von solcher Möglichkeiten oder von Zielen, die mit dem Hungerstreik verfolgt werden könnten, aufgezählt worden sind und wo das auch gefordert worden ist, daß das damit verfolgt wird.

OStA Z[eis]:

Ja, aber hier ...

Zeuge Str[öbele]:

Also z. B. ging es sehr häufig ja auch darum, allgemein für alle Gefangenen im Gefängnis was zu erreichen. Aber das immer wieder als Ziel des Hungerstreikes dann nicht proklamiert worden und das war auch nicht Ziel des Hungerstreiks. Das habe ich heute morgen schon gesagt.

OStA Z[eis]:

Kennen Sie übrigens dieses Zellenzirkular von Herrn Baader?

Zeuge Str[öbele]:

Ich kenne das Papier, was mir heute morgen auch schon vorgehalten wird, ja.

OStA Z[eis]:

Das kennen Sie?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Auf die Frage des Herrn Vorsitzenden haben Sie heute vormittag gesagt, Sie würden es nicht kennen.

Zeuge Str[öbele]:

Was?

OStA Z[eis]:

Ja, ich habe es mir wörtlich notiert.

RA Geu[len]:

... der Herr Bundesanwalt Zeis doch inzwischen mal die Stelle und die Fundstelle, wo er dieses Papier hat und was das für ein Papier ist, uns mitteilen. Wir können ja überhaupt nicht feststellen ...

OStA Z[eis]:

Ja, aber Herr Rechtsanwalt ...

RA Geu[len]:

... ob das dasselbe Papier ist, daß der Herr Vorsitzende heute morgen ja auch noch nicht vorgelegt, sondern nur mitgeteilt hat.

OStA Z[eis]:

Also dasselbe Papier ist es nicht, aber das gleiche; das ist Anlage 14, Anlage 14 ...

Zeuge Str[öbele]:

Natürlich kenne ich das, das ist ja Anlage in meinem Ermittlungsverfahren, in meinem Ehrengerichtsverfahren. Also wenn, dann war das ein Versprecher heute vormittag, aber ich glaube auch nicht, daß ich das gesagt habe.

[10862] OStA Z[eis]:

Also Sie kennen dieses Papier?

Zeuge Str[öbele]:

Natürlich.

OStA Z[eis]:

Ist Ihnen auch der Satz bekannt: „Das strategische Mittel der RAF ist eine Guerilla-Organisation, nicht der Zusammenhang ihrer hungernden Gefangenen“, nochmals „Das strategische Mittel der RAF ist eine Guerilla-Organisation, nicht der Zusammenhang ihrer hungernden Gefangenen“. Der Satz ist Ihnen auch bekannt?

Zeuge Str[öbele]:

Also, wenn Sie mir jetzt vorlesen und behaupten, daß der in dem Schreiben drin steht, dann kann ich das nur glauben oder ... es ist möglich, aber mehr kann ich dazu nicht sagen.

OStA Z[eis]:

Sie haben trotzdem keine Bedenken gehabt, dieses Papier weiterzuleiten?

Zeuge Str[öbele]:

Ich habe das Papier nicht weitergeleitet.

OStA Z[eis]:

Nicht?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

OStA Z[eis]:

Dann möchte ich Ihnen folgenden Vorhalt machen, auch wieder aus Anlage 14 dieses Ausschlußverfahrens; da ist ein handschriftlicher Zusatz am Ende: „Das andere Papier hattest Du doch schon“, Überschrift: „Organisieren der Anwälte“. Dieses Schreiben trägt die Überschrift zu den Anwälten organisieren: „wenn nicht, beim nächsten Mal“. Daraus muß man doch den Schluß ziehen, entweder hatten Sie das Papier schon verschickt oder aber beim nächsten Mal.

Zeuge Str[öbele]:

Aber, Herr Zeis ...

OStA Z[eis]:

Ja, was denn?

Zeuge Str[öbele]:

... da ergibt sich nichts anderes draus, als daß der Mann, an den ich das geschrieben hatte, das schon gehabt hat.

OStA Z[eis]:

Ja, also gar nicht.

Zeuge Str[öbele]:

Doch. Da ergibt sich doch ...

OStA Z[eis]:

Wenn nicht ... Wenn nicht ...

Zeuge Str[öbele]:

... nicht raus, daß ich verschickt habe, wenn ich noch deutsch rede.

OStA Z[eis]:

Wenn nicht, beim nächsten Mal.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, es ergibt sich daraus, daß ich beim ... da gehe ich davon aus, daß der Mann das schon hat, das Papier.

OStA Z[eis]:

Nein.

Zeuge Str[öbele]:

Doch.

OStA Z[eis]:

Sie sagen: Wenn nicht, das andere Papier hattest Du doch schon, wenn nicht, beim nächsten Mal.

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Ja, was?

[10863] Zeuge Str[öbele]:

Also, „Du hattest es doch schon“.

OStA Z[eis]:

Nein, wenn er es nicht hat, dann beim nächsten Mal.

RA Geu[len]:

Herr Bundesanwalt Zeis, ich möchte das jetzt beanstanden.

OStA Z[eis]:

Ja, dann tun Sie doch.

RA Geu[len]:

Wenn Sie fragen wollen, dann müssen Sie Fragen stellen, aber nicht Ihre eigene Interpretation von irgendwelchen Papieren hier zum Besten geben ...

OStA Z[eis]:

Ich gebe überhaupt nichts zum Besten, Herr Rechtsanwalt Geulen, merken Sie sich das mal.

RA Geu[len]:

Ich bin noch am beanstanden.

Unruhe im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte um Ruhe im Saal.

Zeuge Str[öbele]:

Also ich kann mit dem Satz nichts anfangen. Aus dem Satz ergibt sich für mich nicht[ggggg], daß ich das Papier verschickt habe.

RA Geu[len]:

Ich möchte ferner beanstanden, wenn ich das noch zu Ende führen darf, daß der Herr Bundesanwalt Zeis Fragen stellt, die der Herr Zeuge zum Teil nicht beantworten kann, die zum Teil eben nur Herr Baader oder sonst wer beantworten kann. Der Zeuge hat doch eben klar gesagt, daß das seine Interpretation ist, was soll er auch sonst sagen. Er kann ja nur seine Sicht dieses Hungerstreiks und seine Interpretation davon geben. Und was andere in irgendwelchen Papieren schreiben, spielt dafür keine Rolle.

OStA Z[eis]:

Ich habe, Herr Rechtsanwalt Geulen, an und für sich den Herrn Rechtsanwalt Ströbele als Rechtsanwalt für so fähig gehalten, zu unterscheiden, was er selbst begründen kann und was nicht.

RA Geu[len]:

Herr Zeis, darf ich Ihre Fragen, Ihre unzulässigen Fragen, nicht mehr beanstanden oder was wollen Sie damit sagen?

Vors.:

Ich darf jetzt darauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt Geulen, im Grunde genommen geht es im Augenblick bei Ihnen durchweg nicht um Beanstandungen konkreter Fragen, sondern Sie sind mit der Art, wie befragt wird, nicht einverstanden. Das, wenn Sie irgendwie geltend machen wollen, nicht in der Form von Beanstandungen von Fragen, die längst beantwortet sind. Es ist doch jede Antwort schon gegeben. Der Herr Bundesanwalt Zeis ist mit dieser Sache im Augenblick, so wie ich sehe, nicht mehr befasst und der Herr Zeuge hat sich auch darauf eingelassen.

RA Geu[len]:

Ja, bitte. Aber ich werde doch wohl Äußerungen von Herrn Bundesanwalt Zeis, die keine Fragen sind, beanstanden können, wenn sie keine Fragen sind, übrigens auch, wenn der Zeuge sie schon beantwortet, was in dem Fall nicht der Fall war. Ich werde den Zeugen dabei unter- [10864] brechen dürfen, wenn er Antworten gibt auf Fragen, die ich für unzulässig halte.

Vors.:

Gut, es wird zur Kenntnis genommen, daß Sie die Art der Befragung jetzt im Augenblick kritisieren wollen, aber eine Beanstandung im technischen Sinne ist es nicht, über die entschieden werden könnte, denn alles ist längst gelaufen und erledigt.

Bitte weitere Fragen.

OStA Z[eis]:

Nochmals zu diesem Satz. Haben Sie diesen Satz, „Wenn nicht, beim nächsten Mal“ handschriftlich unter dieses Schreiben gesetzt?

Zeuge Str[öbele]:

Ich erinnere mich daran nicht konkret, aber aus der Handschrift entnehme ich, daß ich das geschrieben habe.

OStA Z[eis]:

Hätten Sie die Liebenswürdigkeit, diesen Satz zu erklären?

Zeuge Str[öbele]:

Dazu kann ich nichts erklären.

RA Dr. Te[mming]:

Ich beanstande diese Form und den Inhalt. Das ist weder eine Frage noch sonst was. Wenn es als Frage gemeint ist, dann kann sie nur darauf abzielen, ob der Herr Ströbele bereit sei, das aber wiederrum ist nicht eine Frage nach[hhhhh] einer[iiiii] Tatsache, sondern ob er will oder nicht.

Vors.:

Es ist die Bitte an den Herrn Zeugen, diesen Satz zu erläutern. Diese Bitte ist zulässig.

RA Geu[len]:

Aber der Ton, Herr Vorsitzender, in dem der Herr Bundesanwalt die Frage geäußert hat, ist nicht zulässig.

RA Dr. Te[mming]:

... ist nicht zulässig.

RA Geu[len]:

Und das könnten Sie vielleicht auch als Vorsitzender selbst, Ihrerseits beanstanden ...

Vors.:

Er hat gesagt: ...

RA Geu[len]:

Der[jjjjj] Inhalt der Frage wird nicht beanstandet.

Vors.:

... „Hätten Sie die Liebenswürdigkeit, diesen Satz zu erläutern“. Ich sehe daran nichts zu beanstanden ...

RA Dr. Te[mming]:

Aber ich, und ich ...

Vors.:

... „haben Sie die Liebenswürdigkeit, den Satz zu erläutern.“

Zeuge Str[öbele]:

Ich kann dazu nicht mehr sagen ...

RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender, ich habe das ...

Zeuge Str[öbele]:

... als was ich schon gesagt habe. Für mich ergibt sich die Folgerung nicht daraus.

RA Dr. Te[mming]:

... gerügt als unzulässig, und folglich ist es die Pflicht von Ihnen ...

Vors.:

Ich habe bereits gesagt, es ist zulässig. Sie haben jetzt die Möglichkeit ...

RA Dr. Te[mming]:

Die Pflicht von Ihnen ...

Vors.:

... meine Entscheidung zu beanstanden.

[10865] RA Dr. Te[mming]:

Ich darf Sie gleich nochmal darauf aufmerksam machen, daß das keine Frage von Beanstandung ist, sondern im Text heißt es; „Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet in allen Fällen das Gericht“. Ich äußere meine Überzeugung, daß diese Form der Frage, ich interpretier es mal, die Frage[kkkkk] obwohl es keine ist, daß[lllll] diese Form der Frage sowohl von der Form als auch von Inhalt her unzulässig ist. Zur Zulässigkeit einer Frage gehört, und das haben Sie bisher immer übersehen, auch die Form. Zum Inhalt möchte ich nur kurz sagen, es geht hier nicht, bei der Aufforderung hätten Sie ... also wenn ich die Form richtig nehme, „wären Sie so liebenswürdig, das zu interpretieren oder zu erläutern“, dabei geht es nicht um die Bekundung einer Tatsache, nur danach können Zeugen gefragt werden, sondern um die Frage, ob Herr Ströbele einen bestimmten Willensentschluß fassen will oder nicht, das ist aber keine Tatsache, die hier irgendwo zur Sache gehört.

Vors.:

(nach geheimer Beratung) Beschluß:[mmmmm] Die Bitte, die gleichzeitig die Bitte darum ist, daß der Herr Zeuge sein Wissen über den Sinn dieses von ihm möglicherweise geschriebenen Satzes betrifft, ist zulässig.

Bitte, wenn Sie so liebenswürdig sind und ... Das hat der Senat entschieden.

Zeuge Str[öbele]:

Also ich kann mich an den Satz, daß ich den oder die Worte, das ist ja kein Satz, daß ich den geschrieben habe, konkret nicht erinnern. Ich entnehme aber aus der Handschrift, ich habe das Ding ja auch schon danach mal in der Hand gehabt, daß ich das geschrieben habe. Ich kann jetzt nur eine Interpretation so geben, wie sie jeder andere aus den Sätzen geben kann oder aus den Worten geben kann und danach ergibt sich daraus für mich nicht, daß ich was verschickt habe.

OStA Z[eis]:

Nochmals zum Inhalt und Zweck des INFO. Unter anderem haben Sie gesagt, Schulungsprogramm. Ist es richtig, daß Sie in einem[nnnnn] Schreiben auch mal das als „konkrete Gruppenschulung“ bezeichnet haben?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Würden Sie sagen, daß unter „konkrete Gruppenschulung“ auch Dinge drunterfallen, wie Strategie und Taktik der Guerilla hier zu entwickeln?

Zeuge Str[öbele]:

Sie versuchen jetzt, aus einem Brief von mir, dem berüchtigten Brief vom 16.6.1973, das Zitat, das überall breitgetreten worden ist, der Brief soll ja angeblich in der Vorwerkstraße in Berlin gefunden worden sein. Und aus diesem Brief entnehmen Sie dieses Zitat, und dieses Zitat versuchen Sie jetzt, in dem Sie einzelne Wort herausklauben, so zu interpretieren, wie das in der Presse, in der Öffent- [10866] lichkeit und auch von führenden Herren der Behörden, möchte ich es mal ganz allgemein sagen, interpretiert worden ist. Diese Interpretation ist aber falsch, Herr Zeis, und ich habe das in meiner richterlichen Aussage, in meinem eigenen Strafverfahren, Ermittlungsverfahren in Berlin auch ganz eindeutig und ganz klar gesagt, was mit diesem Satz gemeint ist.

Ich finde jetzt den Satz nicht, ich muß nochmal sehen.

Jedenfalls die Interpretation ist total falsch. Damit ist nicht etwa gemeint, mit dem Satz, ich habe ihn nur allgemein inhaltlich im Kopf, mit dem Satz ist nicht etwa gemeint, daß in irgendeiner Anwaltskanzlei oder beim INFO Material gesammelt werden soll und das soll Leuten draußen, d. h. irgendwelchen im Untergrund sich befindlichen oder auch sonstigen anderen Personen draußen zur Verfügung gestellt werden, sondern mit Leute, die auf nichts schärfer sind, als irgendwo gesammelt - ich glaube, jetzt fällt es mir sogar wörtlich ein - die irgendwo gesammelt Material zur Stadt-Guerilla oder so ähnlich, finden wollen. Mit „Leute“ sind die Herren, die Ihnen unterstellt sind, vom Bundeskriminalamt gemeint. Und das habe ich bereits in meiner richterlichen Vernehmung betont und wenn Sie mir ... das ist eindeutig so gemeint, da erinnere ich mich ganz genau, weil ich da von einer Fahrt von Meins zurückgekommen, von Holger Meins zurückgekommen bin und er mir dieses gesagt hat. Es gab nämlich Leute, die in der ... in den Vorüberlegungen zum INFO, das habe ich heute morgen auch schon gesagt, die in den Vorüberlegungen sich gedacht hatten, man könnte doch irgendwo diese ganzen Erfahrungen, die die einzelnen Leute, sei es außerhalb der Haftanstalt, sei es innerhalb der Haftanstalt gemacht haben, aufzeichnen, so in Form von Erfahrungsberichten, Erlebnisberichten und die könnten dann irgendwo niedergelegt, gesammelt werden und archiviert werden und für irgendjemand zur Verfügung gehalten werden, sei es auch nur für die Geschichte. Das war eine Überlegung und gegen diese Überlegung hat sich Holger Meins in einem Gespräch mit mir sehr heftig gewandt und hat gesagt: Da kommen die irgendwann mal, die Herren vom Bundeskriminalamt, die Ermittlungsbehörden und holen sich die Sachen; die sind auf nichts so scharf, als mal diese ganzen Erfahrungen ausgewertet und gesammelt irgendwo zu finden. Und deshalb darf das nicht geschehen.

Und mit meinem Satz, der allerdings natürlich all das so ausführlich nicht gebracht hat, weil der ja an eine, andere Gespräche anschloß, da will ich das zum Ausdruck bringen, daß es Leute gibt, die auf nichts [10867] was schärfer sind, als das irgendwo gesammelt zu finden, und mit „Leute“ sind die Herren vom BKA gemeint oder Verfassungsschutz oder ähnliches. Und so ist dieser ganze Passus zu interpretieren. Und wenn Sie mir in irgendeinem Schreiben, sei es von mir, sei es von jemand anders auch nur eine Andeutung, daß da was Gegenteiliges gemeint sein könnte, bringen, dann wäre ich Ihnen dankbar. Das gibt es nämlich nicht, weil es das nicht geben kann.

OStA Z[eis]:

Herr Rechtsanwalt Ströbele, Sie haben jetzt zwar eine langatmige Erklärung abgegeben, aber auf meine Frage sind Sie nicht eingegangen. Sie täuschen sich, dazu habe ich überhaupt gar keine Frage gestellt, was Sie eben hier beantwortet haben.

Zeuge Str[öbele]:

Das ist doch aus dem Brief vom 16.6.

OStA Z[eis]:

Nein, nein, das ist ein Zellenzirkular des Herrn Baader.

Zeuge Str[öbele]:

Da kann ich Ihnen nichts dazu sagen.

Sie haben mich gefragt, ob ich in einem meiner Briefe von „konkreter Gruppenschulung“ und da habe ich Ihnen gesagt, ja. Und was Herr Baader, nach Ihrer Auffassung in irgendeinem Schreiben geschrieben hat, das kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht auswendig.

OStA Z[eis]:

Das können Sie nicht sagen, ja.

Sie haben vorhin, Herr Rechtsanwalt Ströbele gesagt, der Herr Müller hätte Sie mit einer ungewöhnlichen Anrede in diesem letzten Brief angesprochen, nämlich mit „Sehr geehrter Herr Ströbele“.

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Was sind denn eigentlich die normalen Anreden zwischen Ihnen und Herr Müller gewesen?

Zeuge Str[öbele]:

1. hat sowohl[ooooo] Herr Müller als auch alle anderen Gefangenen mich grundsätzlich gedutzt und ich sie auch; und Überschriften, die Briefe hatten meistens, also in 95 % der Fälle keine Überschriften, aber der ganze Ton, der in der Anrede „Sehr geehrter Herr ...“ zum Ausdruck kommt, der war nicht üblich zwischen uns.

OStA Z[eis]:

Es gab also auch deftigere Anreden?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Ganz allgemein zwischen RAF-Angehörigen und Ihnen?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ja, sehr viel deftigere.

OStA Z[eis]:

Sehr viel deftigere?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

Ende Band 628

[10868] OStA Z[eis]:

Sogar so deftig, daß man unter Umständen schon von Beleidigung sprechen könnte.

Zeuge Str[öbele]:

Aber sicher. Also in Ihrem Sinne des Strafgesetzbuches, ja.

OStA Z[eis]:

Sie meinen, in Ihrem Sinne wäre das keine Beleidigung, wenn die Frau Meinhof Sie anspricht: „Christian Du bist wirklich eine Sau“. Sie meinen, das sei keine Beleidigung?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, nein. Das kann ich Ihnen auch erklären, warum das keine Beleidigung ist, weil Ulrike Meinhof, wenn Sie den Brief weiterlesen, dann bringt Ulrike Meinhof darin zum Ausdruck, daß die Isolation weiter andauert, und daß ich - und sie wirft mir da ganz konkret vor, und darauf bezieht sich auch diese Anrede - daß ich nicht genügend dazu getan hab; da kommen also dann so Sätze, nun beweg dich mal, tue mal was, um diese Isolation zu beenden. Und in der Tat, ich mein, ich hab dann, wenn Sie meine Antwortschreiben dann gelesen haben, mich gegen den Ton verwehrt, aber inhaltlich habe ich ihr voll das Recht zugestanden, mich hart zu kritisieren. Nicht etwa, weil ich wenig getan habe, sondern weil in der Situation, in der sich Frau Meinhof da befunden hat, habe ich jede Kritik, wo sie wirklich nicht nur mit ihrer Gesundheit, sondern mit ... mehr für sie auf dem Spiel stand, daß sie mich ganz harter Kritik unterwirft. Und ich habe in meinem Antwortschreiben - ich erinnere mich jetzt - mich zwar gegen den Ton verwehrt und habe dann im einzelnen aufgezählt, was ich alles gegen die Isolation in den Wochen damals getan habe, kam mir aber da selber sehr blöde vor, nun darauf so zu antworten. Weil im Ergebnis habe ich ihr leider nicht helfen können. Und so ist das zu verstehen. Wenn Sie natürlich jetzt irgendwo den Ausdruck „Du Schwein“, den der Herr Müller auch gebraucht hat, rausnehmen und sagen, die hat sogar zu ihrem Anwalt „Du Schwein“ gesagt, das zeigt doch das Abhängigkeitsverhältnis, dann ist das eben eine gewollte Herauslösung aus dem Zusammenhang. Und in dem Zusammenhang, in dem das damals stand, war das[ppppp] für mich verständlich und auch verdaubar, möchte ich mal sagen.

OStA Z[eis]:

Nochmals zu dem Satz des Herrn Meins. Dieser Punkt, den Sie vorhin erklärt haben. Sie sagten also, Herr Meins hätte sich dagegen gewehrt, daß so irgend etwas gesammelt wird. Ist Ihnen bekannt, daß Herr Baader aus der Haft so eine Art Nachschlagewerk „Minihandbuch des revolutionären Kampfes BRD Metropole“ rausgeben wollte?

Zeuge Str[öbele]:

Ob Herr Baader, das kann ich Ihnen nicht mehr sagen. Aber [10869] solche Überlegungen waren auch mal, sind mir bekannt. Die sind angestellt worden. Hatten aber nichts weder was[qqqqq] mit INFO zu tun, noch ist mir irgend etwas bekannt, daß das auch nur in Angriff genommen worden ist, oder daß es gar auch nur beschlossen wurde.

OStA Z[eis]:

Ich habe vorläufig keine Fragen mehr, danke.

Vors.:

Weitere Fragen? Herr Bundesanwalt Holland?

OStA Ho[lland]:

Herr Zeuge, ich darf zunächst doch mal auf die Anredeform „Du“ oder „Sie“ zurückkommen. Und zwar haben Sie heute ganz konkret geschildert, daß Sie den Gerhard Müller erst nach dessen Verhaftung erstmals kennengelernt haben. Sie haben dann weiter bekundet, daß dieses erste Kennenlernen erfolgt sei in der Untersuchungshaftanstalt in Bonn. Und wenn ich Sie recht verstanden habe, dann haben Sie sich nach Ihrer Darstellung dem Gerhard Müller so vorgestellt, daß Sie gesagt haben: „Ich bin der Ströbele.“ Ist das also so richtig?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

OStA Ho[lland]:

Und dann gehen Ihre weiteren Bekundungen dahin, daß Sie sich, wie gesagt, miteinander in der „Du-Form“ unterhalten haben, nicht etwa in der „Sie-Form“. Und mir, Herr Ströbele, fällt nun auf - und das erscheint mir sehr ungewöhnlich -, daß Sie nun einem für Sie doch im Grunde wildfremden Menschen gleich in der „Du-Form“ gegenübertreten, und daß andererseits dieser Gefangene, dem Sie ebenfalls nun mehr oder weniger fremd sind, daß Ihnen dieser Gefangene ebenfalls in der „Du-Form“ gegenüber tritt.

Zeuge Str[öbele]:

Also zunächst darf ich Ihnen vielleicht helfen ...

RA Geu[len]:

... Fragen gestellt werden ...

OStA Ho[lland]:

Das habe ich getan.

RA Geu[len]:

Nein, Sie haben gesagt, Ihnen ist etwas aufgefallen. Das ist auch Ihr gutes Recht. Sie müssen Fragen stellen, und Sie können auch Vorhalte machen ...

OStA Ho[lland]:

Ja, und das ist die Frage ... eben.

RA Geu[len]:

Und ich halt’s auch[rrrrr] für unzulässig, Sie haben sich ebenso ...

OStA Ho[lland]:

Herr Geulen, auf Ihre Kindereien möchte ich mich nun wirklich nicht einlassen.

RA Geu[len]:

Entschuldigung, ich beanstande das ...

Vors.:

Ich bitte, ich bitte also den Ton jetzt nicht zu verschärfen, [10870] aber Herr Rechtsanwalt Geulen ...

RA Geu[len]:

Ich möchte es gerne zu Ende führen ...

Vors.:

... Es ist nun so ...

RA Geu[len]:

... Es wird vielleicht etwas antizipieren?[sssss] von dem, was Sie sagen. Ich möchte zweitens sagen, daß ich es für unzulässig halte, wenn die Bundesanwaltschaft, die sich eben auf ihr gutes Gedächtnis berufen hat, jetzt langatmige Wiederholungen von Aussagen des Zeugen wiedergibt, und am Ende nicht mal eine Frage stellt, sondern sagt, mir fällt auf. Ich bitte doch Fragen zu stellen und bitte Sie, Herr Vorsitzender, darauf zu wirken, daß die Bundesanwaltschaft nicht dauernd die Aussagen wiedergibt und keine Fragen stellt, sondern Aussagen macht oder Auffälligkeiten wiedergibt.

Vors.:

Es ist eine Frage gestellt worden, verknüpft mit einem längeren Vorhalt aus der Erinnerung, die der Fragende heute früh gewonnen hat. Das ist zulässig. Es ist natürlich wünschenswert, wenn es möglichst kurz gefaßt werden kann, und die Frage auch möglichst klar daran anhängt. Aber das ist jedermanns Sache selbst. Das ist keine Frage, daß das der Vorsitzende nicht zu steuern vermag.

RA Geu[len]:

Es ist eben keine Frage gestellt worden.

Vors.:

Es ist eine Frage gestellt worden.

RA Geu[len]:

Aber in Aussageform.

Vors.:

Herr Zeuge, haben Sie die Frage, die gemeint war verstanden; wenn nicht dann ...

Zeuge Str[öbele]:

Wenn ich versuche, eine Frage daraus zu filtern, dann geht das wohl dahin, wie ich mir erkläre, daß sowohl ich als auch Herr Müller, obwohl wir uns vorhin nie gesehen haben, uns geduzt haben.

OStA Ho[lland]:

Völlig richtig, Herr Zeuge. Offensichtlich ist Ihre Auffassungsgabe doch größer als die von Herrn Rechtsanwalt Geulen.

-Gelächter im Sitzungssaal-

Vors.:

Ich bitte um Ruhe.

RA Dr. H[eldmann]:

Hat der Spaßvogel da drüben noch was auf Lager von dieser Qualität?

Vors.:

Ich nehme jetzt das zur Kenntnis, daß Sie drüben einen der Beteiligten auf der Anklagebank, von den Anklagevertretern als Spaßvogel bezeichnet haben und zwar als „Spaßvogel da [10871] drüben.“ Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie werden wieder kommen und sagen, ich hätte vorher anderes kritisieren müssen. Ich habe es getan und habe gebeten, man soll den Ton nicht verschärfen. Aber was Sie hier jetzt machen, das geht nun wirklich wieder in das Gebiet der allgemeinen Beleidigung hinein. Sie können hier keinen Prozeßbeteiligten als den „Spaßvogel da drüben“ bezeichnen. Ich rüge das ausdrücklich.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, dazu möchte ich zwei Sätze sagen. Beim ersten Versuch, spaßig zu sein, des Herrn Holland, habe ich den Mund gehalten. Beim zweiten nicht mehr, als Herr Holland beleidigend gegenüber Herrn Geulen geworden ist, als er sagte, ich freue mich, Herr Zeuge, bei Ihnen feststellen zu können, daß Ihre Auffassungsgabe größer oder besser ist, als die des Rechtsanwalts Geulen. Das ist eine Beleidigung in der öffentlichen Hauptverhandlung. Herr Vorsitzender, hätten Sie hier gerügt, hätte ich mir meine Qualifizierung einer solchen Prozeßäußerung ersparen können.

Vors.:

Diese Qualifizierung, wie Ihre Prozeßäußerung, ist nicht meine Sache. Darüber können andere Instanzen sich Gedanken machen. Das wird möglicherweise auch passieren. Soviel steht jedenfalls fest, daß Herr Rechtsanwalt Geulen die Behauptung aufstellte, es sei aus dem Vorhalt und dem Anknüpfen der Frage kein Sinn zu entnehmen gewesen, es sei keine Frage gestellt worden. Es hat sich gezeigt, daß Herr Rechtsanwalt Ströbele ...

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, das ist doch nicht wahr in dieser Form ...

Vors.:

... durchaus den Sinn des Vorhalts und der Frage verstanden hat. Das wurde bestätigt und dazu dieser Kommentar. Ob der sein muß oder nicht, ist eine andere Frage. Beleidigend war er jedenfalls nicht.

Bittesehr, wenn Sie die Antwort geben würden?

Zeuge Str[öbele]:

Ich darf zunächst richtig stellen, daß in dem ersten Brief, den Herrn Müller mir geschrieben hat, vom 16.6.1972 ...

OStA Ho[lland]:

Entschuldigung Herr Zeuge, es geht um „Sie“ und „Du“.

Zeuge Str[öbele]:

... er[ttttt] mich auch gesiezt hat. Da steht nämlich drin: „Ich möchte Sie bitten, mich umgehend wegen einer Rechtsberatung zu besuchen. Mit aufrichtigen Grüßen.“

[10872] Jetzt zu der Frage, warum ich Herrn Müller und übrigens auch alle anderen Gefangenen und zahlreiche andere Mandanten duze. Das hängt zusammen mit einer gemeinsamen Politisierungs-Vergangenheit, möchte ich es mal so allgemein ausdrücken, daß ich, wie auch alle Gefangenen aus einer gemeinsamen Vergangenheit, nämlich der Studentenbewegung[64], kommen, daß wir uns alle - und das habe ich auch von Herrn Müller seinerzeit angenommen - als Sozialisten verstehen, und daß wir von daher die Anrede „Du“ und übrigens auch sehr häufig die Anrede „Genosse“ gebraucht haben. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, weil das zu sehr in die Mandatsverhältnisse sonst reingeht.

OStA Ho[lland]:

Herr Ströbele, war Ihnen oder ist Ihnen bekannt, daß Herr Gerhard Müller ja niemals Student war? Weil Sie gerade von der gemeinsamen Vergangenheit in der Studentenbewegung sprechen.

Zeuge Str[öbele]:

Ich sehe leider keine Möglichkeit mehr, diese Fragen zu beantworten.

RA Dr. Tem[ming]:

Die Frage beanstande ich, die hat jetzt wirklich nichts mehr mit der Sache zu tun.

Vors.:

Die Frage ist bereits beantwortet, indem der Zeuge gerade sagte, er sei beim ersten Besuch davon ausgegangen, auch Herr Müller gehöre zu dieser Bewegung, studentischen Bewegung.

Zeuge Str[öbele]:

Gemeinsamen Vergangenheit, ja. Studenten-, Schüler- und Lehrlingsbewegung.

OStA Ho[lland]:

Dann, Herr Ströbele, noch eine letzte Frage. Sie haben heute zu Beginn Ihrer Vernehmung davon gesprochen, daß Sie seinerzeit einmal eine Strafanzeige erstattet haben und zwar, wenn ich Sie recht verstanden habe, gegen Beamte der früheren Sicherungsgruppe. Können Sie uns bitte etwas, soweit Ihnen das bekannt ist, über den Ausgang dieses Verfahrens mitteilen?

Zeuge Str[öbele]:

Nein. Ich habe versucht, diese Unterlagen hier vor diesem Verfahren heute zu finden. Ich hab sie leider nicht gefunden; ich befürchte, daß sie irgendwann mal mitgenommen worden sind. Sie waren ja bei mir in der Praxis, vielleicht haben Sie das getan, ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich diese Akte nicht gefunden. So aus sehr dunklen Erinnerung weiß ich, daß aus dem Verfahren natürlich keinerlei Strafverfahren oder mehr gegen einen der Beamten geworden ist. Ich weiß nur, daß es sehr stark auch [10873] Thema und Teil der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung in dem Strafverfahren gegen Horst Mahler in Berlin gewesen ist.

OStA Ho[lland]:

An einen förmlichen Einstellungsbescheid erinnern Sie sich also nicht?

Zeuge Str[öbele]:

Kann ich mich nicht erinnern, aber ich nehme an, daß es sowas gibt.

OStA Hol[land]:

Dann noch, Herr Ströbele, zu Ihrer Beruhigung. Also diese Dinge sind mit Sicherheit nicht mitgenommen worden.

Vors.:

Gut. Weitere Fragen?

Herr Bundesanwalt Zeis?

OStA Z[eis]:

Ich habe noch eine letzte Frage, Herr Vorsitzender.

Herr Rechtsanwalt Ströbele, Sie haben heute morgen auf die Frage des Herrn Vorsitzenden gesagt, keiner konnte davon ausgehen, daß es beim Hungerstreik Tote geben könnte.

Zeuge Str[öbele]:

Habe ich nicht gesagt.

OStA Z[eis]:

Nicht?

Zeuge Str[öbele]:

Nö.

Vors.:

Es war sogar im Gegenteil so, daß der Herr Zeuge meinte, nach dem Tod von Meins hätte jeder damit rechnen müssen.

OStA Z[eis]:

Dann frage ich umgekehrt. Haben Sie vor dem Tod von Meins nicht damit gerechnet, daß unter Umständen jemand, der hungern könnte, zu Tode kommen könnte?

Zeuge Str[öbele]:

Ich habe mir diese Frage konkret nicht gestellt. Bewußt nicht gestellt.

OStA Z[eis]:

Ist Ihnen bekannt, daß Herr Baader sich diese Frage konkret gestellt hat, also folgendes ausgeführt hat?

Zeuge Str[öbele]:

Nein. Das ist ...

OStA Z[eis]:

„Ich denke, wir werden“ ... Pardon lassen Sie mich den Vorhalt machen - „Ich denke, wir werden den Hungerstreik diesmal nicht abbrechen, d.h., es werden Typen dabei kaputt gehen. Der Zusammenbruch heißt dann nur, daß die Typen als Fighter erledigt sind.“ Ist Ihnen das bekannt, daß Herr Baader so etwas gedacht und niedergeschrieben hat?

Zeuge Str[öbele]:

Mir ist bekannt, daß es eine solche Äußerung gibt, die Andreas Baader zugeschrieben wird.

OStA Z[eis]:

Ist Ihnen bekannt?

[10874] Zeuge Str[öbele]:

Ja, nach ... jetzt, also inzwischen.

OStA Z[eis]:

Danke, ich habe keine weiteren Fragen mehr.

Vors.:

Die Herrn Verteidiger, bitteschön. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Ströbele, nachdem Sie, offenbar wohl zur Verwunderung des Herrn Bundesanwalts, ausgesagt haben, Sie hätten mit dem Tod eines Gefangenen durch den Hungerstreik nicht gerechnet, meine Frage an Sie: Haben Sie damals vor dem Tod damit gerechnet, daß die Bundesanwaltschaft die gerichtlich verfügte Verlegung von Meins in ein Hospital verzögert hat?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, ich kannte zu dem damaligen Zeitpunkt während des Hungerstreiks auch nicht die Verlegungsverfügung hier des Senats, die ja, ich glaube eine Woche lang oder länger, ignoriert worden ist, und wonach Holger Meins hier eigentlich in der Haftanstalt Stammheim zu dem Zeitpunkt sein sollte, zu dem er dann gestorben ist.

Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt um 14.43 Uhr den Sitzungssaal.

Zeuge Str[öbele]:

Und ich teile die Meinung, daß damit Holger Meins am Leben geblieben wäre, wenn diese Verlegung, wie der Senat das angeordnet hatte, rechtzeitig erfolgt wäre.

Vors.:

Sie haben damit schon richtig gestellt, daß diese Verlegungsanordnung die Verlegung nach Stammheim betroffen hat, und nicht in ein Hospital.

RA Dr. H[eldmann]:

Gemeint ist dieses Gefängnishospital. Nennen Sie es Lazarett?

Vors.:

Ich habe gesagt, die Verlegung nach Stammheim. Wie ich es nenne, ist doch jetzt unwesentlich. Es war so gefragt, ob die Verlegung in ein Hospital ihm bekannt gewesen wäre oder in dem Zusammenhang irgend welche Erwägungen angestellt worden sind.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben, Herr Zeuge, meine Frage richtig verstanden. Gemeint ist das Gefängnishospital in Stammheim. Das ist ja bekannt.

Vors.:

Ja, das habe ich festgestellt, das sei schon berichtigt dann ...

RA Dr. H[eldmann]:

Sie ...

Vors.:

Darf ich im übrigen dabei darauf hinweisen, die Verlegungsanordnung, Herr Rechtsanwalt, ging nicht in das Gefängnishospital, sondern hierher in die Vollzugsanstalt Stuttgart.

Bundesanwalt Dr. Wunder erscheint 14.44 Uhr wieder im Sitzungssaal.

[10875] Zeuge Str[öbele]:

Wo seinerzeit aber eine Intensivstation eingerichtet war.

Vors.:

Das ist in jeder Anstalt. Die Verlegung war nicht in das Hospital oder in das Revier gedacht, sondern hierher in die Vollzugsanstalt. Es bestanden damals keine anderen Gründe.

Bittesehr, weitere Fragen?

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben die Frage beantwortet, ob Baader aus der Haft heraus eine Schrift herausgeben wollte. Meine Anschlußfrage, hat er sie herausgegeben!

Zeuge Str[öbele]:

Ich habe, der Herr Bundesanwalt meinte wohl, daß Baader diese Idee gehabt hat. Dazu konnte ich ... ich habe nur gesagt, ich habe mal gehört, daß solche Erwägungen angestellt worden sind. Ich meine sogar, daß es nicht von Baader gewesen ist, sondern daß das ... andere so was überlegt hatten. Also ich will jetzt hier keine Namen nennen, weil das unter mein Anwaltsgeheimnis fällt; aber ich weiß oder jedenfalls gehe ich davon aus, das ist mein sicheres Wissen, daß so etwas nie geschehen ist. Ganz egal wer jetzt die Idee hatte und wer das erwogen hatte. Ich weiß sogar darüber hinaus, daß auch sowas nie irgendwo beschlossen worden ist, geschweige denn verwirklicht worden ist. So habe ich es ausgedrückt. Und ob nun das von Baader war, ich glaube sogar eher nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Wußten Sie zu jener Zeit schon, daß Müller aus der Haft heraus Interviews an Zeitungen und Zeitschriften gibt?

Zeuge Str[öbele]:

Das ist mir, erste Gerüchte darüber, bevor ich es dann in der Zeitung gelesen habe, habe ich, ach ne ... ich habe es sogar schriftlich bekommen, im Dezember 1974, Januar 1975; da habe ich so etwas gehört. Herr Müller hat ja seinerzeit, das habe ich auch, auch einen Brief an Jean Paul Sartre geschrieben, in dem er sich ihm angeboten hat, als Gesprächspartner, nachdem Sartre bei Baader gewesen ist.[65] Ein längerer Brief, der an den gegangen ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Wissen Sie genau, ich mein also jetzt nicht Schlußfolgerungen und nicht Vermutung, wissen Sie genau, wie es zu diesen Pressekontakten des Herrn Müller gekommen ist?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ich weiß, daß Müller von Anfang an, ich habe ja vorhin einige Textstellen dazu verlesen - da gibt es noch sehr viel mehr in seinen Briefen -, daß er unter anderem über den Journalisten Ruch, der spielte dann eine erhebliche Rolle in einer ganzen Reihe von seinen Briefen, daß dieser Journalist [10876] Ruch sich vorgestellt hat, zunächst als ein Herr vom „Spiegel“ wohl und später von anderen Zeitungen, und daß der seltsamerweise auch bereits im August, glaube ich, also jedenfalls Sommer 1972 unmittelbar nach der Inhaftierung von Müller eine Sprecherlaubnis sogar bekommen hat, was für alle anderen Gefangenen, auch für Müller, sonst völlig unmöglich war. Herr Ruch hatte die bekommen. Herr Müller hat ihn aber, ich weiß jetzt nicht, ob er ihn empfangen hat, ganz kurz, und dann wieder abgewiesen hat, oder ob er ihn überhaupt nicht empfangen hat. Jedenfalls weiß ich von Herrn Müller aus sehr langen Briefen, aus ausführlichen Schilderungen, daß sich Herr Ruch dann mit den Eltern von Herr Müller in Verbindung gesetzt hatte, und denen 10000 DM oder mehr, also zig tausend Mark, möchte ich mal sagen, mindestens 10000 Mark angeboten hat für die Geschichte von Müller. Und daß er behauptet hat, er wolle das, zunächst hat er vom „Spiegel“ geredet, und dann von anderen Illustrierten, ich glaube die letzte Illustrierte, die da genannt war, war die „Quick“, an die er das unterbringen wollte. Und später stellte sich dann heraus, aufgrund anderer Mitteilung, daß Herr Ruch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Wissen Sie, ob mit richterlicher Erlaubnis neben Herrn Ruch, nach Herrn Ruch weitere Presseangehörige, weitere Pressevertreter Herr Müller zum Zwecke der Kontaktaufnahme, zum Zweck Presseerzeugnisse von Herrn Müller zu gewinnen, besucht haben?

Zeuge Str[öbele]:

Das weiß ich nur, aber allerdings nicht konkret von ihm, sondern mehr vom Hörensagen und von, ich glaube auch, einigen Schriftstücken, aus der Zeit nach 75, also nach Januar 1975.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben eingangs von ...

Zeuge Str[öbele]:

Also von Ruch kann ich Ihnen eine ganze Menge vorlesen ...

RA Dr. H[eldmann]:

Es interessierte mich im wesentlichen, wie es dazu gekommen ist in der Vollzugsanstalt.

Zeuge Str[öbele]:

Das ist offenbar, das wurde ihm schon angekündigt von den Beamten Wolf und einem anderen Beamten der Sicherungsgruppe - den Namen hat er mir nie genannt, oder den kannte er auch gar nicht -, und Herr Ruch hat eben [uuuuu] auch einen Sprechschein bekommen und war mehrfach bei den Eltern. Herr Ruch war danach - das fällt mir jetzt ein - auch bei mehreren Anwälten, anderen Anwälten von Herrn Müller, z.B. bei den Kollegen aus Frankfurt, bei, ich glaube, von Plottnitz und hat dort versucht, Ge- [10877] spräche zu führen darüber, ob Herr Müller ein[vvvvv] längeres Interview macht. Und in dem Zusammenhang fällt mir auch noch ein, daß die Sicherungsgruppe Bonn Herrn Müller im übrigen zugesagt hat, sie werde ihm einen Anwalt besorgen, und daß sie ihm tatsächlich dann auch einen Anwalt geschickt hat, Herrn Libberts. Den hat er, glaube ich, nach meiner Erinnerung, 1 mal empfangen, Libberts aus München. Ich kenn den Kollegen nicht, es soll jedenfalls sich um einen Anwalt handeln, der höhere Honorare nimmt, und daß die Honorierung über die sich Müller, also einer der also immer finanzielle Schwierigkeiten hat, nun auch Gedanken gemacht hat, das würde für ihn besorgt werden. Und zwar tat man so, als wenn das über Pressehonorare ging.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, Sie haben zu Beginn Ihrer Befragung berichtet aus Ihrer eigenen Anschauung, daß Müller in seinem Verhalten während der Haftdauer, soweit sie Ihnen bekannt geworden ist, verschiedene Verhaltensphasen gezeigt habe, jedoch erst von zweien berichtet. Es würde mich interessieren, diese Phasenentwicklung ...

Zeuge Str[öbele]:

Die mittleren habe ich ausgelassen, die mittlere oder die mittleren. Also zunächst war die Phase, daß Herr Müller also echt in jeder Hinsicht hilfsbedürftig war, nachdem ich ihn gesehen habe, zum ersten Mal. Er war, er suchte offenbar Kontakt. Er hat mir dann auch praktisch, glaube ich, jeden Tag geschrieben. Ich habe ihm auch sehr häufig geschrieben, habe ihn auch sehr häufig besucht. Das änderte sich dann so nach einem halben, dreiviertel Jahr etwa, - ich will mich jetzt auf die Zeiträume nicht festlegen, da entwickelte ... ne, es ging schon eher los. Es ging schon nach ein paar Monaten los, da entwickelte Müller eine sehr aggressive Haltung gegenüber der Behandlung in der Haftanstalt, also er wehrte sich zusehens, hatte deshalb immer mehr Auseinandersetzungen. Ich hab da auch einige Strafanzeigen geschrieben und Dienstaufsichtbeschwerden und ähnliches. Und er begann dann mir vorzuwerfen, daß ich in dieser, seiner Auseinandersetzung mit den Anstaltsbehörden, daß ich da nicht radikal genug sei, daß ich immer abwiegeln würde. Das habe ich also auch in einem Schreiben von ihm schriftlich, wo er mir das dann gar nicht mehr berichten will, da ich ja sowieso nur immer abwiegle. Und da offenbar aufgrund dieser Sachen löste er das enge Vertrauensverhältnis, was wir gehabt haben, zusehens, und brachte dann in seinem Gesamtverhalten, also einmal wurden seine Beschwerden [10878] über das, was sie ihm in der Haftanstalt Köln-Ossendorf, wo er damals war, zugefügt wurde. Er wurde also, wie gesagt, der „Lichtfolter“, so nannte er es, unterworfen. Schlafentzug. Er bekam immer Gitter vor die Fenster, so kleines Fliegengitter und ähnliche Sachen. Da häuften sich die Auseinandersetzungen, und andererseits wurden auch seine sonstigen Äußerungen in Briefen, ich möchte darauf, weil ich meine, daß das nicht unbedingt erforderlich ist, hier in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Das kann ich vielleicht in einem anderen Verfahren mal. Da hat Herr Müller dann sehr rabiate Äußerungen gegenüber anderen, gegenüber dritten, Richtern und ähnlichem mir geschrieben. Ich hab mir das dann auch mal verbeten. Und ich kann nur sagen, er war dann zunächst ... nach dieser hilfesuchenden Phase war er zunächst sehr stabil, stabilisiert in dem Sinne, daß er mit den Haftverhältnissen einigermaßen gut fertig wurde. Als das aber immer schlimmer wurde, wurden seine Reaktionen immer übertriebener, immer übertreibender. Und schließlich ging das dann soweit, daß er ab März 1974 mich dann auch nicht mehr sehen wollte. Also mir auch, oder ich hab ihm das vorgeschlagen, das Mandat zu lösen, und er hat dann auch gesagt, na gut, mach das. Es ist dann nicht soweit gekommen. Aber da hat er mir einige sehr böse Briefe, also wie ich es auch im Ton sehr rabiate Briefe geschrieben. Und ich hab daraufhin gesagt, so geht das[wwwww] nicht weiter, und ich lege das Mandat nieder. Und daraufhin hat er dann geschrieben, dann tue’s doch. Ich hab es trotzdem nicht niedergelegt, sondern ich hab es praktisch, wie man so sagen kann, vielleicht auf Eis gelegt. Ich habe praktisch nur noch, weil sonst sehr viele andere Sachen Probleme bereitet hätten, wie z.B. so Zeitungsbestellungen und ähnliches. Ich hab das also[xxxxx] praktisch [yyyyy] nur noch so laufen lassen, habe ihn nicht mehr besucht. Und aus dieser Zeit, aus der letzten, das ist dann die 3. Phase, habe ich ja vorhin ein Zitat gegeben. Ich will Ihnen noch ein 2. dazu geben, einfach mal um zu illustrieren, wenn Herr Müller hier, so habe ich das wenigstens in der Zeitung gelesen, behauptet hat, der Ströbele sei immer voll auf der Linie der RAF gewesen und deren Politik gebilligt und ähnliches. Aus dieser Zeit, nämlich vom 17.6.1974 da schreibt mir Herr Müller ein Brief: „Lieber Herr Ströbele“, - da hat er mich also trotzdem noch geduzt, Herr Holland, aber das war so ein bißchen süffisant gemeint -. „Lieber Herr Ströbele Du bist natürlich kein Bulle“, - vorher hat er mir immer vorgeworfen, [10879] ich sei ein Bulle, weil mein ganzes Verhalten darauf hindeutet - „Du bist natürlich kein Bulle, sondern Du bist ein ...“

Vors.:

Die Frage, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, benötigen Sie das zur Beantwortung Ihrer Frage?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, ich möchte das hier auch sagen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja.

Vors.:

Herr Zeuge, Ihr Interesse in Ehren, aber jetzt kommt es darauf an, ob Sie es im Rahmen Ihrer Frage wünschen?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, das interessiert mich schon. Und zwar, ich glaube, das brauche ich nicht zu erklären, weil es hier eine Entwicklung des Herrn Müller zu seinem früheren Verteidiger zeigt, die möglicherweise mit einer gewissen Folgerichtigkeit, in der hiesigen Mülleraussage ge... ist.

Vors.:

Gut, akzeptiert.

Zeuge Str[öbele]:

Also außer den Zitaten, die ich ja vorhin schon gebracht hab, von Advokat, Juso, Bourgeois und ähnlichem schreibt er dann: „Lieber Ströbele, bist natürlich kein Bulle, sondern Du bist ein ganz übles bourgeoises Schwein. Deshalb nennen wir doch mal dieses Mandatsverhältnis, nachdem was es tatsächlich ist, eine Geschäftsbeziehung.“

RA Dr. H[eldmann]:

Und das war die dritte Phase, und wenn ich richtig verstanden habe, die letzte, die Sie erlebt haben?

Zeuge Str[öbele]:

Das war die dritte Phase, wo er also sehr sehr aggressiv war. Und wie gesagt, ich habe daraufhin, nach diesen beiden Briefen, die ich heute morgen und jetzt zitiert habe, habe ich dann das Mandatsverhältnis nicht aufgelöst, aber ruhen lassen. Und ich hatte dafür auch, weil er dazu überhaupt keine Berechtigung hatte und auch gar keinen Anlaß gehabt hat eigentlich, es waren alles nichtige Anlässe, ganz im Gegensatz zu Frau Meinhof, bei der ja die ganze Isolationsgeschichte dahinter stand, habe ich dann die Konsequenz soweit gezogen, daß ich eben praktisch keine Vertretungshandlung mehr ausgeübt habe, für ihn. Und die letzte Phase war dann, nachdem ich ihn wieder gesehen habe, nach seiner Lösung aus der RAF und der Aufgabe des Hungerstreiks, zunächst ein ganz desolater, total verwirrter Zustand, der sich dann in der letzten Phase, [10880] das muß also Ende 1974, Anfang 1975, ich glaube, Januar habe ich ihn noch einmal besucht ich weiß es aber nicht genau, es kann auch Dezember gewesen sein, - da ergab sich sowohl aus seinen Briefen, als auch, vor allen Dingen aus den Gesprächen, daß er überhaupt nur noch eines im Kopf hatte, den unversöhnlichen, unerbitterlichen Kampf gegen Andreas Baader. Und zwar mit allen Mitteln; ununterbrochen kreisten seine Gedanken nur da drum, und alles, was er dazu gesagt hat.

RA Dr. H[eldmann]:

Genau danach habe ich als nächstes fragen wollen. In welcher dieser Phasen haben Sie die starken Haßgefühle gegen Baader, von denen Sie heute Vormittag gesprochen haben, erstmals gespürt, auffällig gespürt, gehört ...?

Zeuge Str[öbele]:

Also das war Ende November und im Dezember 1974.

RA Dr. H[eldmann]:

In der, wie Sie es nannten, vierten Phase?

Zeuge Str[öbele]:

Ja. Nachdem er mit dem Hungerstreik aufgehört hatte und sich von der RAF gelöst hatte. Wobei er auch zu diesem Zeitpunkt, zunächst noch, das hat sich dann nachher geändert in den Briefen, z.B. in dem Brief an Sartre hat er noch sehr betont die isolierten Haftverhältnissen, unter denen er und auch die anderen Gefangenen aus der RAF leidet. Das hat sich dann nachher geändert und er hat dann behauptet, das sei alles gar nicht so schlimm.

RA Dr. H[eldmann]:

Die dritte Phase haben Sie gekennzeichnet durch das Merkmal, aggressive Haltung, stark aggressive Haltung gegen die Justizvollzugsanstalt.

Zeuge Str[öbele]:

Gegen, ja, gegen die Justizvollzugsanstalt, gegen andere Leute, von denen er in der Zeitung offenbar gelesen hatte, und auch gegen die Anwälte. Es betraf nämlich nicht nur mich, das muß ich hier hinzufügen, sondern es betraf auch andere Anwälte.

RA Dr. H[eldmann]:

Und hat dann, dieser starke Haß, von dem Sie berichtet haben, Sie sagten jetzt in der 4. Phase, die Aggressionen aus jener dritten Phase abgelöst oder haben sie sich gedeckt?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, nein. Es war ja völlig, in der dritten Phase war von Andreas Baader überhaupt nicht die Rede, also weder positiv noch negativ; jedenfalls nicht daß ich mich erinnere. Und nachher, das letzte, was ich von ihm erlebt habe, war eigentlich der Kampf bis auf’s Messer oder Baader hat seinen Meister gefunden.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie in dieser letzten Phase oder früher festgestellt, daß Müller falsche Aussagen über Baader gemacht hat. Nicht Aussagen vor Gericht, im Sinne einer üblen Nachrede oder ...?

[10881] Zeuge Str[öbele]:

Also das ist eine Frage, bei der ich Bedenken habe, die beantworten zu können ...

RA Dr. H[eldmann]:

Dann möchte ich ...

Zeuge Str[öbele]:

... Ich möchte sie nur ganz generell mit „ja“ beantworten. Ich will da weiter nicht eindringen, weil ich meine, daß er mich damit ja nicht belastet hat. Daß das also nicht unbedingt erforderlich ist, die Gespräche jetzt wiederzugeben, jedenfalls in der Richtung wiederzugeben, die ich mit ihm gehabt habe, weil dazu hat er ja wohl nichts mich betreffendes, mich belastendes hier in der Hauptverhandlung oder sonstwo geäußert.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Zeuge, ich möchte mit dieser Frage gar nicht insistieren. Nur vielleicht erklärend, der Sinn meiner Frage war der, ein Urteil zu gewinnen über die Glaubwürdigkeit des Herrn Müller. Deswegen diese Frage jetzt an Sie. Aber wenn Sie diese Frage ...

Zeuge Str[öbele]:

Er hat eine ganze Reihe von Vorwürfen aufgehäuft.

RA Dr. H[eldmann]:

Und haben Sie sich über den Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe vergewissern können?

Zeuge Str[öbele]:

Soweit ich die Vorwürfe beurteilen konnte, die meisten konnte ich nicht beurteilen, traf das nicht zu.

RA Dr. H[eldmann]:

Traf es nicht zu. Der Herr Vorsitzende hat heute Vormittag in seiner Befragung ein Schwergewicht gelegt, ob Sie Anhaltspunkte gewonnen haben, daß Müller falsche Aussagen macht. Falsche Aussagen waren gemeint, in diesem Verfahren. Ich möchte einen weiteren Schwerpunkt setzen, im Anschluß an das, was Sie heute morgen berichtet haben ...

Vors.:

Ich darf bloß berichtigen. Ich habe diesen Schwerpunkt nicht gesetzt, Aussagen in diesem Verfahren, sondern generell. Für den Fall einer Aussagebereitschaft auch bereit wäre, falsche Aussagen zu machen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ah so, ja. Ich möchte den Schwerpunkt ein wenig davor setzen. Haben Sie aus Müllers Äußerungen Ihnen gegenüber oder gegenüber anderen, mündlich oder schriftlich, Anhaltspunkte dafür gewonnen, daß Müller Vernehmungsmethoden wahrheitsgemäß begegnet ist, die in unserem Rechtssystem als verbotene nach § 136a[zzzzz][ StPO][66] zu würdigen wären?

Zeuge Str[öbele]:

Ich habe ja heute vormittag eine ganze Reihe Zitate dazu vorgetragen. Sie werden ja im Protokoll nachzulesen [10882] sein. Ich kann sie auch noch einmal wiederholen, aber ...

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, die Wiederholung ist jetzt nicht nötig.

Zeuge Str[öbele]:

Er hat einmal, das ist ein Zitat, was ich bisher nicht gebracht habe, hat er das sogar als „Aussageerpressung“ bezeichnet, was mit ihm gelaufen ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Es käme nämlich auf den zugrundeliegenden Sachverhalt an.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, daß man ihm ganz konkret gesagt hat, entweder du hilfst uns, entweder du arbeitest mit uns zusammen oder du hast mit einer langjährigen, wenn nicht gar lebenslänglichen Freiheitsstrafe zu rechnen.

RA Dr. H[eldmann]:

Das sagten Sie heute morgen schon, ja.

Zeuge Str[öbele]:

Und in diesem Zusammenhang hat er dann von „Aussageerpressung“ gesprochen, wobei er die gesamten Umstände, die ich heute Morgen ja auch nur angedeutet habe, daß diese Vernehmung in Gegenwart da seiner Eltern, die zunächst erst mal traktiert worden sind, ich glaube eines der Kinder, der Geschwister von ihm, war auch unter 10, soweit ich mich erinnere, aber jedenfalls sehr jung, minderjährig, daß die da stattgefunden haben; und zwar ist das wohl zumindestens einen ganzen Nachmittag lang gelaufen, wenn nicht mehrere Tage. Daß[aaaaaa] in Gegenwart der Familie solche Versuche unternommen worden sind, und da fühlte er sich ganz erheblich unter Druck gesetzt, weil er sehr enge Beziehungen wohl zur Familie hat.

RA Dr. H[eldmann]:

Neben einem Namen, Sie nannten den Namen Wolf heute, von Vernehmungsbeamten aus der Sicherungsgruppe haben Sie zwei Pseudonyme genannt, nämlich „Vaterbulle“ und „Heimatbulle.“

Zeuge Str[öbele]:

„Schwabenbulle“ heißt der andere ...

RA Dr. H[eldmann]:

Wie bitte?

Zeuge Str[öbele]:

Schwabenbulle heißt der andere.

RA Dr. H[eldmann]:

Schwabbulle, ja?

Zeuge Str[öbele]:

So steht es jedenfalls ...

RA Dr. H[eldmann]:

Konnten Sie jene beiden Beamten identifizieren?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Sind Ihnen in diesem Zusammenhang, in erster Linie wohl aus Müllers Berichten, Ihnen gegenüber die Namen Geisler, Schneider in Erinnerung?

Zeuge Str[öbele]:

Ich glaube Geisler kam irgendwo mal vor.

RA Dr. H[eldmann]:

In diesem Zusammenhang?

[10883] Zeuge Str[öbele]:

Ja. Ich mein, das hätte ich heute morgen auch in den Zitaten, die ich da gehabt habe, daß der zumindesten anwesend gewesen ist. Ob er sich da beteiligt hat, weiß ich nicht. Also das bitte mit aller Vorsicht. Den Namen meine ich da irgendwie in dem Zusammenhang gehört zu haben, daß er zumindesten anwesend gewesen ist, Geisler.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben heute morgen auf eine Frage angegeben, offenbar sei der Deal, von dem Sie da sprachen, nämlich zwischen Verfolgungsbehörde und dem damaligen Beschuldigten Müller geglückt, so sagten Sie. Nach Frage des Herrn Vorsitzenden ist etwas offengeblieben, ob dies etwa eine Schlußfolgerung von Ihnen lediglich sei, deswegen meine daran schließende Frage: Haben Sie bemerkt, - nachdem der Deal, wie es Ihnen seinerzeit erschienen ist, der Deal geglückt war -, haben Sie bemerkt, daß Müller über bisher nicht vorhandene Mittel, etwa finanzielle, materielle verfügt hat?

Zeuge Str[öbele]:

Das kann ich nur sagen, aus der Postkarte[bbbbbb] in der er, das war eigentlich für mich das überraschendste, was ich nie erwartet habe. Ich habe immer gedacht, selbst wenn er jetzt zur Bundesanwaltschaft geht und Aussagen macht und von denen was bekommt, daß er dann, weil das war so seine Haltung eigentlich zu dem Problemkreis, daß er dann ruhig die Unterstützungszahlungen und die Zeitungen weiterlaufen läßt, aber das hat er ja richtig förmlich bei mir abbestellt mit der Begründung, er habe nun ab Mai eine andere Geldquelle.

RA Dr. H[eldmann]:

Er habe eine andere Quelle. Und dies trifft auf den Zeitpunkt, von welchem Sie heute Vormittag gesagt haben, das war jener, an dem Sie den Eindruck hatten, der Deal ist geglückt, identisch?

Zeuge Str[öbele]:

Ja. Frühjahr 1975 muß das irgendwann, denn er sagt ja, ab Mai 75 hätte er Geld.

RA Dr. H[eldmann]:

Hat Ihnen Müller einmal gesagt, warum er Baader so haßt?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie ihn einmal danach gefragt?

Zeuge Str[öbele]:

Ja ich hab mich in mehreren Gesprächen, die ich mit ihm dann geführt habe, habe ich immer versucht, ihn auf einen[cccccc] realistischen [10884] Boden zurückzustellen. Das habe ich auch in Briefen an ihn geschrieben aus dieser Zeit. Die wird er ja haben, wo ich immer gesagt habe, Kritik ist richtig und notwendig und sollste auch; aber doch nicht so nur[dddddd] rein von Emotionen bestimmt[eeeeee]. Und da habe ich versucht, da fiel wohl auch dieser Ausdruck, der jetzt irgendwo in der Zeitung stand, er soll jetzt nicht sich in einem Kleinkrieg gegen Baader erschöpfen. Und in dem Zusammenhang habe ich ihn, ob ich ihn jetzt direkt gefragt hab, was haste eigentlich oder was hat sich da konkret abgespielt, das weiß ich nicht mehr. Also ich erinnere mich jedenfalls an keine Antwort. Ich glaube auch, er hat da nichts gesagt. Das waren immer sehr schwierige, sehr verfahrene Gespräche.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie eigene Beobachtungen, aus denen Sie unmittelbar zu einer Klärung für dieses Haßphänomen gekommen sind oder gekommen waren?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, eigentlich nicht. Also ich kann es immer nur wieder, das Phänomen an einzelnen Punkten immer wieder beschreiben. Zum Beispiel auch, daß er gleich, nachdem Herr Baader nun Herrn Sartre empfangen hatte, hier von ihm besucht worden war, einen langen Brief an Sartre schreibt, und da eine Kommunikation anregt usw. Das ist so eine eindeutige ... Ich hab ja nun auch in vielen Verfahren beruflich damit zu tun, so eine Fixierung wie sie in dieser Deutlichkeit eigentlich einmalig ist, also wie ich sie noch nicht erlebt habe.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben heute Morgen nach der Frage auf den Zweck des INFO’s im Anschluß aneinander drei Punkte genannt. Ich bin nicht sicher, ob Ihre Darstellung damit beendet war. Für den Fall, daß nicht, würde ich Sie bitten, diese Darstellungen, soweit es Ihnen jetzt möglich ist, fortzuführen ...

Zeuge Str[öbele]:

Den Hungerstreik meinen Sie?

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, den Zweck des INFO’s. Da nannten Sie die drei Punkte: Beseitigung der Koordinationsschwierigkeiten zwischen Anwälten und Mandanten. Zweitens: Beschäftigung mit verschiedenen Themen, um, so sagten Sie, Wissen zu akkumulieren. Drittens: Hilfsmittel für Anwälte. Das war das Stichwort zu drei. Und ich weiß nicht, ob Sie damit zu Ende gekommen sind?

Zeuge Str[öbele]:

Ja es gibt eine ganze Reihe. Was ich heute morgen vergessen hab ist z.B., Sie wollten das auch noch einmal ansprechen, ich hatte es angedeutet, so eine Literaturliste und Schema sollte [10885] erstellt werden. Die Literaturliste, da war die Vorstellung so, daß jeder, der ein Buch gelesen hat, das ist, glaube ich, auch von ein paar Leuten mal gemacht worden, der ein Buch gelesen hat von Marx[67] bis zu Baron Zwisi[ffffff] über den Monopolkapitalismus, daß der ganz kurz schreibt, also einmal was da drin steht, und ob das hilfreich ist, und ob man es lesen soll, ob man es lesen muß. Also da so ein Katalog, praktisch einen eigenen Katalog aufzustellen. Weil wir standen ja immer wieder vor der Schwierigkeit, daß wir die Bücher bestellen mußten, aber natürlich alle keine Buchhändler sind, und ich auch nicht annähernd den zehnten Teil von dem gelesen habe, was ich bestellt habe, - ach nicht mal, viel weniger noch -, was ich gelesen habe, d.h. wir mußten Buchempfehlungen aussprechen oder zumindestens weiter ... wir sind dann in die Buchläden gegangen und haben gesagt, zu dem und dem Thema, was gibt es denn da noch; und dann wurden uns Vorschläge gemacht. Also in dieser Richtung, da sollte eben auch das aufgearbeitet werden und nutzbar gemacht werden. Was der eine gelesen hat, der sollte eben sowas aufstellen, daß sollte dann bei den Anwälten, d.h. also INFO, und damit auch bei den anderen Anwälten zur Verfügung stehen, so daß man dann sagen kann, bitte, die und die Bücher sind einfach, die passen auch für dich. Die stellen das richtig dar. Möglichst mit einer ganz kurzen Inhaltsangabe und Charakterisierung, inwiefern sie was bringen oder nichts bringen. Und da die ja alle sehr, sehr viel gelesen haben, das wird ja der Senat aufgrund der Bücherlisten und der Bestellungen auch wissen, da waren manchmal Bücher ... also gerade Herr Müller. Ich habe für Herrn Müller, ich hab das mal nachgezählt, glaube ich insgesamt 70 Zeitschriften in diesen zweieinhalb Jahren bestellt, wobei also Müller die Spitze war in dieser Hinsicht. Wie er mir einfach ganze Listen gebracht hat oder geschickt hat meistens, manchmal auch gegeben, indem er sagte, also ich möchte hier, da war dann alles drauf, von irgendwelchen Elektronik, da hat er wohl mal früher beruflich dran gearbeitet, bis hin zu Büchern über Indianer oder Zeitschriften über Indianersachen, also jetzt Indianerkunde und solchen Sachen. Da war er nämlich auch sehr engagiert. Und ich habe nun diese [10886] Bestellungen weitergegeben an die für uns in Frage kommenden Institutionen oder Läden. Meistens waren es Buchläden. Das war eben auch ein ganz wichtiger Teil des INFO’s, was man jetzt gar nicht richtig abschätzen kann, was sich jetzt so schnell erzählt, was aber ein ganz wesentlicher Teil ausmacht. Und dann kam über dieses INFO, das war auch einer der wichtigsten Sinne, daß einfach mal die Entscheidung, aber auch die Anträge, die Beschwerden und Schriftsätze, die zahlreichen - ich glaube, auch der Senat, dem brauch ich hier das nicht zu erläutern, sonst muß man das ja immer plastischer darstellen -, daß es da ja Leitzordner voll von solchen Berschwerden, Beschlüssen und solchen Geschichten, Verfassungsbeschwerden und was nicht alles, Menschenrechtskonvention ging; und daß sehr häufig bei dem Anwalt ein bißchen[gggggg] was[hhhhhh] war, bei dem Anwalt ein bißchen was war, daß keiner einen[iiiiii] richtigen [jjjjjj] Überblick hatte. Vor allen Dingen, das, was ja sehr häufig erforderlich war, wenn da mal einem z.B. das Radio weggenommen wurde, dann wollte man sich natürlich auf die zustimmenden Beschlüsse irgendwelcher anderen Obergerichte beziehen, und konnte nun sagen, bei den 10 oder bei den 5 ist das schon lange genehmigt worden. Auch zu diesem Behufe sollte das INFO existieren, damit das einfach unter die beteiligten Leuten gebracht, unter die Anwälte und die Mandanten, daß die das alles zur Verfügung gestellt bekommen. Das war ein ganz wichtiger zusätzlicher Aspekt. Und von dem INFO, das ich bekommen habe, da war immer ein ganzer Packen, waren Beschlüsse und auch Beschwerdeschriftsätze der einzelnen Kollegen.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie Literatur, Bücher oder Zeitschriften über Verteidigerpost Inhaftierten zugeleitet?

Zeuge Str[öbele]:

Nein. Ich habe mal, das einzige, was ich mal gemacht hab, es gibt so ein paar linke Informationsblätter, wo manchmal also bestimmte konkrete Sachen drin waren zu irgendeinem Prozeß oder sehr ausführlich gerade über diesen Prozeß hier, sehr ausführlich berichtet worden ist; und das ist früher auch über andere gelaufen. Da habe ich dann mal welche reingeschickt. Also das hatte aber einen ganz konkreten Sinn, konkreten Anlaß.

Ende von Band 629

[10887] Zeuge Str[öbele]:

Sonst Bücher nicht. Es gibt da, das erinnere ich mich jetzt, dieses berühmte Buch, was in all diesen Beschlüssen auch auftaucht, über die deutsche Polizei, die westdeutsche Polizei und glaube ich, auch den Verfassungsschutz, ausgegeben von der DDR. Von dem Buch weiß ich also zufällig, daß das eine Haftanstalt sogar außerhalb der Reihe selber besorgt hat für einen der Gefangenen in einer Buchhandlung.

RA Dr. He[ldmann]:

Wieviel Rundbriefe haben Sie versendet, wissen Sie das noch?

Zeuge Str[öbele]:

Bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

Wie viele Rundbriefe haben Sie versendet?

Vors.:

Ja, jetzt muß ich aber deswegen eingreifen, weil der Herr Zeuge heute früh ausdrücklich bemüht war, zu erläutern, daß die Rundbriefe, „Ströbelschen Rundbriefe“, mit dem INFO nichts zu tun hatten. Frage: Meinen Sie jetzt im Zusammenhang mit dem INFO die versandten oder die Rundbriefe im technischen Sinne, die mit dem[kkkkkk] INFO nichts zu tun haben.

RA Dr. He[ldmann]:

Im Sinne der Müller-Aussage die „Ströbelschen Rundbriefe“. Gut, ich streiche dann die Frage ...

Vors.:

Nein, nein die ... gut, dann ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich streiche die Frage und stelle eine andere Frage. Sind die von Ihnen versendeten Rundbriefe innerhalb Ihres Ausschließungsverfahrens, das heute wiederholt angesprochen worden ist, für illegal erklärt worden?

Zeuge Str[öbele]:

Da muß man unterscheiden. Ich habe ja sehr häufig die Argumentation auch dieses Senats hier bemüht, der einem Beschluß, ich glaube es war der erste Beschluß, der nachher vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden ist,[68] selbst erklärt hat, da fühlte ich mich bestätigt in meiner Auffassung über den Inhalt dieser Briefe, daß zumindest 18 der 19 Briefe zwar außergewöhnlich seien, aber insgesamt in ihrem Inhalt nicht weit, so ist, glaube ich, die wörtliche Formulierung, nicht weit über das hinaus gehen, was in einem solchen besonderen Verfahren, wo besondere Sachen auch vorzubereiten sind, ein Anwalt schreiben darf. Das heißt, bis ... mit Ausnahme dieses 19. Briefes, und das ist wohl ... gemeint ist da der Brief, der in der Vorwerkstraße gefunden worden sein soll, und diesen Brief ...

RA Dr. He[ldmann]:

Der ist ja schon zitiert worden hier.

Zeuge Str[öbele]:

Den habe ich ja vorhin schon, vor allen Dingen die ganz [10888] wesentliche Passage, die da immer wieder in der „Bild-Zeitung“ zitiert worden ist, hier richtiggestellt, das habe ich auch schon früher getan.

RA Dr. He[ldmann]:

Gab es für Gefangene, oder gab es für Anwälte einen Zwang, an dem INFO oder dem INFO-System teilzunehmen, sich anzuschließen?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, ich weiß, daß mehrere Kollegen, ich will auch hier keine Namen sagen, weiterhin bis heute Mandate behalten und sehr eifrig tätig sind in den Mandaten, die mit dem INFO nie das Geringste zu tun hatten und in Diskussionen über das INFO immer gesagt haben, sie wollen das nicht. Also es hatte miteinander überhaupt nichts zu tun. Deshalb ist eben die, das habe ich heute vormittag auch schon angedeutet, die Argumentation, daß das zur Disziplinierung der Anwälte diente, etwa so im Sinne: „Wenn Du nicht, dann kriegst Du das INFO nicht mehr“, ein Nonsens ist, weil es mehrere Anwälte gibt, die das meiner Auffassung, ich meine, ich bin nicht ganz genau informiert, aber soweit ich informiert bin, nie bekommen haben und die nach wie vor Mandate ausüben, sehr eifrig ausüben.

RA Dr. He[ldmann]:

Ist Ihnen etwas bekannt geworden davon, daß Andreas Baader dieses INFO oder INFO-System hat benutzen wollen, um zu kontrollieren, ob die Leute bei der Stange bleiben?

Zeuge Str[öbele]:

Das ist absoluter Unsinn. Es lief über das INFO, auch davon habe ich Kenntnis bekommen, das war ursprünglich überhaupt nicht diskutiert worden, also auch nicht problematisch. Es lief eine ganze Reihe von Äußerungen einzelner Gefangener über sich selber kritisch, über ihr Verhalten in Prozessen kritisch und so weiter, so Selbstkritiken, das weiß ich, daß das gewesen ist, aber das hat mit Andreas Baader überhaupt nichts zu tun.

RA Dr. He[ldmann]:

War das INFO bestimmt oder etwa geeignet seinem Inhalt nach, entweder in den Haftanstalten oder nach außen hin Rekruten für die RAF zu gewinnen?

Zeuge Str[öbele]:

Ich weiß gar nicht, was daran geeignet gewesen sein soll, um so was ... selbst wenn das bei irgend jemand durch den Kopf gegangen wäre, überhaupt nichts damit zu tun.

RA Dr. He[ldmann]:

Ist im INFO oder durch das INFO der Hungerstreik angekündigt worden?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, was geschehen ist, ist nach dem ersten Hungerstreik, den ich heute morgen ja angesprochen hatte, daß da mehrfach auch [10889] von Herrn Müller gerade, aber auch von anderen gesagt worden ist, also es hat sich immer noch nicht geändert, jetzt im April fangen wir wieder an oder im Mai fangen wir wieder an oder im Juni fangen wir wieder an, da die ja ihre Zusagen nicht eingehalten[llllll] ... Das stand drin, aber der letzte, der Zeitpunkt, wo dann der neue Hungerstreik tatsächlich angefangen hat, der stand nie im INFO und wir hätten uns, also wenn man mich gefragt hätte dazu, hätte ich mich auch ganz entschieden dagegen gewehrt, weil ich immer gesagt habe, das war eigentlich auch Konsensus unter allen, auch unter den Mandanten, daß der Hungerstreik ein Entschluß ist, den die Gefangenen treffen und wo die Anwälte nichts anderes zu tun haben,

RA Schlaegel verläßt um 15.19 Uhr den Sitzungssaal.

als dann nachher sich, weil das ja eine Entscheidung, wie sich nachher herausgestellt hat, sogar auf Leben und Tod eine Entscheidung ist, zu der kann man einen Mensch nicht überreden, zu dem kann man auch keinen Menschen bringen, sondern da kann er sich selber zu entschließen und die Anwälte, die so eine Art Schutzfunktion haben, so habe ich meine Aufgabe immer verstanden, die können dann unterstützend eingreifen, indem sie also versuchen, wenn die Forderungen des Hungerstreiks berechtigt sind wie hier, diese durchzusetzen. Aber eine Ankündigung in dem Sinne, daß es hieß: „Übermorgen fängt jetzt der Hungerstreik an oder nächste Woche“, ist mir nicht bekannt und halte ich auch für ausgeschlossen. Ich weiß allerdings, daß mehrere Überlegungen angewandt ... wann man nun wieder anfangen sollte, wenn die Isolation nicht aufgehoben wird.

RA Schlaegel erscheint wieder um 15.20 Uhr im Sitzungssaal.

Auch der zweite Hungerstreik, wie übrigens der dritte, hat dann angefangen durch eine Prozeßerklärung in einem der damals laufenden Verfahren, ich glaube, das war von Frau Mohnhaupt, aber das weiß ich jetzt nicht mehr genau.

RA Dr. He[ldmann]:

Eine letzte Frage noch. Ist Ihnen bekannt, daß Anwälte, und ich meine damit solche, die hier in der Hauptverhandlung durch den Zeugenauftritt des Herrn Müller genannt worden sind, daß Anwälte aus dieser Gruppe bemüht waren, generell oder in einzelnen Fällen, [10890] im Hinblick auf die Gesundheit ihrer Mandanten den Hungerstreik zu verkürzen?

Zeuge Str[öbele]:

Tja, das war das Bestreben, also mein Bestreben immer. In jedem Gespräch, was ich geführt habe, vor allen Dingen bei dem großen, bei dem letzten Hungerstreik, ich bin ja tage- und wochenlang durch die Gegend, habe mit dem Herrn, den ja hier auch die Bundesanwaltschaft dann konferiert hat, von Amnesty-International aus London lange Zeit konferiert, und wir haben uns alle gemeinsam überlegt, wie kann man den Kompromiss kriegen, daß endlich dieser ... also der in den Folgen fürchterliche Hungerstreik zu Ende gebracht werden kann. Und alle Anwälte, mit denen ich darüber gesprochen habe, also das heißt, insbesondere die Kollegen, die sich da besonders enagiert hatten, wie Dr. Croissant und Groenewold waren mit mir dieser Meinung, da in irgendeiner Weise zu helfen. Wir standen immer vor den Mandanten und die sagten uns: „Ja, was habt ihr denn anzubieten? Wird denn die Isolation auf... oder wollt ihr hier letztlich, daß wir hier in fünf oder in acht oder in zehn Jahren oder in drei Jahren langsam kaputt gehen. Das ist doch nur die Alternative, die ihr uns[mmmmmm] zu bieten habt[nnnnnn].“

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Ihre Mandanten ...

Zeuge Str[öbele]:

Und ich habe dann ganz ganz harte Auseinandersetzungen gehabt mit ... vor allen Dingen also[oooooo] auch Frau Meinhof aber auch von anderen. Das steht auch in den Briefen drin, die sie mir dann geschrieben hat ... sie immer wieder gesagt hat: „Dann sag doch mal, wie komme ich hier aus der Tortur raus, und Du kannst mir nicht einfach sagen, hör mit dem Hugerstreik auf, im Gegenteil, Du fällst mir damit“, das war immer das Argument von ihnen, „ihr fällt uns damit in den Rücken.“

RA Dr. He[ldmann]:

Hatten Ihre Mandanten und Ihre seinerzeitigen Mandanten in jener Zeit und die der Mitverteidiger mit dem Beginn des Hungerstreiks zugewartet, bis sie, die Verteidiger, die rechtlichen Möglichkeiten gegen die seinerzeitigen Haftbedingungen ausgeschöpft hatten?

Zeuge Str[öbele]:

Wir haben alle, alle Schritte unternommen, bis zur Menschenrechtskonvention,[69] ich kann das ja vielleicht als bekannt voraussetzen, daß ich für Monika Berberich sogar wir das erreicht hatten, daß da sogar eine Verhandlung stattfand in Straßburg, über die allerdings weniger über die Haftbedingungen als über die Länge der Untersuchungshaft[70] ging, darüber auch, und wir [10891] haben also alles, was uns einfiel, was menschenmöglich war und immer wieder versucht, wir kamen uns schon langsam irgendwo verrückt vor. Es gibt auch eine ganze Reihe von Briefen, wo sich die Mandanten darüber mokieren: Jetzt versuchen sie’s hier schon wieder und jetzt versucht der ... der ist in seinem Glauben an den „Rechtsstaat“, so wurde der da immer gesetzt, überhaupt nicht zu beirren, der klammert sich da nur dran, weil er Angst hat oder was weiß ich, weil wir immer wieder alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben, also vor allen Dingen Beschwerden, aber auch Beschwerden an das Bundesverfassungsgericht, und weil wir in mehrfacher Hinsicht, da gibt es nicht nur das Beispiel der Astrid Proll, einfach selbst wenn wir mal Erfolg hatten, dann wurde das einfach nicht gemacht. Für mich war das bis zu dem Zeitpunkt, als ich das selber erlebt habe, unvorstellbar. Ich habe gelernt und bin damit aufgewachsen und groß geworden, als Jurist groß geworden, daß, wenn eine richterliche Entscheidung daliegt, dann muß die durchgeführt werden. Gerade in so wichtigen Fragen, wo es nun um menschliche Gesundheit geht, und daß das über fünf Monate nicht gemacht wurde, und daß ich dann nacher auf meine Dienstaufsichtsbeschwerde da ... da habe ich da eine Mitteilung gekriegt: „Sie haben recht“, damit war die Sache erledigt, das konnte ich einfach nicht fassen und da, da müssen Sie ja auch jetzt unsere Position als Anwälte sehen, da wurde uns natürlich immer klarer, oder es wurde uns immer schwieriger zu sagen, das, was die Mandanten schon lange vorher immer wieder behauptet hatten, auch in Briefen, daß das eine ganz gezielte Maßnahme gegen sie ist, daß das Vernichtungshaft, die auf höhere Anweisung, das irgendwo passte das alles da rein und wenn wir sagten: „Ach, jetzt glaub doch nicht so was“, dann passte das immer ganz genau, und wir konnten uns eigentlich mit den Argumenten, die die Justiz oder die Behörden eben lieferten, die Anstaltsbehörden eben lieferten, konnten sie uns eigentlich immer widerlegen und gerade zu der Aussage Müller. Ich habe in sehr vielen, auch in Briefen und so, mich immer gegen den Ausdruck allgemein die[pppppp] Isolationshaft als Folter zu bezeichnen, gewehrt und zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil ich mit dem Ausdruck Folter verbinde eine bestimmte Zielrichtung ...

Vors.:

Herr Zeuge, ich bitte Sie um Verständnis dafür, wir haben heute noch ein weiteres Beweisprogramm, bleiben Sie bei den gestellten [10892] Fragen. Sie sind nicht dazu da, Ihre persönliche Rolle und Auffassung zu beleuchten, soweit es nicht von der Frage verlangt wird. Ich sehe im Augenblick nicht, daß es verlangt wird. In bin überzeugt, daß jetzt Herr Dr. Heldmann sagen wird, mich interessiert’s, aber ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ja.

Vors.:

... ich bitte Sie, daß Sie sich diese Sache möglichst kurz und knapp machen, wir haben, wie gesagt, noch Zeugen, die wieder zurück müssen.

Zeuge Str[öbele]:

Also zwei Sätze dazu.

Vors.:

Bittesehr.

RA Dr. He[ldmann]:

Es interessiert mich tatsächlich, Herr Vorsitzender.

Zeuge Str[öbele]:

Folter impliziert für mich, daß unmenschliche Behandlungen vorgenommen werden mit einem bestimmten Ziel, um beispielsweise eine Aussage zu erreichen, die man sonst nicht erreichen kann. Also Folter, um in einem Verhör einen Erfolg zu erzielen. Und ich habe da immer dran gezweifelt, daß das so geplant ist, aber nach dem, was ich jetzt an Müller, auch nachdem ich diese Briefe alle nochmal ... die hatte ich natürlich alle nicht so im Gedächtnis, gelesen habe, muß ich eigentlich sagen, daß alles dafür spricht, daß das doch der Fall ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke. Keine Frage.

Vors.:

Ich möchte nur im Zusammenhang damit noch einen zusätzlichen Vorhalt machen, bevor ich dann das Fragerecht den weiteren Herren gebe, Sie haben gesagt, ein sehr wichtiger - auf die Frage von Herrn Dr. Heldmann - ein sehr wichtiger weiterer Zweck sei die Beschaffung dieser Bücher gewesen beim INFO-Schulungsprogramm. Ich möchte Ihnen vorhalten ein ... wahrscheinlich erst Entwurf, der in der Zelle von Frau Meinhof gefunden worden ist, enthalten in unserem Ordner 123 Bl. 231, wo Frau Meinhof ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihen Sie, Herr Vorsitzender, darf ich ...

Vors.:

123 Blatt 231.

RA Dr. He[ldmann]:

... wie erkennt denn der Herr Zeuge dieses Schriftstück?

Vors.:

Um das geht es nicht. Es geht jetzt darum, damit er weil er nach dem Zweck gefragt ist, erklären soll, ob er mit diesem Gedankengang, der damit verbunden wird, welchen Zweck dieses Buchstudium haben könnte, irgend etwas anfangen kann ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, er kann das doch nicht rückwirkend, er kannte das damals nicht.

[10893] Vors.:

Ich darf jetzt den Vorhalt machen. Es geht also hier um die Buchbeschaffung. Da heißt es: „Über Theoriestudium/Schulung/Marxismus für uns. Also vor allem muß jedem klar sein, daß wir nicht Marxismus, also marxistische Klassiker studieren, um gegenüber der[qqqqqq] legalen, der Linken Diskussionssiege zu erlangen, von „Roter Hilfe“[71] bis außerparlamentarischer Opposition.“ Jetzt der wichtige Satz: „Das ganze Klassikerstudium dient nur einem Zweck, demselben, dem alles andere Studium dient, der Praxis, unserem Job, was wir vorhaben, die[rrrrrr] Revolution“ und dann ist noch erläutert „Praxis ist bewaffneter Kampf, Organisation, Propaganda“. Können Sie mit diesen Sätzen, mit denen dargestellt sein könnte, was der Zweck dieser Buchbeschaffungen und dieser Schulung über die Bücher gewesen ist, irgendetwas anfangen?

Zeuge Str[öbele]:

Dazu kann ich nur sagen, daß ich, ich will auch keine Namen nennen wegen des Anwaltsgeheimnisses, aus Kenntnis der Mandanten, der Gefangenen weiß, daß der größte Teil oder alle ihr ganzes Leben in diesen Dienst gestellt haben und dann natürlich auch das Studium des Marxismus, Leninismus, also wenn Sie es in dem Zusammenhang sehen als konkrete Vorhaben, Sinn und Zweck des INFO’s: „Jetzt lern du Marxismus, damit Du nacher besserer Stadtguerilla wirst“, so ist das überhaupt nirgendwo besprochen oder diskutiert oder ... aber ich weiß, daß die Mandanten, die Gefangenen ihr ganzes Leben, also viel mehr als das Studium [ssssss] einzelner Bücher, allein in den Dienst dieser Idee, dieser Überlegung und dieser Analyse gestellt haben.

Vors.:

Das würde also bedeuten auch des bewaffneten Kampfes, zu dem ja diese Schulung für die Praxis mit gehört, laut diesem Text.

Zeuge Str[öbele]:

Sie verstehen sich als Fighter in allem was sie tun, ob sie darum im Gefängnis sitzen oder ob sie sonst wo sind, das ergibt sich aus allen möglichen Äußerungen.

Vors.:

Ist das Ihnen schon damals bekannt gewesen, als man die Bücher und dergleichen beschaffte, daß das auch diesem Ziel mit dient?

Zeuge Str[öbele]:

Ich sagte, also diese Verbindung, Studium Marxismus, Leninismus oder irgendwelcher Klassiker, um den bewaffneten Kampf vorzubereiten, so ist das mir bisher nicht bekannt gewesen, also wobei ich nicht ausschließen will, daß ich dieses Schriftstück, da gibt es ja sehr viele, auch mal gelesen habe. Aber ich suche hier gerade, vielleicht kann ich Ihnen abschließend dazu auch ein [10894] Zitat von Herrn Müller, der gerade zu dem Studium Marxismus - Leninismus was geschrieben hat. In seinem Brief vom 23.11.1973 an mich hat er dazu geschrieben: „Es sieht auch so aus, als bildet sich ein Verein von Kapitalstudierern. Dagegen hat natürlich Ströbele nichts und natürlich auch die BGH-Ratten nichts. Ich meine die erste Sparte sollte aber sein Kriegsstudium und die Optik der Guerilla. Dagegen hat natürlich Ströbele was und auch die BGH-Ratten haben dagegen was.“ Ich weiß, daß da eine ganze Reihe solche Überlegungen angestellt worden sind, aber diese Verbindung so konkret, das habe ich bisher realisiert.

Vors.:

Weitere Fragen? Herr Rechtsanwalt Dr. Temming.

RA Dr. Te[mming]:

Die Fragen beziehen sich auf die Behauptung des Zeugen Müller, das INFO-System habe der Aufrechthaltung der Gruppe gedient, womit Müller die häufig verbreitete These unterstützen wollte, daß diese Aufrechterhaltung der Gruppe die Fortsetzung ... als Fortsetzung der kriminellen Vereinigungen in[tttttt] der Haft zu sehen sei. Jetzt meine erste Frage: Kennst Du einen einzigen der Gefangenen aus der RAF, der sich nicht als Mitglied der Gruppe gefühlt und bezeichnet ... der sich nicht als Mit... also nochmal. Kennst Du einen einzigen[uuuuuu] der Gefangenen aus der RAF, die Du vertreten hast, der sich nicht als Mitglied der Gruppe gefühlt und bezeichnet hätte, solange er sich nicht bewußt selbst von der Gruppe gelöst hat?

Zeuge Str[öbele]:

Die Frage möchte ich nicht beantworten im Hinblick auf § 53[ StPO],[72] weil das nicht unbedingt erforderlich ... ich könnte dazu einiges sagen, natürlich.

RA Dr. Te[mming]:

Kann ... allgemeine ... War die Gruppenzugehörigkeit vermittelt über die politische Identität der einzelnen Gefangenen?

Zeuge Str[öbele]:

Das habe ich jetzt noch nicht ... den letzten Satz ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich sage die Gruppenzugehörigkeit, das Gefühl, zur Gruppe zu gehören, zu einem Kollektiv, war die vermittelt über die politische Identität der einzelnen Gefangenen?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, so haben sie sich verstanden, natürlich.

RA Dr. Te[mming]:

Hatte die Isolationshaft nicht genau die Wirkung und Funktion, diese politische Identität, Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, das eine bestimmte Politik für richtig gehalten hat, zu zerstören?

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Das ist ja wohl keine Zeugenfrage, das ist eine Bewertung dessen, [10895] was der Herr Zeuge ... er kann höchstens seine Meinung dazu sagen, sein Wissen in dieser Richtung kann er wohl nicht bekanntgehen.

RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender, ich bitte Sie ... gut, dann formuliere ich die Frage etwas um. Hatte die Isolationshaft nach der Auffassung der Gefangenen nicht genau die Wirkung und Funktion, diese, ihre politische Identität zu zerstören?

Zeuge Str[öbele]:

Da müßte ich differenzieren.

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bittesehr.

OStA Zeis:

Ich beanstande die Frage. Sie geht von der unzulässigen Wertung aus, die zwar der Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming gern so in den Gerichtssaal haben will, die aber nicht richtig ist. Das Wort Isolationshaft in einer Frage geht von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus. Wenn Herr Rechtsanwalt Dr. Temming nicht in der Lage ist, eine Frage ohne Polemik und Agitation zu stellen, dann soll er es lieber bleiben lassen.

RA Dr. Te[mming]:

Ja ich ... Moment ...

Vors.:

In diesem ... Herr Rechtsanwalt Dr. Temming.

RA Dr. Te[mming]:

Ich verbitte mir jetzt wirklich diese Unterstellungen, die Sachverständigen sprechen von Isolationshaft, der BGH gebraucht das Wort Isolation in seinem berühmten Beschluß[73] und wenn das nicht mehr möglich ist, die gleichen Worte zu verwenden, die der BGH verwendet, dann bin entweder ich irgendwo zurückgeblieben, Herr Zeis, oder aber Sie wollen den politischen Schritt, den der BGH nach vorne getan hat, jetzt wieder zurück tun, so tun, als ob es keine Isolationshaft gäbe.

Vors.:

Es ist die Frage, in welchem Zusammenhang das gebraucht wird, ich würde meinen, Sie sollten die Frage dahin verstehen, ob die damals bestehenden Haftbedingungen so ...

RA Dr. Te[mming]:

Nein, ich lasse mir nicht meine Begrifflichkeit vorschreiben.

Vors.:

... ob die damals bestehenden Haftbedingungen von den Häftlingen so verstanden worden sind.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, da möchte ich differenzieren. Das ist ein dialektischer Prozeß. Auf der einen Seite sind die Gefangenen davon ausgegangen, daß Ziel und Zweck ...

Vors.:

Haben Sie ... ich meine ... Herr Rechtsanwalt Ströbele, verzeihen Sie bitte, haben Sie eigenes Wissen dazu aus Äußerungen der Gefangenen ...

[vvvvvv] Zeuge Str[öbele]:

Ja, auch von Herrn Müller.

[10896] Vors.:

... über die Sie berichten können.

Zeuge Str[öbele]:

Ja, Ziel und Zweck, davon gingen alle Gefangenen aus, dieser Isoliermaßnahmen und zwar zum Teil[wwwwww] im Gegensatz zu ihren Anwälten davon aus, lange Zeit, sollte sein, sie physisch - psychisch vor allen Dingen auch - in ihrem politischen Bewußtsein zu zerstören. Andere ... das ist die eine Seite. Die andere Seite des dialektischen Prozesses ist aber natürlich ja gewesen, und das wird nun heute immer wieder vorgeworfen, das ist das eigenartige, daß natürlich dadurch, daß eine bestimmte Gruppe oder bestimmte Gefangene in der Haft bestimmten Haftbedingungen ausgesetzt waren, auch dadurch ein bestimmtes Zusammengehörigkeitsgefühl ging. Das gibt es ja in vielen anderen Verfolgungssituationen. Aus der Geschichte gibt es ähnliche ... und das habe ich hier auch immer wieder festgestellt, daß da ein ... daß sie ganz bestimmten allen gleichen, oder nahezu gleichen, in der Tendenz gleichen Haftbedingungen ausgesetzt waren und daß das auf der anderen Seite eben auch eine ganz bestimmte Zusammengehörigkeitsgefühl aber auch eben dann, wie der Hungerstreik oder die verschiedenen Hungerstreiks gezeigt haben, bestimmte Möglichkeiten sie daraus entwickelt haben, sich dagegen zu wehren.

RA Dr. Te[mming]:

Haben die Gefangenen das Info ... oder Informationssystem also insofern als Überlebensprogramm begriffen, das heißt, diente es für die Gefangenen dazu, qua Schulung und Prozeßvorbereitung, ihre politische Identität und zwar jedes einzelnen, zu bewahren?

Zeuge Str[öbele]:

Ja. Also gerade das Wort Überlebensprogramm ist uns immer wieder gesagt worden, daß das ... daß es darum geht, die Kommunikation, die in der Haftanstalt ihnen untersagt wird und auch die nach außen ihnen untersagt wird, lange Zeit durften sie auch keine Besuche empfangen von Dritten, daß das dafür einen, wenn auch unvollkommener Ersatz diese Möglichkeiten der ... einmal der Kommunikation, jetzt der verstärkten Kommunikation mit den Anwälten, der verstärkten Kommunikation mit Gefangenen, die in gleicher Situation waren und auch die Arbeit, die Arbeit an bestimmten Inhalten sein sollte. Also dieses Wort, gerade Überlebensprogramm ist immer wieder gefallen.

RA Dr. Te[mming]:

Haben die Verteidiger, die damals das Informationssystem geplant haben, oder an der Planung beteiligt waren, haben die es für ihre Aufgabe gehalten, ihren Mandanten, nachdem alle [10897] juristischen Wege erschöpft waren, ihren Mandanten die Möglichkeit zu verschaffen, deren Identität auch im Knast als Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu bewahren?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, das sah ich als meine Aufgabe an, das sehe ich noch heute als meine Aufgabe an und das haben auch alle anderen Kollegen, soweit ich mich mit ihnen darüber unterhalten habe, als ihre Aufgabe ... wir[xxxxxx] haben immer gesagt, Schutzfunktion zur Erhaltung einmal der Gesundheit, der psychischen Gesundheit, aber auch der persönlichen Identität und darunter, politischen Identität, darunter verstanden wir, daß die Menschen, die Gefangenen, weiterhin in der Lage bleiben sollten, das, was sie rational analytisch für richtig erkannt haben, das auch nach außen hin weiterhin zu vertreten.

RA Dr. Te[mming]:

Wenn es Zellenzirkulare[yyyyyy] oder was auch immer für Schriftstücke, wie das heute vormittag zitierte, an die „Koms“ gegeben haben sollte, gab es eine Vereinbarung oder einen stillschweigenden Konsens der am INFO-System beteiligten Anwälte darüber, auch solche Schriftstücke, unterstellt, sie wären gekommen, im INFO-System weiter zu verbreiten?

Zeuge Str[öbele]:

Nein. Also ich habe es heute vormittag ganz eindeutig gesagt, wenn ich das irgendwann seinerzeit zur Kenntnis bekommen hätte, hätte ich ganz großen Krach gemacht. Also einmal persönlich Konsequenzen gezogen und hätte aber auch bei allen, die damit irgendwas zu tun haben, hätte ich mich dagegen ganz energisch verwandt und zwar sofort.

RA Dr. Te[mming]:

Ist Dir vielleicht umgekehrt bekannt, daß nicht nur Du, sondern auch andere, oder die Anwälte, die an dem INFO-System beteiligt waren, so etwas strikt abgelehnt hätten?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

RA Dr. Te[mming]:

Ist Dir bekannt, ob Gefangene auf die Idee gekommen wären, den Rechtsanwälten so etwas zuzumuten?

Zeuge Str[öbele]:

Gerhard Müller.

RA Dr. Te[mming]:

Sonst niemand? Ist Dir sonst noch jemand bekannt? Oder kennst Du die Einstellung der anderen Gefangenen?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, also auf andere, weiß ich nicht im Augenblick.

RA Dr. Te[mming]:

Dann nochmal zu diesem vorhin zitierten Schriftstück ...

Zeuge Str[öbele]:

Gibt’s übrigens schriftlich von hier.

RA Dr. Te[mming]:

... sinngemäß „Alles dient der Revolution, dem bewaffneten Kampf“, das Ulrike Meinhof verfasst haben soll, war es nicht so ...

Vors.:

Das ist nicht richtig, der Vorhalt. Es ist in der Zelle von Frau Meinhof sichergestellt worden.

[10898] RA Dr. Te[mming]:

Was in der Zelle ...

Vors.:

Wer es verfasst hat, das ...

RA Dr. Te[mming]:

Was in der Zelle von Frau Meinhof beschlagnahmt oder gefunden worden sei ... sein soll. Ist dieser Satz oder dieser sinngemäße Satz, alles dient der Revolution, dem bewaffneten Kampf, war es nicht so, daß die Gefangenen wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer politischen Identität an alles, was sie taten, also auch an theoretische Lektüre, selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer weltweiten Revolution herangegangen sind und unter diesem Gesichtspunkt ja auch gelesen und gearbeitet haben?

Zeuge Str[öbele]:

Ich habe vorhin schon gesagt, auf eine andere Frage, daß die Gefangenen alle ihre gesamte Existenz praktisch in den ... in diesem Zusammenhang gesehen haben. Ich darf aber vielleicht zu den INFO-Sachen, die da weitergeleitet und zu meinen Rundbriefen sagen: Ich habe in der Zeitung gelesen, daß Herr Müller behauptet haben soll, ich hätte die Rundbriefe auch an Leute geschickt, die nicht meine Mandanten gewesen sind, als Verteidigerpost. Das ist für mich ... also erstens stimmt es nicht und zweitens ist es ein Widersinn in sich. Ich weiß nicht, wie ich das an andere schicken soll mit Verteidigerpost, wenn ich da nicht Verteidiger bin. Ich weiß es nicht, vielleicht ist es auch falsch wiedergegeben worden, es fiel mir nur ein.

RA Dr. Te[mming]:

Dann noch eine Frage, die sich sowohl auf das INFO-System als auch zu den drei Hungerstreiks bezieht. Der Anlaß für beide, so sagen die Gefangenen, so sagen auch die Verteidiger, und der Grund war die Isolationshaft. Meine Frage: War die Isolationshaft für die Gefangenen aus der RAF gesundheitsgefährdend?

Zeuge Str[öbele]:

Zerstörend.

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Das ist ja wohl eine Medizinerfrage. Sie können sagen, wenn Sie einen Mediziner dazu irgendwie beansprucht haben ...

Zeuge Str[öbele]:

Nach eigener Wahrnehmung, Herr Vorsitzender.

RA Dr. Te[mming]:

Für die Gefangenen der RAF habe ich gesagt, Herr Vorsitzender, das heißt, haben es die Gefangenen so empfunden.

Zeuge Str[öbele]:

Die haben es so empfunden und ich habe es auch so empfunden und ich habe es auch festgestellt, obwohl ich kein Mediziner bin.

[10899] RA Dr. Te[mming]:

War die Isolationshaft eine Gefährdung ihrer, das heißt der Gefangenen, Persönlichkeit im Sinne ihrer politischen Identität?

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, ich beanstande jetzt wiederholt den Ausdruck „Isolationshaft“. Was Herr Rechtsanwalt Dr. Temming dort drüben treibt, ist ein trübes Spiel, Polemik, Agitation ...

RA Dr. Te[mming]:

... treibe hier kein trübes Spiel, ich verbitte mir das.

OStA Zeis:

... wiederholt der Ausdruck „Isolationshaft“.

RA Dr. Te[mming]:

Der Ausdruck „Isolationshaft“ ...

OStA Zeis:

Sie unterstellen [zzzzzz] hier irgendetwas. Sie unterstellen hier[aaaaaaa] irgendetwas ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich unterstelle gar nichts.

OStA Zeis:

... Wenn Sie nicht in der Lage sind, die Frage normal zu formulieren, bleibt die Beanstandung aufrecht erhalten.

Vors.:

Ich würde darum bitten, einerseits einem Verteidiger, auch wenn er in einer Form fragt, die in der Tat bei Ihnen offenbar Aufsehen erweckt, nicht zu sagen, er treibe ein trübes Spiel. Das zweite ist aber, ich würde auch andererseits darum bitten, in der Tat Ausdrücke, die einen durch die historische Erfahrung polemischen Inhalt bekommen haben, möglichst zu meiden. Ich habe vorhin den Herrn Zeugen gebeten, es dahin zu verstehen, daß er gefragt wird nach den damals ... damals bestandenen Haftbedingungen. Es ist so, der Herr Rechtsanwalt Dr. Temming, Sie haben schon bei der Befragung an einem der letzten Sitzungstage beharrlich auf den „Zeugen der Anklage“[74] bestanden und ich habe Ihnen gesagt, das erweckt den Eindruck, daß dadurch dem Zeugen schon vorweg ein bestimmter Anstrich gegeben werden soll ...

RA Dr. Te[mming]:

Sicher.

Vors.:

... damit er merkt um was es geht. Sie geraten natürlich, wenn Sie jetzt, trotzdem das beanstandet worden ist, immer wieder auf diesen Ausdrücken beharren, genau in denselben Verdacht. Daß es hier nicht darum geht, sachliche Klärung zu erreichen, sondern unter Umständen, wie gesagt, polemische Erwägung an den Mann zu bringen.

RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender, ich weiß nicht, wieso ein Wort, was der Bundesgerichtshof gebraucht, neuerdings Polemik ist. In dem Beschluß vom Bundesgerichtshof, indem er[bbbbbbb] Ihre Entscheidung bestätigt hat ...

[10900] Vors.:

Könnten Sie mal das Zitat nennen[ccccccc] des Bundesgerichtshof, das Sie hier immer haben, wo von der Isolationshaft ...

RA Dr. Te[mming]:

Es steht Isolation drin und die Isolation bezieht sich auf die Haftbedingung, die die Gefangenen haben und wenn ich jetzt die Isolation ... auf die Haftbedingungen beziehe[ddddddd], dann heißt das Isolationshaft ...

Vors.:

Nein, die Kombination ist der Unterschied. Jede Haft ist eine ... - Herr Rechtsanwalt Dr. Temming, das wissen Sie auch - jede Haft ist eine Art der Isolierung, strenger oder weniger streng, und eine gewisse Isolierung, hier wird die Kausalität bekanntlich häufig herumgedreht, ist notwendig, wenn jemand zum Beispiel erklärt, er würde die Freiheit in der Haftanstalt dazu benützen, um Aktionen und dergleichen und Revolutionierung ...

RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... Das sind alles Dinge, die Ihnen vorgehalten werden müssen, weil Sie partout nicht begreifen wollen, daß die Kombination zwischen Haft und Isolation, was an sich ein synonymer Ausdruck so ist ...

RA Dr. Te[mming]:

Nein.

Vors.:

... wie es der BGH gemeint hat, daß das einen tendenziösen Klang hat. Ich würde Sie also deswegen bitten, daß Sie diese Kombination hier nicht mehr verwenden bei Ihrer Fragestellung.

RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender, ich muß Ihre Bitte leider ... wenn ich mich nicht irre, heißt ... gibt es den Ausdruck Einzelhaft und strenge Einzelhaft im deutschen Sprachgebrauch.[eeeeeee] Wenn ich mich nicht weiterhin irre, ist der Ausdruck Isolation die lateinische Übersetzung von Einzel, von einzeln gehalten werden. Nun frage ich mich, wie kommt der Senat und wie kommt vor allem die Bundesanwaltschaft dazu, sich gegen dieses Wort zu wehren? Doch offensichtlich ... ich weiß nicht, was das soll. Offensichtlich soll die Tatsache der Isolation, die weitergetrieben wird, die soll offensichtlich plötzlich wieder aus der Welt diskutiert werden.

Vors.:

Ich darf Sie darauf hinweisen, daß dieses Wort, was weitergetrieben wird, nicht zutrifft. Es sind hier Haftbedingungen geschaffen worden, die in ihren Möglichkeiten zu ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich kann Ihnen aus dem Stegreif fünf Gefangene nennen ...

Vors.:

... humanem Haftvollzug geradezu erstaunlich sind. Das kann ich Ihnen nur sagen aus der Erfahrung des Senats heraus. Wenn Sie hier weiterhin dieses Schlagwort verwenden, dann muß der Eindruck entstehen, als würden Sie das aus bestimmten Gründen [10901] verwenden, denn dieses Wort ist ja gerade in dieser Form lange Zeit Gegenstand einer Kampagne gewesen; und aus diesem Grunde ist es begreiflich, wenn von anderen Prozeßbeteiligten dieses Schlagwort als Fragewort nicht gewünscht wird. Ich bitte Sie, sich daran zu halten. Sie sollen Ihre Fragen ... Sie können [fffffff] von Isolierung reden, Sie können auch von ihrer Einzelhaft reden, aber bitte verwenden Sie die Kombination nicht, wenn das einen anderen Prozeßbeteiligten aus nicht ganz unbegreiflichen Gründen stört.

RA Dr. Te[mming]:

Die anderen Prozeßbeteiligten sind natürlich mit verantwortlich an dieser Form der Haft, und ich denke nicht daran, mir jetzt wirklich aus Rücksichtnahme gegen die Empfindlichkeit der anderen Prozeßbeteiligten den Begriff, der[ggggggg] überhaupt nur zutreffend ist, nicht mehr zu verwenden.

Vors.:

Es sind keine Empfindlichkeiten ...

Ein einzelner Zuhörer klatscht.

Vors.:

... ich bitte Sie hier[hhhhhhh] aber um Ruhe im Saal, insbesondere diejenigen, die vielleicht gar keine Kenntnisse der Einzelheiten haben, aber ich darf darauf hinweisen ... Ich darf darauf hinweisen, daß diese Art der Fragestellung den Verdacht erwecken kann, daß Sie auf den Zeugen in einer bestimmten Richtung einwirken wollen. Wenn Sie eine sachliche Antwort haben wollen, bitte ich, die Frage auch völlig neutral zu stellen. Ich muß Sie also bitten, daß Sie ...

RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender, dieser Zeuge hat selbst ...

Vors.:

Herr Dr. Temming, lassen Sie mich bitte zu Ende reden - ... daß Sie in der Zukunft diese Formulierungen vermeiden, denn sonst würde aus diesen Gründen in der Tat einer weiteren Beanstandung stattgegeben werden können unter Umständen, das wäre zu überlegen. Ich würde Sie bitten, das zu vermeiden, wir sind jetzt so vorgerückt in der Zeit, daß wir alles tun sollten, um rasch weiter in der Vernehmung des Zeugen zu kommen.

RA Dr. Te[mming]:

Ich sehe mich außer Stande. Also die Frage war, war die Isolationshaft eine Gefährdung ihrer Persönlichkeit im Sinne ihrer politischen Identität, ihrer bezogen auf die Gefangenen.

Vors.:

Ja, ich möchte dann über diese Beanstandung mit dem Senat kurz beraten. Wir ziehen uns also zurück ...

RA Dr. T[emming]:

Bitte, beraten Sie.

Vors.:

... ich bitte, im Saale anwesend zu bleiben.

Pause von 15.46 Uhr bis 15.55 Uhr.

[10902] Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

Der Beschluß des Senats lautet:

Die Frage wird in der gestellten Form nicht zugelassen.

Trotz wiederholter Belehrung verwendet Rechtsanwalt Dr. Temming bei der Befragung des Zeugen den Begriff der „Isolationshaft“, der zum Schlagwort einer seit langem gegen die Justiz geführten Kampagne geworden [iiiiiii] und dadurch so vorgeprägt ist, daß er zur Beeinflussung eines Zeugen geeignet erscheint und damit die Wahrheitsfindung beeinträchtigt. Zu Unrecht beruft sich Dr. Temming auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 22.10.75. Dort ist in Wahrheit ausgeführt: „Die Gefährlichkeit der Beschwerdeführer, die in den genannten Umständen zum Ausdruck kommt, ließ den für die Gestaltung der Untersuchungshaft verantwortlichen Stellen keine andere Wahl als die, dem durch eine entsprechende Verschärfung der Haftbedingungen Rechnung zu tragen. Die Angeklagten und ihre Anwälte bezeichnen die dadurch bewirkte Haftform schon seit langem als menschenvernichtende Isolationsfolter. Das kann zwar nur als agitatorische Verleumdung verstanden werden, zumal die Haftbedingungen in ihrem Ausmaß und ihrer Dauer den Behörden erst durch das Verhalten der Angeklagten aufgezwungen worden sind. Es zeigt aber, daß diese sich der nachteiligen Wirkung der Haftbedingungen bewußt sind. Es kann nicht ernstlich bezweifelt werden, daß sie angesichts ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz auch die Auswirkungen der isolierenden Haftbedingungen auf Ihre Verhandlungsfähigkeit, die durch das äußere Bild ihrer außergewöhnlichen Aktivität für die mit dem Vollzug und im Strafverfahren befassten Stellen zunächst verdeckt blieben, seit langem erkannt haben.“

Bitte weitere Fragen zu stellen.

RA Dr. Te[mming]:

Ich bitte um eine kurze Pause. Nach diesem Beschluß sehe ich mich gezwungen, einen unaufschiebbaren Antrag zu beraten.

Vors.:

Stellen Sie den Antrag, jetzt wird keine Pause gemacht, wenn Sie glauben, ihn stellen zu müssen.

RA Dr. Te[mming]:

Hiermit lehne ich namens der Gefangenen Gudrun Ensslin den Vorsitzenden Richter am 2. Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart, Dr. Prinzing, sowie die Beisitzenden Richter Dr. Berroth, Maier, Dr. Foth und Dr. Breucker wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Begründung: Der Senat ...

[10903] 1. Der Senat, der bisher Beanstandung wegen der Form von Fragen seitens der Bundesanwaltschaft, zurück... nicht angenommen hat mit der Begründung, das ginge nicht an, die Zulässigkeit zu verneinen wegen der Form einer Frage, weist nunmehr eine Frage der Verteidigung eben wegen der Form zurück. Hierin offenbahrt sich, daß diese abgelehnten Richter nicht mehr, auch nicht mehr mit dem Schein einer Gleichbehandlung einer gleichen Chancen... Chancengleichheit die Verteidigung und die Bundesanwaltschaft behandeln können.

2. Der beanstandete Ausdruck, durch die Bundesanwaltschaft beanstandet, lautete „Isolationshaft“. Die Gutachter in dem Verfahren hier, in dem Verfahren in Hamburg, in dem Verfahren in Kaiserslautern und in anderen Verfahren inzwischen in der Bundesrepublik haben übereinstimmend festgestellt, daß die isolierenden Haftbedingungen, und das ist nichts anderes als eine Umformulierung von Isolationshaft, gesundheitszerstörend sind. Der Gutachter Stövsand hat in seinem Gutachten, das er in dem Verfahren in Hamburg erstellt hat, und zur Glaubhaftmachung nehme ich auf dieses Gutachten, das sich bei den Akten befindet, Bezug, diese Form der Haftbedingungen als Isolationsfolter klassifiziert. Der Gutachter Professor Dr. Schröder, der in diesem Verfahren ein Gutachten erstellt hat und mehrfach darauf bestanden hat, daß die Haftbedingungen grundlegend geändert werden, hat nach der Liquidierung von Ulrike Meinhof in einem Interwiev in der Illustrierten „Stern“ ...

Vors.:

Habe ich recht gehört, daß Sie im Augenblick das Wort „Liquidierung von Ulrike Meinhof“[75] verwendet haben?

RA Dr. Te[mming]:

Sie haben recht gehört, ja.

Vors.:

Ich beabsichtige, ihnen wegen Mißbrauch Ihres Wortes hier das Wort zu entziehen, wollen Sie dazu etwas sagen, haben Sie dazu etwas zu sagen?

RA Dr. Te[mming]:

Ja, Herr Vorsitzender, dieser Ausdruck wird im Prozeß in Düsseldorf gegen das „Kommando Holger Meins“[76] gebraucht, dauernd gebraucht, Liquidierung heißt Auslöschung auf deutsch, und bisher ist dem Vorsitzenden Richter Müller, von dem Sie sich mehrere Scheiben[jjjjjjj] abschneiden könnten, noch nicht einmal aufgegangen, daß das etwa ein Grund sei, mir, oder wem auch immer, wer es gebraucht hat, das Wort zu entziehen. Er hat lediglich den Ausdruck Mord damals moniert.

[10904] Vors.:

Ja ...

RA Dr. Te[mming]:

Ich bin etwas überrascht, wenn der Ausdruck hier nicht ... ich bin etwas überrascht, wenn der Ausdruck hier nicht zugelassen wird ...

Vors.:

Schön, wenn Sie den Ausdruck in dieser neutralen ...

RA Dr. Te[mming]:

... wenn Sie deswegen etwa jetzt einen Ablehnungsantrag durch Wortentzug verhindern wollen, da bin ich doch sehr überrascht, das dürfte dann der dritte Grund werden.

Vors.:

Ich will Ihnen dazu sagen, Sie scheinen verwöhnt zu sein durch den Gebrauch des Wortes „Liquidierung“ in irgendeinem anderem Prozeß, das mag sein. Hier in diesem Prozeß wird das Wort „Liquidierung von Frau Meinhof“ nicht hingenommen.

Ich erteile Ihnen eine Rüge und möchte Sie bitten, daß Sie das in Zukunft nicht mehr verwenden. Bitte, fahren Sie fort.

RA Dr. Te[mming]:

Ja, könnten Sie jetzt bitte, da es wieder Ihnen mal gelungen ist, a) mir die Pause zu verweigern und b) mich aus dem Konzept zu bringen, muß ich jetzt darum bitten, daß ich, um einen Anschluß zu finden, das Tonband abgespult wird.

Vors.:

Sie können in Ihrer Begründung fortfahren. Ich bitte Sie, daß Sie das auch tun. Eine Pause dazu wird jetzt nicht eingelegt.

RA Dr. Te[mming]:

Ich will keine Pause, ich möchte ...

Vors.:

... um den Anschluß zu finden, Sie haben erwähnt ...

RA Dr. Te[mming]:

... um den Gedankengang fortzusetzen ...

Vors.:

Sie haben erwähnt ...

RA Dr. Te[mming]:

Jetzt bitte ich Sie wirklich nur noch unaufschiebbare Maßnahmen zu treffen und mich nicht zu hindern.

Vors.:

Sie haben Ihren Gedankengang damit begonnen gehabt, daß Sie Professor Schröder hier zitierten, daß er hier gegen die Haftbedingungen Einwendungen erhoben habe, hier können Sie fortsetzen, bitte.

RA Dr. Te[mming]:

Er hat im Interview in der Zeitschrift „Stern“ sinngemäß ausgeführt, die isolierenden Haftbedingungen, also die Isolationshaft, seien vergleichbar ... - das war der Gutachter Rasch, das passiert halt, wenn ein Gerichtsvorsitzender noch nicht mal in der Lage ist, eine kurze Pause für einen Ablehnungsantrag zu geben. - Also der Gutachter Professor Dr. Rasch aus Berlin hat in dem Interview sinngemäß ausgeführt, dieser Haftvollzug, den der Gutachter Stövsand Isolationsfolter genannt hat, [10905] dieser Haftvollzug sei vergleichbar mit einer Dunstglocke, wenn ich mich nicht irre, die immer, wenn etwas gelockert sei, dicht gemacht werde, bis man erstickt. Wenn das ein Gutachter, der die Verhältnisse hier weiß Gott kennt, ausführt, und es der Verteidigung untersagt[kkkkkkk] sein soll, den Ausdruck Isolationshaft zu gebrauchen, dann bedeutet das, daß dieser Senat, dem hier schon vorgeworfen worden ist, den Tod von Holger Meins mit verschuldet zu haben,[77] dem hier schon vorgeworfen worden ist, den Tod von Ulrike Meinhof mit zu verantworten zu haben, daß dieser Senat auf Anregung und in der bekannten Folgebereitschaft der Bundesanwaltschaft nachgibt, und selbst diese Ausdrucksweise, die nichts weiter ist als ein deskriptiver[lllllll] Begriff, unterdrückt. Das heißt aber, daß dieser Senat und die abgelehnten Richter jegliche Objektivität, auch nur den Versuch, objektiv zu sein, inzwischen preisgegeben haben. Das begründet die Besorgnis der Befangenheit. Die Strafprozeßordnung enthält dafür nur noch eigentlich unbrauchbare Begriffe, das begründet die Besorgnis der Befangenheit gegen jeden Richter, der an diesem Beschluß, der wirklich ein Novum in der Bundesrepublik ist, aber es gibt hier schon so viele Novums, Nova, daß jeder dieser abgelehnten Richter nicht mehr in diesem Verfahren entscheiden kann.

Vors.:

Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?

RA Dr. Te[mming]:

Drittens ... - Sie müssen schon entschuldigen, aber wenn ich das alles aus dem Stegreif machen muß ...

Vors.:

Bitte noch zu warten, es ist die Begründung noch nicht abgeschlossen.

RA Dr. Te[mming]:

3. Lehne ich zusätzlich und alleine noch zusätzlich den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing wegen der Besorgnis der Befangenheit aus dem Grunde ab, weil er den hier gebrauchten Ausdruck „Liquidierung von Ulrike Meinhof“ ebenfalls nicht durchgehen lassen wollte mit einer Begründung, die völlig ... also völlig uneinsichtig ist, nachdem in anderen Verfahren es noch nie gerügt worden ist. Trotz Hinweis läßt er es nicht durchgehen, und obwohl er als abgelehnter Richter nichts anderes mehr machen kann, als unaufschiebbare Maßnahmen zu treffen.[78] Die Zurückweisung dieses Ausdrucks ist weiß Gott keine unaufschiebbare Maßnahme, es sei denn, jede deskriptive, deskriptive, beschreibende Benennung dessen, was mit den Toten aus der RAF abgelaufen ist, darf nicht mehr in einer öffentlichen Verhandlung eines deutschen Strafprozeßes geäußert werden.

Ende von Band 630.

[10906] RA Dr. Te[mming]:

Auch das zeigt, daß der Vorsitzende Richter hier nicht mehr die Stellung, die Rolle und die Funktion eines unabhängigen Organes der Rechtspflege ausübt.

Vors.:

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Bitte, die Bundesanwaltschaft.

OStA Ho[lland]:

Das Verhalten bestimmter Verteidiger in dieser Hauptverhandlung wird seit Beginn dieser Hauptverhandlung von zwei Maximen bestimmt. Die eine Maxime bestand darin, durch eine Fülle von Ablehnungsanträgen den Eintritt in die Beweisaufnahme zu verhindern, und jetzt in der zweiten und letzten Phase dieses Prozesses besteht die zweite Maxime bestimmter Verteidiger darin, durch eine Fülle von Ablehnungsgesuchen den Schluß der Beweisaufnahme zu verhindern. Sinn und Zweck der Fülle der gerade in der letzten Zeit gestellten Ablehnungsanträge, Sinn und Zweck dieser Ablehnungsanträge ist offenkundig. Und die heute von Rechtsanwalt Dr. Temming angebrachten, erneuten Ablehnungsanträge, diese Ablehnungsanträge tragen den Makel der Unzulässigkeit geradezu auf der Stirn geschrieben. Es ist klar, daß die in polemischer Form gestellten Fragen des Rechtsanwalts Temming, daß diese Fragen zurückgewiesen werden mußten. Es ist rechtsunzulässig und ist rechtsmißbräuchlich, wenn nun diese angebrachte und erforderliche Maßnahme des Senates mit einem Ablehnungsgesuch quittiert wird, und wenn im Anschluß daran weitere offensichtlich unzulässige Ablehnungsgründe vorgetragen werden. Die Bundesanwaltschaft beantragt daher

die oder das Ablehnungsgesuch des Rechtsanwalts Temming als unzulässig zu verwerfen.

Vors.:

Ich bitte um 16.30 Uhr wieder anwesend zu sein. Es wird dann bekanntgegeben, wie die Sitzung fortgesetzt wird.

Publikum vorsorglich zugelassen.

Pause von 16.10 Uhr bis 16.32 Uhr

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.32 Uhr.

Vors.:

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Die Ablehnung der Richter des Senats wird einstimmig als unzulässig verworfen.

[10907] Gründe: Wenn der Senat die Frage des Rechtsanwalts Dr. Temming nicht zugelassen hat, so hat das mit einer allgemeinen Sprachregelung nichts zu tun, sondern dient allein dazu, bei der Befragung von Zeugen alles zu vermeiden, was der Wahrheitsfindung abträglich sein könnte. Das ergibt sich aus der Begründung des beanstandeten Beschlusses mit solcher Klarheit, daß es für jedermann, auch die Angeklagten und Verteidiger ohne weiteres erkennbar ist. Die Entscheidung trotzdem zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuches zu machen, dient offensichtlich nur der Prozeßverschleppung.

Daß es angesichts des in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren unter Zuziehung mehrerer Sachverständiger festgestellten Freitods der früheren Angeklagten Meinhof nicht hingenommen werden kann, von der Liquidierung zu sprechen, liegt auf der Hand.

Die daran geknüpfte Ablehnung dient ebenfalls offensichtlich nur der Prozeßverschleppung.[79]

¾¾¾

Ich möchte darauf hinweisen wegen des weiteren Prozeßprogramms; wir müssen heute noch mit der Vernehmung der Zeugin Eckes oder Stachowiak beginnen, und die Durchführung zumindest von einer dieser Zeugin. Wir werden die Zeugen, die auf morgen früh geladen sind um 10.00 Uhr, erst auf 14.00 Uhr laden, und morgen früh die Vernehmung der für heute vorgesehenen Zeuginnen, für den Fall, daß sie nicht vollständig abgeschlossen werden kann, vollends beenden.

Wir werden morgen früh um 9.00 Uhr mit der Sitzung beginnen, zwecks Vernehmung der Zeugin Eckes oder Stachowiak, also einer der beiden, die heute nicht mehr gehört werden kann.

Weitere Fragen bitte.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

Dr. Temming.

RA Dr. Te[mming]:

Also die Frage war - ich glaube der Ausdruck isolierende Haftbedingungen ist jetzt zugelassen - waren die isolierenden Haftbedingungen eine Gefährdung der Persönlichkeit der Gefangenen und ihrer Persönlichkeit im Sinne ihrer politischen Identität?

Zeuge Str[öbele]:

Als solches wurden sie sowohl von den Gefangenen empfunden, als auch von mir, nach den Feststellungen, den tatsächlichen Feststellungen beurteilt, die ich getroffen habe. Und zwar wurde das, weil wir ja heute im wesentlichen über Müller reden, wurde das in - na, ich möchte sagen - mindestens 1 Dutzend Briefen von Müller - ich könnte ja mehrere zitieren - zum Ausdruck gebracht, wo er diese Haftbedingungen, insbesondere mit Solschenizyns „Ersten Kreis der [10908] Hölle“[80] Isolierhaft und Schlafraub als gängige Behandlungsmethode für politische Untersuchungsgefangene, d. h. so wörtlich „Aussageerpressung“, wo er das beschrieben hat. Das ist eigentlich von allen Gefangenen, die diesen Haftbedingungen jemals unterworfen waren, so beurteilt worden; und ich habe in einer ganzen Reihe von Fällen, insbesondere bei Astrid Proll, diese Auswirkungen, aber nicht nur Proll; es[mmmmmmm] ist jetzt nur eben ein Beispiel, sondern auch bei anderen diese Auswirkungen, zumindest in dem Ansatz auch[nnnnnnn] festgestellt.

RA Dr. Te[mming]:

Hast Du selbst diese Haftbedingungen als Isolationshaft schon bezeichnet?

Zeuge Str[öbele]:

Ja.

RA Dr. Te[mming]:

Du wirst also durch den Gebrauch des Wortes „Isolationshaft“ wohl nicht beeinflusst?

Zeuge Str[öbele]:

Nein.

RA Dr. Te[mming]:

Gehörte zu der politischen Identität der Gefangenen nicht auch ihre Überzeugung, daß die Verhältnisse in den Gefängnissen verändert werden müssen, daß Strukturen Funktionen[ooooooo] dieses Staatsapprates am deutlichsten den unmenschlichen Charakter des imperialistischen Systems ausdrücken?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, das kommt in einer ganzen Reihe auch[ppppppp] von Schriftstücken zum Ausdruck; aber es ist mir auch häufig mündlich in Diskussionen gesagt worden, und findet seine[qqqqqqq] bildliche Darstellung in dem Kursbuch 32[81], das wahrscheinlich hier auch bekannt ist, in dem Bogen, der dort beigefügt ist, wo das Gefängnis, soweit ich mich erinnere, das Gefängnis in Preungesheim dargestellt worden ist, eben als ein solches Symbol

RA Dr. Te[mming]:

Bestand bei den Gefangenen nicht die Überzeugung, daß die isolierenden Haftbedingungen sie von der ohnehin verkümmerten Infra-[rrrrrrr] und Kommunikationsstruktur im Gefängnis abhalten sollten und zwar mit dem Ziel, damit die Gefangenen dort in Umsetzung ihrer politischen Identität nicht als Guerilla, aber als Widerstandsleistende gegen unmenschliche, geschichtlich überholte Bedingungen auf diesem Terrain als politisches Individium, nicht überleben konnten?

Zeuge Str[öbele]:

Das war mir etwas zu lange ...

RA Dr. Te[mming]:

Zu lange, gut.

Zeuge Str[öbele]:

... einfach zum Verständnis.

RA Dr. Te[mming]:

Also teile ich die Frage in zwei Unterfragen auf.

Bestand bei den Gefangenen nicht die Überzeugung, daß die isolierenden Haftbedingungen sie von der ohnehin verkümmerten Infra- und Kommunikationsstruktur im Gefängnis abhalten sollte?

Zeuge Str[öbele]:

Ja, natürlich.

[10909] RA Dr. Te[mming]:

Bestand für die Gefangenen, die sich als Guerilla verstehen, in ihrem Gefangenensein nicht die einzige Möglichkeit sich auch im Gefängnis, zwar nicht als Guerilla, aber als Widerstandleistende gegen unmenschliche Bedingungen auf diesem Terrain als politisches Individuum noch halten zu können?

Zeuge Str[öbele]:

Nein, das würde ich so nicht sagen, das würde ich sogar verneinen. Die Gefangenen haben sicherlich, also nach den Gesprächen, die ich mit ihnen geführt habe, wobei das alles etwas weit führt, das so nicht gesehen, jedenfalls nicht so einseitig, sondern sie sahen durchaus eine ganz wichtige, auch politische Aufgabe, menschliche und politische Aufgabe darin, sich in der ... während der Haftzeit und in der Haftzeit, ein besser fundiertes, durchdrungeneres, politisches Bewußtsein zu schaffen.

RA Dr. Te[mming]:

War dazu, nach der Ansicht der Gefangenen, nicht erforderlich die Aufhebung ihrer isolierenden Haftbedingungen?

Zeuge Str[öbele]:

Das war schon Voraussetzung deshalb, weil sonst die Gesundheitsverhältnisse sich so schlecht, negativ zum Kranksein hin entwickelten, daß dann eine Arbeit - und das ist auch von vielen Gefangenen, auch von Müller, berichtet worden -, daß er gar nicht mehr in der Lage sei zu arbeiten, d. h. also zu lesen und was zu schreiben, aufgrund der Haftbedingungen, der fehlenden Kommunikation. Ich darf vielleicht aus einem Brief von Müller zu diesem ganzen Komplex abschließend zitieren, vom August 1973, da schreibt er: „Scheiße, daß Croissant und Jürgen Roth nicht klipp und klar gesagt haben, daß Isolierhaft und Schlafraub primär den Widerstand der politischen Gefangenen brechen soll ...“ das bezog sich wohl auf irgendeine öffentliche Äußerung „... und daß erst in zweiter Linie die Angst der Anstalt vor Agitation eine Rolle spielt.“ Dann kommt in diesem Zusammenhang das Solschenizyn-Zitat.

RA Dr. Te[mming]:

Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht.

Der Herr Zeuge soll nicht vereidigt werden.

Zeuge Str[öbele]:

Herr Vorsitzender, ich habe ja genügend Zeit gehabt, in der Zwischenzeit auch meine Aussage zu überdenken. Auf eine Frage, ich weiß selbst nicht mehr was ich da geantwortet habe, ich will das nur klarstellen, damit da keine Irrtümer entstehen, auf die Frage von Herrn Staatsanwalt oder Bundesanwalt Zeis. Ich weiß jetzt nicht, ob die Frage lautete, ob ich jemals, also auch in der Zeit bis Anfang 74 [10910] oder Mitte 74, selber irgendwas in die Haftanstalt geschickt habe, ob ich die Frage mit „nein“ beantwortet habe. Also nur zur Klarstellung, es ist ja egal wie ich es beantwortet habe; ich kann nicht ausschließen, daß ich in dieser Zeit oder überhaupt auch mal meinen Briefen, meinen Rundbriefen Anlagen, wie z. B. bestimmte Erklärungen, Prozeßerklärungen oder ähnliches, beigefügt habe.

Vors.:

Mit dieser Berichtigung ist die Zeugenaussage abgeschlossen.

Der Zeuge bleibt unbeeidigt gem. § 60 II StPO[82] wegen Verdachts der Tatbeteiligung und wird im allseitigen Einvernehmen um 16.41 Uhr entlassen.

Vors.:

Soll gem. § 257 StPO[83] eine Erklärung abgegeben werden zum Herrn Zeugen? Sehe ich nicht. Können wir dann die Zeugin Stachowiak.

Bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Der Kollege Arndt Müller, der in einer anderen Sache die Zeugin Stachowiak und die Zeugin Eckes in anderen Sachen vertritt, hat mich gebeten den folgenden Antrag dem Senat vorzulegen, dem ich mich aber aus eigenem Interesse für meinen Mandanten anschließe, nämlich:

Die für heute anberaumte Vernehmung dieser beiden Zeuginnen zu verschieben.

Mit folgenden Gründen:

Die beiden Zeuginnen sind heute zum ersten Mal seit dem 4. Febraur 1974 aus dem Untersuchungsgefängnis Hamburg herausgekommen. Sie sagen, daß die Fülle der Sinneseindrücke nach 2 ½ Jahren bei den bekannten Haftbedingungen für sie völlig ungewöhnt, verstörend ist.

Die Zeugin Ilse Stachowiak - vorgeführt aus Untersuchungshaft - erscheint um 16.43 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeuginnen sind ferner vom Flug erheblich erschöpft; Transportbeginn: Heute 9.15 Uhr, Abflug Hamburg 9.30 Uhr, Zwischenlandung in Hannover, Ankunft in Stammheim 12.45 Uhr. Das sind also 3-¼ Stunden Flug im Hubschrauber mit erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen durch Lärmen[sssssss] und Rütteln. Beide Zeuginnen sind während der gesamten Zeit gefesselt gewesen.

Mein eigenes Interesse ist, daß diejenigen Zeugen, die ich für meinen Mandanten hier benannt habe, auch voll vernehmungsfähig sind und bei der Situation, die ich hier[ttttttt] erfahre, muß ich ... würde ich diese Frage verneinen.

[10911] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist inzwischen, wie Sie zurecht bemerkt haben, seit der Ankunft um 12.45 Uhr einige Zeit vergangen, so daß sich die Zeuginnen von dem Flug, soweit er anstrengend gewesen sein mag, erholt haben können. Wir sind genötigt die Zeuginen morgen wieder zurückzubringen, das ist einfach ein unerlässliches Transportproblem, deswegen möchte ich mit der Vernehmung der Zeugin[uuuuuuu] beginnen. Es sind zwei einfache, schon einmal einer Zeugin gestellte Fragen, sie bedürfen keines größeren Nachfragens seitens des Gerichts, soweit ich das bisjetzt beurteilen kann, so daß ich der Meinung bin, daß wir mit der Vernehmung beginnen können und auch beginnen möchte.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann eine Bitte noch.

Vors.:

Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe einen Antrag gestellt.

Vors.:

Bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe einen Antrag gestellt, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ja, die Zurückstellung einer Zeugenvernehmung, die Beendigung des Prozeßtages ist ja zunächst Sache des Vorsitzenden. Ich habe den Antrag hiermit abgelehnt.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann gebe ich doch zumindest eines zu erwägen, daß man die Zeugin, nach dem sie selbst hier hereingekommen ist, sie doch einmal fragen möchte.

Vors.:

Nein, ich habe jetzt gesagt, daß ich mit der Vernehmung beginnen möchte. Wir verschaffen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

... darf ich daran erinnern, daß Sie den Zeugen Müller, der allerdings nicht von der Verteidigung benannt worden war, ...

Vors.:

Nach 6 Stunden Vernehmung, wenn Sie das sagen wollen.

RA Dr. He[ldmann]:

... in gleichmäßigen Abständen über den ganzen Tag hinweg gefragt haben, ob er sich noch rüstig fühle und ...

Vors.:

Ja, das werde ich hier auch tun, wenn die Vernehmung solange gedauert hätte, wie sie beim Zeugen Müller gedauert hat. Dessen dürfen Sie versichert sein.

RA Dr. He[ldmann]:

Für die Zeugin hat der Termin heute morgen um 9.00 Uhr begonnen, 9.00 Uhr.

Vors.:

Ja, für uns alle. Ich darauf hinweisen, daß wir jetzt im Augenblick mit der Vernehmung beginnen wollen. Wenn Sie, Frau Stachowiak, den Eindruck gewinnen, daß Sie nicht mehr den Fragen folgen können, dann wollen wir das beurteilen, ob das in der Tat ein Gesichtspunkt ist, dem man folgen muß. Jetzt lassen Sie mich mal mit der Vernehmung beginnen.

[10912] RA Dr. Te[mming]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande[84] Ihre Maßnahme.

Ich schließe mich erstmal dem Antrag von Herrn Heldmann an. Ich muß das jetzt leider nachträglich tun, weil Sie mich nicht zu Wort kommen ließen, trotz Erheben der Hand.

Ich beanstande Ihre Maßnahme, und zwar haben Sie bei Ihrer Begründung eines übersehen, und zwar eigentlich den Hauptgrund, daß die Zeugin seit Februar, glaube ich, 74 nicht mehr aus dem Untersuchungsgefängnis herausgekommen ist. Das sind die isolierenden Haftbedingungen, wieder mal. Und nach den Gutachten, die hier erstellt worden sind und die überall erstellt worden sind, ist es schlechterdings nicht von der Hand zu weisen, daß diese Haftbedingungen natürlich bewirken, daß ein Zeuge oder eine Zeugin nach dieser langen Zeit, der Fülle von Sinneseindrücken akustisch, optisch nicht mehr in dem Maß gewachsen ist, daß sie unmittelbar nach einer anstrengender ... nach einem anstrengenden Flug im Hubschrauber, unter den bereits geschilderten Bedingungen, in der Lage ist, sich vollwertig zu konzentrieren. Es fehlt an der Vernehmungsfähigkeit, und deswegen beanstande ich die Zurückweisung des Antrags.

RA Geu[len]:

Ich möchte mich gerne dazu äußern.

Ich möchte mich dem Antrag anschließen, wenn Sie zuhören, auch der Herr Beisitzer.

Ich möchte mich dem Antrag anschließen und möchte doch anregen, daß Sie zunächstmal die Zeugin fragen, was Sie hier selbst auch schon angekündigt haben, und zwar nicht erst nach 6 Stunden Vernehmung. Ich vermag schlechthin nicht einzusehen, wieso etwa bei dem Zeugen Müller, was Herr Kollege Heldmann schon gesagt hat, wiederholt das gefragt wurde, und bei der Zeugin, die hier vor uns sitzt, die nun allerdings keine längere Vernehmung, wohl aber einen längeren Hubschrauberflug hinter sich hat, wieso von daher weniger Anlaß bestehen soll, sie das zu fragen. Deshalb würde ich Sie zunächst, Herr Vorsitzender, bitten, die Zeugin zu fragen, ob sie sich in der Lage fühlt - das scheint auch für uns das Entscheidende zu sein, wir insistieren ja nicht passe auf diesem Antrag - die Zeugin zu fragen, ob sie sich in der Lage fühlt, hier Aussagen zu machen oder andernfalls das eben auf morgen zu verschieben. Wenn die Zeugin der Meinung ist, werden wir selbstverständlich unsereren Antrag oder ich jedenfalls für meine Seite, den Antrag zurückstellen.

Vors.:

Frau Stachowiak, was haben Sie in den letzten Stunden gemacht, seit Sie hier eingetroffen sind, abgesehen davon, daß Sie wahrscheinlich Essen eingenommen haben?

[10913] Zeugin Sta[chowiak]:

Also ich bin bereit, eine Aussage zu machen, aber eben nicht heute, ja. Und zwar wegen dem Transport und wegen der Vernichtungshaft. Ich bin nicht in der Lage jetzt eine Aussage zu machen.

Vors.:

Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?

BA Dr. Wu[nder]:

Ich spreche mich für einen Beginn der Zeugenvernehmung aus. Die Zeuginnen wissen seit geraumer Zeit, daß sie hier gehört werden ...

Zeugin Sta[chowiak]:

Ja, ich werde es einfach nicht ...

Vors.:

Bitte, Frau Stachowiak, unterlassen Sie das.

BA Dr. Wu[nder]:

... und sie dürften sich darauf auch eingerichtet haben. Der Flug selbst dauerte nur kurze Zeit, so daß eine Gewöhnungszeit zur Akklimatisierung hier nicht veranlasst erscheint.

Vors.:

(nach geheimer Beratung) Der Senat hat beschlossen,

es wird mit der Vernehmung der Zeugin begonnen.

Die Zeugin ist um 12.45 Uhr ...

Unverständlicher Zwischenruf eines männlichen Zuschauers (gelbes Hemd, dunkle Haare, Vollbart).

Vors.:

Ich bitte die ...

Weitere unverständliche Zwischenrufe dieses Zuschauers.

Vors.:

Das ist der Herr mit dem gelben Hemd ...

Weitere Zwischenrufe des Zuschauers.

Vors.:

Ich bitte Sie, den Saal zu verlassen.

Weiterer Zwischenruf des Zuschauers.

Der Zuschauer verlässt dann freiwillig um 16.50 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Die Zeugin ist um 12.45 Uhr eingetroffen, hat bis jetzt die Gelegenheit gehabt, sich hier zu akklimatisieren und nach Möglichkeit auch auszuruhen. Es kann mit der Vernehmung begonnen werden. Der Senat wird beurteilen, ob die Zeugin nicht im Stande ist.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich fühle mich nicht in der Lage, jetzt die Aussage zu machen wegen dem Transport und wegen der Vernichtungshaft.

Vors.:

Ja, das ist ...

[10914] Zeugin Sta[chowiak]:

Ich fühle mich einfach nicht in der Lage, und damit hat sich das.

Vors.:

Ja, es ist so, Frau Zeugin, daß ein Zeuge, der hier vor Gericht gehört wird, nicht mit der Erklärung, „ich fühle mich nicht in der Lage dazu“, im Stande ist, die Vernehmung damit zu blockieren, zu verhindern. Im Augenblick hat der Senat beschlossen, daß wir mit der Vernehmung beginnen.

Ich darf Sie zunächst belehren, daß Sie hier die Wahrheit ...

RA Geulen:

Ich möchte das beanstanden.[85]

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich fühle mich nicht in der Lage, und sonst will ich halt ausgeschlossen werden, das ist einfach.

Vors.:

Es war eine Entscheidung des Senates, aufgrund dessen, daß ich bereits gesagt habe ...

Zeugin Sta[chowiak]:

Dann gehe ich eben wieder.

Vors.:

... ich möchte mit der Vernehmung beginnen, d. h. das war die Entscheidung über die Beanstandung.

Jetzt ...

RA Dr. He[ldmann]:

... zu verteidigen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Gut, das können Sie ja, wenn Sie wollen, sich für diesen Punkt vermerken.

RA Dr. He[ldmann]:

Nach 2 ½ Jahren das erste Mal aus der Zelle und da sagen Sie, es ist schon ein paar Stunden her ...

Vors.:

Es ist doch entschieden. Jetzt sind Sie doch bitte so gut, und halten Sie sich wenigstens an die Regeln der Prozeßordnung.

RA Dr. He[ldmann]:

Erkennen Sie doch, daß ich ... Gegenvorstellung[86] ... Ihre Entscheidung ist ...

Vors.:

Wir erkennen auch ... die Gegenvorstellung wird jetzt nicht erhoben. Herr Rechtsanwalt, damit ist jetzt nichts anderes geschehen, als daß Sie hier weiterhin das verschärfen wollen, damit die Zeugin sich auf diesen Standpunkt stellt. Das kann doch zu nichts Ordentlichem führen. Wir sind gar nicht ...

RA Geu[len]:

Wir sind doch auf dem Standpunkt, das hat sie doch eben gesagt ...

Vors.:

Wir sind gar nicht Willens, die Zeugin zu überfordern, sondern wir sind der Meinung ...

Zeugin Sta[chowiak]:

Das ist ein unheimlicher Quatsch, ist das. Wenn ich ...

Vors.:

... nach dem, wie sich’s bis jetzt ...

Zeugin Sta[chowiak]:

... mich nicht in der Lage fühle, was soll denn das, ja?

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, ich möchte ...

Vors.:

Wir sind der Meinung, daß sich das, was im Augenblick hier bekanntge- [10915] worden ist, nicht dazu eignet, anzunehmen, daß die Zeugin nicht im Stande wäre, die zwei Beweisthemen, die hier angeschnitten worden sind, zu beantworten. Und deswegen bitte ich mich jetzt nicht weiter zu stören bei dem Hinweis, daß die Zeugin die Wahrheit zu sagen hat.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich fühle mich nicht in der Lage und damit hat sich das.

RA Geu[len]:

Wir sind nicht gehört worden ...

Vors.:

Daß die Zeugin ...

RA Geu[len]:

Darf ich bemerken, daß wir eben nicht gehört worden sind, nur die Bundesanwaltschaft, nachdem die Zeugin ihre Bemerkung gemacht hat. Wir sind dazu nicht gehört worden.

Vors.:

Sie haben beanstandet; und daraufhin hat die Bundesanwaltschaft dazu Stellung genommen.

RA Geu[len]:

Na, zuerst hat die Zeugin geredet, dann die Bundesanwaltschaft und wir nicht ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Geulen, ich bitte Sie, jetzt nicht weiterhin das Wort zu ergreifen. Es ist alles so geschehen, wie es die Prozeßordnung vorschreibt. Und Sie sind beschieden worden durch eine Entscheidung des Senats; es ist entschieden; bitte halten Sie sich daran.

Die Zeugin wird gem. § 57 StPO[87] belehrt.

Die Zeugin spricht während der Belehrung wiederholt unverständlich dazwischen.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich will jetzt gehen.

Vors.:

Das kommt auf gar keinen Fall in Betracht. Wenn Sie das tun, dann müssen Sie mit einer entsprechenden Bestrafung[88] rechnen.

[vvvvvvv] Die Zeugin steht auf und erklärt:

Ich gehe jetzt. Ich habe gesagt, ich fühle mich nicht in der Lage.

Vors.:

Sie fühlen sich nicht in der Lage und Sie meinen damit dem Gericht dienen ...

(Die Zeugin spricht unverständlich dazwischen)

Vors.:

Bitte nehmen Sie Platz, hören Sie jetzt in Ruhe an ...

Zeugin Sta[chowiak]:

... oft genug gesagt worden hier.

Vors.:

Ich habe Ihnen aber auch oft genug gesagt, daß eine Zeugin es nicht dadurch bestimmen kann, ob sie vernommen wird, wenn sie einfach erklärt, ich fühle mich nicht in der Lage. Die Gründe, die Sie vorbringen, sind für uns im Augenblick nicht durchschlagend. Das ist der Grund, warum wir der Auffassung sind, daß mit der Vernehmung [10916] begonnen wird.

RA Geu[len]:

Fragen Sie doch mal die Zeugin, was sie für Gründe hat; Sie haben ja noch gar nicht gefragt, was sie für Gründe hat.

Vors.:

Die Gründe sind genannt worden von der Zeugin.

RA Dr. He[ldmann]:

Das ist keine juristische Frage, sondern eine medizinische Frage. Und gerade mit Ihrer Diagnose von Vernehmungsfähigkeit haben Sie bisher wenig Glück gehabt.[89]

Der Vorsitzende stellt ausdrücklich fest, daß die wiederholten Interventionen der Herren Verteidiger, auch nachdem die Sache entschieden war, offensichtlich dazu führen, daß bei der Zeugin schlechterdings die Bereitschaft nicht mehr vorhanden ist, hier Aussagen zu machen, wenngleich der Senat die volle Überzeugung hat, daß die Zeugin im Stande wäre, ihre Aussagen noch zu machen.

Während der Feststellung spricht Rechtsanwalt Dr. Heldmann unverständlich dazwischen ohne das Wort erteilt zu bekommen.

Vors.:

Wir setzen die Vernehmung, da ich nicht die Absicht habe, mich jetzt in dieses unfruchtbare Gespräch weiterhin einzulassen, insbesondere ...

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich habe gesagt, ich fühle mich nicht in der Lage.

Vors.:

... bei dem Verhalten der Rechtsanwälte, auch dazu gar keine Möglichkeit sehe, morgen früh fort.

Ich bitte um 8.45 Uhr hier anwesend zu sein, wir müssen die Zeit benützen. 8.45 Uhr Fortsetzung morgen früh.

Die Zeugin ist dazu vorzuführen.

Ende der Sitzung um 16.54 Uhr

Ende Band 631


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Wegen Verletzung von Privatgeheimnissen macht sich nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm/ihr als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Die Schweigepflicht wird ergänzt durch ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO; eine Entbindung von der Schweigepflicht führt nach § 53 Abs. 2 StPO zu einer Aussagepflicht. Rechtsanwalt Dr. Croissant ging etwa am vorigen Verhandlungstag zunächst davon aus, im Rahmen des von der Verteidigung gestellten Beweisantrags auch konkludent von der Schweigepflicht entbunden worden zu sein (s. S. 10681 des Protokolls der Hauptverhandlung, 129. Verhandlungstag). Nachdem der Antrag der Verteidigung, die Zeugenbefragung bis zur Vorlage bestimmter Protokolle auszusetzen, abgelehnt worden war, erbat der Zeuge Dr. Croissant die Einholung einer ausdrücklichen Erklärung des Angeklagten Raspe, für den in der Hauptverhandlung kein Vertrauensverteidiger anwesend war. Dieser erklärte schließlich, ihn aufgrund der nicht vorliegenden Protokolle nicht von der Schweigepflicht zu entbinden (S. 10690 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 129. Verhandlungstag).

[3] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[4] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[5] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes - offiziell Suizid durch Erhängen - wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt. Meinhofs Tod wurde zu einem medial breit diskutierten Ereignis (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[6] § 203 Abs. 4 StGB a.F. (heute: § 203 Abs. 5 StGB) bestimmt ausdrücklich, dass die Schweigepflicht auch über den Tod der geheimnisgeschützten Person bestehen bleibt. Soweit die Verfügungsbefugnis über das anvertraute Geheimnis nicht ausnahmsweise an die Erb/innen übergeht (etwa bei vermögensrechtlichen Informationen), erlischt die Möglichkeit der Entbindung mit dem Tod der geschützten Person (Ciernak/Niehaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 130).

[7] § 137 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.

[8] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Nach zwischenzeitlichen Entpflichtungen traf das zu diesem Zeitpunkt noch auf die Rechtsanwälte Dr. Heldmann (für den Angeklagten Baader) und Schily (für die Angeklagte Ensslin) zu.

[9] § 51 StPO enthält die Folgen des Ausbleibens von Zeug/innen. Wurden sie ordnungsgemäß geladen, so werden ihnen die durch das Ausbleiben entstandenen Kosten auferlegt; zudem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt. Wird das Ausbleiben genügend entschuldigt, so unterbleiben diese Anordnungen oder werden wieder aufgehoben (Abs. 2).

[10] Anlage 01 zum Protokoll vom 27.7.1967: Telegramme der Rechtsanwälte Groenewold und Köncke.

[11] Aktenvermerk zu den Telegrammen der Rechtsanwälte Groenewold und Köncke.

[12] § 249 StPO enthält Vorschriften über den Urkundenbeweis. Diese werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (heute z.T. ebenfalls möglich: Einführung im Selbstleseverfahren, § 249 Abs. 2 StPO).

[13] Anlage 1 zum Protokoll vom 27.7.1976: Beweisantrag der Rechtsanwältin Gottschalk-Solger aus dem Verfahren gegen Gerhard Müller.

[14] Anlage 2 zum Protokoll vom 27.7.1976: Beschluss des LG Hamburg - Untersuchungsrichter 1 - vom 21.11.1974, Az.: (51) 2/74 - 141 Js 38/74.

[15] Anlage 3 zum Protokoll vom 27.7.1976: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Prinzing an den Bundesminister der Justiz (Anfrage zur Akte 3 ARP 74/75 I).

[16] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 - Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 - Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt. Die unzureichende Individualisierung des Beweismittels kann dazu führen, dass nur ein Beweisermittlungsantrag angenommen wird. Ist der/die Antragsteller/in nicht in der Lage, eine ladungsfähige Anschrift anzugeben, so kann ausnahmsweise auch die Angabe weiterer Anhaltspunkte genügen, wenn diese eine hinreichende Individualisierung ermöglichen; die Rechtsprechung scheint hier in den letzten Jahren zunehmend strenge Maßstäbe anzulegen (s. hierzu Trüg/Habetha, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl 2016, § 244 Rn. 15 ff.).

[17] Die Staatsanwaltschaft hat gem. § 160 Abs. 2 StPO „nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“. Sie wird daher - häufig ironisch - die „objektivste Behörde der Welt“ genannt (zurückzuführen auf ein Zitat von Franz von Liszt aus dem Jahr 1901, DJZ1901, S. 179, 180).

[18] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[19] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[20] Anlage 4 zum Protokoll vom 27.7.1976: Mitteilung des Angeklagten Raspe (Entbindung des Rechtsanwalts Dr. Croissant von der Schweigepflicht).

[21] Anlage 5 zum Protokoll vom 27.7.1976: Senatsbeschluss vom 23.7.1976 zur kommissarischen Vernehmung des Zeugen Heinrich Jansen.

[22] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[23] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft. Die Vorschrift wurde nach ihrem Inkrafttreten durch die Rechtsprechung - nicht zuletzt durch den 2. Strafsenat des OLG Stuttgart - gleich in mehrfacher Hinsicht weit ausgelegt. So wurde das Verbot der Mehrfachverteidigung auch auf Beschuldigte in anderen Verfahren ausgedehnt (s. dazu den in diesem Verfahren ergangenen Beschluss des OLG Stuttgart v. 4.11.1975 - Az.: 2 StE 1/74, NJW 1776, S. 157; so kurz darauf auch BGH, Beschl. v. 27.2.1976 - 1 BJs 25/75, StB 8/76, BGHSt 26, S. 291, 293 f.); auch die sog. sukzessive Mehrfachverteidigung nach Beendigung eines Mandatsverhältnisses wurde untersagt (OLG München, Beschl. v. 28.11.1975 - Az.: 1 Ws 1304/75, NJW 1976, S. 252, 253 f.; später bestätigt durch BGH, Beschl. v. 23.3.1977 - Az.: 1 BJs 55/75; StB 52/77, BGHSt 27, S. 154, 155 f.). Da die umstrittenen Auslegungen auch auf den nicht eindeutigen Wortlaut des § 146 StPO zurückzuführen waren, wurde die Vorschrift durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) neugefasst. Der heutige Wortlaut umfasst explizit auch das Verbot, Beschuldigte in Parallelverfahren zu verteidigen, wenn sie wegen derselben Tat beschuldigt sind (s. zur Neuregelung auch Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1161, 1163; Nestler-Tremel, NStZ 1988, S. 103 f.), nicht jedoch das Verbot der sukzessiven Verteidigung (BGH, Beschl. v. 15.1.2003 - Az.: 5 StR 251/02, BGHSt 48, S. 170, 173; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015, Rn. 124; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 146 Rn. 18 ff.).

[24] Der sog. übergesetzliche Notstand ist ein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund. „Übergesetzlich“ wurde er deshalb genannt, weil er in der Rechtsprechung entwickelt wurde und gesetzlich nicht geregelt war. Durch das Zweite Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) wurden die so entwickelten Grundsätze im Zuge einer Neustrukturierung des Allgemeinen Teils des StGB mit Wirkung zum 1.1.1975 in § 34 StGB („Rechtfertigender Notstand“) konkretisiert. Nicht rechtswidrig handelt demnach, „[w]er in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden [...], wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“

[25] Nach § 17 Satz 1 StGB handelt ohne Schuld, wem bei Begehung der Tat die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun, wenn dieser Irrtum unvermeidbar war (sog. Verbotsirrtum). Dazu gehört auch ein Rechtsirrtum über das Bestehen eines tatsächlich nicht existierenden, oder über die rechtlichen Grenzen eines anerkannten, Rechtfertigungsgrundes (sog. Erlaubnisirrtum bzw. indirekter Verbotsirrtum). Die Anforderungen an die Unvermeidbarkeit werden in der Rechtsprechung durchaus hoch angesetzt; unvermeidbar ist ein Irrtum nur, wenn ein/e Täter/in trotz der ihm/ihr „zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige [des] Tuns nicht zu gewinnen vermochte“ (BGH, Beschl. v. 18.3.1952 - Az.: GSSt 2/51, BGHSt 2, S. 194, 201). Das vorige Einholen von Rechtsauskünften oder -einschätzungen kann ein hierbei zu berücksichtigender Umstand sein (Joecks/Kulhanek, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, 4. Aufl. 2020, § 17 Rn. 64 ff.). War der Irrtum vermeidbar, kann die Strafe immerhin noch nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden (§ 17 Satz 2 StGB).

[26] Anlage 6 zum Protokoll vom 27.7.1976: Erklärung des Zeugen Ströbele.

[27] Nachdem ein bereits im Sommer 1975 erlassener Haftbefehl gegen den Rechtsanwalt Dr. Croissant nach einigen Wochen Haft außer Vollzug gesetzt worden war, entschied das LG Stuttgart am 16.7.1976, ihn erneut in Untersuchungshaft zu nehmen. Er wurde noch am selben Tag verhaftet. Am 19.8.1976 wurde er (unter denselben Auflagen wie vorher) aus der Haft entlassen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 222 ff., 410 ff.).

[28] Nach § 34 StGB ist ein tatbestandmäßiges Verhalten dann gerechtfertigt, wenn eine nicht anders abwendbare Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut, z.B. die Ehre, besteht und das geschützte Interesse das betroffene Interesse wesentlich überwiegt. Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht können so etwa gerechtfertigt sein, wenn die Offenbarung zur Verteidigung gegen unwahre Behauptungen erforderlich ist (Cierniak/Nierhaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 89; s. auch Schünemann, in Jähnke/Laufhütte/Odersky [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6, 12. Aufl. 2010, § 203 Rn. 134, der für die Offenbarung von Geheimnissen des/der Angreifer/in selbst § 32 StGB [Notwehr] heranzieht). Die Offenbarung muss aber auf das zur Verteidigung erforderliche Maß beschränkt bleiben. Dies ist insbesondere der Fall in (Straf-)Verfahren gegen die zur Verschwiegenheit verpflichtete Person; aber auch zum Schutz Dritter vor strafrechtlicher Verurteilung wird § 34 StGB z.T. herangezogen (vgl. Cierniak/Nierhaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 90).

[29] § 193 StGB enthält einen Rechtfertigungsgrund für ehrverletzende Äußerungen. Danach sind u.a. „Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden [...] nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.“ Zum damaligen Zeitpunkt gab es durchaus Diskussionen über seine übergeordnete Bedeutung und Reichweite (s. Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, 1969, S. 12, 46 ff. m.w.N.). Nach heute überwiegender Auffassung ist seine Anwendung allerdings auf die ehrverletzenden Tatbestände des 14. Abschnitts (§§ 185 bis 200 StGB) beschränkt (vgl. Joecks/Pegel/Regge, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 193 Rn. 8). Unabhängig davon wird kritisiert, dass im Rahmen der Auslegung des § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) eine Tendenz zur Ausweitung zu beobachten sei, sodass letztlich jedes berechtigte Interesse von diesem Rechtfertigungsgrund erfasst werden könne (Neumann, in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen [Hrsg.], Strafgesetzbuch, 5. Aufl. 2017, § 34 Rn. 24 f.). Bezogen auf den Straftatbestand des § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) lehnt die herrschende Meinung einen Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen als neben § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) stehenden zusätzlichen Rechtfertigungsgrund ausdrücklich ab (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 67. Aufl. 2020, § 203 Rn. 86; Schünemann, in Jähnke/Laufhütte/Odersky [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6, 12. Aufl. 2010, § 203 Rn. 131).

[30] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[31] Astrid Proll war seit ihrer Verhaftung im Mai 1971 in der JVA Köln-Ossendorf untergebracht, zunächst im Hafthaus für weibliche erwachsene Gefangene, später, ab dem 22. November 1971, im als „toter Trakt“ bezeichneten isolierten Bereich in der psychiatrischen Frauenabteilung der JVA. Nach einer zwischenzeitlichen Verlegung im Januar 1972 wurde sie am 12. April 1972 erneut dort untergebracht. Als Ulrike Meinhof am 16. Juni 1972 in den „toten Trakt“ verlegt wurde, wurde Astrid Proll in einem Haftraum der psychiatrischen Beobachtungsstelle für männliche Gefangene untergebracht. Die benachbarten Zellen blieben jedoch unbelegt, um eine Kontaktaufnahme zu Mithäftlingen zu vermeiden. Im Herbst 1973 musste das Verfahren gegen Astrid Proll vor dem LG Frankfurt unterbrochen werden. Sie wurde im Februar 1974 wegen Haftunfähigkeit aufgrund ihres sich stark verschlechterten Gesundheitszustandes entlassen (Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 97 ff., 125 f.).

[32] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[33] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Rechtsanwalt Heinrich Hannover bezeichnete ihn auch als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[34] In der Inheidener Straße in Frankfurt a.M. befand sich eine Wohnung, die u.a. für die Herstellung von Sprengstoff verwendet wurde. Die Wohnung und die darin aufgefundenen Gegenstände waren insbesondere ab dem 91. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[35] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[36] Gegen die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurden Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, die Rechtsanwälte Dr. Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Rechtsanwalt Dr. Croissant wurde am 16.2.1979 vom LG Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zweieinhalb Jahren, Groenewold am 10.7.1978 vom OLG Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren auf Bewährung und Ströbele am 24.3.1982 vom LG Berlin zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[37] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Gegen die Verteidiger/innen in den RAF-Prozessen wurden zahlreiche solcher Ehrengerichtsverfahren eingeleitet (s. dazu etwa das Interview mit von Plottnitz, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 91, 95 f.; s. auch die Dokumentation von Ehrengerichtsverfahren von Spangenberg, Kritische Justiz 1976, S. 202).

[38] Bei der Stadtguerilla handelte es sich um eine Form des Partisanenkampfes. Die ersten Guerillakämpfer/innen, die ihren Kampfplatz vom Land in die Städte verlagerten, waren die Tupamaros in Uruguay. Während der 1960er Jahre wurden sie mit dieser neuen Strategie zum Vorbild für andere gewaltbereite Gruppen in und außerhalb Südamerikas. Auch die RAF orientierte sich an ihnen und veröffentlichte 1971 mit dem „Konzept Stadtguerilla“ ihre erste Programmschrift (Fischer, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S.736, 739 ff.; Huthöfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 345 f., 348 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt[Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99 ff., 106 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 47 ff.).

[39] Horst Herold war von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (s. die vorangestellte Vita in Bundeskriminalamt [Hrsg.], Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag, 1998, S. 15, 17).

[40] Verteidigerpost ist vor Einsicht und Beschlagnahme besonders geschützt (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO, 148 StPO).

[41] Am 16.4.1975 beantragte die Bundesanwaltschaft den Ausschluss des Rechtsanwalts Ströbele wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (§ 138a StPO); der Ausschluss erfolgte schließlich am 13.5.1975 (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007 S. 165 f.). Bereits mit Verfügung vom 3. Februar 1975 hatte der Vorsitzende Dr. Prinzing allerdings seine sowie die Beiordnung der Rechtsanwälte Dr. Croissant und Groenewold als Pflichtverteidiger von Andreas Baader aufgehoben, da nicht auszuschließen sei, „daß sie von den Bestimmungen über den Ausschluß von Verteidigern im Strafverfahren betroffen werden könnten“ (s. zur Chronologie der Bestellungen und Verfügungen die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 3. Verhandlungstag, S. 229 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).

[42] Über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet - soweit der/die Vorsitzende sie nicht bereits nach § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen kann (insbesondere eigene Fragen sowie solche der beisitzenden Berufsrichter/innen) - gem. § 242 StPO das Gericht, das ist in diesem Fall der Senat in voller Besetzung (zur Anwendbarkeit des § 242 StPO auf Fragen von Berufsrichter/innen s. Schünemann, StV 1993, S. 607 ff.).

[43] Eine mögliche Rechtfertigung nach § 34 StGB, die es erlauben würde, trotz grundsätzlich fortbestehender Schweigepflicht in begrenztem Umfang Aussagen zu machen, kann nur in Betracht kommen, soweit die Angaben auch zur Abwendung einer Gefahr für Rechtsgüter erforderlich sind. Für darüberhinausgehende Angaben über Umstände, die im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit bekannt geworden sind, kommt eine Rechtfertigung nach § 34 StGB nicht in Betracht, sodass grundsätzlich die Strafbarkeit nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) anzunehmen wäre.

[44] § 69 StPO legt die Reihenfolge im Rahmen der Vernehmung zur Sache folgendermaßen fest: „Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben“ (Abs. 1 Satz 1). „Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das Wissen des Zeugen beruht, sind nötigendenfalls weitere Fragen zu stellen“ (Abs. 2 a.F., heute Abs. 2 Satz 1).

[45] § 53 StPO beinhaltet ein Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige bestimmter Berufsgruppen, darunter auch für Rechtsanwält/innen bezüglich aller Umstände, die ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut worden sind.

[46] In der JVA Zweibrücken waren Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke untergebracht. Ab dem 2. September 1975 fand die Hauptverhandlung gegen sie vor dem LG Kaiserslautern statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde, sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; dem Angeklagten Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322; s. zu den Tatvorwürfen und späteren Verurteilungen auch DER SPIEGEL, Ausgabe 24/77 vom 6.6.1977, S. 104).

[47] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[48] Vor dem OLG Düsseldorf fand die Hauptverhandlung gegen die am Stockholm-Attentat Beteiligten statt. Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter Baader, Ensslin und Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmern ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai in der JVA Stuttgart-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20. Juli 1977 - Az.: IV 15/75; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[49] Das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK) war eine 1970 gegründete Gruppe von Patient/innen des Heidelberger Arztes Wolfgang Huber. Das SPK übte Kritik an zeitgenössischen Psychiatrieformen und einer als krankmachend empfundenen kapitalistischen Gesellschaft. Dagegen setzte die Gruppe auf antiautoritäre Therapien und Forderungen nach einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Im Sommer 1971 wurden acht Mitglieder des SPK unter dem Verdacht der RAF-Unterstützung und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Ab November 1972 folgten Prozesse u.a. wegen Sprengstoffherstellung und Urkundenfälschung. Besondere Bekanntheit erlangte das SPK darüber hinaus durch den Übertritt einiger seiner Mitglieder in die Reihen der RAF (Brink, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 134, 137 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 90 ff.).

[50] Rechtsanwalt Horst Mahler war ein führendes Mitglied der ersten RAF-Generation. Seine zentrale Rolle bei der Entstehung der RAF ist jedoch gegenüber den hier Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof in den Hintergrund gerückt. Er war maßgeblich an der Vorbereitung der als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichneten Befreiung Baaders aus der Haft im Mai 1970 beteiligt. Im September 1970 überfiel er u.a. zusammen mit Andreas Baader und Irene Goergens eine Bank in West-Berlin; bereits eine Woche später wurde er verhaftet. Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen ihn vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe wurde er im November 1974 aufgrund seiner Beteiligung an der Baader-Befreiung zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Zwischen Mahler und dem Führungsduo Baader/Ensslin ergaben sich immer wieder Differenzen. Spätestens mit der Ablehnung seiner Freilassung im Austausch gegen den im Februar 1975 entführten Politiker Peter Lorenz sagte er sich endgültig von der RAF los. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[51] Bevor Brigitte Mohnhaupt ab Frühjahr 1971 zur ersten RAF-Generation in den Untergrund ging, war sie bereits in verschiedenen linken Organisationsformen in München wie den Tupamaros und der Kommune Wacker Einstein vernetzt. Innerhalb der RAF konzentrierte sie sich gemeinsam mit dem Kfz-Schlosser Bernhard Braun auf Aktivitäten in Berlin, wo sie im Juni 1972 zusammen verhaftet wurden, nachdem der in einer von ihnen genutzten Wohnung gelagerte Sprengstoffe eine Explosion auslöste. Am 30.8.1974 wurde sie vom Landgericht Berlin wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Einen Teil ihrer Haftstrafe verbrachte sie zusammen mit den Stammheimer Gefangenen. Diese Nähe zu den führenden Mitgliedern ließ sie nach ihrer Entlassung im Februar 1977 selbst zu einer Führungsperson der zweiten RAF-Generation aufsteigen. Als solche war sie auch für die Gewalttaten während des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 mitverantwortlich. Bis zu ihrer erneuten Festnahme 1982 war sie an weiteren Aktionen der Gruppe beteiligt. Sie blieb bis zum Jahr 2007 in Haft (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 92 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt[Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99 f., 105, 111 f., 118 f.; Wunschik, Baader-Meinhofs Kinder, 1997, S. 196 f., 248 ff., S. 367 ff.).

[52] Zuständig für den Ausschluss des Rechtsanwals Ströbele nach § 138a StPO (Verdacht der Tatbeteiligung) war der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart.

[53] In der JVA Köln-Ossendorf befand sich der von den Angeklagten als „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichnete isolierte Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie später nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[54] Nicht alle Angeklagten verbrachten die gesamte Haftdauer seit ihrer Verhaftung im Juni 1972 in Untersuchungshaft. Andreas Baader saß noch bis zum 1. November 1974, Gudrun Ensslin bis zum 1. August 1974 in Strafhaft. Sie verbüßten jeweils den Rest einer dreijährigen Haftstrafe, zu der sie im sog. Frankfurter Kaufhausbrandstiftungsprozess verurteilt wurden (s. S. 2378 des Protokolls der Hauptverhandlung, 29. Verhandlungstag).

[55] Heinrich Jansen war ein frühes Mitglied der RAF. Nach der militärischen Ausbildung im Nahen Osten war er mit Meinhof und Ruhland u.a. verantwortlich für die Beschaffung von Waffen, Geld und Pässen. Darüber hinaus nahm er an den Berliner Banküberfällen vom 29. September 1970 teil. Bereits im Dezember 1970 wurde Jansen nach einem gescheiterten Autodiebstahl verhaftet. Da er sich seiner Festnahme durch Schüsse auf zwei Polizeibeamte entziehen wollte, wurde er im November 1973 wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 254 ff., 274 f.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 218). Jansen war während seiner etwa dreijährigen Untersuchungshaft in der JVA Berlin-Moabit strengen Haftbedingungen ausgesetzt (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 31.7.1972, abgedruckt in Enzensberger/Michel [Hrsg.], Kursbuch 32, 1972, S. 23 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 206). Auch Horst Mahler verbrachte seine vierjährige Untersuchungshaft in Einzelhaft (Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 144, 147 f., 312 f.).

[56] Die Nennung von § 69 Abs. 1 Satz 2 StPO („Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten, sofern ein solcher vorhanden ist, zu bezeichnen“) dürfte hier ein Versehen gewesen sein. Möglicherweise war § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO („Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben“) oder § 69 Absatz 2 a.F. („Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das Wissen des Zeugen beruht, sind nötigendenfalls weitere Fragen zu stellen“, heute: § 69 Abs. 2 Satz 1 StPO) gemeint.

[57] § 238 Abs. 2 StPO lautet: „Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.“

[58] S. Fn. 56.

[59] Vorhalte werden bei Vernehmungen von Zeug/innen zur Prüfung der Glaubwürdigkeit und zur Auffrischung des Gedächtnisses genutzt (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 69 Rn. 7). Der typische Fall ist die (ausschnittsweise) Verlesung einer früheren Äußerung zur Überprüfung der Aussagekonstanz von Zeug/innen. Der Begriff des Vorhalts ist nicht gesetzlich geregelt, sondern ist in der gerichtlichen Praxis entstanden (zum Vorhalt als Vernehmungsbehelf s. BGH, Urt. v. 31.5.1960 - Az.: 5 StR 168/60, NJW 1960, S. 1630, 1631). Er spielt insbesondere in der Abgrenzung zum (häufig unzulässigen, § 250 Satz 2 StPO) Urkundenbeweis eine Rolle (s. hierzu schon BGH, Urt. v. 11.11.1952 - Az.: 1 StR 465/52, NJW 1953, S. 115). Beweismittel ist nicht der vorgehaltene Inhalt, sondern lediglich das, was der/die Zeug/in anschließend aussagt (Diemer, in: Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 249 Rn. 42).

[60] Die Psychologiestudentin Margrit Schiller war ein ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Sie schloss sich im Laufe des Jahres 1971 der RAF an. Bereits am 22.10.1971 wurde sie zum ersten Mal festgenommen und am 5.2.1973 vom Landgericht Hamburg wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen Auflagen wurde sie allerdings aus der Haft entlassen. Daraufhin schloss sie sich erneut der RAF an. Zusammen mit anderen RAF-Mitgliedern wurde sie am 4. Februar 1974 verhaftet. Schiller wurde mit Urteil vom 28.9.1976 vom Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 78 ff., 116 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219).

[61] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[62] Das Fragerecht der Verteidigung ergibt sich aus § 240 Abs. 2 StPO. § 257 Abs. 2 StPO hingegen enthält das Recht, im Anschluss an eine Beweiserhebung eine Erklärung dazu abzugeben.

[63] Herr Wackernagel bediente ein eigenes Tonbandgerät der Verteidigung. Gericht und Bundesanwaltschaft widersprachen allerdings einer Aufzeichnung ihrer Ausführungen hierdurch (S. 10698 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 129. Verhandlungstag).

[64] In Anlehnung an amerikanische Vorbilder und zunächst mit dem unmittelbaren Ziel einer Hochschulreform entstand Mitte der 1960er Jahre in Berlin eine studentische Bewegung, die mit Protesten und Demonstrationen auf sich aufmerksam machte und sich rasch auch in anderen westdeutschen Städten formierte. Die Kritik der Studierenden richtete sich bald sowohl gegen den Vietnam-Krieg als auch gegen die mediale Monopolstellung des Axel-Springer-Verlags, die Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit und die geplante Notstandsgesetzgebung. Gleichzeitig griffen Studierende tradierte Wertvorstellungen der westdeutschen Gesellschaft an. Als eine der treibenden Kräfte innerhalb der entstehenden Außerparlamentarischen Opposition wurde die Studentenbewegung in den folgenden Jahren zu einer wesentlichen gesellschaftlichen Stimme. Nach einer Radikalisierungswelle in Teilen der Bewegung infolge der Ermordung des Studenten Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 sowie des Attentats auf den Studentenführer Rudi Dutschke im April 1968 erreichten die Proteste ihren Höhepunkt. In der darauffolgenden Zeit zerfiel die Bewegung jedoch mehr und mehr in verschiedene Splittergruppen (Frei, 1968, 2008, S. 112 ff., 141ff.; Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 2014, 849 ff.; Straßner, Historisch-Politische Mitteilungen 14, 2007, S. 99, 102 ff.).

[65] Während des dritten Hungerstreiks in Stammheim besuchte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre am 4. Dezember 1974 Andreas Baader in der Haftanstalt. Über ihren Anwalt Klaus Croissant hatten die RAF-Mitglieder zuvor Kontakt zu Sartre aufgenommen, damit dieser persönlich die von ihnen als „Isolationsfolter“ bezeichneten Haftbedingungen bezeugen konnte. In einer anschließenden Pressekonferenz bestätigte Sartre diese Angaben. Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass Sartre während des relativ kurzen und für beide Seiten enttäuschenden Gesprächs mit Baader zu keiner Zeit Zugang zu dessen oder anderen Zellen hatte, um sich ein eigenes Bild zu machen. Nichtsdestotrotz rief Sartre auf der Konferenz zur Gründung eines internationalen Komitees zum Schutz der politischen Gefangenen in der BRD auf (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 254 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 275 ff.).

[66] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[67] Karl Marx (1818-1883) war ein deutscher Philosoph und Ökonom. Er gehört bis heute zu den einflussreichsten Theoretiker/innen der politökonomischen Ideengeschichte. Unter seiner Leitung wurde 1847 der „Bund der Kommunisten“ in Brüssel gegründet. In enger Zusammenarbeit mit Engels verfasste er zahlreiche Schriften. Sein Hauptwerk „Das Kapital“ umfasst drei Bände, von denen er allerdings nur den ersten 1867 selbst herausbringen konnte; Band zwei und drei veröffentlichte Engels posthum 1884 und 1885 auf Grundlage seiner Aufzeichnungen. Marx und Engels gelten als Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus (Wächter, in Ders. [Hrsg.], Ökonomen auf einen Blick, 2017, S. 170 ff.).

[68] Auf welchen Beschluss sich Rechtsanwalt Ströbele bezieht, kann nicht sicher geklärt werden. Wahrscheinlich handelt es sich um den nicht veröffentlichten Beschluss BGH 1 BJs 6/71/StB 63/72 (nach Hannover, Kritische Justiz 1974, S. 135, 143 Fn. 20).

[69] Mit Entscheidung vom 30. Mai 1975 wies die Europäische Menschenrechtskommission eine Beschwerde der Inhaftierten Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Wolfgang Grundmann, die sich auf die ihrer Ansicht nach menschenrechtswidrigen Haftbedingungen stützte, als offensichtlich unbegründet zurück. Die inhaftierten Mitglieder der RAF seien schon keine politischen Gefangenen, da sie sich nicht aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, sondern aufgrund des Verdachts schwerer, gemeingefährlicher Straftaten, in Haft befänden. Angesichts der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer/innen, die sich u.a. in der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders’ gezeigt habe, seien die angeordneten Maßnahmen als zulässig zu erachten (EKMR, Baader et al. v. Germany, Nr. 6166/73, Entsch. v. 30. Mai 1975, EuGRZ 1975, S. 455, 458 ff.)

[70] Nach Art. 5 Abs. 3 EMRK haben Untersuchungsgefangene „Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung während des Verfahrens“. Monika Berberich saß zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kommission seit etwas mehr als drei Jahren und sieben Monaten in Untersuchungshaft. Die Europäische Menschenrechtskommission wies ihre Beschwerrde allerdings als offensichtlich unbegründet zurück. Die Kommission habe nicht feststellen können, dass die außergewöhnliche Dauer durch vorwerfbares Verhalten der deutschen Justizbehörden verursacht worden sei. So habe die Kommission keinen Zweifel, dass der Fall außerordentlich komplexer Art sei und die Ermittlungen sich äußerst schwierig gestalteten. Außerdem hätten Berberich und die Mitangeklagten durch ihr Verhalten dazu beigetragen, die Verhandlung zu verzögern; auch die Verteidigung habe eine weitere Verzögerung verursacht, etwa durch unbegründete Ablehnungen wegen Besorgnis der Befangenheit, oder das Stellen weiterer Beweisanträge nach Beendigung der Beweisaufnahme (EKMR, M.B. v. The Federal Republic of Germany, Nr. 5874/72, Entsch. v. 29.5.1974, EuGRZ 1974, S. 109, 110 ff.).

[71] Die Rote Hilfe e.V. versteht sich als Solidaritätsorganisation für politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum (Selbstbeschreibung unter <https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns>, zuletzt abgerufen am: 18.10.2021). Sie ging 1970 aus einer für APO-Aktivisten gegründeten Rechtshilfe hervor und engagierte sich in den folgenden Jahren verstärkt und in vielfältiger Weise für die Belange inhaftierter Mitglieder linksradikaler Gewaltorganisationen wie der RAF und der Bewegung 2. Juni (März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 139 ff.).

[72] S. Fn. 2.

[73] Mit Beschluss vom 22.10.1975 verwarf der BGH die Beschwerden gegen die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 30.9.1975, die Hauptverhandlung aufgrund der selbst verschuldeten Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten nach § 231a StPO in ihrer Abwesenheit fortzuführen (zum Beschluss des OLG Stuttgart s. Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag). In dem Beschluss führt der BGH aus: „Die Gefährlichkeit der Beschwerdeführer [...] ließ den für die Gestaltung der Untersuchungshaft verantwortlichen Stellen keine andere Wahl als die, dem durch eine entsprechende Verschärfung der Haftbedingungen Rechnung zu tragen. Die Angeklagten und ihre Anwälte bezeichnen die dadurch bewirkte Haftform schon seit langem als Isolationsfolter. Das kann zwar nur als agitatorische Verleumdung verstanden werden, zumal die Haftbedingungen in ihrem Ausmaß und ihrer Dauer den Behörden erst durch das Verhalten der Angeklagten aufgezwungen worden sind. Es zeigt aber, daß diese sich der nachteiligen Wirkung der Haftbedingungen bewußt sind. Es kann nicht ernstlich bezweifelt werden, daß sie angesichts ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz auch die Auswirkungen der isolierenden Haftbedingungen auf ihre Verhandlungsfähigkeit, die durch das äußere Bild ihrer außergewöhnlichen Aktivität für die mit dem Vollzug und dem Strafverfahren befaßten Stellen zunächst verdeckt blieben, seit langem erkannt haben“ (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 238 f.).

[74] S. hierzu S. 10748 f. des Protokolls der Hauptverhandlung (129. Verhandlungstag). Die Formulierung „Zeug/innen der Anklage“ bzw. „Zeug/innen der Verteidigung“ geht von einem adversatorischen Strafprozess aus, in welchem die Prozessbeteiligten, die sich als zwei Parteien gegenüberstehen, für die Beschaffung der ihnen günstigen Beweise selbst verantwortlich sind (Eser, in Schroeder/Kudtratov [Hrsg.], Die strafprozessuale Hauptverhandlung zwischen inquisitorischem und adversatorischem Modell, 2014, S. 11, 12 f.); dies ist im deutschen Strafprozess nicht der Fall. Vielmehr gilt hier der Untersuchungsgrundsatz, wonach das Gericht von Amts wegen zur umfassenden Wahrheitsermittlung verpflichtet ist (§ 244 Abs. 2 StPO). Zeug/innen werden daher auch im Falle positiv beschiedenener Beweisanträge durch den/die Vorsitzende/n geladen (§ 214 Abs. 1 StPO). Zudem stehen sich Anklagebehörde und Angeklagte nicht als „zwei Parteien“ mit gegenläufigen Interessen gegenüber: Die Staatsanwaltschaft hat gem. § 160 Abs. 2 StPO „nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“. Sie wird daher auch - häufig ironisch - die „objektivste Behörde der Welt“ genannt (ursprünglich zurückgehend auf ein Zitat von Franz von Liszt aus dem Jahr 1901, s. den Vortrag vor dem Berliner Anwaltsverein, DJZ 1901, S. 179, 180).

[75] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Nach der öffentlichen Bekanntgabe, Ulrike Meinhof habe Selbstmord begangen, entstanden in mehreren deutschen Städten Proteste. In anderen europäischen Ländern wurden deutsche Einrichtungen angegriffen. Die übrigen RAF-Insass/innen sowie weitere Sympathisant/innen und Unterstützer/innen gingen von einem Mord aus. Meinhofs Tod wurde damit zu einem auch medial breit diskutierten Ereignis. Auf Druck u.a. von Meinhofs Angehörigen wurde schließlich eine Nachobduktion durchgeführt, die jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis führte. Außerdem nahm sich eine internationale Untersuchungskommission des Falls an. Sie bestand überwiegend aus Jurist/innen, Ärzt/innen und Journalist/innen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark; unter den Mitgliedern befanden sich auch bekannte Persönlichkeiten wie etwa Simone de Beauvoir. In ihrem Bericht aus dem Jahr 1978 kam die Kommission zu dem Schluss, dass ein Selbstmord Meinhofs nicht erwiesen sei. Gegenteilige Beweise erbrachte die Kommission allerdings ebenfalls nicht. Die genauen Umstände von Meinhofs Tod blieben weiterhin umstritten (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.; zum Bericht der Kommission s. Internationale Untersuchungskommission zum Tode Ulrike Meinhofs, Der Tod Ulrike Meinhofs: Bericht der Internationalen Untersuchungskommission, 1979).

[76] S. bereits Fn. 48.

[77] Da zum Zeitpunkt seines Todes (Fn. 4) der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für den Tod von Holger Meins. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[78] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urteil vom 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[79] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[80] Der Roman „Der erste Kreis der Hölle“ (1968) des Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn, der selbst acht Jahre in Arbeits- und Straflagern in der Sowjetunion inhaftiert war (1945-1953), beschreibt das Leben in einem Spezialgefängnis für Wissenschaftler/innen und konnte wegen der kritischen Auseinandersetzung mit dem Lager-System unter Stalin zunächst nur in einer gekürzten Fassung gedruckt werden. Eine wiederhergestellt Fassung wurde erst Jahre später publiziert (Geier, Vollständige Ausgabe der wiederhergestellten Urfassung des Romans „Der erste Kreis der Hölle“, 1985, Vorbemerkung; vgl. zu Solschenizyn WDR-Stichtag, 10. Dezember 1970 - Alexander Solschenizyn erhält den Literatur-Nobelpreis, abrufbar unter https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-alexander-solschenizyn-100.html , zuletzt abgerufen am: 18.10.2021; s. auch die Rezension von Reich-Ranicki, Im ersten Kreis der Hölle, in Die Zeit, Ausgabe Nr. 01/1969 vom 3.1.1969, abrufbar unter https://www.zeit.de/1969/01/im-ersten-kreis-der-hoelle/komplettansicht, zuletzt abgerufen am: 18.10.2021).

[81] Das im August 1973 erschienene Kursbuch 32, herausgegeben von Enzensberger und Michel, trägt den Titel: „Folter in der BRD. Zur Situation der politischen Gefangenen“ und enthält u.a. verschiedene gerichtliche Entscheidungen in Haftsachen, thematische Abhandlungen, sowie Berichte und Erklärungen von Gefangenen.

[82] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüberhinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[83] Der Verteidigung sowie der Staatsanwaltschaft ist auf Verlangen nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären (§ 257 Abs. 2 StPO).

[84] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[85] Die Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO ist nur für Anordnungen des/der Vorsitzenden vorgesehen. Gegen gerichtliche Beschlüsse und Verfügungen ist grundsätzlich das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft (§ 304 StPO). Ist allerdings - wie hier - das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug zuständig, ist die Zulässigkeit der Beschwerde bis auf wenige Ausnahmen ausgeschlossen (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO).

[86] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.). Sie ist grundsätzlich nur zulässig, wenn das Gericht auch befugt wäre, die eigene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben, so z.B. in den Fällen, in denen eine ordentliche Beschwerde zulässig wäre (die Abänderungsbefugnis ergibt sich für diesen Fall aus § 306 Abs. 2 StPO). Da die Beschwerde gegen Beschlüsse des OLG in erster Instanz in der Regel ausgeschlossen ist (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO), kommt auch eine Gegenvorstellung in diesen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen sollen aber für Fälle gelten, in denen eine Grundrechtsverletzung (auch in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht wird (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 296 Rn. 25) oder die Beseitigung groben prozessualen Unrechts anders nicht behoben werden kann (Allgayer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 296 Rn. 14). Diese Ausnahmen sind durchaus umstritten (ablehnend etwa Allgayer, a.a.O. Rn. 15).

[87] S. Fn. 18.

[88] Zeug/innen sind grundsätzlich zur Aussage vor Gericht verpflichtet (seit 2009 explizit in § 48 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelt; zuvor war dies bereits als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht angesehen, s. BVerfG, Beschl. v. 10.10.1978 - 2 BvL 3/78, BVerfGE 49, S. 280, 284). Nach § 70 Abs. 1 StPO können Zeug/innen, die sich ohne gesetzlichen Grund weigern auszusagen, die hierdurch verursachten Kosten auferlegt werden, außerdem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, gegen sie festgesetzt. Nach § 70 Abs. 2 StPO kann zur Erzwingung des Zeugnisses auch die Haft von bis zu 6 Monaten angeordnet werden.

[89] Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Der Vorsitzende Dr. Prinzing wies den ersten Unterbrechungsantrag noch zurück mit dem Hinweis, die Angeklagten machten „nicht den Eindruck, als wären Sie nicht imstande, mit wachen Sinnen diesem Antrag [zu] folgen so wie die übrigen Prozeßbeteiligten auch“ (S. 324 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag). Nach Anhörung des Anstaltsarztes Dr. Henck (von dem sich die Angeklagten allerdings nicht körperlich untersuchen ließen) verkündete der Senat am 6. Verhandlungstag den Beschluss, dass das Verfahren nicht wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt werde; auch das Einholen weiterer Gutachten wurde abgelehnt. Die angenommene Verhandlungsfähigkeit wurde u.a. wie folgt begründet: „Er (Anm. d. Verf.: der Senat) hat an mehreren Verhandlungstagen Gelegenheit gehabt, die Angeklagten in ihren Reaktionen, Äußerungen und in ihrem übrigen Verhalten zu beobachten. Das hierbei gewonnene Bild unterscheidet sich nicht von dem Eindruck, den die Mitglieder des Senats in zahlreichen anderen Verfahren von Angeklagten gewonnen haben, deren Verhandlungsfähigkeit außer Frage stand“ (S. 589 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 6. Verhandlungstag). Nach weiteren Auseinandersetzungen beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe, woraufhin der Vorsitzende Dr. Prinzing am 40. Verhandlungstag den Senatsbeschluss verkündete, dass die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft selbst herbeigeführten Verhandlungsfähigkeit gem. § 231a StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. bereits die Fn. 1 und 73).


[a] Handschriftlich durchgestrichen: uns

[b] Maschinell durchgestrichen: Bundesjustizminister

[c] Handschriftlich ergänzt: anschriftenmäßig

[d] Maschinell eingefügt: zu dem

[e] Maschinell eingefügt: sich

[f] Maschinell durchgestrichen: sogenannten

[g] Maschinell ersetzt: ... durch 203

[h] Maschinell eingefügt: also

[i] Maschinell eingefügt: und

[j] Maschinell eingefügt: zu den Gefangenen

[k] Handschriftlich durchgestrichen: anrichtete

[l] Handschriftlich ersetzt: springt durch spricht

[m] Maschinell durchgestrichen: in

[n] Handschriftlich ergänzt: erscheint

[o] Maschinell eingefügt: als

[p] Maschinell eingefügt: sie

[q] Maschinell eingefügt: ab

[r] Maschinell ersetzt: ... durch nicht

[s] Maschinell eingefügt: bereit

[t] Maschinell eingefügt: sein

[u] Maschinell eingefügt: Das

[v] Maschinell ersetzt: sehr durch der

[w] Maschinell eingefügt: habe

[x] Handschriftlich ergänzt: Falsches

[y] Handschriftlich durchgestrichen: ist

[z] Handschriftlich ersetzt: in durch ist

[aa] Maschinell ersetzt: die Falschinterpretation durch das falsch zu interpretieren

[bb] Handschriftlich durchgestrichen: haben

[cc] Maschinell ersetztt: liegt durch nicht

[dd] Maschinell eingefügt: wird

[ee] Maschinell eingefügt: es

[ff] Handschriftlich ersetzt: für durch der

[gg] Maschinell eingefügt: mit

[hh] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[ii] Maschinell eingefügt: dunkle Kanäle versorgt werden.

[jj] Maschinell ersetzt: Industriestein durch Industriestaaten

[kk] Handschriftlich ersetzt: die durch der

[ll] Handschriftlich eingefügt: an

[mm] Maschinell ergänzt: beschäftigen

[nn] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[oo] Handschriftlich ersetzt: im durch eine

[pp] Maschinell ersetzt: Sachverständigen... durch Sachverständigenfrage

[qq] Handschriftlich ersetzt: wie durch die

[rr] Handschriftlich durchgestrichen: unterhalten

[ss] Handschriftlich ergänzt: gingen

[tt] Maschinell eingefügt: FR,

[uu] Handschriftlich eingefügt: nicht

[vv] Maschinell eingefügt: erheblich

[ww] Handschriftlich ergänzt: Beziehungen

[xx] Maschinell ersetzt: Spezialwehr für durch Spezialwarefare

[yy] Handschriftlich ergänzt: Schulungsprogrammteils

[zz] Maschinell eingefügt: die

[aaa] Maschinell eingefügt: Sie

[bbb] Maschinell eingefügt: durch

[ccc] Maschinell eingefügt: daran

[ddd] Maschinell eingefügt: zu

[eee] Handschriftlich eingefügt: der

[fff] Maschinell eingefügt: oder

[ggg] Handschriftlich ersetzt: mich durch es

[hhh] Maschinell durchgestrichen: aus

[iii] Maschinell eingefügt: Sie

[jjj] Maschinell durchgestrichten: Sie

[kkk] Maschinell ersetzt: Zeitungsausschnitte durch Zeitschriftenausschnitte

[lll] Maschinell eingefügt: ist das

[mmm] Handschriftlich durchgestrichen: versicherten

[nnn] Handschriftlich durchgestrichen: könnte

[ooo] Handschriftlich durchgestrichen: beim

[ppp] Maschinell ersetzt: die durch wir

[qqq] Handschriftlich ergänzt: waren

[rrr] Maschinell ersetzt: Behandlungsgrundlage durch Verhandlungsgrundlage

[sss] Maschinell ersetzt: allen durch einem

[ttt] Handschriftlich durchgestrichen: Dingen

[uuu] Maschinell eingefügt: Tag und Nacht

[vvv] Maschinell eingefügt: Tores

[www] Handschriftlich ergänzt: Erscheinungen

[xxx] Maschinell eingefügt: habe

[yyy] Maschinell durchgestrichen: den

[zzz] Maschinell durchgestrichen: Haftbedingungen

[aaaa] Handschriftlich ersetzt: Te durch He

[bbbb] Maschinell eingefügt: sind

[cccc] Handschriftlich durchgestrichen: einen

[dddd] Handschriftlich durchgestrichen: irgendetwas

[eeee] Maschinell eingefügt: tätig

[ffff] Handschriftlich ergänzt: würden

[gggg] Handschriftlich durchgestrichen: Herrn

[hhhh] Maschinell eingefügt: als

[iiii] Handschriftlich ergänzt: bezeichnete

[jjjj] Maschinell eingefügt: Tagen

[kkkk] Maschinell ersetzt: war durch ist

[llll] Maschinell eingefügt: ist

[mmmm] Maschinell eingefügt: in

[nnnn] Maschinell eingefügt: was

[oooo] Maschinell ersetzt: Menschenrechtskommission durch Menschenrechtskonvention

[pppp] Handschriftlich ergänzt: müssten

[qqqq] Maschinell eingefügt: das ist

[rrrr] Handschriftlich ergänzt: würden

[ssss] Maschinell eingefügt: schlechterdings

[tttt] Handschriftlich ergänzt: also

[uuuu] Handschriftlich ergänzt: beide

[vvvv] Handschriftlich ergänzt: besprechen

[wwww] Maschinell eingefügt: (zu RA Dr. Temming)

[xxxx] Maschinell eingefügt: was

[yyyy] Handschriftlich eingefügt: in

[zzzz] Maschinell eingefügt: und zwar

[aaaaa] Handschriftlich durchgestrichen: daselbe

[bbbbb] Handschriftlich durchgestrichen: einem

[ccccc] Handschriftlich ergänzt: Seibert

[ddddd] Maschinell eingefügt: in

[eeeee] Handschriftlich durchgestrichen: Ihren

[fffff] Handschriftlich ergänzt: Einverstanden

[ggggg] Handschriftlich durchgestrichen: nichts

[hhhhh] Maschinell ersetzt: sondern durch nach

[iiiii] Handschriftlich ergänzt: einer

[jjjjj] Handschriftlich ersetzt: Den durch Der

[kkkkk] Maschinell eingefügt: die Frage

[lllll] Maschinell eingefügt: daß

[mmmmm] Maschinell eingefügt: Beschluß:

[nnnnn] Maschinell eingefügt: einem

[ooooo] Maschinell eingefügt: sowohl

[ppppp] Handschriftlich ersetzt: es durch das

[qqqqq] Maschinell eingefügt: was

[rrrrr] Maschinell ersetzt: ... durch Und ich halt’s auch

[sssss] Maschinell ersetzt: ... durch antizipieren?

[ttttt] Maschinell eingefügt: er

[uuuuu] Handschriftlich durchgestrichen: dann

[vvvvv] Maschinell eingefügt: ein

[wwwww] Handschriftlich ersetzt: es durch das

[xxxxx] Handschriftlich eingefügt: also

[yyyyy] Handschriftlich durchgestrichen: also

[zzzzz] Handschriftlich ersetzt: 126a durch 136a

[aaaaaa] Maschinell eingefügt: Daß

[bbbbbb] Maschinell ersetzt: ... durch Postkarte

[cccccc] Maschinell eingefügt: einen

[dddddd] Maschinell eingefügt: nur

[eeeeee] Handschriftlich ersetzt: bestimmen durch bestimmt

[ffffff] Handschriftlich eingefügt: Baron Zwisi

[gggggg] Maschinell eingefügt: ein bißchen

[hhhhhh] Maschinell durchgestrichen: etwas

[iiiiii] Maschinell eingefügt: einen

[jjjjjj] Handschriftlich durchgestrichten: den

[kkkkkk] Maschinell eingefügt: dem

[llllll] Handschriftlich ersetzt: eingeholt durch eingehalten

[mmmmmm] Maschinell ersetzt: ... durch ihr uns

[nnnnnn] Handschriftlich ersetzt: hatte durch habt

[oooooo] Maschinell eingefügt: also

[pppppp] Maschinell eingefügt: die

[qqqqqq] Maschinell ersetzt: und durch der

[rrrrrr] Maschinell eingefügt: die

[ssssss] Maschinell durchgestrichen: ein

[tttttt] Maschinell eingefügt: in

[uuuuuu] Maschinell eingefügt: Einzigen

[vvvvvv] Maschinell durchgestrichen: RA

[wwwwww] Maschinell eingefügt: zum Teil

[xxxxxx] Maschinell ersetzt: Sie durch wir

[yyyyyy] Maschinell ergänzt: Zellenzirkulare

[zzzzzz] Handschriftlich durchgestrichen: mir

[aaaaaaa] Handschriftlich ersetzt: mir durch hier

[bbbbbbb] Maschinell ersetzt: ... durch indem er

[ccccccc] Maschinell ersetzt: ... durch nennen

[ddddddd] Maschinell ersetzt: wie hier durch beziehe

[eeeeeee] Maschinell eingefügt: im deutschen Sprachgebrauch.

[fffffff] Handschriftlich durchgestrichen: sie

[ggggggg] Maschinell eingefügt: der

[hhhhhhh] Handschriftlich eingefügt: hier

[iiiiiii] Handschriftlich durchgestrichen: ist

[jjjjjjj] Handschriftlich durchgestrichen: Schreiben

[kkkkkkk] Maschinell ersetzt: wiedersagt durch untersagt

[lllllll] Maschinell eingefügt: deskriptiver

[mmmmmmm] Maschinell eingefügt: es

[nnnnnnn] Maschinell eingefügt: auch

[ooooooo] Handschriftlich ergänzt: Funktionen

[ppppppp] Maschinell eingefügt: auch

[qqqqqqq] Maschinell ersetzt: siche durch seine

[rrrrrrr] Maschinell ersetzt: ... durch Infra-

[sssssss] Handschriftlich ergänzt: Lärmen

[ttttttt] Maschinell eingefügt: hier

[uuuuuuu] Handschriftlich durchgestrichen: Zeuginen

[vvvvvvv] Handschriftlich durchgestrichen: Zg.in Sta.: