131. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 28. Juli 1976 um 8.48 Uhr



[Nicht paginierte Anlage][1] [10917] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 28. Juli 1976 um 8.48 Uhr.

(131. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens

Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[2]

Als deren Verteidiger sind erschienen

Rechtsanwälte Geulen (als Vertreter von RA Schily)[a], Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz und Grigat.

Als Zeugin ist anwesend:

Ilse Stachowiak

- vorgeführt aus der Untersuchungshaft -

Beim Eintritt des Gerichts bleibt die Zeugin Ilse Stachowiak auf dem Zeugenstuhl sitzen.

Vors.:

Frau Zeugin, ich habe bemerkt, daß Sie sich beim Eintritt des Gerichts nicht erhoben haben. Das ist an sich eine Ungebühr. Ich verwarne Sie. Für Ungebühr vor Gericht gibt es Ordnungsstrafen,[3] und Sie müssen solche gewärtigen, wenn Sie in diesem Stile fortfahren.

RA Geu[len]:

Ich habe das akustisch nicht verstanden, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Die Verteidigung ist gewährleistet. Und ich darf darauf hinweisen, daß die von Herrn Rechtsanwalt Schily beantragten Zeugen Boyer, Thorer, Rieber und von Nagy auf Donnerstag, 5.8., wenn ich es recht sehe, 5.8.76, 10 Uhr geladen sind. Das bedeutet aber nicht, daß die Sitzung erst um 10.00 Uhr beginnen würde; es muß davon ausgegangen werden, zunächst, daß die Sitzung um 9.00 Uhr beginnen wird. Die Zeugen aber sind auf 10.00 Uhr [10918] geladen.

Frau Stachowiak ...

RA Geu[len]:

Darf ich kurz um das Wort bitten, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Bittesehr, Herr Rechtsanwalt Geulen.

RA Geu[len]:

Herr Kollege Heldmann wird heute mit einer halben Stunde Verspätung zur Verhandlung kommen, wollte ich mitteilen.

Vors.:

Es wird sich zeigen, ob nicht das Fragerecht früher erteilt werden muß; dann müßte es eben durch Sie ausgeübt werden.

RA Geu[len]:

Ja. Zweitens wollte ich einen Antrag stellen. Mir ist gerade eben zu Ohren gekommen, daß die Zeugin nach dem anstrengenden Tag, den sie gestern infolge des Transportes gehabt hat, heute Nacht anscheinend unter ... Herr Kollege Zeis oder Herr Bundesanwalt Zeis, es ist mir schwer verständlich, was daran zu lachen ist, wenn sie unter solchen Haftbedingungen[b] zweieinhalb Jahre gelebt haben, wieso dann dieser Transport nicht anstrengend gewesen sein soll. Ich kann das auch nur mitteilen, daß ich nämlich gehört habe, daß die Zeugin heute Nacht in einer engen Zelle zu zweit geschlafen hat, anscheinend mit der anderen heute zu vernehmenden Zeugin, und daß sie offensichtlich, und ich bitte da den Vorsitzenden Richter das Fragerecht auszuüben, offensichtlich auch heute nicht in der Lage ist, diese Vernehmung durchführen zu lassen. Ich darf mal darauf hinweisen in diesen Zusammenhang, daß diese Verhandlung nun 1 ½ Jahre dauert, fast 1 ½ Jahre, und daß es allerdings von da her, von der Fürsorgepflicht, die das Gericht auch und gerade gegenüber den Zeugen und den Zeugen der Verteidigung auch hat, schwer verständlich ist und schwer einsehbar ist, wieso das Gericht auf einmal so eine ungeheure Eile an den Tag legt bei diesen Zeugen, die die Verteidigung zu laden beantragt hat, daß es hier um Stunden gehen soll.

RA Schlaegel erscheint um 8.51 Uhr im Sitzungssaal.

Auf jeden Fall steht die Gesundheit der Zeugen und natürlich auch ihre Vernehmungsfähigkeit und die Frage, inwieweit sie überhaupt in der Lage sind, hier eine ... körperlich und gesundheitlich in der Lage sind, hier eine Aussage zu machen. Diese Frage hat Vorrang vor der anderen Frage der Prozeßökonomie, zumal angesichts eines so langen Verfahrens, ich möchte da den Herrn Vorsitzenden Richter bitten, die Zeugin zunächst zu fragen, ob sie sich [10919] verhandlungsfähig fühlt. Es ist natürlich eine andere Frage, ob das Gericht sich daran hält; aber zunächst mal diese Frage zu stellen und dann die Konsequenzen zu ziehen.

Vors.:

Ich werde jetzt zunächst die Zeugin belehren, dann ihre Personalien aufnehmen, dann können wir auf den Themenkreis unter Umständen eingehen. Frau Stachowiak, ich habe gestern abend schon begonnen; Sie haben es möglicherweise in dem Trubel nicht mitbekommen.

Die Zeugin Ilse Stachowiak wird gemäß § 57 StPO[4] belehrt.

Die Belehrung des Vorsitzenden wird von der Zeugin mehrmals wie folgt unterbrochen:

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich will keine Aussage machen, weil wir uns jetzt überhaupt nicht in der Lage fühlen, unsere Aussage zu machen. Und außerdem beantrage ich ... eine andere Zelle.

Vors.:

Ich darf Sie jetzt darauf hinweisen, daß ich Sie zuerst belehren möchte. Dann gehen wir auf das ein. Ich möchte dann Ihre Personalien zunächst haben.

Ich habe weiter darauf hinzuweisen, daß Sie, sofern Sie durch die wahrheits...

Zeugin Sta[chowiak]:

Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, dann gehe ich eben.

Vors.:

Wenn Sie jetzt weiterhin stören dadurch, dann werden Sie sofort mit einer Ungebührstrafe zu rechnen haben.

Ich verwarne Sie jetzt.

Die Zeugin spricht wiederholt unverständlich dazwischen.

Zeugin Sta[chowiak]:

Wir wollen eine andere Zelle und andere Bedingungen.

Vors.:

Jetzt sollen Sie mich zu Ende sprechen lassen.

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, ich bitte zunächst über meinen Antrag zu entscheiden und zwar das Gericht ...

Vors.:

Den habe ich bereits dahin beschieden, daß ich sagte, jetzt wird zuerst die Zeugin belehrt, werden, die Personalien aufgenommen und dann können wir dieses Thema anschneiden. Dann kommt es um die Frage der Aufnahme ...

Zeugin Sta[chowiak]:

Es wird heute überhaupt nichts stattfinden.

Die Zeugin Ilse Stachowiak wird gem. § 55 StPO[c] [5] belehrt.

[10920] Die Zeugin erhebt keine Einwendungen gegen die Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband.[6]

Zeugin Sta[chowiak]:

Es wird nicht stattfinden. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, dann geh ich eben.

Daraufhin erhebt sich die Zeugin, nimmt ihre Unterlagen und beabsichtigt, den Sitzungssaal zu verlassen.

Vors.:

Die Zeugin bleibt im Saale, notfalls mit Zwang.

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, ich bitte jetzt doch um einen Gerichtsbeschluß. Sie haben über meine Frage noch nicht entschieden.

Vors.:

Ich beabsichtige - ich bitte Sie jetzt um Ruhe (zu RA Geulen) ... Ich bitte jetzt zunächst, Frau Stachowiak, ich beabsichtige mit Ihnen jetzt ein Gespräch zu führen über eine Ordnungsstrafe. Es kommt in Betracht ein Ordnungsgeld oder eine Ordnungshaft. Wollen Sie dazu etwas sagen? Sie haben zu[d] wiederholten Malen[e] jetzt das Gericht gestört, indem Sie nicht zugehört haben und Sie wollen sich jetzt unerlaubt entfernen.

Zeugin Sta[chowiak]:

... Aussage machen. Und ich bin heute nicht in der Lage, und so; keine zusätzliche Erklärung.

Vors.:

Und Sie haben wiederholt dazwischengeredet.

Wollen Sie sich noch sonst äußern zu der Frage einer Ordnungsmaßnahme?

Vorsitzender (nach geheimer Umfrage):

Beschluß:

Die Zeugin wird wegen Störung während ihrer Belehrung, fortlaufenden Dazwischenredens, Weglaufens von ihrem Platz, der ihr zugewiesen ist am Zeugentisch, in eine

Ordnungshaft von 1 Woche

genommen.

Ich darf Sie[f] bitten jetzt, Platz zu nehmen.

Die Zeugin bleibt weiterhin vor dem Zeugentisch, von 2 Vollzugsbeamten beaufsichtigt, stehen und spricht unverständlich dazwischen.

RA Geu[len]:

Darf ich jetzt bitten um einen Gerichtsbeschluß, Herr Vorsitzender. Zur Vernehmungsfähigkeit des Zeugen gehören auch die Angaben zur Person; das ist Ihnen bekannt. Ich sehe auch [10921] nicht den Sinn dieser Unterscheidung. Wenn die Zeugin nicht vernehmungsfähig ist, dann kann Sie auch keine Angaben zur Person machen.

Vors.:

Ich habe nicht die Absicht, jetzt etwas anderes zu tun, als gesagt worden ist, als daß die Zeugin zunächst zur Person, und dann über diese Fragen, die Sie angeschnitten haben, gehört werden wird.

RA Geu[len]:

Dann führen Sie bitte den Senatsbeschluß herbei.

Vors.:

Ich bin überzeugt, daß die Zeugin im Stande ist, Ihre Personalien anzugeben.

RA Geu[len]:

Sie haben sie ja nicht mal gefragt, Herr Vorsitzender. Da können Sie das auch gar nicht wissen.

Vors.:

Sie meinen, ich muß die Zeugin vorher fragen, ob sie im Stande ist, ihre Personalien anzugeben.

RA Geu[len]:

Ja, das war mein Antrag, natürlich.

Vorsitzender (nach geheimer Umfrage):

Es ist beschlossen vom Senat:

Die Reihenfolge der Belehrung und Anhörung der Zeugin, zunächst zu ihren Personalien, wird so eingehalten, wie es der Vorsitzende zum Ausdruck gebracht hat.

Die Zeugin ist offensichtlich im Stande. Das ergibt sich aus ihren bisherigen Äußerungen, ihre Personalien anzugeben.

Während der Verkündung des Beschlusses spricht die Zeugin mehrfach unverständlich dazwischen.

Vors.:

Ich warne Sie vor einer neuen Ordnungsstrafe.

Unverständlicher Zwischenruf der Zeugin.

Wenn Sie stehen wollen, dürfen Sie auch stehen.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ja ich gehe ...

Vors.:

Nein, Sie bleiben hier.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich bin nicht in der Lage, eine Aussage zu machen. Ich will ausgeschlossen werden.

Vors.:

Frau Stachowiak, Sie bleiben jetzt hier. Ich möchte jetzt ...

Die Zeugin schlägt zwei mal mit dem Mikrophon auf den Zeugentisch und erklärt, daß sie ausgeschlossen werden will.

Vors.:

Ich möchte Sie jetzt zu Ihren Personalien hören.

[10922] Zeugin Sta[chowiak]:

Ja, ich werde so lange stören, bis ich hier ausgeschlossen werde.

Vors.:

Ja, ich möchte jetzt zunächst Ihren Vornamen haben? - Ich stelle fest, Ihr Vorname ist Ilse - kein Widerspruch -...

Zeugin Sta[chowiak]:

Arschloch!

Vors.:

Sie haben mich im Augenblick ein „Arschloch“ geheißen. Ich werde Sie dazu jetzt wieder fragen, ob Sie wegen dieser Ungebühr irgendetwas sagen wollen? Es ist eine Ordnungsstrafe in Betracht zu ziehen.

Wollen Sie etwas dazu sagen?

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich will ausgeschlossen werden.

Vorsitzender (nach geheimer Umfrage):

Beschluß:

Die Zeugin wird erneut in eine

Ordnungshaft von 1 Woche

genommen. Sie hat im Augenblick den Vorsitzenden ein „Arschloch“ geheißen.

Jetzt, Frau Stachowiak, ich möchte jetzt zunächst Ihr Alter erfahren. Wieviel Jahre alt sind Sie?

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich will jetzt[g] ausgeschlossen werden.

Vors.:

Es gibt keine Möglichkeit, Sie auszuschließen. Sie können, wenn Ihre Personalien angegeben sind, mit mir diese Themen besprechen.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich bin nicht in der Lage, heute[h] eine Aussage zu machen; und ich will ausgeschlossen werden.

Vors.:

Frau Stachowiak, folgendes: ...

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich will Ihr Geschwätz hier überhaupt nicht anhören.

Vors.:

Das Gericht stellt fest, daß Sie im Stande sind - ganz offensichtlich, das ergeben schon Ihre bisherigen Ausführungen und Ihr Verhalten - Ihre Personalien zu benennen. Sie verweigern im Augenblick das Zeugnis über Ihre Personalien ohne Rechtsgrund. Für die Weigerung ohne Rechtsgrund sieht das Gesetz[7] vor, zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft anzuordnen und zwar bis zu einer Zeit von 6 Monaten.

Der Senat erwägt, daß das in Betracht kommt, wenn Sie sich weiterhin so aufführen. Ich habe Sie darauf hingewiesen, ich verwarne Sie.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich bin heute nicht in der Lage, eine Aussage zu machen ...

[10923] Vors.:

Ich habe Ihnen jetzt wiederholt die Auffassung des Senats gesagt - das können Sie wiederholen, so oft, wie Sie wollen -, daß Sie im Stande sind, Ihre Personalien im Augenblick zu benennen. Die weiteren Fragen werden wir dann besprechen.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ja, ich bin jetzt hier nicht bereit.

Vors.:

Sie wollen also auch die Personalien nicht angeben? Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, es wird jetzt jedem Laien klar, daß hier eine bestimmte Dramaturgie ablaufen soll. Ähnliches haben wir bei der Zeugin Mohnhaupt bereits erlebt. Daß die Zeugin Stachowiak in der Lage ist, Aussagen zu machen, beweist sie überdeutlich durch ihren Auftritt hier. Sie weigert sich damit grundlos, Zeugnis abzulegen. Ganz offensichtlich soll die Justiz hier zum Spielball bestimmter anarchistischer Bestrebungen gemacht werden. Wir haben die Gesetze, und ich meine, wir müssen sie anwenden. Ich beantrage deshalb

der Zeugin die Kosten, die durch Ihre Zeugnisweigerung entstanden sind, aufzuerlegen und sie außerdem in Beugehaft zu nehmen, auf die Dauer von 6 Monaten, nicht über die Zeit der Beendigung dieses Verfahrens hinaus.

RA Geu[len]:

Kann ich dazu Stellung nehmen?

Vors.:

Sie können Stellung nehmen, bitte. Aber nicht als Verteidiger, sondern nur als Prozeßbeteiligter, Sie sind nicht Verteidiger von Frau Stachowiak.

RA Geu[len]:

Nein, das ist klar. Ich vertrete Frau Stachowiak nicht. Ich möchte kurz folgendes sagen: Wir hatten gestern schon vorgetragen, vielleicht kann man doch anregen, daß diese Szene da, erst mal, bevor ich rede, beendet wird, weil ich nicht meine, daß diese Art von Zwang, die ausgeübt wird auf die Zeugin, sehr zuträglich ist dem Prozeß im Augenblick.

Vors.:

Ich glaube nicht, daß jemand Zwang ausübt. Die Zeugin wird gebeten, sich hier zu setzen. Sie will offensichtlich stehen. Jedenfalls bleibt sie im Augenblick im Saal.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich will ausgeschlossen werden.

Vors.:

Das ist das einzige, was veranlaßt wird.

RA Geu[len]:

Nach meinem Dafürhalten, ich hatte das eben in diesem Antrag schon formuliert, wäre es die Aufgabe des Vorsitzenden, in dieser Situation zunächst einmal nur, und nur darauf ging der Antrag, um das nochmal ganz klar zu sagen, zunächst einmal nur die Zeugin [10924] zu befragen, wie sie sich befindet, und ob Sie sich selbst in der Lage fühlt, Aussagen zu machen. Es ist ja eine ganz andere Frage, ob das Gericht und der Vorsitzende dann infolge der Beantwortung dieser Frage vielleicht zu einem anderen Ergebnis kommt als die Zeugin. Das Gericht hat sich jetzt zunächst - insbesondere der Vorsitzende und dann das Gericht durch Senatsbeschluß - geweigert, überhaupt nur diese Frage zu stellen; hat statt dessen begonnen mit der Belehrung der Zeugin und mit der Befragung zur Person, und hat daraufhin infolge der Antworten, die die Zeugin dann gab, nämlich daß sie erklärt, sie sei verhandlungsunfähig, sie sei gegenwärtig nicht in der Lage, aufgrund der Haftbedingungen und des Transportes, eine Aussage zu machen, infolge dieser bloßen Erklärung, also die minimalste Wahrnehmung des Rechtes und natürlich auch der Pflicht der Zeugin, zu erklären, ob sie sich verhandlungsunfähig fühlt oder verhandlungsfähig fühlt, aufgrund dieser bloßen Wahrnehmung eines Rechtes der Zeugin hat der Senat gemeint, eine Ordnungsstrafe verhängen zu müssen, und meint darauf insistieren zu sollen, daß die Zeugin hier vernommen werden soll. Man soll sich einmal vorstellen, was es bedeutet, eine so lange Zeit in Untersuchungshaft zu sitzen, wobei wir über die Rechtmäßigkeit [i] dieser Haft natürlich hier überhaupt nicht zu entscheiden haben in diesem Verfahren, zweieinhalb Jahre unter solchen Bedingungen, und dann in[j] einem solchen Gerichtssaal gelassen zu werden. Nachdem, was mir persönlich bekannt geworden ist, ist die Zeugin gestern Vormittag sehr früh aufgestanden, und ist dann in einem wohl vierstündigen Hubschrauberflug, in einem sehr lauten Hubschrauberflug - wir haben das gestern Nachmittag hier selbst gehört bei der Landung des Hubschraubers - nach Stuttgart-Stammheim über Frankfurt gebracht worden, wobei noch Pausen eingelegt worden waren, hat dann den gesamten Nachmittag von etwa ein oder zwei Uhr bis fünf oder sechs Uhr, als die Vernehmung hier beginnen sollte, in diesem Zeugenzimmer auf einem engen und schmalen Stuhl gesessen - das scheint mir schon wichtig, auch diese Details vorzutragen ...

Ich darf doch bitten, Herr Vorsitzender, den Herrn Wachtmeister, der meint, zu dieser Situation lachen zu müssen, darauf hinzuweisen, daß das untunlich ist.[k]

Vors.:

Ich darf Sie bitten, fortzufahren, und[l] solche wiederholten und vollkommen unnötigen Zurechtweisungen anderer Prozeßbeteiligter, die sich durchaus auch gewisse Äußerungen hier erlauben dürfen, hier zu unterlassen. Sie bemühen sich grundsätzlich, andere Leute [10925] zu rügen.

RA Geu[len]:

Ich habe hier niemand gerügt, ich habe lediglich ...

Vors.:

Bitte fahren Sie jetzt in Ihren Ausführungen fort. Sie haben nicht das Rügerecht; und ich werde niemand rügen hier deswegen. Wir kennen die Zellen, kennen die Einrichtungen ...

RA Geu[len]:

Ich darf doch bemerken, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... Sie brauchen das nicht in einem Ton zu schildern, als geschehe Ihnen unrecht; und jetzt fahren Sie bitte fort mit Ihrer Begründung oder Ihrer Stellungnahme.

RA Geu[len]:

Ich darf nur darauf hinweisen, daß wenn das seitens der Verteidigung oder von Zeugen, die die Verteidigung beantragt hat, geschieht, der Vorsitzende sehr anders auf diese Dinge reagiert. Ich habe auch niemanden gerügt, das steht mir auch nicht zu. Ich habe lediglich angeregt ...

Vors.:

Wollen Sie jetzt fortfahren in Ihrer Stellungnahme, sonst breche ich das ab, dieses Gespräch.

RA Geu[len]:

... daß Sie rügen ... darf ich jetzt fortfahren oder darf ich nicht fortfahren?

Vors.:

Ich habe Sie darum gebeten, ja.

RA Geu[len]:

Es scheint mir, sowohl im Sinne des Interesses der Zeugin und der Vernehmungsfähigkeit der Zeugin, was ja ein Interesse ist, das der Vorsitzende des Gerichts selbstverständlich zu wahren hat, als auch im Sinn der Prozeßökonomie unzulässig, dieses Verfahren einzuschlagen. Wir wären sowohl schneller fertig mit der Zeugenvernehmung, als es auch im Interesse der Aussage, die die Zeugin zu machen hat, und der Wahrheitspflicht, an die sie selbstverständlich gebunden ist, sinnvoller gewesen, zunächst einmal der Zeugin diese Frage zu stellen. Der Senat hat das nun abgelehnt. Es besteht auch keine prozeßuale Möglichkeit darauf noch einmal einzugehen. Ich möchte vorschlagen, Sie können ja eine solche Entscheidung jederzeit zurücknehmen, daß Sie nocheinmal die Zeugin befragen, daß die Methode der Ermittlung der Vernehmungsfähigkeit der Zeugin, die Sie angewendet haben, nämlich lediglich aus der Tatsache, daß die Zeugin sagt, sie fühle sich nicht vernehmungsfähig, zu schließen, daß sie wohl vernehmungsfähig sei, das scheint mir doch wirklich die Dinge auf den Kopf zu stellen. Ich möchte deshalb noch mal anregen - mehr kann ich im Augenblick nicht tun -, daß Sie der Zeugin diese Frage stellen, damit wir endlich zu einer Aussage der Zeugin morgen, oder wann sie sich vernehmungsfähig fühlt, kommen können.

[10926] Vors.:

Wollen Sie zur Frage der Beugehaft noch etwas erklären? Es geht jetzt bloß um Ihre Bereitschaft, Ihre Personalien anzugeben

Zeugin Sta[chowiak]:

Ich fühle mich nicht in der Lage, heute eine Aussage zu machen; und ich will sie dann morgen machen.

Vors.:

Sie wollen sie morgen machen.

Zeugin Sta[chowiak]:

Ja.

Vors.:

Und das Gericht wird jetzt über diesen Antrag beschließen. Ich bitte, die Zeugin aus dem Saal zu bringen.

Der Senat zieht sich um 9.04 Uhr zur Beratung zurück.

[10927] Nach Wiedereintritt des Senats um 9.30 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt:

- Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nunmehr auch anwesend -

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Der Zeugin Ilse Stachowiak, zur Zeit in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Hamburg, werden die durch ihre Aussageverweigerung verursachten Kosten auferlegt.

Zugleich wird gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,-- DM festgesetzt, an deren Stelle im Falle der Nichtbeitreibbarkeit 21 Tage Ordnungshaft treten.

Ferner wird zur Erzwingung des Zeugnisses Beugehaft bis zu 6 Monaten, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in diesem Rechtszug hinaus, angeordnet.

Gründe:

Es ist offensichtlich, daß die Zeugin imstande ist, Aussagen zu machen. Sie hat sich jedoch grundsätzlich geweigert und nicht einmal Ihre Personalien angegeben. Da die Zeugin ihre gestern erklärte Bereitschaft, heute auszusagen, nicht eingehalten hat, ist ihrer Angabe, morgen aussagen zu wollen, kein Glauben zu schenken. Dies um so mehr, als ihre Aussageverweigerung offensichtlich mit dazu dienen soll, das Verfahren zu stören.

- - -[m]

Die Zeugin ist abzuführen. Die Zeugin ist entlassen und kann abgeführt werden.

Die Zeugin Ilse Stachowiak wird entlassen und um 9.31 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Die Zeugin Christa Eckes erscheint um 9.32 Uhr im Sitzungssaal - vorgeführt aus Untersuchungshaft -.

Vors.:

Frau Eckes, als Zeugin, Sie sollen ...

Zeugin Eck[es]:

Also zuerst muß ich dazu sagen, daß ich nicht bereit bin, heute eine Aussage zu machen.

[10928] Vors.:

Ich darf Sie zunächst auf folgendes hinweisen:

Über diesen Punkt haben wir uns vorhin auch mit der Zeugin Stachowiak nicht unterhalten können, weil Sie nicht den Voraussetzungen genügt hat, die wir haben wollten, daß wir nämlich zunächst - und das ist durch gerichtlichen Beschluß bestätigt - Sie wenigstens zu Ihren Personalien hören. Ich belehre Sie jetzt zunächst.

Zeugin Eck[es]:

Also nein, ich muß zuerst mal sagen, daß ich nicht bereit bin, heute eine Aussage zu machen.

Vors.:

Ich belehre Sie jetzt zunächst darüber, daß Sie ...

Zeugin Eck[es]:

Ich bin grundsätzlich bereit, eine Aussage zu machen, aber nicht heute, sondern morgen, weil die Bedingungen, der Transport hierher und die Haftbedingungen hier, die sind so, daß ich heute nicht in der Lage bin, eine Aussage zu machen. Das muß ich mal ganz klar sagen.

Vors.:

Sie haben das jetzt gesagt; und nun hören Sie zu: Wir sprechen über ...

Zeugin Eck[es]:

Das ist einfach, daß nach 2 ½ Jahren Isolationshaft ...

Vors.:

Wir sprechen ... Frau Eckes, wir sprechen über diesen Punkt anschließend; wenn ich Ihnen das, was ich zunächst zu sagen habe, gesagt habe. Da können wir uns darüber unterhalten.

Die Zeugin Eckes wird gem. §§ 57 und 55 StPO belehrt.

Vors.:

Wir haben für Protokollzwecke hier ein Tonbandgerät eingeschaltet. Zunächst die Frage, sind Sie einverstanden, daß das Tonbandgerät weiterläuft?

Zeugin Eck[es]:

Nein

In der Folge wird das Tonband ausgeschaltet, solange sich die Zeugin äußert.

Vors.:

Zunächst möchte ich Sie jetzt zu Ihren Personalien fragen. Vorname?

Zeugin Eck[es]:

Ich sage zu meiner Person gar nichts, sondern ich kann nur sagen, daß ich heute keine Aussage mache. Ich bin grundsätzlich bereit, morgen eine Aussage zu machen. Ich kann heute nichts aussagen, weil die Bedingungen beim Transport im Hubschrauber so waren, daß ich heute nicht aussagen [10929] kann.

Die 2 ½ Jahre Vernichtungshaft hat zu verhindern, daß wir hier als Gruppe eine Aussage über die Struktur machen können.

Das ist die Funktion, die dieser gezielte Terror hat; und ich werde deshalb heute keine Aussage machen.

Vors.:

Sind Sie nicht bereit, auch wenn ich Sie heute frage, Ihre Personalien anzugeben?[n]

Ich darf Sie dabei darauf hinweisen, daß wir im Augenblick deswegen, weil Frau Stachowiak diesen Standpunkt eingenommen hat, sie in die gesetzlich vorgesehenen Zwangsmaßnahmen genommen haben. Vorgesehen ist im Gesetz nicht nur die Kostenüberbürdung, die entsteht durch die unberechtigte Verweigerung der Aussagen zu machen, sondern dazu hin ein Ordnungsgeld, obligatorisch bis zu 1000 DM, ersatzweise bis zu 6 Wochen Ordnungshaft, und außerdem eine Beugehaft bis zu 6 Monaten. Sie ist ausgesprochen worden gegen Frau Stachowiak.

Ich frage Sie jetzt ...

RA Geu[len]:

Ich möchte die Frage jetzt beanstanden, Herr Vorsitzender, aus den gleichen Gründen wie eben. Ich beanstande Ihre Frage ...

Vors.:

Ich hab keine Frage, ich hab jetzt eine Belehrung gegeben.

RA Geu[len]:

Sie haben sie doch gefragt nach Ihren Personalien oder habe ich das mißverstanden?

Vors.:

Nein, ich habe im Augenblick die Zeugin belehrt, über die Ordnungsmaßnahmen.

RA Geu[len]:

Ja, und davor haben Sie gefragt. Und die Frage beanstande ich. Das werde ich doch dürfen.

Vors.:

Und jetzt frage ich die Zeugin, sind Sie, nachdem ich Sie darüber belehrt habe, was die Konsequenzen sein könnten, bereit, zunächst mal zu Ihren Personalien Angaben zu machen?

RA Geu[len]:

Ja und ich beanstande diese Frage, die Sie auch vorher schon einmal gestellt hatten, und die ich gerade eben schon einmal beanstandet habe. Die Zeugin hat erklärt - so verstehe ich es jedenfalls - daß sie sich nicht vernehmungsfähig fühlt. Es gehört zur Fürsorgepflicht des Gerichts, das festzustellen, ob das der Fall ist. Wie gesagt gehört dazu zuallererst - wir haben das eben schon mal durchgespielt, Sie können das gerne jetzt wiederholen - dazu gehört zuallererst, daß Sie die Zeugin fragen. Welche Folgerungen Sie, das Gericht, an diese Aussagen der Zeugin anschließt ist ihre Sache. Eine ganz andere Frage, zu- [10930] nächst mal müssen Sie sie überhaupt fragen, ich beantrage das, das ist der Inhalt meiner Beanstandungen, den Aussagen der Zeugen ist so, wie ich es verstehe, zu entnehmen, daß sie sich vernehmungsunfähig fühlt. Selbstverständlich gehören auch die Aussagen zur Person zur Vernehmungsfähigkeit. Wenn sie nicht vernehmungsfähig ist, kann sie auch keine Aussagen über ihre Personalien machen. Ich halte diese Unterscheidung, die Sie treffen, im Hinblick auf die Vernehmungsfähigkeit für unzulässig ...

Unruhe im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte im Saal um Ruhe.

RA Geu[len]:

... für strafprozeßual unrichtig. Ich bitte Sie daher, wie ich es auch eben gemacht hab, die Zeugin erstmal zu fragen, ob Sie sich vernehmungsfähig fühlt.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Die Frage nach den Personalien ist zulässig.

Wollen Sie die Frage jetzt beantworten oder bleiben Sie bei Ihrer Weigerung, auch nicht zu Ihren persönlichen Verhältnissen Angaben zu machen, Frau Zeugin?

Im übrigen würde ich Sie bitten, daß dieser Drehstuhl hier jetzt im Augenblick nicht dazu dient, sich von den Fragen so abzuwenden.

Jetzt, wollen Sie Angaben machen zur Person oder nicht? Ich frage Sie jetzt nach Ihrem Vornamen.

Zeugin Eck[es]:

Zur Person mache ich überhaupt keine Angaben.

Das Verhältnis zu dieser Institution ist Krieg; und dazu habe ich überhaupt nichts zu sagen.

Vors.:

Ist Ihr Verhältnis Krieg, wie Sie feststellen; nichts zu sagen, das ist eine endgültige Weigerung?

Zeugin Eck[es]:

Allerdings bleibe ich dabei.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder?

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, das abgekartete Spiel wird immer deutlicher. Es geht um nichts anderes, als um Prozeßverschleppung und jetzt von dieser Seite her. Auch in diesem Fall muß meines Erachtens das für solche Fälle geschaffene Gesetz angewendet werden. Die Zeugin zeigt nicht die ge- [10931] ringsten Ermüdungserscheinungen. Dazu kommt - und[o] das kann jeder feststellen -, daß sie ja nicht einmal bereit ist, die Personalangaben zu machen. Ich stelle den Antrag, der Zeugin die durch diese Zeugnisverweigerung entstandenen Kosten aufzuerlegen, [p] weiterhin Ordnungsgeld in Höhe von 500,- DM, ersatzweise 20 Tage Haft, und schließlich stelle ich den Antrag, die Zeugin in Beugehaft zu nehmen auf die Dauer von 6 Monaten, nicht über die Beendigung dieses Prozesses hinaus.

Vors.:

Zunächst Frau Eckes, wollen Sie sich dazu äußern? Keine Äußerung. Will sich einer der Herrn Verteidiger dazu äußern?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Dann möchte ich den Herrn Bundesanwalt nur wiederholen, das abgekartete Spiel wird immer deutlicher. In dem Moment, in dem[q] die von der Verteidigung benannten Zeugen auftauchen, spielt es sich ab, daß ohne Vorankündigung im „Hau-Ruck-Verfahren“ eine Zeugin, noch eine Zeugin, die seit 2 ½ Jahren aus ihrer Zelle nicht herausgekommen ist, im „Hau-Ruck-Verfahren“ gefesselt von Hamburg nach Stammheim eingeflogen wird, über Nacht in eine Zelle gesperrt wird, in der man zu zweit, so habe ich es gehört, kaum atmen kann und am nächsten Morgen vor Gericht gebracht ...

Gelächter im Zuschauerraum, auch auf der Bank der Bundesanwaltschaft.

Vors.:

Ich bitte nun, ich bitte um Ruhe.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich finde das auch unheimlich lustig, diese Geschichte, aber sie ist makaber.

Vors.:

Also die Zellen sind allen Beteiligten bekannt, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Aber Ihren Sinn für das Makabere, Herr Zeis, der ist ja hier bekannt. Makaber ist das ...

Zuruf einer Zuschauerin mit Sonnenbrille in ihren roten Haaren und dunkelblauem längeren Rock:

„Er soll sein Maul halten!“

RA Dr. H[eldmann]:

Um dann hier ...

Vors.:

Ich bitte die Zuhörerin - ich bitte um Unterbrechung - ... die Zuhörerin, die das im Augenblick gesagt hat, zu klären. Wen haben Sie jetzt da im Augenblick ang...

[10932] Die Zuschauerin steht auf, geht in Richtung Ausgang und erklärt:

„Den Herr Zeis. Ich geh jetzt.“

Vors.:

Nein, Sie bleiben im Augenblick hier. Ich möchte gegen Sie erwägen, ob nicht gegen Sie eine Ordnungsmaßnahme angeordnet wird, für Ihr Verhalten; es sei denn, Sie entschuldigen sich für das, was Sie gerade ge...

Die Zuschauerin setzt sich wieder hin und erklärt:

„Ich denke gar nicht daran.“

Vors.:

Sie denken gar nicht daran.

Darf ich mal Ihre Personalien feststellen, zunächst? Wollen Sie sich dazu äußern, wenn ich Ihnen jetzt eine Ordnungsstrafe ... ein Ordnungsgeld androhe?

Der Vorsitzende stellt aus dem von der Zuschauerin übergebenen Personalausweis Nr. [Personalausweisnummer] fest, daß es sich um Frau Suse Zerrer, geb. Drescher, wohnh. in Honau, Kreis Reutlingen handelt.

Vors.:

Jetzt, Frau Zerrer, wollen Sie sich dazu äußern zu einem Ordnungsgeld?

Zuschauerin Frau Zerrer:

Nein, ich möchte in diesem Zusammenhang einen Rechtsanwalt sprechen.

Der Vorsitzende verhängt gegen Frau Zerrer wegen Ungebührs, weil sie dem Vertreter der Anklage, Herrn Bundesanwalt Zeis, zugerufen hat:

„Er soll sein Maul halten“

ein

Ordnungsgeld von 100,- DM

ersatzweise 2 Tage Ordnungshaft.

Der Vorsitzende verfügt außerdem, daß Frau Zerrer den Saal zu verlassen habe.

Zuschauerin Frau Zerrer:

Das würde ich auch freiwillig tun.

Die Zuschauerin, Frau Zerrer, verläßt daraufhin um 9.43 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

So, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Also wie der Herr Bundesanwalt und ich sagten, das abgekartete Spiel wird immer deutlicher mit dem Ergebnis, daß [10933] hier Zeugen zu Aussagen gezwungen werden sollen, die von sich selbst sagen, daß sie heute nicht vernehmungsfähig sind, und das Gericht, wie wir es zu der Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten in diesem Prozeß monatelang erlebt haben,[8] sich um diese Frage nicht kümmert. Es ist aber nicht notwendig, eigentlich sollte es nicht notwendig sein auch auf den Gesichtspunkt hinzuweisen, daß die Aussage eines nicht vernehmungsfähigen Zeugen vor Gericht gleich null ist. Infolgedessen besteht aber eine Pflicht des Gerichts, der Frage der Vernehmungsfähigkeit nachzugehen. Hat das Gericht denn einmal[r] geprüft, die Angaben,[s] die ich[t] also hier nur fragmentarisch gehört habe, über die Art der Unterbringung, über die Art des Transports, das sind doch Voraussetzungen, die zu prüfen sind, ehe[u] Sie - ohne diese Frage nur mit einem Wort berührt zu haben -, zu einem Ordnungsgeldbeschluß kommen, nicht aber unterlassen haben, die Voraussetzungen für Vernehmungsfähigkeit heute geprüft zu haben, wozu es gehörte, den Angaben der Zeuginnen insoweit nachzugehen. Ich meine also, daß sowohl die Androhung einer Ordnungsmaßnahme, in diesem Zeitpunkt jedenfalls, erst recht aber die Verhängung etwa, die Anordnung[v] einer Ordnungsmaßnahme rechtswidrig wären, weil die Voraussetzung fehlt, nämlich Prüfung der Frage, ob der Angabe der Zeugin zu folgen ist, daß sie heute, der bestimmten benannten Umstände wegen, vernehmungsunfähig sei. Und noch einmal, das abgekartete Spiel wird immer deutlicher. Die Zeugen, die von der Anklage benannt worden sind, insbesondere die Lieblingszeugen der Anklagebehörde, die haben eine solche Behandlung, wie die hier von der Verteidigung benannten Zeugen, nicht erfahren. Bitte denken Sie doch[w] auch einmal daran.

Vors.:

Der Senat wird sich über den Antrag schlüssig werden.

Der Senat zieht sich um 9.45 Uhr zur Beratung zurück.

Ende von Band 633

[10934] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.08 Uhr.

Vors.:

Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst:

Der Zeugin Christa Eckes, z.Zt. in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Hamburg, werden die durch ihre Aussageverweigerung verursachten Kosten auferlegt.

Zugleich wird gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,-- DM festgesetzt, an deren Stelle im Falle der Nichtbeitreibbarkeit 21 Tage Ordnungshaft treten.

Ferner wird zur Erzwingung des Zeugnisses Beugehaft bis zu 6 Monaten, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in diesem Rechtszug hinaus, angeordnet.

Gründe: Die Zeugin verhält sich genauso wie die mit ihr gemeinschaftlich transportierte und untergebrachte Zeugin Stachowiak. Das läßt noch deutlicher erkennen, daß die Aussageverweigerung nicht auf individuellen Beschwerden, sondern auf einer Verabredung zur Verfahrensstörung beruht. Die Zeugin ist offensichtlich vernehmungsfähig. Sie hat in einer ausführlichen Erklärung zusammenhängend und fließend die angeblichen Gründe für ihre Vernehmungsunfähigkeit dargelegt. Gleichwohl war sie nicht einmal bereit, dem Gericht auch nur ihren Vornamen zu nennen. Statt dessen erklärte sie: „Unser Verhältnis zu dieser Institution ist Krieg“. Die behaupteten Gründe sind vorgeschoben. Der Hubschraubertransport fand gestern Vormittag statt. Die Nacht über war die Zeugin zusammen mit der Zeugin Stachowiak in einer regulären Zelle der Haftanstalt Stuttgart untergebracht. Wenn die Zeugin behauptet, morgen Aussagen machen zu wollen, so ist es ebensowenig glaubhaft wie bei der Zeugin Stachowiak, da das Verhalten verabredet und auf Störung des Verfahrens angelegt ist.

Die Zeugin ist damit entlassen und wieder zurückzubringen.

Die Zeugin Christa Eckes wird entlassen und um 10.10 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Wir setzen die Sitzung dann fort, ich bitte, die Zeugin Schubert zu verständigen, daß wir beabsichtigen, die heute [10935] Nachmittag vorgesehene Vernehmung, die auf 14.00 Uhr festgesetzt war, heute früh zu beginnen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Rechtsanwalt Laubscher, den die Verteidigung als Zeugen benannt hat, befindet sich heute in Stammheim ...

Vors.:

Augenblick, dann ... könnte er heute vernommen werden?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, und die Verteidigung möchte anregen, daß er heute vernommen wird, so daß die Beweisaufnahme sich in unser aller Sinne beschleunigt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wir wollen doch versuchen, da die Zeugin Schubert heute auf 14.00 Uhr vorgeladen war, die Vernehmung heute Nachmittag nun ausgefüllt sein wird mit Vernehmung der Zeugen Grashof und Jünschke, die heute Vormittag noch hierhertransportiert werden, die Zeugin Schubert zunächst zu vernehmen. Herr Rechtsanwalt Laubscher hat ja seinen Vernehmungstermin bereits mitgeteilt bekommen. Ich glaube, es ist der 4.8.

RA Dr. He[ldmann]:

Es ist genau 1 Woche später. Das mag der 4.8. sein. Herr Rechtsanwalt Laubscher wird aber in der nächsten Woche, wie er mir gerade mitgeteilt hat, aus beruflichen Gründen in erhebliche Terminsnöte geraten, wenn er nächste Woche hier herkommen müßte; und warum nicht, Sie selbst zielen doch auf eine Beschleunigung. Der Zeuge ist hier und zumindest sollte man auf Terminnöte ...

Vors.:

Ich darf Ihnen die Bedenken sagen, die entstehen, vielleicht daß dann die Ausführungen dadurch etwas verkürzt werden können. Die Erfahrung, die wir gestern gemacht haben, mit der Vernehmung von Herrn Rechtsanwalt Ströbele, deuten eben darauf hin, daß die Vernehmung sich sehr lange hinziehen kann. Wir müssen aber auf alle Fälle den heutigen Nachmittag freihalten für die aus Zweibrücken antransportierten Zeugen. Das ist der einzige Grund. Wenn Sie uns sagen können, daß nach Ihren, Ihren Vorstellungen, Ihrem Vernehmungsprogramm Rechtsanwalt Laubscher im Laufe des Vormittags zu Ende vernommen werden könnte? ...

RA Dr. He[ldmann]:

Das kann ich von mir aus sagen, es sei denn, die Bundesanwaltschaft hat besondere Wünsche an den Zeugen. Aber es sind zwei ganz knappe, ganz knappe Beweisthemen; das könnte in einer halben Stunde längstens abgeschlossen sein.

[10936] Vors.:

Gut, dann wollen wir das mit Rücksicht auf das von Ihnen angedeutete Problem der Termine in der nächsten Woche bei Herrn Rechtsanwalt Laubscher in der Richtung durchführen. Ich bitte ... ist Herr Laubscher im Saale?

RA Laubscher aus dem Zuschauerraum:

Ja.[x]

Vors.:

Trifft das zu, was Sie gesagt haben, daß Sie nächste Woche Schwierigkeiten hätten?

Zeuge La[ubscher] (aus dem Zuschauerraum)[y]:

Das ist völlig richtig ...

Vors.:

Dann werden wir jetzt eine Pause von 5 Minuten einlegen. Ich muß mir zunächst mal das Vernehmungsprogramm von Ihnen beschaffen und dann gleichzeitig, Herr Bietz, bitte ich zu verständigen, daß die Zeugin Schubert nicht im Augenblick vorgeführt werden soll. In 5 Minuten beginnen wir mit Ihrer Vernehmung, Herr Rechtsanwalt.

Pause von 10.14 Uhr bis 10.20 Uhr.

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.20 Uhr ist als Zeuge Rechtsanwalt Laubscher anwesend.

- auf dem Zeugenstuhl -

Vors.:

So, wir können die Sitzung fortsetzen. Herr Rechtsanwalt Laubscher als Zeuge ...

RA Dr. He[ldmann]:

Eine Bitte, Herr Vorsitzender. Wie in den letzten beiden Verhandlungstagen Herrn Christoph Wackernagel zur Bedienung des Tonbandgerätes der Verteidigung ...

Vors.:

Ja, aber der Arbeitgeber fehlt heute.

RA Dr. He[ldmann]:

Soll ich mit ihm einen Arbeitsvertrag abschließen. Ich bitte ihn für mich zuzulassen.

Vors.:

Er ist ja Hilfskraft des Herrn Temming. Also ich meine, so deutlich kann man es doch nicht machen, daß das bloß ein Scheingefecht ist, das hier geführt wird.

RA Dr. He[ldmann]:

Kann er nicht seine Arbeitskraft an mehrere Arbeitgeber verdienen.

Vors.:

Das kann er natürlich.

RA Dr. He[ldmann]:

Hätten Sie Einwendungen, wenn er ...

Vors.:

Bis jetzt sehe ich keinen Grund, anzunehmen, Sie hätten ihn inzwischen auch in Ihre Dienste genommen.

RA Dr. He[ldmann]:

Das möchte ich damit tun, ja. Damit das Tonband läuft, Herr Vorsitzender. Von alleine tut es nicht, wollen wir es abstellen.

Vors.:

Na ja, kommen Sie, wir wollen da nicht lange drumrum reden, [10937] aber ich meine, es ist schon auffällig[z] wie der Herr Wackernagel seine Arbeitsverhältnisse bei Ihnen wechselt.[9] Jetzt darf ich bitten[aa], ihn zuzulassen; und er kann auch das mit seinem Mikrophon handhaben wie bisher, wobei selbstverständlich weder die Bundesanwaltschaft die Zustimmung erteilt noch die übrigen Herren Verteidiger noch das Gericht.[10] Herr Rechtsanwalt ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung, wird er jetzt zugelassen?

Vors.:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Soll ich ihn hereinbitten ja?

Vors.:

Das ist schon mitgeteilt.

Der Zeuge Rechtsanwalt Laubscher wird gem. § 57 StPO belehrt.

Der Zeuge Rechtsanwalt Laubscher erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Der Zeuge Rechtsanwalt Laubscher macht folgende Angaben zur Person:

Jürgen Laubscher, 37 Jahre alt,

Rechtsanwalt, wohnh. Heidelberg,

[Anschrift],

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Wir können wohl davon ausgehen, daß Sie Ihre Ladung zu dem ursprünglich vorgesehenen Termin bereits bekommen haben.

Zeuge La[ubscher]:

Die habe ich erhalten; aber es wäre für mich nicht unmöglich, aber sehr schwierig, diesen Termin einzuhalten.

Vors.:

Es verknüpft sich damit die Frage, warum Sie dann heute im Gerichtssaal waren bei der Vernehmung einer Zeugin.[bb] An sich ist es ja üblich, daß ein Zeuge, der vorgesehen ist, vor seiner Aussage nicht an der Gerichtssitzung teilnimmt. Das muß ein Rechtsanwalt wissen.

Zeuge La[ubscher]:

Das ist folgendes, ich habe noch Urlaub und habe versucht, diesen Tag zu verwenden, genau zu dem Zweck, den ich jetzt erreicht habe, nämlich zu meiner Vernehmung. Ich wollte zusehen, ob es möglich ist, daß ich eigentlich

[10938] - Herr Wackernagel erscheint um 10.26 Uhr mit einem Kassettenrekorder im Sitzungssaal -[cc]

die Vernehmung vorziehen kann.

Vors.:

Aber Herr Rechtsanwalt, es wäre dann wünschenswert gewesen, daß Sie sich gemeldet hätten und nicht stillschweigend an der Sitzung teilnehmen. Denn daß das für die Frage der Aussagetüchtigkeit eine gewisse Rolle spielt, das wissen Sie.

Zeuge La[ubscher]:

Herr Vorsitzender, dazu kann ich ganz klar erklären. Ich habe mich an der Pforte mit diesem Begehren gemeldet. Und es hat sich als außerordentlich schwierig erwiesen, dieses Begehren klar zu machen, und vor allem weiter vorzudringen, als bis zu den Beamten der Pforte, das[dd] hat sich als unmöglich erwiesen.

Vors.:

Sie sind von der Verteidigung benannt worden, für zwei Themen. Das 1. Thema lautet: Sie könnten bekunden, daß Gerhard Müller[11] zu keiner Zeit einen Brief von Irmgard Möller[12] an einen Gefangenen weitergegeben habe. Dazu sollten ...

RA Dr. He[ldmann]:

Darf ich kurz ...[ee]

Vors.:

Der Zeuge wird bekunden -[ff] darf ich es wörtlich vorlesen, wie es vorgetragen wurde, oder ist es falsch vorgetragen worden?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe es zumindest falsch verstanden?

Vors.:

Also hier heißt es so: „Antrag: Rechtsanwalt Jürgen Laubscher als Zeugen zu vernehmen. Der Zeuge wird bekunden, 1. daß er entgegen der Aussage des Zeugen Gerhard Müller zu keiner Zeit einen Brief von Irmgard Möller an einen Gefangenen weitergegeben habe“.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, korrekt.

Vors.:

Dazu können Sie Angaben machen. Ich darf Sie darauf hinweisen, ich kenne die Mandatsverhältnisse nicht. Herr Müller zumindest hat erklärt, daß er keinen seiner Anwälte von der Schweigepflicht[13] entbinde.

Zeuge La[ubscher]:

Ich werde das entsprechend berücksichtigen. Es ist so, daß die Sozietät, der ich angehöre, das Mandat Müller, für die Dauer von knapp 2 Jahren hatte[gg]. Ich habe in diesen 2 Jahren Herrn Müller, meines Wissens, zweimal besucht. Sicherlich nicht mehr als zweimal, einmal in Köln und einmal in Hamburg, jeweils anläßlich anderer anwaltschaftlicher Tätigkeiten in der gleichen Gegend. Und ich kann ausdrücklich sagen, - falls Müller das je behauptet hat, was ich genaugenommen eigentlich nicht weiß, sondern[hh] ich habe nur die Presse gelesen, und da [10939] tauchte eine ähnliche Behauptung auf ich kann also ausdrücklich sagen, daß ich dem Herrn Müller bei diesen Besuchen und zu keinem anderen Zeitpunkt je einen Brief von der Angeklagten Möller weitergegeben habe, weder einen der an mich gerichtet war - einen solchen habe ich meines Wissens nie erhalten von Frau Möller - weder als sie in Freiheit war - denn da kannte ich sie überhaupt noch nicht - noch als sie in Haft war. Ich habe also weder unter dem einen, wie dem andern genannten Gesichtspunkt je einen solchen Brief an den Angeklagten Müller weitergegeben. Falls er das gesagt haben sollte, was ich nicht weiß, dann hat er einfach gelogen.

Vors.:

Das Beweisthema ist etwas umfassender, daß Sie überhaupt keinen Brief von Irmgard Möller weitergegeben haben sollen an einen Gefangenen; es ist also nicht speziell der Name Müller erwähnt, im Zusammenhang damit.

Zeuge La[ubscher]:

Das sicherlich auch nicht. Ich habe relativ wenige Gefangenenbesuche gemacht. Aber ich kann ausschließen, daß ich da einen Brief von Frau Möller an einen Gefangenen weitergegeben habe.

Vors.:

Das 2. Beweisthema. Ich lese es Ihnen wörtlich vor: Sie sollen bekunden können, daß Gerhard Müller Ihnen berichtet hätte, von seiner, Müller’s Kontroverse mit seinem damaligen Verteidiger Ströbele, wobei Müller sich beklagt habe, Ströbele hätte mit der Politik der Roten-Armee-Fraktion nichts im Sinn, wolle mit ihr nichts zu tun haben, und daß Müller vergeblich versucht habe, Ströbele von dieser, nämlich der Politik der RAF, zu überzeugen. Können Sie dazu etwas sagen?

Zeuge La[ubscher]:

Bei meinem 1. Gespräch mit Herrn Müller in Köln war Gegenstand des Gespräches, allgemein gesagt, zum großen Teil die Schilderung seiner Haftbedingungen, die damals herrschten. Des weiteren hat er mir seine damals angelaufene Kontroverse mit Rechtsanwalt Ströbele geschildert, und, wenn ich mich recht erinnere, einen Brief vorgelegt, aus dem sich diese, die[ii] also irgendwie Stellung nahm, zu dieser Kontroverse im Brief von Herrn Ströbele. Das war eine Kontroverse, die ich nicht in genauen Worten wiedergeben kann, deren Inhalt aber der Gestalt war, daß Müller versuchte, Ströbele für die Poli- [10940] tik der RAF zu gewinnen. Und daß Ströbele ausdrücklich, der Begriff ist mir noch sehr präzise im Gedächtnis, sagte oder gesagt haben soll: Er habe mit dieser Politik nichts im Sinne. Er verteidige die Leute, und hat dann argumentiert, warum er das tut. Er sei Radikal-Demokrat, das war sein Begriff, und sei aber für die Politik jedenfalls nicht zu gewinnen. Das war so der Inhalt des Gesprächs, das hat mir Müller geschildert. Daran knüpfte sich dann eine ähnlich verlaufende Erörterung mit mir und die, wo es also einfach um den Begriff des Radikal-Demokraten ging, den ich versuchte, zu erläutern. Also das ist das, was ich dazu sagen kann. Bei dem zweiten Gespräch in Hamburg, das sehr viel später stattgefunden hat - ich kann es präzise nicht mehr sagen, aber es muß im Jahre 74 gewesen sein - habe ich ihn daraufhin nochmal angesprochen, denn[jj] das war sozusagen der einzige Anknüpfungspunkt für ein Gespräch mit ihm, der mir da zur Verfügung stand; und da stellte sich, ... also hat er das kurz angeschnitten und hat also sozusagen mitgeteilt, daß diese Kontroverse nach wie vor am Laufen sei; und es ihm sozusagen noch nicht gelungen ist, sein Ziel zu verwirklichen.

Vors.:

Danke. Weitere Fragen seitens des Gerichts? Bitte, Herr Dr. Breucker.

Richter Dr. Br[eucker]:

Herr Rechtsanwalt Laubscher, Sie sagten, Sie hätten nie einen Brief von Frau Möller dem Herrn Müller oder einem anderen Gefangenen weitergegeben. Haben Sie vielleicht einen solchen Brief an die Gefangenen auf andere Weise zur Kenntnis gebracht? Etwa indem Sie einen solchen Brief einem Gefangenen zum Lesen gegeben, oder vorgelesen haben?

Zeuge La[ubscher]:

Mit... ich kann das nicht ganz präzise sagen, weil ich überhaupt zum Beispiel nicht weiß, ob ich einen Brief von der Möller je empfangen habe. Aber meine Gefangenenbesuche, die sehr selten waren, hatten diese Tätigkeit überhaupt nicht zum Inhalt. Also ich habe überhaupt keine Erinnerung, daß ich je jemand einen Brief verlesen habe. Wüßte eigentlich jetzt auch keinen Grund, für so eine Handlungsweise.

Richter Dr. Br[eucker]:

Keine Frage mehr.

Vors.:

Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Zeis bitte.

[10941] OStA Ze[is]:

Herr Rechtsanwalt Laubscher, bestand zwischen Ihnen und Frau Möller überhaupt mal zu irgendeinem Zeitpunkte ein[kk] Mandatsverhältnis?

Zeuge La[ubscher]:

Herr Zeis, es ist wohl so, daß ein Mandatsverhältnis zur Sozietät bestand. Und daß diese Mandatsverhältnisse, in die ich mich einbeziehe, [ll] alle aus der Zeit rühren, aus der die Mandatsverhältnisse sich auf die ganze Sozietät bezogen. Und Frau Möller wurde durch die Sozietät auch vertreten. Und ich habe Frau Möller, meines Wissens, einmal besucht. Da bin ich aber nicht ganz sicher; es könnte zweimal gewesen sein.

OStA Ze[is]:

Danke. Dann noch eine zweite Frage, Herr Rechtsanwalt Laubscher. Ist man von Seiten der Verteidigung wegen Ihrer heutigen Zeugenvernehmung an Sie herangetreten oder haben Sie sich der Verteidigung hier als Zeuge angeboten?

Zeuge La[ubscher]:

Herr Zeis, ich habe mich der Verteidigung, und zwar Herrn Dr. Heldmann, als Zeuge angeboten zu diesem Thema, nachdem ich in der Zeitung gelesen habe, daß Müller behauptet haben soll - und so war das jedenfalls einem[mm] Teil der Presse zu entnehmen - ich hätte einen Brief ... nein, präzise war es wohl so zu lesen, er habe gesagt, er hätte einen Brief im Gefängnis gelesen, den die Möller in Freiheit an mich geschrieben habe. Und das, sagte ich, das ist völlig absurd. Ich habe mich daraufhin an Herrn Dr. Heldmann gewandt und habe mich als Zeuge angeboten.

OStA Ze[is]:

Das verstehe ich, Herr Rechtsanwalt Laubscher, dieses 1. Beweisthema. Aber dieses 2. Beweisthema, das muß ja nun entweder von Ihnen oder von einem der Verteidiger ins Spiel gebracht worden sein.

Zeuge La[ubscher]:

Das 2. Beweisthema ...

RA Dr. He[ldmann]:

... Herr Vorsitzender, die Frage beanstande[nn] ...

Vors.:

Wollen Sie die Frage beanstanden?

RA Dr. He[ldmann]:

Die Frage beanstande ich.[14] Was ist die Grundlage und was ist das Motiv für den Herrn Oberstaatsanwalt Zeis, der ... die Fragen hier auszuforschen, wie die Verteidigung zu ihren Beweisthemen kommt?

OStA Ze[is]:

Ich überprüfe die Glaubwürdigkeit des Zeugen mehr nicht.

Oder befürchten Sie etwas, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

[10942] RA Dr. He[ldmann]:

Von Ihnen, Herr Zeis, mit Sicherheit nicht.

OStA Ze[is]:

Dann beruhigt mich das sehr, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

Vors.:

Es ist zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen durchaus von Belang, unter Umständen, jedenfalls kann es einen Prozeßbeteiligten interessieren, aus welchen Gründen, Motivationen, von wem veranlaßt, ob aus sich selbst heraus oder durch dritte Seite er zu seiner Aussage gekommen ist. Die Frage ist zulässig.

Zeuge La[ubscher]:

Das hat sich wie folgt zugetragen: Auch dieses 2. Beweisthema ist durch mich ins Spiel gebracht worden. Und zwar unter folgendem Gesichtspunkt: Ich muß davon ausgehen, solange mir nichts anderes bekannt ist - und ich kenne da, diese, insbesondere die Presseberichte - daß Müller über mich eine Lüge verbreitet hat. Also geht es mir darum, die Glaubwürdigkeit des Herrn Müller in diesem Punkte zu erschüttern. Dazu gehört es ohne Zweifel auch, daß ich positiv weiß, daß das, was er nach Presseberichten über Ströbele in einer bestimmten Richtung gesagt hat, offensichtlich nicht stimmen kann, weil ich aus eigener Erfahrung eben etwas anderes von ihm mitgeteilt bekam. Deswegen hielt ich es für nötig, dieses zweite Beweisthema ebenfalls ins Spiel zu bringen. Ich habe es so Herrn Dr. Heldmann mitgeteilt.

OStA Ze[is]:

Vielen Dank.

Vors.:

Weitere Fragen? Die Herren Verteidiger? Keine Fragen an den Herrn Zeugen. Die Vereidigung ist vorgesehen. Keine Einwendungen?

Der Zeuge Rechtsanwalt Laubscher wird vorschriftsmäßig vereidigt.

Zeuge La[ubscher]:

Ich darf noch darauf hinweisen, daß Frau Becker auf nächsten Mittwoch geladen ist. Die Ladung hat sie nicht erreicht; sie ist bis zum 15.8. im Urlaub.

Vors.:

Das würde uns sehr interessieren, die Adresse; aber vielleicht läßt sich das, ... sind Sie noch während der Vormittagssitzung anwesend? Ich möchte es beinahe annehmen, - ja - daß wir uns nachher drüber unterhalten, ob wir die Urlaubsadresse bekommen können. Können wir sie bekommen?

Zeuge La[ubscher]:

Im Moment habe ich sie nicht; aber ich werde versuchen, sie zu erreichen.

[10943] Vors.:

Bis zum 15.8.?

Zeuge La[ubscher]:

Sie ist also bis zum Anfang der Schule in Baden-Württemberg im Urlaub.

Vors.:

Danke.

Der Zeuge Rechtsanwalt Laubscher wird im allseitigen Einvernehmen um 10.37 Uhr entlassen.

Vors.:

Es sieht nun so aus, die Dauer der Vernehmung von Frau Mohnhaupt wird vermutlich der Dauer der Aussage von Frau Schubert entsprechen können. Das würde bedeuten, daß die Zeit, die uns heute Vormittag zur Verfügung steht, für die Vernehmung der Zeugin Schubert nicht mehr ausreicht, so daß ich auch mit der Vernehmung heute nicht mehr beginnen möchte, weil wir heute Nachmittag mit den Zeugen Jünschke und Grashof durchkommen müssen. Die Zeugen werden dann wieder benötigt in ihrem eigenen Verfahren.[15] Bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Frau Roll hat mich, Carmen Roll hat mich informiert, sie sei auf den 3.8. geladen und bittet darum, diese Ladung aufzuheben, und erst in der Woche vom 21.8. an zu laden, weil sie in Triest an ihrem Wohnsitz vom 1.8. bis zum 20.8. an einem Kurs, im Rahmen ihrer Ausbildung als Krankenpflegerin, teilzunehmen hat, und das Versäumnis, das bedeutet für sie also mehr als 1 Tag, für sie sehr schwer wöge.

Vors.:

Ist die Triester Adresse näher bekannt, die Anschrift, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann? Ich meine, Sie müssen’s jetzt nicht in öffentlicher Verhandlung ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich besitze sie, aber ich habe sie hier im Moment nicht dabei. Ich könnte sie aber Nachmittag schon nennen.

Vors.:

Ja, ich werde Ihnen dazu dann im Laufe des Tages Bescheid geben, zu dieser Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann bitte ich auch für meine Mitverteidiger darum, daß doch der Ladungsplan bekanntgegeben wird.

Vors.:

Ja, das kann ich Ihnen für diese Woche tun.

RA Dr. He[ldmann]:

Und auch für die nächste Woche. Wir werden Sie hier, Sie wissen es ja selbst, durch das flinke Auftreten der Zeugen und dann die Veränderungen dieser Ladungen doch von Zeit zu Zeit überrascht. Und vielleicht, nachdem ich wiederholt festgestellt habe, daß Ladungen längst ergangen sind und [10944] die Prozeßbeteiligten, jedenfalls die Verteidiger, davon gar nichts wissen, möchte ich doch bitten, daß diese Ladungen bekanntgegeben werden, damit wir uns auch etwas einrichten können.

Vors.:

Das muß ich nun korrigieren. Es ist so, daß ich am letzten Donnerstag nur vorausgesehen habe, wie weit wir es bis zum Dienstag terminieren können, weil die anderen Fragen noch wegen der Transportgeschichte etwas ungeklärt waren. Es ist heute ja mit Grashof, Jünschke zu rechnen, das ist bekannt. Morgen sind vorgesehen die Zeugen Pohl und Schiller aus Hamburg. Und außerdem der Polizeibeamte Lemke, der benannt worden ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Und bitte, wenn es geht, nächste Woche.

Vors.:

Die nächste Woche wird, es ist also geladen, zunächst mal Frau Roll, von der Sie schon sagten, sie sei im Augenblick nach Ihrer Meinung verhindert, das wird sich noch zeigen. Und dann werden noch die Zeugen Hoppe, Möller und Augustin auf diesen Tag vorgesehen, Dienstag, 3.8./4.8. - habe ich bereits bekanntgegeben - Herr von Plottnitz, Frau Becker. Herr Laubscher ist jetzt zu streichen. Mit Frau Becker wird es sich auch klären müssen, wie wir da uns verhalten, nachdem bekannt wird, daß sie bis zum 15.8. in Urlaub ist. Donnerstag, 5.8. die Zeugen Boyer, Thorer, Rieber und von Nagy. Dabei ist noch nicht terminiert, bezüglich des Zeugen Ruch, weil wir dessen Adresse nicht kennen. Das muß aber bald geschehen, sonst müßte dieser Antrag der Ablehnung verfallen.

Wir können jetzt vielleicht Herrn Rechtsanwalt Künzel bitten, noch Stellung zu nehmen zu dem Schreiben, das an Sie geschickt worden ist, wegen ihres zuletzt gestellten Beweisantrages.

Es geht also um den Antrag, daß Sie Herrn Rechtsanwalt Huth als Zeugen dafür benennen, daß es zwischen dem Ende der Verhandlung am 13.7.76 und dem Beginn der Verhandlung am folgenden Tag wegen der Aussageverweigerung des Zeugen Müller zur Identität mit „Harry“ zu Kontakten zwischen Verfahrensbeteiligten - ausgenommen haben Sie die Verteidiger selbst und mich - und Rechtsanwalt Huth gekommen seien. Und der Senat fragt an, was ist Gegenstand, was soll damit bewiesen werden?

Der Durchschlag des Schreibens vom 23.7.76 an RA Künzel wird als Anl. 1 zum Protokoll genommen.

RA Kü[nzel]:

Mit dem Beweisantrag ziele ich auf [§ ]136a[ StPO],[16] auf die Frage [10945] der Verwertbarkeit der Angaben des Herrn Müller, wobei ich mir natürlich im Klaren bin, daß der Beweisantrag so etwas blutleer aussieht. Es hat die Gründe in der ... im möglichen Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts. Der Beweisantrag ist bewußt so formuliert, daß einer Vernehmung des Zeugen das Zeugnisverweigerungsrecht nicht im Wege steht.

Vors.:

Ja, aber Sie müßten dann doch unter Beweis stellen wollen, daß, wenn solche Kontakte, wie Sie sie ganz allgemein bezeichnen, zwischen Verfahrensbeteiligten in Betracht kommen ja eigentlich nur noch Bundesanwälte oder irgendwelche Richter, daß die dazu geführt hätten. Das müssen Sie dann beweisen wollen, als Beweisthema benennen, daß Rechtsanwalt Huth veranlaßt wurde, so auf Herrn Müller einzuwirken, daß das zu [§ ]136a[ StPO] führe. Aber das, wenn Sie behaupten wollen, Herr Rechtsanwalt Künzel, sollten Sie dann auch klar sagen.

RA Kü[nzel]:

Herr Vorsitzender, dieser Beweisantrag ist natürlich im Zusammenhang mit den übrigen Beweisanträgen, die gestellt sind, etwa zur Verwertung, Beiziehung der Akten, zu sehen; und es wird sich dann zeigen, wie das zu wirken ist.

Vors.:

Gut, unter diesem Aspekt werden wir jetzt über den Antrag dann zu entscheiden haben. Sind sonstige Dinge jetzt im Augenblick außerdem, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich beantrage:

Rechtsanwalt Dr. Klaus Croissant als Zeuge zu vernehmen.

Das Beweisthema ist bekannt. Wünschen Sie, daß ich es erneut vortrage?

Vors.:

Nein, Sie wollen also praktisch beantragen, jetzt, nachdem die Aussagegenehmigung sozusagen erteilt ist,[17] von der Seite der Mandanten, ihn zu hören. Wobei natürlich die Frage mitzuklären wäre, nicht daß wir wieder vor derselben Situation stehen: Herr Dr. Croissant hatte ja nun nicht nur die Drei hier verteidigt, sondern viele andere. Und so, wie er sich das letzte Mal verhalten hat, ist zu befürchten, daß dieser Hinweis dazu führt und sagt, ich fühle mich nicht entbunden oder entpflichtet.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, Herr Rechtsanwalt Croissant hat mir am Montag gesagt, daß er, nachdem er die Raspe-Erklärung[18] erhalten hat, zur vollen Aussage hier bereit ist.

[10946][19] [10947] Vors.:

Gut, das nehmen wir zur Kenntnis. Auch über diesen Antrag ist dann zu entscheiden. Wir setzen die Sitzung heute Nachmittag um 14.00 Uhr fort.

Pause von 10.43 Uhr bis 14.02 Uhr

Ende des Bandes 634.

[10948] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.02 Uhr.

Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Geulen, Eggler und Schlaegel (sowie Herr Wackernagel) sind nicht mehr anwesend.

Vors.:

So, wir setzen die Sitzung fort; die Verteidigung ist gewährleistet.

Die Herren Rechtsanwälte Schlaegel und Eggler haben sich für heute nachmittag entschuldigt.

Ich bitte den Zeugen Jünschke.

Rechtsanwalt Geulen erscheint wieder um 14.02 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Klaus Jünschke - vorgeführt aus Untersuchungshaft - erscheint um 14.03 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Klaus Jünschke wird gem. §§ 57 und 55 StPO belehrt.

Vors.:

Wir haben hier ein Tonbandgerät angeschaltet. Sind Sie damit einverstanden, daß Ihre Aussage hier mit auf dem Tonband aufgenommen wird.

Zeuge Jün[schke]:

Nein.

In der Folge wird das Tonband ausgeschaltet, solange sich der Zeuge äußert.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint wieder um 14.06 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Jünschke verweigerte die Angaben über seine Person und erklärte, daß diese Angaben unwichtig und bereits bekannt seien.

Er erklärte: Wenn Sie dieses Ritual brauchen, dann können Sie es „mit diesen dreckigen Faschisten da drüben“ ... (Deutet auf die Vertreter der Anklage).

Der Vorsitzende wies den Zeugen darauf hin, daß er wegen der Äußerung zu der Bundesanwaltschaft „die Faschisten da drüben“ in eine Ordnungsstrafe genommen werden könne.

[10949] Zeuge Jün[schke]:

Ich sagte „dreckige Faschisten“.

Der Zeuge erhielt Gelegenheit, sich zu der Frage der Ordnungsstrafe zu äußern.

Er gab keine Äußerung ab.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Beschluß:

Der Zeuge Jünschke wird wegen Ungebühr in eine

Ordnungshaft von 1 Woche

genommen.

Er hat die Bundesanwaltschaft außerordentlich schwer beleidigt, indem er sie als „dreckige Faschisten“ bezeichnete und das noch wiederholte.

Herr Jünschke, Ihr Vorname bitte.

Es ist kein Ritual, das wir um unsret Willen durchführen wollen. Und ich sehe auch nicht recht ein; Sie sind als Zeuge der Verteidigung hier geladen worden, d.h. als Zeuge, der auf Veranlassung der Herrn Verteidiger hierher gestellt worden ist. Es ist natürlich für einen Zeugen kein glückliches Bild, wenn er sich so aufführt. Sie tun sich und dem Antragsteller damit keinen Gefallen. Das müssen Sie sich selbst überlegen.

Wollen Sie nun Ihre Personalien angeben?

Zeuge Jün[schke]:

Die sind bekannt.

Vors.:

Gut, dann darf ich davon ausgehen; wenn Sie Ihre Personalien hier jetzt nicht angeben wollen, ich benenne sie. Wo kein Widerspruch erfolgt, sind das Ihre Personalien.

Die Personalien des Zeugen werden wie folgt festgestellt:

Klaus Jünschke, derzeit berufslos,

Justizvollzugsanstalt Zweibrücken.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Auf die Frage des Vorsitzenden, wie alt er ist, erklärte der Zeuge, daß dies [10950] auf dem Ladungsplan stehe.

Auf weitere Fragen des Vorsitzenden, welchen Ladungsplan er meine, gab er keine Antwort.

Vors.:

Das Alter wird sich noch nachträglich feststellen lassen. Die Herren Verteidiger wollen Sie gehört haben zu folgenden Themen: Ob es - das ist der Punkt 1 - ob es in der Roten Armee Fraktion eine hierarchische Struktur oder ein sonstiges Verhältnis der Über- und Unterordnung, etwa auch nur in tatsächlicher Hinsicht, gegeben habe,

Punkt 2, ob die Rote Armee Fraktion eine „offene Gruppe“ gewesen sei oder ob es nicht so gewesen sei, daß die Rote Armee Fraktion in kleinen, zahlenmäßig eng begrenzten Gruppen organisiert war, wobei sich der Informationsaustausch auf die jeweilige Gruppe und deren Mitglieder beschränkte.

Also Punkt 1, hierarchische Struktur, ob ja oder nein und sonstiges Verhältnis der Über- und Unterordnung, etwa auch nur in tatsächlicher Hinsicht.

Können Sie dazu etwas sagen?

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, jetzt bitte ich kurz ums Wort.

Vors.:

Bitte, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Und zwar möchte ich einen Antrag stellen.

Ich beantrage, dem Zeugen die ausreichende Zeit zu geben, um sich in dieser Vernehmung eines Rechtsbeistands zu bedienen.

Begründung:

Seit der bekannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[20] ...

Vors.:

Darf ich Sie fragen, Herr Dr. Heldmann, aus welcher Legitimation heraus Sie diesen Antrag stellen wollen?

RA Dr. H[eldmann]:

Aus meinem Interesse, dem Interesse meines Mandanten an der ...

Vors.:

Nein, Herr Dr. Heldmann, ich bedaure, Ihnen zu diesem Antrag das Wort jetzt nicht weiter erteilen zu können.

RA Dr. He[ldmann]:

Doch, weil Sie seine Begründung nicht kennen. Aus der Begründung ... Sie ersehen ...

Vors.:

Nein, Sie sind nicht legitimiert, diesen Antrag hier vorzubringen. Ich bitte jetzt ...

Zeuge Jün[schke]:

Ja, ich will auch da mitreden. Lass mal (zu RA Dr. Heldmann)

Vors.:

Jetzt, Herr Jünschke.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, bitte nein. Ich kenne den Gegenstand ...

[10951] RA Dr. He[ldmann]:

Wir hätten uns das Desaster heute morgen ersparen können, wenn den Zeugen, die von der Verteidigung benannt werden, in der gleichen Weise wie denen, die die Anklagebehörde ...

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, ich stelle jetzt ausdrücklich ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, lassen Sie mich bitte ausreden.

Vors.:

... Herr Dr. Heldmann, ich bedaure das, daß ich Ihnen jetzt das wiederholt sagen muß, Sie haben das Wort nicht zur weiteren Ausführung. Ich möchte jetzt in der Vernehmung des Herrn Zeugen fortfahren. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis.

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, die Interessenwahrnehmung für meinen Mandanten erfordert, daß ich jetzt spreche.

Vors.:

Herr. Dr. Heldmann, ich entziehe Ihnen damit das Wort.

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, Herr Vorsitzender, jetzt bin ich dran. Ich denke nicht daran, wie heute morgen einem nach dem anderen der Zeugen der Verteidigung hier herauskommen zu lassen. Die wollen Aussage machen.

Vors.:

Und ich denke nicht daran, Sie weiterhin jetzt in dieser Form hier, diese Zeugenvernehmung stören zu lassen. Ich bitte, halten Sie sich jetzt ausdrücklich daran, was ich gesagt habe.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie diskriminieren ...

Vors.:

Und beeinflussen Sie mit Ihrer unzulässigen Art, mit Ihrer unzulässigen Wortergreifung nichts anderes, als das Klima bei der Zeugenvernehmung. Ich habe den Herrn Zeugen gefragt, sind Sie ... sind Sie ...

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, das haben Sie bereits aufgeheizt.

Vors.:

Ich bitte jetzt Herrn Dr. Heldmann nicht mehr das Mikrophon einzustellen.

Zeuge Jün[schke]:

Kann ich dazu mal was sagen, ...

Vors.:

Herr Jünschke ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bestehe auf der[oo] Entgegennahme meines Antrags, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Nein, Sie bekommen das Wort nicht dazu.

Zeuge Jün[schke] (zu Dr. Heldmann):

Lass mich mal reden, weil sich das dann, durch das, was ich sagen werde, klären wird.

Wir haben bis jetzt in Zweibrücken die Protokolle Müller sowie die Angaben von Bullen noch nicht erhalten. Wir haben auch nicht die Gerichtsprotokolle von hier. Und deshalb, weil Müller auch nach Kaiserslautern kommt, sind das Prozeßmaterialien, die wir einsehen wollen und einsehen können. Ich werde auch keine Aussagen machen, hier, heute.

Vors.:

Ich habe an Sie keine Fragen, nachdem Sie die Beweisthemen, [10952] die ich Ihnen angedeutet habe, nicht beantworten wollen. Hat die Bundesanwaltschaft Fragen? - Ich sehe beim Gericht sind keine Fragen. Keine Fragen bei der Bundesanwaltschaft.

Zeuge Jün[schke]:

Was heißt denn das?

Vors.:

Dann darf ich jetzt die Herrn ...

Zeuge Jün[schke]:

Was heißt denn das?

Vors.:

Augenblick.

Zeuge Jün[schke]:

Ich möchte dazu Stellung nehmen.

Vors.:[pp]

Nein, Sie haben mir gegenüber erklärt, dem Gericht beantworten Sie die Fragen nicht. Sie sagten, wir machen, bevor wir nicht bestimmte Bedingungen erfüllt sehen, nämlich Unterlagen, die mit Ihrem Verfahren im übrigen nichts zu tun haben ... -

Zeuge Jün[schke]:

Das ist ein Irrtum.

Vors.:

Ja, das meinen Sie. Heute machen Sie keine Aussagen. Das Gericht hat keine Fragen mehr an Sie. Die Bundesanwaltschaft auch nicht. Die Herrn Verteidiger haben jetzt Gelegenheit, Ihre Fragen zu stellen, bitte.

Zeuge Jün[schke]:

Was heißt denn das?

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Zeuge, ich möchte Sie etwas fragen. Ich bitte Sie, meine Fragen zu beantworten. Es werden nicht viele sein.

1. Wann sind Sie benachrichtigt worden davon, daß der heutige Termin stattfindet?

Zeuge Jün[schke]:

Ich glaube, letzten Freitag.

RA Dr. H[eldmann]:

Ist Ihnen das Beweisthema, zu welchem Sie heute hier gehört werden sollen, genannt worden?

Zeuge Jün[schke]:

Was wir bekamen, das war eine Abschrift eines Fernschreibens. Und die Abschrift des Fernschreibens machte der Knast. Da stand, daß wir geladen sind zu dem Termin, zur Struktur der RAF und Informationsaustausch der RAF.

RA Dr. H[eldmann]:

Sind Sie derzeit ... Sie sind derzeit noch als Angeklagter in der Hauptverhandlung in Kaiserslautern?

Zeuge Jün[schke]:

Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Und dieser Prozeß in Kaiserslautern ist noch nicht beendet?

Zeuge Jün[schke]:

Die machen z.Zt., glaube ich, noch 3 Wochen Urlaub.

RA Dr. H[eldmann]:

Haben Sie in Kaiserslautern einen Verteidiger?

Zeuge Jün[schke]:

Nein.

RA Dr. H[eldmann]:

Hat man Sie, hat die Justizvollzugsanstalt oder hat ein Richter oder ein Staatsanwalt oder ein Beamter der Polizeibehörden Sie belehrt, daß Sie sich für Ihre Ver- [10953] nehmung heute mit einem Rechtsbeistand ausstatten dürften, der an dem Tischchen neben Ihnen gesessen hätte, wenn Sie ihn hiergehabt hätten und bei dem Sie hätten rückfragen können, wenn Sie auf bestimmte Fragen oder in bestimmter ... Vernehmungssituation Zweifel bekommen hätten?

Zeuge Jün[schke]:

Ich brauche hier keinen Anwalt, der neben mir sitzt. Aber die Bemühungen in den letzten Monaten auf Grund der Hetze gegen die Anwälte einen Anwalt zu finden, sind allerdings durch sie hier insofern sabotiert worden. Und deshalb habe ich zur Zeit keinen Anwalt.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben - nochmal meine Frage, Sie haben sie nicht exakt beantwortet, bitte, - Sie sind nicht belehrt worden, daß Sie hier einen Rechtsbeistand mitbringen dürften?

Zeuge Jün[schke]:

Nein, sagte ich doch.

Ich sagte doch, daß wir uns seit Monaten bemühen, Anwälte zu finden, u.a. für die Vernehmung hier.

RA Dr. H[eldmann]:

Eine weitere Frage, haben Sie - jetzt speziell für die Aussage hier - haben Sie in der Zeit zwischen Ihrer Benachrichtigung von diesem Beweisaufnahmetermin und Ihrer Abreise aus Zweibrücken die Gelegenheit, tatsächlich, die Gelegenheit gehabt, einen Anwalt für den heutigen Termin zu beauftragen?

Zeuge Jün[schke]:

Naja, ist doch klar. Die Gelegenheit besteht natürlich. Nur die Schwierigkeiten liegen eben nicht in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken, sondern bei diesen Figuren hier.

Vors.:

Nochmal die Frage: Sie haben diesen Ausdruck, der sonst bei Ihnen geläufig ist, doch offensichtlich in einem Sinne gebrauchen wollen, der abträglich ist?

Ich muß Sie erneut darauf hinweisen, daß Sie eine Ordnungsstrafe, wie Sie schon erfahren haben, zu gewärtigen haben, wenn Sie hier gegen irgendeinen der Prozeßbeteiligten ausfällig werden. Das ist eine Warnung noch, nachdem Sie die erste Erfahrung bekommen haben, unterlassen Sie auch solche ...

Zeuge Jün[schke]:

Na mach doch, Du Faschist.

Vors.:

Sie wissen, was der Senat sich überlegt. Wollen Sie sich dazu äußern?

(Nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen:

Es wird gegen den Zeugen

eine weitere Woche Ordnungshaft

[10954] festgesetzt, weil er zunächst die Bundesanwaltschaft mit den Worten „Figuren“ beleidigt und auf Mahnung des Vorsitzenden diesen als einen „Faschisten“ bezeichnet hat.

Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja.

Ich meinte, ich meine das so. Haben Sie faktisch Gelegenheit gehabt, sich einen Anwalt zu holen? Kamen Sie denn überhaupt ... hatten Sie Kontakt aus der Vollzugsanstalt heraus?

Zeuge Jün[schke]:

Zur Zeit läuft die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt - den Namen möchte ich nicht nennen -, der mit mir schon in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken gesprochen hat und der wenig später auch ein Gespräch über eine formale Mandatsaufnahme mit Manfred Grashof führen wollte; und der daraufhin von Stiefenhöfer gesagt bekam, daß allein schon eine formale Kontaktaufnahme nach diesem Unvereinbarkeitsparagraphen[21] nicht möglich ist. Es sei unmöglich, daß er überhaupt noch nach dem Gespräch mit Grashof in diesem Verfahren tätig sein kann. Wir haben dagegen Einspruch eingelegt - das dauerte ein paar Wochen. Vor 3 Tagen bekamen wir Bescheid, daß dieser Anwalt doch dieses formale Kontaktgespräch über das Mandat mit Manfred Grashof haben kann. Erst wenn das gelaufen ist, werden wir uns entscheiden.

RA Dr. H[eldmann]:

Der Zeuge ist noch beim Sprechen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, aber ich habe das Gefühl, daß Sie von der unrichtigen Voraussetzung ausgehen, daß ein Zeuge irgend einer Belehrung zu unterziehen wäre, über seine Möglichkeit, mit einem Rechtsanwalt aufzutreten.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, ich bin in der Zeugenbefragung.

Vors.:

Und der Herr Zeuge hat zusätzlich erklärt, daß er das weiß ...

RA Dr. H[eldmann]:

Können Sie Ihre Gefühle bis dahin zurückstellen, bis ich fertig bin.

Zeuge Jün[schke]:

Ja ich möchte mal ... vielleicht ist nicht klar geworden ...

Vors.:

Ich darf Sie vielleicht bitten, daß Sie langsam mit Fragen zur Sache kommen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bin bei der Sache.

Zeuge Jün[schke]:

Vielleicht ist das nicht klar geworden.

Wir haben Interesse, hier auszusagen und zwar gerade hier, weil wir ja in die Pfalz geräumt wurden.

Die Identität der Prozesse ergibt sich aus denselben Zeugen, [10955] aus der gleichen Anklageschrift. Die in Kaiserslautern ist ja zum großen Teil identisch.

Und wir meinen, daß das, was in Kaiserslautern läuft, nicht wichtig ist, weil der Prozeß gegen die RAF hier läuft und hier geführt wird. Was wir allerdings wollen, sind Prozeßmaterialien: Müllers Aussage, die Bullenaussage und Prozeßprotokolle von hier; die Tagesprotokolle, die hier angefertigt worden sind, als Müller auftrat.

Müller wird in Kaiserslautern erscheinen, und diese Akten werden Prozeßmaterialien sein. Das haben wir bis jetzt noch nicht. Das ist beantragt. Wir haben aber noch keine Auskunft, ob wir es überhaupt bekommen. Und das ist der Grund, weswegen wir heute nichts sagen können.

Ich würde vorschlagen, daß wir in 14 Tagen wieder geladen werden, daß wir in 14 Tagen wieder hierher kommen und bis dahin die Protokolle durchgelesen haben. Und zu diesem Vorschlag ...

Vors.:

Ich würde jetzt bitten, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, fahren Sie in den Fragen fort. Vorschläge des Herrn Zeugen zu der Verfahrensgestaltung sind nicht Gegenstand der Antworten. Bitte fahren Sie fort.

Zeuge Jün[schke]:

Ich möchte noch ein paar Sätze sagen.

Vors.:

Nein. Sie haben nicht mit Vorschlägen hier zu kommen, sondern Sie haben Fragen zu beantworten. Sie sind in der Rolle des Zeugen und nicht derjenige, der hier als Prozeßberater dient.

Zeuge Jün[schke]:

Was heißt hier Prozeßberater. Es geht hier um einen Prozeß.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, Ihre Fragen bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, Ihre Belehrung an den Herrn Zeugen wäre richtig, wenn ich eben damit, was er eben gesagt hat, der Zeuge hat erklären wollen, warum er nicht heute aussagen will. Gleich, ob diese Erklärung Ihr Ergebnis trägt oder nicht. Aber er hat es erklären wollen.

Zeuge Jün[schke]:

Ja, dann möchte ich aussprechen.

Vors.:

Nein, ich bitte Sie jetzt, Ihre Fragen zu stellen. Wenn es um Vorschläge geht, nicht. Wenn Sie eine Antwort geben auf die Frage, das dürfen Sie selbstverständlich, Herr Jünschke.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Jünschke, dann machen wir es so.

[10956] Zeuge Jün[schke]:

Ja, dann machen wir Schluß, würde ich sagen.

RA Dr. H[eldmann]:

Bitte?

Zeuge Jün[schke]:

Dann machen wir Schluß, würde ich sagen.

RA Dr. H[eldmann]:

Nocheinmal, haben Sie denn die faktische Möglichkeit gehabt, von Freitag bis heute einen Rechtsanwalt für den heutigen Termin zu kriegen?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, die Frage ist beantwortet.

Vors.:

Die Frage ist beantwortet. Es ist eine Wiederholung, die nicht mehr zulässig ist.

Bitte, weitere Fragen ...

Zeuge Jün[schke]:

War ich unverständlich? Also, ich kann das nochmal sagen, wie das war.

Vors.:

Nein, es ist beantwortet, Herr Jünschke, und jedem zu Gehör gekommen. Offenbar Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann nicht. Bitte die Fragen jetzt weiter zu stellen.

RA Dr. H[eldmann]:

Und warum wollen Sie heute nicht aussagen? Sie waren dabei, es zu erklären; und da hat der Herr Vorsitzende Sie unterbrochen. Jetzt bitte, fahren Sie fort.

Vors.:

Also auch in der Beziehung, Herr Jünschke, soweit ist Ihre Antwort verstanden worden[qq], daß Sie sagen, Sie wollten die Prozeßmaterialien haben, sprich Protokolle Müller; denn der Prozeß gegen die RAF finde hier statt, nicht in Kaiserslautern; Sie empfänden die Trennung ohnedies als eine Taktik, um den Prozeß zu zersplittern. Und im übrigen würden Sie vorschlagen, daß Sie in 14 Tagen erst gehört werden könnten, wenn Sie die Prozeßmaterialien hätten. Das haben Sie als Grund bisher angegeben. Wenn Sie dem noch etwas hinzuzufügen haben, dann ist das statthaft. Aber nicht die Wiederholung dessen, was bereits gesagt worden ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich hab auch gesagt: „Bitte fahren Sie fort“.

Ich habe nicht gesagt, wiederholen Sie.

Bitte fahren Sie fort, Herr Jünschke, nach der abermaligen Unterbrechung.

Zeuge Jün[schke]:

Ja, und weil die Prozesse gegen die RAF ein Prozeß ist und gerade, weil das hier im Falle Kaiserslautern und Stammheim schon an Zeugen und Anklageschrift sichtbar ist, beantragen wir - Manfred Grashof und ich -, daß wir, wenn wir in 14 Tagen wieder hier erscheinen, vorher mindestens 3 Stunden mit den 3 Gefangenen - Gudrun, Andreas und Jan - sprechen können.

[10957] Vors.:

Also Anträge von Zeugen in dieser Form sind an sich auch ungewöhnlich. Aber wenn’s Ihnen (=Dr. Heldmann) als Antwort genügt, was jetzt gegeben worden ist, bitte.

Sonst bitte ich weitere Fragen zu stellen.

RA Dr. H[eldmann]:

Vielen Dank, ich habe jetzt keine Frage mehr, nachdem der Herr Zeuge erklärt hat, daß er nicht zur Sache aussagen werde.

Daraufhin steht der Zeuge Jünschke von seinem Stuhl auf, rennt um den Zeugentisch herum und ruft: „Wart’ ich komm“.

Mit 2 - 3 schnellen Schritten springt er auf den Richtertisch hinauf und stürzt sich mit beiden Händen voraus auf den Vorsitzenden. Beide fallen dadurch hinter dem Richtertisch zu Boden.

Mehrere Richter, Vollzugs- und Polizeibeamte überwältigen den Zeugen Jünschke. Noch am Boden liegend schreit der Zeuge: „Für Ulrike, Du Schwein“!

Der Zeuge Jünschke wird anschließend von mehreren Vollzugsbeamten an den Händen und Füßen unter lautem Stöhnen um 14.25 Uhr aus dem Sitzungssaal getragen.

Während des Vorfalls:

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe gewußt, warum ich um einen Anwalt bitte. Erinnern Sie sich an meinen Antrag?

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann unverständlich

Vors.:

Nein, im Augenblick möchte ich noch ein paar Worte sagen.

Wir setzen die Sitzung fort. Sie haben erklärt, daß Sie keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen haben.

Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Die Vernehmung des Zeugen ist abgeschlossen.

Der Zeuge Jünschke bleibt gemäß § 60 Nr. 2 StPO[22] wegen Tatbeteiligung unbeeidigt.

Vors.:

Wird gegen die Entlassung des Herrn Zeugen irgendetwas eingewendet? Ich sehe nicht.

Der Zeuge Jünschke wir im allseitigen Einvernehmen um 14.27 Uhr entlassen.

[10958] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Ich wiederhole meinen Antrag - und ich glaube kaum, daß es jetzt noch einer Begründung bedürfte -, daß die von der Verteidigung benannten Zeugen, soweit sie jedenfalls nicht selbst hinreichend rechtskundig sind, hier ebenso, wie die von der Anklage benannten Zeugen sich des Beistands für ihre Vernehmung[rr], eines Anwalts ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, es ist eine merkwürdige Auffassung. Ich habe Ihnen vorhin gesagt, Sie können diesen Antrag nicht stellen. Bei dieser Entscheidung bleibt es. Wenn Sie das beanstanden wollen, daß ich Ihnen dazu das Wort nicht erteile, können Sie das tun. Dann wird eine Senatsentscheidung ergehen. Aber durch bloße Wiederholungen, können Sie nun solche Anträge nicht plötzlich doch anbringen.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, meinen Sie nicht, daß es ...

Vors.:

Ich habe Ihnen das Wort nicht erteilt. Wenn Sie es beanstanden wollen, dann tun Sie es.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie hatten es mir erteilt, Sie haben es mir noch nicht genommen. Natürlich haben Sie mich aufgerufen.

Vors.:

Ich sage Ihnen jetzt, daß ich zu diesem Antrag und zu diesem Thema Ihnen das Wort nicht weiter erteile. Wenn Sie es beanstanden wollen, dann tun Sie das prozeßordnungsgemäß.[23]

Bitteschön, Sie erhalten das Wort zur Beanstandung, wenn Sie das wünschen?

RA Dr. H[eldmann]:

Ich beanstande.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Das Wort wird nicht erteilt. Sie sind kein Verteidiger des Zeugen und haben kein Antragsrecht.

Ich bitte jetzt den Zeugen Grashof.

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, § 257[ StPO][24] ...

Vors.:

Bittesehr, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Will die Bundesanwaltschaft sich gem. § 257[ StPO] äußern?

BA Dr. W[under]:

Ich möchte vorher noch die Anregung geben, daß der nächste Zeuge gefesselt in den Sitzungssaal gebracht wird und hier gefesselt bleibt.

Vors.:

Über das wird entschieden werden. Zu [§ ]257[ StPO] keine Erklärung?

[10959] BA Dr. W[under]:

Nein, dankeschön. Das Schauspiel, das[ss] hat für sich gesprochen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitteschön?

RA Dr. H[eldmann]:

Die Verteidigung bedauert, anders als der Herr Bundesanwalt heute[tt] suggerieren suchte, als er von dem abgekarteten Spiel sprach, daß es zu den von uns beantragten Zeugenaussagen nicht gekommen ist. Die Verteidigung sieht den Hauptgrund dafür darin, daß diese Zeugen anders als die Zeugen der Anklage, wobei ich Sie insbesondere an den Herrn Hoff und an Herrn Müller erinnere, nicht die Gelegenheit hatten, sich einen Rechtsbeistand in diese Beweisaufnahme mitzubringen. Ich erkläre hiermit unter Berufung auf meine standesrechtlichen Pflichten ...

Vors.:

Haben Sie irgend etwas?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, ich muß zunächst etwas Unaufschiebbares[25] tun, nämlich Herrn Richter Dr. Breucker wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Als ich soeben meinen Satz begonnen habe, „unter Berufung auf meine standesrechtlichen Pflichten“, hat Herr Dr. Breucker den Mund geöffnet, ein leichtes Grinsen gezeigt und ein „Oh“ ausgestoßen.

Unruhe im Saal, auch Gelächter auf der Bank der Bundesanwaltschaft.

Vors.:

Ich bitte um Ruhe im Saal. Ich wäre auch den Prozeßbeteiligten dankbar, wenn insgesamt die Gemütsregungen, die bei solchen Anträgen möglicherweise entstehen können, zurückgehalten werden würden. Bitte, fahren Sie fort.

RA Dr. H[eldmann]:

Wenn Herr Oberstaatsanwalt Zeis sich von seinem Anfall von Veitstanz erholt hat, fahre[uu] ich fort.

Vors.:

Sie sind bei der Begründung, Herr Dr. Heldmann, des Ablehnungsantrages gegen Herrn Dr. Breucker.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, wären Sie doch nicht immer auf dem rechten Auge und rechten Ohr blind. Würden Sie sich mal Herrn Zeis ein wenig betrachten.

Zwischenruf eines Zuschauers mit blauem T-Shirt:

„Das ist er doch sowieso schon!“

Vors.:

Ich bitte, den Herrn festzustellen, ich sehe ihn hier sitzen. Was wollen Sie dazu sagen, daß Sie jetzt aus dem Saale entfernt werden ...

[10960] Zuschauer:

Sie sind blind, links und rechts.

Vors.:

Bitte den Herrn, er hat nichts dazu geäußert, zu entfernen aus dem Saal. Von einer Ordnungsstrafe sehe ich ab. Das ist die Zeit nicht wert.

Der Zuschauer mit dem blauen T-Shirt verläßt um 14.32 Uhr den Sitzungssaal.

RA Dr. H[eldmann]:

In dieser Gestik und mit Hilfe dieser Akustik hat Herr Dr. Breucker zumindest den Anschein erweckt, er amüsierte[vv] sich just in dem Moment und darüber, als, bzw. daß ich mich hier auf meine standesrechtlichen Pflichten berufen habe.

Herr Wackernagel erscheint um 14.32 Uhr im Sitzungssaal.

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist eine Haltung gegenüber dem Verteidiger meines Mandanten, die dessen Besorgnis begründet, der abgelehnte Richter wahre gegenüber ihm und seiner Verteidigung nicht die gebotene Distanz, die allein die Grundlage dafür sein kann, daß von diesem Richter ein unparteiliches Urteil zu erwarten sein wird. Glaubhaftmachung:[26] Zeugnis des abgelehnten Richters Dr. Breucker.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen seitens der Herren Verteidiger sehe ich nicht. Will sich die Bundesanwaltschaft äußern? Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder?

BA Dr. W[under]:

Ich habe nur eine kurze Erklärung.

Es ist wahrer Hohn, nach diesem Vorfall sich auf standesrechtliche Pflichten zu berufen und einen Richter abzulehnen. Ich beantrage nach § 26a Ziffer 3 StPO[27] zu verfahren.

Vors.:

Ich bitte in einer Viertelstunde wieder anwesend zu sein. Es wird bekanntgegeben, wie es weiter geht. Publikum vorsorglich zugelassen.

Pause von 14.33 - 15.19 Uhr.

Ende von Band 635.

[10961][28] [10962][29] [10963] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.19 Uhr.

Vors.:

Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst:

Der Vorsitzende verließt den Beschluß aus Anlage 2 zum Protokoll.

Der Beschluß und eine Leseabschrift dieses Beschlusses sind als Anlage 2 und 3 dem Protokoll beigefügt.

Sie waren bei einer Erklärung nach § 257[ StPO] und können fortfahren, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe nicht ohne Grund, und zwar einen Grund, der in dem Fortgang dieser Beweisaufnahme, nicht in abgebrochenen Zeugenaussagen oder fruchtlosen Zeugenbefragung als deren Gegenteil liegt, versucht zu beantragen, dem Zeugen die faktische Möglichkeit zu geben, sich eines Rechtsbeistands zu bedienen. Ich bedaure abermals, daß mir einmal mehr die Möglichkeit genommen worden ist, diesen Antrag zu begründen. Wäre sie mir gegeben gewesen, dann wäre erstens nicht die irrige Rechtsauffassung hier eingetreten, ich als Verteidiger des Angeklagten Baader hätte mit jener Frage überhaupt nichts zu tun, und zweitens wäre es nicht zu [ww] der erweislich falschen Erklärung des abgelehnten Richters Dr. Breucker gekommen, ich hätte erklärt, es sei anwaltschaftliche Standespflicht, für einen von mir benannten, doch anwaltlich von mir nicht vertretenen Zeugen einen Rechtsbeistand für dessen Vernehmung zu beantragen. Selbstverständlich habe ich einen solchen juristischen Nonsens nicht von mir gegeben; und ich wundere mich sehr, daß der Senat in seiner Entscheidungsbegründung diese Falschdarstellung wiederholt, denn das Abhören des Tonbandes könnte ja nun leicht aufklären, was ich gesagt habe. Vielmehr, und ich bitte [10964] das jetzt doch zu erwägen, vielmehr meine ich, daß jeder Prozeßbeteiligte, wie das Gericht selbst, die Befugnis hat, das Gericht unmittelbar, Prozeßbeteiligte durch den Versuch, insoweit auf das Gericht mit ihren Anträgen oder Anregungen einzuwirken, die Befugnis hat, zu veranlassen, daß der Zeuge Gelegenheit erhält, sich eines Rechtsbeistands für die Vernehmung zu bedienen. Jedenfalls dann, wie hier und wie heute morgen, wenn dieser Zeuge selbst noch Angeklagter in einem diesem verwandten und noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren ist. Es ist also die Frage, die uns hier ja wiederholt begegnet ist, die Frage einer Belehrung und Beratung des Zeugen unter dem Gesichtspunkt seines Aussageverweigerungs-, seines Auskunftsverweigerungsrechts insoweit, als er[xx] sich durch Aussage selbst belasten könnte. Es ist aber ein weiteres rechtliches Interesse der Prozeßbeteiligten, für eine solche Vorkehrungen einem Fall wie hier, in einem Fall eines woanders angeklagten Zeugen in vergleichbarer Sache, sich zu bemühen, um nämlich einfach die Aussage herbeizuführen. Es ist ein rechtliches Interesse, das zu berücksichtigen ist vom Gericht, wo ein solcher Antrag oder eine solche Anregung eines Prozeßbeteiligten gesehen wird unter dem Gesichtspunkt, daß ein gleicher Rechtsschutz für alle Zeugen, die in dieser Situation sich befinden, hier Zeuge, dort Angeklagter, ein gleicher Rechtsschutz vorhanden ist. Daß also nicht wie bisher: hier einseitig der Zeuge, der von der Anklagebehörde benannt worden ist, mit Rechtsbeistand hier her kommt, andererseits Zeugen, die die Verteidigung benannt hat, ohne Rechtsbeistand, ohne die faktische Möglichkeit des Rechtsbeistands haben. Ich erinnere daran, wie wohl präpariert und wohl versehen mit juristischem Beistand die Zeugen der Anklage, Hoff[30] und Müller, hier aufgetreten sind, mit einer Fülle von Zeit, über ihre künftige Zeugenaussage nachzudenken, sogar die Akten ihrer früheren Vernehmungen durchzulesen. Und schließlich beliebig hier, um Vernehmungs... Befragungspausen bitten zu können, um sich [10965-10966][31] [10967][32] [10968] anwaltschaftlichen Rats zu bedienen. Was ich vorhin sagen wollte, als ich unterbrechen mußte, da hatte ich den Satz begonnen „unter Berufung auf meine anwaltlichen Pflichten“ - gemeint ist die anwaltliche Wahrheitspflicht - versichere ich Ihnen, daß heute Vormittag Rechtsanwalt Müller in Stuttgart, der ein Mandat von Frau Ensslin hat, insoweit deswegen nicht selbst hier hat tätig werden können, versucht hat, aber vergeblich versucht hat, für die Zeugen Grashof und Jünschke einen Rechtsbeistand herbeizubekommen. Das war umsomehr geboten, als wir heute morgen bereits zwei fruchtlose Zeugenbefragungen erlebt haben. Ich glaube, wäre dieser Zeuge Jünschke mit einem Rechtsbeistand hier aufgetreten, ich glaube, daß uns dann dieser Vorfall hier erspart geblieben wäre. Mit Sicherheit aber, oder und mit Sicherheit hätte der Zeuge Jünschke nicht zur Bedingung dem Gericht gegenüber für seine Aussage gemacht, vorher wollte er Protokolle aus einer anderen Hauptverhandlung lesen. Mit Sicherheit meine ich, hätten die Zeuginnen Stachowiak und Eckes nicht die Angabe ihrer Namen verweigert, als den Beginn ihrer Vernehmungen, wären sie, wie ich es für richtig halte, und wie ich versucht habe, hier vorzutragen, wären sie mit Anwaltsbeistand hier aufgetreten. Ich erinnere daran, daß Jünschke gesagt hat: „Ich habe ein Interesse auszusagen,“ jedoch an jene, wie eben bezeichnet, an jene rechtlich nicht begründete Bedingung gebunden hat. Ich werde selbstverständlich den Versuch, noch einmal diesen Antrag zu stellen, unterlassen. Aber ich meine, umsomehr nachdem, was wir hier heute erlebt haben, daß es im Interesse aller Prozeßbeteiligten liegen müßte, in einem solchen Fall der Zeuge hier, Angeklagter oder Beschuldigter an anderer Stelle, dem Zeugen zumindest faktisch die Möglichkeit zu geben, hier als Zeuge mit Rechtsbeistand hereinzukommen. Ich möchte als Anregung nach diesem ... nach dem Abschluß dieser Erklärung des Verteidigers nach § 257[ StPO] als Anregung dem Gericht zu erwägen geben, ob nicht dem Verfahrensfortgang dienlicher wäre, wenn Herrn Grashof, dem hier heute noch verbliebenen Zeugen, die Gelegenheit angeboten werden würde, einen Rechtsbeistand beizuziehen. Und sollte das Gericht dieser Anregung nicht folgen wollen, bitte ich darum, daß Sie die Verhandlung unterbrechen, damit ich noch Gelegenheit habe, mit meinem Mandanten über den heute hier beabsichtigten Fortgang dieser Beweisaufnahme zu sprechen.

[10969] Vors.:

Wollen Sie eine Erklärung abgeben? Ich bitte nachher die Bundesanwaltschaft, wenn sie es wünscht, zu diesen Anregungen noch Stellung zu nehmen. Herr Rechtsanwalt Geulen.

RA Geu[len]:

Ich möchte nach § 257[ StPO] folgendes erklären:

Herr Bundesanwalt Wunder hat vorhin auf den Antrag des Kollegen Heldmann mit einem einzigen Satz erwidert und hat sinngemäß folgendes gesagt: Der Hinweis des Kollegen Heldmann auf anwaltliches Standesrecht, so hat er gesagt, sei nach diesem Schauspiel oder diesem Vorfall, nichts anderes, als ein einziger Hohn.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Geulen, verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Sie wollten eine Erklärung ...

RA Geu[len]:

Ich möchte es eigentlich nicht verzeihen, Herr Vorsitzender, ich möchte meine Erklärung im Zusammenhang abgeben.

Vors.:

Es ist meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen. Ich möchte Sie grundsätzlich bitten, offenbar scheint Ihnen diese logische Folge schlecht verständlich zu sein, die Verhandlungsführung bedingt eben auch, daß dann, wenn nicht zur Sache gesprochen wird, der Verhandlungsführer eingreift, und Sie zwangsläufig unterbrechen muß. Sie wollen eine Erklärung nach § 257[ StPO] zur Aussage des Zeugen abgeben und nicht Kommentare zu der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu einem Ablehnungsantrag. Wollen Sie also bitte zur Sache kommen?

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, Sie wissen gar nicht, worauf meine Ausführungen hinauslaufen. Wenn Sie das beanstanden wollen, müssen Sie das machen. Ich würde dann um Gerichtsbeschluß bitten, ob Sie mir das Wort entziehen wollen, ich möchte jetzt einfach mit meiner Erklärung fortfahren.

Vors.:

Ja, nach [ §]257[ StPO] ...

RA Geu[len]:

Ich erkläre natürlich nach[yy] § 257 Abs. II[ StPO] zur Aussage des Zeugen in diesem Zusammenhang und meine, daß das hier selbstverständlich in diesen Zusammenhang gehört. Wenn Sie anderer Auffassung sind, müssen Sie das beanstanden. Nach der Strafprozeßordnung sind die Funktionen und Rollen, die die Prozeßbeteiligten im Strafprozeß haben, sehr eindeutig bestimmt. Wenn die Verteidigung einen Zeugen benennt oder beantragt, einen Zeugen durch das Gericht laden zu lassen oder auch wenn es die Bundesanwaltschaft macht, so hat das eine bestimmte Rolle im Zusammenhang mit der Funktion, die diese Prozeßbeteiligten haben. Man stelle sich einmal vor, daß eine solche Äußerung, wie die Bundesanwaltschaft sie nach der [10970] Vernehmung des Zeugen Jünschke gemacht hat, umgekehrt von der Verteidigung zu Äußerungen der Bundesanwaltschaft gemacht worden wäre, um ein Beispiel zu nennen, daß, wenn die Bundesanwaltschaft ihr Recht und ihre Pflichten in diesem Verfahren zu Äußerungen oder Anträge zu stellen, oder andere Maßnahmen zu ergreifen, wenn auf eine solche Äußerung der Bundesanwaltschaft ...

Vors.:

Gut, Herr Rechtsanwalt Geulen, Sie haben das nicht hingenommen und nicht zur Kenntnis genommen ...

RA Geu[len]:

Beanstanden Sie das jetzt, darf ich fragen, ob Sie das beanstanden?

Vors.:

... ich lasse es nicht weiter zu, daß Sie diese Ausführung machen, weil Sie keine Erklärung nach [§ ]257[ StPO] beinhaltet ...

RA Geu[len]:

Ist das eine Beanstandung oder ist das etwas anderes?

Vors.:

Nein, es ist keine Beanstandung, sondern ich lasse es nicht zu. Ich habe nicht zu beanstanden; aber Sie kennen jetzt meine Anordnung, daß das nicht geht und daß Sie weiter das Wort zu solchen Ausführungen nicht haben, beanstanden. Sie müssen beanstanden, nicht ich.

RA Geu[len]:

Ja Entschuldigung, ich gebe meine Erklärung nach § 257[ StPO] ab und Sie wollen das verhindern.

Vors.:

Nein, Sie sprechen zu der Erklärung der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit einem gestellten Ablehnungsantrag; das hat mit der Zeugenvernehmung nichts zu tun.

RA Geu[len]:

Aber, Herr Vorsitzender, es ist doch selbstverständlich, daß ich einer Erklärung nach § 257 Abs. 2[ StPO] auch Erklärungen[zz] im Zusammenhang mit dieser Vernehmung abgeben kann zu Erklärungen anderer Prozeßbeteiligter dazu. Die Bundesanwaltschaft macht das auch in ihrer Erwiderung in einer Erklärung nach § 257[ StPO]; das ist selbstverständlich, und das ist auch ohne weiteres zulässig. Und es bezieht sich sehr konkret auf die Vernehmung und den damit zusammenhängenden Vorgang von Herrn Jünschke.

Vorsitzender (nach geheimer Umfrage):

Es ist als Beanstandung betrachtet worden, was Sie eben ausführen.

Der Senat hat beschlossen:

Sie haben nicht weiterhin das Wort zur Erklärung nach § 257[ StPO], weil Sie nur im Gewande und unter dem Anschein einer solchen Erklärung versuchen, zu einer damit nicht zusammenhängenden Erklärung der Bundesanwaltschaft einen Vortrag zu halten.

[10971] Sie haben selbstverständlich, wenn Sie gemäß [§ ]257[ StPO] weiteres vorzutragen haben, was aber in diesen Rahmen fällt, dazu Gelegenheit. Aber zu diesen Ausführungen nicht.

RA Geu[len]:

Nein[aaa] ich möchte dann nur feststellen, daß meine Ausführungen offensichtlich, nach meiner Auffassung offensichtlich, zu einer Interpretation der Vernehmung und des Vorgangs bei der Vernehmung - das gehört dazu nach § 257 Abs. II[ StPO] - dienen sollten. Wenn das Gericht der Auffassung ist, und auch durch Senatsbeschluß das schon bekräftigt hat, mir dazu das Wort entziehen zu wollen, werde ich nicht weiter dazu Stellung nehmen.

Vors.:

Dann darf ich die Bundesanwaltschaft fragen: Wollen Sie zu den Anregungen von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann Stellung nehmen? Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Die beiden für heute Nachmittag geladenen Zeugen wissen seit Ende der vergangenen Woche, seit Freitag, wie wir erfahren haben, daß sie hier vernommen werden; heute ist Mittwoch. Es ist allein ihre Sache, sich eines Rechtsbeistandes zu bedienen. Mit ihrer Zeugenvernehmung so lange zur warten, bis jeder der Zeugen und der hier noch zu hörenden Zeugen einen Anwalt gewählt hat, ist nicht möglich. Deshalb trete ich einer Unterbrechung entgegen.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Beschluß:

Die Unterbrechung der Verhandlung und die Zurückstellung der Vernehmung des Zeugen Grashof wird abgelehnt.

Einen Rechtsbeistand beizuziehen ist in der Tat ausschließlich Sache des Zeugen. Es ist ja dies überhaupt nur eine Möglichkeit, die[bbb] durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeräumt wurde, wo ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, daß die Gerichte darauf, ob ein Zeuge sich eines Rechtsbeistandes bedient oder nicht, nicht Rücksicht nehmen müssen, auch nicht auf die Möglichkeit eines Rechtsbeistands.[33] Es kommt hier im übrigen hinzu, daß diese Zeugen durchaus anwaltschaftlich vertreten sind, und zumindest insoweit die Möglichkeit gehabt hätten, sich beraten zu lassen. Eine Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengesprächs der Art, wie es Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann angedeutet hat, ist nicht möglich. Wir müssen die Sitzung fortsetzen. Ich bitte, den Zeugen Grashof vorzuführen.

[10972] RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie bedacht bei Ihrer sachleitenden Anordnung, bei der Zurückweisung meiner Bitte auf eine Unterbrechung eines Mandantengespräches eben, daß möglicherweise dieses Mandantengespräch die weitere Beweisaufnahme am heutigen Tag erübrigen könnte?

Vors.:

Was heißt am heutigen Tag?

RA Dr. He[ldmann]:

Nun, wir haben meines Wissens noch einen Zeugen für heute.

Vors.:

Ja, ja. Aber den Zeugen, der ist präsent, den wollen wir hören. Ich meine, die Tatsache, daß Sie heute vielleicht auf diesen Zeugen keinen Wert mehr legen und dann zu einem anderen Zeitpunkt, ist ja kein Grund, die Sitzung zu unterbrechen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe ja nicht gesagt, daß ich ihn für den Fall, daß ich den Beweisantrag im Einvernehmen natürlich nur mit meinem Mandanten zurückziehe ...

Vors.:

Wenn Sie sich mit Ihrem Mandanten, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, darüber unterhalten wollen, ob auf den Zeugen generell verzichtet werden kann, und dazu eine kurze Pause benötigen, die würde Ihnen eingeräumt werden.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich hatte nicht vor, meinen Mandanten dahingehend zu beraten, daß der Zeuge heute die Aussage verweigern könnte unter Berufung etwa darauf ...

Vors.:

Bitte, wenn Sie mir’s beantworten?

RA Dr. He[ldmann]:

... es fehlt ihm noch Protokolle, sondern selbstverständlich habe ich so gedacht, nach dem Erlebnis von vorhin, ...

Vors.:

Also es geht Ihnen um eine Beratung lediglich zum Zwecke der Überprüfung, ob auf den Zeugen generell verzichtet werden kann. Wie lange benötigen Sie dazu?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich glaube, wir kommen wirklich schneller voran, wenn Sie mich immer ausreden ließen oder meine Begründungen anhörten.

Vors.:

Ich war der Meinung, Sie sind zu Ende. Wollen Sie nun das Gespräch in dieser Richtung führen?

RA Dr. He[ldmann]:

Ja sicher, Ich habe doch ...

Vors.:

Gut dann machen wir ... wie lange Pause brauchen Sie dazu?

RA Dr. He[ldmann]:

20 Minuten.

Vors.:

Ja, aber es sind ja noch andere Angeklagte da, wie wollen Sie das bewerkstelligen?

[10973] Der Zeuge Manfred Grashof - vorgeführt aus der Untersuchungshaft - erscheint um 15.37 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, da wäre dem nicht Genüge getan. Das ist also nicht möglich. Ich muß aus diesem Grunde nun fortsetzen.

RA Dr. He[ldmann]:

Frau Ensslin ist anwaltlich vertreten ...

Vors.:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

Und der Herr Raspe könnte durch das Gericht ...

Vors.:

Nein, es bleibt bei der Entscheidung, der Herr Zeuge ist anwesend, und wir wollen die Vernehmung jetzt beginnen, durchführen.

Der Zeuge Manfred Grashof bleibt zunächst vor dem Zeugentisch stehen, weigert sich, sein Gepäck durch die Vollzugsbeamten abnehmen zu lassen und sagt: „Laßt mein Zeug in Ruhe.“

Vors.:

Herr Grashof, bitte nehmen Sie Platz.

Zeuge Gra[shof]:

... Ich bin mit Klaus Jünschke zusammen hergekommen. Wir haben 3 Stunden zusammen gewartet ...

Vors.:

Ja, Herr Grashof, es gibt keine Doppelvernehmung von Zeugen. Ich bitte jetzt, daß Sie Platz nehmen - keine Doppelvernehmung von Zeugen. Wir können Sie nicht als ein Pärchen hier vernehmen, das ist unmöglich.

Zeuge Gra[shof]:

Es ist uns zugesichert worden, daß wir uns gegenseitig ablösen, d.h., daß ich ihm meine Sachen übergebe und er mir seine.

Vors.:

Ich weiß nicht, wer Ihnen so eine Versicherung gegeben hat. Das Gericht bestimmt, wie der Ablauf ist. Und im übrigen ist das in der Prozeßordnung bestimmt.

Jetzt darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen.

Der Zeuge Manfred Grashof wird gemäß §§ 57 und 55 StPO belehrt.

Vors.:

Wir haben für Gerichtszwecke ein Tonbandgerät eingeschaltet. Sind Sie damit einverstanden, daß das weiterläuft?

Zeuge Gra[shof]:

Nein.

[10974] In der Folge wird das Tonband ausgeschaltet, solange sich der Zeuge äußert.

Der Zeuge fragt, ob sein Verteidiger, RA Spangenberg, anwesend sei. Als ihm mitgeteilt wird, das Gericht wisse das nicht, erklärt er, er sei zu keinen Aussagen bereit.

Es kommt nunmehr zu folgenden Fragen des Vorsitzenden und Antworten des Zeugen:

Vors.:

Wollen Sie jetzt Angaben zu Ihrer Person machen?

Zeuge Gra[shof]:

Ich bin noch ...

Vors.:

Ob Sie Angaben zu Ihrer Person machen wollen?

Zeuge Gra[shof]:

Nein.

Vors.:

Keine Angaben zur Person.

Zeuge Gra[shof]:

Ich mach auch sonst keine Angaben. Ich will Anträge stellen.

Vors.:

Sie weigern sich also grundsätzlich, hier Aussagen zu machen?

Zeuge Gra[shof]:

Ich sage nichts, bis ich Akteneinsicht habe in die Protokolle von Müller.

Vors.:

Der Zeuge erklärte dasselbe, was schon der Zeuge Jünschke erklärt, daß er ...

Zeuge Gra[shof]:

O.K., dann schließ ich mich Jünschke praktisch an. Wir haben das so vorher besprochen, selbstverständlich. Wir sind zusammen hierhergekommen.

Vors.:

... nichts anzugeben. Sie sagen auch, Sie weigern sich, zur Sache auszusagen. Das Gericht selbst hat keine Fragen über die Personalien hinaus an Sie.

Zeuge Gra[shof]:

Hören Sie, ich weigere mich nicht, ich weigere mich nicht grundsätzlich. Ich mache auch von einem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Ich mache aber meine Aussage davon abhängig, daß uns die Protokolle der Vernehmung Müller und die Gerichtsprotokolle hier zugegangen sind. Und dann brauche ich mindestens 1 Woche oder 14 Tage. Jünschke hat schon alles erklärt.

Die Personalien des Zeugen werden wie folgt festgestellt:

Manfred Grashof, das genaue Alter nicht bekannt, läßt sich feststellen, z.Zt. berufslos, Justizvollzugsanstalt Zweibrücken.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

[10975] Während der Vorsitzende die Personalien des Zeugen Grashof feststellt, steht der Zeuge kurz auf und erklärt:

„Hör doch auf!“

Dem Zeugen werden nunmehr die von der Verteidigung benannten Beweisthemen bekanntgegeben. Es kommt darauf zu folgendem Abschluß der Vernehmung:

Vors.:

Sie haben die Gelegenheit, sich ohne weitere Fragen des Gerichts hierzu zu äußern. Wollen Sie das tun?

Zeuge Gra[shof]:

Ich habe Ihnen das eben erklärt.

Vors.:

Sie wollen es nicht tun. Das Gericht hat keine weiteren Fragen. Hat die Bundesanwaltschaft weitere Fragen?

Zeuge Gra[shof]:

Generell ... hören Sie mal zu, ich bin generell bereit ... das ist wichtig.

Vors.:

Ich habe Sie gefragt, ob Sie aussagen wollen.

OStA Zeis:

Wir haben vorläufig auch keine Fragen.

Vors.:

Keine Fragen, bitte die Herren Verteidiger?

Zeuge Gra[shof] (zu RA Dr. Heldmann):

Kann ich Dich mal fragen was dazu? Ist Dir das klar geworden, was ich eben hier erzählt hab?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann ...

Zeuge Gra[shof]:

Also wir haben Eure Ladung bekommen, ja.

Vors.:

Sie haben jetzt Gelegenheit, Fragen an den Herrn Zeugen zu stellen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, Herr Grashof, hatten Sie Gelegenheit vor der heutigen Zeugenaussage einen Anwalt zu konsultieren?

Zeuge Gra[shof]:

Nein, praktisch nicht. Ich habe am Freitag die Ladung bekommen. Über das Wochenende war nichts möglich. Am Montag oder Dienstag wurde mir ein telefonisches Gespräch mit Spangenberg verweigert.

RA Dr. He[ldmann]:

Am Dienstag sind Ihnen Telefonate mit Ihrem Anwalt verweigert worden?

Zeuge Gra[shof]:

Ja, aus fadenscheinigen Gründen, heute Nachmittag und so. Es war überhaupt nicht möglich.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie hatten Montag und Dienstag keine Möglichkeit, Ihren Anwalt zu erreichen?

Zeuge Gra[shof]:

Nein. Ich muß dazu sagen, daß es auch nur einen Anwalt gibt inzwischen, Spangenberg. Mit dem zweiten Anwalt haben wir seit 3 Wochen Schwierigkeiten, weil das Gericht sich weigert, ihn zu einer Besprechung vorzulassen. Also auch für Jünschke nicht; Jünschke hat überhaupt keinen Anwalt.

[10976] RA Dr. He[ldmann]:

Bitte würden Sie hier aussagen, wenn Sie vorher mit Ihrem Rechtsanwalt Spangenberg sprechen können[ccc], Spangenberg an Ihrer Vernehmung teilnehmen könnte, als Ihr Rechtsbeistand?

Zeuge Gra[shof]:

Möglicherweise. Ich muß dazu sagen, wir haben gestern schriftlich und telefonisch beim Gericht in Kaiserslautern die Protokolle von Müller angefordert. Uns ist bekannt, daß Müller nicht Jünschke belastet, Müller mich belastet. Wir haben das aus der Presse erfahren. Es ist mit hundertprozentiger Sicherheit davon auszugehen, daß Müller in Kaiserslautern eingeführt wird. Solange wollen wir nicht abwarten.

RA Dr. He[ldmann]:

Habe ich Sie im Zusammenhang richtig verstanden, daß Sie sagen, weil Müller als Zeuge hier Sie belastet hat, legen Sie Wert darauf oder machen gar zur Bedingung - wie wäre es, wie ist es -, daß Sie vorher mit Spangenberg, als Ihrem Anwalt, sprechen und Spangenberg Sie in diese Beweisaufnahme hier in Ihre Zeugenvernehmung begleitet.

Zeuge Gra[shof]:

Ja.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht. Die Vernehmung ist abgeschlossen.

Der Zeuge Manfred Grashof bleibt gemäß § 60 Nr. 2 StPO wegen Tatbeteiligung unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen entlassen und um 15.46 Uhr abgeführt.

Vors.:

Ich habe dann noch folgendes hier bekannt zu geben:

Wollen Sie eine Erklärung nach [§ ]257[ StPO]? Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ja?

RA Dr. He[ldmann]:

Ganz kurz.

Vors.:

Bittesehr.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Relevanz meiner Anregung, die ich vorhin gegeben habe, und die meines vorher versuchten Antrags hier, hat sich mit dem, was Herr Grashof als Zeuge eben gesagt hat, erneut erwiesen.

Ferner zu dieser Aussage. - Ich habe zunächst angenommen, es läge am Zeugen daß wir ihn hier nicht verstehen können, bis ich dann erkannt habe, daß während der Zeuge erlaubt gesprochen hat, das Mikrofon des Zeugen nicht eingestellt war. Erst auf meine Aufforderung hin hat der Herr Vorsitzende selbst durch einen Knopfdruck unter seinem Tisch[ddd] dieses Mikrofon eingestellt. Darin, daß [10977] während eines Teils der Aussage dieses Zeugen das Mikrofon nicht eingestellt war, liegt ein Verstoß gegen das strafprozessuale Prinzip der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung,[34] wie Sie unschwer bekannten - sagen wir jedenfalls - veröffentlichten Entscheidungen[35] nachlesen können.

Vors.:

Ich habe nun noch folgendes bekannt zu geben:

Ich hatte heute früh darauf hingeweisen, daß die Zeugen Boyer, Thorer, Rieber und von Nagy auf Donnerstag, 4.8.76 geladen werden sollten. Dadurch, daß nun der Antrag auf Vernehmung von Dr. Croissant erneut gekommen ist, hat sich eine Umterminierung ergeben. Diese genannten Zeugen sind jetzt geladen - ich bitte um Verständnis für diesen kleinen Verschiebebahnhof, aber es läßt sich eben bei der ...

RA Dr. He[ldmann]:

Was heißt, sind jetzt geladen? ... Was heißt, sind jetzt geladen?

Vors.:

Bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe Sie nicht verstanden: für[eee] wann sind diese Zeugen ...

Vors.:

Ich habe noch gar nichts weiteres ausgeführt. Ich habe nur um Verständnis gebeten, daß es jetzt schon wieder zu einer Verschiebung gekommen ist, gegenüber der heute früh angekündigten Terminierung. Es ist jetzt die Terminierung festgesetzt auf

Mittwoch, 4.8., 14.00 Uhr,

der vier Zeugen Boyer, Thorer, Rieber und von Nagy.

Dann

Dr. Croissant auf Donnerstag, 5.8. um 10.00 Uhr.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, die Erklärungen[fff] der Herren Rechtsanwälte Groenewold und Köncke, daß sie sich von ihrer Schweigepflicht nicht entbunden fühlten und sich auch auf § 55[ StPO] berufen wollten, ist nicht in der Hauptverhandlung abgegeben worden. Wir können aber davon ausgehen, daß Sie nicht erwarten, daß die Zeugen extra deswegen hierher reisen müssen, um diese Erklärung hier abzugeben.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein das nicht; aber ich denke schon, daß diese Erklärung hier verlesen werden sollte.

Vors.:

Ist voll bekanntgegeben, in jeder Hinsicht.

RA Dr. He[ldmann]:

Inhaltlich?

Vors.:

Inhaltlich; Sie waren noch nicht da bei dieser Bekanntgabe, das ist vollkommen inhaltlich erfasst. Es ist natürlich auch so, [10978] daß das als Anlage zum Protokoll[36] genommen ist. Sie können es also jederzeit selbst überprüfen. Ich habe bekanntgegeben, warum die Herren sich auf keinen Fall, auch nach Rückfrage, entpflichtet sehen würden, und habe außerdem bekanntgegeben, daß sie sich auf § 55[ StPO] berufen, und daß ich mit Rücksicht darauf darauf verzichtet hätte, daß die Zeugen extra hier anreisen müssen auf Ihren eigenen Wunsch, Ihnen das zu ersparen. Sie verzichten?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich verzichte.[ggg]

Vors.:

Dann weiterhin: Sie haben heute früh wegen der Zeugin Roll darauf hingewiesen, daß sie sich in Italien mit einem Kurs befasse. Wir sind leider wegen des Terminsplans, wie er festliegt, nicht im Stande, darauf weitere Rücksicht zu nehmen. Ich bitte also, die Zeugin bleibt vorgeladen auf den 3.8. zur angegebenen Zeit; es war wohl 9.00 Uhr. Wir fahren morgen mit der Sitzung ...

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Für den Fall nur, daß Sie eben[hhh] die Sitzung schließen wollten ...

Vors.:

Ich wollte jetzt noch darauf hinweisen, daß die Zeugin Schubert heute nicht mehr vernommen wird. Der Zeugin Schubert wird das dann telefonisch mitgeteilt, daß der Termin heute ausfällt; sie wird dann bei nächster Gelegenheit, den wir demnächst festlegen werden, als Zeugin gehört gehört wird.

Bittesehr.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich stelle Beweisantrag, und zwar

die Zeugin ... Brigitte Mohnhaupt[37] als Zeugin zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, daß die ... daß ihre Zeugenaussage in dieser Beweisaufnahme keine vorfabrizierte Angeklagtenerklärung war,

2. daß auch nicht etwa ein Wahlverteidiger auf ihre Aussage Einfluß zu nehmen versucht hat,

3. daß die von ihr hier abgegebenen Zeugenaussagen ihre eigenen Aussagen sind und

4. daß sie über den Inhalt ihrer bevorstehenden Aussage, über den Inhalt ihrer Aussage vor ihrer Befragung als Zeugin hier, mit meinem Mandanten Andreas Baader nicht gesprochen hat.

Zur Begründung: Anonyme - wie es hier heißt - Justiz- und Sicherheitsbehörden sollen nach einem Pressebericht in der „Frankfurter Rundschau“ vom Samstag, 24.7. Seite 1 einem Journalisten gegenüber erklärt haben, die Zeugin Mohnhaupt habe, statt eine Zeugenaussage hier abzugeben, in Wahrheit eine Angeklag- [10979] tenerklärung verlesen. Den Justiz- und Sicherheitsbehörden sei unklar, auf welchem Weg die Zeugin Mohnhaupt in den Besitz dieser Erklärung gelangen konnte. Sie habe zwar seit einiger Zeit die Möglichkeit, mit der Angeklagten Gudrun Ensslin zu sprechen, aber auch die Übergabe der als Zeugenaussage verlesenen Angeklagtenerklärung durch einen Wahlverteidiger wollten Justizbeamte am Freitag nicht ausschließen.

Die angebliche Quelle in diesem Artikel, anonyme Justiz- und Sicherheitsbehörden, müßte, gäbe es sie wirklich, wäre es also nicht eine pure Erfindung eines etwas sensationshungrig gewordenen Journalisten, wüßte natürlich, daß die drei Angeklagten in diesem Verfahren zusammen mit Brigitte Mohnhaupt und Frau Schubert[38] täglichen Zusammenschluß, Umschluß haben. Dann aber müßte ... wäre es eine Erklärung, eine Verlautbarung von Justiz- und Sicherheitsbehörden, diese gezielt falsch seien. Das ist von Relevanz insbesondere deswegen, weil in dem hier zitierten einen Satz die Verdächtigung ausgesprochen wird, ein Wahlverteidiger habe eine vorfabrizierte Angeklagtenerklärung an Frau Mohnhaupt vermittelt und diese habe ... Frau Mohnhaupt habe jene Erklärung hier als ihre eigene Zeugenaussage aufgetischt, oder wie es hier noch merkwürdiger heißt, „verlesen“. Die[iii] Aussage der Frau Mohnhaupt, die ich hier beantrage, wird Klarheit über diesen Sachverhalt schaffen. Sie wird wesentlich sein für die Würdigung ihrer Aussage, und sie wird nicht zuletzt auch sozusagen als „Abfallprodukt“ zu der Erkenntnis führen, wer hat hier die Unwahrheit in die Welt gesetzt, wie es hier heißt, Justiz- und Sicherheitsbehörden, wie hieraus zu schließen ist, oder ein Journalist.

Vors.:

Gut. Damit sind wir am Ende des heutigen Sitzungstages. Morgen sind vorgesehen die Zeugen Schiller, Pohl und der Zeuge Lemke wobei die Möglichkeit besteht, daß die ... nein, die Zeugen werden rechtzeitig anwesend sein, so daß wir morgen um 9.00 Uhr mit der Sitzung beginnen können. Fortsetzung morgen früh, 9.00 Uhr.

Ende der Sitzung um 15.56 Uhr

Ende von Band 636.


[1] Mitteilung der StA Stuttgart an den GBA vom 11.1.1978: Übersendung von Akten mit der Bitte um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung.

[2] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[3] Nach § 178 GVG kann bei ungebührlichem Verhalten ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt werden.

[4] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[5] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Hierüber sind sie zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO).

[6] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[7] Zeug/innen sind grundsätzlich zur Aussage vor Gericht verpflichtet (seit 2009 explizit in § 48 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelt; zuvor war dies bereits als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht angesehen, s. BVerfG, Beschl. v. 10.10.1978 - 2 BvL 3/78, BVerfGE 49, S. 280, 284). Nach § 70 Abs. 1 StPO können Zeug/innen, die sich ohne gesetzlichen Grund weigern auszusagen, die hierdurch verursachten Kosten auferlegt werden, außerdem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, gegen sie festgesetzt. Nach § 70 Abs. 2 StPO kann zur Erzwingung des Zeugnisses auch die Haft von bis zu 6 Monaten angeordnet werden.

[8] Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Der Vorsitzende Dr. Prinzing wies den ersten Unterbrechungsantrag noch zurück mit dem Hinweis, die Angeklagten machten „nicht den Eindruck, als wären Sie nicht imstande, mit wachen Sinnen diesem Antrag [zu] folgen so wie die übrigen Prozeßbeteiligten auch“ (S. 324 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag). Nach Anhörung des Anstaltsarztes Dr. Henck (von dem sich die Angeklagten allerdings nicht körperlich untersuchen ließen) verkündete der Senat am 6. Verhandlungstag den Beschluss, dass das Verfahren nicht wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt werde; auch das Einholen weiterer Gutachten wurde abgelehnt. Die angenommene Verhandlungsfähigkeit wurde u.a. wie folgt begründet: „Er (Anm. d. Verf.: der Senat) hat an mehreren Verhandlungstagen Gelegenheit gehabt, die Angeklagten in ihren Reaktionen, Äußerungen und in ihrem übrigen Verhalten zu beobachten. Das hierbei gewonnene Bild unterscheidet sich nicht von dem Eindruck, den die Mitglieder des Senats in zahlreichen anderen Verfahren von Angeklagten gewonnen haben, deren Verhandlungsfähigkeit außer Frage stand“ (S. 589 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 6. Verhandlungstag). Nach weiteren Auseinandersetzungen beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe, woraufhin der Vorsitzende Dr. Prinzing am 40. Verhandlungstag den Senatsbeschluss verkündete, dass die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft selbst herbeigeführten Verhandlungsfähigkeit gem. § 231a StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. bereits Fn. 2).

[9] Am 129. Verhandlungstag hatte der Rechtsanwalt Temming kurzfristig einen Arbeitsvertrag mit Herrn Wackernagel (Vergütung: 50 Pfennig pro Stunde) geschlossen, da der Vorsitzende seine Zulassung zur Hauptverhandlung als Gehilfen zuvor mit dem Argument abgelehnt hatte, er sei bei keinem der anwesenden Verteidiger oder in einem ihrer Büros angestellt (S. 10688 ff., 10698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 129. Verhandlungstag).

[10] Die Vertreter der Bundesanwaltschaft, das Gericht sowie die Verteidiger, die den Angeklagten gegen ihren Willen beigeordnet worden waren, widersprachen einer Aufzeichnung durch das Tonbandgerät der Verteidigung (S. 10698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 129. Verhandlungstag).

[11] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[12] Irmgard Möller schloss sich im Sommer 1971 der RAF an. Zuvor lebte sie in der Münchner Kommune Wacker Einstein, hatte 1969 als Teil der „Rechtshilfe der APO“ zum „Knastcamp“ aufgerufen und war Mitglied der Tupamaros München. Am 8. Juli 1972 wurde sie verhaftet, am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen sie und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren verurteilt. 1976 erfolgte ihre Verlegung zu den Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe nach Stammheim. Dort überlebte sie als Einzige die sogenannte Todesnacht von Stammheim (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 68; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 111 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99, 100 f.).

[13] Wegen Verletzung von Privatgeheimnissen macht sich nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm/ihr als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Die Schweigepflicht wird ergänzt durch ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO. Eine Entbindung von der Schweigepflicht führt nach § 53 Abs. 2 StPO zu einer Aussagepflicht. Die Rechtsanwälte Dr. Croissant und Ströbele hatten sich bereits dazu entschieden, trotz der fehlenden Entbindung durch ihren (früheren) Mandanten Müller in begrenztem Umfang auszusagen, da er sie in seiner Aussage erheblich belastet hatte (s. dazu die vorbereitete Erklärung des Rechtsanwalt Ströbele, Anlage 6 zum Protokoll vom 27.7.1976, S. 10784 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 130. Verhandlungstag). Sie stützten sich dabei u.a. auf einen rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB. Danach ist ein tatbestandmäßiges Verhalten dann gerechtfertigt, wenn eine nicht anders abwendbare Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut, z.B. die Ehre, besteht und das geschützte Interesse das betroffene Interesse wesentlich überwiegt. Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht können so etwa gerechtfertigt sein, wenn die Offenbarung zur Verteidigung gegen unwahre Behauptungen erforderlich ist (Cierniak/Nierhaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 89; s. auch Schünemann, in Jähnke/Laufhütte/Odersky [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6, 12. Aufl. 2010, § 203 Rn. 134, der für die Offenbarung von Geheimnissen des/der Angreifer/in selbst § 32 StGB [Notwehr] heranzieht). Die Offenbarung muss aber auf das zur Verteidigung erforderliche Maß beschränkt bleiben. Dies ist insbesondere der Fall in (Straf-)Verfahren gegen die zur Verschwiegenheit verpflichtete Person; aber auch zum Schutz Dritter vor strafrechtlicher Verurteilung wird § 34 StGB z.T. herangezogen (vgl. Cierniak/Nierhaus, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 90).

[14] Werden Fragen der Verteidigung oder der Bundesanwaltschaft als unzulässig beanstandet, kann der/die Vorsitzende sie entweder selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO).

[15] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde, sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; dem Angeklagten Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322; s. zu den Tatvorwürfen und späteren Verurteilungen auch DER SPIEGEL, Ausgabe 24/77 vom 6.6.1977, S. 104).

[16] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[17] Rechtsanwalt Dr. Croissant ging am 129. Verhandlungstag zunächst davon aus, im Rahmen des von der Verteidigung gestellten Beweisantrags auch konkludent von der Schweigepflicht entbunden worden zu sein (s. S. 10681 des Protokolls der Hauptverhandlung, 129. Verhandlungstag). Nachdem der Antrag der Verteidigung, die Zeugenbefragung bis zur Vorlage bestimmter Protokolle auszusetzen, abgelehnt worden war, erbat Dr. Croissant die Einholung einer ausdrücklichen Erklärung des Angeklagten Raspe, für den in der Hauptverhandlung kein Vertrauensverteidiger anwesend war. Dieser erklärte schließlich, ihn aufgrund der nicht vorliegenden Protokolle nicht von der Schweigepflicht zu entbinden (S. 10690 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 129. Verhandlungstag).

[18] Darin teilte der Angeklagte Raspe mit: „nachdem ich am 22.7. nachmittags die protokolle der müller-aussage erhalten habe, teile ich mit, dass ich ra croissant von der schweigepflicht entbinde“ (Anlage 4 zum Protokoll vom 27.7.1976, S. 10777 des Protokolls der Hauptverhandlung, 130. Verhandlungstag.

[19] Anlage 1 zum Protokoll vom 28. Juli 1976: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Prinzing an Rechtsanwalt Künzel bzgl. des von ihm gestellten Beweisantrags.

[20] 1974 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Recht auf ein faires Verfahren verlange, Zeug/innen grundsätzlich das Recht zuzugestehen, einen Rechtsbeistand des Vertrauens zur Vernehmung hinzuzuziehen, wenn sie es für die Wahrnehmung ihrer prozessualen Befugnisse erforderlich hielten. Insbesondere die Lage derjenigen Zeug/innen, die sich durch ihre Aussage der eigenen Strafverfolgung aussetzen könnten, sei mit der Lage von Beschuldigten in einem Strafverfahren vergleichbar (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 - Az.: 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, S. 105, 112 ff.). Inzwischen ist dieses Recht gesetzlich in § 68b StPO verankert.

[21] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft, wodurch die bis dahin zulässige kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenslage - auch „Blockverteidigung“ genannt - abgeschafft wurde. Zulässig ist seither nur noch eine abgestimmte Verteidigung, bei der zwar eine gemeinsame Verteidigungsstrategie entwickelt werden kann, jede/r Verteidiger/in aber nur eine/n Angeklagte/n vertreten darf (s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. vom 20.8.2002 - Az. 1 Ws 318/02, NJW 2002, S. 3267 ff.).

[22] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüberhinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[23] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[24] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[25] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[26] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[27] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[28] Dienstliche Äußerung des Richters Dr. Breucker.

[29] Stellungnahme des Rechtsanwalts Dr. Heldmann zur dienstlichen Äußerung des Richters Dr. Breucker.

[30] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, war neben Gerhard Müller einer der Hauptbelastungszeugen in diesem Verfahren. Er wurde ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag als Zeuge vernommen.

[31] Anlage 2 zum Protokoll vom 28. Juli 1976: Beschluss des 2. Strafsenats (Zurückweisung der Ablehnung des Richters Dr. Breucker als unbegründet).

[32] Anlage 3 zum Protokoll vom 28. Juli 1976: Leseabschrift des Beschlusses des 2. Strafsenats.

[33] Das BVerfG führte in der Entscheidung (Fn. 20) aus: „Das Recht auf ein faires Verfahren, das den Zeugen davor bewahrt, von anderen Verfahrensbeteiligten als bloßes Objekt eines rechtsstaatlich geordneten Verfahrens behandelt zu werden, gewährleistet jedoch dem Zeugen [...] nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf Rechtsbeistand [...]. Er muß daher von vornherein in Begleitung eines Rechtsbeistandes erscheinen, falls er das in Anbetracht des ihm im allgemeinen rechtzeitig bekannten Beweisgegenstandes für erforderlich hält“ (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 - Az.: 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, S. 105, 115 f.).

[34] § 169 Satz 1 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz, dass die Verhandlungen öffentlich sind. Dieser Grundsatz ist auch Bestandteil des Rechtsstaats- sowie des Demokratieprinzips, womit ihm Verfassungsrang zukommt. Die Öffentlichkeit soll zum einen dem Schutz der Angeklagten dienen, indem sie durch öffentliche Kontrolle der Verfahren einer Geheimjustiz entgegenwirkt. Zum anderen trägt sie dem Interesse der Bürger/innen Rechnung, von dem gerichtlichen Geschehen Kenntnis zu erlangen. Die Öffentlichkeit wird nicht unbegrenzt gewährleistet. Ihr gegenüber stehen andere gewichtige Interessen, die miteinander abgewogen werden müssen, insbesondere die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten, das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren, sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (BVerfG, Urt. v. 24.1.2001 - Az.: 1 BvR 2623/95, BVerfGE 103, S. 44, 63 f.).

[35] Es ist unklar, auf welche Entscheidungen sich Rechtsanwalt Dr. Heldmann bezieht. Es erscheint aber zweifelhaft, ob die Rechtsprechung den Umstand, dass das Mikrofon eines Zeugen kurzzeitig ausgeschaltet gewesen ist, als Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz einordnen würde. Der Grundsatz der Öffentlichkeit gewährleistet die Möglichkeit der Teilnahme als Zuhörer/in, nicht jedoch, dass alle Vorgänge im Sitzungssaal erkennbar sind (s. etwa BGH, Urt. v. 26.7.1990 - Az.: 4 StR 391/90, auszugsweise veröffentlicht in NStZ 1991, 120, 122; darin wird der Grundsatz der Öffentlichkeit in erster Linie auf den freien Zugang zum Verhandlungsort bezogen, während der Umstand, dass Zuhörer/innen bestimmte Urkunden oder Augenscheinsgegenstände nicht erkennen können, nicht zur Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes führt; s. auch Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 15; s. auch Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 3).

[36] Anlage 01 zum Protokoll vom 27.7.1976, S. 10769 f. des Protokolls der Hauptverhandlung (130. Verhandlungstag).

[37] Brigitte Mohnhaupt wurde am 129. Verhandlungstag als Zeugin vernommen. Mit Urteil vom 30.8.1974 wurde sie vom Landgericht Berlin wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach dem Tod Ulrike Meinhofs wurde sie nach Stammheim verlegt, wo sie den Rest ihrer Haftstrafe mit den Stuttgarter Gefangenen verbrachte. Diese Nähe zu den führenden Mitgliedern ließ sie nach ihrer Entlassung im Februar 1977 selbst zu einer Führungsperson der zweiten RAF-Generation aufsteigen. Als solche war sie auch für die Gewalttaten während des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 mitverantwortlich. Bis zu ihrer erneuten Festnahme 1982 war sie an weiteren Aktionen der Gruppe beteiligt. Sie blieb bis zum Jahr 2007 in Haft (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 92 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt[Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99 f.; 105, 111 f., 118 f.; Wunschik, Baader-Meinhofs Kinder, 1997, S. 196 f., 248 ff., S. 367 ff.).

[38] Die Ärztin Ingrid Schubert war Mitglied der RAF und u.a. am 14. Mai 1970 an der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft beteiligt. Sie wurde zusammen mit Irene Goergens, Horst Mahler, Brigitte Asdonk und Monika Berberich im Oktober 1970 in einer Berliner Wohnung verhaftet. Das Verfahren gegen Schubert, Goergens und Mahler vor dem Landgericht Berlin war einer der ersten Prozesse gegen Mitglieder der RAF. Schubert wurde im Mai 1972 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Jahren, später mit Urteil vom 28.6.1974 unter Einbeziehung dieser Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 13 Jahren verurteilt. Sie nahm sich am 12. November 1977 in ihrer Gefängniszelle das Leben (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 157; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 71 ff., 328; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 38, 93; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47).


[a] Maschinell eingefügt: (als Vertreter von RA Schily)

[b] Maschinell eingefügt: Haftbedingungen

[c] Maschinell eingefügt: StPO

[d] Handschriftlich eingefügt: zu

[e] Handschriftlich ersetzt: maßen durch Malen

[f] Maschinell eingefügt: Sie

[g] Maschinell eingefügt: jetzt

[h] Maschinell ersetzt: jetzt durch heute

[i] Handschriftlich durchgestrichen: bei

[j] Handschriftlich durchgestrichen: ein

[k] Maschinell eingefügt das untunlich ist.

[l] Maschinell eingefügt: und

[m] Handschriftlich eingefügt: - - -

[n] Maschinell eingefügt: Vors.: Sind Sie nicht bereit, auch wenn ich Sie heute frage, ihre Personalien anzugeben?

[o] Maschinell eingefügt: - und

[p] Handschriftlich durchgestrichen: und

[q] Handschriftlich ersetzt: der durch dem

[r] Maschinell eingefügt: die Angaben durch denn einmal

[s] Maschinell eingefügt: die Angaben,

[t] Maschinell eingefügt: ich

[u] Maschinell ersetzt: die durch ehe

[v] Maschinell eingefügt: etwa, die Anordnung

[w] Maschinell eingefügt: doch

[x] Maschinell eingefügt: RA Laubscher aus dem Zuschauerraum: Ja.

[y] Maschinell eingefügt: (aus dem Zuschauerraum)

[z] Handschriftlich durchgestrichen: auffällige

[aa] Maschinell ersetzt: ... durch bitten

[bb] Maschinell eingefügt: einer Zeugin.

[cc] Maschinell eingefügt: - Herr Wackernagel erscheint um 10.26 Uhr mit einem Kassettenrekorder im Sitzungssaal -

[dd] Handschriftlich eingefügt: das

[ee] Maschinell ersetzt: Verzeihung... durch Darf ich kurz...

[ff] Maschinell eingefügt: Der Zeuge wird bekunden -

[gg] Maschinell eingefügt: hatte

[hh] Maschinell ersetzt: und durch sondern

[ii] Handschriftlich eingefügt: die

[jj] Maschinell ersetzt: und durch denn

[kk] Maschinell eingefügt: ein

[ll] Handschriftlich durchgestrichen: daß

[mm] Handschriftlich ergänzt: einem

[nn] Handschriftlich durchgestrichen: beanstanden

[oo] Handschriftlich ersetzt: die durch der

[pp] Handschriftlich eingefügt: V.:

[qq] Maschinell eingefügt: worden

[rr] Handschriftlich durchgestrichen: Vernehmungen

[ss] Maschinell eingefügt: das

[tt] Maschinell eingefügt: heute

[uu] Maschinell ersetzt: ... durch fahre

[vv] Handschriftlich ergänzt: amüsierte

[ww] Maschinell durchgestrichen: er

[xx] Maschinell ersetzt: es durch er

[yy] Maschinell ersetzt: ... durch Ich erkläre natürlich nach

[zz] Maschinell ergänzt: Erklärungen

[aaa] Maschinell eingefügt: Nein

[bbb] Handschriftlich eingefügt: die

[ccc] Handschriftlich durchgestrichen: könnten

[ddd] Maschinell eingefügt: unter seinem Tisch

[eee] Maschinell eingefügt: für

[fff] Handschriftlich ergänzt: Erklärungen

[ggg] Maschinell eingefügt: RA Dr. He.: Ich verzichte.

[hhh] Maschinell eingefügt: eben

[iii] Handschriftlich durchgestrichen: Diese