[11291] Fortsetzung; der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 25. August 1976 um 10.04 Uhr
(139. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Protokollführer sind anwesend:
Just. Ass. Clemens
Just. Ass. z. A. Scholze.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind anwesend:
Rechtsanwälte Geulen (als Vertreter f. RA Schily), Grigat, Herzberg (als ministeriell bestallter Vertreter f. RA Schlaegel), Künzel, Schnabel.
Als Zeuge ist anwesend:
Manfred Grashof, vorgeführt aus Untersuchungshaft,
- mit seinem Rechtsbeistand Rechtsanwalt Nerwerla -
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort.
Die Verteidigung ist gewährleistet.
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat sich für die ersten 20 Minuten entschuldigt.
Herr Rechtsanwalt Eggler ist entschuldigt; ebenso Herr Rechtsanwalt Schwarz.
Ich habe gestern vergessen darauf hinzuweisen, daß die Zeugin Hose - die Zeugin, Herr Rechtsanwalt Künzel, die Sie benannt haben - sich nochmals schriftlich hier gemeldet hat, sie hat noch einige Zusätze zu ihrer Aussage in schriftlicher Form gemacht. Das Gericht beabsichtigt daran keine Folgerungen zu knüpfen; das Schreiben ist in der Geschäftsstelle vorhanden und kann jederzeit eingesehen werden. [11292] Die Zeuginnen Eckes und Stachowiak haben, nachdem wir Beugehaft verhängt hatten ja in der ersten Sitzung, kurzfristig danach mitgeteilt, sie seien zu Aussagen bereit. Die Vernehmung in Hamburg, die durchgeführt worden ist, hat zum selben Ergebnis geführt. Die Zeuginnen haben dort erklärt, sie seien bereit hier Angaben zu machen. Es ist nun Termin bestimmt zur Vernehmung dieser Zeuginnen auf Dienstag, 31.8., 9.00 Uhr. Die Unterlagen sind ebenfalls in der Geschäftsstelle jederzeit einsehbar, bei dem speziell für diese Zeugen und Beweisanträge angelegten Ordner.
Wir haben heute früh die ... d.h. heute uns zu befassen mit den Zeugen Grashof und Jünschke.
Herr Grashof, zunächst darf ich Ihre Anwesenheit feststellen. Herr Rechtsanwalt ...
RA New[erla]:
Ich bin Rechtsanwalt Newerla.[a]
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Newerla, Sie sind als Beistand[2] für den Zeugen Grashof anwesend.
Bitte, Herr Rechtsanwalt.
RA Geu[len]:
Herr Heldmann hat mich davon informiert und mich gebeten folgendes mitzuteilen, nämlich, daß die Vernehmung des Zeugen um diese, jetzt wohl höchsten noch gut 10 Minuten, zurückgestellt wird, und zwar deswegen, weil er selbst den Zeugen befragen möchte. Der Herr Heldmann ist in einer dringenden unaufschiebbaren Sache aufgehalten worden. Ich gebe zu, daß das eine Sache ist, das die Verhandlung 10 Minuten rausschiebt, aber ich meine, daß das angesichts der Bedeutung dieser Vernehmung durchaus möglich sein müsste. Es wäre vielleicht bis 20 nach oder 25 nach 9.00 Uhr.
Ich möchte da den Antrag stellen,
die Vernehmung des Zeugen bis dahin aufzuschieben.
Vors.:
Will sich jemand dazu äußern?
Sehe ich nicht.
Zeuge Gra[shof]:
Ich sage das nur, daß ich ... daß das sowieso nur sinnvoll ist, weil ich nur auf Fragen der Verteidigung antworten werde.
Vors.:
Herr Grashof, das können wir jedenfalls gleich ausnützen, die Zeit, daß ich die Belehrung erteile und sonstige Formalitäten, dann werden wir über den Antrag uns Gedanken machen.
Der Zeuge wird gemäß § 57 StPO[3] belehrt.
[11293] Der Zeuge Grashof ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[4]
Vors.:
Dann der Hinweis, Herr Grashof, die Vernehmung von Ihnen läuft jetzt zum dritten Male an. Wir haben zunächstmal hier die Vernehmung versucht,[5] dann haben wir sie versucht im kommissarischen Wege.[6] Das ist jetzt der dritte Versuch, und zwar aufgrund dessen, daß wir bei Ihnen voranfragen ließen, ob Sie bereit sind prozeßordnungsgemäß, ohne irgendwelche Vorbedingungen, Ihre Aussagen zu machen. Ich muß Sie darauf hinweisen, daß das Gericht nur prozeßordnungsgemäße Aussagen entgegennimmt. Weigerungen dieser Art, wie Sie sie eben angekündigt haben - vielleicht überlegen Sie sich es, wir werden dann doch die Pause machen bis Herr Dr. Heldmann kommt, allerdings nicht länger als die 10 Minuten, die verlangt sind - überlegen Sie sich das. Weigerungen einer prozeßordnungsgemäßen Aussage würden eben dazu führen müssen, daß wir auch diesen dritten Vernehmungsversuch als gescheitert betrachten müßten.
Ich muß Sie darauf hinweisen, das Gesetz schreibt vor, die Vernehmungen werden durch das Gericht durchgeführt und anschließend stellen dann die Prozeßbeteiligten die Fragen, die sie für erforderlich halten;[7] das wird auch in Ihrem Falle so geschehen, wobei, wie Sie ja wissen, es lediglich insofern zu[b] Fragen des Gerichts kommt voraussichtlich, als Ihnen das Beweisthema der Verteidigung nochmals benannt wird.
Der Zeuge Grashof wird gem. § 55 StPO[8] belehrt.
Dann machen wir ...
Zeuge Gra[shof]:
Da möchte ich auch mal was richtigstellen, von wegen der dritte Versuch, der dritte ... zwei gescheiterte Versuche. Der Punkt ist, daß Sie zweimal versucht haben und jetzt zum dritten Male ankündigen, meine Vernehmung hier zu verhindern; daß Sie beim ersten Mal uns gelinkt haben mit der kurzfristigen Ladung und Sie haben die Gründe hier genannt, Sie haben uns hierher schaffen lassen, ohne daß wir die Gelegenheit hatten, mit unseren eigenen Anwälten Rücksprache zu nehmen. Dann, heute ist es übrigens wieder so, daß wir hier binnen 5 Tagen geladen werden, so übers Wochenende die Ladungen per Fernschreiben zugestellt kriegen, unsere Anwälte davon [11294] natürlich nicht informiert werden. Und zum zweiten Versuch, war das der eindeutige Versuch uns hier abzuservieren, daß Sie die kommissarische Vernehmung ...
Vors.:
Herr Grashof ...
Zeuge Gras[hof]:
... angeordnet[c] haben.
Vors.:
... wir wollen uns jetzt über das nicht unterhalten.
Wir machen jetzt die Pause.
Zeuge Gra[shof]:
Ja momentmal, Sie haben doch hier ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Newerla, ich möchte Sie bitten, den Herrn Zeugen darauf hinzuweisen ...
Zeuge Gra[shof]:
... Sie haben hier 5 Minuten Ihren Sermon runtergerasselt.
Vors.:
... es ist der dritte Vernehmungsversuch, er muß prozeßordnungsgemäß abgewickelt werden, das war die Voraussetzung der ...
Zeuge Gra[shof]:
Sie haben die kommissarische Vernehmung in der JVA Zweibrücken angeordnet ...
Vors.:
... erneuten Ladung.
Wir treffen uns um 10.20 Uhr zur Fortsetzung.
Zeuge Gra[shof]:
... ohne daß es dafür einen realen Grund gab.
Pause von 10.11 Uhr bis 10.24 Uhr
Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.24 Uhr
Vors.:
Wir fahren mit der Sitzung fort.
Die Zeit, die der Senat bereit war, zu warten, ist inzwischen um 5 Minuten überzogen.
Die Personalien des Zeugen werden wie folgt festgestellt:
Manfred Grashof, geb. [Tag].[Monat].1946,
berufslos, z. Zt. Justizvollzugsanstalt Zweibrücken,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Ich benenne Ihnen jetzt das Thema, das die Verteidigung für Ihre Ladung benannt hat.
Sie sollen Angaben machen können, darüber, daß es in der Roten [11295] Armee Fraktion keine hierarchische Struktur oder ein sonstiges Verhältnis der Über- und Unterordnung, auch nicht in tatsächlicher Hinsicht gegeben habe. Und außerdem, daß die Rote Armee Fraktion nicht als offene Gruppe, sondern in kleinen, zahlenmäßig eng begrenzten Gruppen organisiert gewesen sei, wobei sich[d] der Informationsaustausch auf die jeweilige Gruppe und deren Mitglieder beschränkt habe.
Bitte, Sie können sich dazu jetzt im Zusammenhang äußern; Struktur und Informationsaustausch sind die Stichworte.
Zeuge Gra[shof]:
Es ist kein Verteidiger da, also nur[e] ein[f] Vertreter von Schily[g] oder wie ist das? Ich frag mal den Vertreter von Schily, ob er vorbereitet ist, mir Fragen zu stellen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Geulen, ich weiß, Sie können, wenn Sie wollen die Antwort geben; es ist natürlich keine zulässige Art des Zeugen, er hat schon wieder Bedingungen gestellt.
Zeuge Gra[shof]:
Naja ...
Vors.:
Herr Grashof, ich habe Sie auf die Konsequenzen hingewiesen und ...
Zeuge Gra[shof]:
Ach hören Sie doch mal auf, gleich zu drohen ...
Vors.:
... die Herren Rechtsanwälte ... Es ist keine Drohung.
Zeuge Gra[shof]:
Ich meine, was soll denn das. Ich werde auf Ihre Fragen ... ich werde auf ...
Vors.:
Es soll das, daß der Senat jetzt mit dem dritten Versuch ...
Zeuge Gra[shof]:
... Ihre Fragen nicht antworten und ...
Vors.:
... alles unternommen hat was ihm im Rahmen der ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ist ja gut.
Vors.:
... Aufklärungspflicht[h] zugemutet werden kann.
Zeuge Gra[shof]:
Ist ja gut.
Vors.:
Sie haben das Thema, bitte beginnen Sie jetzt mit den Ausführungen.
Zeuge Gra[shof]:
Na schön, also ich werde einfach von mir aus dazu was sagen. Und zwar vorweg will ich noch einschicken, daß ich nochmal klarstellen möchte, daß hier beim letzten Mal hier, als wir ... was Sie hier vorhin als eine der Bedingungen genannt haben, als wir hier letztes Mal verlangt haben, drei Stunden mit den Gefangenen hier in Stammheim zusammenzukommen vorher, daß wir das natürlich nicht als Junktim[i] formuliert hatten, also was heißt hier Bedingungen. Wir hatten das einfach verlangt und zwar deswegen, nicht um uns dort etwa abzusprechen oder so, über Inhalte unserer[j] Aussagen, sondern aus dem Grund, weil wir ursprünglich, also Jünschke und ich, vorhatten, Müller[9] in Kaiserslautern[10] [11296] uns selbst vorzunehmen, weil Müller ja auch uns belastet und der Prozeß in Kaiserslautern läuft und er mit Sicherheit bald geladen wird, das hatte lediglich die Funktion hier. Wir wollten mit den Gefangenen reden über ... ob es Sinn hat, was es für eine Funktion haben kann hier reinzugehen; das dazu.
Und zwar fang ich mal an mit einen der Geschichten von Müller, die er gebracht hat bezüglich Befehl, Struktur, den Entscheidungsprozessen in der Roten Armee Fraktion. Er hat dort das Beispiel genannt, nach der Ermordung Petra Schelms[11] im Juli 71 hätte ich draufgehabt Hubschrauber zu sprengen, während Andreas Baader mich überredet hat, also kurz, mir es verboten haben soll und stattdessen die ... eine Aktion als Rache auf die Ermordung von Petra entwickelt gehabt haben soll, eine Wohnung anzumieten, zu verminen und als Bombenfalle für die Bullen aufzubauen. An diesem Beispiel will ich das mal entwickeln, wie es tatsächlich war.
Wir waren natürlich damals, wir hatten natürlich damals, es gab ein sehr starkes Bedürfnis damals in allen Gruppen, nach der Ermordung von Petra, zu handeln, Aktionen zu machen und hatten da auch verschiedene Vorstellungen entwickelt, weil es klar war, daß damals im Juli 71, also nach 1 ½ Jahren permanenten Niederlagen der Bullen, diese Großaktion im norddeutschen Raum - damals Deckname: Cora - 20 000 Bullen haben Norddeutschland abgeriegelt und gezielt Jagd gemacht. Daß das natürlich von höchsten Stellen befohlen worden war, organisiert war, und das sage ich gleich, wir wissen, daß es damals einen Schießbefehl gab für die Bullen, aber dazu will ich auch mal was sagen, später.
Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 10.30 Uhr im Sitzungssaal.
Es war also die Frage, ob wir darauf reagieren und wie und deswegen ist dieses Beispiel auch ein Beispiel gleichzeitig dafür, wie in der RAF die Strategiediskussion lief. Dazu ist einfach zu sagen, daß die Strategiediskussion ein permanenter, ein dauernder Prozeß war, der unter den Einzelnen lief, eigentlich dauernd und auch unter den Gruppen und daß er sich natürlich nur entwickeln konnte an konkreten Aktionen und in der Praxis. Das heißt, die Strategie wurde entwickelt aus der Taktik, also aus den taktischen und strategischen Zielen. Deswegen war das sehr entscheidend und ist es immer entscheidend, so haben wir das bestimmt von Anfang an, welche Aktionen unternommen [11297] werden. Und selbstverständlich ist die Initiative, die Selbstständigkeit der Einzelnen ist die Gruppe, d. h. jeder Einzelne kann selbstverständlich und hat auch Initiative entwickelt, hat Aktionen nicht nur vorgeschlagen, sondern auch organisiert und natürlich diskutiert. In diesem Fall war es einfach so, daß wir eine Diskussion darüber hatten, übrigens nicht nur dieses eine Mal, und wir immer in der Diskussion[k] und da durch die Diskussion, also genau das, genau das Gegenteil von autoritären Strukturen dazu kam, daß die Aktion falsch sein würde, weil Hubschrauber sprengen hätte also geheißen, zum damaligen Zeitpunkt und in der Situation, in der Petra erschossen war, Werner Hoppe[12] verhaftet war und eine wahnsinnige Fahndungsmobilisierung lief, der Versuch die Bevölkerung reaktionär zu mobilisieren, genau damals, übrigens zu einem Zeitpunkt, wo, was wir wissen, was wir damals wußten, Meinungsumfragen, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums durchgeführt wurden, ergeben hatten, daß 27 % der Bevölkerung bereit wären Kämpfer aus der RAF zu verstecken. Diese Meinungsumfragen sind damals nicht veröffentlicht worden. Die[l] tauchen jetzt auf in[m] irgendwelchen wissenschaftlichen Diskussionen. Das heißt also, die Frage, wie wir reagieren, ob wir reagieren, die Form, die immer das Ziel enthält war also[n] eminent wichtig. Und selbstverständlich ist ein Diskussionsprozeß, so war das immer definiert, auch eine Kontrolle; es ist überhaupt kein Gegensatz zu der Selbstständigkeit und Initiative der Einzelnen. Wir haben also diese Aktion verworfen, ganz einfach, weil sie bedeutet hätte, Angriff auf Polizeistationen, auf[o] Polizeieinrichtungen und das bereits damals, und so war die Diskussion, so war der Konsens, im Widerspruch stehen würde, sich entwickeln würde unweigerlich zur Hauptlinie, nämlich bewaffneter Kampf hier in der Bundesrepublik und in West-Berlin, in der Metropole gegen den Hauptfeind, d. h. Imperialismus, d. h. die US-Militärpräsenz[p] in der Bundesrepublik und West-Berlin.
Was das jetzt bedeutet hat für die Gruppe, für die Einzelnen, auch für mich, ganz bewusst jetzt zu verzichten auf solche Aktionen; das ist ja vielleicht vorstellbar, ich kann das auch einfach sagen, daß wir natürlich ... wir wären auch jederzeit damals in der Lage gewesen solche Aktionen kurzfristig zu organisieren, also es wäre beispielsweise überhaupt keine Schwierigkeit gewesen - damals - dieses größere Schwerpunktpolizeirevier dort, welches verantwortlich war für den Kontrollposten von dem Petra Schelm erschossen wurde, anzugreifen, es wäre überhaupt kein Problem gewesen. Wie das überhaupt [11298] so ist, daß die Einzelnen, die Gruppen in diesem täglichen Kampf natürlich andauernd Ziele, potentielle Ziele checken, ganz einfach, weil sie wissen müssen, wo der Feind sitzt. Das ist auch falsch, wenn Müller beispielsweise behauptet, ich hätte, oder wir hätten erst nach der Ermordung von Petra Schelm die Polizeihubschrauber gecheckt, also konkret, wo sind sie stationiert und so weiter, das ist falsch, das wußten wir schon lange. Das heißt, wenn er da redet von, ich hätte da also einen umfangreichen Plan entwickelt und mich da zum Teil mit identifiziert und naja, Andreas wäre dann gekommen und hätte da drei Sätze gesagt, und Schluß, also das ist vollkommener Dreck, weil da hätte es nicht viel Vorbereitung bedürft, wirklich nicht[q]. Es war damals so, daß in Hamburg gab es[r] zwei lumpige Polizeihubschrauber. Polizeihubschrauber übrigens deswegen, weil Petra Schelm ermordet werden konnte und Werner Hoppe geschnappt werden konnte, wesentlich durch den Einsatz der Polizeihubschrauber; und es war meines Erachtens der erste Einsatz in dieser Form. Das heißt, dazu muß man wissen, daß in Hamburg die Streifenwagen alle ihre Nummern groß auf dem Dach haben, d.h.[s] sie sind aus der Luft zu identifizieren und daß Petra Schelm damals die Polizeisperre ja nicht durchbrochen hat, sondern sie ist drum rumgefahren einfach und sie sind[t] geflüchtet. Das heißt, sie sind geflüchtet, sie haben den Wagen in einer Einfahrt abgestellt und wollten abhauen. Und sind[u] dann in den ... in dem Gelände dort, zwischen den Häusern ist es ihnen auch gelungen[v] erst unterzutauchen und sind dann aufgespürt worden und sind dann im wesentlichen durch diesen Hubschrauber eingekreist worden, der also permanent über ihnen war. Ich meine, und daran, ich meine, daran bildet sich eben auch schon ab, was sich seit dem entwickelt hat und was eben Sache ist, also Vietnam. Und zwar der Ablauf ihrer Erschießung war, das entsprach exakt den „surch and destroy“ Aktionen der Amerikaner in Vietnam,[13] deswegen auch Hubschrauber. Aber es[w] wäre überhaupt kein Problem gewesen, es gab damals nur zwei lumpige Hubschrauber, die standen auf dem Flughafen Fuhlsbüttel.
Was deutlich wird, ist natürlich hier das Interesse von Müller sich natürlich auch wichtig zu machen, also einfach bestimmte Phasen von Entwicklung von Diskussionen überzubetonen bzw., naja, indem er eben Namen nennt und halt also da so eine[x] Dramaturgie dahinlegt, jedenfalls dann Andreas als der Boß, der dann reinkommt und sagt, hier läuft nichts und dann, das ist nun entscheidend, hier stattdessen jetzt behauptet, Andreas hätte den Plan entwickelt eine [11299] Wohnung zu verminen und dazu ist einfach nur zu sagen, das ist eine totale Schweineprojektion, weil es bisher geheißen hatte, damals, ein Wohnhaus in die Luft zu sprengen unter Umständen. Also ich will da überhaupt nicht einfach mal, wenn man es mal rein nüchtern sieht, technisch, was das soll. Wenn es darum gegangen wäre damals, jetzt maximal Bullen umzulegen, Rache usw., das ist einfach, naja das ist ein Bild, das[y] sich selbst widerlegt, weil das ist nie die Sache gewesen, sondern wie es auch immer nur die Sache sowieso ist, der Guerilla, hier die Polizei, nicht zum Hauptfeind hier rauszubringen, weil Sache ist der Angriff gegen die, was ich schon gesagt habe, gegen die US-Präsenz vor allem hier in der Bundesrepublik.
Naja, gut, also das ist eine totale Schweineprojektion und nun frage ich doch, warum haben wir es dann nicht gemacht, dazu sagt er natürlich nichts. Also habe ich vielleicht Andreas davon überzeugt oder was soll das. Ich weiß nicht, vielleicht hat er sich das ja auch selbst vorgestellt. Ich sagte schon, es gab viele Ideen damals, spontan und es war eben auch der erste Tote in dieser Auseinandersetzung, was ja auch mal wichtig ist zu sagen, auf Seiten der RAF. Naja, er nimmt mich natürlich, Grashof, weil natürlich bekannt ist, und das setzt er voraus, bzw. das will er vielleicht auch noch implizit hiermit sagen, daß ich ein besonderes Verhältnis noch gehabt haben soll oder hatte mit Petra Schelm. Ich bin mit Petra Schelm zusammen in die RAF gekommen, d. h. wir haben zusammen mit den ersten 10 die RAF praktisch aufgebaut. Wir waren ... sie war mit in Jordanien,[14] ich war in Jordanien; daß er also jetzt vielleicht oder sehr wahrscheinlich meint, er könnte das besonders einleuchtend darstellen, Grashof, der Typ, dem sie seine Tante weggeknallt haben und der jetzt Rache nehmen will[z], naja. Und dann, was er vielleicht, wo dann vielleicht sogar mitschwingen soll oder was, eine gewisse ... eine gewisse, naja, der hat ja recht gehabt im Grunde oder ... warum, ist ja verständlich, ja, und dann kommt Andreas, Andreas kommt dann, Andreas das Schwein und hier und zack. Also ich sage dazu nur, die Sache ist von A bis Z erlogen. Sie ist auch in ihrer ganzen politischen Dimension beraubt, ganz eindeutig, weil sie praktisch auf eine Ebene heruntergedrängt wird, also von Technik oder ja noch nicht mal von Technik, sondern naja auf der ... von, von ... na ich weiß nicht, irgendwelchen Romanen. Also eben diese Sorte primitiver, primitiver psychologischer Kriegsführung nach dem Motto „Aktionen kommen nur in Frage, wo die [11300] meisten Toten gibt“ oder was weiß ich, also Dreck.
Ja, Herr Heldmann, ich habe hier gerade mal von selbst angefangen, einfach mal zu entwickeln anhand dieses Beispiels von Hamburg, wo Müller behauptet hat, ich hätte Hubschrauber gesprengt; kurz mal Struktur und Entscheidungsprozesse in der RAF. Ich mache das einfach jetzt[aa] mal jetzt weiter.
Vors.:
Also ich vermute, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ...
Zeuge Gra[shof]:
Momentmal, ich muß ein bißchen ...
Vors.:
... daß der Herr Zeuge Ihnen das Wort erteilen möchte zu fragen, aber das ist natürlich jetzt noch nicht der Zeitpunkt.
Herr Grashof, Sie ...
Zeuge Gra[shof]:
Stellen Sie das Ding mal an hier ...
Vors.:
Ich habe es abgestellt, weil ich im Augenblick spreche zu Ihnen. Herr Grashof, Sie haben also die Möglichkeit im Zusammenhang weiter darzustellen, was Sie zu dem Punkt Struktur sagen wollen. Sie können sich dann noch zu dem Punkte Informationsaustausch innerhalb der Gruppen äußern, dann werden die Prozeßbeteiligen Gelegenheit bekommen, Fragen zu stellen.
Ihr Mikrophon ist wieder ...
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender, genau das hat er gerade gesagt, daß er jetzt fortfahren will in seinem ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich habe auch nicht einmal Heldmann hier das Wort erteilt, sondern ich habe ihn lediglich informiert vom Inhalt der letzten 10 Minuten, wo er in Abwesenheit war.
Vors.:
Das habe ich dann mißverstanden.
Zeuge Gra[shof]:
Was Sie natürlich aus durchsichtigen Interesse nicht machen. Ich habe Ihnen auch schon mal erklärt, daß ...
Vors.:
Herr Grashof, bitte fahren Sie jetzt...
Zeuge Gra[shof]:
... mißverstehen Sie mich doch nicht ...
Vors.:
... mit Ihrer Zeugenaussage fort. Ich habe weder hier ...
Zeuge Gra[shof]:
... Ich mache hier ...
Vors.:
... durchsichtige Interessen noch sonstige Interessen ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ich beantworte nicht Ihre Fragen und es ist auch nicht ...
Vors.:
So, jetzt habe ich Ihnen zu sagen, daß Sie fortfahren können in der Darstellung der Struktur, was Sie dazu noch berichten wollen. Sie können auch außerdem zum Thema Informationsaustausch sich äußern im Zusammenhang, ohne Fragen.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ich bin an diesem Beispiel, weil sich daran eine Menge darstellen lässt. Also ich hatte gesagt, das ist das Wesentliche, [11301] daß sich die Strategie und so auch die Diskussion, die Strategiediskussion zwischen den einzelnen Kämpfern und den einzelnen Gruppen in der Praxis, d. h. entlang den[bb] Aktionen entwickelt, also auch die Strategie aus der Taktik aufsteigt und eben deswegen die Bedeutung, die besondere Bedeutung von Aktionen, deren Inhalt, ihren Zielen, ihre Möglichkeit, ihre Abwicklung, besonders zum damaligen Zeitpunkt, und zwar Juli 71. Das heißt, es hat keine oder es hat eigentlich nie Diskussionen, worüber auch immer, in der RAF gegeben, die irgendwie abstrakt gelaufen wären oder Seminarcharakter gehabt hätten, sondern immer nur an konkreten Fällen und das heißt auch gleichzeitig, das ist der Entscheidungsprozeß um den es ja hier geht, aus dem man hier die hierarchische Struktur, die Über- und Unterordnung und die Einteilung der Kämpfer in, was weiß ich, Kernmitglieder und zweite, dritte, vierte Ebene, Stadthalter hat er es, glaube ich, mal genannt, daß die natürlich ... es wird also versucht, hier mit rauszuziehen, reinzulegen, daß dieser Entscheidungsprozeß ein dauernder war. Die Struktur hängt ab von dem Ziel, d. h. bewaffneter Kampf hier hieß zum damaligen Zeitpunkt die Illegalität, ganz bewußt die Illegalität als Offensivposition für die Initiative zu Kriegen, und das setzt voraus - und setzt auch das auch wesentlich voraus -, die Notwendigkeiten in die Einsicht, also die Einsicht in die Notwendigkeit natürlich; verbindlich zu arbeiten, d. h. präzise zu arbeiten, also zunächstmal und immer wieder zu organisieren, d. h. Gruppe aufbauen, dauernd diesen[cc] Prozeß zu entwickeln von bewaffneten Bewußtsein oder auch so kann man sagen, daß das Bewußtsein, das sich[dd] bewaffnet jetzt nicht nur hier Waffen, sondern sich also radikalisiert, d. h. den schon von den Einzelnen vollzogenen Bruch weiterzuentwickeln zu einer ... Also den Bruch, den Bruch mit sämtlichen gesellschaftlichen Strukturen weiter zu entwickeln zu einer ... also zu einer Position.
Na, das Stichwort ist und so haben wir das definiert, schon relativ früh, die „Kaderlinie“, d. h. und damit ist auch eigentlich, mit diesem Begriff ist eigentlich das wesentliche gesagt, über die Struktur oder es ist ... mit diesem Begriff kommt es präzise zu Ausdruck. „Kaderlinie“ das hieß und heißt die Einzelnen, also eine Bedingung zu schaffen, zu organisieren in der RAF, durch die RAF, durch den Kampf, daß der einzelne Kämpfer möglichst schnell, und zwar möglichst schnell in die Lage kommt, dahinkommt den Prozeß selbstständig weiter voranzutreiben; das heißt Kaderlinie, der Einzelne ist die Gruppe. Der Einzelne ist in der Lage, der Einzelne hat die Fähigkeit [11302] eine neue Gruppe zu bilden, hat die Fähigkeit eigene Entscheidungen zu treffen, sie durchzusetzen, sie natürlich auch zu begründen, d. h. Kader, ganz einfach. Und eben nicht ... das ist das Gegenteil von einer Gang oder von einer Bande oder von Hierarchisierung[ee] oder von autoritärem Befehlsstil[ff].
Zum Befehl ist zu sagen in dem Zusammenhang, das kann möglicherweise auch so sein, daß Müller also dann das so gemacht hat, also Andreas hätte mir also dann den Befehl gegeben, das sein zu lassen. Befehle hat es nicht gegeben; mit der Einschränkung, also es hat keine Befehlsstruktur gegeben, wollen wir mal so sagen. Befehlsstruktur, darunter verstehe ich ein ausgeklügeltes System von institutionalisierten Normen von Kanälen, über die Befehle durchgesetzt werden; falls Befehlsstruktur muß ja auch notwendig dann[gg] immer auch voraussetzen, Vorhandensein eines Sanktionsinstruments, dann bei Befehlsverweigerung oder wie es da dann beim Schießbefehl heißt, schießen. Ich meine, es sind eine Menge Leute auch verhaftet worden, die nicht geschossen haben, also was passiert mit denen, werden die erschossen oder wie. Also es setzt eben voraus, eine Befehlsstruktur und eben Typen, die das dann auch durchsetzen, also möglicherweise dann auch eine, ja, vielleicht so was wie Politkommissare oder so, also diese ganzen Klischees oder diese ganzen institutionellen, institutionalisierten Geschichten. Dazu ist nur zu sagen, die RAF ist eine antiinstitutionelle Gruppe, also nicht verwechselt werden darf mit anarchistisch, das ist ... aber darauf will ich nicht ... das will ich hier an diesem Punkt nicht mehr entwickeln.
Ende Band 658
[11303] Zeuge Gra[shof]:
Es gab Befehle, die waren notwendig in ganz bestimmten Situationen. Und zwar innerhalb von Aktionen, wenn es also darum ging, bestimmte Elemente einer Aktion zu gewährleisten, d. h. Befehle waren, wenn überhaupt, immer nur funktional. Funktional in dem Ziel, was erreicht werden sollte in der Aktion. Und das ist überhaupt kein Gegensatz zur Freiwilligkeit, zur Selbständigkeit, weil das ist allerdings ein Begriff von Disziplin, den wir haben, den wir entwickelt haben, und das haben wir allerdings entwickelt und rausgekriegt. Ein Begriff von Disziplin, der ... naja, den praktisch nur der im Grunde versteht, der irgend ... in der Guerilla kämpft[hh] und ein Begriff von Disziplin, also absoluter Disziplin sogar, der zusammenhängt mit der absoluten Freiwilligkeit. Also das ist überhaupt kein Widerspruch, sondern das sagt nur was aus über die ... über den Ernst und über die Einsicht in die Notwendigkeit, bewaffnet zu kämpfen, und über [ii] Verantwortlichkeit und Verantwortung. Kaderlinie heißt also, daß es immer auch das Ziel ist und war in der RAF, die einzelnen Typen zu befähigen[jj], selbständig zu handeln, selbständig handeln zu können.
Ich kann das vielleicht noch genauer entwickeln, weil das ja alles zusammenhängt, letzten Endes. Ein wesentlicher Punkt ist ja das Prinzip der Freiwilligkeit, also wir sagen dazu, der tief empfundenen Freiwilligkeit. Da ist zunächst mal der Entschluß, antiimperialistischen bewaffneten[kk], Kampf zu machen; und der kommt natürlich, der hat seine Geschichte, so ein[ll] Entschluß[mm]; und das ist auch ... das ist auch die Wahrheit einfach, daß alle Typen in der RAF, ganz egal wo sie herkommen, ob also Studenten oder Lehrlinge, Arbeiter, also daß die vorher legale Praxis gemacht haben, legale politische Praxis in legalen Bereichen, mit legalen Mitteln, politische Praxis gemacht haben und dort ihre Erfahrungen[nn] gemacht haben, und von daher zur RAF kamen. Und da ist eben wesentlich einfach Ende der sechziger Jahre: Vietnam.[15] Also Vietnam war der entscheidende Katalysator und so der US-Imperialismus und[oo] seine Präsenz hier in Westdeutschland seit 45 in Westberlin[16] und die ... naja die Sensibilisierung, die dort gelaufen ist. Das heißt, wenn Müller, da will ich jetzt doch gleich drauf eingehen, also das Bild, was[pp] Müller da ja zeichnet, naja, das ist ja also, er läßt sich da natürlich auch vollkommen [11304] raus; das ist schon klar, Schießbefehl zum Beispiel. Die Typen also, die dann später zur RAF kamen, von der RAF integriert wurden - rekrutieren ist eigentlich ein falscher ... es ist ein unscharfer Begriff, weil es natürlich auch genausogut dann Situationen gab[qq] wo Leute eine Zeit lang in der RAF oder an der RAF dran waren und sich dann entweder von uns getrennt haben oder wir uns von ihnen, klar. Daß also die Kämpfer, die dann später, als die RAF bereits organisiert war, als es Strukturen gab, zur RAF kamen, die hatten also ein bestimmtes Bild von der RAF. Und im Bezug auf Schießbefehl muß ich das ... will ich das gleich hier bringen. Es ist[rr] einfach, wenn Müller also behauptet, es hätte in der RAF einen Schießbefehl gegeben, das ist falsch; es hat nie einen Schießbefehl gegeben. Aber Müller, muß ich sagen, ist ja zur RAF gekommen, exakt in diesem Zeitpunkt Juli 71 und zwar, das ist auch wesentlich, ich glaub, unmittelbar nach der Ermordung von Petra Schelm in Hamburg, von der Festnahme von Werner Hoppe, also nach diesem Schußwechsel. Und er hatte von daher, das muß er gehabt haben, es fingen dann ja auch in diesem Zusammenhang die Aktionen in Hamburg; wurde dann ja das SPK[17] in Heidelberg aufgerollt, in dem Müller ja drinnen war. Also er hat genau gewußt und er hat genau gesehen, daß, und wie die Typen natürlich ihr Leben mit allen Mitteln verteidigen, bewaffnet, also zurückschießen. Und es hat also ... es hat nie Diskussionen gegeben über ... darüber, daß die RAF, die Rote-Armee-Fraktion bewaffnet ist. Was soll’s auch; es ist selbstverständlich, daß sie bewaffnet ist, sonst wäre sie keine Armee; sie ist eine militärisch-politische Organisation.
Zum Gebrauch von Waffen, dazu ist wirklich nur zu sagen, daß das also ausgehend da von der Grundbestimmung, daß die RAF natürlich eine militärisch-politische Organisation ist, und daß sie ... daß sie bewaffnet ist, gab es überhaupt keine Frage, daß das natürlich jeder Einzelne letztendlich dann in der Situation, wenn es notwendig war oder nicht zu vermeiden war, daß er das selbst entscheidet, also ob er nun schießt oder was; das ist doch klar. Und sicher hat es danach immer Diskussionen gegeben und ... aber ich kann mich nicht ... es hat einfach keine abstrakten Diskussionen gegeben, wiegesagt. Und[ss] es hat auch nicht gegeben Aktionen zum Thema, meinetwegen jetzt „schießen“, wie verhalte ich mich im Falle, wenn ich auf Polizeibeamte treffe bei Nacht [11305] oder bei Tag oder ... das ist einfach lächerlich. Dazu ist auch noch zu sagen, daß natürlich, was ja einfach eine Binsenweisheit ist, die Guerilla natürlich den Zeitpunkt ihrer Konfrontation mit der Polizei beispielsweise, selbst bestimmt. Also überhaupt kein Interesse hat oder schärfer noch, also überhaupt alles dran setzen muß, natürlich Konfrontationen zu vermeiden; und tatsächlich also, ich meine, wenn es einen Schießbefehl gegeben hat, was soll das denn, das ist doch so platt, da frage ich mich doch, wozu gab es dann in der RAF zum Beispiel falsche Papiere, wenn es doch so ist, wenn man sich einfach eine Knarre in die Tasche stecken braucht. Also das zu den ... also zum Schießen und eben Befehl, Befehl, habe ich schon einmal gesagt, es gab keine Befehlsstruktur, und solche Generalbefehle oder was, gab es sowieso nicht und. Naja in dem Zusammenhang dann heißt es ja wohl ... behauptet Müller ja, es sei dann immer von bestimmten Leuten - also natürlich Andreas, Gudrun - sei dann immer darauf geachtet worden, daß dann auch einer ja geschossen hat und so. Das ist wirklich irre, also bestenfalls taucht mal eine Situation auf, wo sie wissen wollten, erzähl mal, wie war denn das, weil so was natürlich nicht tagtäglich passiert. Also wie war denn das, natürlich jetzt der Ablauf schon klar, sondern wie also[tt] war das dann überhaupt und so.
Ich kann von mir sagen, daß ich ... ein Zeitraum, wo ich in der Illegalität war, in der RAF organisiert war, mindestens ... ja, mindestens zwanzigmal mit Polizei zusammengetroffen bin, also ohne daß Schußwaffen irgendwie ins Spiel kamen; also einfach kontrolliert worden bin mit dem Auto, hauptsächlich mit Autos, auch auf der Straße und, naja, und da hat man eben seinen Ausweis vorgezeigt und fertig. Und es gab mit Sicherheit Fälle da drunter, wo diese Beamten, kleine Beamten natürlich, und es waren also, muß ich dazu sagen, natürlich nicht immer nur gezielte Fahndungen gegen die RAF, wo man schon von ausgehen konnte, daß 1971/72 jede größere Straßenkontrolle auf Autobahnen oder in Städten, also immer die RAF gemeint hat; daß also in mehreren Fällen, wo ich mir absolut sicher bin, Beamte, kleine Beamte, naja, was gemerkt haben so. Aber ich hatte irgend einen Ausweis und konnte mich legitimieren; das war also für ihn sehr positiv, hat er wohl gedacht. Also das ist einfach ganz stark gewesen dieser Eindruck, daß Beamte uns erkannt haben und uns haben laufen lassen, praktisch.
Weil dazu muß man ja sehen die Hetze, die ungeheure Hetze, die damals anlief, ja eigentlich seit der Befreiung von Andreas,[18] seit dem [11306] ersten Mal, seit die RAF auftrat, daß also die Hetze, die natürlich zielte, die natürlich zielte gegen die Bevölkerung, zu denunzieren, aber auch ganz wesentlich den eigenen Apparat meinte, also ihn erst richtig scharf zu machen, heiß zu machen. Das ist doch der Sinn, einen anderen gibt’s doch nicht. Wir wären also durchgeknallte Typen, die hier jeden „Bullen“ gleich umlegen würden. Dreck; das also zum Schießbefehl.
Es gab auch Fälle, und das wurde eben immer funktional entschieden, wie auch anders, wo sich Kämpfer aus der RAF in bestimmten Situationen ohne Waffen bewegten. Näher will ich darauf nicht eingehen, also einfach nur dazu und die[uu] Waffen, Waffen tragen, also bewaffnet zu sein in diesen Phasen, wo jetzt also keine konkrete Aktion läuft, obwohl es natürlich, das kann man natürlich überhaupt nicht trennen, also weil natürlich dauernd, wie ich ja vorhin schon gesagt hab, was zu machen ist; und natürlich jede, jede Tätigkeit, also jede ... jeder Job ist auch immer eine Aktion, und es ist auch immer als Aktion natürlich durchzuführen. Sie dienen natürlich der Selbstverteidigung. Selbstverteidigung aus der Erfahrung heraus, also die jeder einzelne gemacht hat in der Zeit, wo er in der Legalität war, wo er sich mit dem „Bullenapparat“ geschlagen hat auf den Straßen, wo die „Bullen“ also, naja, den Leuten das eben eingehämmert haben, daß die „Bullen“ natürlich bewaffnet sind, und da gar keine Probleme haben und natürlich auch schießen. Also ich sage da nur Dutschke,[19] vorher Ohnesorg[20] und beispielsweise Kambodscha, Einmarsch der Amerikaner in Kambodscha Anfang 1970,[21] als in Berlin auf einer Massendemonstration vorm Amerikahaus Beamte Waffen gezogen haben und in die Menge geschossen haben;[22] war ich dabei zufällig auch, unmittelbar, also einfach Waffe gezogen haben und zack - geschossen, eine Frau in den Unterschenkel. Also es gab Fälle, es gab konkrete einzelne Fälle und es gab ... und es ist auch überhaupt keine Frage ... ich meine, das ist doch klar, historisch und geschichtlich; und was wir wollen und der Staatsapparat, also es ist vollkommen klar, daß die da sowieso keine Schwierigkeiten haben. Und es gab, das sage ich jetzt nochmal, es gab ... wir wissen von konkreten Situationen, wo Schießbefehle an die Polizei ausgegeben wurden. Also ein, so ein konkreter Fall, das ist die Großfahndung damals 1971 in Hamburg. Und zwar wissen wir das über die Kommunikationsstrukturen, die wir schon damals aufgebaut hatten, die eben auch reichten bis in den[vv] Staatsapparat rein. Es gab also, es gab also selbstverständlich [11307] von Anfang an Kommunikationsstrukturen, also das einfach nur zur Logistik und zur Infrastruktur, in legale und illegale Bereiche hinein, und ... Also ich kann da nur von meiner Sicht her sagen - ich bin festgenommen worden im März 72; daß aber noch nach jeder größeren Aktion gegen die RAF diese Strukturen also ... also daß es ihnen nie gelungen ist eigentlich, diese Strukturen aufzuknacken, diese Strukturen kaputt zu machen und[ww] zu zerschlagen. Wenn sie das behaupten. Naja, ich kann dazu nur sagen, das ist ... also ich bin davon überzeugt, und die Überzeugung habe ich aus dem, was ich eben schon von vorher weiß, selbst weiß, selbst organisiert habe, selbst gesehen habe in Fällen, wo Festnahmen gelaufen sind, wo Erfolge waren seitens der Polizei gegen die RAF, daß diese Strukturen ... daß diese Strukturen gehalten haben. Es wurden auch ... es ist auch Dreck einfach, es ist ein typisches Klischee wieder aus dieser eigentlich ja sehr primitiven ... dieses sehr primitive Niveau von psychologischer Kriegsführung davon zu reden, daß Waffen ... naja, daß die also nun hier vergöttert oder vergötzt wurden und ... oder daß also ... daß da Leute, die also dann[xx] in so einer Situation zurückgeschossen haben, daß die dann also verehrt wurden oder erhöht wurden oder idealisiert wurden, ob nun nachträglich oder in der Situation, sich auf diese Weise da eine höhere Position oder was erschießen konnten - muß man ja dann sagen - das ist einfach Dreck. Es gab da keine Positionen, und es gibt auch nichts in der RAF zu usurpieren. Es gibt keine Führung, es gibt auch keine Führungsposition, die in irgend einer Weise zu usurpieren wäre. Wie ich gesagt habe, Führung haben wir immer nur - und kann auch nicht anders sein in einer revolutionären Organisationfunktional laufen, und selbstverständlich der Typ, der Mensch, das ist klar. Und wir sagen auch, daß kein Kämpfer der RAF zu ersetzen ist. Was zu ersetzen ist, und was auch immer ersetzt wurde, das war natürlich sein Job, sein Platz; naja, das dazu.
Und auch noch einmal dann zu Juli 71. Also mit der Ermordung von Petra, das war natürlich ein Verlust, ein schwerer Verlust, sicher.
Vors.:
Ist damit die Frage nach dem Informationsaustausch aus Ihrer Sicht auch schon angeschnitten?
Zeuge Gra[shof]:
Es fällt mir nicht leicht, hier zu reden; vor allen Dingen nicht ohne hier jetzt vorlesen zu können, wie die Zeugen des Bundeskriminalamtes oder so. Ich lege da auch keinen Wert drauf, ich will das auch nicht, aber es fällt mir nicht leicht, weil ... naja verdammt, ich bin viereinhalb Jahre isoliert.
[11308] Vors.:
Wollen Sie von sich aus zum Zusammenhang der an Sie gerichteten Fragen vom Gericht noch irgendetwas sagen oder warten Sie jetzt auf Fragen der Prozeßbeteiligten?
Zeuge Gra[shof]:
Ich hab schon mal gesagt, ich beantworte grundsätzlich keine Fragen des Gerichts oder der Bundesanwaltschaft, weil das nicht das Verhältnis ist, das wissen Sie. Das Verhältnis zwischen Ihnen und uns ist Krieg.
Vors.:
Ja, das haben wir oft genug jetzt gehört von allen bisher von der Verteidigung in der letzten Zeit benannten Zeugen. Aber ich habe Sie darauf hingewiesen, daß das Gericht Sie prozeßordnungsgemäß, das heißt, ohne Bedingungen vernimmt, und sonst seine Aufklärungspflicht zur Vernehmung nicht mehr ... gegeben wäre.
Zeuge Gra[shof]:
Ich kann noch was sagen ... ich kann noch vielleicht sagen konkret also Struktur, das heißt ja auch Organisation, das heißt Stärke[yy] ...
Vors.:
Gut. Und dann noch[zz] Informationsaustausch.
Zeuge Gra[shof]:
... also ich kann das eben nur beantworten aus meinen Kenntnissen bis März 72, daß es[aaa] also zum damaligen Zeitpunkt circa 50 Kämpfer in der RAF gab und es gab - ah ja[bbb], das ist noch ganz wesentlich, natürlich - es gab, die RAF war also so organisiert, daß es Gruppen waren. Also es gab da weder ein Oberkommando, noch gab es da eine zentrale Stelle; also die RAF war nie eine zentralistisch organisierte Gruppe, und sondern sie war, und[ccc] das ist ja wesentlich, nach dem Prinzip der Kader-Linie; es waren Gruppen, es waren sogar konkret Gruppen im März 72, 7 Gruppen damals, März 72, 7 Gruppen in 5, 6[ddd] Städten, also 5, 7 Gruppen in 6 Städten so ungefähr, so war das damals 72, Anfang 72, die selbständig arbeiteten. D.h., im Rahmen natürlich, im Rahmen der als verbindlich diskutierten, verbindlich festgelegten und zwar, in diesem kollektiven Entscheidungsprozeß festgelegten Strategie waren sie absolut selbständig und autonom. Die Verbindung der einzelnen Gruppen untereinander und der ... also Informationen, die Informationen der einzelnen Kämpfer, der Informationsfluß unter den einzelnen Leuten oder von Gruppen, die Aktionen machten, von anderen Gruppen, war so bestimmt, daß ... ach ja, das will ich noch sagen zu der Behauptung, die RAF sei also eine „offene Gruppe“ gewesen, was ja[eee] schon damit also praktisch wiederlegt ist; es gab eben verschiedene Gruppen, die autonom waren und also[fff] was heißt denn da „offene Gruppe“. Also es gab auch keine, wie es keine Führungsfunktion ... wie es keine Führung dort zu usurpieren gab, gab es natürlich auch keine zentrale Führungsstelle oder das Hauptquartier [11309] der RAF, was da zu penetrieren gewesen wäre oder wo man sich hätte da - ich weiß nicht - reinschleichen können, um nun alles zu erfahren. Also was heißt es, es ist offene Gruppe, es trägt, es gab ... die Informationen wurden immer so gehandhabt, und[ggg] das ist auch selbstverständlich, wenn es anders gewesen wäre, hätte die RAF keine drei Monate existieren können, in diesem - das muß man ja mal sagen - also in der Metropole ja wohl ziemlich einmaligen reaktionären Mobilisierung, also was, wozu Müller dann einfällt, Fahndungsdruck[hhh], naja, das soll dann heißen, wohl hinführen zu, die RAF war auf der Flucht oder so. Es gibt da ja so Versionen, nach der Befreiung von Andreas sei man nur noch auf der Flucht gewesen; das ist also wirklich so grotesk, das erübrigt sich eigentlich. Einfach die Tatsachen sprechen total dagegen. Es gab ... es wurde so gehandhabt, daß die einzelnen Gruppen, die einzelnen Kämpfer nur soviel Informationen untereinander austauschen, wie es unbedingt notwendig war für die Aktionen[iii] sowieso, also einfach ... das ist eben auch ... das ist eben auch so ein Prinzip, was drin enthalten ist in der Fähigkeit Kader zu sein und, also Führung, die Funktionalität davon; das heißt, eines der Elemente ist natürlich auch Voraussicht, also antizipieren können, Entwicklungen[jjj] voraussehen zu können - das auch nochmal jetzt zu dieser ... zu der Aktion da nach den Hubschraubern -, die Wirkung von jeder einzelnen Aktion vorauszusehen; also in der Folge dann natürlich auch die Eskalation, die sie bewirkt. Oder wir haben das mal so definiert, Aktionen natürlich immer genau von hinten aufziehen, das heißt, also um sie abzusichern sowieso schon; und das ist eben dasselbe, Aktionen also voraussehend also praktisch schon aus der Zukunft sozusagen in die Vergangenheit oder - das ist ein bißchen schlecht -, also ... na, ihre Wirkung, genau, ihre Wirkung zu sehen; das ist eine Fähigkeit, das ist natürlich wichtig. Und von daher natürlich auch eben der Umgang mit Informationen. Und es gab auch nicht dieses Bedürfnis oder was da irgendwie durchklingt, wenn Müller also behauptet, also das gab es nicht. Jemand der da rumschnüffelt sozusagen, oder sich da überall einklinkt, alles wissen will, also das fällt spätestens beim zweiten Typ auf dann; und[kkk] dann wird einfach mal zurückgefragt, hör mal, was soll das, und zack. Und entweder hat da einer ein ... noch so ein kaputtes Bedürfnis, und dann wird das geklärt, also so ... naja, so ein Bedürfnis, was sich da so über den Markt orientiert, Informationen, mit denen man handeln kann, mit denen sich da produzieren, reproduzieren, kann[lll] das ist einfach nicht drin, [11310] das ist einfach ... Es ist auch so, daß in diesen ganzen einzelnen Fragen ... natürlich, da kommt jedes Mal ... das sind alles grundsätzliche Fragen, weil davon das Leben der Kämpfer abhängt, ganz einfach. Es gab das nicht; und es gab Informationen, die notwendig waren und Diskussionsprozesse, die früher eben schon vielleicht gelaufen sind, die man nicht kannte oder Diskussionen, die im Gange waren; die wurden natürlich, das wurde natürlich vermittelt, und zwar nach der Möglichkeit, die es gab, in der Situation, in der eben gekämpft wird, das heißt, einfach die Sachzwänge. Es ist natürlich vollkommen ausgeschlossen und hat es nie gegeben, daß sich die RAF also alle Vierteljahr gleichsam, wie auf so einer Vollversammlung, irgendwo trifft; das ist vollkommen Wahnsinn. Ich meine, also daß alle an einem Zeitpunkt in einem Ort zusammenkommen. Das hat es nie gegeben. Vielleicht mit der einzigen Ausnahme, Jordanien, die ersten 10, 15 Kader in Jordanien, wo man sagen kann, daß das eben die waren, die einfach angefangen haben; und in der Situation dort unten das natürlich möglich war. Also auch unter dem Schutz ... unter dem Schutz der palästinensischen Revolution dort unten, natürlich. Es ist auch wesentlich, weil also Homann, muß ich dazu sagen, Homann[23] war ja im Kaiserslauterner Prozeß, und hat da ja auch praktisch, so wie Müller, geredet über die Struktur der RAF. Und hat dann natürlich vor allen Dingen damals Jordanien, natürlich, weil sich die Gruppe da auch von ihm getrennt hat, aber ... hat da also behauptet, also hat beklagt, das Fehlen[mmm] von Programmen[nnn], das Fehlen von richtigen politischen Diskussionen, also der[ooo] Begriff, den er da hat, ist ja deutlich, ist klar, also ein Seminar oder so. Das ist es natürlich nicht gewesen dort unten, sondern die Ausbildung dort unten, oder der Aufenthalt dort unten im Rahmen des proletarischen Internationalismus in der Situation, wo uns die Palästinenser einfach geholfen haben, und natürlich nicht aus reiner Selbstlosigkeit oder so, das ist ja klar; und das war eben von Anfang an auch klar, daß die RAF eben im internationalen Rahmen kämpft - nur so, das war einfach das Ergebnis ihrer Analyse schon damals im internationalen Rahmen und natürlich proletarischer Internationalismus konkret, das heißt, bewaffneter Kampf. Das waren die Voraussetzungen und anders wäre es auch gar nicht möglich gewesen, hätten die mit uns auch nichts haben zu tun wollen. Naja, wir waren also dort unten nicht irgendwie auf einem Seminar oder nicht in irgendeinem Flüchtlingslager, wie es eben auch überhaupt keine Flüchtlingslager dort unten gibt, als reine Flüchtlingslager, sondern palästinensische Revolution dort [11311] unten ist eben, naja, man kann ja fast sagen, so ähnlich wie die RAF in viele Gruppen aufgeteilt, in viele Lager, die also jeweils bewaffnet sind und natürlich autonom sind da in ihren Gebieten, damals also in der Situation. Um es kurz zu machen, es war ein Ausbildungsprozeß, der lief auf allen Ebenen. Der lief eben in der Diskussion in der politischen, was wir wollen, die Zukunft und die konkrete Ausbildung an Waffen, Geräten, Material auch, natürlich, und natürlich die Diskussion mit den Palästinensern über die internationale Lage, und[ppp] die Situation der palästinensischen Revolution damals. Das war also ein Monat vor dem „schwarzen September 1970“.[24] Und Homann, naja, flog damals raus und ... ach ja, ich werde das[qqq] einfach mal an diesem Beispiel darstellen; es ist ein Beispiel jetzt, wo ich zu komme, wie das gehandhabt wurde mit Trennung der Gruppe von Einzelnen, und[rrr] der Einzelne von der Gruppe. Weil Müller wohl behauptet hat, hier, die Gruppe hätte beabsichtigt, Kämpfer zu liquidieren auf Grund einer[sss] Einschätzung, die sie gewonnen haben von Leuten, daß die also nichts[ttt] taugen zum Kampf, also weg in die Mülltonne oder hätte sie [uuu] auch liquidiert, also Andreas hätte ... Andreas hätte Barz[25] liquidiert, was er gebracht hat letztes Jahr; und ist dann ja auch gebuddelt worden an den Stellen dort am Rhein, und ist nichts gefunden worden. Es ist auch inzwischen verdächtig ruhig darum geworden. Aber dazu gleich.
Vorweg, grundsätzlich ist es natürlich ... gibt es das natürlich, daß ... gibt es die Notwendigkeit, oder kann es die Notwendigkeit geben, in Fällen von Verrat beispielsweise, also Leute zu liquidieren. Das geht ... bloß, die RAF hat bisher noch niemanden liquidiert. Also ... und es ist auch einfach deutlich, ich werd’[vvv] das schon hieran an Homann, weil sich dort zum ersten Mal eigentlich und zwar in ganzer Schärfe, man muß ja wirklich sagen, mit für solche Vorgänge ... wirklich die aller ungünstigsten Bedingungen sozusagen auf fremden Territorium, also in doppeltem Sinne, also in Jordanien, das ist schlecht, daß Hussein in befreiten Gebieten, die Tag und Nacht bedroht waren von israelischen Angriffen; und selbstverständlich waren wir in die Verteidigung des Lagers integriert; also auch schon zum Selbstschutz, war es also so, daß Homann dort unten, ja man kann einfach sagen, eine Hetze gegen Andreas ... also vom Zaun brach, einfach, vollkommen unvermittelt, was also führte, vor der Gruppe und von Palästinensern, bis hin zu tätlichen Angriffen gegen Andreas, an der also nur eines klar war, das totale Bedürfnis Homann’s, da jetzt raus zu wollen, [11312] also von der Gruppe wegzugehen. Aber, und das war eben wesentlich, über diese Konstruktion, über diese Rationalisierung, über diesen Schlich, den Dreh,[www] der andere soll Schuld haben, also Andreas. Also kurz und gut, er fing an, der Inhalt - das ist eigentlich gar nicht wichtig -, aber er fing eben an, Andreas und also der Gruppe so den Vorwurf zu machen, der also vollkommen aus der Luft gegriffen war, sie würde ... sie hätte kein Programm und sie hätte, sei überhaupt nicht politisch; und das müßte man anders machen im konkreten Fall. Und er würde, er Homann, würde das viel ... und er würde eine andere Gruppe aufbauen, wenn er zurück ist erst und so und so. Dazu muß ich also [xxx] einfach noch mal sagen, Homann ist auch nie RAF gewesen, in dem Sinne, sondern Homann; also wir haben Homann einfach mitgenommen damals, weil er geriet ... naja, er geriet da in die Fahndung in Berlin nach der Befreiung von Andreas und ... ja er ist mitgekommen da, und hat dann aber versucht, da die als ... da so eine in Machtkampf da vom Zaun zu brechen, also ganz lächerlich auch. Und es war eben nicht Andreas, sondern es war die Gruppe, und zwar bezeichnenderweise sogar die ... also diejenigen, die eigentlich nicht so dieses ... Kauderwelsch-Niveau[yyy] da so[zzz] drauf hatten, sondern die, also eigentlich die Typen, die am meisten sowieso schon proletarisiert waren, proletarisch waren, also die ihm gesagt haben: Hör mal, Du bist ein Idiot, also was willst Du hier; jetzt sag doch, was willst Du, und willst Du weg, ja, gut. Es stellte sich also das Problem, Homann will mit uns nichts zu tun haben und Homann spinnt rum und Homann will hier ... will hier die Gruppe praktisch spalten oder was, um seinen Rückzug da zu decken, gut. Was natürlich jetzt nicht so einfach war; es hätte also geheißen, Homann hätte das Lager verlassen müssen, Homann hätte also ... man hätte also für ihn, nur für ihn hätte man sozusagen da die Rückfahrt und alles organisieren müssen. Naja, wir sind dort, also[aaaa] da, wie gesagt, [bbbb] als Gruppe runter. Es ging aber auch soweit, daß er also anfing, Versuche startete, verschiedene Kader der Palästinenser gegen uns aufzuhetzen. Das heißt, die Gruppe war nicht immer am selben Ort; es gab also Situationen, wo die einen dort in[cccc] der Ausbildung waren und die anderen waren eben gerade in der Stadt oder Dorf; es war also ... es gab dort verschiedene Gruppen, die sich turnusmäßig da abwechselten; wir waren auch nicht die[dddd] einzigen Ausländer dort unten, daß Homann also anfing, so mit privatistischen Gesprächen und so, also gegen Andreas zu hetzen, vor allem immer wieder gegen Andreas und also, naja, damals war uns das ... wurde. Also[eeee] am Beispiel Homann wurde uns eigentlich damals nun klar, was das ist, diese [11313] Hetze immer nur gegen Andreas, und vor allen Dingen gegen Andreas. Also es ist einfach der primitive Versuch, entweder eine Gruppe ... die Gruppe zu zerstören oder da was zu usurpieren, wo also wirklich nichts zu usurpieren war. Wie gesagt, Homann hat dann eins in die Fresse gekriegt von den anderen, einfach so. Und jetzt kam es also, daß er die Palästinenser gegen uns da ... er versuchte das, und wir haben das sofort mitgekriegt, also das findet sich dann ja in seinem „Spiegel“-Interview da. Baader hieße Coward, er ist ein Feigling und so. Das ist so, ich meine, so lächerlich, muß man mal sehen, weil Homann natürlich da unten ... auf deutsch gesagt, ist ihm die Muffe gegangen. Er hat diese harten, diese besonders extrem harten Bedingungen dort unten, er[ffff] hat das nicht gewollt, ganz einfach. Es war also ... es war natürlich auch eine wahnsinnige Umstellung, aber was soll’s. Es war also[gggg] eine Situation von Krieg dort unten, genau, dort unten kann man sagen, ist uns das zum ersten Mal auch voll klar geworden, also was es heißt, was es überhaupt heißt, zu kämpfen, bewaffnet zu kämpfen. Es war also Tatsache, daß durch verschiedene Kanäle eben bekannt geworden ist damals, daß wir uns dort unten aufhielten. Und es war auch wesentlich durch den Bundesnachrichtendienst, der damals noch eine Station hatte in Amman, ziemlich genau gelungen, also das Lager dort zu lokalisieren, das heißt, wir mußten eigentlich jede Stunde, jede Sekunde, jede Minute auch damit dauernd rechnen, daß da also jetzt eine gezielte Aktion läuft, also beispielsweise wie in Entebbe[26] oder so. Also die Grenze war 20 Kilometer und ... also Hubschrauberkommandos der Zionisten, oder was ... oder eben von der anderen Seite her; also es war eben damals schon die Zange, die sich formierte, also direkten Beschuß durch die Jordanier, die also in Sichtweite vom Lager lagen und verschiedene Mörser da ... direkt drauf eingestellt ...
Vors.:
Ja, Herr Grashof, jetzt entfernen Sie sich aber vom Thema soweit ...
Zeuge Gra[shof]:
Nein, das ist wichtig.
Vors.:
Ja nun, nach Ihrer Meinung; aber das Gericht hat[hhhh] ja die Fragen bis jetzt an Sie gestellt ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja Sie wollen doch was über Struktur wissen.
Vors.:
Ich betrachte ... ja, die Struktur haben Sie jetzt genügend erörtert ...
Zeuge Gra[shof]:
Ach; das entscheiden Sie oder was.
Vors.:
[iiii] ... Sie haben außerdem jetzt sich noch zu der Frage geäußert, ob die RAF im Falle von Abtrünnigkeit ...
[11314] Zeuge Gra[shof]:
Jetzt hören Sie mal zu. Ich rede hier dauernd über Struktur ...
Vors.:
... ihre Mitglieder liquidiere. Sie haben das am Beispiel Homann jetzt entwickelt ...
Der Zeuge Grashof ruft unverständlich dazwischen.
Vors.:
... daß es nicht geschieht. Das Gericht hat ... jedenfalls ich habe jetzt keine weiteren Fragen mehr an Sie. Sind seitens der Herren Kollegen irgendwelche Fragen ...
Zeuge Gra[shof]:
Arschloch, ich beantworte doch gar nicht Deine Fragen.
Vors.:
Ja, wir nehmen es zur Kenntnis. Sie haben mich im Augenblick „Arschloch“ geheißen, und das kann und wird vermutlich ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich rede hier selbständig ...
Der Zeuge Grashof spricht erneut unverständlich dazwischen.
Vors.:
... eine Ordnungsstrafe[27] gegen Sie nach sich ziehen. Wollen Sie sich dazu äußern?
Zeuge Gra[shof]:
... das ist also ganz deutlich, daß Sie hier jetzt provozieren wollen. Wenn Sie schlafen wollen, können Sie dann nach nebenan gehen, verdammt nochmal[jjjj]. Ich rede [kkkk] über Struktur und ich rede da über ...
Vors.:
Also das ... ich habe Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme wegen einer Ordnungsstrafe gegeben. Sie haben sich jetzt nicht dazu geäußert.
Zeuge Gra[shof]:
Ich will jetzt eine Pause.[llll]
[Vors.:] (nach geheimer Umfrage)
Das Gericht hat folgenden Beschluß zu verkünden:
Es wird gegen den Zeugen eine
Ordnungshaft von einer Woche
verhängt, weil er soeben den Vorsitzenden ein „Arschloch“ bezeichnet hat. Die Gelegenheit zur Äußerung hat er nicht wahrgenommen.
Die Pause können wir machen. Das Gericht hat im Augenblick keine Fragen mehr, wie ich schon festgestellt habe. Die Herren der Bundesanwaltschaft?
BA Dr. Wu[nder]:
Wir haben zunächst auch keine Fragen.
Vors.:
Auch keine Fragen. Wir setzen dann nach der Pause mit Fragen der Verteidigung fort. 10 Minuten Pause.
Pause von 11.32 Uhr bis 11.45 Uhr.
Ende von Band 659
[11315] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.45 Uhr.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich glaube Ihrem Nicken vorher entnommen zu haben, daß Sie Fragen stellen wollen.
Zeuge Gra[shof]:
Ich will das noch zu Ende führen. Oder dann kannst Du mich ja nachher fragen. Ich will das nochmal mit Homann zu Ende führen, wo Sie mich unterbrochen haben.
Vors.:
Ich würde bitten, jetzt Ihre Fragen, Herr ...
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat jetzt das Fragerecht, bitte Herr Rechtsanwalt ...
Zeuge Gra[shof]:
Moment mal ...
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender, nach der Prozeßordnung, das wissen wir doch, wenn der Zeuge seinen zusammenhängenden Vortrag beendet hat. Im Moment spricht der Zeuge zu einer Frage, die wesentlich ist, in dieser Beweisaufnahme, nämlich ob man bei[mmmm] Trennungen eines einzelnen von der Gruppe Liquidation vornahm.
Vors.:
Er hatte genügend Gelegenheit die Ausführung zu machen, diese sehr intensive Darstellung der Person des Herrn Homann und seine ...
Zeuge Gra[shof]:
Das ist falsch ... Es geht hier nicht um die Person von Herrn Homann ...
Vors.:
... ist ... das Gericht im Zusammenhang mit dem angeschnittenen Beweisthema ...
Zeuge Gra[shof]:
Es geht darum ...
Vors.:
... ohne größeres Interesse über den Punkt hinaus, daß er sagt, das ist ein typischer Fall, daß die RAF niemand liquidiert hat, auch wenn er sich getrennt hat und sogar gegen einen eigenen uns in dieser Weise vorgegangen ist, daß es zu Tätlichkeiten gekommen ist. Das hat das Gericht verstanden, es bedarf darüber hinaus jetzt keiner weiteren Erörterungen mehr und deswegen bitte ich Sie, jetzt Ihre Fragen zu stellen.
RA Dr. He[ldmann]:
Weiß denn das Gericht aus dem Bericht des Zeugen, wie denn die Trennung vonstattengegangen ist, ich habe es nicht gehört.
Vors.:
Wollen Sie jetzt Fragen stellen, Herr Rechtsanwalt Dr. Held- [11316] mann?
RA Dr. He[ldmann]:
Ich stelle auch sehr gerne Fragen. Aber ich weise das Gericht wiederholt darauf hin, daß der Zeuge mit seinem zusammenhängenden Sachvortrag noch nicht zu Ende gekommen ist. Es geht also etwa aus, die Trennung der Gruppe von Homann. Es ist auch nicht so, wie Sie eben sinngemäß meinten, dies sei innerhalb des Beweisthemas eine recht beiläufige Thematik, weil es ja sicher nun eine Rolle spielt, ob einzelne Mitglieder dieser Gruppe, darunter mein Mandant, Herr Baader, so als Killertypen hingestellt werden, die dann, wenn ein Gruppenmitglied abspenstig zu werden droht, eben per[nnnn] Genickschuß das Problem los[oooo] ist.
Vors.:
Ich würde Sie bitten, daß Sie sich jetzt an das halten, was im Augenblick ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich weiß nicht ... das wissen wir, daß Herr Homann nicht ...
Vors.:
... was im Verfahren Gegenstand dessen ist, was jetzt zu erledigen wäre, nämlich ...
Zeuge Gra[shof]:
... Homann ...
Vors.:
... Ihre Fragen ... Ich darf jetzt den Herrn Zeugen darauf hinweisen, wenn Sie, Herr Grashof, im Augenblick mich ständig stören, dann wird es wieder zu Ordnungsfolgen führen müssen. Bitte unterlassen Sie das. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, das Thema ist ...
Zeuge Gra[shof]:
... (spricht unverständlich) ...
Vors.:
Und die Anrede „Du“ von Ihnen, schätze ich nicht sehr, Herr Grashof, das darf ich dazu bemerken.
Zeuge Gra[shof]:
... Sie, Sie[pppp] ehemaliger Kinderrichter ... können Sie sich schenken ...
Vors.:
Sie meinen ...
Zeuge Gra[shof]:
... (spricht weiter unverständlich) ...
Vors.:
Also Kinderrichter, meinen Sie Jugendrichter. Das scheint in Ihren Augen was Verächtliches zu sein. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, das Thema ist behandelt. Fragen sind nicht gestellt worden. Seitens des Gerichts? Keine Fragen seitens der Bundesanwaltschaft? Ich bitte Sie jetzt, Ihre Fragen zu stellen. Das Thema in dem Punkte, das Sie eben gerade nochmal umreißen wollten, ist vom Herrn Zeugen dargestellt worden. Wir wissen ja, Herr Homann ist nicht liquidiert [11317] worden.
Zeuge Gra[shof]:
Mit anderen Worten ... Sie legen hier gar keinen Wert mehr drauf, dann sagen Sie das doch. Auch wenn wir aussagen. Da ja Wunder schon sowieso unser Aussagen[qqqq] hier abqualifiziert ...
Vors.:
Wollen Sie jetzt Ihre Fragen stellen?
RA Dr. He[ldmann]:
Wie hat sich denn nun die Trennung der Gruppe von Homann vollzogen?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, um das erstmal in einem Satz zu beantworten. Homann hat sich nicht von uns getrennt, sondern wir haben uns von Homann getrennt. Ich habe das aber deswegen als Beispiel angeführt: a) weil Homann ja der erste Typ war, der 71, und zwar muß man da sehen, die, also die Niederlage der Bullen in der Fahndung gegen die RAF, daß er dort zentral im „Spiegel“ dieses große Interview veröffentlicht hat. Daß er dem Spiegel verkauft hat, also das war also ganz klar, ...[rrrr] dem Staatsschutz gemacht hat. Er ist ja festgenommen worden seinerzeit. Hat sich selbst gestellt, das hat er auch im Prozeß erklärt, wegen, er wurde gesucht wegen Beteiligung an der Befreiung von Andreas Baader. Und zwar war der konkrete Punkt im Haftbefehl Mordversuch. Und er war aber nur 1 Monat im Knast und ist dort also intensiv vernommen worden von der Sicherungsgruppe[28] und ist dann 1 Tag vor Heiligen Abend rausgekommen. Sein Anwalt war damals Hannover, und er hat, bevor er sich stellte, ja dieses Interview dem Spiegel verkauft und das war also eine eindeutige Staatsschutzinitiative, die erste größere, da sie eben anders nicht gelang, an die RAF ranzukommen. Jetzt hier Internas, angebliche Internas [ssss] über die Gruppe so zu publizieren, über die Medien zu schieben und da ging es eben ganz wesentlich um Struktur, also um genau diese Fragen hier Struktur, Befehl, Autorität, Andreas, Boß, verheizen von Leuten, und da hat er sich ja auch über Jordanien ausgelassen. Er selber hat es da so dargestellt: Er sei also, was ich hier vorhin am Anfang ge- [11318] schildert habe, einleitend, er hätte also die RAF, er hätte also dort in Jordanien die Überzeugung gewonnen, daß die RAF keine politische Organisation sei, kein Programm, was ich eben als so typische Konsumentenhaltung bezeichnen würde. Andererseits war er auch nie ein direktes Mitglied der RAF in dem Sinne, denn damals mußte man auch sehen, hat sich die RAF ja erst dauernd in die diesem Prozeß und also dann ja auch nach der Rückkehr am Anfang hier erst konstituiert. Es ist also, wir haben ihn mitgenommen, gut. Und als er dann dort anfing gegen die RAF zu hetzen, gegen Andreas zu hetzen, haben wir kollektiv diesen Entschluß auch getroffen und den hat nicht Andreas sondern, also wir haben den durchgesetzt, daß er von der Gruppe entfernt wird. Und zwar war es ja so, und deswegen dieses Beispiel, weil es so ein extremes Beispiel ist, die, unsere eigene Sicherheit war natürlich in erster Linie unsere Sache. Andererseits waren wir natürlich dort unten angewiesen auf die Palästinenser und deren Sicherheitsprobleme hatten natürlich Vorrang vor unseren oder, man kann sagen, da gab es natürlich unter Umständen ... Ja, ja, Sie kennen das schon alles, ich habe das nämlich schon alles in Kaiserslautern erklärt, in Homann’s Anwesenheit und deswegen wollen Sie das auch hier unterdrücken. Kurz und gut, als die Palästinenser davon erfuhren, über den wahren Sachverhalt, haben sie uns aufgefordert, Homann zu liquidieren, da Homann, weil sie auch nicht so jetzt vertraut waren mit unserer Geschichte natürlich und auch nur angewiesen waren auf die Information und vor allen Dingen natürlich den Eindruck, den sie hatten von uns. Und sie hatten und mußten, und anders war das auch gar nicht denkbar, den Eindruck von uns haben, von der schon relativ geschlossenen Gruppe, die also, also genau nicht diese offene Gruppe, sondern von der Gruppe, die durchaus weiß was sie will, ganz klar. Nämlich bewaffneten antiimperialistischen Kampf, sonst wären[tttt] wir[uuuu] da auch nicht runtergekommen. Das heißt, sie haben Homann als Sicherheitsrisiko eingeschätzt und haben uns das erklärt und haben uns nahegelegt und haben [vvvv] gesagt, [11319] wie sie in so einem Fall handeln. Also der wird liquidiert und haben das aber uns überlassen, das zu entscheiden. Anders wäre es auch nicht möglich gewesen. Und ich meine, auch darin drückt sich ja eben aus, daß sie eben genau nicht, wie Homann es darstellt, uns da drunten als eine Gangsterbande und Andreas der Boß, eingeschätzt haben, sondern als eine politische Gruppe, die durchaus selbstständig ihre Entscheidung treffen kann. Wir haben dann, es war natürlich, wir waren da einfach so konfrontiert da mit der Frage, die schätzen den als Sicherheitsrisiko ein, also konkret, daß er das Lager verrät und na ja möglicherweise dann sogar ein zionistischer[wwww] Agent ist oder was. Es stellte sich dann auch im weiteren die Frage, wie kommt er da raus, aus der Situation und es war eben Krieg, es war Krieg, also das Massaker dort unten bereitete sich unmittelbar bevor und es liefen schon, waren schon im Juni vorher war es so, das Amman wochenlang zu war, nicht zu erreichen war, es war also belagert, es war Doppelherrschaft. Also wir hatten auch wirklich jeden Tag irgendwas. Es kamen ...
Vors.:
Ich geben Ihnen dazu jetzt nicht weiter das Wort ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja das ist wichtig, verdammt nochmal, weil es natürlich ...
Vors.:
Was Ihnen wichtig erscheint, ist nicht unbedingt maßgeblich ...
Zeuge Gra[shof]:
... (spricht unverständlich) ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann ... ich darf darauf hinweisen, daß die Verhältnisse in Palästina hier nicht Gegenstand der Beweisaufnahme sind. Und Ihre Erörterungen in dieser Richtung werden nicht zugelassen, wegen Weitschweifigkeit. Haben Sie weitere Fragen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?
RA Dr. He[ldmann]:
Ja.
Der Zeuge Grashoff spricht ununterbrochen unverständlich dazwischen.
Vors.:
Ich möchte jetzt ...
Zeuge Gra[shof]:
... und Müller hat hier überhaupt nichts ...
Vors.:
... Ihnen sagen ...
Zeuge Gra[shof]:
... zu liquidieren ...
[11320] Vors.:
Herr Grashof, Sie haben jetzt die Möglichkeit, weil Sie mich wiederholt stören, unterbrechen, dazwischenrufen, obwohl Sie dazu das Recht nicht haben, Stellung zu nehmen, dazu, daß auch wieder eine Ordnungsstrafe gegen Sie erhoben werden muß. Wollen Sie sich dazu äußern?
Zeuge Gra[shof]:
... Ich will das jetzt rüberbringen hier und wirklich nicht Ihnen. Ich rede hier nicht zum Gericht.
Vors.:
(nach geheimer Umfrage) Beschluß:
Gegen den Herrn Zeugen wird eine weitere Ordnungshaft von 1 Woche verhängt,
weil er den Vorsitzenden wiederholt unterbrochen hat, und damit den Ablauf des Verfahrens in ungebührlicher Weise gestört hat.
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bitte stellen Sie Ihre Fragen.
Zeuge Gra[shof]:
... Zusammenhänge auseinanderzureißen, zu[xxxx] unterbrechen, zu desorientieren hier und einen fertigzumachen. Andreas hat ...
Vors.:
Bitte jetzt ...
Zeuge Gra[shof]:
... das schonmal hier erklärt.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich führe[yyyy] zurück, es geht also um ...
Zeuge Gra[shof]:
Kannst es nicht abwarten, drei Tage noch oder was.
RA Dr. He[ldmann]:
... Trennungen der Gruppe ...
Zeuge Gra[shof]:
Ratte ...
RA Dr. He[ldmann]:
... von einem abspenstigen ...
Vors.:
Ich muß jetzt zuerst den Herrn Zeugen wieder zur Stellungnahme auffordern. Er hat mich im Augenblick als eine „Ratte“ bezeichnet. Auch das könnte wieder zur Ordnungshaft führen.
Zeuge Gra[shof]:
Ausdrücklich: Eine dreckige, kleine, schmierige, stinkige Ratte.
Vors.:
Ja ...
Zeuge Gra[shof]:
Nimm das mal zur Kenntnis. Und Du wirst dafür bezahlen. Das machen wir schon klar, das wißt ihr auch.
Vors.:
(nach geheimer Umfrage) Beschluß:
Es wird eine weitere Ordnungshaft von 1 Woche gegen den Zeugen verhängt.
[11321] Er hat den Vorsitzenden als eine kleine, schmierige, stinkige Ratte bezeichnet ...
Zeuge Gra[shof]:
Dreckige, nicht zu vergessen „dreckige“.
Vors.:
„Dreckige“ wird nicht vergessen.
Und auf die Gelegenheit sich zu äußern, hat er ihn bedroht, er werde dafür zu bezahlen haben.
- - -[zzzz]
Jetzt Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann ...
RA Dr. He[ldmann]:
Es ging um die Trennung der Gruppe ...
Vors.:
Es ist übrigens ein Zeuge, den Sie benannt haben. Es steht nichts im Wege, daß Sie den Herrn Zeugen vielleicht von Ihrer Seite darauf hinweisen, daß es zweckmäßig ist, wenn er lediglich Ihre Fragen jetzt beantwortet. Ohne weitere Angriffe gegen das Gericht zu richten.
RA Dr. He[ldmann]:
Es ist Ihnen sicher nicht entgangen, Herr Vorsitzender, daß Sie jetzt im Moment auch mal mich, abwechslungsweise mal wieder unterbrochen haben. Ich führe zurück, es ging um die Trennung der Gruppe von einem abspenstigen Mitglied und nun in einer ganz besonderen Situation, nämlich Sicherheitsrisiko, so sagten Sie, Herr Zeuge, in einer, in einem Kriegsgebiet. Darf ich Sie jetzt bitten dann, diese Frage zu Ende zu beantworten. Wie hat sich die Trennung dieser Gruppe vollzogen von Homann. Hat Homann irgendwelche ... gemacht, von Ihnen, Sanktionen.
Zeuge Gra[shof]:
Wie bitte?
RA Dr. He[ldmann]:
Hat Homann irgendwelche Sanktionen von Ihnen erlitten?
Zeuge Gra[shof]:
Nein.
Also ich war stehengeblieben, daß uns die Entscheidung überlassen wurde. Also wir waren noch in dem Lager und noch mit ihm zusammen und das muß ich auch noch dazu sagen, wir waren natürlich alle bewaffnet. Zum eigenen Schutz und wiegesagt der Verteidigung des Lagers. Also täglich, dauernd. Und Homann natürlich auch. Und er trug nur einen Flaschenkopf, also[aaaaa] ein[bbbbb] Schnellfeuergewehr, ein Sturmgewehr. Das heißt, also was er auch abstreitet, übrigens, er hätte davon keine Ahnung. Na ja, das ist eine Situation, Krieg genau. Und wir haben das diskutiert und wir haben entschieden, wir machen das nicht. Und zwar nicht, weil wir [11322] das also, nur aus dem einen Grunde, wir machen das nicht, weil es nicht richtig ist, weil es zum damaligen Zeitpunkt in unseren eigenen Gruppenprozess gestört hätte, gebremst hätte, möglicherweise sogar dazu geführt hätte, daß die Gruppe auseinanderfliegt. Also an diesem Beispiel, wir haben es nicht gemacht und wir haben ihnen das auch mitgeteilt, also indirekt. Was gemacht worden ist, daß sie drauf bestanden haben, daß er sofort entwaffnet wird und daß er von der Gruppe getrennt [ccccc] wird, solange bis das entschieden ist. Er ist dann ein paar Tage, praktisch so unter Hausarrest gestanden, das war Sache der Palästinenser. Ein wesentliches Problem war ja auch, wie kommt er jetzt wieder raus da unten, aus dieser Zone. Also er konnte ja da nicht einfach in den Zug steigen und wegfliegen. [ddddd] Wie er ja auch fälschlich behauptet. Und dann natürlich, uns war klar, er wollte zurück in die Bundesrepublik und wir natürlich auch. Das heißt, wie gehen wir damit um. Er hat natürlich gewisse Informationen, unvermeidlich, die die er brauchte. Wie regeln wir das und wir haben das eben so geregelt, wie wir das eigentlich immer geregelt haben, wir haben ihm dann unsere Bedingungen durchaus ernsthaft, aber nicht, nicht aufdiktiert, wir haben ihm sie einfach gesagt, hör mal, so und so: „Du bist jetzt nicht mehr unsere Sache, Du hat deinen Schritt, ja eigentlich durchaus frei. Du weißt, was hier los ist und wir verlangen von dir, daß Du dich mindestens noch für eine bestimmte Zeit, wenn Du dann in Westdeutschland bist, daß Du da, also daß Du da ruhig bleibst, daß Du still bist, Daß Du also nicht sofort da zu den Bullen rennst“. Ganz einfach, weil wir jetzt natürlich gezwungen waren, und ich meine, das zeigt einfach, das zeigt auch ganz deutlich, was, daß das nicht so läuft, hier irgendjemand umlegen und weg, sondern, na[eeeee] ja ich würde mal sagen, auch die Mühe, daß wir natürlich Strukturen und Logistik, was er kannte, wovon er überhaupt eine Ahnung haben konnte, die mußten wir natürlich einfach ändern, einfach von der [11323] hypothetischen[fffff] Annahme oder die sich ja bewahrheitet hat, also der ziemlich sichern Annahme, daß er bei den Bullen landen wird. Wie ja viele, die gegangen sind. Gut, wir haben ihn also nicht liquidiert. Schluß aus.
RA Dr. He[ldmann]:
Und sind, habe ich richtig verstanden, Sie sind bewußt das Risiko eingegangen, von ihm verraten zu werden?
Zeuge Gra[shof]:
Na ja, wir haben das Risiko natürlich so weit wie möglich runtergeschraubt. Wir haben zum Beispiel mit den Palästinensern ausgemacht, und die haben das auch akzeptiert und das zeigt doch, daß wir denen das, auch noch zugemutet haben in der Situation, wo sie also wirklich drauf und dran waren, jetzt na ja, das war der Vorläufer, [ggggg] von dem, was jetzt im Libanon [hhhhh] läuft.[29] Also erledigt zu werden, mußten wir ihnen da mit so einem Heini ankommen und sagen, also gut, hier hebt den mal für uns auf. Das heißt, konkret war es so, daß wir von ihnen zu sagen gekriegt haben, daß sie auf ihn aufpassen, solange wie wir da unten sind, kann er nicht ausreisen da und sie lassen ihn erst ausreisen, wenn wir einen gewissen Vorsprung haben, so, ganz konkret so. Er behauptet natürlich das genaue Gegenteil, aber das ist gar nicht jetzt hier Sache. Er behauptet natürlich, das ist auch alles gelogen. Er behauptet beispielsweise, er sei also von Amman dann schnurstracks durchgeflogen, wo also Amman damals effektiv gesperrt war,[30] überhaupt nicht möglich war. Das ist jetzt, ich wollte eigentlich mehr nicht sagen.
RA Dr. He[ldmann]:
Eine weitere Frage bitte. Sie haben gesagt, die Gruppen seien absolut selbstständig, absolut autonom gewesen. Bezieht sich diese Aussage, deckt diese Aussage auch Aktionen der Gruppen. Sind also Entschließungen zu Aktionen, Ausführung von Aktionen auch autonom vor sich gegangen? Selbstständig?
Zeuge Gra[shof]:
Habe ich schon am Anfang darüber geredet. Ich habe das entwickelt an diesem Beispiel, von mir mal ins Auge gefaßten und diskutierten Aktion, das war allerdings innerhalb der Gruppe, ist klar. Aber das gilt auch für die Aktion von Gruppen, daß die Selbstständigkeit, also das ist [11324] eine komplexe Sache. Sicher, sie sind selbstständig, sie sind selbstständig im Rahmen der, im Rahmen der Kollektiv von allen Gruppen, von allen Mitgliedern auch, diskutierten und verbindlich dann auch. Ich meine, wenn die Entscheidung gelaufen ist, ist es auch verbindlich festgelegten Strategie.
RA Dr. He[ldmann]:
Wußten alle Mitglieder der Gesamtgruppe, welche Aktion etwa die Hamburger Gruppe morgen und übermorgen vor hat?
Zeuge Gra[shof]:
Welche Gruppe?
RA Dr. He[ldmann]:
Na die Mitglieder der Gesamtgruppe, der RAF. Wußten die denn alle, was übermorgen in Hamburg, die Hamburger Gruppe eine Aktion vorhaben wird.
OStA Ze[is]:
Herr Vorsitzender, wir beanstanden die Frage.
Sie unterstellt etwas, was der Zeuge noch nie gesagt hat. Von einer Hamburger Gruppe war in der Aussage des Zeugen, vorhin jedenfalls, nicht die Rede.
Vors.:
Die Beanstandung ist berechtigt.
Zeuge Gra[shof]:
Was heißt denn, die haben von einer Hamburger Gruppe.
RA Dr. He[ldmann]:
Beispielsweise von einer Hamburger Gruppe oder ...
Zeuge Gra[shof]:
Das ist doch klar, daß ich in der Hamburger Gruppe drinne war, oder etwa nicht. Ich bin in Hamburg festgenommen worden und habe in Hamburg, ich war sehr lange in Hamburg. Sicher, ich war in einer Hamburger Gruppe.
RA Dr. He[ldmann]:
Also meine Frage ist klar ...
Zeuge Gra[shof]:
Die Frage ist klar ...
RA Dr. He[ldmann]:
... beispielsweise eine Hamburger Gruppe, wenn es da eine gegeben haben sollte ja. Wußten sämtliche RAF-Mitglieder was die Hamburger Gruppe für eine Aktion beschlossen hat?
Zeuge Gra[shof]:
Nein.
RA Dr. He[ldmann]:
Das ist meine Frage. Autonomie der Gruppe, also auch in der Aktion?
Zeuge Gra[shof]:
Ja. Es war so, es war einfach so, was[iiiii] jetzt die Gesamtheit, der Gruppen betraf und das war eben auch der tagtägliche Prozeß der lief, zu organisieren. Das war eben die Logistik, die Struktur, also die Bedingungen, unter denen sich die Gesamtheit der Gruppen überhaupt reprodu- [11325] zieren konnten, mußten. Und das war natürlich, da gab es natürlich Verbindungen, das war also eine ziemlich einheitliche Sache, also auch Unterstützung[jjjjj], also einfach ist doch klar. Aber jetzt konkrete Aktionen, die Initiative ging aus jeweils von den Gruppen, von den Einzelnen in diesen Gruppen und wurden diskutiert; und sicher, wenn bestimmte Aktionen von bestimmten Qualität, sagen wir mal jetzt in der Wirkung implizieren, also Reaktionen, die möglicherweise alle Gruppen treffen oder so, dann war es so, oder war es manchmal so auch, daß dann ab einem bestimmten Stadium, wo also jetzt die Diskussion in der Gruppe vom, zum Punkt kommt, wo also jetzt konkret wird, wo also das, sagen wir mal bevorsteht, die Aktion, daß da dann andere Gruppen informiert werden. Aber es war nicht die Regel oder es war nicht ein Muß, wollen wir mal so sagen. Es war funktional. Also ich könnte mir vorstellen natürlich von dem was ich weiß, daß ein Angriff jetzt hier gegen Stadtkommandanten in Berlin, also so eine Aktion von einigen, von erheblich größerem Format, als beispielsweise bei Lorenz[31] gelaufen ist, jetzt hier. Also einfach mal um den Vergleich zu haben, für die Wirkung, die so was natürlich auslöst. Also es wäre also ganz ohne Zweifel wäre in Berlin, wären alliierten Vorbehaltsrechte[kkkkk] in Kraft getreten und der Notstand ausgelöst worden sowieso und auch in der Bundesrepublik, wenn das gelungen wäre, die Aktion. Aber es ist doch klar, daß über so eine Aktion ab einem gewissen Stadium natürlich alle Gruppen das Notwendigste wissen müssen. Aber auch nicht notwendig natürlich wieder die Einzelheiten. Also was sie, nehme ich an, gehe ich von aus, war ich ja nicht immer dabei, aber es ist auch so, Stadtkommandanten ist schon vorher immer mal besprochen worden. Wenn Müller sich daran nicht recht erinnern will oder kann, ich weiß es nicht, also es war ja auch so, daß die Gruppe ursprünglich denn von Berlin ausging. Und Stadtkommandanten und amerikanische Präsenzgarde in[lllll] Westberlin, das war schon immer ein Thema, klar. Ich habe da noch in Erinnerung, daß mal, also einer der Stadtkommandanten, ein Franzose, ich kann das jetzt nicht mehr genau sagen, es ist wirklich eine ganz [11326] blaße Erinnerung, soll, ich glaube, Massu[mmmmm] oder so gewesen sein. Der Französische General in Algerien, war, glaube ich, 70 oder 71 oder so, also es war mal, wurde mal so andiskutiert kann man sagen. Aber wie das so ist, ich meine, es wurde damals nicht gezielt geplant. Also so eine Aktion von so einem Niveau klar, da muß ab einer bestimmten Situation die anderen Gruppen und sind wahrscheinlich auch informiert worden, also über das wesentliche, daß eine Aktion bevorsteht oder gemacht wird von Gruppen oder mehreren Gruppen auch, gegen, zum Ziel von so einem Format und daß dort Gefangene meinetwegen mit befreit werden. Das kann ich mir vorstellen. Aber, also die Regel war das nicht. Es wurden also, die Gruppen waren autonom.
RA Dr. He[ldmann]:
Nicht die Regel.
Zeuge Gra[shof]:
Aber das ist kein Widerspruch, weil die kollektive Strategie, die wird bestimmt und das ist natürlich nicht so eine Sache, die sich ändert von Tag zu Tag, also wir sind, das habe ich am Anfang entwickelt einfach draufgekommen, daß es hier nur, Stadtguerilla hier nur laufen kann, eine Chance haben kann, nur richtig ist ... richtig ist gegen den Hauptfeind, also US-Imperialismus, der hier präsent ist und zwar ja hier in der Bundesrepublik die größte militärische Einrichtung außerhalb der USA unterhält. Also ich will mal eine Zahl nennen ...
Vors.:
Ich glaube, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, die Frage ist beantwortet, ganz klar. Bitte weitere Fragen zu stellen.
RA Dr. He[ldmann]:
Ist Ihnen mal bekannt geworden, daß Müller schon bevor er zur RAF gekommen ist, gegenüber Polizisten von einer Schußwaffe Gebrauch gemacht hat?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, Müller habe ich gesagt, habe ich vorhin schon erwähnt, kam meiner Erinnerung nach im Juli, also im Zusammenhang mit Petra Schelm, mit der Ermordung von Petra Schelm, der dadurch ausgelösten Aktion der Polizei, des Staatsschutzes, gegen das SPK in Heidelberg zur RAF. Von daher hat er auch den Begriff, daß, was bewaffneter Kampf ist. Und also ich kenne Müller natürlich, klar, und nicht von Heidelberg, sondern dann in der RAF, aber [11327] es ist ja auch so, daß Schußwaffengebrauch, beispielsweise, wenn er erforderlich ist[nnnnn], natürlich diskutiert wurde. Also es gibt wohl keinen Fall, wo da nicht alle dann so über[ooooo] wesentliche, was da gelaufen ist, dann auch informiert wurden, oder sich da also ...
RA Dr. He[ldmann]:
Diese konkrete Frage ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, also ich weiß, daß Müller, ich weiß zum Beispiel, aber das wird vielleicht hier nochmal verifiziert, daß Müller, bevor er zur RAF kam, also sehr stark so, na ja, Einzelaktionen, also unternommen hat. Aber immer, also in so einem Rahmen von so einem Zusammenhang, in dem er da war, also da immer so ein bißchen, na so ein putschistische Tendenz oder so oder wie man das nennt oder, ne, das ist eigentlich, so was man sagen kann, so unkontrollierte Geschichten. Weil diese Kontrolle, der Begriff Kontrolle ist nämlich deswegen, das ist auch ein Punkt, daß Müller ja auch behauptet, also wir hätten Kontrolle haben wollen oder bestimmte Leute, Baader, Andreas und Gudrun, die wollten kontrollieren, also ob Schußwaffen, ob zurückgeschossen, ob Schießbefehl eingehalten wird oder überhaupt. Na mir fällt dazu auch echt nur ein, auch gerade jetzt im Zusammenhang mit Müller, ich will ja jetzt nicht Einzelheiten eingehen, es gibt, ich meine, das merkt man ja, sieht man ja, daß er also offenbar was gegen Kontrolle hatte. Oder konkret, einfach also Aktion machen wollte, einfach also Aktion wollte, einfach so. Das ist natürlich ...
Vors.:
Gut, also Sie haben, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, keine Antwort darauf bekommen, keine klare, ob [ppppp] der Herr Zeuge etwas weiß, über Schußwaffengebrauch ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich kann es nicht ... ich weiß es nicht.
RA Dr. He[ldmann]:
Sie wissen es nicht?
Zeuge Gra[shof]:
Nein.
RA Dr. He[ldmann]:
Haben Sie am Hungerstreik teilgenommen?
Zeuge Gra[shof]:
Aber ich weiß ... Moment, ich weiß, daß Müller in verschiedenen anderen Situationen, außer der hier schon geschilderten, in Hamburg, also Schmid,[32] also geschossen hat.
RA Dr. He[ldmann]:
Hat Müller wegen seines Schußwaffengebrauchs, innerhalb der Gruppe, Auseinandersetzungen erlebt? Als Folge seines Schußwaffen... seiner Art von Schußwaffen- [11328] gebrauch?
Zeuge Gra[shof]:
Sicher, also Auseinandersetzungen, sagte ich ja, gab es immer. Also was verstehen Sie unter Auseinandersetzung? Diskussion oder Sanktion? Oder Ärger?
RA Dr. He[ldmann]:
Kritik, Kritik an seiner Art mit seiner Schußwaffe umzugehen.
Zeuge Gra[shof]:
Also an der Schmid-Aktion, also was heißt hier Aktion, an der, an der Tatsache, daß er dort einen Bullen umgelegt hat, da haben wir kritisiert vor allem also, daß die sich da also so undiszipliniert oder also so, daß sie einfach das, na so praktisch da, nicht direkt provoziert haben, aber, also wir haben sie mal gefragt dann in dem Zusammenhang, also Müller, was da eigentlich zu suchen war da, in dieser Gegend und so, weil es war also einfach klar, daß das ziemlich finster war da und daß da sowieso Haufen Polizei rumschwirrt nachts. Also so in dem Sinne haben wir es kritisiert. Also wir haben natürlich, wir haben ihn natürlich nicht kritisiert, daß er da geschossen hat, denn die Bullen waren ja auch bewaffnet und also, es sind aus mehreren Waffen, glaube ich, sogar geschossen worden, also ich war ja auch nicht dabei, ich habe das war eine Diskussion, die dann später lief. Also ...
RA Dr. He[ldmann]:
Haben Sie sich am Hungerstreik[33] beteiligt?
Zeuge Gra[shof]:
Ich mich, ja.
RA Dr. He[ldmann]:
Haben Sie einen Hungerstreik abgebrochen?
Zeuge Gra[shof]:
Ja.
RA Dr. He[ldmann]:
Sind Sie deswegen, entweder von Gruppenmitgliedern oder von Rechtsanwälten, sind Sie von irgendjemand, des Abbruchs wegen, gemaßregelt worden?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ne, womit denn? Also womit, wie gemaßregelt?
RA Dr. He[ldmann]:
Etwa um in den Müller’schen Darstellungsweisen zu bleiben durch Entzug des Infos[34] oder Beschränkung des Infos?
Zeuge Gra[shof]:
Ne. Ja dazu will ich auch mal was sagen. Ich finde das auch richtig und werde dazu hier genaues sagen, weil es ist klar, Hungerstreik. Dazu muß ich erstmal was sagen zum Hungerstreik oder soll ich das jetzt erstmal konkret [11329] beantworten. Moment mal. Also ich bin natürlich nicht bestraft worden oder was oder durch Entzug des Infos, das ist alles Dreck. Es hieß auch, ich hätte kein Geld mehr bekommen dann von den Gruppen, die mich finanziell unterstützen und es sei kein Geld mehr da und so, ja Sanktion. Und man hätte mich dann da wieder damit gezwungen wieder teilzunehmen. also ich habe abgebrochen und habe wieder angefangen. Und sagte ich auch gleich dazu, was ich da gemacht habe, das ist nichts anderes, als eine Flucht in der Aktion. Also in einer Aktion, so hatten wir den Hungerstreik bestimmt, als eine Aktion, in der ich abgehauen bin. Das ist vollkommen klar. Und da lief natürlich eine Kritik und auch eine Selbstkritik, natürlich entsprechend der Situation und der Bedeutung dieses Schritts, hart, aber vollkommen berechtigterweise, also die Kritik die kam, war ja einmal der Brief von Holger Meins[35], der ja im Spiegel veröffentlicht war und auch in verschiedenen anderen Publikationen, also zum Teil veröffentlicht war und dann, also in der er mich eindeutig aufforderte wieder anzufangen und hinterher das untersucht hat und das auf den Begriff gebracht hat. Und es wurde darauf verschiedentlich, glaube ich, behauptet, daß also dieser Brief hätte dann einen psychologischen Druck auf mich ausgeübt, Psycho-Terror und so weiter. Ich muß dazu, ich kann das nicht anders, ich muß dazu einfach was, zum Hungerstreik selbst sagen, weil das kann man nicht getrennt voneinander behandeln. Der Bestimmung, wie wir ihn bestimmt haben, na ja, seine Ziele und wieso überhaupt Hungerstreik, das war einfach die Tatsache, daß wir also, ich jetzt, bin ja zusammen mit Grundmann festgenommen worden, März 72, daß ich zum damaligen Zeitpunkt dreieinhalb Jahre isoliert war bereits. Als der Hungerstreik begann 14.9.74. Es war übrigens unser 3. kollektiver Hungerstreik. Die beiden anderen vorher waren jeweils abgebrochen nach ein paar Wochen, also einfach durch, weil sie auch zerschlagen versucht wurden, mit Wasserentzug und es war also der 3. Hungerstreik. Er richtete sich gegen Sonderbehandlung und Isolation. Wir waren von Anfang an isoliert [11330] als Gefangene aus der RAF. Wir haben, also ich kann das besonders sagen, ich, da ich ja ein paar Monate vor den anderen hier festgenommen wurde, wir haben da eine Zeit gebraucht, bis wir das überhaupt begriffen haben, was da eigentlich mit uns passiert, in der Isolation selbst, weil bei mir kommt auch hinzu, daß ich sehr schwer verletzt war[36] und praktisch 2 Monate da in der Quarantäne, quarantäneähnlichen Bedingungen, in so einer Krankenabteilung, also die war eben so fingiert als Krankenzelle, also ich mich auch nicht bewegen konnte. Ich war also tatsächlich isoliert, sozial und isoliert auch in dem Sinne also wie man eben im Krankenhaus isoliert ist auch. Also ich hatte zum Beispiel 2 Monate, da war mein Gebiß vollkommen verklammert, ich konnte nicht sprechen, ich mußte mich durch den Schlauch ernähren 2 Monate, also es, ich war vollkommen gefesselt, kann man sagen. Und es fing schon eigentlich an, deswegen muß ich da schon anfangen, weil ich kann auch nur über mich jetzt da reden, konkret, weil es ist natürlich bei allen so gelaufen, aber in Einzelheiten, also die Situation der Hilflosigkeit und der, also der Unfähigkeit, also daß alle Bedingungen fehlen, um zu sich selbst wieder zu kommen, es war klar. Ich stand da unter einem Schock, ich war aber bei vollem Bewußtsein, ich war da schwer verletzt, daß ich da, also da kamen zum Beispiel die Bullen ran, haben genau in der Situation mit Verhören angesetzt. Also sie haben buchstäblich mich verhört in der hilflosen Situation, also schon dort liegend am Tatort, also Fragen, wo sind die anderen, wie heißt du, wer bist du und während ich so langsam auslief da. Ich hatte Brustschuß, Kopfschuß und Armschuß. Und dann im Krankenhaus wurde ich eingeliefert, immer noch bei Bewußtsein, in die Intensivstation, da wurde dort versucht mich fingerabdruckmäßig unter der OP-Lampe zu behandeln und dann zwei Tage, also als ich aus der Narkose nach zwei Tagen aufwachte, wieder Bullen am Bett und dann also [11331] der Hammer und Abschuß dann, daß sie meine Eltern reinführten und ... also in dieser Situation, wo ich gar nicht, ich wußte nicht, was ist los und ich durfte auch nicht an einen Anwalt ran. Kam kein Anwalt. Es ist also auch eine Lüge, muß ich an dieser Stelle mal sagen, wir hätten also Mandate da zu Hauf schon im voraus immer geschrieben gehabt. Ich wollte damals den Rechtsanwalt Groenewold haben, bekam ihn nicht; und ein Pfleger, der mit uns zu sympathisieren schien, hat das einfach gemacht. Der hat sich sozusagen ein Herz genommen und hat dann mir die Vollmacht transportiert. Hat mir das gegeben und der ist dann später gefeuert worden. Es war einfach ein Student, der dort Nachtwache machte und das sah. Das Krankenhaus war belagert von Polizei. Das war also wirklich der dichteste Begriff von Isolation, den man eigentlich schon überhaupt haben kann. Also, weil es auch sichtbar lief. Das Krankenzimmer draußen, es war eine Mauer von Bullen. Sie schoben meine Eltern rein ans Bett und zwar nicht zum Zweck des Wiedersehens oder so, sondern um mich zu identifizieren. Drei Sätze, ich erkannte meine Eltern, sie mich, ah ha. Das war der Anfang und ich wurde dann geschoben, nach 4 Tagen, in Blitzaktion vom Staatsschutz, in eine Zelle vom Untersuchungsgefängnis.
BA. Dr. Wunder verlässt um 12.21 Uhr den Sitzungssaal.
Normale Haftzelle, vollkommen unhygienisch. Offenes Klo, ein Fenster, wo dauernd Sand und also[qqqqq] Flugsand reinkam, vollkommen verdreckt, so also wirklich wie diese alten Knäste noch sind und draußen hing lediglich ein Pappschild dran: Bestand des Zentralkrankenhaus. Dort wurde ich isoliert. Dann, also was wir nur als Lichtfolter bezeichnen können. Dauerlicht tags und nachts. Angeblich zu meiner eigenen Sicherheit, Selbstgefährdung und so ein Dreck. Und ich konnte mich nicht bewegen, ich war also angewiesen, auf das dürftige Hilfspersonal und Kalfaktoren und es ging also 2 Monate. Und ich kann jetzt sogar sagen, ich habe damals noch nicht so diesen Begriff davon gehabt, weil ich hatte keine, ich hatte keine [11332] sozialen Kontakte. Ich konnte nicht mit einem Anwalt reden, konnte ja auch wegen meinem Mund nicht reden. Es war also finster, ich war da und deswegen war ich, ich habe alles drangesetzt, daß ich da rauskam. Und ich kam nach 2 Monaten raus und kam aber nicht raus jetzt in eine normale Haftsituation, sondern wurde nur 5 Zellen weitergelegt, in eine normale Zelle, also dort auf der Sicherungsstation. Doppelgitter, links, rechts, oben, unten leer, nichts. Halbe Stunde Hofgang gefesselt auch noch. Ich meine, die Wunde ging andauernd wieder auf, weil ich immer auf dem Rücken gehen mußte, also es war ganz eindeutig, sie wollten mich fertigmachen. Ich habe so langsam das gemerkt, ich habe dann bei Besuchen, ich bekam dann Besuch von Angehörigen und zwar das BKA war dabei und sie versuchten dann eine Situation[rrrrr] zu provozieren, also in[sssss] der mir mein Vater Vorwürfe machte und umgekehrt und ich habe den Besuch abgebrochen. Er hatte eindeutig ein Verhörcharakter. Und das hat es bis heute. Sämtliche Besuche und da es auf Angehörige beschränkt, werden überwacht vom Bundeskriminalamt, beziehungsweise vom LKA, also vom Staatsschutz. Das war die Situation, also Einzelhofgang, Einzelbad, wie das ja bekannt ist, seit März 72. Und es ist im wesentlichen bis heute so. Es ist also seit den letzten anderthalb Jahren lediglich modifiziert, Isolation zu dritt. Das waren meine ersten Erfahrungen am Anfang und ich fing dann an, ja wir fingen dann so an, es kamen, zwei neue Leute wurden verhaftet, die die schon verhaftet waren in Berlin, hatten ja ähnliche[ttttt] Haftbedingungen und es stellte sich also raus, daß das überall das gleiche ist, die gleichen Erfahrungen im wesentlichen und es kam also, es war einfach nicht zu übersehen, daß dahinter eine Strategie und ein ganz präzises Ziel in der Absicht stand. Und wir kamen dann auch darauf, ziemlich schnell, durch so, na ja die Entscheidungsstrukturen, es gibt da so Haftbeschlüsse von Richtern und es zeigte sich sehr schnell BGH und Bundesanwaltschaft, als diese zentrale Instanz. Im Zusammenhang natürlich mit dem Bundeskriminalamt und auch den einzelnen Haftanstalten, also es gab extra Sicherheitsdelegierte in den Haftan- [11333] stalten, [uuuuu] es gab, was wir in Zweibrücken jetzt festgestellt haben, es gibt Kontrollbücher extra nur für mich, Jünschke, für Grundmann. In die tagtäglich eingetragen wird, alles. Ob ich nun nachts 1 Stunde länger schlafe oder was oder mit meiner Schreibmaschine tippe. Das hat der Anstaltsdirektor selbst zugegeben.
Vors.:
Ich glaube, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie hatten sich erkundigt, nach den Gründen ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich schildere jetzt die äußeren Bedingungen der Isolation ...
Vors.:
Herr Zeuge, ich möchte Sie auffordern, daß Sie zum Thema zurückkehren.
Zeuge Gra[shof]:
Also wir haben klar rausgekriegt, daß es ein Vernichtungsprozeß ist, in dem wir sind ...
Vors.:
Sie können das darstellen, daß das Ihr Motiv gewesen ist, wir brauchen jetzt nicht in allen Einzelheiten Dinge ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich rede doch nicht von Motiven ... reden wir vielleicht mal von Toten.
Vors.:
Die Frage ist gewesen, Herr Zeuge, was Sie veranlaßt hat abzubrechen und wieder aufzunehmen, was Ihre Motive dafür gewesen sind und diese Frage können Sie beantworten.
RA Dr. He[ldmann]:
Das war die Ausgangsfrage. Nur hat sich die Fragestellung[vvvvv] erweitert, wie kam es zum Hungerstreik. Also Ziele, Anlaß, Ziel, Funktion des Hungerstreiks.
Vors.:
Da ist ja nichts dagegen zu sagen, die Frage kann gestellt werden.
RA Dr. He[ldmann]:
Eben, das meine ich auch.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, wir haben also kurz und gut rausgekriegt, daß das ein Vernichtungsprozeß ist, in dem wir drinne sind und daß er gezielt eingesetzt wird und daß sein, daß der Zweck, also man kann es wirklich mit einem Satz sagen, es ist der Griff nach dem Gehirn. Also es ist oder so auch, das ist dasselbe, es ist genauso klar. Es ist der Versuch der Pathologisierung von revolutionärer Politik. Und vollends dann natürlich klar, als deutlich [11334] wurde, daß einzelne und also gezielt und merkwürdigerweise immer Frauen dann also in totale Isolation, also in den toten Trakt gesteckt wurden. Also ganze Gebäude in der Anstalt, die also vollkommen leer waren. Stille Trakt, tote Trakt.[37] Ulrike 8 Monate und vorher auch schon Astrid und daran zeigte sich ja auch schon am deutlichsten, Astrid mußte entlassen werden.[38] Also das muß man sich mal vorstellen, was das, für den Staatsschutz, also es beweist einfach was das eigentlich war. Die war im Prozeß ...
BA. Dr. Wunder erscheint wieder um[wwwww] 12.27 Uhr im Sitzungssaal.
Vors.:
Ich möchte Sie bitten, Herr Zeuge, daß Sie hier nicht ... Sie sollen ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja im Prozeß ... die Wirkung von ... 8 Monaten Isolation ...
Vors.:
... Augenblick, Sie sollen über Ihr Wissen berichten, das was Sie jetzt im Augenblick tun, ist, daß Sie argumentieren. Sie sind hier nicht dazu da, Reden zu halten und Argumente vorzubringen, sondern Ihr Wissen kundzutun.
Zeuge Gra[shof]:
... nach meinen Motiven ...
Vors.:
Ja und Sie haben im Augenblick jetzt auf den Fall Proll abgehoben und daran Argumente geknüpft ...
Zeuge Gra[shof]:
Das ist kein Fall ...
Vors.:
... daraufhin, daß Sie Ihr Wissen zu berichten haben als Zeuge. Wir wollen von Ihnen keine größeren Vorträge über Ihre Mutmaßungen haben.
Zeuge Gra[shof]:
Was heißt denn hier Mutmaßungen, sagen Sie, spinnen Sie ...
Vors.:
Fahren Sie jetzt bitte bei der ...
Zeuge Gra[shof]:
... das müssen Sie auch gerade von Mutmaßungen reden. Wo Sie auch hier zwei Gefangene, zwei tote Gefangene auf dem Gewissen[39] haben. Sie haben ja gar keins ... [xxxxx]
Vors.:
Ach, Herr Grashof, wissen Sie, mit solchen Dummheiten setze ich mich nicht auseinander. Bitte fahren Sie fort.
[11335] RA Dr. He[ldmann]:
Das wissen Sie also, daß Frau Proll nach dieser Haftsituation als haftunfähig entlassen werden mußte?
Zeuge Gra[shof]:
Also es gab ja auch eine Kommunikation dann später, deswegen weiß ich auch von ihrer [yyyyy] Situation. Und zwar ist das so gewesen, daß ich ihr schreiben konnte. Das war eben die einzige Ausnahme bei uns in Hamburg an Anfang. Wir durften unbeschränkt Briefwechsel führen. Es war also nicht eingeschränkt, aber natürlich erkennt man, nur zu dem Zweck, um Informationen rauszukriegen. Also vor allen Dingen Schriftwechsel zwischen Gefangenen aus der RAF. Es wurden Briefe von mir an Ali Jansen wurden beschlagnahmt, zum Beweismittel, daß er Mitglied der RAF sei und so. Na gut, ich hatte eine Korrespondenz mit Astrid. Sie saß damals in Köln und daran eigentlich habe ich erst gemerkt, was da los ist. Also meine und Ihre Situation überhaupt erst begriffen, weil, also ich habe sie da überhaupt nicht wiedererkannt, in der Korrespondenz. Sie war also in der Phase, in der Situation, wo sie dauernd, man kann sagen drogenabhängig war, auf Valium und anderes schweres Zeug angewiesen war. Sie hatten ihr zu dem Zeitpunkt damals ein Therapeuten extra abgestellt, der sie also unterweisen sollte, in also na, also Sensitivtraining oder also diese, um die vegetativen Geschichten, die da eben dauernd waren, also um das eben zu unterdrücken. Also diese schweinische Methode da. Sich selbst zu kurieren im Loch in der Zelle, im Trakt und in ihren Briefen, es war also, na ich würde mal sagen, schon ziemlich durchgeknallt, also anders konnte ich das nicht, und ich konnte es nicht begreifen und ich habe, darüber bin ich auch ich selber gestolpert. Na gut, wir haben dann die ersten Hungerstreiks gemacht, nachdem wir da gesehen haben, was dahintersteckt und es war einfach auch eine existenzielle Entscheidung für jeden Einzelnen, da jetzt gegen die Wirkung der Isolation zu kämpfen, das heißt, also um sein eigenes Bewußtsein zu kämpfen, die Identität.
Ende des Bandes 660.
[11336] Zeuge Gra[shof]:
Identität ist für mich, ist für uns ... Also Identität ist einfach, daß ich weiß, wer ich bin, wo komm ich her, was hab ich gemacht und was will ich. Was einfach verloren geht, durch die ganz gezielten und das ist ja auch eine Tatsache ... Wie können Sie denn dann da sagen, das sind nicht hier meine Wertungen oder was. Isolation als Mittel, als Folter ist einfach eine wissenschaftlich konzipierte Geschichte. Da geht überhaupt nichts dran vorbei. Und sie ist entwickelt worden und ich könnte hier lange Listen, und Sie kennen das auch genau, Sie wissen das, das ist Ihnen gebracht worden. Also das ist ja auch nicht neu und ich mein, der letzte Stand, ist doch einfach klar, was jetzt hier, naja, der Schah vom Iran jetzt neulich erklärt hat hier, ich glaub, in der Frankfurter Rundschau war es vor 14 Tagen. Er hat also die Behauptung, im Iran würde gefoltert, hat er zurückgewiesen ...
Vors.:
Ja, also der Schah vom Iran hat gesagt ... Seine Äußerungen interessieren nicht ...
Zeuge Gra[shof]:
... wir sind inzwischen umgestiegen ...
Vors.:
Ich entziehe Ihnen jetzt hier wegen Weiterungen das Wort. Bitte weitere Fragen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Wenn Sie Fragen haben und beantwortet wissen sollen, müssen Sie natürlich auch versuchen, daß Sie die Antworten so kanalisieren, daß hier der Zeuge nicht ständig abschweift. Sonst muß ich Ihnen das Wort entziehen. Bitte weitere Fragen zu stellen.
RA Dr. He[ldmann]:
Ja, Verzeihung, wollen Sie mir das Wort entziehen?
Vors.:
Ich habe gesagt, hier die Ausführungen über Schah und von Persien usw. und so fort, werden nicht zugelassen. Soweit ist das Wort entzogen. Jetzt können Sie weitere Fragen stellen.
RA Dr. He[ldmann]:
Also soweit waren wir in etwa: Der Hungerstreik als Reaktion auf Haftbedingungen. Habe ich das richtig verstanden?
Zeuge Gra[shof]:
Also wir befanden uns, so haben wir das analysiert, so war es auch bestimmt. Wir befanden uns also dort isoliert in der totalen Defensive, entwaffnet, isoliert. Und der Hungerstreik als einzige Waffe von Gefangenen, als legales Mittel, ja auch ein traditionelles Mittel, kollektiver Hungerstreik in der äußersten Defensive, als äußerste Offensive, natürlich gegen diesen Vernichtungsprozeß. Gegen diesen [11337] Vernichtungsprozeß, gegen, also konkret gegen diese Haftbedingungen. Mit dem Ziel Gleichbehandlung, Aufhebung der Isolation, Abschaffung der Sonderbehandlung. Und es war im September 74, so, wir waren uns darüber im klaren, daß die Folgen und die Auswirkungen der Isolation, also weitgehend auch irreversibel sind. Das ist ja dann auch rausgekommen eindeutig durch die Gutachten, hier und auch in Kaiserslautern, auch in Hamburg. Also es war einfach für uns eine existenzielle Entscheidung und so haben wir das bestimmt. Und wir haben das diskutiert. Wir haben den Hungerstreik kollektiv vorbereitet, diskutiert und natürlich wie alle Aktionen, wir haben den Hungerstreik als Aktion, als ein Gefecht bestimmt. Wir haben also entsprechend über seine Wirkung nachgedacht, über seine möglichen. Und na klar, es war also auch klar, daß es jetzt eine Reaktion auslösen würde. Was ja dann auch eintrat. Und jetzt muß man aber sehen, man ist also isoliert, dreieinhalb Jahre und jetzt hungert man. Daß das natürlich, naja, was heißt hier Spaß bringen, darum geht es nicht. Also daß das noch zusätzliche Probleme mit sich bringt, ist ja wohl klar. Also nach 4, 5, 6 Wochen lang, dann geht es ja erst los und ich kannte das. Ich hatte ja den ersten Hungerstreik gemacht, den zweiten und ich wollte den dritten Hungerstreik auch, wie alle anderen. Ich hab, wir haben das diskutiert. Es war also mein Kampf dort, mein Gefecht, meine Aktion. Also nicht nur Meins, also ich war da drin einfach identisch. Das war meine Identität. Ja, ich kann eigentlich nur sagen, ich hab das nicht, also das Bewußtsein was ich davon hatte, es war eben nicht so stark, wie es hätte sein sollen oder wie ich von mir annahm. Das heißt, ich hab dann, es war also wirklich am Anfang ein Flip, ich hab aufgehört. Nicht weil ich plötzlich die Politik der RAF oder diesen Hungerstreik, seine Ziele jetzt nicht mehr wollte oder plötzlich auf eine neue Einsicht gestoßen wäre oder was. Es war einfach, ich bin da weggelaufen. Das ist ganz klar, das ist das, ich bin weggelaufen, weil ich die Dimensionen nicht voll da mir angeeignet hatte, in dieser Sache. Es war mein Entschluß. Und was das jetzt implizierte, war mir aber auch sofort klar. Also es war mir klar, [11338] bevor ich schon die Kritiken bekam. Bloß war wahrscheinlich nicht klar, in der ganzen Weite. Also ich hab zunächst mal diese, was dann sofort kam, nachdem ich aufgehört hatte, war, ich hab es zunächst mal nur als meine eigene Niederlage empfunden. Also nur als meine eigene Niederlage, ja. Und hab es dann aber wieder auch gleichzeitig, also ich hab mich zu lange daran festgehalten ... sozusagen mich selbst ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Ihre Frage ist ja jetzt wohl in der Richtung beantwortet, die Darstellung des Herrn Zeugen, was ihn im einzelnen bewogen hat, sind wohl nicht Gegenstand Ihrer Frage gewesen.
Zeuge Gra[shof]:
Wieso denn nicht. Ich bestehe darauf, daß ich jetzt genau an dieser Stelle hier rede, wenn ich überhaupt rede.
Vors.:
Herr Wackernagel, ich darf übrigens darauf hinweisen, ich bemerke, daß Sie das Mikrofon, obwohl ich Ihnen keine Zustimmung[40] gegeben habe, meine Ausführung aufzunehmen, weiterhin laufen lassen. Ich möchte nachher das gesamte Band ...
Herr Wackernagel:
Ich habe es immer ausgemacht.
Vors.:
... Ist immer aus, wenn ich spreche. Ich möchte nachher, daß es kontrolliert wird. Ich bin nicht damit einverstanden, daß ich auf ein Zusatzgerät aufgenommen werde. Jetzt bitteschön, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie hatten noch eine Frage.
RA Dr. H[eldmann]:
Hat Rechtsanwalt Croissant versucht, Sie zur Fortsetzung des Hungerstreiks zu bewegen, zu ...
Zeuge Gra[shof]:
Nein. Das ist doch lächerlich. Kein Anwalt kann irgend jemand zu was bewegen. Kein Anwalt ist jemals ein Mitglied gewesen der RAF oder hat Weisungen gegeben, oder vermittelt. Das ist doch alles Dreck. Also ich habe aufgehört und ich habe wieder angefangen. Eigentlich ist ja auch dazu mehr nicht zu sagen. Also ich will das, ich will das auch hier erklären, weil es auch wichtig ist.
Vors.:
Nein, dazu haben Sie jetzt keine ... Sie haben die Frage gehört, weitere Fragen.
RA Dr. H[eldmann]:
Das ist schon meine Frage. Warum haben Sie denn wieder angefangen?
Vors.:
Ihre Frage lautete eben, ob Herr Rechtsanwalt Croissant ihn bestimmt habe, fortzufahren. Und er hat gesagt nein. Wenn Sie jetzt weitere Fragen haben, bitte ...
RA Dr. H[eldmann]:
Warum haben Sie denn wieder begonnen mit dem Hunger- [11339] streik. Warum haben Sie den Hungerstreik fortgesetzt, dann nach Abbruch?
Zeuge Gra[shof]:
Warum ich wieder angefangen hab?
RA Dr. H[eldmann]:
Ja.
Zeuge Gra[shof]:
Das war eigentlich selbstverständlich. Es war bloß, daß ich es nicht sofort gebracht habe. Es kam dann also, ich muß auch einfach sagen, daß dieser Abbruch, diese Flucht ist natürlich in der Hauptsache eine Wirkung der Isolation gewesen. Also es ist vollkommen undenkbar, daß ich draußen so etwas gebracht hätte. Also draußen im direkten Kontakt mit Menschen. Wir waren ja alle damals einzeln isoliert. Er war ja in Zweibrücken immer noch diese Situation, auch im September. Also dreieinhalb Jahre total isoliert, einzeln. Es ist also in der Hauptsache natürlich schon ... aber es ist überhaupt keine Entschuldigung. Das ist jetzt der Punkt, auf das ich mich zurückziehen kann ...
Vors.:
Ja Sie sind gefragt, warum Sie wieder fortgesetzt haben, Herr Grashof?
Zeuge Gra[shof]:
Naja, das habe ich eben erkannt, verdammt noch mal. Es ging da wirklich um eine existenzielle Entscheidung, verstehen Sie das?
RA Dr. H[eldmann]:
War es Ihre völlig freie, eigene Entscheidung?
Zeuge Gra[shof]:
Ja sicher, weil ich natürlich, ich hab doch gesagt, ich hatte überhaupt keinen Anlaß zu zweifeln an der Richtigkeit dieser Politik. Ich sah aber, oder bildete mir jetzt ein, das zu sehen und das zu behandeln war dasselbe. Ich brach also ab und hielt mich da dran fest. Also ich könnte das nicht mehr oder jetzt bin ich also im Arsch oder so, das war aber Dreck, weil die Gruppe da war. Natürlich hat die Gruppe gesagt, hör mal, fang wieder an. Also Jimmy, also Holger hat mir geschrieben, „hast du dir in die Hosen geschissen, wasch sie dir“, ja. Und das ist doch ein Ausdruck, also dieser Brief ist wirklich ein unheimlich starker Ausdruck. Das war die Gruppe, die an mich schrieb, nicht nur Holger. Also Holger hat damals zehn Tage vor seinem Tod wirklich die Meinung, und nicht nur die Meinung, sondern hat die Gruppe da in dem Brief natürlich verkörpert, wie jeder. Aber des- [11340] wegen ist der Brief auch veröffentlicht worden. Und ich will nur sagen, der Brief wurde veröffentlicht, bevor ich wieder anfing, noch in dieser Phase, wo ich da am schlingern war. Dieser Brief, der hat mir natürlich ungeheuer geholfen. Also ich hab mich da nicht jetzt da vor den Kopf geknallt gefühlt oder so. Es stand ja sogar im Spiegel: „an Grashof“
Vors.:
Gut, also es ist beantwortet aus freien Stücken ohne ...
Zeuge Gra[shof]:
Nicht aus freien Stücken, sondern angesichts der Situation und der Entschlossenheit der Bundesanwaltschaft uns zu vernichten. Was heißt hier aus freien Stücken?
Vors.:
Jedenfalls nicht aufgrund von Intervention von Herrn Rechtsanwalt Dr. Croissant.
Zeuge Gra[shof]:
... und der Unmöglichkeit von anderen Waffen, ganz einfach. Es gab nur die Alternative: zu kämpfen oder kaputt zu gehen. Oder eben hier dann umgedreht zu werden als Hülse, wie Müller.
Vors.:
Weitere Fragen, Herr Rechtsanwalt ...
Zeuge Gra[shof]:
Moment, es gibt noch ein Aspekt, weil behauptet wird, Croissant sei dann sofort gekommen und hätte mich bequatscht. Das ist falsch. Ich selbst habe darum gebeten, daß Croissant kommen möge und er ist dann auch sofort gekommen. Croissant war damals mein Anwalt. Weil ich ihm natürlich das mitteilen wollte, daß ich aufgehört hab. Weil ich das für wichtig hielt als Information für ihn und auch für die anderen. Und Croissant hat lediglich bei mir gesagt, also ich kam dann da rein, und er hat mich ja gekannt von drei Jahren vorher und hatte ein Bild da von mir und sagt, Mensch du bist ja ein ganz anderer, was ist denn los. Also er hat mich sogar auf den Dreh gebracht, mit dem er vielleicht, ich weiß nicht, mir helfen wollte oder so, hat gesagt, haben die dir vielleicht Drogen[zzzzz] reingetan oder was. Du bist ja vollkommen, ich kenn dich ja gar nicht so. Und das wars. Also was heißt, Croissant würde mich da erpresst haben, das ist ja lächerlich. Ich selbst hab gesagt, er soll herkommen. Und ich hab dann angefangen, weil das Kollektiv mich gebraucht hat auch, ja. Also ich hab dann erst begriffen, also ich hab da eine Presche geschlagen, bin da abgehauen, praktisch in dem Gefecht von der Stellung da, und dann wurde Holger ja ermordet. Es war also alles in dieser Situation. Ich hatte aufgehört, Holger wurde [11341] ermordet, der Brief erschien. Und dann kam auch noch dazu, daß das BKA, und das ist nun mal wesentlich, versucht hat, mich genau in der Situation zu knacken, aber sich verspekuliert hatte, weil ich schon inzwischen wieder angefangen hatte. Und das ist ja wesentlich auch für Müller. Darüber will ich auch noch was reden gleich. Ich hab also nicht aus freien Stücken, sondern ich habe freiwillig angefangen und zwar weil das Kollektiv, weil das immer so war, also niemanden bestraft ...
Vors.:
Ja. Die Frage ist jetzt genügend beantwortet. Der Herr Zeuge beleuchtet
Zeuge Gra[shof]:
Sie haben gesagt, komm ran oder komm nicht ran.[aaaaaa]
Vors.:
das wieder, denselben Kern von verschiedenen Seiten. Die Frage ist genügend beantwortet. Ich bitte, weitere Fragen zu stellen.
RA Dr. H[eldmann]:
Wissen Sie, wie es dem BKA, so wie Sie sich eben ausdrückten, gelungen ist, den Zeugen Müller zu knacken?
Zeuge Gra[shof]:
Ich glaub, ich hab da eine Vorstellung davon, weil ...
Vors.:
Haben Sie Wissen. Vorstellungen sind uns nicht genügend. Wir wollen wissen, ob Sie eigene Kenntnisse darüber haben.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ich bin mir da sicher. Ich bin gewiß und zwar deswegen, weil Müller auch damals aufgehört hat, kurz nach mir, glaube ich. Und das ist natürlich jetzt ein Zustand, wie ich ihn eben geschildert hab, indem natürlich, wo man alleine ist ...
Vors.:
Es zeigt sich, daß der Herr Zeuge aus seinem Zustand Rückschlüsse zieht ...
Zeuge Gra[shof]:
Nein, hören Sie doch mal hin ...
Vors.:
... und keine eigene Kenntnis hat. Ich lasse die Frage nicht zu ...
Zeuge Gra[shof]:
... das ist nämlich nicht aktenkundig geworden.
Vors.:
... Der Herr Zeuge ist nicht das geeignete Beweismittel, so eine Antwort zu geben.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, dann stellen Sie die Frage anders. Vielleicht kann ich auch mal selbständig was sagen dazu.
Vors.:
Nein, Herr Grashof, wir müssen uns jetzt bemühen, das ist auch die Aufgabe des Vorsitzenden, daß eine Aussage nicht ausufert. Sie neigen dazu, etwas auszuufern. Offenbar hat der Herr Zeuge kein Wissen, wie das „knacken“, wie Sie es bezeichnet haben, geschehen ist.
Zeuge Gra[shof]:
Ich bin kein Herr Zeuge, verdammt noch mal.
[11342] Vors.:
Wenn Sie das wissen, dann können Sie es darstellen. Wenn Sie aber bloß aus Ihren Verhältnissen Rückschlüsse ziehen ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich hab damals, mit Müller zusammen haben wir damals natürlich zusammen gekämpft. Das ist doch klar. Wir haben eine gemeinsame Geschichte ...
Vors.:
Wenn Sie ein Wissen haben, dann sagen Sie, woher Sie das Wissen haben, dann dürfen Sie da zu diesem Punkte aussagen.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, vom Bundeskriminalamt. Lassen Sie mich doch ausreden, von Herrn Klaus, der ist Ihnen ja vielleicht ein Begriff.
RA Dr. H[eldmann]:
Ja, der ist hier ein Begriff.
Zeuge Gra[shof]:
Eben. Und Herr Klaus tauchte also bei mir auf, erstmals und letztmals, genau in der Situation. Ich habe es jetzt nicht hier, blöderweise, weil ich es nicht finden konnte, in den ganzen Akten da, weil ich die momentan nicht hatte. Aber es läßt sich ohne weiteres nachprüfen. Es ist also so, daher kommt nämlich ... aus dieser Küche kommen die Geschichten. Grashof hängt durch, er kriegt kein Geld usw. er wird fallengelassen. Es gibt ein Fernschreiben des Landeskriminalamts und zwar hatten die da natürlich einen eigenen Dienst jetzt errichtet, um den Hungerstreik zu beobachten und abzuchecken. Ein Fernschreiben des LKA ans BKA, Grashof, steht da, hat aufgehört, Grashof kriegt kein Geld, Grashof erweckt den Eindruck oder was, von ähnlichen ... er wird fallengelassen. Ein Herantreten an ihn, zwecks Vernehmung, scheint angebracht. Ich glaub, so war präzis der Ausdruck. Das haben wir aber erst später gefunden in den Akten. Sache war, ich hatte aufgehört, hatte wieder angefangen und die anderen beiden, Wolfgang Grundmann[bbbbbb] und Klaus Jünschke waren in Mainz. - Ich war in dem Moment alleine in Zweibrücken -. Hatten wieder angefangen. Kam plötzlich abends ein Beamter und sagt, hier ist jemand von der Polizei, der will sich mal mit Ihnen unterhalten. Ich sagte, wieso, was. Ich sag, ist nichts. Kommt er da, schiebt sich rein, Sie werden ihn ja kennen, Klaus vom BKA. Kommt rein, sagt, Guten Tag, ich bin der Herr Klaus von BKA, Sie werden mich ja auch kennen. Ich sag ja, ich kenn Sie aus den Akten. Sie sind der, der hier die Psychogramme entwirft. Der, der sich hier mit dem Schriftverkehr usw. befaßt. Also der[cccccc] alle schriftlichen Unterlagen auswertet. Sie sind der, das habe ich ihm damals gesagt, Sie sind der, der [11343] also hier Zuordnungen vornimmt. Der Ulrike als Kopf und Andreas als Motor und Gudrun als die Seele usw. charakterisiert. Genau diese Schweinebegriffe, sind ja operative Begriffe, wie man inzwischen weiß, Kopf, Motor, Herz, Seele und so. Das war Klaus. Kommt rein, freudestrahlend und sagt, kennen Sie das, und wedelt mir da mit was vor der Nase. Ich sag, wieso? Ich kenn gar nichts, was wollen Sie? Ja, das ist doch von Ihnen. Zeigt mir das aber nicht, ist irgend etwas Getipptes. Ja, sagt er, wissen Sie, wir wissen ja Bescheid. Wir suchen hier nämlich einen Brief von Andreas Baader. Ich sag, was für ein Brief. Ja Sie wissen schon. Ich sag ne. Ja, wenn Sie ihn nicht freiwillig rausgeben, dann müssen wir mal die Zelle durchsuchen. Ich sag, haben Sie einen Durchsuchungsbefehl. Brauchen wir nicht, sagt er, das kennen Sie ja. Gut, er hat die Zelle durchsucht, zusammen mit einem anderen ... Achso, er versuchte am Anfang sich ja einzuführen mit einem Gespräch führen wollen. Und jetzt kam er also mit dem Brief plötzlich, als das nicht klappte. Und ich sagte, ich würde da aber dabei sein, ich bestehe da drauf. Und nun fing er also an da die Zellendurchsuchung vorzunehmen, die also im wesentlichen der Versuch war, mich anzuquatschen. Also er hat die Durchsuchung ...
Vors.:
Kommen Sie jetzt endlich zur Beantwortung der Frage. Ich lasse diese Art der Darstellung nicht weiter zu. Herr Rechtsanwalt, Ihre Frage ging dahin, ob der Herr Zeuge ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich will das jetzt hier mal darstellen ...
Vors.:
... ob der Zeuge wisse, wie das Bundeskriminalamt, wie Sie sich auszudrücken beliebten, den Herrn Müller geknackt habe. Und bis jetzt habe ich noch keinen Zusammenhang bei der Antwort zu dieser Frage gesehen. Wenn Sie jetzt nicht zur Beantwortung kommen, dann lasse ich die Antwort nicht weiter zu.
RA Dr. H[eldmann]:
Also fangen wir von vorne an. Wie hat das Bundeskriminalamt versucht, Sie zu knacken?
Zeuge Gra[shof]:
Eben, indem sie mir den Bullen Klaus, diesen sehr blessierten Typen auf die Zelle schickt, in dieser sehr speziellen Situation, von der sie eben fälschlicherweise annahm, daß sie noch anhält. Sache ist, was sie eben nicht wußten war, daß ich wieder angefangen hatte. Also Klaus kam [11344] noch rein und war im ersten Moment noch in der Meinung, ich würde am futtern sein und so. Und hätte mich also jetzt von der Gruppe praktisch also damit getrennt, bzw. rausgeflogen und so. Würde also in der Luft schweben. Aber ich hatte mein Bewußtsein schon wieder erobert, war am Hungerstreik, hab teilgenommen und alles. Kommt der rein, so, jetzt konnte ich natürlich nichts dagegen machen. Er wollte einerseits angeblich durchsuchen, andererseits, ich wollte dabei sein, weil ich sehen will, bin ich dabei geblieben. Das war aber der Trick. Er hat zwei Stunden nur so rumgewühlt, ja. Hat hier mal was angehoben und da, unter meinem Bett buchstäblich, und hat also versucht, so eine Beziehung herzustellen. Also ich kann Ihnen das mal so schildern. Das ist ja ein sehr hochgestellter Beamter. Macht den Schrank auf, guckt rein und sagt zu seinem Kollegen, ja guck mal hier, das ist ja wie bei Preußens und so. Naja, wenigstens einer, der Ordnung hält und so. Solche Sprüche. Dann guckt er mich an und sagt, ja du armer Junge, Holger Meins, ja, vielleicht hättest es du es[dddddd] sein sollen, weiß du das. Dann sagt er, ich kenn übrigens Holger. Ich kenn seine Familie gut, sagt er. Ich komm ja auch aus Hamburg und so. Er hatte so einen norddeutschen Akzent. Er ist so ein typischer Vaterbulle, also 45, 50 Jahre, blond, blau, so ein Hans-Albers-Typ. Naja, und duzt mich und solche Geschichten. Und ich sag, hören Sie mal und so, ich hab sehr einsilbig immer nur geantwortet. Ich denk, was will denn der. Und quatscht mich da zwei Stunden voll mit solchen Geschichten. Also im wesentlichen behauptet er implizit, wir, also einer der Gruppe hätte bestimmt, daß Holger stirbt und ich sei ja gut, und sei ja schlau und sei ja auch mutig, weil ich das durchschaut hätte und so. Vielleicht hätte es ja dich treffen sollen, sagt er zu mir. Dann fängt er an, mir so schmackhaft zu machen eine Entwicklung wie Mahler.[41] Das sei ja keineswegs so, wenn man sich von der Gruppe trenne, daß man dann gleich unpolitisch und Verräter, siehe Mahler, und findest du das nicht und so. Also immer du, na. Der andere Beamte hat nie etwas gesagt. Der war immer dabei und wühlte in den Papieren. Und dann sagte er und guckte mich an so mit stahlblauen Blicken in die Augen, und so sagt er zu mir, ich weiß ja, ich hab ja auch mit deinem [11345] Vater gesprochen. Ich weiß nicht, also es kann sein, daß er meinen Vater einmal angesprochen hat. Es sind mehrmals Bullen bei uns gewesen. Meine Mutter schmeißt sie immer raus. Mein Vater hat mich mal identifiziert. Sie versuchen, also auf jeden Fall versuchen sie es immer auch über die Familien zu kommen. Sagt er zu mir, ich weiß ja, wie das ist, lange Haare früher tragen und Ärger im Haus. Das kenn ich ja, ich hab ja auch einen Sohn. Also auf die Tour. Deswegen bin ich also zur Guerilla gegangen, weil ich früher keine langen Haare ... Nagut, fing er also an, guckt mich an, sagt er, du, ich weiß ja, du bist ja kein Mörder. Das ist so ein Satz, da komm ich jetzt drauf, den er eigentlich nur von Müller haben kann, denn woher will er das sonst wissen. Oder es ist ein Deal. Denn ich bin des zweifachen Mordes z.B. beschuldigt.[42] Guckt er mich an und sagt, ich weiß ja, du bist kein Mörder. Und ich sag, also jetzt ist aber Schluß und so und hauen sie endlich ab. Ja, Moment, wir sind noch nicht fertig. Das hat also BKA, Klaus, gesagt. Und dann ... er hat natürlich Müller nicht namentlich erwähnt, das ist vollkommen klar. Und weil ich nun auch noch nicht genau wußte, hat Müller jetzt angefangen oder wieder aufgehört oder so. Aber es ist im Nachhinein, ist es vollkommen klar, daß das bei Müller genauso gelaufen ist ...
Vors.:
Gut. Die Frage seiner eigenen Rolle ist geklärt, jetzt das sind Schlußfolgerungen. Bitte weitere Fragen.
Zeuge Gra[shof]:
... es war eindeutig ...
Vors.:
Bitte weitere Fragen zu stellen.
RA Dr. H[eldmann]:
Der Zeuge hat kein Mikrofon.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, er hat mir konkret durch die Blume einen Anwalt angeboten und hat gesagt, wenn das so ist, hier mit Anwalt und weiß ich ja, hast kein Geld und so, aber das ist ja nicht das Problem. Da findet sich immer einer. So hat er es formuliert ...
RA Dr. H[eldmann]:
Versprechungen gemacht?
Zeuge Gra[shof]:
Nicht Versprechungen, aber er hat also eindeutig, hat das so gemacht. Das war übrigens[eeeeee] das zweite Mal. Das erste Mal haben sie mir gleich nach der Festnahme, hat der Bell, das ist der Staatsanwalt jetzt in Kaiserslautern, [11346] der seinerzeit, als ich festgenommen war, Bundesanwalt war. Das ist ja auch mal ganz interessant. Also damals hat er in der Bundesanwaltschaft gefahndet[ffffff] und jetzt macht er da in Kaiserslautern die Staatsanwaltschaft. Er ist natürlich der Verbindungsmann der Bundesanwaltschaft in Kaiserslautern. Der Bell hat mir damals, also dringend nahegelegt, mir doch einen anderen Anwalt zu suchen. Und zwar genau konkret, nachdem ich meine Presseerklärung veröffentlichen ließ.
RA Dr. H[eldmann]:
Mit welcher Begründung?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, er kam an mit der Presseerklärung, wo ich mich also geäußert hab zu den behaupteten Vorfällen da bei unserer Festnahme. Wo ich das also klargestellt hatte und mein Anwalt hatte sie veröffentlicht für mich. Kam mit der Presseerklärung in der Zeitung und sagte, wollte erst mal wissen, wollt ihr mich linken, ob das so stimmt. Also wollt ihr da was, wie er das nennt da, gerichtsverwertbar oder so sich[gggggg] gleich sichern. Und fängt dann in dem Zusammenhang an, ich frage ihn, wollen sie mir hier einen anderen Anwalt empfehlen oder so. Nein, nein, aber gucken sie doch mal hier und so. Also wollte sagen, also was haben sie da für einen dilettantischen Anwalt. Macht für Sie die Presseerklärung, was ein Mordgeständnis ist oder was. So, das war der erste Versuch damals und das war eben hier in dem Zusammenhang der zweite Versuch.
RA Dr. H[eldmann]:
Haben Sie dann auch die gegenteilige Methode kennengelernt, etwa Drohungen oder Hinweise auf besonders strenge Bestrafung und dergleichen?
Zeuge Gra[shof]:
Naja, es war die Drohung natürlich ganz massiv. Und so ist sie auch nur richtig zu verstehen, die Drohung, ob es nicht mich hätte treffen sollen, anstatt Holger. Also der Staatsschutz, sicherlich hätte er mich, Grashof, aussuchen können, nicht.
RA Dr. H[eldmann]:
Haben Sie über diese Methoden, also Ihnen nahezukommen, also wie Sie hier von Herrn Klaus berichten ...
Zeuge Gra[shof]:
Also dazu muß ich sagen, ich war also von Anfang an, hatte ich überhaupt nicht den geringsten Zweifel, daß Holger ermordet worden ist, na. Es war auch vollkommen, also es kam auch aus heiterem Himmel, nach sieben Wochen. Es war also eine [11347] Situation, wo andere noch gar nicht zwangsernährt wurden.
RA Dr. H[eldmann]:
Haben Sie über diese Methoden mit Herrn Müller vielleicht korrespondiert?
Zeuge Gra[shof]:
Mit Müller über diese Methoden?
RA Dr. H[eldmann]:
Ja, so wie Sie sie eben von Herrn Klaus berichtet haben.
Zeuge Gra[shof]:
Danach oder wie?
RA Dr. H[eldmann]:
Danach ja, nachdem Sie selbst die Erfahrung hatten, Ihres vorher zur Zeit des Abbruchs Ihres[hhhhhh] Hungerstreiks.
Zeuge Gra[shof]:
Nein, nein.
Vors.:
Also die Frage hat ja nun keinen Sinn. Vorher kann man über etwas Geschehenes[iiiiii], was erst hinterher passiert, noch nicht diskutieren.
RA Dr. H[eldmann]:
Herr Vorsitzender, vielen Dank für diesen höchst aufschlußreichen Hinweis. Selbstverständlich konnte von Seiten Müllers über solche Methoden korrespondiert werden, ehe dieser Zeuge sie erlebt hatte.
Vors.:
Haben Sie gefragt, ob der Herr Zeuge mit Müller korrespondiert habe, vorher, bevor das passiert ist, was Gegenstand der Diskussion werden sollte.
Zeuge Gra[shof]:
Über solche Methoden als ...
RA Dr. H[eldmann]:
Herr Zeuge, ich vermute, Sie haben es begriffen, meine Frage?
Zeuge Gra[shof]:
Über solche Methoden?
RA Dr. H[eldmann]:
Ja, natürlich.
Zeuge Gra[shof]:
Ja sicher. Es gab solche Methoden, solche Versuche waren natürlich gang und gäbe. Aber natürlich haben die nur Sinn in einer bestimmten Situation. Das heißt, die ...
Vors.:
Das war nicht die Frage, sondern ob Sie mit Müller darüber diskutiert hätten.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, habe ich mit Müller darüber diskutiert. Wir haben alle darüber diskutiert. Das ist doch selbstverständlich. So[jjjjjj] haben wir auch erst den Begriff gekriegt von der ganzen Maschine, die um uns läuft. Also bestimmte Situationen, das sind immer die Situationen, die halt dann eben kritisch zu sein scheinen oder kritisch sind. Also z.B. nach der Festnahme der Schock oder auch nicht Schock oder eben in so einer Situation wie diesem Hungerstreik, an der ja nun alles hier mobilisiert wurde in der Bundesrepublik, was überhaupt [11348] nur Sache war, die gesamte öffentliche Meinung. Und es kann ja also keiner die Wirkung also dieses Hungerstreiks bestreiten und auch der, naja, was wir sagen, daß eben auch aus dieser äußersten Defensive sich die Politik der RAF in der Reaktion da vermittelt, ja.
RA Dr. H[eldmann]:
Haben Sie von Müller Informationen bekommen, daß ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich hab mit Müller gesprochen, ich hab von Müller gehört z.B., daß er in Köln von Beamten angesprochen worden ist. Daß es da Versuche gab, nach seiner Festnahme und dann in Köln.
RA Dr. H[eldmann]:
In welcher Weise?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, daß er wohl auch zunächst reingegangen ist, mit hingegangen ist, geredet hat, um mal zu hören, was ist und so. Also in dem Sinne, mal hören was die wollen, also mal sehen. So in der Weise habe ich davon gehört. Dann habe ich gehört, konkret von ihm, was auch bei anderen der Fall war, also weiß ich von mir auch, bei mir hat es aber nicht genutzt, daß sie versucht haben, über, also vermittels der Eltern, konkrete Situation ist ja bei einem Besuch, also da hab ich z.B., das habe ich gehört, als ich in Zweibrücken war, als ich eingewiesen wurde und Klaus Jünschke lag dort bereits. Er war ja in Darmstadt oder Offenbach festgenommen worden. Ich kam nach Zweibrücken dann von Hamburg und ich wußte ja nicht, daß er da liegt. Und da ging ich hoch zum Inspektorenzimmer und wollte telefonieren mit dem Anwalt und da mußte ich warten und da hörte ich dann so ein Gespräch am Telefon, Polizeiinspektor, und ist mir erst hinterher klar geworden, der hat sich ja über Jünschke unterhalten mit jemanden, der dort also einweist, isoliert, haben wir es erst hinterher realisiert. Da hat er also sinngemäß gesagt, was Besuch, dann und dann ja, kann laufen, ja. Beamte kommen, Eltern ja, der ist schon bald weich. Den haben wir bald soweit.
Vors.:
Hat das was mit dem Thema zu tun, ob Sie von Herrn Müller unterrichtet wurden über Maßnahmen, die ihm gegenüber des Bundeskriminalamt ...
Zeuge Gra[shof]:
Das hat was mit dem Thema zu tun. Glaub das mal.
Vors.:
Ich möchte Sie jetzt darauf hinweisen, daß die Anrede per Du, die Sie im Augenblick wieder verwendet haben, nicht hin- [11349] genommen wird. Sie können sich jetzt zu einer, zu der Frage einer weiteren Ordnungsstrafe wegen der Anrede per „Du“ äußern.
Ich höre, Sie wollen sich nicht äußern.
(Der Zeuge Grashof spricht unverständlich dazwischen)
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich nehme an, daß diese Antworten Ihnen nicht genügen, sie müssen dann wiederholt werden.
(nach geheimer Umfrage)
Der Senat hat beschlossen:
Es wird gegen den Herrn Zeugen erneut eine Ordnungshaft von 3 Tagen festgesetzt, weil er den Vorsitzenden zum wiederholten Male und trotz Mahnung mit Du anredet.
Ich würde jetzt vorschlagen, ich weiß nicht, wie weit Ihr Fragenprogramm sich noch ausdehnt. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, daß wir jetzt in eine Pause eintreten und Sie nach der Mittagspause Fragen stellen können. Wenn Sie nicht mehr viele Fragen haben, ist selbstverständlich Gelegenheit gegeben, das jetzt abzuschließen. Ich möchte es Ihnen anheimstellen.
RA Dr. H[eldmann]:
Frage, ob der Zeuge, ich brauche keine Pause. Aber Frage, ob der Zeuge eine Pause braucht.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ich wollte jetzt eine Pause haben.
Vors.:
Dann setzen wir die Sitzung um 14.15 Uhr fort, mit weiterer Befragung des Zeugen. 14.15 Uhr.
Pause von 12.57 bis 14.18 Uhr
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung:
Rechtsbeistand Newerla ist nicht mehr anwesend.
Vors.:
Herr Dr. Heldmann, bitteschön.
RA Dr. H[eldmann]:
Herr Grashof, haben Sie weitere Kenntnisse darüber, wie Herr Müller zu seinen Aussagen vorm BKA gekommen ist?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ich hab Kenntnisse, allgemeine Kenntnisse. Naja, was hier rauskam im Prozeßverlauf.
RA Dr. H[eldmann]:
Achso, ja. Wie es dazu gekommen ist, daß Herr Müller zu solchen Aussagen gekommen ist ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, was ich geschildert hab, wo ich überzeugt bin, daß das zum damaligen Zeitpunkt auch bei Müller gelaufen ist, [11350] kann ich noch vielleicht ergänzen, daß das sogar möglich ist, das ich sogar für sehr wahrscheinlich halte, daß Müller selber dann in der Folge das BKA sozusagen bestärkt hat, zu mir und möglicherweise auch noch zu anderen Leuten zu gehen, zu anderen Gefangenen. Also ich weiß von Müllers intensiven Bemühungen, auch jetzt andere Gefangene also dazu animieren, teilweise auch zu bedrohen. Ich weiß z.B., habe ich erfahren, letzte Woche, schriftlich durch einen Brief meiner Mutter, daß Müller seine Mutter, also seinerseits, zu meiner Mutter geschickt haben soll und auch dort gewesen ist. Also seine Mutter, Müllers Mutter, hat meine Mutter besucht. Ich bin momentan nicht in der Lage, ich krieg das noch raus, was da, meine Mutter hat es mir nur so als Tatbestand mitgeteilt. Ich kann mir darunter aber schon vorstellen, was dahinter gesteckt haben mag. Also konkret weiß ich nicht, wie es nun im einzelnen gelaufen ist, bei Müller. Aber es gab da Signale. Also es gab da einfach auch ... Das hat er ja auch selbst zugegeben. Er hat ja auch selbst darüber gesprochen in der Diskussion, im Info z.B. Es war ja bekannt, daß sie versucht haben, ihn nach seiner Festnahme rüberzuziehen.
RA Dr. H[eldmann]:
Wissen Sie auch mit welchen Methoden?
Der Rechtsbeistand des Zeugen Grashof, Rechtsanwalt Newerla, erscheint wieder um[kkkkkk] 14.21 Uhr im Sitzungssaal.
Zeuge Gra[shof]:
Ja: Angeboten, also es waren Journalisten, teilweise alte Bekannte von früher, die heute als Journalisten tätig sind. Es waren einfach Versprechungen. So konkret wie das eben immer ist dann.
RA Dr. H[eldmann]:
Sagten Sie eben, Müller hätte versucht, andere Gefangene zu bedrohen?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, das ist mir bekannt.
RA Dr. H[eldmann]:
Wie?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, indem er beispielsweise, er hat ja selbst geschrieben, daß er, also hat das selber[llllll] ganz offen, macht da kein Hehl draus, daß er angefangen hat, einen bestimmten Zeitpunkt, etwa ab Anfang 75, wie er sich ausdrückt, RAF Interna zu verkaufen, zu vermarkten an die Presse, also Journalisten usw. [11351] Also er hat versucht, er hat z.B. bestimmte Sachen aus dem Info, die er bekommen hat, die[mmmmmm] hat er behalten und damit also z.B. aus dem Diskussionsprozeß während[nnnnnn] des Hungerstreiks, Kritiken, Selbstkritiken von Leuten, die er heute, also er versucht, er spricht es aus, das und das habe ich noch von dir, und versucht das, das ist natürlich ein untauglicher Versuch, sicher. Ich weiß es konkret.[oooooo]
RA Dr. H[eldmann]:
Das und das habe ich noch von dir, ...[pppppp] weiter, das ist ja noch keine Drohung.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, aber er vermittelt das so rüber. Er schreibt auch Briefe. Er schreibt Briefe vom Staatsschutz, die vom Staatsschutz zensiert werden, also die gar nicht über den legalen, über den normalen Postverkehr laufen. Also er bequatscht Leute einfach, wo er meint, die seien schwankend. Leute von denen klar ist, bekannt ist, daß sie sich aus diesem Zusammenhang von der RAF gelöst haben, die aber weiterhin noch inhaftiert sind, auch teilweise isoliert sind. Das ist so jetzt sein Job. Und ich würde das schon und es kommt darauf an, ist das eine Drohung, ist das keine. Ich würde es natürlich nie als eine Bedrohung empfinden, aber also so detailliertes Papier, in dem jemand seine Situation schildert, offenbar, er faßt es als Drohung auf und meint damit landen zu können. So meine[qqqqqq] ich das.
RA Dr. H[eldmann]:
Wissen Sie, ob Beamte auch Herrn Müller nahegelegt haben, sich einen anderen Rechtsanwalt zu nehmen, als jenen, den er früher hatte, oder jene die er früher hatte?
Zeuge Gra[shof]:
Nö, weiß ich nicht.
RA Dr. H[eldmann]:
Wissen Sie, ob Herr Klaus auch den Herrn Müller vernommen hat, oder versucht hat zu vernehmen?
Zeuge Gra[shof]:
Ich weiß es natürlich nicht, kann es nicht beweisen. Aber alles spricht dafür, wirklich alle Anzeichen. Weil Klaus ist eben dadurch ... Also Klaus, muß ich sagen, hat in Kaiserslautern ausgesagt und ist dort gefragt worden zu seiner Funktion innerhalb des Bundeskriminalamtes und hat es so umrissen, seine Aufgabe sei, also seit der Fahndung nach der RAF, das gesamte schriftliche Material auszuwerten. Also alles, was sie in den Zellen klauen, die Aufzeichnungen [11352] der Gefangenen, Briefe, alles. Also auch einschließlich dann noch von Kommuniqués der RAF. Also er hat da einen ziemlichen Einblick.
RA Dr. H[eldmann]:
Und in welcher Weise auszuwerten?
Zeuge Gra[shof]:
Das hat insofern eine Rolle zu spielen, weil er natürlich jede Menge Daten weiß, wenn er hingeht zu Leuten. Also das ist auch[rrrrrr] klar, daß sowieso das BKA über jeden von uns Dossiers besitzt, die also umfangreich sind, also detaillierter als wir es selbst wissen können. Also das ist doch klar. Und Klaus ist da eben so eine zentrale Figur. Und wenn er hingeht, ich hab es ja geschildert wie er das macht. Also suggestiv, total. Er versucht da eben so eine Beziehung ... Im Grunde ist es sehr primitiv, aber es ist eben die Situation dann da. Mir ist es erst hinterher klar geworden, daß es zum selben Zeitpunkt war, wo Müller auch aufgehört hat.
RA Dr. H[eldmann]:
Sie erwähnten vorhin mal sinngemäß, der machte, die der machte Psychogramme oder der machte[ssssss] Psychogramme?
Zeuge Gra[shof]:
Ja.
RA Dr. H[eldmann]:
Meinen Sie das mit, gesamtes schriftliches Material auswerten oder auch das?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, er wertet das aus und deutet das[tttttt] dann [uuuuuu] aus. Also er ordnet Texte zu, aufgrund von, ich weiß nicht was, so ein Psychoscheiß oder was. Also er ordnet eindeutig Texte zu, die dann beispielsweise auftauchen in Dokumentationen des Bundesinnenministeriums, damals nach der Aktion Winterreise.[43] Wo Texte von uns drinnen sind, aus dem Zusammenhang gerissen, verfälscht, falsch zugeordnet. Das ist so das was Klaus macht. Wir wissen es, weil es sich deckt mit dem, was sich in den Akten auch wiederfindet, das BKA selbst. Also in den sogenannten Zellenordnern, in Sonderordnern Zellenzirkularen. Und es gibt dann immer so, alle viertel Jahr gibt es so Zwischenberichte von Klaus, inzwischen ist er ja auch befördert worden da, ich weiß nicht, er ist, glaube ich, im Moment Erster Kriminalhauptkommissar oder so. Was das ist, weiß ich auch nicht. Erster und zweiter. Also auf jeden Fall, er ordnet zu und er hat diese Begriffe geprägt und diese [11353] Zwischenergebnisse sind von ihm, also Zwischenberichte 20, 30 Seiten stark, die sind von ihm, die sind von ihm unterzeichnet.
RA Dr. H[eldmann]:
Hat Herr Klaus in Kaiserslautern als Zeuge auch ausgesagt, daß er sich in solcher Weise oder in anderer Weise als Ermittlungsbeamter, auch mit Herrn Müller befaßt hätte?
Zeuge Gra[shof]:
Ne, soweit ich weiß nicht. Ich war ja nicht da in Kaiserslautern. Wir sind da auch ausgeschlossen. Ich weiß es aus den Protokollen von Kaiserslautern. Also der ist eben halt befragt worden. Er ist dort in Kaiserslautern hin und sollte praktisch aus der Sicht des BKA die Geschichte der RAF da referieren und hat dann da halt einfach vorgelesen. Er hat echt vorgelesen aus seinen Akten. Also er hat da was vorgelesen, ohne daß er natürlich, das ist klar, wahrscheinlich wie es hier auch gelaufen ist. Und da hat er eben gesagt, daß seine Hauptaufgabe darin bestünde, schriftliches Material auszuwerten.
RA Dr. H[eldmann]:
Sie charakterisierten ihn vorhin mal mit dem Begriff „Vaterbulle“. Ist dieser Begriff von Ihnen oder haben Sie ihn von jemand anders übernommen?
Zeuge Gra[shof]:
Wieso, das ist doch immer so. Es gibt zwei Sorten Bullen. Also der harte Typ und der andere, der dann die weiche Welle, also und das ist der Angriff. Also das ist jetzt grob, aber es ist so. Er ist so der Typ, ach das sind doch Methoden. Ich mein, das ist doch alles altes bekanntes Zeug. Das ist auch nicht originell irgendwie. Also das sind so Methoden, mit denen eben Leute vernommen werden. Also das sind die sog. informellen Gespräche, die nirgendwo auftauchen. Das ist auch interessant, diese Zellenrazzia ...
Vors.:
Die Frage war, ob das Ihr Begriff ist „Vaterbulle“ oder ob das ein anderer Begriff ist. Bitte antworten Sie auf die gestellte Frage?
Zeuge Gra[shof]:
Also diese Zellenrazzia ist nie aufgetaucht in den Akten. Ich hab auch nie was bekommen, also nachträglich oder formell, Durchsuchung oder so. Er taucht einfach nicht auf. Obwohl sonst alles irgendwo auftaucht. Diese Zellenrazzia taucht nicht auf. Also informelle Befragung, informelle Vernehmung, so wie es eben läuft. Operatives Wissen wird eben so rausgefragt durch Kontakt- [11354] anbahnung[vvvvvv], naja, wie es gelaufen ist bei Ruhland,[44] bei diesen Leuten. Durch die persönliche Beziehung. Ich mein plump, ist unwahrscheinlich plump, klar. Also schulterklopfend[wwwwww], und das ist eben Typ „Vaterbulle“, sag ich dazu. Also das ist meine Bezeichnung.
RA Dr. H[eldmann]:
Ich fragte deswegen, weil nämlich dieser Begriff hier im Zusammenhang mit Müller-Vernehmungen schon einmal gefallen ist.
Zeuge Gra[shof]:
Wie bitte?
RA Dr. H[eldmann]:
Dieser Begriff, den hatten wir hier schon einmal gehört im Zusammenhang mit früheren Vernehmungen des späteren Zeugen Müller. Deswegen meine Frage, wo kommt dieser Begriff her.
Vors.:
Gut. Also die Frage ist beantwortet. Das ist ja keine neue Frage. Bitte weitere Fragen.
RA Dr. H[eldmann]:
Danke, ich habe keine Frage mehr.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen gewünscht? Ich sehe nicht.
OStA Z[eis]:
Herr Vorsitzender.
Vors.:
Herr Bundesanwalt Zeis.
OStA Z[eis]:
Ich hab zunächst einen Vorhalt zu machen und daran anschließend eine Frage. Der Vorhalt geht dahin, der Zeuge hat vorhin gesagt, es habe wegen seines vorübergehenden Abbruchs des Hungerstreiks keine Sanktionen gegen ihn stattgefunden. Ich möchte aus zwei Schreiben die von dem Herrn Zeugen stammen, eines an den Angeklagten Baader, ein anderes ging in das INFO, ihm folgendes vorhalten. Im ersten Schreiben steht: „Wie es aussieht, hast du mich schon aus dem Info rausgeschmissen.“ An anderer[xxxxxx] Stelle heißt es: „Dann drohst du wie ein Bulle, original mit 20 Jahren, mehr nicht und oder sich den Strick nehmen, höre ich ja nicht zum ersten Mal mein Lieber.“ An anderer Stelle: „Am Schluß dann der Hammer, von uns hast du nichts mehr zu erwarten, es sei denn, du begreifst es als Befehl. Okay, ich begriff es als Befehl, was heißt, ich sah die Scheiße nicht erst in dem Moment, die das fürs Kollektiv bedeutet, nämlich daß der Haufen leicht mal auseinander fällt und begann den Streik wieder am Freitag früh. Es geht aber nicht.“ Weitere Stelle: [11355] „Ich sage dir, es sitzen noch ganz andere Verräter in der RAF und ich akzeptiere einfach nicht die Gleichung, RAF gleich die Gefangenen aus der RAF“. Eine weitere Stelle: „Mit den Sanktionen“, ich darf es nun noch einmal wiederholen, „mit den Sanktionen, raus aus I., d.h. also aus Info I., Mandate abgeben, raus aus der RAF, drinnen, draußen für euch gestorben, bin ich einverstanden. Wenn es so ist, daß jetzt ein Exempel exemplarisch statuiert werden muß, denn Sache ist die Disziplin. Sie hat für alle zu gelten und natürlich kann und muß man es gerade in meinem Fall bringen, schließlich weiß ich eine Menge über diese Dinge. Aber in der Frage der Mandate bin ich nicht einverstanden, d.h., ich erlaube mir, diesen Vorschlag. Alle RA Connections werden auf Eis gelegt. Das heißt, keine Besuche mehr, keine Info von euch über Rechtsanwälte an mich, keine schriftlichen Dinge usw. Lediglich juristischer Kram und gegebenenfalls Anweisungen und Befehle von euch. Und die Möglichkeit über die Rechtsanwälte an euch zu schreiben, direkt, also an einzelne, die man jetzt nicht benennen könnte, deren Entscheidung es jeweils wäre, sie, die Depeschen ins I zu bringen oder anders zu kollektivieren. Falls es das Info dann nicht mehr gibt oder was. Eine andere Möglichkeit, ich behalte ein Mandat, das ihr bestimmen könnt, ihr bestimmen könnt. Dann natürlich gibt es kein Anwaltsbüro, das nicht zwangsläufig gegen die RAF eingestellt ist. Mit einem[yyyyyy] Typen könnte ich nichts anfangen, daß ihr, wir nicht bereits haben. Und einen Bossi kann ich mir nicht leisten. Ohne einen Anwalt eine Connection zum Überleben, zum Arbeiten, weil ich mir natürlich keinen Strick nehme, vielleicht aber sicher nicht dafür. Info III usw. werde ich mir ebenfalls selbst organisieren, werde auch weiterhin finanzielle Unterstützungen von der Roten Hilfe[45] Frankfurt in Anspruch nehmen. Falls ihr eine Erklärung öffentlich verlangt, müßt ihr es sagen. Ansonsten würde ich Wert darauf legen, weiterhin über die Entwicklung des Streiks informiert zu werden. Im Falle eines Wasserentzugs bei irgendeinem bin ich sofort wieder im Hungerstreik, Durststreik mit allen nur möglichen Widerstandskisten. Was ich noch an Arbeit hier [11356] liegen habe, Zeugs, Bücher etc. gebe ich an HH KG SMN. Eine Selbstkritik die vielleicht mal ein bißchen tiefer geht, als alles, was bisher so kam, werde ich auch noch versuchen, so oder so. Und wenn sie nur für mich ist. Irre jedenfalls in dem siebenseiten Schrieb von dir dann ganz im Widerspruch zum werden wir sehen, ob wir vergessen können, raus aus I und raus aus der RAF. Solange bis das hier erscheint, behalte ich die Kopie davon.“
Ende von Band 661
[11357] OStA Z[eis]:
Herr Grashof, wollen Sie nach diesem Vorhalt, nach diesem Schreiben, in dem Sie selbst von Sanktionen sprechen, weiterhin Ihre Meinung aufrechterhalten, daß wegen Ihres vorübergehenden Abbruchs des Hungerstreiks keine Sanktionen gegen Sie stattgefunden haben, wie Sie es vorhin auf entsprechende Frage des Herrn Rechtsanwalts Dr. Heldmann angegeben haben?
Zeuge Gra[shof]:
Natürlich.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich beanstande diese Frage.
Zeuge Gra[shof]:
Warum?
RA Dr. He[ldmann]:
Eine Frage, die die[zzzzzz] Unterstellung enthält; dieser Brief stammte vom Zeugen Grashof ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, Moment, warum?
RA Dr. He[ldmann]:
... das ist ja bisher noch nicht geklärt.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, nun, was soll’s. Ich werde diese Frage beantworten, weil ... naja, das war ja zu erwarten.
Vors.:
Herr Grashof, Voraussetzung ist, daß Sie also diese Schreiben als das Ihre anerkennen.
Zeuge Gra[shof]:
Ach, was wollen Sie denn. Der Kern ist doch von der Bundesanwaltschaft jetzt die ...
Vors.:
Ist das Ihr Schreiben?
Zeuge Gra[shof]:
Der Kern ist doch der Strick, darauf wollen Sie doch hinaus oder?
Vors.:
Sind das Ihre Zeilen?
Zeuge Gra[shof]:
Meine Zeilen?
Vors.:
Ja. Herr Dr. Heldmann hat ja beanstandet, es seien gar nicht Ihre Zeilen, das sei nicht erwiesen.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich habe nicht beanstandet ... sondern ich habe beanstandet, der Oberstaatsanwalt Zeis ...
Zeuge Gra[shof]:
Also ...
RA Dr. He[ldmann]:
... unterstellt mit seiner Frage, dieses Schreiben stammte von Herrn Grashof ...
Vors.:
Ja, eben, also damit ...
RA Dr. He[ldmann]:
... zu klären wäre.
Vors.:
... stellen Sie dann Ihren Zweifel. Deswegen frage ich Herrn Grashof ...
RA Dr. He[ldmann]:
Also ich frage ...
Vors.:
... Voraussetzung: sind das Ihre Zeilen, wenn ja, dann können Sie selbstverständlich jetzt gleich die Antwort geben.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, es sind meine Zeilen ...
Vors.:
Bitte.
[11358] Zeuge Gra[shof]:
... und es kann auch sein, soweit daß das[aaaaaaa] der Brief ist mit den Dings, also Klaus damals bei mir ankam, aber er hat mir den natürlich nicht gezeigt. Er hat mir damit vor der Nase herumgewedelt, was Schreibmaschinengeschriebenes, Kopiertes. Ich weiß einfach aus den Akten, daß die Bundesanwaltschaft auch noch mehr Briefe hat in diesem Zusammenhang. Also sie liest jetzt diesen Brief vor, und na gut. Der Punkt ist, worauf sie hinaus will, das ist der Strick, das ist doch klar. Also der Mord an Ulrike, das ist die Funktion, weswegen er das jetzt hier einführt. Und er will also wissen, ob Sanktion. Naja, ich habe vorhin erklärt, wir haben den Hungerstreik als Gefecht bestimmt, als äußerste Defensive, als eine existentielle Entscheidung, natürlich immer wie jeder Kampf, [bbbbbbb] Kampf auf Leben und Tod, das ist vollkommen klar. Denn in jeder Aktion, im bewaffneten Kampf, kann man eben sterben und so haben wir es auch definiert, daß das Leben eben[ccccccc] nicht das höchste[ddddddd] Gut ist eines[eeeeeee] Revolutionärs, o.k. Und ich will jetzt mal bei dem Strick einfach bleiben[fffffff], weil das ... ich werde das jetzt mal auflösen.
Vors.:
Wir habens nicht[ggggggg] mit dem Strick mit der Frage[hhhhhhh] zu tun ...
Zeuge Gra[shof]:
Sondern?
Vors.:
... sondern der Frage, ob Sie weiterhin[iiiiiii] ...
Zeuge Gra[shof]:
Naja, das ist ja wohl die schärfste Sanktion oder?
Vors.:
... ob Sie weiterhin bei der Behauptung bleiben, wegen der Aufgabe des Hungerstreiks seien keine Sanktionen angedroht oder auch vollstreckt worden.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, ich bleibe bei dieser Aussage.
Vors.:
Gut, ja, das war die Frage. Ich bitte die zu beantworten.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, wollen Sie hier nur ja oder nein hören oder was?
Vors.:
Nein, Sie dürfen die Ausführungen geben ...
Zeuge Gra[shof]:
Also die Androhung oder die Empfehlung[jjjjjjj], sich einen Strick zu nehmen, ist doch wohl die härteste[kkkkkkk] Sanktion, die man jemanden auferlegen kann, oder? Das ist aber falsch, wie es da zitiert wird, also ... jetzt hier ...
Vors.:
Also Sie bestätigen damit, daß Sanktionen [lllllll] angedroht worden sind.
Zeuge Gra[shof]:
Nein.
Vors.:
Anders kann man Ihre Antwort bis[mmmmmmm] jetzt nicht verstehen, dann ...
Zeuge Gra[shof]:
Also, der hat doch den Brief vorgelesen, doch nicht der einzelnen Sachen, sondern es ging doch um konkret um den Strick, der taucht doch da zweimal auf, und das ist doch kein Zufall.
Vors.:
Es ging um das Info, raus aus dem Info oder ...[nnnnnnn]
[11359] Zeuge Gra[shof]:
Ach, es geht gar nicht um das Info ...
Vors.:
... raus aus der RAF und so weiter und so fort.
Zeuge Gra[shof]:
... es geht darum, daß Sie hier eine autoritäre Struktur behaupten, also in der Art, daß jemand, der nicht mehr kämpft, also hier entweder liquidiert wird oder sich selbst liquidiert oder was weiß ich. Und das ist doch Ulrike jetzt, das ist doch genau diese Platte hier seit dem 9.5., was soll denn das.
Vors.:
Herr Grashof, mit Frau Meinhof kann das, was Sie damals vor langer Zeit geschrieben haben, nichts zu tun haben. Das wäre kein Sachzusammenhang ...
Zeuge Gra[shof]:
Das ist ja wohl lächerlich ...
Vors.:
... Sie sollen angesichts ...
Zeuge Gra[shof]:
Dieser Brief ist angeblich Andreas, das wissen Sie ganz genau.
Vors.:
... angesichts Ihrer eigenen Ausführungen mit dem Strick, mit der RAF, mit „raus aus „I““. Sie sagten, das sind Ihre Zeilen.
Zeuge Gra[shof]:
Versuchen Sie doch nicht zu verschleiern. Dies soll ein Brief von mir sein, und ich sage ja, ich habe das auch geschrieben, als Antwort auf einen Brief von einem anderen Gefangenen, d. h. die Antwort auf eine Kritik an mir; in dem ich also Bezug nehme, unter anderem auf Strick, ja oder nicht?
Vors.:
Ja, jetzt erklären Sie, ob ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, also, und das ist doch der Inhalt, dieser Schweineangriff jetzt, der von dort kommt, aber ich kann das auflösen.
Vors.:
Ja, da muß ich Sie schon wieder darauf hinweisen ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja.
Vors.:
... daß eine Ordnungshaft in Frage kommt. Wollen Sie sich dazu äußern? Sie haben im Augenblick den Vorhalt und die Frage der Bundesanwaltschaft als einen „Schweineangriff“ bezeichnet. Wollen Sie sich äußern dazu?
Zeuge Gra[shof]:
Ja, weil es das ist, weil es also auch zu erwarten war, hundertprozentig.
Vors.:
Das ist Ihre Äußerung.
Zeuge Gra[shof]:
Das ist so banal.
Vors.:
(nach geheimer Umfrage)
Der Senat hat beschlossen:
Es wird gegen den Zeugen eine weitere Ordnungshaft von 1 Woche festgesetzt, da er die Bundesanwaltschaft als „Schweine“ bezeichnet hat, in dem er Vorhalte, die die Bundesanwaltschaft gemacht hat[ooooooo], als „Schweineangriff“ bezeichnet.
Auf die Gelegenheit hin, sich zu äußern, hat der Zeuge erklärt, es sei auch so.
[11360] Zeuge Gra[shof]:
Kann ich jetzt was dazu sagen?
Vors.:
Ja, jetzt Ihre Antwort.
Zeuge Gra[shof]:
Also 1. Es gab ein Info und es gab ein Hungerstreik-Info. Das ist ja inzwischen bekannt. Es gab also ... wir haben damals das Info konkret bestimmt für den Hungerstreik. An diesem Info haben teilgenommen alle, die den Hungerstreik gemacht haben.
Das nur zu der sogenannten Sanktion oder was, daß ich aus dem Info rausflieg oder was. Ich selbst habe das ja gewollt, weil ich natürlich, also aufgehört in der Situation und habe in der Situation natürlich auch nichts im Info zu suchen, also ist doch klar, überhaupt keine Sanktion. Weil Informationen, der Umgang mit Informationen ist funktional. Was interessiert oder hat mich zu interessieren in der Situation, wo ich nicht mehr im Hungerstreik drinnen bin, was andere im Hungerstreik jetzt machen oder entwickeln ... das Info: HS, Hungerstreik, das dazu.
Wir hatten das also als ein Gefecht bestimmt, habe ich gesagt, ich wiederhole es jetzt nicht nochmal. Und Ulrike hatte beispielsweise für alle Gefangenen aus der RAF am 14.9. in Berlin die Hungerstreikserklärung verlesen. Und voran einfach gestellt diesen Satz, daß also Menschen, die sich weigern, den Kampf aufzuhören, daß die nicht zu unterdrücken sind, daß die also entweder gewinnen oder sterben, und daß Menschen, die den Kampf aufhören, daß die also verlieren und sterben. Das war, also das ist wichtig der Satz, weil der einfach unser Verhältnis dazu kennzeichnet, also zum Kampf und zu der Entschlossenheit da drinnen und zu der Dialektik. Also von dem Angriff, denn das ist wichtig, wir befanden uns in der Defensive, wir befanden uns in der strategischen Defensive als Gefangene aus der RAF. Und natürlich ...
Vors.:
Herr Bundesanwalt Zeis, ...
Zeuge Gra[shof]:
... und natürlich ...
Vors.:
- verzeihen Sie - ich möchte bloß von Ihnen dann den Hinweis bekommen, wann Sie Ihre Frage als ausreichend beantwortet ansehen.
Zeuge Gra[shof]:
... und natürlich ...
[11361] OStA Z[eis]:
Herr Vorsitzender, für mich ist sie[ppppppp] an und für sich schon längst beantwortet. Ich hätte lediglich ...
Zeuge Gra[shof]:
Was ...
OStA Z[eis]:
Herr Grashof, ...
Zeuge Gra[shof]:
Was wollen Sie denn wissen? Sie wollen doch wissen, ob[qqqqqqq] was sanktioniert wurde, oder?
Ja, und es wurde nicht sanktioniert, und ich entwickle das jetzt an den einzelnen Linien ...
OStA Z[eis]:
Herr Grashof, vielleicht, damit der Zusammenhang mehr gewahrt wird, dann können Sie es gleich[rrrrrrr] zusammen machen, aus einem anderem Schreiben von Ihnen, auch nochmal wegen Sanktion ...
Zeuge Gra[shof]:
Ach komm, ein’s nach dem anderen. Anderes Schreiben ...
OStA Z[eis]:
Ja, dann können Sie doch Ihre Antwort ...
Zeuge Gra[shof]:
... es gibt noch viele Schreiben.
OStA Z[eis]:
Herr Grashof, dann können Sie doch Ihre Antwort zusammenfassend geben, sonst müßten Sie es vielleicht nochmal wiederholen. Es kommt dann diese Selbstkritik von Ihnen ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, lesen Sie es doch mal vor dann.
OStA Z[eis]:
Ja, eben.
Zeuge Gra[shof]:
Ich lese vielleicht auch mal was vor, den Brief von Jimmy nämlich.
OStA Z[eis]:
Ja, ja, mache ich:
„Mein letzter Schweinebrief bedarf eigentlich keines Kommentars mehr“ Aus diesem Schreiben möchte ich zitieren.
Zeuge Gra[shof]:
Eben.
OStA Z[eis]:
Da heißt es - Seite 3 -: „Ich antworte Euch, statt Ehre möchte ich den Begriff Selbstachtung setzen, das Gegenteil davon ist Feigheit; Feigheit vor dem Feind. Das [sssssss] aber genau ist[ttttttt] die richtige, exakte Definition meines Verhaltes. Soweit ich weiß, wird dieses Problem in regulären Armeen mit der Todesstrafe bestraft, meist ... und in Guerilla-Armeen mit dem Ausstoß und der politischen Ächtung, soweit ich sehe und es richtig verstehe. Habt ihr die letzte Form der Sanktion“ - jetzt wieder das Wort „Sanktion“ - „bestimmt, d. h. es gibt auch keine Möglichkeit mehr rehabilitiert zu werden. I. Raus aus RAF, raus aus Info I[uuuuuuu] für immer und Lösung aller Mandate. Das ist Gleichbedeutung mit Ausstoß und politischer Ächtung. Ich empfand, das ist ungerecht und hatte die gleiche Sanktion doch erst vor einer Woche für andere gefordert.“
Jetzt[vvvvvvv] mein[wwwwwww] Vorhalt, da erscheint auf dieser kurzen Passage, Herr Grashof, doch wieder zweimal das Wort „Sanktion“. Bleiben Sie immer [11362] noch dabei, daß keine Sanktionen ...
Zeuge Gra[shof]:
Ja, was haben Sie denn ...
OStA Z[eis]:
... gegen Sie stattgefunden haben?
Zeuge Gra[shof]:
Ich habe doch erklärt, wenn Sie vielleicht vorhin zugehört hätten, habe ich doch erklärt, meine Situation, meine wirklich ausgeflippte Situation, nachdem ich aufgehört hatte. Also ausgeflippt in diesem Sinne: Ich hatte mein Bewußtsein vollständig verloren, sonst hätte ich ja nicht aufgehört. Das war doch die Situation konkret. Damit will ich aber natürlich nicht hier dieses ganze Schreiben jetzt einfach vom Tisch runtererklären, das wäre doch[xxxxxxx] auch wieder falsch. Sicher ist, daß in diesem Schreiben alle Begriffe und alle ... daß das schwimmt, ja, daß das also natürlich, da ist natürlich unheimlich viel falsch[yyyyyyy] drin und ich will das auch nicht im Einzelnen hier ausführen, ich kann das kurz machen. Was da wesentlich einfach falsch drin ist, in diesen Selbstkritiken noch, denn das waren ja noch nur schriftliche Selbstkritiken: Als ich sie schrieb, war ich ja immer noch, war ich ja, hatte ich ja noch nicht angefangen wieder. Das war also, daß ich eines vollkommen übersehen hatte, daß ich zwar abgehauen bin, in der Aktion, aber daß ich jederzeit natürlich und einfach durch den Schritt, in dem ich’s tue, die Möglichkeit hatte und haben würde und ja auch gehabt habe, wieder anzufangen, zu kämpfen, also einfach wieder, was ich vorhin gesagt habe, wieder anfangen.
Vors.:
Herr Zeuge, wollen Sie endlich die Antwort geben. Die Frage lautet schlicht und einfach, ob Sie bei Ihrer Behauptung bleiben, es sei wegen Ihres „Ausflippens“ oder wie Sie es immer bezeichnen, keine Sanktion verhängt worden [zzzzzzz]?
Zeuge Gra[shof]:
Also was soll denn nun konkret diese Sanktion sein, das will ich jetzt mal wissen.
Vors.:
Was Sie jetzt im Augenblick tun, ist eine zusätzliche Selbstkritik oder wie man es begreifen will, aber keine Antwort auf das, was hier ...
Zeuge Gra[shof]:
Ach, Du Affe, hast doch keine Ahnung von Selbstkritik und Kritik ... und im Prozess von militantem ...
Vors.:
Herr Grashof, hören Sie auf ...
Zeuge Gra[shof]:
Das ist doch lächerlich ...
Vors.:
Wollen Sie jetzt die Antwort geben?
Zeuge Gra[shof]:
Ich möchte jetzt wissen von der Bundesanwaltschaft, was sie konkret unter Sanktionen ...
[11363] Vors.:
Raus aus Info I ...
Zeuge Gra[shof]:
Das ist keine Sanktion, das habe ich schon erklärt, sondern eine Selbstverständlichkeit. Das Info war funktional ...
Vors.:
Politische Ächtung?
Zeuge Gra[shof]:
Politische Ächtung? Wer hat wen politisch geächtet?
Vors.:
Steht in Ihrem Schreiben.
Zeuge Gra[shof]:
Ja, steht in meinem Schreiben, aber es ist doch vollkommen frisiertes Zeug.
Vors.:
Dann sagen Sie, wenn Sie Falsches geschrieben haben ...
Zeuge Gra[shof]:
Ich bin nicht politisch geächtet worden.
Vors.:
Dann kann Ihre Antwort vielleicht so lauten ... Ich möchte sie Ihnen nicht in den Mund legen.
Zeuge Gra[shof]:
Das sind subjektive Geschichten von jemand, der 3 ½ Jahre isoliert war. Selbstverständlich habe ich das geschrieben. Ich habe keinen Grund, das zu leugnen.
Vors.:
Gut, er will nicht mehr festhalten an der Sache und ich will fragen ...
OStA Zeis:
Die Frage ist ausreichend beantwortet, Herr Versitzender.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?
Zeuge Gra[shof]:
Das ist doch lächerlich.
Vors.:
Ich sehe nicht.
Der Zeuge Grashof bleibt unbeidigt gem. § 60 Ziff. 2 StPO[46] wegen Tatbeteiligung.
Zeuge Gra[shof]:
Ich bin noch nicht fertig. Ich will dazu noch was ausführen.
Vors.:
Dankeschön, die Vernehmung ist abgeschlossen. Es sind keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen. Der Herr Zeuge ist wieder aus dem Saale zu bringen.
Der Zeuge Grashof wird im allseitigen Einvernehmen um 14.47 Uhr entlassen.
Zeuge Gra[shof]:
Das gibts doch nicht ...
Ich will dies hier mit dem Strick von Ulrike auflösen.
Vors.:
Wir machen jetzt eine Pause von 5 Minuten. Am Schluß dieser Pause bitte ich dann wieder hier zu sein und den Zeugen Jünschke vorzuführen.
[11364] Während das Gericht den Sitzungssaal verlässt erklärt der Zeuge Grashof folgendes:
„Das war Mord. Ulrike hat sich nicht aufgehängt. Sie hat sich auch nicht aufhängen brauchen, weil sie hat kämpfen können und sie hat gekämpft. Genau wie ich auch wieder kämpfen würde, wenn ...“
Daraufhin wird der Zeuge Grashof aus dem Sitzungssaal abgeführt.
Pause von 14.47 Uhr - 14.54 Uhr
Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.54 Uhr
Der Rechtsbeistand des Zeugen Grashof, Rechtsanwalt Newerla, ist nicht mehr anwesend[aaaaaaaa].
Reg. Dir. Widera ist nicht mehr[bbbbbbbb] anwesend.
Der Zeuge Jünschke - vorgeführt aus Untersuchungshaft - ist anwesend.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort. Es ist jetzt der Zeuge Jünschke anwesend.
Der Zeuge Jünschke wird gem. § 57 StPO belehrt.
Der Zeuge Jünschke ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonhand einverstanden.
Der Zeuge Jünschke wird gem. § 55 StPO belehrt.
Die Personalien des Zeugen werden wie folgt festgestellt:
Klaus Jünschke, berufslos, geb.[Tag].[Monat].1947,
z. Zt. Justizvollzugsanstalt Zweibrücken,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
[11365] Vors.:
Sie haben beim letzten Mal schon mitbekommen, daß die Verteidigung Ihre Anhörung beantragt zu folgenden zwei Themen: Sie sollen sagen können ...
Zeuge Jün[schke]:
Ja, ja, das weiß ich, Augenblick mal, bevor es hier überhaupt mal anfängt ...
Vors.:
... kennen Sie das noch, Struktur und ...
Zeuge Jün[schke]:
... ja, Augenblick.
Vors.:
Nein, ich muß Ihnen die Beweisthemen hier benennen, das lässt sich nicht umgehen.
Zeuge Jün[schke]:
Ich kenn das.
Vors.:
Ich muß es trotzdem nochmals in Erinnerung rufen, der Prozeßordnung wegen:
... Daß es[cccccccc] in der Roten Armee Fraktion keine hierarchische Struktur oder ein sonstiges Verhältnis der Über- oder Unterordnung, auch nicht in tatsächlicher Hinsicht gegeben habe, und daß die Rote Armee Fraktion nicht als offene Gruppe, sondern in kleinen, zahlenmäßig eng begrenzten Gruppen organisiert gewesen sei, wobei sich der Informationsaustausch auf die jeweilige Gruppe und deren Mitglieder beschränkt habe. Kurzum, Stichwort: Struktur und Informationsaustausch.
Zeuge Jün[schke]:
Ja, und bevor ich vielleicht hier überhaupt Fragen oder irgendwas beantworten werde, verlange ich, daß Manfred Grashof hier[dddddddd] nochmal rein kann, und zwar aus dem einen Grund. Ich habe eben, als er rauskam, von ihm gehört, mit welcher Tücke hier versucht worden ist, versucht wurde, ihn für den aus dem Zusammenhang gerissenen Strick nicht mehr zu Wort zukommen zulassen. Und daß die Situation hier so war, daß er ausführlich über die Situation, den Hungerstreik 1974, gesprochen hat und daß er genau zu diesem Punkt auch noch was sagen wollte und daß Sie hier geschlossen, wie abgesprochen aufgestanden sind und den Saal verlassen haben. Und deswegen läuft hier nichts, bevor er nicht nochmal reinkann, das ist ganz klar.
Vors.:
Vor Ihrer Vernehmung hat das Gericht eine Pause gemacht. Es ist selbstverständlich nicht die Möglichkeit eines Zeugen, Bedingungen dieser Art zu stellen, bevor er sich bequemt, seine Aussage zu machen. Sie haben jetzt Gelegenheit, die Antwort auf die von der Verteidigung gestellten Beweisthemen, die ich Ihnen eben bekanntgegeben habe, zu geben. Die Frage, ob Herr Grashof gehört werden muß oder nicht, ob seine Vernehmung abgeschlossen war oder nicht, können Sie nicht beurteilen, Sie waren nicht dabei.
Wollen Sie jetzt nicht die Antwort geben?
[11366] Zeuge Jün[schke]:
Ich kann das beurteilen, da er mir das gesagt hat.
Vors.:
Naja, Herr Jünschke ...
Zeuge Jün[schke]:
Da oben ist Ulrike umgebracht worden mit einem Strick.
Vors.:
Ja, jetzt hören Sie nur zu. Es geht Sie ...
Zeuge Jün[schke]:
Und hier läuft überhaupt nichts, bevor er nicht ...
Vors.:
Jetzt sind Sie ...
Zeuge Jün[schke]:
... die Gelegenheit hat, das hier aufzulösen ...
Vors.:
Sie können ...
Zeuge Jün[schke]:
... so wie das war.
Vors.:
Herr Jünschke, ich weise Sie darauf hin: Wir haben Sie hier schon mal hier zu vernehmen versucht, wir haben dann einen weiteren Versuch unternommen. Wir haben Sie heute deswegen hier vorgeladen, weil die Anfrage, die wir bei Ihnen über die Anstalt gemacht haben, ob Sie nämlich ohne Bedingungen bereit sind, hier Ihre Aussage zur Sache zu machen, bestätigt worden ist von Ihnen; jetzt ist die Gelegenheit das zu tun.
Reg. dir. Widera erscheint wieder um[eeeeeeee] 14.59 Uhr im Sitzungssaal.
Ich weise Sie darauf hin, wenn Sie sich jetzt wieder mit Bedingungen hier äußern, wird das Gericht unter Umständen daraus die Überzeugung nehmen müssen, daß Sie nicht bereit sind, Angaben zur Sache zu machen. Sie haben jetzt Gelegenheit. Jetzt ist die Vernehmung des Herrn Jünschke, nicht die des Herrn Grashof!
Und jetzt bitte ich Sie Antwort zu geben auf die bereits Ihnen bekanntgegebenen Themen.
Zeuge Jün[schke]:
Sie haben gehört, was ich gesagt habe.
Vors.:
Das heißt, Sie wollen also keine Aussagen machen?
Bedingungen dieser Art können Sie nicht stellen.
Zeuge Jün[schke]:
Ich will, daß jetzt Manfred Grashof die Gelegenheit bekommt, zu diesem letzten Stück nochmals Stellung zu nehmen.
Vors.:
Ich versichere Ihnen, daß Herr Grashof nicht hereinkommt und daß Herr Grashof nicht mehr jetzt gehört werden kann.
Zeuge Jün[schke]:
Dann läuft hier nichts mehr, das ist ganz einfach.
Vors.:
Dann wollen Sie keine Aussagen machen?
Der Zeuge Jünschke steht auf und will den Sitzungssaal verlassen. Er wird von 5 Vollzugsbeamten unter Anwendung der Handschließe daran gehindert.
[11367] Vors.:
Bleiben Sie nochmal einen Moment hier.
Nein, nein, Herr Jünschke, bleiben Sie noch einen Moment hier.
Wird irgendein Antrag gestellt im Zusammenhang damit?
BA Dr. Wu[nder]:
Ich stelle den Antrag, da der Zeuge grundlos - grundlos - das Zeugnis verweigert, nach § 70 StPO[47] ihm ...
Zeuge Jün[schke]:
Du Schwein, halt die Fresse ...
BA Dr. Wu[nder]:
... ihm durch die Weigerung entstandenen Kosten aufzuerlegen und außerdem ein Ordnungsgeld von 300,-- DM, ersatzweise 6 Tage Haft, zu verhängen.
Vors.:
Ja, dann zunächst noch, bevor über diesen Antrag entschieden wird: Sie haben soeben den Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder als „Schwein“ bezeichnet. Es ist die Frage einer Ordnungshaft wegen Ungebühr zu prüfen. Wollen Sie sich dazu äußern, Herr Jünschke?
Zeuge Jün[schke]:
Tu doch nicht so, als hättest Du Hemmungen, Du Schwein.
Vors.:
Und jetzt kommt dazu, daß Sie auch mich als „Schwein“ bezeichnet haben und mit „Du“ anreden.
Zu beiden Beleidigungen, die Sie vorgehracht haben, könnten Ordnungsstrafen verhängt werden. Wollen Sie sich dazu äußern? Es müßte also nicht einheitlich abgehandelt werden, sondern könnte getrennt behandelt werden.
Sie wollen sich nicht äußern, wie ich sehe.
(nach geheimer Umfrage)
Zunächst beschließt das Gericht: Gegen den Zeugen wird, weil er Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder als „Schwein“ bezeichnet hat, eine Ordnungshaft von
1 Woche verhängt;
außerdem wird eine weitere Ordnungshaft von
1 Woche verhängt
weil er auch den Vorsitzenden als „Schwein“ bezeichnet hat und auf die Gelegenheit sich zu äußern, erklärt hat: „Tu doch nicht so, als hättest Du Hemmungen“.
Jetzt bitte nehmen Sie Platz, Herr Jünschke. Wir müssen jetzt über den weiteren Antrag entscheiden.
Der Zeuge Jünschke versucht weiterhin, den Sitzungssaal zu verlassen.
[11368] Herr Jünschke, es hat keinen Wert.
Zeuge Jün[schke]:
Ich werde jetzt gehen, da hier nichts mehr läuft mit uns.
Vors.:
Nein, nein, Herr Jünschke, das werden Sie nicht tun.
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, es ist ein Zeuge, den Sie gewünscht haben. Er ist jetzt zum dritten Mal da und es besteht die Möglichkeit, ich weise ausdrücklich darauf jetzt hin, daß die vorhin angedeutete Überzeugung gezogen werden muß, daß dieser Zeuge nicht bereit ist, hier Aussagen zur Sache zu machen, und daß es nicht mehr der Aufklärungspflicht entspricht, einen Zeugen etwa zum vierten Mal hierherzuholen. Sie hätten vielleicht die Möglichkeit, ich weiß es nicht, durch ein entsprechendes Wort an den Zeugen ihn zu veranlassen, jetzt doch seine Aussage zuerst zu machen und ihm klarzumachen, daß eine vorherige Anhörung, überhaupt ein[ffffffff] Antrag seinerseits, Herrn Grashof nochmals zu hören, sinnwidrig ist und nichts mit seinen Befugnissen zu tun hat. Wollen Sie in der Richtung auf den Zeugen einwirken? Wenn ja, haben Sie dazu Gelegenheit.
RA Dr. He[ldmann]:
Sagten Sie, Herr Vorsitzender, der Zeuge sei dreimal hier gewesen?
Vors.:
Richtig zuhören bitte; zweimal hier und jetzt ist es der dritte Versuch.
RA Dr. He[ldmann]:
Richtig zuhören, sagten Sie?
Vors.:
Ja, wir haben ihn einmal hiergehabt, wie Sie genau wissen, und außerdem in Zweibrücken den zweiten Versuch unternommen und jetzt ist er zum dritten Mal hier. Aber das war nicht die Frage an Sie, sondern ob Sie bereit sind, sich an den Herrn Zeugen zu wenden mit der Aufforderung oder Bitte, daß er Ihnen entgegenkommt. Das ist ja Ihr Zeuge.
RA Dr. He[ldmann]:
Wenn der Zeuge hier sagt, daß er nicht auszusagen bereit ist, gleich unter welchen Kautelen, habe ich dem nichts hinzuzufügen.
Vors.:
Dann wird zunächstmal über den Antrag beschlossen, gem. § 70 StPO zu entscheiden.
(nach geheimer Umfrage)
Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst:
Dem Zeugen werden, weil er das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert, die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von
300,-- DM
und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft von 6 Tagen festgesetzt.
[11369] Von weiteren Maßnahmen wird abgesehen.
Sind an den Herrn Zeugen noch zusätzliche Fragen, nach dem er sich weigert - zum dritten Mal weigert - Angaben zu machen? Ich sehe nicht.
Bezüglich seiner Angaben zur Person bleibt der Zeuge Jünschke gem. § 60 Nr. 2 StPO wegen Verdachtes der Tatbeteiligung unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 15.05 Uhr entlassen.
Vors.:
Wir sind damit am Ende des heutigen Sitzungstages.
Ich habe noch einen Beschluß bekanntzugeben, der gestern vom Senat gefasst worden ist im Anschluß an die Erörterungen der Entschuldigungen von Frau Roll.
Der Vorsitzende verliest den Beschluss vom 24. August 1976.
Eine Ablichtung dieses Beschlusses wird dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt.
Herr Rechtsanwalt.
RA Dr. He[ldmann]:
... rege ich an, die Ordnungsstrafe, die Sie gegen Frau Roll als Zeugin verhängt haben, noch einmal zu revidieren, denn ihre seinerzeitige Entschuldigung entspricht dem, was sie dieses Mal dem Senat vorgetragen hat.
Vors.:
Wir haben das bereits erwogen. Darüber werden wir befinden. Wir setzen dann morgen die Sitzung fort mit der Vernehmung der Zeugen Jansen und Reinders.
Wir wollen um 9.00 Uhr beginnen, auf die Gefahr hin, daß mit Rücksicht auf einen vielleicht verzögerten Antransport eine Pause vor Beginn der Vernehmung notwendig ist.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß in Ausführung dieses Beschlusses auf kommissarische bzw. konsularische Vernehmung[48] von Frau Roll bereits das entsprechende Schreiben, Ersuchen, an das deutsche Generalkonsulat in Mailand abgegangen ist. Die entsprechenden Unterlagen finden sich wie immer in dem eigens für diese Beweisanträge [11370] angelegten Ordner, der sich auf der Geschäftsstelle befindet. Damit sind wir am Ende der Sitzung.
Morgen früh Fortsetzung, 9.00 Uhr.
Ende der Hauptverhandlung um 15.09 Uhr
Ende Band 662
[11371-11372][49]
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] 1974 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Recht auf ein faires Verfahren verlange, Zeug/innen grundsätzlich das Recht zuzugestehen, einen Rechtsbeistand des Vertrauens zur Vernehmung hinzuzuziehen, wenn sie es für die Wahrnehmung ihrer prozessualen Befugnisse erforderlich hielten. Insbesondere die Lage derjenigen Zeug/innen, die sich durch ihre Aussage der eigenen Strafverfolgung aussetzen könnten, sei mit der Lage von Beschuldigten in einem Strafverfahren vergleichbar (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 - Az.: 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, S. 105, 112 ff.). Inzwischen ist dieses Recht gesetzlich in § 68b StPO verankert.
[3] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“
[4] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[5] Am 131. Verhandlungstag stellten die Zeugen Jünschke und Grashof ihre Aussage unter die Bedingung, dass ihnen die Verhandlungsprotokolle der Hauptverhandlung hinsichtlich der Aussagen des Zeugen Müller ausgehändigt werden; anschließend bräuchten sie weitere 14 Tage zwecks Durcharbeitung, danach wären sie zur Aussage bereit (S. 10951, 10955, 10974 des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag).
[6] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Zur Diskussion um die Zulässigkeit der Verlesung des Protokolls der kommissarischen Vernehmung der Zeugen Jünschke und Grashof s. S. 11250 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (137. Verhandlungstag).
[7] Nach § 238 Abs. 1 StPO erfolgt die Beweisaufnahme durch den/die Vorsitzende/n. Fragen der anderen Verfahrensbeteiligten sind nach § 240 StPO ebenfalls zuzulassen, allerdings grundsätzlich erst im Anschluss an die Befragung durch den/die Vorsitzende/n (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgericht, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 238 Rn. 11). Etwas anderes ist nur für die Fälle des § 239 StPO (Kreuzverhör) vorgesehen; dafür erforderlich ist aber ein übereinstimmender Antrag von Verteidigung und Staatsanwaltschaft.
[8] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.
[9] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. In seiner Aussage schilderte er u.a. die Struktur der RAF als „offene Gruppe“, in der jede/r alle wusste bzw. hätte wissen können (S. 10221 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 124. Verhandlungstag). Die Verteidigung versuchte, diese Behauptung zu widerlegen.
[10] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde, sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; dem Angeklagten Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322; s. zu den Tatvorwürfen und späteren Verurteilungen auch DER SPIEGEL, Ausgabe 24/77 vom 6.6.1977, S. 104).
[11] Die 20-jährige Petra Schelm starb am 15. Juli 1971 in Hamburg. Sie entkam in ihrem Auto zunächst einer Polizeisperre und flüchtete schließlich, nachdem sie durch ein weiteres Polizeifahrzeug gestoppt werden konnte, mit ihrem Begleiter Werner Hoppe zu Fuß vor der Polizei. Bei einem Schusswechsel mit zwei Polizeibeamten wurde sie durch einen Kopfschuss getötet. Sie war das erste Todesopfer aus den Reihen der RAF. Ihr Tod löste nach Angaben von Mitgliedern eine Radikalisierung der Gruppe aus (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 312 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 64).
[12] Werner Hoppe wurde im Anschluss an den Schusswechsel, bei dem Petra Schelm getötet wurde, verhaftet (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 253 ff.). Dabei soll er versucht haben, sich seiner Festnahme durch mehrere Schüsse auf Polizeibeamte zu entziehen. Hoppe verbrachte ca. zehn Monate in Untersuchungshaft in einer isolierten Einzelzelle. Er wurde schließlich durch das LG Hamburg mit Urteil vom 26.7.1972 wegen dreifachen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt. Der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wurde bereits im Ermittlungsverfahren wegen fehlender Beweise eingestellt. Das Urteil wurde insbesondere für seine Beweiswürdigung stark kritisiert (Overath, Drachenzähne, 1991, S. 54 ff., 62).
[13] Während des Vietnamkrieges wandten die USA die militärische Methode des „search and destroy“ an. Das Ziel dieser Methode bestand in der gezielten Suche und Ausschaltung möglichst vieler gegnerischer Kämpfer/innen (durch Verletzung, Gefangennahme oder Tötung) bei gleichzeitig geringen eigenen Verlusten. Den amerikanischen Streitkräften gelangen mit dieser Taktik allerdings keine Gebietsgewinne. Demgegenüber stand eine verheerende Zahl von zivilen und militärischen Todesopfern (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 131 f., 138).
[14] Im Sommer 1970 reisten u.a. Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Brigitte Asdonk, Peter Homann, Heinrich Jansen, Astrid Proll, Manfred Grashof, Petra Schelm, Hans-Jürgen Bäcker und Horst Mahler nach Jordanien. Dort erhielten sie unter Anleitung der palästinensischen Terrororganisation El Fatah eine paramilitärische Ausbildung (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 209 ff.; Daase, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 531, 918 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 198 ff.).
[15] Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und mit dem Ziel, die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien einzudämmen, führten die USA in Vietnam von 1964 bis 1973 einen Luft- und Bodenkrieg gegen die südvietnamesische Befreiungsfront und nordvietnamesische Truppen. Trotz wachsender Proteste in der amerikanischen Bevölkerung und entgegen den Einschätzungen und Warnungen hochrangiger Berater, entschieden sich mehrere US-Präsidenten für die Fortsetzung der Kämpfe. Während dieses Krieges griff das US-amerikanische Militär auf Methoden zurück, die darauf ausgerichtet waren, möglichst viele Gegner/innen auszuschalten und deren Strukturen zu zerschlagen (Fischer, Die USA im Vietnamkrieg, 2009, S. 104 ff.; Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 83 ff.; 126 ff.; 144 ff.; 187 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 56 ff.). Der Krieg der USA in Vietnam stieß seit Ende der 1960er Jahre auf zunehmende Kritik und Proteste, auch innerhalb der Bundesrepublik. Die RAF verstand sich selbst als Teil eines weltweiten Kampfes gegen den (US-)Imperialismus, dessen Schlachtfelder sie nicht nur in den Ländern der „Dritten Welt“, sondern auch in den Metropolen wie der Bundesrepublik verortete. Amerikanische Militäreinrichtungen in der Bundesrepublik galten dabei als Schalt- und Lagezentren für Operationen der US-Streitkräfte in Vietnam und damit unmittelbar als Schauplätze des Vietnamkriegs in Deutschland. Gegen die Bundesrepublik erhoben sie in diesem Zusammenhang den Vorwurf, die USA sowohl logistisch als auch finanziell in ihrem Krieg zu unterstützen (Klimke/Mausbach, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 620, 631 f., 634 ff.).
[16] Während der Besatzungsstatus der westlichen Alliierten in der Bundesrepublik Deutschland bereits 1955 in den Pariser Verträgen aufgehoben wurde, blieb Berlin offiziell bis Oktober 1990 unter der Verantwortung der Vier Mächte (Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, 16. Auflage 2017, S. 343 ff.; Mai, „Besatzungszonen“, in Behnen [Hrsg.], Lexikon der deutschen Geschichte von 1945 bis 1990, 2002, S. 73).
[17] Das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK) war eine 1970 gegründete Gruppe von Patient/innen des Heidelberger Arztes Wolfgang Huber. Das SPK übte Kritik an zeitgenössischen Psychiatrieformen und einer als krankmachend empfundenen kapitalistischen Gesellschaft. Dagegen setzte die Gruppe auf antiautoritäre Therapien und Forderungen nach einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Im Sommer 1971 wurden acht Mitglieder des SPK unter dem Verdacht der RAF-Unterstützung und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Ab November 1972 folgten Prozesse u.a. wegen Sprengstoffherstellung und Urkundenfälschung. Besondere Bekanntheit erlangte das SPK darüber hinaus durch den Übertritt einiger seiner Mitglieder in die Reihen der RAF (Brink, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 134, 137 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 90 ff.).
[18] Nachdem Andreas Baader Anfang April 1970 bei einer Verkehrskontrolle in Berlin verhaftet worden war, gelang es einer Gruppe um Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Irene Goergens und Ingrid Schubert, ihn am 14. Mai 1970 zu befreien. Als Ort der Aktion diente die Bibliothek Zentralinstituts für Soziale Fragen in Berlin-Dahlem, wo Baader unter Bewachung von zwei Vollzugsbeamten ein Gespräch mit Ulrike Meinhof für ein Buchgespräch zugestanden worden war. Während der Aktion wurde ein Schuss auf einen unbeteiligten Bibliotheksmitarbeiter abgegeben, der schwer verletzt wurde. Die gewaltsame Befreiung Baaders aus der Haft wird auch als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichnet. Auch Ulrike Meinhof lebte von nun an in der Illegalität (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 177 ff.; Wieland, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, 2006, S. 332, 343).
[19] Der Soziologiestudent Rudi Dutschke war einer der führenden Protagonisten der „antiautoritären Bewegung“. Am 11. April 1968 wurde Dutschke Opfer eines Attentats, das er zunächst nur schwer verletzt überlebte. 1979 starb er an den Folgen der Verletzungen. Vertreter/innen der Studentenbewegung und der außerparlamentarischen Opposition machten den Springer-Verlag sowie den Berliner Senat, die sich vorher mit Kampagnen explizit auch gegen Dutschke gerichtet hatten, für die Tat des jungen Attentäters Josef Bachmann verantwortlich. Die folgenden Proteste und Unruhen gehörten zu den schwersten, die die Bundesrepublik bis dahin zu verzeichnen hatte (Kraushaar, in Ders. [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 1075, 1088; Siegfried, 1968, 2018, S. 163 f.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 72 ff.).
[20] Der Student Benno Ohnesorg starb am 2. Juni 1967 während der Demonstrationen gegen den Besuch des iranischen Schahs in Berlin. Am Abend des 2. Juni reagierten die Sicherheitskräfte mit großer Härte auf Auseinandersetzungen vor der Deutschen Oper. Ohnesorg wurde dabei auf einem Hinterhof von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen. Ohnesorgs Tod löste große Empörung und Bestürzung in weiten Teilen der Linken aus und gilt als Wendepunkt in der Studentenbewegung, die nun von West-Berlin in die ganze Bundesrepublik ausstrahlte (Kraushaar, Die blinden Flecken der 68er Bewegung, 2018, S. 72 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 89 ff.; Siegfried, 1968, 2018, S. 157 ff.). Nach seinem Todestag benannte sich die im Jahr 1972 gegründete Bewegung 2. Juni, die u.a. für die Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann im November 1974, sowie die Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz im Februar 1975 verantwortlich war (Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 550).
[21] Obwohl die US-amerikanische Regierung 1969 und 1970 angesichts einer wachsenden Antikriegsbewegung die Reduktion amerikanischer Truppen in Vietnam in Aussicht gestellt hatte, weitete sie Frühsommer 1970 den Vietnamkrieg durch den Einmarsch amerikanischer und südvietnamesischer Truppen in das bisher neutral gebliebene Nachbarland Kambodscha aus. Dort sollten Rückzugsorte und Infrastrukturen der nordvietnamesischen Kommunist/innen - wie der teils auf kambodschanischen Gebiet verlaufende Ho Chi Minh-Pfad - zerstört werden. In den USA fand Anfang Mai 1970 als Reaktion auf die Invasion die bisher größte Antikriegsdemonstration statt (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 196 ff.; Stöver, Geschichte Kambodschas, 2015, S. 143 ff.).
[22] Der amerikanische Einmarsch in Kambodscha löste auch in Deutschland Demonstrationen aus. Am 9. Mai 1970 protestierten ca. zehntausend Menschen in Berlin gegen die Ausweitung des Vietnamkrieges. Rund um das Amerika-Haus in der Hardenbergstraße, das als amerikanisches Kulturzentrum bereits des Öfteren Ziel von Angriffen und Protesten geworden war, kam es daraufhin zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Polizei, bei denen zahlreiche Verletzte zu verzeichnen waren. Dabei wurden auf Seiten der Demonstrierenden zwei Personen von Schüssen eines Polizeibeamten getroffen (Schroeder/Deutz-Schroeder, Der Kampf ist nicht zu Ende, 2019, S. 160 f.).
[23] Der Hamburger Kunststudent Peter Homann war Teil der Gruppe, die nach der Befreiung Baaders aus der Haft für eine paramilitärische Ausbildung nach Jordanien ausreiste. Da sich insbesondere die Reibungspunkte mit Andreas Baader häuften, flog Homann frühzeitig zurück nach Deutschland und stellte sich nach einigen Monaten im Jahr 1971 den Behörden. Im April 1973 wurde er vom Landgericht Berlin wegen Beihilfe zur Gefangenenbefreiung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten verurteilt, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 72, 143, 201 ff., 205, 759 Anm. 41).
[24] Der „schwarze September“ ist die von palästinensischer Seite geprägte Bezeichnung für den Beginn des jordanischen Bürgerkrieges im September 1970. Der jordanische König Hussein nahm einen Anschlag auf sich durch die Palestine Liberation Organization (PLO) zum Anlass, diese in Jordanien zu zerschlagen. Nach diesem Ereignis benannte sich auch jene Terrororganisation, die für das Olympia-Attentat in München 1972 verantwortlich war (Ashton, Pulling the Strings, in International History Review 28 (2006), S. 94 ff.).
[25] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[26] Im Flughafen von Entebbe (Uganda) wurden vom 28. Juni bis 4. Juli 1976 105 Geiseln von Mitgliedern der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP-EO) sowie von Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, beides führende Mitglieder der Revolutionären Zellen, festgehalten. Sie hatten am 27. Juni eine Maschine der Air France in Athen entführt und waren schließlich in Entebbe gelandet. Dort hatte u.a. Wilfried Böse eine antisemitische Selektion von (vermeintlich) jüdischen und nicht-jüdischen Passagier/innen vorgenommen, wobei letztere freigelassen wurden. Mit ihrer Aktion forderten die Geiselnehmer/innen die Freilassung von Inhaftierten aus deutschen und israelischen Haftanstalten, darunter auch RAF-Mitglieder. Am 4. Juli erstürmte eine israelische Spezialeinheit das besetzte Flughafenterminal. Dabei wurden alle Geiselnehmer/innen erschossen (Blumenau, The United Nations and Terrorisms, 2014, S. 59 ff.; Kraushaar, in Ders. [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 583, 589, 599; Wörle, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 257, 265).
[27] § 178 GVG ermöglicht bei ungebührlichem Verhalten die die Festsetzung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft.
[28] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).
[29] Ausgelöst durch heftige Auseinandersetzungen zwischen Milizen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und der durch die spanische Falange inspirierten christlich-maronitischen Partei Kata’ib in Beirut brach 1975 im Libanon ein Bürgerkrieg aus, der sich in wandelnden Konstellationen bis 1990 zog. Die hauptsächlichen Konfliktparteien waren einerseits ein Verbund christlich-maronitischer Milizen, andererseits ein Verbund aus der PLO, linksnationalen, panarabisch und/oder sunnitisch geprägten Milizen sowie drittens schiitische Milizen. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konflikts kam es zu teilweise direkten teilweise paramilitärischen Interventionen Israels, Syriens, des Iran sowie zu einer UN-Intervention (UNIFIL). Zu den Resultaten des Krieges zählen die Vertreibung der PLO aus dem Libanon, der Aufstieg der Hisbollah, die langjährige Besetzung des Landes durch Syrien bis 2005, die heute noch gültige Machtverteilung zwischen den unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften des Landes sowie eine große libanesische Diasporagemeinde. Mit der Vertreibung der PLO und insbesondere der Fatah aus dem Libanon verloren linksterroristische Organisationen aus Deutschland einen wichtigen Rückzugsraum. Es wird zudem davon ausgegangen, dass das ehemalige Mitglied der Bewegung 2. Juni Ingrid „Ina“ Siepmann als Teil einer palästinensischen Frauenbrigade 1982 ihr Leben bei einem israelischen Bombardement verlor (Danyluk, Blues der Städte, 2019, S. 527 f.; Rink, in Chiari/Kollmer [Hrsg.], Naher Osten, 2. Aufl., 2009, S. 120 ff.).
[30] In der Nähe von Amman waren die Ausbildungslager der PLO, in denen die RAF und viele andere deutsche Stadtguerilleros den Umgang mit Waffen trainierten. Grashof bezieht sich darauf, dass er mit einer deutsch-französischen Gruppe Anfang Juni 1970 nach einer Zwischenlandung in Beirut zunächst nicht nach Amman weiterfliegen konnte, da sich dort Regierungstruppen und PLO Gefechte lieferten. Die Gruppe reiste dann über Syrien nach Jordanien ein. Peter Homann hatte nach gegenwärtigem Wissensstand jedoch keine Probleme, als er aufgrund schwerer Zerwürfnisse mit dem Rest der Gruppe von Amman über Beirut und Rom nach Deutschland zurückkehrte (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 209 f., 227).
[31] Der CDU-Politiker und Spitzenkandidat bei der Wahl um das Berliner Abgeordnetenhaus Peter Lorenz wurde am 27. Februar 1975 von der Bewegung 2. Juni entführt und in einem „Volksgefängnis“ in Berlin-Kreuzberg festgehalten. Im Austausch gegen Lorenz wurde die Freilassung von sechs Gefangenen gefordert: Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Horst Mahler, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann. Die Bundesregierung unter Kanzler Schmidt ging auf die Forderungen ein: Bis auf Horst Mahler, der das Angebot ablehnte, bestiegen am 3. März 1975 die anderen fünf Inhaftierten mit dem ehemaligen West-Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz als Vermittler eine Maschine der Lufthansa nach Aden im Jemen. Nach der erfolgreichen Ankunft wurde Lorenz am 4. März freigelassen (Dahlke, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 31, 36 ff.; Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 37, 250 ff.). Die Bewegung 2. Juni benannte sich nach dem Todestag des Studenten Benno Ohnesorg (Fn. 20).
[32] Der Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).
[33] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).
[34] Das INFO war ein Informations- und Kommunikationssystem, das einen Austausch von Rundbriefen, Zeitungsartikeln etc. unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern ermöglichte. Über die Verteidigerpost, die im Vergleich zu anderer Post vollzugsrechtlich privilegiert ist (§§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO), konnte Material ohne vorherige Zensur ausgetauscht werden. Den Rechtsanwälten Ströbele, Groenewold und Dr. Croissant wurde später vorgeworfen, durch die Beteiligung am „Info-System“ dazu beigetragen zu haben, dass die inhaftierten RAF-Mitglieder auch aus der Haft heraus ihre kriminelle Vereinigung hätten fortführen können. Dabei ging es nicht um das INFO an sich, sondern um die Weiterleitung ganz bestimmter Unterlagen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 521 ff.; s. auch die Interviews mit K. Groenewold und H.-C. Ströbele, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 58 f., 70 f. sowie S. 121, 132 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).
[35] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).
[36] Bei seiner Festnahme im März 1972 wurde Manfred Grashof im Rahmen eines Schusswechsels, bei der er einen Polizeibeamten erschoss, selbst schwer verletzt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 31 f.).
[37] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).
[38] Astrid Proll war während ihrer Haftzeit zwischen 1971 und 1974 mehrfach in dem isolierten Teil der JVA Köln-Ossendorf (s. Fn. 37) in verschärfter Einzelhaft untergebracht. Prolls Gesundheitszustand verschlechterte sich infolge der Haftbedingungen derart, dass sie schließlich für haftunfähig erklärt und am 4. Februar 1974 aus der Haft entlassen wurde (Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 125 f.).
[39] Zum Tod von Holger Meins s. bereits Fn. 35. Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes - offiziell Suizid durch Erhängen - wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt. Meinhofs Tod wurde zu einem medial breit diskutierten Ereignis (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[40] Herr Wackernagel bediente ein Tonbandgerät der Verteidigung. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft, das Gericht sowie die Verteidiger, die den Angeklagten gegen ihren Willen beigeordnet worden waren, widersprachen allerdings einer Aufzeichnung durch das Tonbandgerät der Verteidigung (S. 10698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 129. Verhandlungstag).
[41] Rechtsanwalt Horst Mahler war ein führendes Mitglied der ersten RAF-Generation. Seine zentrale Rolle bei der Entstehung der RAF ist jedoch gegenüber den hier Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof in den Hintergrund gerückt. Er war maßgeblich an der Vorbereitung der als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichneten Befreiung Baaders aus der Haft im Mai 1970 beteiligt. Im September 1970 überfiel er u.a. zusammen mit Andreas Baader und Irene Goergens eine Bank in West-Berlin; bereits eine Woche später wurde er verhaftet. Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen ihn vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe wurde er im November 1974 aufgrund seiner Beteiligung an der Baader-Befreiung zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Zwischen Mahler und dem Führungsduo Baader/Ensslin ergaben sich immer wieder Differenzen. Spätestens mit der Ablehnung seiner Freilassung im Austausch gegen den im Februar 1975 entführten Politiker Peter Lorenz sagte er sich endgültig von der RAF los. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).
[42] S. Fn. 10.
[43] Ende November 1974 führten Polizeibehörden bundesweit die Fahndungsaktion „Winterreise“ durch. Dabei durchsuchten sie zahlreiche Wohnungen, Büros und Verlagshäuser nach Unterstützer/innen krimineller Vereinigungen. Die Aktion führte zwar nicht zu großen Festnahmen, ließ jedoch einige Sympathisant/innen aufschrecken. Die Fahndung war von der Innenministerkonferenz beschlossen worden, nachdem der Hungertod von Holger Meins und die Ermordung des Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenkmanns im Herbst 1974 zu einer Verschärfung des Konflikts zwischen linksterroristischen Gruppen und den Sicherheitsbehörden geführt hatten (Weinhauer, in Weinhauer/Requate/Haupt [Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 244, 255 f.).
[44] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Rechtsanwalt Heinrich Hannover bezeichnete ihn auch als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).
[45] Die Rote Hilfe e.V. versteht sich als Solidaritätsorganisation für politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum (Selbstbeschreibung unter <https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns>, zuletzt abgerufen am: 21.10.2021). Sie ging 1970 aus einer für APO-Aktivisten gegründeten Rechtshilfe hervor und engagierte sich in den folgenden Jahren verstärkt und in vielfältiger Weise für die Belange inhaftierter Mitglieder linksradikaler Gewaltorganisationen wie der RAF und der Bewegung 2. Juni (März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 139 ff.).
[46] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Darüberhinaus hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.
[47] Zeug/innen sind grundsätzlich zur Aussage vor Gericht verpflichtet (seit 2009 explizit in § 48 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelt; zuvor war dies bereits als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht angesehen, s. BVerfG, Beschl. v. 10.10.1978 - 2 BvL 3/78, BVerfGE 49, S. 280, 284). Nach § 70 Abs. 1 StPO können Zeug/innen, die sich ohne gesetzlichen Grund weigern auszusagen, die hierdurch verursachten Kosten auferlegt werden, außerdem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, gegen sie festgesetzt. Nach § 70 Abs. 2 StPO kann zur Erzwingung des Zeugnisses auch die Haft von bis zu 6 Monaten angeordnet werden.
[48] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Die konsularische Vernehmung ist in § 15 Konsulargesetz (KonsG) geregelt. Die Vernehmungen und Vereidigungen und die über sie aufgenommenen Niederschriften stehen dabei gem. § 15 Abs. 4 KonsG Vernehmungen und Vereidigungen sowie den darüber aufgenommenen Niederschriften inländischer Gerichte und Behörden gleich, sodass diese ebenfalls nach Maßgabe des § 251 Abs. 1 StPO a.F. (heute: Abs. 2) in die Hauptverhandlung eingeführt werden können (vgl. dazu Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 251 Rn. 33).
[49] Anlage 1 zum Protokoll vom 25. August 1976: Senatsbeschluss vom 24. 8.1976 (Anordnung der kommissarischen Vernehmung der Zeugin Carmen Roll).
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