[12284] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, 9. Nov. 1976, 9.02 Uhr.
(159. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen -mit Ausnahme von OStA Holland - in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko
JAss. Clemens.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind erschienen:
RAe. Dr. Holoch (als amtl. best. Vertr. f. RA. Schwarz) Schnabel, Künzel, Eggler, Grigat und Schlaegel.
Als Zeuge ist erschienen:
Bundesanwalt Dr. Krüger.
Vors.:
Wir können die Sitzung fortsetzen. Verteidigung gewährleistet. Herr RA. Dr. Holoch für Herrn RA Schwarz. Die Herren RAe Oberwinder und Weidenhammer sind im Gebäude, sie werden sicher demnächst erscheinen. Es ist gleich noch darauf hinzuweisen, daß Herr Raspe einen dritten Wahlverteidiger[2] inzwischen mandiert hat. Es ist Herr Manfred Böddeling, RA. aus Hamburg. Ich möchte noch den Hinweis geben, daß wir für die morgen vorgesehene Vernehmung des Zeugen Ruhland die Strafanzeige, von der ja allgemein Kenntnis über die Presse verbreitet wurde, beigezogen haben. Das ist erforderlich, um gegebenenfalls, wenn im Hinblick auf diesen strafrechtlichen Vorwurf, der Ruhland gemacht wird, wegen seiner Aussagen § 55[ StPO][3] in irgend einer Form bemüht werden sollte, müßte man wegen der Abgrenzungsfragen sich mit diesem Text befassen. Die Herren Verteidiger, soweit sie daran interessiert sind, [12285] haben Gelegenheit auf der Geschäftsstelle die Strafanzeige zur Kenntnis zu nehmen. Für heute früh haben wir Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger als Zeugen geladen.
Der Zeuge Dr. Krüger wird gem. § 57 StPO[4] belehrt.
Der Zeuge ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[5]
Der Zeuge macht folgende Angaben zur Person:
Werner Krüger, 49 Jahre alt, Bundesanwalt in Karlsruhe.
Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Die Aussagegenehmigung[6] des Zeugen Dr. Krüger wird als Anl. 1 zum Protokoll genommen.
Vors.:
Wir haben hier die Aussagegenehmigung, sie lautet folgendermaßen:
In der oben bezeichneten Strafsache erteile ich Herrn Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. Werner Krüger Aussagegenehmigung, soweit er als Zeuge zu folgenden Beweisthemen aussagen soll. Es folgen dann, soweit ich sehe, vollinhaltlich die Punkte, die auch im Beweisantrag aufgeführt sind.
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Jawohl, das ist richtig, keine Abweichungen.
Vors.:
Nun, das erste Beweisthema bezieht sich auf die inzwischen vorgelegten Akten 3 ARP.[7] Insofern, glaube ich, sind die Fragen, die an Sie zu richten gewesen wären, wenn die Akten nicht vorhanden gewesen wären, jetzt erledigt. Die Herren Verteidiger können ja selbst überprüfen, ob wirklich, wie es in der Beweisbehauptung heißt, Abweichungen erheblichen Umfangs zwischen diesen Vernehmungen und späteren Vernehmungen des Zeugen Müller[8] vorliegen. Nur zur allgemeinen Orientierung, [12286-12287][9] [12288] hatten Sie speziell als Referent mit der Erstellung dieser Akten 3 ARP etwas zu tun?
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Die Akte 3 ARP ist in meinem Referat, das ich leite, geführt worden und ich habe selbstverständlich diese Akte genau gelesen.
Vors.:
Zu diesem Punkte, den ich also jetzt möglichst rasch abschließen möchte, da möchte ich gleich Gelegenheit geben, sind da irgendwelche Fragen seitens der übrigen Herren Prozeßbeteiligten? Ich sehe nicht. Dann könnten wir jetzt zum ... Nun das ist richtig - es ist der Hinweis gerade zurecht gegeben worden - wir haben noch einige Blätter, oder vielleicht nicht „noch“, sondern auf Dauer, nicht vorliegen hier, weil da die Entscheidung gem. § 96[ StPO][10] noch nicht abgeschlossen ist. Können Sie zu dem Beweisthema, das erhebliche Abweichungen zwischen der Aussage 3 ARP und späteren Vernehmungen Müllers, insbesondere denjenigen, die für unser Verfahren im März 1976 gemacht wurden, vorhanden sind, etwas sagen? Insbesondere auch in Bezug auf die Blätter, die, na ja, das können Sie natürlich nicht, da liegt der [§ ]96[ StPO] dazwischen.
RA. Dr. Heldmann erscheint um 9.07 Uhr im Sitzungssaal.
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Ja, darauf möchte ich hinweisen, insoweit besteht ja noch ein Sperrvermerk [a] des Bundesministers der Justiz, so daß ich mich insoweit dazu nicht äußern kann. Ich möchte nur eins sagen dürfen, Herr Vorsitzender. Die Frage, ob Abweichungen in erheblichem Umfang bestehen, sind natürlich Fragen, die man kaum einem Zeugen stellen kann. Das grenzt schon an den Bereich des Sachverständigen.[11] Allerdings ist mir eins aufgefallen, eine gewisse große Diskrepanz in der Aussage des Herrn Müller, insofern, als er in dem 3 ARP-Vorgang eine Dame, Elisabeth von Dyck, glaubte, wiedererkannt zu haben als eine Person, die im Jahre 1971 in Hamburg bei der RAF gewesen sein sollte.
RA. Schily erscheint um 9.08 Uhr im Sitzungssaal.
[12289] Zeuge Dr. Krü[ger]:
Später, in der Vernehmung vorn 31. März bis zum 26. Mai 1976, in dem Vorgang 1 BJs 7/76,[12] hat er diese Aussage nicht wiederholt. Hat vielmehr erklärt, daß er meine, eine Dame mit ... namens Krabbe, Frederike Krabbe, wiedererkannt zu haben als die Person, der er in Hamburg begegnet sei. Das sind aber die Dinge, die mir besonders aufgefallen sind. Bezüglich der anderen Frage kann ich Ihnen da keine positive Antwort geben.
Vors.:
Das, was Sie nun im Augenblick uns mitgeteilt haben, setzt voraus, daß Sie auch diese spätere Vernehmung, beginnend März 1976, genau kennen?
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Die kenne ich ja.
Vors.:
Wir wollen sehen, es kann sein, daß die Herren Verteidiger in dieser Richtung später noch Fragen an Sie stellen, aber im Augenblick scheint es so zu sein, daß das der gravierende Widerspruch ist, den Sie sehen, wo eben in[b] einem[c] ganz spezifischen Punkt, was eine einzelne Person anlangt, widersprüchliche Aussagen vorhanden sind. Sonstige Eindrücke, daß derart deutliche Widersprüche aufgetreten sind, scheinen Sie nicht bekommen zu haben?
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Ja, ich darf vielleicht noch eins in Erinnerung rufen - die Vorgänge liegen Ihnen ja vor, Herr Vorsitzender - von der Verteidigung wird ja wohl besonders Wert darauf gelegt, hinsichtlich der Frage Widersprüche bezüglich Schilderung der Sprengstoffanschläge in Frankfurt, Heidelberg, München, Augsburg, Karlsruhe und Hamburg.[13] Dieser Komplex ist in dem Vorgang 3 ARP 4/75 I ja nur in Form eines Beamtenvermerks angesprochen, während Müller dann in dem Vorgang 1 BJs 7/76 selbst Angaben zu diesen Vorgängen gemacht hat. Aber ich habe auch nicht in Erinnerung, daß da irgendwelche Differenzen aufgetreten sind. Mir ist nur eins noch klar im Gedächtnis, daß die Angaben, die Müller damals zu den Sprengstoffanschlägen gemacht hat, relativ kurz waren in dem Vorgang 3 ARP 74/75 I, während dann in der Vernehmung 1 BJs 7/76 ja wesentliche Details vorgetragen worden sind, die in dem, nach meiner Erinnerung, in dem ARP-Vorgang überhaupt nicht angesprochen worden waren.
Vors.:
Das veranlaßt[d] zu der weiteren Frage, es ist nach [12290] dem Umfang der Angaben zu den hier speziell interessierenden Taten, den Sprengstoff-Delikten, beinahe zu schließen, daß das nicht im Mittelpunkt des Interesses stand bei der Anlegung der Akten 3 ARP.
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Ja es sind ja eine ganze Reihe anderer Vorgänge in dem ARP-Vorgang angesprochen worden, und auch in dem aus dem Vorgang 1 BJs 7/76 ergibt sich das sehr eindeutig. Ich meine, daß beide Vernehmungen, also beide Aktenteile 3 ARP 74/75 I und 1 BJs 7/76 jeweils etwa 200 Seiten umfassen. Und nach meiner Erinnerung waren die Angaben, die Herr Müller damals zu den Sprengstoffanschlägen gemacht hat, über die dann diese Beamtenvermerke vorgelegt wurden, relativ kurze Angaben und wenig, also ich meine, es wären höchstens 15 Seiten gewesen. Die anderen Dinge befaßten sich ja insbesondere mit Banküberfällen, dann mit anderen Dingen aus dem Bereich der RAF, die noch von besonderem Interesse für die Verfolgungsbehörde sein konnten.
Vors.:
Eben. Ja, das war das zu dem 1. Beweisthema. Sie sollen ferner bekunden können, daß der Zeuge Müller vor allem vor Beginn seiner Vernehmung am 31. März 76, das ist die zweite Vernehmung für unser Verfahren, den Ermittlungsbehörden bekanntgegeben habe, daß er Hoff kenne und auch bei ihm in der Werkstatt gewesen sei,[14] daß die Ermittlungsbehörden jedoch ganz bewußt diese, die anderslautende Aussage, die Müller dann ab dem 31. März gemacht hat, er habe nämlich Hoff nicht gekannt und sei nicht in der Werkstatt gewesen, protokolliert hätten, um diese Widersprüche, die hier vorliegen zwischen 3 ARP und unseren Vernehmungen 1 BJs zu verdecken.
RAe. Weidenhammer und Oberwinder erscheinen um 9.12 Uhr im Sitzungssaal.
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Herr Vorsitzender, auch das kann man anhand der vorgelegten Akten ja überprüfen. Ich bin mir nicht bewußt, daß Herr Müller in dem 3 ARP-Vorgang 74/75 I dazu etwas in Form eines Protokolls gesagt hat. Ich meine, daß das in dem großen Abschnitt, es waren etwa 80 Seiten Beamtenvermerke, daß in diesem Bereich auch die Notizen sich befanden [12291] über „Pfirsich“.[15] Und mir persönlich ist nicht bekannt, daß Herr Müller bei diesen Befragungen, die in 3 ARP 74/75 I ihren Niederschlag gefunden haben, Angaben darüber gemacht hat, er sei nicht in der Werkstatt oder in der Wohnung „Pfirsich“ - das heißt Hoff - gewesen. Ich muß auch mit Nachdruck der Vermutung entgegentreten, daß die Bundesanwaltschaft der Polizei irgendwelche Weisungen gegeben hätte, es sei etwas zu vertuschen. Ich habe im Gegenteil den mit der Sache befassten Beamten den Auftrag erteilt, nach Möglichkeit alles so niederzuschreiben, wörtlich niederschreiben zu lassen, wie der Herr Müller es selbst formuliert. Und so ist es nach meiner Erinnerung dann auch gewesen. Das muß sich auch wohl aus einigen Protokollen ausdrücklich ergeben. Im übrigen bin ich der Meinung, daß die Bundesanwaltschaft sich bei diesen Ermittlungen, die ab 31. März 1976 dann gelaufen sind, wie auch in allen anderen Fällen, an ihre Pflicht gehalten hat, einen Sachverhalt aufzuklären, um der Wahrheitsfindung zu dienen.
Vors.:
Zur Sache selbst ist zu bemerken, daß in der Tat, wenn man die Stellen vergleicht, ein Widerspruch auftauchen könnte. Das, was Sie ja bekunden sollen, haben Sie bereits angegeben. Sie sagten, daß ...
Zeuge Dr. Krü[ger]:
Ich möchte nur noch einen Zusatz dazu machen. Es ist so, daß der Zeuge Müller hier ja vernommen worden ist. Und da haben sich wohl irgendwelche Unklarheiten ergeben.[16] Jedenfalls auch zu der Frage, ob Müller in der Wohnung Hoff gewesen ist. Zu dieser Frage ist Herr Müller nach Abschluß seiner Vernehmung vor diesem Gericht von der Bundesanwaltschaft noch zweimal vernommen worden. Und er hat dann angegeben, daß er an dem Tage, an dem das Sprengstoffattentat in Frankfurt durchgeführt wurde, morgens bei Hoff in der Wohnung gewesen sei und dort, ich glaube, zwei dieser Sprengkörper, dieser leeren Hüllen übernommen hat und zwar hat er gesagt, er hätte zusammen mit Hoff dieses Material noch gekühlt, es sei noch warm gewesen.
[12292] Vors.:
Herr RA. Schily.
RA Schi[ly]:
Ich stelle jetzt[e] den Antrag,
die Vernehmung des Zeugen Herrn Bundesanwalt Krüger zu unterbrechen und die Protokolle über die nochmalige Vernehmung des Herrn Müller beizuziehen und die Vernehmung des Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger erst fortzusetzen, wenn allen Prozeßbeteiligten die Protokolle über die nochmalige Vernehmung des Herrn Müller durch die Bundesanwaltschaft vorliegen.
Vors.:
Zunächst mal ein Vermittlungsvorschlag, Herr Rechtsanwalt Schily, das, was Herr Bundesanwalt Dr. Krüger im Augenblick als Zeuge mitgeteilt hat, ist nichts Neues gewesen. Herr Müller hat hier auf entsprechende Vorhalte ja damals zugegeben, tatsächlich mit „Harry“ identisch zu sein und hat auch zugegeben, daß er derjenige war, der seinerzeit bei, mit Hoff zusammengetroffen ist wegen der Übernahme der Rohre. Also vom Thema her wäre es nichts Neues.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, Sie können davon ausgehen, daß mir noch einigermaßen präsent ist, was der Herr Müller hier als Zeuge gesagt hat. Es ist mir auch sehr gut bekannt, daß der Herr Müller das Gericht zunächst in diesem Punkt eine andere Darstellung gegeben hat an zwei Verhandlungstagen, auch auf eindringliche Vorhalte durch den Herrn Beisitzenden - ich glaube, es war Herr Maier -, und dann erst nach einer Nacht und Gesprächen vielleicht mit seinem damaligen Anwalt hat er dann am nächsten Tag überraschend hier eine andere Erklärung abgegeben. Das ist mir alles in sehr guter Erinnerung. Aber ...
Vors.:
Aber die Namen der Beteiligten sind Ihnen dann nicht so ... Es ist so, weil ja hier immer der Vorwurf gemacht ist, Müller sei geschont worden.
RA Schi[ly]:
Wie bitte?
Vors.:
Der Vorhalt war von mir gemacht worden ...
RA Schi[ly]:
Ja, ja, ich weiß ...
Vors.:
Aber Herr Rechtsanwalt Schily, das brauchen wir doch jetzt nicht zu ...
RA Schi[ly]:
Nein, das brauchen wir jetzt nicht zu vertiefen. Aber daß dann der Herr Müller noch einmal, zweimal nochmal vernommen worden ist und offenbar noch was von Besuchen in der Wohnung erzählt hat, das finde ich doch hochinteressant und ich finde, es wäre an sich die selbstverständliche Pflicht der [12293] Bundesanwaltschaft gewesen, uns diese Protokolle von sich aus zur Verfügung zu stellen. Ich bin sehr überrascht, daß wir jetzt praktisch einen Zufallsfund hier machen. Und ich bin allerdings Herrn Bundesanwalt Krüger dankbar, daß er das hier in allem Freimut vorträgt und wir die Gelegenheit haben, hier weitere Protokolle in dieser Art von Schnitzeljagd, die wir betreiben ...
Vors.:
Ihr Antrag ist gestellt, ich glaube, wir können jetzt der Bundesanwaltschaft die Gelegenheit geben, sich zu dem Antrag zu äußern. Bitte, Herr BA. Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Ich möchte dazu folgendes erklären, daß uns diese Protokolle jetzt auch zur Verfügung stehen, ich habe sie mitgebracht, ich übergebe sie dem Gericht. Es sind 10, 12 oder 14 Seiten. Sie könnten vielleicht alsbald abgelichtet und dann auch den Herrn Verteidigern zur Verfügung gestellt werden.
BAw. Dr. Wunder übergibt dem Gericht 14 Seiten Protokolle über die Fortführung der Vernehmungen des Zeugen Müller vom 22.7.1976 (Bl. 218-227) und 29.7.1976 (Bl.[f] 246-249).
Diese Vernehmungsprotokolle werden im Ordner 127 abgelegt.
Vors.:
Dann wollen wir jetzt folgendes machen, wir lassen die Akten, die hier neu übergeben werden, sofort ablichten. Es handelt sich um eine Vernehmung vom 22.7.76 und eine vom 29.7.76. Wir lassen das sofort ablichten, werden das unter den Herrn Rechtsanwälten verteilen. Aber ich meine, wir können einige Fragen an den Herrn Zeugen richten, ohne jetzt eine Pause extra einzulegen, die nichts mit dieser Problematik, die im Augenblick angesprochen ist, zu tun hat. Das geht insbesondere zum Beweisthema „Versprechungen“ und dergleichen ...
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich meine, mein Vertreter, der Kollege Geulen, hat ja hier am vergangenen Freitag seinerseits den Antrag gestellt, die Vernehmung zu unterbrechen, mit Rücksicht auf die Tatsache, daß wir erst vor kurzer Zeit, ich glaube, es war der Freitag, diese Akten 3 ARP bekommen haben, die sehr viel mehr Material umfassen. Es ist mir bekannt, daß Sie diesen Antrag zurückgewiesen haben mit der für mich außerordentlich interessanten Begründung, daß Sie meinen, ein Pflichtverteidiger, der hier tätig sei, [12294] der sei also auch verpflichtet, am Wochenende die Akten durchzuarbeiten. Ich weiß eigentlich nicht, wie Sie sich die Tätigkeit eines Pflichtverteidigers[17] in einem solchen Mammutverfahren vorstellen. Wenn Sie mal in Betracht ziehen, daß ich auch am Montag noch, ich meine, mitunter habe ich auch noch andere Verfahren. Ich kann mich also nicht nur auf 1 Verfahren konzentrieren, wie dieses hier. Das ist nicht möglich, weil also nur ein Schwurgerichtverfahren, also der Montag fiel für mich aus, und ich nehme mir das Recht auch mal am Wochenende, obwohl ich fast jedes Wochenende auch am Schreibtisch sitze, aber ich nehme mir auch das Recht, am Wochenende auch mal etwas anderes zu tun, als Stuttgarter Akten zu studieren. Und wenn man die Bedeutung dieser Akte sich mal anschaut, es sind immerhin über hundert Blatt Akten, wobei noch darüber zu diskutieren sein wird, also rund, also ich will mich für die Zahl nicht verbürgen jetzt, ich habe sie nicht nachgezählt, weil die Blattzahlen unterschiedlich sind hier, und es wird ja noch darüber zu reden sein, was wir eigentlich aus der Akte 3 ARP hier zur Verfügung gestellt bekommen haben. Und da darf ich vielleicht eine Zwischenfrage stellen, es sollte ja uns in dieser Woche bekanntgegeben werden, ob auch wir die restlichen Bestandteile dieser Akte bekommen. Wird das der Fall sein oder wird das nicht der Fall sein?
Vors.:
Herr RA Schily, Sie wissen ganz genau, daß das Gericht Ihnen die Frage nicht beantworten kann, wenn die Bundesanwaltschaft dazu imstande ist? Aber darf ich folgenden Vorschlag machen, ich meine, ich habe nichts dagegen, wenn wir jetzt diese neu mitgebrachten Akten hier verteilen, daß wir eine entsprechende Pause einlegen, um das zusätzlich noch durchzulesen. Nur die Zeit, bis das fotokopiert ist, könnten wir noch mit Fragen ausfüllen, die mit dieser Problematik nichts zu tun haben, das war mein Vorschlag ...
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich meine, daß wir nicht mit Pausen abgespeist werden können von einer halben Stunde oder einer Stunde oder vielleicht auch ein halber Tag, [12295] sondern ich bin der Meinung, daß für eine so wichtige Akte wie diese, wo es zum Beispiel darauf ankommt, ob[g] die Angabe[h] von Herrn Bundesanwalt Krüger richtig ist, daß da nur ein Widerspruch ihm aufgefallen sei, was ich gerade so beim Reinkommen mitgehört habe, von Dyck, Krabbe waren wohl die beiden Namen, ob das so zutrifft, daß wir da Vorhalte machen können. Ich halte diese Vorbereitungszeit nicht für ausreichend.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich bin der Meinung und das habe ich auch Herrn RA Geulen gesagt, die Frage primär, welche Widersprüche zwischen den Vorgängen 3 ARP und 1 BJs, was wir jetzt gehabt haben, ab dem 31. März 76 vorliegen, ergibt einen Vergleich zwischen den Akten. Dazu benötigen wir, nachdem wir beide Akten haben, den Herrn Zeugen primär nicht. Die Frage, die Herr RA Geulen anschnitt, in Vereinigung mit Herrn RA Pfaff, ging darum, knüpfte an an meine Bitte, die Beweisanträge gesammelt zu stellen. Und da hat es geheißen, wir können nicht, wenn wir jetzt die Akten bekommen, ausschließen, daß wir wieder scheibchenweise die Anträge stellen müssen, nachdem wir keine Zeit haben. Deswegen war der Senat der Auffassung, hat es auch zum Ausdruck gebracht, es handle sich um eine ausreichende Zeit, um die Vernehmung des Herrn Zeugen Dr. Krüger vorzubereiten. Für die Frage, ob dann Anträge gestellt werden müssen, ist selbstverständlich, wenn wir das Mittwochsprogramm beendet haben, bis zum nächsten Dienstag Zeit. Es ergibt sich dann also für Sie eine erneute Pause von Tagen, die Sie benützen können, um sich diesen Akten zu widmen. Das hat der Senat auch gesehen. So daß also in dieser Richtung vielleicht auch von Ihrer Seite her jetzt auf allzu große Fristen nicht mehr gebaut werden müßte. Ich glaube, die zusätzlichen Blätter, die wir bekommen, können wir im Laufe des heutigen Vormittags studieren und wir würden dann, das wäre vielleicht ein brauchbarer Zwischenvorschlag, um 14.00 Uhr mit der Vernehmung fortfahren.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich bitte um Ihr Verständnis. Sie werden sich erinnern, daß die Verteidigung oder das ist ja [12296] ziemlich deutlich, daß die Verteidigung auf den Gedanken, Herr BA Krüger als Zeugen zu benennen, im Anschluß an die Vernehmung von dem Herrn Generalbundesanwalt Buback gekommen ist. Herr Buback hat uns hier gesagt, daß er praktisch nichts sagen könne, weil er praktisch über allem stehe da, und daß es eigentlich Sache der entsprechenden Sachbearbeiter sei, sich die Kenntnisse zu beschaffen oder auch vorzutragen, gefiltert oder wie immer. Also jedenfalls nur das Wesentliche, also die Details jedenfalls konnten wir von Herrn Generalbundesanwalt Buback nicht in Erfahrung bringen. Und nun spielt es doch für die Verteidigung unter anderem eine Rolle, gerade diese Akte 3 ARP, die als Geheimakte mitunter genannt wird, und inwieweit die vollständig ist, was da fehlt und so weiter. Das sind Fragen, Vorhalte und ähnliches. Die Vorhalte ergeben sich vielleicht auch im Zusammenhang mit der Frage, ob die Akte Lücken aufweist. Lücken können ja nun gerade von besonderer Bedeutung sein für sämtliche Beweisthemen, die Gegenstand des Beweisantrags bezüglich Herrn BA Krüger ist. Ich will die Sache ...
Vors.:
Ja, was soll jetzt daraus werden, Herr RA Schily, wenn Sie jetzt zum Kern Ihrer Ausführung kommen würden.
RA Schi[ly]:
Es soll daraus werden, daß Sie der Verteidigung die ausreichende Möglichkeit der Vorbereitung einer Zeugenvernehmung geben.
Vors.:
Herr RA Schily, Sie haben doch jetzt diesen Antrag, über den bereits entschieden ist, nur deswegen wieder gestellt, weil inzwischen die Bundesanwaltschaft - für das Gericht auch überraschend - zwei neue Vernehmungsausschnitte mitgebracht hat.
RA Schi[ly]:
Nein ...
Vors.:
Und dazu meinen wir, um das zu ergänzen, müßte die Zeit, die ich vorgeschlagen habe, ausreichen, nämlich bis heute Nachmittag um 14.00 Uhr. Bis dahin wird man 10 oder 15 Seiten wohl durcharbeiten können.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich bin auch der Meinung, wenn ich jetzt beides sozusagen zusammennehme, diese neue Akte und die alte Akte 3 ARP, wobei wir auch noch einen Teil der Müller-Aussage aus Kaiserslautern,[18] die ja letzten Endes auch in den [12297] Vorbereitungszusammenhang gehört, erst jetzt bekommen. Sehen Sie mal, wir bekommen das alles stückweise. Am Anfang bekommen wir Aussagen von ...
Vors.:
Herr RA, das Schicksal teilen wir mit Ihnen.
RA Schi[ly]:
Ja sicherlich, sehr beklagenswert, Herr Vorsitzender.
Vors.:
Es ist so, daß nachdem diese [§ ]96[ StPO]-Entscheidung, jedenfalls bezüglich des jetzt übergebenen wohl wesentlichsten Teil dem Umfange nach gefallen ist, hat die Bundesanwaltschaft, und das ist doch anzuerkennen, möglichst rasch die Akten gebracht. Natürlich entsteht dadurch ...
RA Schi[ly]:
Ware denn die Bundesanwaltschaft bereit, einmal zwischendurch die Erklärung abzugeben, ob auch die restlichen Akten 3 ARP uns zur Verfügung gestellt werden?
BA Dr. Wu[nder]:
Ich kann dazu folgendes sagen, daß möglicherweise morgen schon diese Entscheidung fällt. Sehr wahrscheinlich aber, auf alle Fälle in dieser Woche.
RA Schi[ly]:
Also ich bitte, über meinen Antrag zu entscheiden.
Vors.:
Wie ist nun der Antrag aufzufassen.
RA Schi[ly]:
Der Antrag lautet,
die Vernehmung von Herrn BA Krüger zu unterbrechen, und die Hauptverhandlung zu unterbrechen für eine angemessene Frist, meinethalben bis Dienstag nächster Woche, um uns Gelegenheit zur ausreichenden Vorbereitung der Vernehmung von dem BA Krüger zu geben, mit Rücksicht auf die inzwischen vorgelegten Akten, sowohl die heute, als auch die am vergangenen Freitag.
Vors.:
Also die Wiederholung des am vergangenen Freitag gestellten ...
RA Schi[ly]:
Unter Einbeziehung der jetzt heute vorgelegten Akten. Mitunter läuft ja, das gibt ja das berühmte Tröpfchen, daß das Faß zum Überlaufen bringt. Also mitunter ändert sich durch Quantität auch[i] die Qualität.
Vors.:
Herr RA Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich wiederhole keinen Antrag, sondern ich stelle [12298] einen neuen Antrag,
die Hauptverhandlung bis Dienstag nächster Woche zu unterbrechen.
1. Am Freitagabend hat Kollege Pfaff - als mein Vertreter hier - die da freigegebenen Akten ARP 74/75 mitgebracht und hat mir dann auf meine etwas verwunderte Frage, wie es hier weitergehen solle, von Ihnen Herr Vorsitzender, als sinngemäße Aussage mitgeteilt: Der Senat erwarte von der Verteidigung, daß sie diese Akte bis zum nächsten Sitzungstag - heute also - durchgearbeitet habe ...
Vors.:
Der Senat erwartet nichts von Verteidigern, er sagte nur, um das gleich zu korrigieren, er halte die Zeit für ausreichend, er müsse diese Zeit auch dazu verwenden.
RA Dr. He[ldmann]:
Dazu habe ich folgendes zu sagen, die Zeit ist nicht ausreichend. Ich glaube, ich brauche keine Wort darüber zu verlieren, daß es als eine Zumutung aufzufassen ist, wenn ich von Ihnen höre, daß ich übers Wochenende, daß Sie also auch noch in mein Wochenende hinein zu disponieren versuchen, indem Sie mir antragen, eine Akte, die etwa Leitz-Ordner-Inhalt hat, übers Wochenende durchzuarbeiten. Gestern, nur zu Ihrer Information, war ich ganztags am Landgericht Karlsruhe. Ich habe ...
Vors.:
Ich habe diese Zumutung nicht geäußert, Herr RA Dr. Heldmann, verzeihen Sie, aber ich kann nicht einfach immer, da Sie diese sachlichen Vorwürfe vorbringen, die stimmen nicht. Der Senat hat zum Ausdruck gebracht, die jetzt nachmittags zur Verfügung stehende Zeit und der Montag. Natürlich kann jemand, der will, sich auch noch übers Wochenende mit den Akten befassen. Der Senat wird niemals jemand vorschreiben oder erwarten, daß er das tut. Das ist Ihre Sache.
RA Dr. He[ldmann]:
Sie sagten jetzt „nachmittags“. Das soll ja wohl Freitagnachmittag heißen ...
Vors.:
Freitagmittag.
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Pfaff ist nach Mandantenbesuch in der Haftanstalt, was ja zu den Verteidigeraufgaben gehört ...
Vors.:
Die Akten sind um Halbelf morgens ausgegeben worden.
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender, darf ich einen Satz zu Ende sprechen oder nicht? Also jedenfalls, falls das gemeint [12299] gewesen sein sollte, weise ich als Zumutung zurück, daß der Herr Vorsitzende versucht, auch noch über mein Wochenende zu disponieren, indem er mir antragen läßt, indem er mir antragen läßt, eine Akte mit etwa Leitz-Ordner-Umfang über das Wochenende bis zum nächsten Sitzungstag zu studieren. Ich kenne also - Ergebnis - die Akte 3 ARP nicht. Sie ist aber, so meine ich, Voraussetzung,[j] ich sagte schon, ich war gestern ganztags beim LG Karlsruhe. Sie ist aber Voraussetzung für die weitere Befragung des Herrn Zeugen Dr. Krüger. 2. Soeben höre ich von der Bundesanwaltschaft, daß morgen oder jedenfalls in dieser Woche noch die Entscheidung zu erwarten sei, ob der nächste Teil, der jedenfalls noch ausstehende Teil dieser Akten 3 ARP hier[k] zu erwarten sei oder[l] nicht. Von dieser Entscheidung mag unsere, wird unsere[m] abhängen, ob wir den Versuch unternehmen, ein weiteres Mal beim Verwaltungsgericht hinsichtlich der Offenlegung von Beweismaterial, das die Bundesanwaltschaft uns bisher vorenthalten hat, Erfolg zu erlangen.[19] 3. Den 2. Teil der Akten aus der Hauptverhandlung Kaiserslautern über die Vernehmung des Zeugen Müller habe ich gestern Abend nach Rückkehr von meinem ganztägigen Termin in Karlsruhe als Postpäckchen vorgefunden. Ich habe sie ebenfalls noch nicht gelesen. Ich kann aber vernünftigerweise in dieser Etappe der Beweisaufnahme nur fortfahren, wenn ich diese Akten, die Voraussetzung für[n] Befragung sind, kennengelernt habe. Und auch die Möglichkeit gehabt habe, die neuesten Aussagen Müller, die für uns neuesten, etwa aus der Akte 3 ARP, zu vergleichen mit nun[o] mittlerweile 5 anderen von Aussagen Müllers, die hier peu à peu in dieses Verfahren eingeführt worden sind. Deswegen beantrage ich, die Hauptverhandlung, um der Verteidigung die notwendige, die mindestnotwendige Zeit zur Fortsetzung, zur Vorbereitung ihrer Fortsetzung der Beweisaufnahme zu gewähren. Diese Hauptverhandlung zu unterbrechen bis zum Dienstag der nächsten Woche.
Vors.:
Das ist interessant, daß Sie mitteilen, daß die Kaiserslautener Akten Ihnen nun gestern zur Kenntnis gelangt sind. Sie sind am Dienstagvormittag angekündigt worden, der 1. Teil wurde in der Sitzung ausgegeben und ich habe dann Ihrem Ver- [12300] treter, Herrn RA Pfaff, und Herrn RA Geulen gebeten, unter Hinweis darauf, daß es noch etwa eine halbe Stunde dauern würde, bis der zweite Teil abgelichtet sei, gebeten, zu warten, es würde ihnen der zweite Teil sofort raufgebracht. Es war morgens um 11 Uhr, da ging die Sitzung schon zu Ende, und als wir um viertelzwölf versuchten - wie zugesagt - die Ablichtungen abzuliefern, am vergangenen Dienstag, da hatten beide Herren bereits das Gebäude verlassen.
RA Dr. He[ldmann]:
Vielleicht, wenn ich auch da erwidern darf ...
Vors.:
Aber ich bitte dann dem Gericht keine Vorwürfe machen zu wollen, wenn Ihnen Akten nachträglich zugehen. Wenn also, nachdem das angekündigt worden ist, uns gesagt wird, wir warten auf das - wir [p] schaffen, so schnell es geht - wollen wir es raufbringen, dann sind die Herren weg, da können wir auch nicht mehr helfen.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich habe dem Gericht keinen Vorwurf gemacht. Eine andere Frage ist, ob das Gericht Grund hat, das, was ich gesagt habe, als Vorwurf gegen sich aufzufassen. Aber darüber habe ich nicht gesprochen, sondern ich habe gesagt, ich habe den 2. Teil des Hauptverhandlungsprotokolls mit Aussagen Müller gestern Abend als Päckchen bei mir vorgefunden und wahrscheinlich ist am vergangenen Dienstag die Zeiteinschätzung des Kollegen Pfaff etwas realistischer gewesen als Ihre, das sind nämlich 3-Hefter-Akten, und da hat es sich wahrscheinlich nicht nur um eine Halbe oder, wie Sie meinten, Dreiviertel-Stunde - ...
Vors.:
Um 20 Minuten. Genau 20 Minuten nach Beendigung der Sitzung waren die Ablichtungen fertig.
RA Dr. He[ldmann]:
Nun sicher ist auch nicht Aufgabe der Verteidigung, vor der Geschäftsstelle zu warten, bis notwendige Akten fotokopiert sind.
Vors.:
Ich darf Ihnen sagen, Sie bekommen Ihre Pflichtverteidigergebühren für den ganzen Tag.[20] Und wenn wir um 11.00 Uhr Schluß machen und anbieten, daß um 11.20 oder 11.30 Uhr Ihnen Akten abgeliefert werden, dann kann man von einem Pflichtverteidiger erwarten, daß er da bleibt, wenn das ausdrücklich besprochen worden ist.
RA Dr. He[ldmann]:
Die Pflichtverteidigergebühren sind, wie Sie ja mehrfach oder der Senat mehrfach demonstriert hat, für die Teil- [12301] nahme in der Sitzung, nicht aber dafür, vor der Geschäftsstelle auf die Herstellung von Fotokopien zu warten. Es ist eigentlich überflüssig, so etwas zu erwähnen, Herr Vorsitzender.
Vors.:
Sie kennzeichnen damit einen Standpunkt, den Sie vertreten. Den Standpunkt haben wir hingenommen, den müssen wir auch hinnehmen. Jedenfalls Sie haben keinen Grund, die Handhabung mit der Aktenausfolge in irgendeiner Weise zu kritisieren. Das Gericht ...
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Darf ich das noch sagen, Herr RA Schily, das Gericht hat bis jetzt, wenn Akten gekommen sind, alles getan, um den Herrn Verteidigern so rasch wie möglich und so vollständig wie möglich diese neuen Aktenteile zukommen zu lassen. Mehr können wir nicht tun.
RA Dr. He[ldmann]:
Zweierlei in diesem ... Komplex wäre wohl zu tun ...
Vors.:
Ich darf jetzt bitten ...
RA Dr. He[ldmann]:
... Herr Vorsitzender, darauf zu dringen bei der Bundesanwaltschaft, Akten, auf denen sie sitzenbleibt, obgleich sie in die Hauptverhandlung gehören, vorzulegen rechtzeitig. Und 2. der Verteidigung die ausreichende Zeit zu gewähren, um diese Akten auch durchzuarbeiten.
Vors.:
Sie haben ja einen Antrag in der Richtung gestellt. Wir wollen uns über den Antrag dann beraten.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Herr Bundesanwalt Dr. Krüger, können Sie dazu irgendetwas wegen der Akten ...
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, weil das nun noch in den Zusammenhang gehört, damit wir uns auch darüber im klaren sind. Wir haben bekommen aus dem Kaiserslautener Verfahren zwei Partien, wenn ich das richtig sehe ...
Vors.:
Drei müßten es sein.
RA Schi[ly]:
Oder 3 Partien, mehrere Akten. Aber meiner Meinung nach fehlen dann noch die Protokolle vom 13. Oktober.
Vors.:
Ich bin schon darauf angesprochen worden, Herr RA Schily, aber sie sind uns nicht zugegangen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, daß es dort noch nicht geschrieben ist.
RA Schi[ly]:
Ja, das geht da ein bißchen schwieriger, soweit ich das gehört habe.
[12302] Vors.:
Wir haben morgens mit dem Posteinlauf um 8.15 Uhr diese Protokolle bekommen und haben uns sofort hingesetzt, um diese abzulichten. Wie gesagt, sie sind dann im Laufe des Vormittags hergestellt worden ...
RA Schi[ly]:
Ja, da werden ja auch gar keine Beanstandungen gemacht, in der Richtung. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, daß die noch fehlen vom 13. Okt.
Vors.:
Wir wollen mal sehen, daß die uns auch zugehen.
Zeuge Dr. Krü[ger]:
... hinzuweisen[q]: Es ist so, daß ich aufgrund eines Augenleidens mich in der nächsten Woche einer unaufschiebbaren ärztlichen Behandlung unterziehen muß, die mindestens 3 Tage dauern wird und zwar am Montag beginnen wird.
Vors.:
Die Bundesanwaltschaft bitte. Herr BA Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Was den Aktenbestand betrifft, zunächst folgendes: Das, was aus der 3 ARP-Akte noch aussteht, und wo ich morgen, aber jedenfalls in dieser Woche eine Entscheidung erwarte, sind insgesamt etwa 15 Blatt, etwa 15 Blatt. Die Kaiserslautener Akten haben unserer Auffassung nach mit der Vernehmung des hier anwesenden Zeugen Dr. Krüger nichts zu tun. Im übrigen folgendes: Die Frage, ob den Herrn Verteidigern nach Übergabe der Akten eine Vorbereitungszeit gewährt werden soll, hatte ich in der letzten Sitzung in das Ermessen des Herrn Vorsitzenden gestellt und dabei zum Ausdruck gebracht, daß, wenn es um die Stellung von Beweisanträgen geht, ich die Gewährung einer angemessenen Zeitspanne für richtig halte. Was heute die Vernehmung von Herrn Dr. Krüger angeht, so meine ich, daß diese fortgeführt werden sollte. Ob sie dann heute abschließbar wird, ist eine Frage, die meines Erachtens jetzt noch nicht entschieden werden muß.
Vors.:
Der Senat wird ganz kurz über die gestellten Anträge beraten. Ich bitte sich nicht allzuweit zu entfernen.
[12303] Pause von 9.38 Uhr bis 9.47 Uhr.
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist RA Schlaegel nicht mehr anwesend.
Vors.:
Der Senat hat beschlossen:
Die Sitzung wird um 14.00 Uhr mit der Vernehmung des Zeugen Dr. Krüger fortgesetzt. Für eine weitergehende Unterbrechung besteht derzeit kein Anlaß.
Zur Begründung ist darauf hinzuweisen, daß es bei der Vernehmung des Herrn Zeugen nicht darauf ankommt, mit seiner Aussage Widersprüche zwischen den einzelnen jetzt übergebenen Akten zu klären - dazu liegen die Akten ja vor, so daß sie verglichen werden können. Der Herr Zeuge soll zu Punkten aussagen, die unabhängig auch von den Akten aufgeklärt werden können, so daß kein Grund besteht, nicht mit seiner Vernehmung um 14.00 Uhr fortzufahren.
Bis 14.00 Uhr Unterbrechung.
Pause von 9.48 Uhr bis 14.03 Uhr.
- Um 10.00 Uhr wurden den zuvor anwesenden Verteidigern Fotokopien der von BAnwalt Dr. Wunder vorgelegten weiteren Vernehmungsprotokollen des Zeugen Müller vom 22.7.1976 und 29.7.1976 übergeben. -
[12304] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr
Rechtsanwälte Dr. Heldmann und Oberwinder sind nicht mehr anwesend.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort. Es hat sich insofern ...
RA Wei[denhammer]:
Entschuldigung, darf ich ums Wort bitten?
Vors.:
Darf ich, wenn Sie nicht irgend etwas Unaufschiebbares haben, zunächst mal meine Ausführungen ...
RA Wei[denhammer]:
Es ist unaufschiebbar. Ich habe mein Wahlmandat[21] niedergelegt und bitte, und beantrage, mich für den Angeklagten Raspe als Pflichtverteidiger[22] beizuordnen.
Vors.:
Ja. Da entscheide ich aber nicht jetzt in der Sitzung darüber, Herr Rechtsanwalt Weidenhammer. Wenn Sie dann jetzt nicht mehr Verteidiger sind im Augenblick, dann müßte ich Sie bitten, im Zuhörerraum Platz zu nehmen.
RA Wei[denhammer]:
Herr Vorsitzender, ich möchte Sie bitten, über diesen Antrag vor Fortsetzung der Hauptverhandlung zu entscheiden, weil ich mich weigern müßte, Ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Nach meiner Ansicht ist es erforderlich, daß Sie vor der Fortsetzung der Hauptverhandlung und zwar in Ansehung der Unaufschiebbarkeit, über diesen Antrag entscheiden und zwar unverzüglich.
Vors.:
Über Pflichtverteidigerbestellungen muß nicht unter dem Gesichtspunkt einer Unaufschiebbarkeit entschieden werden. Es ist die Verteidigung gewährleistet. Außerdem hatten Sie keinen Grund, soweit ich die Dinge sehe, jetzt im Augenblick nun unmittelbar vor der Verhandlung die Verteidigung niederzulegen. Wenn Sie weiter hier auf dem Platz amten wollen, dann müßten Sie Ihr Mandat so lange ausüben, bis, nachdem Sie das erklärt haben, die Hauptverhandlung vorbei ist, dann könnte vielleicht bis morgen darüber entschieden werden. Aber auch da habe ich keine Gewähr dafür. Das muß ich mir gründlich überlegen. Keinesfalls entscheide ich jetzt darüber, Herr Rechtsanwalt Weidenhammer. Das ist eine Entscheidung in dieser Phase des Prozesses, die ich mir von Ihnen nicht in dieser Weise aufdiktieren lasse, was die Zeit anlangt.
RA Wei[denhammer]:
Herr Vorsitzender, darf ich nochmals daran erinnern, daß [12305] eine durchgängige notwendige Verteidigung gewährleistet werden muß?
Vors.:
Ist gewährleistet.
RA Wei[denhammer]:
... daß nach meiner Rechtsansicht nicht angeht, einen rechtsfreien Raum dadurch zu schaffen, daß die Entscheidung über die Beiordnung hinausgeschoben wird. Dafür findet sich auch kein Anlaß.
Vors.:
Das ist kein rechtsfreier Raum. Herr Rechtsanwalt Weidenhammer, es ist die Verteidigung gewährleistet. Wir haben Pflichtverteidiger für Herrn Raspe.[23] Ich entscheide jetzt darüber nicht. Ich bitte das jetzt aber zur Kenntnis zu nehmen. Es hat keinen Sinn, daß wir weiter darüber reden.
Wir haben inzwischen vom Herrn Bundesminister der Justiz die Mitteilung bekommen bezüglich des § 96[ StPO]. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
Der Vorsitzende verliest das Fernschreiben des Bundesministers der Justiz vom 9.11.1976, das als Anlage 2 zum Protokoll genommen wird.
Während der Verlesung des Fernschreibens:
Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 14.06 Uhr im Sitzungssaal.
Den Verteidigern werden zwei Durchschriften dieses Fernschreibens ausgehändigt.
Vors.:
Der Senat hat die Zwischenzeit benützt, um zu überprüfen, inwieweit jetzt noch Aktenteile ausstehen. Wir kommen zum Ergebnis - unter Vorbehalt, daß wir richtig alles mitnotiert haben - daß uns nach dieser Freigabe noch fehlen Seite 4, Abs. 1 und 2, 5, 6, 12 Abs. 2, 13, 14, 16, 26, 47, 53, 61-63, 84, 97, 105, 128, 156. Das bedeutet, daß in der Tat, trotz erfolgter Freigabe, die Herrn Verteidiger noch nicht im vollen Besitz der Akten sind, die möglicherweise ... der Akten 3 ARP, das Gericht natürlich auch nicht, die unter Umständen zu Vorhalten an den Herrn Zeugen Dr. Krüger erforderlich sein könnten. Wir beabsichtigen deshalb, heute die Vernehmung auf Punkte zu beschränken, die mutmaßlich mit den Akten 3 ARP nichts zu tun haben. Das scheint uns insbesondere der Punkt eventueller Versprechungen[24] zu sein, die ja im Beweisantrag genannt sind. Wir wollen sehen, wie weit wir [12306][25] [12307] kommen. Wir müssen uns natürlich dann vorbehalten, daß es, nachdem die Akten vollständig dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten vorliegen, nochmals zu einer Vorladung von Ihnen, Herr Zeuge, kommen wird. Herr Rechtsanwalt Schily?
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich hab das jetzt zwar hier vor mir, aber wenn ich das richtig verstehe, dann werden jetzt ... ist die Entscheidung des Herrn Bundesministers der Justiz so zu verstehen, daß ein Teil der noch nicht vorhandenen Aktenbestandteile nicht freigegeben werden?
Vors.:
So ist es.
RA Schi[ly]:
Während auch ein weiterer Teil, der noch nicht vorhanden ist, freigegeben wird. Ist das so richtig?
Vors.:
So ist es richtig, ja.
RA Schi[ly]:
Dann darf ich also ankündigen, daß hinsichtlich dieser Entscheidung von der Verteidigung entsprechende Schritte eingeleitet werden, beim Verwaltungsgericht, das[r] darf ich hiermit ankündigen. Im übrigen stelle ich aber erneut den Antrag, die Vernehmung des Zeugen, Herrn Bundesanwalt Krüger, zu unterbrechen und an einem anderen Hauptverhandlungstag fortzusetzen und ferner stelle ich ganz allgemein den Antrag, also in einer gesonderten Form,
die Hauptverhandlung auszusetzen, hilfsweise die Hauptverhandlung zu unterbrechen, möglicherweise unter Ausnutzung der Möglichkeiten einer längeren Unterbrechung.
Ferner stelle ich den Antrag:
die vollständige Akte 1 BJs 7/76, insbesondere auch die Protokollseiten aus diesen Akten, aus dem Vernehmungsprotokoll über die Vernehmung des Zeugen Müller Seite 208-217, sowie Seiten 228-245 und die weiteren möglicherweise in[s] dieser Akte vorhandenen Vernehmungsprotokolle über die Vernehmung des Zeugen Müller beizuziehen.
Zur Begründung dieser Anträge darf ich folgendes ausführen: Wir haben heute durch die Vermittlung, wohl, wenn ich das richtig verstehe, von Herrn Bundesanwalt Krüger Kenntnis erhalten von weiteren Vernehmungen des Herrn Müller, für die uns das Gericht den heutigen Vormittag zum Studium eingeräumt hat. Aus der [12308] Paginierung dieser Protokolle ist erkennbar, daß noch weitere Protokolle vorhanden sein müssen, also unter anderem diese gekennzeichneten Seiten 208-217 und 228-245. Dann endet dieser Auszug aus diesen Vernehmungsprotokollen abrupt auf der Seite 249 und es wird aus dem Protokoll auch erkennbar, daß es auf Seite 250 weitergeht, ohne daß wir wissen, was da nun drin steht. Und es ist anzunehmen, daß da noch weitere Protokolle vorhanden sind, die für dieses Verfahren unmittelbar von Bedeutung sein können. Voraussetzung der Befragung auch dieses Zeugen ist selbstverständlich, daß wir über dieses vollständige Aktenmaterial verfügen. Das gilt also insbesondere für diese Akte. Aber es gilt auch natürlich für die noch zu erwartenden weiteren Bestandteile der Akte 3 ARP 74/75 I, wie das Gericht ja hier selbst, der Herr Vorsitzende dankenswerter Weise hier selbst ausgeführt hat. Ich glaube, es ist der Verteidigung nicht zuzumuten, hier einer Befragung, hier an einer Befragung teilzunehmen und eine Befragung vorzunehmen, bei der wir nicht die vollständige Übersicht über die Akten haben. Denn es geht nicht nur darum, daß bestimmte Fragen gestellt, vorbereitet werden müssen, sondern es geht möglicherweise auch darum, ob Beanstandungen von Fragen vorgenommen werden müssen. Es geht darum, daß sich bestimmte Fragen sogar erübrigen, wenn man Akten vor sich hat. Also dies ganze Feld der Vorbereitung einer Zeugenvernehmung ist behindert, ist zu stark beschränkt, wenn nicht die gesamten Akten vorliegen.
Soweit ich den Antrag stelle, die Hauptverhandlung auszusetzen, hat das seinen Grund in folgendem zusätzlichem rechtlichem Gesichtspunkt. Ich überreiche dem Gericht die Abschrift einer Strafanzeige, die ich[t] im Auftrage von Frau Ensslin heute der Staatsanwaltschaft in Stuttgart überreichen werde. Die Strafanzeige richtet sich gegen den Zeugen Gerhard Müller wegen Verdachts der uneidlichen falschen Aussage. Ich darf die Anzeige verlesen, damit dem Gericht auch kundgetan wird, um was es sich handelt.
[12309] Rechtsanwalt Schily übergibt dem Gericht eine Abschrift der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Gerhard Müller vom 8.11.1976, die als Anlage 3 zum Protokoll genommen wird.
Vors.:
Ja, Herr Rechtsanwalt Schily, eine Unterbrechung bitte. Ich würde gerne über den Gesichtspunkt, den Sie aufgeführt haben, die Zeugenvernehmung zu unterbrechen, jetzt vorweg entscheiden, denn sollten wir zum Ergebnis kommen, daß es keinen Sinn hat, mit dem Herrn Zeugen unter den gegebenen Umstanden fortzufahren heute, dann wäre es zweckmäßig, ihn möglichst frühzeitig zu entlassen. Will sich zu diesem Punkte speziell hier noch jemand äußern.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich halte das für richtig, Ihren Gesichtspunkt, nur haben Sie bitte Verständnis dafür, daß ich doch diesen Antrag gerne, der ist ja weitergehender, weil ich einen Antrag auf Aussetzung stelle und ich glaube, es ist nicht sehr lang ...
Vors.:
Es geht ja nur um die Entlassung des Herrn Zeugen. Denn es ist so, ich habe Ihnen ja vorhin schon gesagt, dieses Schreiben des Herrn Bundesjustizministers hat eine ganz neue Situation begründet, dem auch das Gericht Rechnung tragen wollte ...
RA Schi[ly]:
Aber Sie würden mir dann danach Gelegenheit geben, nach Ihrer Entscheidung ...
Vors.:
Ja sicher, selbstverständlich.
RA Schi[ly]:
Gut, dankeschön.
Vors.:
Es geht jetzt nur, daß wir den Herrn Zeugen, wenn wir zum Ergebnis kommen sollten, nicht unnötig hier festhalten. In der Tat sieht auch das Gericht eine ganz neue Situation. Ich wollte dem Rechnung tragen durch Beschränkung auf einen einzigen Punkt. Aber es ist natürlich die Frage, ob es Wert hat nach dem voraussichtlich ist, daß wir mit Herrn Dr. Krüger als Zeugen doch nochmals zu rechnen haben, ob es jetzt Sinn hat, mit Ihnen heute eine Vernehmung in einem Teilbereich durchzuführen. Will sich zu diesem Punkte sonst noch jemand äußern? Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
RA Dr. H[eldmann]:
Ja, Antrag auf Unterbrechung der Zeugenaussage des Herrn Dr. Krüger, mit der weitergehenden Begründung:
Während Sie soeben von der Annahme ausgegangen sind, daß im [12310] übrigen, d.h. im übrigen, soweit nicht berührt durch die neuen Fakten hier, Kenntnis der Akten ARP 74/75 bereits Grundlage für die heutige Zeugenbefragung sein könnte, da muß ich wiederholen, was ich heute morgen gesagt und begründet habe, die Aktenkenntnis ist nicht vorhanden ...
Vors.:
Ja, das kennen wir ja bereits ...
RA Dr. H[eldmann]:
... sie ist aber Voraussetzung auch für diese Befragung.
Vors.:
Sonstige Äußerungen dazu seitens der Herrn Verteidiger sehe ich nicht. Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern, insbesondere auch was die Frage der heute früh übergebenen Aktenteile, die in der Tat nicht komplett sind, anlangt. Hier kann man vielleicht gleich Auskunft geben, wie es zu solchen Bruchstücken kommt? Bitteschön, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.
BA Dr. W[under]:
Bereits in der letzten Sitzung habe ich die Entscheidung über eine Unterbrechung in das Ermessen des Herrn Vorsitzenden gestellt. Die Gewährung eines entsprechenden Zeitraumes für die Vorbereitung von Beweisanträgen würden wir nicht entgegentreten. Eine Aussetzung, bzw. eine Absetzung der heutigen Vernehmung des Zeugen Dr. Krüger möchte ich allerdings entgegentreten. Im übrigen sind wir bestrebt, ausstehendes Aktenmaterial umgehend zu beschaffen. Ich meine, weil die Originalakte 3 ARP hier in Stuttgart- Stammheim nicht vorliegt. Wir könnten die restlichen Blätter, ich glaube, es dürfte sich etwa um 10, 12 handeln, die von dem Sperrvermerk des Bundesministers der Justiz nicht mit[u] umfaßt sind, morgen bereits hier vorlegen. Im übrigen darf ich noch erklären, auf die Frage des Herrn Vorsitzenden, wieso es zu dieser Auswahl der Schriftstücke gekommen ist, die wir heute vorgelegt haben. Es mußte gestern in der Eile entschieden werden aus den restlichen Vernehmungen des Zeugen Müller, welche der Protokolle hier heute von Bedeutung sein könnten. Es sind deshalb Dinge, die hier kaum Bedeutung haben können, nicht mehr mit durch die Ablichtung vorbereitet worden. Etwa Dinge, wo es um Sympathisanten, Anmietung von Wohnungen und Diebstahlsversuche bezüglich verschiedener Kraftfahrzeuge in Hamburg gegangen ist. Diese Dinge sind also lediglich bei der Eilbe- [12311-12314i][26] [12315] dürftigkeit gestern für die heutige Sitzung nicht mit vorbereitet worden. Nicht, um sie irgendwie aus dem Verfahren absichtlich fernzuhalten. Das ist meine Erklärung.
Vors.:
Dankeschön. Ich muß Sie um Geduld nochmals bitten, Herr Zeuge. Wir wollen uns ganz kurz draußen beraten und dann die Entscheidung bekannt geben. Sie erhalten ja dann auf jeden Fall wieder das Wort.
Pause von 14.19 Uhr bis 14.24 Uhr
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung:
Rechtsanwalt Weidenhammer ist nicht mehr anwesend.
Vors.:
Wir sind nach der Beratung zu dem Ergebnis gekommen, daß es zweckmäßig ist, die Vernehmung des Herrn Zeugen heute nicht weiter fortzuführen, aus dem Gesichtspunkt, den ich vorhin schon erwähnt habe, daß die Mitteilung über die Freigabe weiterer Aktenteile aus 3 ARP, die natürlich nicht mehr rechtzeitig vorgelegt werden können, schon dazu zwingt, den Herrn Verteidigern für einen erheblichen Teil der hier aufgestellten Beweisbehauptungen sich noch vorzubereiten anhand dieses neuen Materials. Es erscheint auch zweifelhaft, ob es für den Herrn Zeugen zumutbar wäre, die Aussagegenehmigung in allen Punkten richtig abzugrenzen, nachdem er sich selbst keinen Eindruck verschaffen kann, welche Aktenteile aus 3 ARP nun tatsächlich endgültig freigegeben sind; also auch mit Rücksicht auf den Herrn Zeugen scheint es erforderlich zu sein. Und schließlich ist es auch eine Frage, ob es zweckmäßig ist, den Herrn Zeugen heute zu einem Detail des Beweisantrags zu hören in der sicheren Voraussicht, daß wir doch wieder auf ihn zurückgreifen müssen.
Herr Bundesanwalt Dr. Krüger, Sie haben angedeutet, daß Sie in der nächsten Woche nicht zur Verfügung stehen. Könnten wir uns gleich auf einen weiteren Termin festlegen, denn ich bin also sehr darauf angewiesen, einigermaßen voraussehen zu können, wie die Dinge laufen?
Zeuge Krü[ger]:
Herr Vorsitzender, es wäre zu berücksichtigen, daß ich hauptberuflich im Augenblick Sitzungsvertreter im Stockholm-Prozeß in Düsseldorf[27] bin und natürlich die Termine dort mitberücksichtigt werden müssen.
[12316] Vors.:
Gewiß, nur wir könnten auch auf einen Tag ausweichen, wo Sie dort keine Sitzung haben, oder auch mal - das ist ja der Grund, warum wir es jetzt schon besprechen - zur Not einen Montag oder einen Freitag als Sitzungstag verwenden.
Zeuge Krü[ger]:
Freitags habe ich selbst Sitzung, in Düsseldorf.
Vors.:
Welche Tage stehen Ihnen ...
Zeuge Krü[ger]:
Der Sitzungsrhythmus in Düsseldorf ist kein Geheimnis, ist dienstags, mittwochs, freitags. Der Donnerstag dazwischen ist frei.
Vors.:
Und wie wäre es an einem Donnerstag, der übernächsten Woche? Oder der Montag der übernächsten Woche, das könnten wir also jetzt gleich in Anwesenheit ...
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich möchte große Bedenken anmelden. Ich habe im Moment, das habe ich Ihnen ja mal telefonisch mitgeteilt, einen Schwurgerichtsprozeß, den ich ausdrücklich immer auf auch die hier freien Sitzungstage lege. Bei dem einen Tag Freitag, gut, da ließ es sich offenbar nicht umgehen. Da habe ich ja auch ... es ist mir Gott sei Dank gelungen, den Kollegen Geulen noch dazu zu bewegen, hierher zu fahren, obwohl das für ihn sehr schwierig war. Aber für den Normalfall und Sie wissen, daß ich an der Vernehmung des Herrn Bundesanwalts Krüger auf jeden Fall teilnehmen will, wie [v] ich ja hier auch dokumentiere, heute ist auch der normale Sitzungstag. Aber ich wäre also dankbar, wenn das ... und das würde sicher auch in den Sitzungsplan von Herrn Bundesanwalt Krüger einpassen, wenn er seinen Donnerstag dafür verwendet würde.
Rechtsanwalt Weidenhammer erscheint wieder um 14.26 Uhr im Sitzungssaal.
Vors.:
Nun, es ist so. Also ich muß grundsätzlich darauf hinweisen. Der Rhythmus Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, den wir hier einhalten, den kann ich nicht für verbindlich erklären. Das habe ich auch in den Terminsplänen schriftlicher Art immer wieder zum Ausdruck gebracht. Wir nehmen Rücksicht, soweit es möglich ist. Ist Ihnen am Donnerstag der übernächsten Woche eine Reise ... Nächste Woche, glaube ich, [12317] stehen Sie nicht zur Verfügung, da haben Sie ...
Zeuge Krü[ger]:
Nächste Woche nicht. Das würde für mich natürlich eine nicht unerhebliche Belastung sein, wenn ich von Düsseldorf hierher fahre, um dann am nächsten Tag wieder ein Sitzungstag in Düsseldorf wahrzunehmen.
Vors.:
Und ist es in der nächsten Woche, da sprachen Sie von Montag bis Mittwoch, da wird es ausgeschlossen sein am Donnerstag.
Zeuge Krü[ger]:
Ja, das ist auch ausgeschlossen.
Vors.:
Und Freitag?
Zeuge Krü[ger]:
Haben wir ebenfalls Sitzung.
Vors.:
Da haben Sie wieder Sitzung.
Zeuge Krü[ger]:
Am 19. ist Sitzung. Es könnte der Dienstag, der darauffolgenden Woche ...
Vors.:
Ja, das wäre angenehm. Das wäre dann der 23. November. Gut, ich sehe hier keine sonstigen Äußerungen dazu. Dann darf ich Sie gleich mündlich auf Dienstag, den 23. November, 9 Uhr, ist Ihnen möglich, wieder laden?
Zeuge Krü[ger]:
Ja.
Vors.:
Und es bedarf dann wohl keiner zusätzlichen schriftlichen Ladung mehr. Die Beweisthemen bleiben dieselben; nur unter Berücksichtigung jetzt der weiter freigegebenen Aktenteile wäre wohl Ihre Aussagegenehmigung zu überprüfen. Frage, wollen Sie Ihre Aussagegenehmigung unter diesem Aspekt wieder mitnehmen oder ist das nicht erforderlich?
Zeuge Krü[ger]:
Ich glaube nicht, daß es erforderlich ist.
Vors.:
Dankeschön. Dann können wir, glaube ich, den Herrn Zeugen für heute mit Dank[w] entlassen. Es tut uns leid, daß die Sache nicht weitergeführt hat, aber die gegenwärtige Aktenzulieferung bringt uns gewisse Schwierigkeiten. Ich danke Ihnen.
Der Zeuge Bundesanwalt Dr. Krüger wird um 14.29 Uhr entlassen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Schily, bitteschön.
RA Schi[ly]:
Darf ich erst eine Bitte äußern, daß der Verteidigung eine Ablichtung der Aussagegenehmigung von Herrn Bundesanwalt Krüger zur Verfügung gestellt wird?
Vors.:
Ich würde sagen zur Einsicht, zur Verfügung ... Sie lautet schlicht und einfach, daß ihm zu den von Ihnen angegebenen Beweisthemen Aussagegenehmigung erteilt wird. Also mehr nicht.
[12318] RA Schi[ly]:
Ahja, gut dankeschön. Hat sich dann erledigt.
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr die Strafanzeige - gerichtet an die Staatsanwaltschaft Stuttgart - gegen Gerhard Müller vom 8.11.1976. - Die Anlagen werden nicht verlesen - (siehe Anlage 3 zum Protokoll).
Während der Verlesung verläßt Rechtsanwalt Dr. Heldmann von 14.30 Uhr bis 14.35 Uhr den Sitzungssaal.
RA Schi[ly]:
Soweit die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Ich darf wiederholen, ich werde diese Strafanzeige heute bei der Staatsanwaltschaft einreichen. Es dürfte sicherlich Einigkeit darüber bestehen, daß diese beiden Aussagen, die der Zeuge Müller gemacht hat, einmal vor dem Kammergericht, einmal vor dem Oberlandesgericht, nicht in Einklang stehen. Daß also feststeht, daß entweder der Zeuge Müller vor dem Kammergericht eine Falschaussage gemacht hat oder vor dem hiesigen Gericht. Welche der Aussagen richtig ist, das wird die Staatsanwaltschaft dann zu überprüfen haben. Es wird also diesem Verdacht gegen Herrn Müller nachzugehen sein. Für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Herrn Müller, glaube ich, ist es sicherlich nicht von untergeordneter Bedeutung, wenn sich herausstellen sollte, daß eine solche uneidliche Aussage vorgelegen hat. Und der Senat wird sicherlich sich auch die Konsequenzen vor Augen führen können, wenn nämlich eine Verurteilung des Herrn Müller wegen Falschaussage zustande kommen sollte, kann das ja bestimmte strafprozeßuale Konsequenzen haben. Ich darf also nur an die Vorschriften über das Wiederaufnahmeverfahren verweisen;[28] und ich glaube, niemand kann ein Interesse daran haben, daß solch ein Vorgang geklärt wird irgendwann in der Zukunft, sondern daß dann ein solcher Vorgang noch innerhalb des laufenden Verfahrens geklärt wird. Und aus diesem Grunde scheint es mir geboten, daß entweder dem Antrag auf Aussetzung oder mindestens dem Antrag auf eine längere Unterbrechung stattgegeben wird. Inwieweit die Staatsanwaltschaft eine Möglichkeit hat, die Ermittlungen hier sehr zu beschleunigen, das vermag die Verteidigung selbstverständlich [12319] nicht zu übersehen. Allerdings würde ich denken, daß es dazu nicht allzu umfangreiche Ermittlungen bedarf. Die Protokolle liegen vor. Herr Müller ist auch präsent, kann also vernommen werden und was sonst noch an Möglichkeiten in der Aufklärung insoweit besteht, auch das dürfte vielleicht keine allzu großen Schwierigkeiten machen, also die hier benannten Vernehmungspersonen[x] zu vernehmen. Ich glaube also, daß man nicht sagen kann, daß die Ermittlungen so kompliziert und schwierig sind, daß sie also vielleicht erst in Jahren abgeschlossen werden können und ich meine, daß also hier die einzige richtige Konsequenz ist, aus diesem Vorgang, dem Antrag der Verteidigung stattzugeben.
Vors.:
Will sich die Bundesanwaltschaft zu diesem Antrag äußern?
Bitte, Herr Bundesanwalt Dr.[y] Wunder.
BA Dr. W[under]:
Die Erstattung einer Strafanzeige gibt grundsätzlich keinen Anlaß zur Aussetzung oder Unterbrechung einer Hauptverhandlung. Ich meine, etwas Konkretes, was dafür sprechen könnte, hier von diesem Grundsatz abzugehen, ist nicht vorgetragen. Allerdings handelt es sich bei Müller um einen wichtigen Zeugen. Dem Senat sind aber die unterschiedlichen Angaben bekannt. Unterschiedliche Zeugenaussagen zu bewerten, ist ohnedies richterliche Aufgabe, so daß es einer Aussetzung oder einer Unterbrechung meiner Meinung nach nicht bedarf. Im übrigen darf ich vielleicht noch folgendes hinzufügen: Die Herrn Verteidiger - im anderen Zusammenhang - zu unserer rechten Seite[29] müssen sich ja auch durch die Vernehmungsprotokolle durcharbeiten und um abzuklären, wieviel Zeit hier zu veranschlagen wäre, hielte ich es für richtig, wenn der Herr Vorsitzende vielleicht die Herren auch befragt, damit wir uns unter Umständen daran orientieren können.
Vors.:
Ja, ich bin überzeugt, daß die Herrn, die Sie im Augenblick ansprechen, selbst in der Lage sind, sich zu Wort zu melden, wenn sie dazu das Bedürfnis haben. Ich möchte aber, bevor wir uns jetzt zurückziehen, um über Ihren Antrag zu beraten, noch darauf hinweisen: Es war ja auf heute 14 Uhr der Zeuge Kahl geladen, als Kohl benannt, aber er heißt Kahl. Der Zeuge ist beim letzten Mal nicht erschienen. Wir haben dann nachträglich gehört, angeblich wegen Nebels. Aber der Nebel hat jedenfalls Herrn Rechtsanwalt Geulen nicht gehindert, hier [12320] zu erscheinen, und da das dieselbe Fluglinie ist, muß das gewisse Zweifel auslösen, die wir noch klären werden. Für heute ist ein ärztliches Attest eingegangen, aber fernschriftlich über die Redaktion „Welt“ in Berlin. Gestern wurde mir angerufen und ich habe dann verlangt, daß das Attest bis heute mindestens fernschriftlich übermittelt werden müßte. Die Rückfrage bei dem behandelnden Arzt hat zu keinem Ergebnis geführt, da er heute den ganzen Tag unerreichbar bleibt. Wir werden erst morgen eine Klärung haben. Vorderhand müssen wir davon ausgehen, daß der Zeuge Kahl krank ist. Allerdings handelt es sich um [Gesundheitsdaten], und diese Diagnose läßt hoffen, daß wir ihn dann vielleicht am nächsten Dienstag hier sehen können. Ich habe also heute den Zeugen gleich umladen lassen auf den Dienstag, 16.11. Das steht natürlich jetzt unter dem Vorbehalt der Entscheidung über den soeben gestellten Antrag. Wir werden jetzt über den Antrag entscheiden. Wenn die Herrn Rechtsanwälte auf die Anregung von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder hin irgend etwas dazu ausführen wollen? Ich sehe nicht. Dann werden wir wieder nach der Beratung erscheinen.
Pause von 14.43 Uhr bis 14.54 Uhr
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung: Rechtsanwalt Schily ist nicht mehr anwesend.
Vors.:
Der Senat hat beschlossen:
Der Antrag auf Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens wird abgelehnt,
da die vorgetragene Strafanzeige hierzu keinen Anlaß gibt. Der Senat hat bereits Aussagen, die der Zeuge Müller vor dem Kammergericht in Berlin gemacht hat, als wahr unterstellt.[30] Er wird sie unter Beachtung der vor dem Senat gemachten Aussagen zu bewerten haben.
Es bleibt also bei dem auf morgen vorgesehenen Termin 9 Uhr - Vernehmung des Zeugen Ruhland. Dann wird die Sitzung erst wieder fortgesetzt am Dienstag, dem 16.11, mit der voraussichtlichen Vernehmung des Zeugen Kahl. Dadurch ergibt sich auch für alle Prozeßbeteiligten nochmals eine weitere Frist zur Bearbeitung der Akten 3 ARP. Ich darf darauf hoffen, daß wir tatsächlich vielleicht morgen diesen Rest der Akten 3 ARP hier verteilen können, so daß wir dann am Dienstag komplett wären.
[12321] Rechtsanwalt Schily erscheint um 14.55 Uhr wieder im Sitzungssaal.
BA Dr. W[under]:
Herr Vorsitzender!
Vors.:
Herr Bundesanwalt Wunder?
BA Dr. W[under]:
Das Fernschreiben hat der Bundesminister der Justiz an den Herrn Generalbundesanwalt gerichtet und ich werde mit der Behörde[31] heute in Verbindung treten. Ich kann es in Aussicht stellen, ich werde darum bemüht sein, mit letzter Sicherheit kann ich es jetzt nicht sagen.
Vors.:
Nein, das Fernschreiben, das ich hier verlesen habe, ist an das Gericht gerichtet. Es ist nur mitgeteilt, daß gleichzeitig dem Herrn Generalbundesanwalt das mitgeteilt wurde. Es ist klar, die Entscheidung geht an den Generalbundesanwalt ...
BA Dr. W[under]:
Das letztere meinte ich. Aber ich gehe auch davon aus, daß auch dem Herrn Generalbundesanwalt das Fernschreiben mitgeteilt worden ist.
Vors.:
Sicher, die Entscheidung ist dem Herrn Generalbundesanwalt mitgeteilt worden und wir haben hier die Nachricht davon bekommen. Aber das, was hier verlesen worden ist, ist an das Gericht gerichtet.
BA Dr. W[under]:
Ja und ich meinte eben die Mitteilung an den Herrn Generalbundesanwalt.
Vors.:
Ja sicher, wir haben ja die Seitenzahlen schon zusammengestellt, die dann vermutlich noch frei werden. Man kann sie Ihnen gerne zur Verfügung geben. Nun die andere Frage: Wir haben inzwischen die Akten 3 ARP übergeben. Läßt sich schon jetzt überblicken, ob Anträge aufgrund dieser Akten gestellt werden können. Dann wäre ich dankbar, wenn es heute noch geschehen würde oder jedenfalls spätestens dann morgen, damit wir dieses Programm, das für den Dienstag den 16. vorsehen, etwas komplettiert werden könnte.
RA Schi[ly]:
Herr Vorsitzender, ich bin ziemlich sicher, daß aus diesem vorgelegten Aktenmaterial sich weitere Anträge ergeben. Ich bin aber nicht in der Lage, diese Anträge bis morgen zu konzipieren. Sie werden auch Verständnis dafür haben, daß natürlich Rücksprachen mit der Mandantschaft erforderlich sind. Es mag aber möglich sein, um sozusagen ein Sitzungsprogramm, also die Terminstage für die kommende [12322] Woche dann möglicherweise auszunutzen, mir gelingt, Ihnen das noch per Eilboten bis Freitag hier per Post zu übersenden.
Vors.:
Das wär sehr nützlich.
RA Schi[ly]:
Und dann könnte ja der Senat entscheiden, ob er im Vorgriff ...
Vors.:
Ja, da wäre ich sehr dankbar dafür. Herr Rechtsanwalt Weidenhammer?
RA Wei[denhammer]:
Herr Vorsitzender, ich habe für den Angeklagten Raspe einen Beweisantrag zu stellen.
Vors.:
Darf ich jetzt fragen, Sie hatten natürlich vorhin die Rücknahme des Mandats, d.h. die Niederlegung des Mandats erklärt, ist das wieder zurückgenommen?
RA Wei[denhammer]:
Ich hab das eben mit ihm besprochen und das Wahlmandat wieder aufgenommen.
Vors.:
Nun müssen wir uns nachher vielleicht außerhalb der Hauptverhandlung kurz unterhalten darüber, wie das nun geschehen soll. Denn Voraussetzung wäre dann in der Tat, um eine solche Entscheidung, wie Sie sie beantragt haben, die Niederlegung.[32] Aber wir sprechen noch darüber.
RA Wei[denhammer]:
Ich beantrage für den Angeklagten Raspe:
Rechtsanwalt Weidehhammer verliest nunmehr den schriftlich vorbereiteten Beweisantrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll als Anlage 4 beigefügt wird.
Vors.:
Bitte wollen Sie gleich Stellung nehmen, Herr Bundesanwalt Wunder?
BA Dr. W[under]:
Nein, nein, nicht dazu, Herr Vorsitzender. Nur eine andere Frage. In der letzten Sitzung war uns von den Verteidigern angekündigt worden, daß Anträge bezüglich Mordhorst, wenn ich recht gehört habe, schriftlich gestellt werden sollten. Sind die inzwischen eingegangen?
Vors.:
Nein, es sind keine Anträge eingegangen. Herr Rechtsanwalt Geulen hat wohl dahin sich geäußert, ja, es war Herr Rechtsanwalt Geulen. Ist darüber schon irgend etwas zu sagen, Herr Rechtsanwalt Schily?
RA Schi[ly]:
Es kann sein, daß ich morgen den Antrag schriftlich einreiche. Ich bitte mir aber noch Gelegenheit zu geben. Ich [12323-12324][33] [12325] hatte keine Gelegenheit mehr, ich bin gestern angereist, aber Sie wissen ja, in den Abendstunden ist keine Rücksprache möglich und ich hatte auch während des heutigen Tags noch keine Möglichkeit einer Mandantenbesprechung. Aber ich nehme an, daß ich morgen einen schriftlichen Antrag einreichen kann.
Vors.:
Jetzt bleibt vielleicht noch Zeit zu einem Mandantengespräch. Ich lasse auch keine Gelegenheit aus, immer wieder daran zu erinnern, daß Beweisantrage so rasch wie möglich gestellt werden müssen, damit das nicht zu weiteren Verzögerungen führt, nicht zu unvermeidbaren Verzögerungen. Wir sind am Ende des heutigen Sitzungsprogramms.
Herr Bundesanwalt Wunder, bitteschön.
BA Dr. W[under]:
Wir haben uns eben unterhalten und verständigt, vielleicht könnte, wenn ich die Anregung geben darf, bezüglich des letzten Beweisantrages zunächst so verfahren werden wie bei Herrn Innenminister Schwarz, daß eine Anfrage an ihn gerichtet wird und alles weitere dann von der Antwort auf diese Anfrage abhängig gemacht wird, als Anregung.
Vors.:
Ja, dankeschön. Sonst keine Äußerungen mehr. Dann ist der Sitzungstag zu Ende. Fortsetzung morgen früh 9 Uhr, Vernehmung des Zeugen Ruhland.
Ende der Sitzung 15.03 Uhr
Ende von Band 730
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.
[3] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.
[4] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).
[5] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[6] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.
[7] In der Akte 3 ARP 74/75 I befanden sich weitere Vernehmungsprotokolle mit Angaben des Zeugen Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, wurde zuletzt der Bundesanwaltschaft anvertraut (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 158. Verhandlungstag gab die Bundesanwaltschaft schließlich nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.).
[8] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Durch den Nachweis von Widersprüchen zwischen den verschiedenen Aussagen Müllers versuchte die Verteidigung, dessen Glaubwürdigkeit erheblich zu erschüttern.
[9] Anlage 1 zum Protokoll vom 9.11.1976: Aussagegenehmigung für Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. Krüger.
[10] Ein Sperrvermerk kann nach § 96 StPO durch die oberste Dienstbehörde angebracht werden, wenn „das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“ (§ 96 StPO a.F.; entspricht heute § 96 Satz 1 StPO).
[11] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 – Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung und bestimmte Motive (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2). Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; s. zur Abgrenzung Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).
[12] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt weitere Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Verfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde (s. dazu auch den Antrag des Rechtsanwalts Schily an diesem Verhandlungstag, S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[13] Zwischen dem 11. und 24. Mai 1972 verübte die RAF insgesamt sechs Sprengstoffanschläge in Frankfurt, Augsburg, München, Karlsruhe, Hamburg und Heidelberg. Dabei wurden vier Personen getötet und weitere verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 – Az.: 2 StE 1/74, S. 1 ff.; für eine zusammenfassende Darstellung s. auch Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 34 ff.).
[14] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen. Am ersten Tag seiner Vernehmung im Stammheimer Verfahren gab der Zeuge Müller an, Dierk Hoff nicht zu kennen (S. 10248 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 124. Verhandlungstag). Diese Angabe widerrief er zu Beginn des 126. Verhandlungstages (S. 10407 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[15] „Pfirsich“ war der Deckname für Dierk Hoff.
[16] Der Zeuge Gerhard Müller stritt zunächst ab, den Decknamen „Harry“ benutzt zu haben. Damit einher ging die Behauptung, er habe den Zeugen Dierk Hoff nie getroffen (S. 10399 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 125. Verhandlungstag); dieser hatte im Rahmen seiner Zeugenaussage allerdings ein Treffen mit einem „Harry“ geschildert, den er inzwischen als Müller identifizierte, s. S. 5948 des Protokolls der Hauptverhandlung, 68. Verhandlungstag). Diese Aussage widerrief Müller schließlich am 126. Verhandlungstag (S. 10407 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[17] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Für einige der sog. Vertrauensverteidiger/innen war dies geschehen. Nach zwischenzeitlichen Entpflichtungen traf das zu diesem Zeitpunkt noch auf die Rechtsanwälte Dr. Heldmann (für den Angeklagten Baader) und Schily (für die Angeklagte Ensslin) zu.
[18] Der Zeuge Gerhard Müller sagte nach der Aussage in Stuttgart-Stammheim auch im Parallelverfahren vor dem LG Kaiserslautern als Zeuge aus. Dort fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern waren für dieses Verfahren offenbar weitere Vernehmungen mit dem Zeugen Müller durchgeführt worden: entsprechende Protokolle wurden den Prozessbeteiligten am 157. Verhandlungstag übergeben (vgl. S. 122215 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[19] Die Verteidigung hatte bereits in verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem VG Köln bzw. dem VG Hamburg Klagen sowie Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Erteilung von zuvor versagten Aussagegenehmigungen eingereicht. Zum Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem VG Köln s. Anlage 2 zum Protokoll vom 31. August 1976 (S. 11426 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag); der Antrag vor dem VG Hamburg befindet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 21. September 1976 (S. 11597 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 145. Verhandlungstag). Das VG Köln befand die pauschale Versagung der Aussagegenehmigung für den Generalbundesanwalt Siegfried Buback für rechtswidrig und verpflichtete den Bundesminister der Justiz, die Klägerin und Antragstellerin Gudrun Ensslin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (s. das Urteil und den Beschluss des VG Köln vom 15.9.1976 in Anlage 1 a des Protokolls vom 28. September 1976, zu Blatt 11698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 148. Verhandlungstag). Das VG Hamburg verpflichtete den Polizeipräsidenten Hamburg im Wege der einstweiligen Anordnung, dem KHK Opitz die beantragte Aussagegenehmigung zu erteilen (s. dazu RA Heldmann am 151. Verhandlungstag, S. 11795 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[20] Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 – Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), hat sie u.a. zur Folge, dass der/die beigeordnete Verteidiger/in einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse erhält (damals § 97 BRAGO, inzwischen ersetzt durch § 45 Abs. 3 RVG). Die Vergütung ist für verschiedene Verteidigungstätigkeiten festgelegt; u.a. fällt für jeden Tag der Hauptverhandlung eine sog. Terminsgebühr an (damals §§ 97 Abs. 1 i.V.m. 83 BRAGO; heute Nr. 4108 der Anlage 1 zum RVG).
[21] § 137 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.
[22] In den Fällen der sog. notwendigen Verteidigung kann ein/e Wahlverteidiger/in beantragen, dem/der Beschuldigten als Pflichtverteidiger/in beigeordnet zu werden (§ 141 StPO). Zu den Fällen der notwendigen Verteidigung zählt auch der hier vorliegende Fall der Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Eine Folge der Beiordnung ist, dass sich der Vergütungsanspruch beigeordneter Verteidiger/innen nicht mehr (nur) gegen die Mandant/innen, sondern gegen die Staatskasse richtet (s. bereits Fn. 20). Ohne diese Möglichkeit sind aber besonders aufwendige und lang andauernde Prozesse gegen mittellose Mandant/innen mit einem Wahlmandat kaum zu bewältigen.
[23] Zu Beginn der Hauptverhandlung waren den Angeklagten je ein/e Verteidiger/in des Vertrauens als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet (im Fall der Angeklagten Ensslin sogar zwei). Für den Angeklagten Raspe war dies Rechtsanwalt von Plottnitz, der allerdings mit Verfügung vom 7.11.1975 (abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.) wieder entpflichtet wurde. Da den Angeklagten neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Pflichtverteidiger (gegen ihren Willen) zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren, konnte die Hauptverhandlung trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) stets weitergeführt werden. Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch diese von den Angeklagten sog. Zwangsverteidiger auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Heute gibt es für diese Form der Sicherungsverteidigung in § 144 StPO eine gesetzliche Grundlage (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 [BGBl. I, S. 2128]). Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch sie auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Auch in der Literatur war diese Vorgehensweise – die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen – lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 – Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 – Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 – Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.
[24] Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers, mit der er die Angeklagten schwer belastete, u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden war (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).
[25] Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976: Fernschreiben des Bundesministers der Justiz vom 9.11.1976.
[26] Anlage 3 zum Protokoll vom 9.11.1976: Strafanzeige des Rechtsanwalts Schily an die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Gerhard Müller vom 8.11.1976.
[27] Vor dem OLG Düsseldorf fand die Hauptverhandlung gegen die am Stockholm-Attentat Beteiligten statt. Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter Baader, Ensslin und Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmern ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai in der JVA-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20. Juli 1977 – Az.: IV 15/75; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).
[28] Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens ist nur in Ausnahmefällen möglich. Nach § 359 Nr. 2 StPO ist eine Wiederaufnahme zugunsten der verurteilten Person zulässig, „wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat“.
[29] Die zwei „Lager“ der Verteidigung – die Vertreter/innen der Vertrauensverteidigung auf der einen, die von den Angeklagten sog. Zwangsverteidiger auf der anderen Seite (s. bereits Fn. 23) – wurden auch räumlich sichtbar: Während die Vertrauensverteidigung bei den Angeklagten Platz nehmen konnte, saßen die von den Angeklagten abgelehnten Verteidiger ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Saales, neben den Vertretern der Bundesanwaltschaft (s. auch die Skizze in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 185).
[30] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.
[31] Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übt als Strafverfolgungsbehörde das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 142a Abs. 1 GVG) aus. Diese Zuständigkeit des OLG für Strafsachen in erster Instanz ist nur für besondere Straftaten gegeben, etwa für Hoch- und Landesverrat (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GVG). Der Generalbundesanwalt kann zudem die Strafverfolgung für Strafsachen, die eigentlich zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören würden, wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernehmen (was in der Folge ebenfalls zur Zuständigkeit des OLG in erster Instanz führt, §§ 120 Abs. 2, 74a Abs. 2 GVG).
[32] Eine Person kann nicht gleichzeitig Wahl- und Pflichtverteidiger/in sein; allerdings wird in der Regel dem Beiordnungsantrag auch die Erklärung zu entnehmen sein, das Wahlmandat werde mit der Bestellung enden (s. BGH, Beschl. v. 10.9.1980 – Az.: 2 StR 275/80, StV 1981, S. 12).
[33] Anlage 4 zum Protokoll vom 9.11.76: Beweisantrag des Rechtsanwalts Weidenhammer auf Vernehmung des Bundesministers der Justiz Vogel als Zeugen.
[a] Maschinell durchgestrichen: und
[b] Maschinell eingefügt: in
[c] Maschinell ergänzt: einem
[d] Maschinell ersetzt: von für den Anlaß durch veranlaßt
[e] Maschinell eingefügt: jetzt
[f] Handschriftlich eingefügt: Bl.
[g] Maschinell eingefügt: ob
[h] Handschriftlich durchgestrichen: Angaben
[i] Maschinell eingefügt: auch
[j] Maschinell eingefügt: Voraussetzung,
[k] Maschinell eingefügt: hier
[l] Maschinell ersetzt: wenn durch oder
[m] Maschinell ersetzt: Wirkung durch wird unsere
[n] Maschinell ersetzt: der durch für
[o] Maschinell eingefügt: nun
[p] Handschriftlich durchgestrichen: es
[q] Maschinell ersetzt: ...zuweisen durch hinzuweisen
[r] Maschinell eingefügt: das
[s] Maschinell ersetzt: aus durch in
[t] Maschinell eingefügt: ich
[u] Maschinell eingefügt: mit
[v] Maschinell durchgestrichen: auch
[w] Handschriftlich ersetzt: mittag durch mit Dank
[x] Maschinell ersetzt: Vernehmungsbeamten durch Vernehmungspersonen
[y] Maschinell eingefügt: Dr.