16. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 10. Juli 1975, um 9.10 Uhr



[1292] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 10. Juli 1975, um 9.10 Uhr.

(16. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erschienen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Protokollführer waren anwesend:

Just. Sekr. Janetzko,

Just. Ass. z. A. Scholze.

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Becker, Dr. Heldmann, Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke, Grigat.

(RA Schily war nicht anwesend.)

Vors.:

Ich sehe, wir sind vollzählig und können die Sitzung fortsetzen.

Herr RA Sch[ily] ist entschuldigt.

Die Entlüftungsanlage in Saal ist defekt. Man merkt’s schon. Sie soll in zwei Stunden repariert sein. Ich hoffe, daß das auch noch für uns heute früh wirksam wird; denn wir beabsichtigen heute, nur den Vormittag zur Verhandlung zu benützen. Heute mittag sind einige Dinge im Zusammenhang mit den Untersuchungen zu erledigen.

Wir haben bis jetzt - den Herren Verteidigern das als Vorinformation - aus dem Bereich der Psychiatrie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde etwa 12 Namen von Sachverst., die in Betracht kommen, benannt bekommen. Wir hoffen, daß wir heute früh noch die Namen der Ärzte aus dem Bereich der inneren Medizin bekommen. Die Namen werden zusammengestellt und den Herren Verteidigern dann bekanntgegeben.

[1293] Zunächst die Frage:

Will die B. Anwaltschaft zu dem gestern noch Beantragten jetzt schon Stellung nehmen?

BA Dr. Wu[nder]:

Wir wären sehr dankbar, Herr Vors., wenn dies erst im Laufe des späteren Vormittags geschehen könnte.

Unsere Auskünfte, die wir eingeholt haben, liegen noch nicht alle vor.

Vors.:

Ich darf dann darauf hinweisen, daß am nächsten Mittwoch - wie vorgesehen - verhandelt werden wird. Das muß schon deshalb geschehen, weil ab morgen gerechnet der übernächste Verhandlungstag erst in 12 Tagen sein wird, d. h. es bedarf zur Unterbrechung der Zehntagefrist des § 229 StPO[1] sowieso dieser Verhandlung am Mittwoch.

Herr RA v[on] Pl[ottnitz].

[a] [RA von Plottnitz]:

Herr Vors., ich bitte zunächst um Gelegenheit, um etwas richtigstellen zu können, was Sie gestern gesagt haben, und zwar ohne uns Gelegenheit zu geben, vor Beendigung der Sitzung darauf einzugehen.

Sie haben in Zusammenhang mit unserem Antrag die Feststellung getroffen, daß es ja wohl gebe - so ähnlich ist das formuliert worden - eine Entscheidung der Menschenrechtskommission in Straßburg, die sich positiv äußere, positiv in dem Sinn, daß also nichts daran auszusetzen sei an den Haftbedingungen der vier Gefangenen hier.

Das ist nicht richtig.

Vors.:

So hab ich’s aber auch nicht dargestellt.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

So hab ich’s verstanden. Also um das ... um darüber mal Klarheit zu schaffen:

Es gibt eine bislang nicht veröffentlichte und - soweit ich von dem Kollegen Groenewold, der der Vertreter der Beschwerdeführer war - auch noch nicht zugestellte Entscheidung der [1294] Menschenrechtskommission, die sich allein jedoch zu befassen hatte mit dem Post- und Besuchsverkehr der Gefangenen, also überhaupt mit der anstaltsinternen Situation, die im übrigen Presseberichten zufolge mindestens auch nicht zur Sache selbst entschieden hat, sondern, in der der Antrag verworfen ... die Beschwerde verworfen wurde wegen mangelnder Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges. Das also zu diesem Punkt.

Im übrigen habe ich einen Antrag zum gleichen Komplex zu stellen.

Vors.:

Darf ich nur ganz kurz erwidern.

Ich räume Ihnen ein, auch wir sind hier nur auf die Pressenotizen angewiesen. Es hat geheißen, daß die Beschwerde vor der Menschenrechtskommission betr. Haftbedingungen verworfen worden sei. Wir kennen die Gründe[2] nicht. Das hab ich gestern ausdrücklich angedeutet, daß wir hoffen oder es wünschen würden, daß die B. Anwaltschaft bis zu unserer Entscheidung möglicherweise diese Gründe erfahren könnte und uns mitteilen würde.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann einen ergänzenden Antrag zu dem, was gestern abend bean... am späten Nachmittag noch beantragt worden ist, und zwar beantrage ich für Herrn Ra[spe]:

daß über den gestrigen Antrag zur Frage der Haftbedingungen sofort, d. h. vor der Fortsetzung der Hauptverhandlung, entschieden wird.

Zur Begründung dazu nur ganz kurz folgendes:

Es war kein Zufall - und das ist vielleicht auch unser Fehler, daß wir’s nicht gesagt haben -, daß wir gestern diesen Antrag gestellt haben, gestern, am 9.7.1975, und zwar haben wir den Antrag gestern gestellt, weil Frau Enss[lin] am 8.7.1972[3] festgenommen worden war, mithin also auch bei Frau Enss[lin] die Dreijahresfrist, die Dreijahresfrist abgelaufen war, damit bei allen vier Gefangenen die Voraussetzungen Vorlagen, wie sie in Zusammenhang mit der Bestimmung der Dauer von Einzelhaft in Art. 316[ EGStGB][4] beschrieben sind.

[1295] Alle Gefangenen haben seit dem gestrigen Tag - alle Gefangenen seit dem gestrigen Tage - einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, nicht Haftbedingungen zu unterliegen, die der Gesetzgeber sogar für die Verbüßung von Strafhaft verbietet.[5] Und da dem so ist, hat der Senat sich auch unverzüglich zu dem Antrag zu äußern und dazu Stellung zu nehmen. Sollte der Senat der Auffassung sein, daß die Unterbringung der Gefangenen im 7. Stock, die hermetische Abriegelung vom übrigen Gefängnisbereich, keine Einzelhaft darstellen, dann haben die Gefangenen einen Anspruch darauf, das zu erfahren, weil dann gegebenenfalls ja weitere rechtliche Schritte zu erwägen sind.

Vors.:

Will die B. Anwaltschaft sich dazu äußern?

BA Dr. Wu[nder]:

Wir glauben nicht, daß es erforderlich ist, dazu jetzt eine Erklärung abzugeben. Ich möchte nur daran erinnern, daß Frau Enss[lin] ja sehr lange Zeit in dieser Zeitspanne, die Herr RA v[on] Pl[ottnitz] angedeutet hat, sich in Strafhaft befunden hat.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Darf ich dann vielleicht doch nochmals einen Satz dazu sagen?

Da scheinen also nach wie vor Mißverständnisse ... mißverständliche Vorstellungen ... Vorstellungen zu existieren.

Nochmal zu Art 316[ EGStGB].

Art. 316[ EGStGB] verbietet es, für Strafgefangene eine Gesamtdauer von Einzelhaft von länger als drei Jahren zu praktizieren. Es kommt also nicht mal darauf an, ob unterbrochen worden ist die Einzelhaft oder nicht unterbrochen ist. Die Gesamtdauer der Einzelhaft darf drei Jahre nicht übersteigen.

Richtig ist, daß - ich glaube, mit Ausnahme von Herrn Ra[spe] alle Gefangenen - im Vollzuge der Untersuchungshaft zwischendurch auch mal Strafhaft verbüßt[b] haben.[6] Unsere Überlegung ist folgende:

Wenn der Gesetzgeber für Strafgefangene, also für Gefangene, die nur und ausschließlich Strafhaft verbüßen, eine längere [1296] Dauer von Einzelhaft als drei Jahre verbietet, dann gibt er damit eindeutig zu erkennen, daß für alle Gefangene, ohne Rücksicht darauf, ob sie Untersuchungshaft oder Strafhaft verbüßen oder teilweise Untersuchungshaft, teilweise Strafhaft verbüßt haben, daß für alle Gefangene die Dauer von Einzelhaft drei Jahre nicht übersteigen darf. Die äußerste Grenze, die äußerste Grenze, die insoweit an ... an Pein zugefügt werden darf im Zusammenhang mit der Einzelhaft, ist drei Jahre, für welchen Gefangenen auch immer, und wenn diese drei Jahre erreicht sind, dann besteht die Verpflichtung der zuständigen Gerichte, die Gefangenen zu integrieren in den üblichen Gemeinschaftshaftvollzug. Das ist unser Standpunkt.

Und solange ein Gesetz ... ein Gesetz nicht vorliegt, das etwa als Sondergesetz anderes und eine Ausnahmeregelung zuläßt für bestimmte Gefangene, so lange haben die Gefangenen den Anspruch darauf, vom gestrigen Tage an in den normalen Haftvollzug in der JVA in Stammheim integriert zu werden.

Vors.:

Ja. Wir werden uns das überlegen.

Die Angekl. können im Saale bleiben.

Der Senat zog sich um 9.17 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 9.46 Uhr wurde die Sitzung wie folgt fortgesetzt:

Vors.:

So. Ich glaube, wir können fortsetzen.

Zunächst darf ich darauf hinweisen, daß wir inzwischen Gelegenheit hatten, auch mit der Gesellschaft für Innere Medizin mit dem Präsidenten zu sprechen.

Es ist in Aussicht gestellt, daß wir in der nächsten halben Stunde möglicherweise die Vorschläge, also die Namensvorschläge bekommen, so daß tatsächlich unsere Absicht, Ihnen allen diese Namen heute noch mitzuteilen, eingehalten werden kann.

Der Senat hat beschlossen:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

[1297] Die Bestimmung des Art. 316 Abs. 3 EGStGB besagt, daß kein Strafgefangener länger als drei Jahre unausgesetzt von anderen Gefangenen gesondert gehalten wird. Selbst wenn diese Bestimmung für die Untersuchungshaft entsprechend angewendet werden sollte - es ist darauf hinzuweisen, daß Untersuchungshaft keine Strafe ist, sondern ganz andere Zwecke hat -, so trifft diese Voraussetzung der unausgesetzten Trennung nach Auffassung des Senates nicht zu; unausgesetzt bedeutet nämlich ein völliges und ununterbrochenes Getrennthalten von anderen Gefangenen. Dem steht entgegen, daß die Angekl. miteinander - zu zweit - jeweils gemeinsamen Hofgang hatten und haben, daß sie während längerer Zeit der Untersuchungshaft den Umschluß zu zweit hatten bis zu vier Stunden täglich früher, daß sie inzwischen gelegentlich - das wird nicht übersehen, nicht sehr häufig, aber gelegentlich - unter sich zu viert zusammenkommen konnten drüben in der Anstalt, jetzt an den Sitzungstagen jeweils vor Sitzungsbeginn am Nachmittag nach der hier getroffenen Regelung diese Gelegenheit regelmäßig haben. Der Senat hat seinerzeit noch erwogen - das war im Dezember letzten Jahres wohl - Hofgang mit Gruppen von anderen Häftlingen, etwa zehn Personen, durchzuführen. Wir haben entsprechende Andeutungen gemacht gegenüber Herrn Dr. Croissant. Es ist auch mit Herrn Dr. Henck diese Frage aus medizinischer Sicht besprochen worden. Es ist uns innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden unserer Vorstellungen in dieser Richtung mitgeteilt worden, daß diese Lösung als sog. Spitzellösung schärfstens zurückgewiesen werden würde. Die Angekl. wären nicht bereit, sich mit anderen Untersuchungshäftlingen, die dann zwangsläufig von der Anstalt ausgesucht werden müßten jeweils, zum Hofgang zu begeben. Nach unserer Auffassung liegt - wie gesagt - die Voraussetzung der unausgesetzten Trennung nicht vor; daher ist es nicht nötig, sofort zu entscheiden, was nicht ausschließt, daß der Senat mit tunlichster Eile entscheiden will. Wir haben noch die Stellungnahme der B. Anwaltschaft nicht. Es ist uns aber mitgeteilt worden, daß sie noch im Laufe des Sitzungsvormittags abgegeben werden[c] wird.

[1298] Damit habe ich jetzt die Frage zu stellen, welche weiteren Anträge gestellt werden.

Herr Dr. He[ldmann] ...

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte, darf Herr Baa[der] zu diesem Beschluß eine Erklärung abgeben?

Angekl. Baa[der]:

Sie haben hier falsche Tatsachen aufgestellt.

Vors.:[d]

Herr RA., wir wollen jetzt mit der Sitzung fortfahren. Keine Erklärungen. Wir werden ja die Entscheidung darüber zu fassen haben; wir haben gestern die Antragsbegründung eingehend gehört. Sie war lange. Alle Beteiligten hatten Gelegenheit gehabt.

Wir wollen also jetzt nicht wieder Erklärungen dazu haben.

RA Dr. He[ldmann]:

Wann gedenkt der Senat, über meinen Antrag, während der sitzungsfreien Tage zur Vorbereitung der Verteidigung der Angekl. Umschluß zu erlauben?

Vors.:

Heute nachmittag.

RA Dr. He[ldmann]:

Das werden wir also heute nicht mehr erfahren, sondern am Mittwoch.

Vors.:

Es könnte sein, daß es zweckmäßig wäre, daß Sie heute dableiben, und ich nehme an, so, wie Sie sich bisher geäußert haben, daß Sie den freien Nachmittag sogleich benützen werden, in der Haftanstalt Gespräche zu führen. Wir würden dann versuchen, Ihnen die Entscheidung mitzuteilen über die Haftanstalt, wenn sie da wären.

RA Dr. He[ldmann]:

Das ist sehr unsicher, ob ich heute nachmittag da sein werde.

Vors.:

Die Angekl. werden die Entscheidung auf jeden Fall heute noch erfahren.

RA Dr. He[ldmann]:

Und noch eine Frage bitte:

Wann werden Sie über Herrn Baa[ders] Antrag, mich zum Pflichtverteidiger[7] zu bestellen, entscheiden?

[1299] Vors.:

Da wird soeben ein Schreiben abgefaßt, d. h. abgeschrieben - es ist diktiert -, das Ihnen noch zugeht. Darin ist Ihnen bekanntgegeben, was die B. Anwaltschaft dazu für eine Stellung bezieht; was der Senat für Fragen an Sie vorher hat.

Ich könnte mir denken, daß das Schreiben heute früh noch übergeben werden kann?

Es wird Ihnen auch noch heute früh übergeben werden können.

Ich glaube, es wäre möglich, das in kürzester Frist zu beantworten, was wir hier an Fragen an Sie richten. Es wäre notfalls telefonisch oder durch eine kurze Angabe auf der Geschäftsstelle möglich, so daß die Entscheidung dann sehr rasch ergehen könnte.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke.

Vors.:

Bitte.

Werden nun weitere Anträge gestellt?

Frau Enss[lin], bitte schön.

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte ums Wort für Herrn Baa[der].

Angekl. Baa[der]:

Ja. Ich wollte dazu sagen, daß Sie wieder mal, und das ist ja nun wirklich hier schon Usus, falsche Tatsachen ...

Vors.:

Herr Baa[der], ich habe eben gesagt:

Erklärungen wollen wir nicht ...

Angekl. Baa[der]:

Eine Gegenvorstellung.[8]

Sie haben eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt im Zusammenhang der Haftbedingungen, und Sie haben hier ganz bewußt einen Gesetzestext falsch interpretiert. Der Gesetztext heißt:

Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von insgesamt drei Jahren nicht übersteigen.

Sie haben gesagt: die Trennung von anderen Gefangenen.

[1300] Es geht hier um die Einzelhaft, und was Einzelhaft bedeutet, das wird klar im Entwurf zum StrafvollzugsG.[9] Darin steht nämlich, daß die Isolation 6 Monate nicht überschreiten darf, und daß die Isolation nicht unterbrochen ist, nicht unterbrochen ist durch gemeinsamen Hofgang bzw. Kirchgang bzw. Teilnahme an Freizeitveranstaltungen.

Das ist doch ein wesentlicher Punkt. Das ist ... Daraus geht hervor, was Einzelhaft kennzeichnet.

Insofern ist Ihre Interpretation eine bewußte Täuschung der Öffentlichkeit und bewußt ... also bewußt falsche Interpretation.

Vors.:

Ja. Ist das eine Gegenvorstellung?

Angekl. Baa[der]:

Hier steht kein Wort davon von der Trennung von anderen Gefangenen.

Ganz abgesehen davon:

Wenn Sie hier - und Sie tun das immer wieder - wenn Sie hier behaupten, die Gefangenen hätten die Möglichkeit gehabt oder jeweils zwei Gefangene hätten die Möglichkeit gehabt, zusammenzukommen, dann geben Sie doch mal den Zeitraum innerhalb dieser drei Jahre an, in den das möglich war; dann geben Sie doch gefälligst auch an, daß das in ... wie und in welcher Weise die Haftbedingungen in letzter Zeit wieder verschärft worden sind. D. h., daß innerhalb eines Zeitraums von 36 Monaten die Möglichkeit des Kontaktes von nur zwei Gefangenen in diesem System, nur zwei Gefangenen, den Zeitraum von - würde ich sagen 6 Wochen - nicht überschreitet. Dann ist das wieder gekippt worden von Ihnen.

Überdies ist es falsch, was Sie sagen zu der Frage dieser ... dieses ... dieser Gruppen mit zehn oder acht anderen Gefangenen. Das ist ein Vorschlag, der uns sozusagen nie erreicht hat, und wesentlich ist aber, daß die Anstalt ihn[e] schon mal präventiv abgelehnt hat im Zusammenhang mit den Mädchen.

Das wissen Sie doch wohl.

Herr Croissant hat sozusagen ... Das ist vollkommen absurd, daß Croissant überhaupt gegen irgendeine Entscheidung des Senats hätte Bedenken gehabt und geltend machen können. [1301] Sie haben diese Schriftsätze in den Papierkorb gewischt, einen nach dem anderen.

Der Punkt ist der, daß die Anstalt es abgelehnt hat, die Anstalt von sich aus abgelehnt hat, die Kommunikation der beiden Mädchen mit diesen anderen 8 Gefangenen in diesem Trakt da oben, wozu einfach festzustellen ist, daß diese 8 Gefangenen da oben, diese 8 Mädchen, die da noch drinsitzen in diesem Trakt, daß die ausgesucht worden sind nach ihrer speziellen Eignung aus dem gesamten Potential sozusagen der Strafgefangenen in Baden-Württemberg, und daß diese Abteilung dort oben aus kosmetischen Gründen tatsächlich überhaupt erst eingerichtet worden ist, seit Ulrike und Gudrun dort ... nach Stammheim verlegt worden sind, d. h., es gab ursprünglich überhaupt keine Frauenabteilung, es ist eine Frauenabteilung geschaffen worden. Und da sind 8 nach - künstlich sozusagen - und das sind 8 Frauen, die ausgewählt worden sind, nach ihrer speziellen Eignung reingelegt worden. Aber - das ist nochmals dazu zu sagen - auch den Kontakt mit diesen 8 Frauen im Hof oder wo sonst ist die Anstalt ausdrücklich entgegengetreten, d. h. er war nach der Stellungnahme der Anstalt nicht möglich.

Das sind die Tatsachen in diesem Zusammenhang.

Angekl. Enss[lin]

Ja man kann ... man muß das noch präzisieren, weil dadurch die Funktion dieser 8 Mädchen ja klar wird. Die Anstalt hat mitgeteilt, daß die Mädchen den Hofgang ablehnen, wodurch einfach klar wird, daß sie ... daß der Vollzug sich damit nichts anderes als ein Instrument geschaffen hat, mit dem sie ... durch die Einrichtung mit diesen Mädchen, die Mädchen instrument... und instrumentalisiert. Ein Instrument, mit dem sie gleichzeitig die Isolation durchsetzen können und die Öffentlichkeit darüber täuschen, falsch informieren, falsche Begründungen, vorgeschobene Begründungen.

Vors.:

Will die B. Anwaltschaft Stellung nehmen zu den Gegenvorstellungen?

[1302] Reg. Dir. Wi[dera]:

... weitere Erörterung dieses Thema nicht stattfinden, denn wir werden ja im einzelnen darstellen in unserer Stellungnahme, wie die Haft bisher - die Untersuchungshaft - wirklich vollzogen worden ist. Die Erkundigungen sind zum Teil schon eingegangen. Und dann werden sicherlich die Angekl. Und vielleicht auch ihre Herrn Verteidiger Gelegenheit nehmen wollen, ihre Darstellung zu bringen, und dann kann ja zweckmäßigerweise alles zusammengefaßt werden.

Vors.: (Nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen:

Die Gegenvorstellung gibt keinen Anlaß, den soeben verkündeten Beschluß abzuändern.

Auf die Einzelheiten des Vorbringens wird noch eingegangen werden bei der endgültigen Beschlußfassung über die Anträge zu den Haftbedingungen. Im übrigen lautet die Vorschrift, um die es hier geht, wie folgt:

„Die Freiheitsstrafe kann sowohl für die ganze Dauer wie für einen Teil der erkannten Strafe in der Weise in Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen Gefangenen gesondert gehalten wird.“

Das ist der Gesetzestext, Art. 316 Abs. 3 des EG zum StGB, und von diesem ist der Senat ausgegangen.

Die Gegenvorstellung hat - wie ich Ihnen schon gesagt habe - keinen Anlaß gegeben, etwas am Beschluß zu ändern.

Ich darf bitten, Herr RA Dr. He[ldmann], wenn weitere Anträge sind.

RA Dr. He[ldmann]:

Frage:

In welcher Form wünschen Sie Anträge auf Protokollberichtigung? Es gibt im Protokoll des 1. Verhandlungstages - da ist [f] ja Konsensus der Prozeßbeteiligten verzeichnet, innerhalb von zwei Tagen Protokollberichtigungen anzumelden.

Vors.:

Ich gehe davon aus ...

RA Dr. He[ldmann]:

Also ich wollte das tun für das Protokoll, was ich vorgestern bekommen habe, welches vom 1.7. datiert.

[1303] Vors.:

Es ist so:

Das Protokoll wird abgeschrieben von Schreibkräften, die hier an der Sitzung nicht teilnehmen. Gewisse Verständigungsschwierigkeiten entstehen auch beim Abschreiben vom Band. D. h., diese Erfahrung, die wir schon in früheren Prozessen gemacht haben, führte dazu, darum zu bitten, daß für den Fall, daß irgendwelche unrichtigen Übertragungen stattgefunden haben, die natürlich einfach Verständnisfehler sind, entsprechende Hinweise gegeben werden, die nicht unbedingt an die zwei Tage gebunden sind. Wir haben nur die Gelegenheit mit zwei Tagen etwa begrenzt, weil wir die Bänder, die benützt werden, wieder in den Verkehr bringen wollen, d. h. etwa 2, 3, das können auch 4 oder 5 Tage sein, liegen wie Bänder zur Verfügung, so daß, wenn also irgendwelche Schwierigkeiten da sind, Berichtigungen gewünscht werden, es anhand des Protokolls nochmals von allen Beteiligten abgehört werden kann.

Sie haben also jederzeit Gelegenheit, zurückliegende Unrichtigkeiten, die Sie feststellen, hier geltend zu machen.

Ich würde allerdings vorschlagen, das wäre am besten außerhalb der Hauptverhandlung zu machen.

RA Dr. He[ldmann]:

Gut. Nur;

Wir könnten in Schwierigkeiten geraten, wenn die Bänder gelöscht sein werden, nicht?

Darum wir ja seinerzeit ...

Vors.:

Das ist der Hinweis, nicht wahr.

Es ist eben nur eine gewisse Zeit möglich, es anhand der Bänder nochmals anzuhören, was gesagt worden ist.

Aber soweit ich bis jetzt beobachten konnte, habe ich das Gefühl - ich möchte sagen, ich bin mir sogar sicher, daß abgesehen von Schreibfehlern, Verständnisfehlern, insbesondere bei Fremdworten - die Protokolle restlos so übernommen sind, wie sie in Band erkennbar und verstehbar sind.

[1304] Im übrigen ist ja das endgültige Protokoll natürlich erst am Schluß der Hauptverhandlung zu erwarten. Es ist noch kein fertiges Protokoll, sondern es ist im Augenblick nur eine Arbeitsunterlage für alle Beteiligten.

RA Dr. He[ldmann]:

Also ich habe zum Protokoll vom 1.7. vier Berichtigungen anzubringen. Soll ich das jetzt tun?

Vors.:

Können wir das außerhalb der Hauptverhandlung machen durch einen kurzen Hinweis? Und dann können wir das Band wieder vorziehen und notfalls mit Ihnen zusammen abhören, wenn wir den Eindruck haben, daß da irgendwelche Unklarheiten tatsächlich zurückbleiben.

Herr RA Rie[del], bitte sehr.

RA Rie[del]:

Zur Frage der Berichtigung ist es notwendig, das betrifft ja nicht nur die Verteidiger selber, sondern insbesondere auch die Mandanten, daß diese in die Lage versetzt werden, das Protokoll zu vergleichen und durchzusehen, nicht wahr. Deswegen beantrage ich:

daß der Mandantin ein vollzähliges Protokoll zur Verfügung gestellt wird, genau wie den Verteidigern auch.

Vors.:

Das nehmen wir zur Kenntnis, daß der Antrag gestellt ist.

Aber wie gesagt:

Es ist eine Arbeitsunterlage, die wir uns alle geschaffen haben; die geht den Verteidigern zu. Das sind die berufenen Vertreter für die Angekl. Es ist nicht beabsichtigt, dieses Protokoll weiter an die Angekl. zu geben. Wir werden uns aber darüber doch auch noch Gedanken machen.

Bitte, Herr Ra[spe]. Sie wollen einen Antrag stellen?

Angekl. Ra[spe]:

Ja. Ich will einen Antrag stellen,

und zwar ist das also zum Teil ist das ... übernehme ich da die Anträge, die also Rie[del] wohl eben schon gestellt hat, bezogen also auf die Protokolle. Aber jetzt kommt noch etwas dazu, und damit fange ich am besten an, also weil das auch zusammenhängt, und zwar bezieht sich der Antrag darauf, die Mikro- [1305] phonanlage hier - bei uns - sofort so schalten zu lassen, daß wie bei den übrigen Mikrophonen - also, nach dem, was man hier jedenfalls sehen kann, ist es bei allen andern Mikrophonen so außer bei diesen beiden hier, daß wie bei den übrigen Mikrophonen die Möglichkeit besteht, durch einen Schalter den Ton ein- und ausschalten zu können.

Das als Erstes.

Nun beantragen wir als Zweites:

die Mikrophonanlage sofort so schalten zu lassen, daß, wenn sie eingeschaltet ist -

und zwar, nachdem hier so ein Schalter angebracht worden ist -

eingeschaltet durch uns, daß dann tatsächlich das auf das Band aufgenommen wird, was wir hier gesagt haben und sagen.

Und dann beantragen wir drittens:

daß jedem von uns sofort ein Exemplar der laufenden Sitzungsprotokolle zugestellt wird.

Zur Begründung dieser Anträge ist also zu sagen:

Sie schalten die Mikrophone, die also der B. Anwaltschaft z.B. in den ersten Verhandlungstagen die Möglichkeit gegeben hat, sich jederzeit durch Knopfdruck in den Ablauf des Verfahrens einzuschalten, und daß jedenfalls nicht und also entsprechend im Kontrast dazu die Anlage hier, die also überhaupt nur dann eingeschaltet wird, wenn Sie also auf einen Knopf drücken oder einen Wink erteilen, daß jedenfalls diese ganze Anlage, diese ganze Mikrophonanlage überhaupt nicht mit den technischen Mätzchen zu erklären ist, die Sie damals, die der Senat damals zur Erklärung vorgebracht hat.[10] Vielmehr zeigt sich darin nur, daß also die B. Anwaltschaft auch in diesem Punkt Herr des Verfahrens ist. Und daß das also kein Zufall war sondern langfristig geplant, das haben wir also auch schon mal gesagt, aber es ist notwendig zu wiederholen und der B. Anwaltschaft auch bekannt war, das ist eben genau zum Ausdruck gekommen in dem Nebensatz, den Wi[dera] bei der Zellenrazzia erklärt hat, und ich wiederhole das nochmals, er in Bezug auf die Beschlagnahme von Vorbereitungsmaterial zu diesem Prozeß hier und in Bezug auf das, was wir hier sagen, wörtlich erklärt hat:

„Was im Prozeß geredet wird, bestimmen wir.“

[1306] Und zwar ist es notwendig, daß ich das nochmals wiederhole, und das ist zugleich ein typisches Beispiel für das, was hier also was hier dargestellt wird jetzt, denn es ist eben genau dieser Satz im Protokoll unterschlagen worden z. B. ... Das kann man nachlesen auf S. 786. Statt dessen enthält das Protokoll auf dieser Seite eine Lücke an dieser Stelle - inhaltlich eine Lücke und weil eben diese Lücke vorhanden ist, völlig sinnlose Entgegnung von Wi[dera] zu diesem Satz, und das ist natürlich nur eine Stelle, ja. Es kommen noch mehr. Ich werd hier also auch noch einige nennen.

Jetzt hat sich aber gezeigt, daß das also nicht die einzige Form ist, in der das hier abläuft, daß es zusätzlich tatsächlich noch etwas anderes gibt auch, daß Sie nämlich durch Ihre formale Verfügung über die Knöpfe Feststellungen von Zusammenhängen, mit Feststellungen von Zusammenhängen, die für und in diesem Abschnitt des Verfahrens von unmittelbarer Bedeutung sind, indem Sie nämlich die Bedingungen des Verfahrens, die durch die Staatsschutzjustiz in den drei Jahren gesetzt worden sind, transparent machen, also das, was Andreas gestern genau erklärt hat, daß Sie solche Feststellungen von Zusammenhängen - von inhaltlichen und sachlichen Zusammenhängen - durch Unterbrechungen zu verhindern versuchen. Und das ist also das eine. Was da noch hinzukommt, und das läßt sich sichtbar an den Protokollen ablesen, wo dann tatsächlich über Seiten hinweg nachlesbar ist, daß also der Versuch, einen sachlichen Zusammenhang hier zu entwickeln, zerstückelt wird, zerhackt wird durch Unterbrechungen. Das das eine.

Und bezogen eben auf die Wiedergabe des Ablaufs der Verhandlung im Protokoll wirkt sich diese Praxis, durch Knopfdruck den Ton abschalten zu lassen, in genau der Weise aus, daß das Protokoll verfälscht wird. Also ein Beispiel hab ich dafür schon genannt, in dem tatsächlich Sätze unterschlagen werden, also nicht mehr vorhanden sind, fehlen ...

Angekl. Baa[der]:

... zentrale Sätze.

Angekl. Ra[spe]:

Ja, natürlich. Immer entscheidende Zusammenhänge, durch deren [1307] Weglassen dann genau, ja, man kann sagen, durch deren Weglassen wird genau der Begriff Zusammenhang sozusagen aufgelöst. Das ist dann eben kein Zusammenhang mehr, wenn das weggelassen wird.

Also diese Verfälschungen durch Knopf... also durch Tonabschalten auf Knopfdruck ist die andere Variante.

Und so begründen. sich also aus diesen Punkten Notwendigkeit dieser Anträge; denn es ist eben tatsächlich so, daß an den Stellen, an denen Sie das Mikrophon abschalten lassen, im Protokoll dann das Wörtchen „unverständlich“ auftaucht, und natürlich nur bei dem, was wir sagen. Also es gab noch keine einzige Äußerung der B. Anwaltschaft, die also in Protokoll dann auf diese Weise wiedergegeben worden wäre, daß da also gestanden hätte „unverständlich“ beispielsweise. Sie kommen natürlich immer durch, [g] während bei Anträgen, Fragen, Feststellungen usw., die wir hier entwickeln und formulieren, eben dieses Wort „unverständlich“ genau dort auftaucht, wo damit eben wirklich der entscheidende Inhalt unterschlagen ist. Dazu noch ein Beispiel:

Auf S. 505 im Protokoll fehlt genau die von uns gezogene und formulierte Schlußfolgerung aus der Befragung von Henck[11] und aus der Selbstentlarvung von Wi[dera],[12] nämlich bezogen auf den Transport von Siegfried Hausner nach Stammheim[13] fehlt der Satz, Zitat:

... sondern in der Verantwortung der B. Anwaltschaft, die damit hier offen erklärt, daß sie Siegfried Hausner durch den Transport nach Stammheim ermordet hat.“

Zitatende.

Das haben wir hier gesagt, und genau dieser Satz fehlt;

das ist unterschlagen im Protokoll, und stattdessen steht dort „unverständlich“.

Also „unverständlich“, das ist wirklich im Protokoll oder auch drei Punkte - das taucht natürlich auch auf, diese Form -, das ist im Protokoll tatsächlich das Synonym für brisante Zusammenhänge, und es ist ziemlich sicher, daß der Senat und die B. Anwaltschaft natürlich Zusammenhängen mit einiger Panik begegnen, ja, sie müssen sie tatsächlich offensichtlich panisch hassen. Dementsprechend sind die Reaktionen, wenn sie von uns gezeigt werden. Die sind nämlich gewaltsam [1308] und brutal.

Tatsächlich ist das Abschalten des Mikrophons, was Sie jetzt, bis jetzt jedes Mal durchziehen, wenn einer von uns hier zusammenhängende Argumentationen entwickelt, wenn einer von uns hier Tatsachenzusammenhänge darstellt, und besonders dann, wenn es Andreas ist. Dann ist die Reaktion des Senats auf Anregung der B. Anwaltschaft meistens, aber nicht immer in der Unterbrechung tatsächlich auch nichts anderes als Knebelung. Das wird nur noch nicht so sichtbar, weil eben die Technik einen Teil des Jobs abnimmt, ja. Aber jeder kann sich vorstellen, wie das aussähe, wenn z.B. in einem kleineren Saal verhandelt würde, und zwar ohne Mikrophonanlage, also wie das dann liefe. Sie könnten dann nämlich das gleiche Ergebnis, uns am Sprechen zu hindern, zu verhindern, daß hier die Liquidierung Ihrer eigenen Ideologie im Prozeß der Forcierung transparent gemacht wird, uns daran zu hindern, daß wir im Zusammenhang der Tatsachen belegen und zeigen, wie im strategischen Konzept des Staatsschutzes, der B. Anwaltschaft der Mord an drei politischen Gefangenen[14] zu den Bedingungen dieses Verfahrens gehört, und das Verfahren selbst zu einem Ferment des Faschisierungsprozesses gemacht werden soll und gemacht wird.

Also Sie könnten dieses gleiche Ergebnis, was Sie hier durch Abschalten des Mikrophons erreichen und durch Ihre Unterbrechungen und durch die Verfälschungen im Protokoll, die Sie jedenfalls bei den Korrekturen zulassen und durchlassen nur dadurch kommen - in einem kleineren Saal z. B. daß Sie uns faktisch knebeln, und genau das, daß Sie das also auch wollen, und weil das gestern sichtbar wurde in Ihrer Praxis, Andreas laufend zu unterbrechen, haben Sie es dann in scheinbarer Großzügigkeit gelassen. Aber genau das, daß es darauf hinausläuft - diese Praxis auf Knebelung - drückt sich in Ihrer Behauptung auch aus, Sie hätten zu bestimmen, was zur Sache gehört und was nicht, d. h., Sie hätten auch inhaltlich zu bestimmen, wie ein tatsächlicher Zusammenhang aussehen soll und aussehen muß, um hier von uns ungehindert entwickelt werden zu können, d. h. wie ein sachlicher Zusammenhang ausse- [1309] hen darf, damit wir ihn im ... ungehindert entwickeln können.

Sie maßen sich damit hier an in die Feststellung oder die ... den Rahmen von Zusammenhängen festzulegen, zu bestimmen, und anderenfalls wollen Sie uns knebeln durch Unterbrechen und durch Abschalten des Mikrophons und durch Unterschlagung, technisch vermittelt dadurch, daß das eben einfach nicht mehr aufgenommen wird, was hier gesagt wird, im Protokoll.

Naja. Das sind also einige Beispiele, die man ... also die man auch ohne Schwierigkeiten vervollständigen kann in den Protokollen. Ich hab die nicht, deswegen beantragen wir ja auch, daß wir die kriegen. Es sind eben entsprechend an allen Stellen, an denen Zusammenhänge, Argumentationen von uns entwickelt worden sind, im Protokoll Verfälschungen enthalten nach diesen Mustern, nämlich entweder sind ganze Abschnitte durch Tonabschalten unterschlagen worden; oder das, was wir sagen, wird inhaltlich verfälscht, verstümmelt und durch die Mikrophonanlage technisch vermittelt dann entsprechend auch falsch abgeschrieben vom Band und ebenso falsch durch die Senatskorrektur geschleust. Also deswegen diese Anträge zu diesen drei Punkten.

Ich wiederhole die nochmals, also:

1. die Mikrophonanlage hier bei uns so zu schalten ja, daß wie bei den übrigen Mikrophonen die Möglichkeit besteht, durch einen Schalter den Ton ein- und auszuschalten;

2. die Mikrophonanlage sofort so schalten zu lassen, daß, wenn sie durch diesen Schalter eingeschaltet ist, und zwar durch uns, tatsächlich das auf das Band aufgenommen wird, was hier wir sagen und;

3. jedem der Gefangenen ab sofort ein Exemplar der laufenden Sitzungsprotokolle zur Verfügung zu stellen.

Und zu diesem dritten Punkt noch ist die ... diesem 3. Punkt ergibt sich die Begründung logisch aus den Zusammenhängen davor. Wir brauchen eben genau die Protokolle, um kontrollieren zu können, was vom Ablauf der Sitzung im Protokoll verfälscht wiedergegeben wird bzw. um bzw. um uns auch zusätzlich auf die Hauptverhandlung vorbereiten zu können, und um natürlich auch diese Möglichkeit wahrzunehmen, die am Anfang steht - [1310] S. 4, glaube ich -, daß also zwei Tage vorhanden sein sollen, in denen, wie Sie da gesagt haben, Beanstandungen des Inhalts des Protokolls bekanntgegeben werden müssen. Naja, gut.

Du möchtest schließlich ...

Angekl. Baa[der]:

Ich möchte mich dem Antrag anschließen. Ich möchte mich dem Antrag anschließen. Ich möchte dazu kurz noch was sagen:

Das Grundsätzliche ...

Vors.:

Entschuldigung. Hatten Sie sich zuerst gemeldet? Ich weiß nicht ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich hatte mich zuerst gemeldet.

Vors.:

Bitte sehr, Herr B. Anw. ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Selbst, wenn Herr Baa[der] sich da anschließen will. Ich möchte ja nur deswegen mich jetzt zu Wort melden, weil ich mehrmals angesprochen wurde.

Einmal, Herr Ra[spe], der Zusammenhang, den Prozeßstoff bestimmen wir. Dazu können Sie aus eigener Beobachtung überhaupt nichts sagen; denn wie Herr Baa[der] in diesem Punkte richtig - insoweit richtig - gesagt hat, war das ein Gespräch zwischen ihm und mir. Der Vorgang - die Mikrophonanlage ist nicht in Ordnung - der Vorgang ist bereits hier in der Hauptverhandlung angesprochen. Er kann nachgelesen werden im Protokoll.

Ich möchte, aber hier nochmals wiederholen, daß ich gesagt habe

Frau Enss[lin] oder Frau Me[inhof] unterbricht unverständlich.

- ja, das steht im Protokoll, was jetzt kommt. Ich hab’s gelesen -

daß ich gesagt habe:

Die Themen ergeben sich aus der Anklageschrift, und insofern bestimmen wir die Themen, denn wir haben die Anklageschrift erstellt und eingereicht, bevor sie dann zugelassen wurde, und ich habe Herrn Baa[der] gesagt, damit er die Themen kennenlernen könne, läge ihm die Anklageschrift seit langem vor, und er könne und solle sie tunlichst lesen.

[1311] Zu dem zweiten Vorgang, zu Hausner:

Das war so, wie alle Prozeßbeteiligten wissen, daß ich mich dagegen ausgesprochen habe, daß eine bestimmte Frage hier zugelassen wird, nämlich die Frage, warum der Sachverst. Dr. Henck es nicht verhindert habe, daß Hausner nach Stammheim gebracht werde.

Ich habe gesagt:

Die Frage ist unzulässig, denn es ist offenbar und offenkundig, daß der Sachverst. nichts damit zu tun hat, wer in das Gefängnis kommt.

Angekl. Baa[der]:

Haben Sie hier das Hausrecht?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Daraus hat dann ...

Ich hab das Wort.

Daraus hat dann Herr RA Sch[ily] eine Folgerung gegen die B. Anwaltschaft zunächst als Ganzes gezogen. Später ist dann fälschlich die Folgerung speziell gegen mich gezogen worden; und auf diese Folgerung, die sich gegen die B. Anwaltschaft richtete - auch das ist im Protokoll nachzulesen - habe ich gesagt, daß das seine, des RA Sch[ily] Folgerung sei, und daß ich damit, und ich habe jetzt hier durch die Worte des Herrn Ra[spe] endlich mal Gelegenheit, zu sagen, daß ich weder für die B. Anwaltschaft noch für die ... für mich selbst irgend etwas zugegeben habe, daß das eben Folgerungen sind, die von dort gezogen werden, aus den Vorgängen, die nachzulesen sind, und diese Folgerungen sind falsch.

Die übrigen Unterstellungen, die in den Ausführungen des Angekl. Ra[spe] enthalten waren, die sprechen für sich. Dazu möchte ich nichts sagen.

Ich möchte aber noch erklären, daß die B. Anwaltschaft auf die Einrichtung der Sprechanlage hier im Raum keinen Einfluß hatte und keinen Einfluß hat.

Dem Herrn Ra[spe] noch ein erklärendes Wort:

Natürlich muß hier das Wort erteilt werden, und deswegen, Herr Ra[spe], muß eine solche Verhandlung auch einen Vors. haben; denn gäbe es hier niemanden, der die Sachleitungsbefugnis hat, [1312] dann würde es hier ein Tohuwabohu[h] geben, das Ihnen vielleicht passen möchte, das aber nicht sein darf; denn hier ist ein Ziel zu erreichen, hier ist eine Beweisaufnahme durchzuführen. Das habe ich dazu zu erklären.

Vors.:

Ich möchte mich zunächst in der Richtung anschließen, daß diese Geschichte mit der Schaltung durch die B. Anwaltschaft bereits Gegenstand von Erörterungen war. Das Gericht hat seine Erklärung dazu abgegeben. Das ist also wirklich alter Schnee. Das ist eine technische Planung gewesen, die - ich wiederhol’s nochmals - außerhalb des Gerichts durchgeführt worden ist, und als das Gericht es bemerkt hat - mir ist es, das ist der einzige Vorwurf, den man vielleicht machen kann, entgangen daß hier der gesamte Richtertisch einbezogen wurde in die eigene[i] Bedienungsmöglichkeit, d. h. der gesamte Tisch, der hier oben sich, befindet erhöht - und als das bemerkt worden ist, ist das nicht schamhaft, wie zu lesen ist, sondern in voller Offenheit sofort abgeändert worden. Darüber brauchen wir uns nicht mehr zu unterhalten; aber den Angekl. zur Unterrichtung:

Die Einführung eines Wortprotokolls, wie wir es hier machen, betrachten wir als ein Entgegenkommen. Eine Pflicht dazu bestünde in gar keiner Weise. Die Gesetzesbestimmungen sehen ganz anders aus.[15] Wir wollten es der Verteidigung und allen übrigen Prozeßbeteiligten leichtmachen, diesen umfangreichen Prozeßstoff erfassen zu können und behalten und auswerten zu können.

Wir nehmen beim Abschreiben überhaupt keinen Einfluß darauf, was geschrieben wird, sondern die Schreibkräfte sind angewiesen, das, was für[j] Sie verständlich ist, zu übertragen, es zu vervielfältigen, und dann wird es übergeben an die Prozeßbeteiligten, die Verteidiger, nicht die Angekl.

Das ist richtig.

Und dann ist Gelegenheit gegeben, darauf hinzuweisen, wo Lücken sind oder wo der Meinung nach - was ich mir aber gar nicht vorstellen kann, weil hier von Verfälschung die Rede ist - [1313] irgend etwas falsch rausgekommen sein soll. Das müßte allenfalls an einen Mißverständnis bei der Schreibkraft liegen. Daß hier Lücken entstehen müssen, ist ganz selbstverständlich. Sie entstehen dann, wenn ich der Sachleitungspflicht entsprechend das Wort entziehe und das Mikrophon abgestellt wird. Sie entstehen dann, wenn jemand das Wort nimmt, ohne das Wort bekommen zu haben, weil dann der Protokollführer nicht drauf reagieren kann, weil er angewiesen ist, das Mikrophon einzustellen, wenn ich sage: Bitte, Herr sowieso. Das ist die klare Anweisung an den Schalttisch beim Protokoll, und dadurch entstehen, wenn jemand sich einfach das Wort nimmt, zunächst mal Lücken, die angedeutet werden durch diese Pünktchen, von denen die Rede ist.

Die Auffassung, daß brisante Zusammenhänge hier im Protokoll nicht erscheinen sollten, ist geradezu aberwitzig. Die brisanten Zusammenhänge können hier gesagt werden; sie können jederzeit gesagt werden, wenn es nicht mehr duldbare Abschweifungen vom Thema sind, bzw., wenn sie nicht derart gespickt sind mit Angriffen und Beleidigungen auf bestimmte Personen, sei es hier etwa ein Sachverst. und dergleichen, so daß ich aufgrund meiner Pflichten gehalten bin, hier das Wort abzuschneiden.

Ich betone ausdrücklich, daß wir durchaus den Angekl. das Recht geben, sich zu äußern, auch das Gefühl lassen wollen, sich äußern zu können, und daß wir selbst interessiert sind zu hören, was sie zu sagen haben. Aber wir befinden uns jetzt noch in einem Stadium des Prozesses, wo es noch nicht zu Sacherklärungen in größerem Umfange kommen kann.[16] Alles, was wir bisher in dieser Richtung hingenommen haben, war entgegenkommend und war keineswegs eine Pflicht. Ich könnte jederzeit darauf beharren, daß der enge Gegenstand, der durch einen Antrag umrissen wird ... streng eingehalten, wird und nichts darüber hinaus gesagt wird. Vielleicht hätten wir dann den Vorteil, daß dieses Verfahren etwas zügiger vorankäme. Aber es würde noch mehr, wie es leider Gottes der Fall ist gegenüber der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, man sei hier nicht [1314] Das Gericht glaubt, daß bis jetzt die Möglichkeiten für die Angekl., sich zu äußern und auch Dinge vorzutragen, die jeden Angekl. sonst abgeschnitten werden würden wegen beleidigenden Inhalts, mehr als großzügig gehandhabt worden ist.

Wir werden uns über die Anträge jetzt ganz kurze Gedanken machen.

Gleich, Herr Baa[der]. Sie dürfen’s gleich tun. Ich möchte das ja gleichzeitig als Gelegenheit benützen, die Liste der Ärzte dann zusammenzustellen. Das ist also ein Grund, warum wir uns dann draußen über diese Anträge noch unterhalten.

Herr Baa[der], bitte.

Angekl. Baa[der]:

Ich halte das tatsächlich für eine Infamie, wie Sie das darstellen; denn das ist nun doch wirklich im Verlauf dieses Verfahrens deutlich geworden, und Sie versuchen, es jetzt sozusagen zu ändern, d. h. Sie versuchen, weil öffentlich Kritik sich entwickelt, ein anderes Profil zu gewinnen.

Aber Ihr Profil ist in diesem Prozeß so eindeutig. Es schlägt dauernd durch, Ihre Identität ist die B. Anwaltschaft. Das ist der Punkt, und Sie haben dieses Problem hier, d. h. Sie haben hier eine permanent entwickelte Polemik, und Sie haben eine dauernde Auseinandersetzung mit den Verteidigern und den Angeklagten, eben weil Sie das Rederecht permanent beschränkt haben auch tatsächlich mit Tricks, mit manipulierten ... manipulativen Tricks über die Mikrophonanlage, indem Sie also von der Möglichkeit, Argumentation in Zusammenhang von Anträgen oder Gegenvorstellungen permanent entsagt haben, und ich würde eigentlich sagen:

Das Problem, Ihr spezifisches Problem hier ist natürlich, daß Sie um jeden Preis zu verhindern haben, daß die Angekl. sozusagen Subjekt der Verhandlung gegen sich selbst werden, und das ist der Bruch, das ist tatsächlich der Bruch einer fundamentalen Rechtsnorm des bürgerlichen Rechts, dieser permanente Versuch. Das in einer Analogie dazu, wie Sie überhaupt, also wie Sie überhaupt das ganze Verfahren für sich konzipiert haben. Sie versuchen z. B. permanent, von Anfang an die Besonderheit dieses Verfahrens zu bestreiten. Das kam auch [1315] jetzt nochmals zur Ausdruck in der Tatsache, daß Sie sich tatsächlich hier hinsetzen und sagen, Sie hätten, als Sie sich in dem Palast hier, der für Sie gebaut worden ist,[17] eingerichtet haben, da hätten Sie die Mikrophonanlage sozusagen nicht überprüft. Das ist ja wirklich eine so groteske Behauptung. Der Senat sitzt in diesem Haus; der Senat hat die Einrichtung dieses Hauses mit Sicherheit Stück für Stück verfolgt und mitdisponiert für diese Verhandlung; der Senat ist auch letzten Endes die zuständige Instanz für Einrichtungen wie die Mikrophonanlage. Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß [k] hier keine Mikrophonprobe stattgefunden hat. Das ist doch lächerlich. Sie wußten, daß die B. Anwaltschaft über eine andere Schaltung ihrer Mikrophone, also bzw. über eine andere Möglichkeit, in den Gang der Verhandlung einzugreifen, verfügt als die Verteidigung und ganz und gar als die Angekl. ... Das hat doch einfach nen Grund, warum es hier sozusagen drei Sorten von Schaltungen gibt: eine für ... vier, ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist eine für das Gericht, eine, die der ... dem ähnlich ist oder identisch ist mit dieser Schaltung für die B. Anwaltschaft und eine, die davon verschieden ist, für die Verteidiger und eine, die nochmal verschieden ist, für die Angekl. Das ist doch der Punkt hier. Das drückt sich doch ganz genau aus, was sich hier abspielt drin.

Aber der Versuch, die Besonderheit dieses Verfahrens zu bestreiten, ist natürlich ... das ist sozusagen auch ne Lächerlichkeit. Naja, das Verfahren ist einfach schon dadurch besonders durch seinen Gegenstand besonders, durch dieses Haus, in dem wir hier sitzen und das unmittelbar für diesen Prozeß gebaut worden ist und auch eben durch solche spezifischen Einrichtungen besonders ... ist es besonders durch die Gesetze, die Ihnen sozusagen in dieses Verfahren reingereicht worden sind;[18] es insbesondere durch die Tatsache, daß Verteidiger ausgeschlossen worden sind unmittelbar davor[19] und daß Verteidiger kriminalisiert worden sind,[20] und wenn Sie also jetzt sagen, Sie könnten Gebrauch davon machen, zu verhindern, und Sie haben ja bisher exzessiv Gebrauch davon gemacht von dem, also Sie haben bisher exzessiv versucht zu verhin- [1316] dern das, was dargestellt wird, daß diese Besonderheit dieses Verfahrens, die eigentlich insofern auch sein unmittelbarer Gegenstand zu sein hat, zumindest auch im Vorfeld, diese Besonderheit sozusagen, permanent durch die Darstellung, die Sie hier bringen, den Versuch zu machen, sie zu neutralisieren vor der Öffentlichkeit. Naja, dann ist das lächerlich. Ich glaube auch, daß sich in dieser ... in dem, was Sie - in diesem Zusammenhang Mikrophonanlage -, daß sich dann auch einfach der Grundwiderspruch des ganzen Zusammenhangs, in dem sich dieses Verfahren bewegt, daß er daran deutlich wird. Das ist einfach Professionalismus, perfekte technische Einrichtung, vollkommen totale Technisierung statt ideologische Identität. Und das ist nun auch das, was sich nun wirklich letztlich in der jämmerlichen Figur, die Sie hier darstellen inzwischen, also in der wirklich deutlich jämmerlichen Figur, naja, was sich darin sozusagen realisiert.

Aber ich muß nochmal sagen, Herr Prinzing, wir sind ... na, ich meine also so en Beispiel:

Wenn Gudrun neulich zu Ihnen sagt, Sie seien ein Faschist und Sie darauf empört reagieren, als sei das sozusagen eine Beleidigung, dann würde ich sagen:

Sie kennen wahrscheinlich die ... der Faschismusdiskussion nicht, das Charakteristikum in der internationalen Faschismusdiskussion sozusagen. Die Charakterisierung von Faschismus ist, daß er[l] eine institutionelle Strategie ist im Gegensatz zur sozialen Bewegung, also eine institutionelle ... Politik des Kapitals vermittelt ... wäre[m] die Institution des Staates, also als institutionelle Strategie; und im Gegensatz zum alten Faschismus der Politik des Kapitals war vermittelt über eine soziale Bewegung oder eine Massenbewegung, und insofern erfüllen Sie wirklich voll das Charakteristikum eines Faschisten, denn Sie sind an[n] außerordentlich [o] exponierter Stelle, jemand, der diese institutionelle Strategie repräsentiert, der sie öffentlich zu rechtfertigen hat, ja, der sie auf jede Weise darstellt.

Und ich verstehe nicht, man würde eigentlich wünschen, daß Sie etwas mehr Souveränität hier entwickeln. Warum geben Sie das [1317] nicht offen zu, also warum stellen Sie das nicht offen dar, sondern verhaken sich und verwickeln uns permanent an eine ... in eine Polemik, indem Sie versuchen, diese Funktion zu bestreiten. Dadurch entsteht doch diese eigenartige panische Situation permanenten Unterbrechungen, permanenten falschen Tatsachenbehauptungen seitens des Senats bei sehr einfachen hat suchen wie den Haftbedingungen oder, ja, wesentlich bisher z. B. bei den Haftbedingungen. Das ist ... das ist wirklich eigentlich, naja, das macht, das nimmt, das macht dieses Verfahren hier auch für uns mehr naja, sozusagen sinnlos. Es kriegt keine ... ja, also unsere Anwesenheit in diesem Verfahren mindestens, meine ich, macht dieser Widerspruch tatsächlich langsam sinnlos; denn es ist dadurch, daß Sie, daß Sie den politischen Gegenstand des Verfahrens und das politische ... die politische Relevanz des Verfahrens permanent versuchen zu bestreiten, auszuschalten. Naja, und das sind kleine technische Tricks ...

Vors.:

Herr Baa[der], es wird eben um eine Pause gebeten. Ein Richter wünscht, eine Pause zu haben. Ich werde aber zuerst noch Herrn B. Anw. Dr. Wu[nder], der sich schon lang meldet, das Wort geben ... Sie müssen sich angewöhnen, etwas kürzer und konzentrierter zu sein und nicht immer dasselbe wieder gleich durchzudrehen.

Angekl. Baa[der]:

Inwiefern ... wo ...

Vors.:

Machen Sie also bitte jetzt entweder sofort Schluß, indem Sie sich zum Ergebnis bekennen, das Sie hier treffen wollen - es gilt ja offenbar meiner Person -, und dann bekommt Herr B. Anw. Dr. Wu[nder] noch das Wort und dann machen wir die Pause, um über die Anträge zu beraten.

Angekl. Baa[der]:

Naja. Also ich schließe mich dem Antrag wie gesagt an. Ich stelle Antrag:

Protokollabschriften den Gefangenen zustellen,

[1318] was bisher angeblich unmöglich war oder auch offensichtlich nicht vorgesehen war, damit wir das Protokoll kontrollieren können,

und ich stelle den Antrag:

die Mikrophonanlage, also die Mikrophone für die Gefangenen so zu schalten, wie die Mikrophone der Verteidigung geschaltet sind.

Vors.:

Herr B. Anw. Dr. Wu[nder]

[BA Dr. Wunder:]

Herr Vors., zu dem, was Herr Baa[der] gesagt hat, möchte ich mich nicht äußern; denn es ist doch offensichtlich so, daß er den großen Teil von dem, was er ausgeführt hat, selbst nicht glaubt.

Ich würde Sie nur bitten.

Angekl. Baa[der]:

Was, das glaube ich nicht?

Unruhe in Saal.

Vors.:

Bitte in Saale Ruhe.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich würde Sie nur bitten, Herr Vors., wenn Sie unsere Stellungnahme zu den Haftfragen noch bis gegen 12.00 Uhr erwarten, dann wären wir[p] für eine baldige Pause sehr dankbar.

Vors.:

Wir haben jetzt die Absicht, wir treffen uns ...

Nein. Herr RA v[on] Pl[ottnitz], jetzt müssen wir in die Pause gehen.

Angekl. Baader:

Ich hab noch einen Satz zu sagen.

Es ist jetzt aus den Gründen, die gesagt sind.

Wir wollen Ihnen heute früh noch die medizinische Liste zur Verfügung stellen; wir wollen außerdem die B. Anwaltschaft noch instandsetzen, ihre Stellungnahme abzugeben.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich bitte, über den Antrag von Herrn Ra[spe] auch noch zu entscheiden.

[1319] Vors.:

Das wissen wir noch nicht. Das müssen wir uns in Augenblick überlegen, was wir auf dahin machen sollen. Das sind ja alles Dinge ...

RA v[on] Pl[ottnitz] unverständlich.

Ja, gut. Wir stellen’s zurück.

Wir machen eine Pause. Bis wann ist Ihre Stellungnahme zu erwarten?

BA Dr. Wu[nder]:

... die wir noch eingehen müssen.

Ich schätze, eine Stunde wird kaum reichen.

Vors.:

Dann treffen wir uns um dreiviertel zwölf im Saale wieder zur Fortsetzung.

Der Senat zog sich um 10.27 Uhr zur Beratung zurück.

Ende von Band 49.

[1320] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.55 Uhr

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, würden Sie freundlicherweise die Robe anlegen, damit wir dann fortsetzen können.

Sodann erteile ich jetzt der Bundesanwaltschaft das Wort zur Stellungnahme zu den Anträgen.

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt

die Anträge der Verteidiger und der Angeklagten auf Abänderung der Haftbedingungen zurückzuweisen.

Entgegen ihrem wiederholten Vorbringen sind die Angeklagten nicht isoliert. Dies veranschaulichen folgende Tatsachen:

Dem Angeklagten Baader steht eine Doppelzelle mit einer Grundfläche von 20 qm zur Verfügung. Lediglich durch das Magazin von dieser Zelle getrennt, befindet sich die Zelle des Angeklagten Raspe mit einer Größe von 10 qm. Diese räumliche Anordnung ermöglicht den Angeklagten Baader und Raspe ständige Sprechkontakte. Von dieser Möglichkeit machen sie regelmäßig, teils bis in die tiefe Nacht hinein, Gebrauch. Gleiche Möglichkeiten bieten die nebeneinander liegenden Zellen der Angeklagten Ensslin und Meinhof, die jeweils eine Größe von ebenfalls 20 qm haben. Es handelt sich dabei um Zellen, die für eine Belegung mit mindestens drei Personen normalerweise vorgesehen sind. Der Ausstattung dieser Zellen vermittelt durchaus eher den Eindruck einer Wohnung, als den einer Haftzelle. In den Zellen haben die Angeklagten, im Gegensatz zu anderen Gefangenen, ständig Radiogeräte und Plattenspieler zur uneingeschränkten Verfügung. Darüber hinaus benutzen sie in ihren Zellen in ungewöhnlichem Umfang Zeitungen, Zeitschriften und Bücher. Beispielhaft hierfür sei der Zeitraum vom 10. März bis 7. Juni 1975 erwähnt, indem dem Angeklagten Baader 19, der Angeklagten Ensslin 114, der Angeklagten Meinhof 137 und dem Angeklagten Raspe 107, insgesamt also 377 Bücher in die Zelle ausgefolgt wurden. Darüber hinaus [1321] steht ihnen eine Vielzahl weiterer Bücher in einem eigens für sie eingerichteten Bücherraum zur Verfügung. Und natürlich ist ihnen auch die normale Anstaltsbücherei uneingeschränkt zugänglich.

Angekl. B[aader]:

Was hat das mit der Isolation zu tun?

Vors.:

Herr Baader wenn ... entschuldigen Sie Herr Bundesanwalt, darf ich es geschwind sagen. Herr Baader, wenn Sie jetzt schon wieder unterbrechen wollen, ich verwarne Sie, wir nehmen das nicht hin.

OStA Z[eis]:

Entgegen ihren Darlegungen sind die Angeklagten auch in keiner Weise von den üblichen Anstaltsgeräuschen isoliert. Sie haben ständigen Kontakt mit dem Anstaltspersonal. Ihre Zellen werden täglich mindestens 10 bis 15 Mal, ich wiederhole 10 bis 15 Mal, jeweils durch mehrere Personen des Anstaltspersonals geöffnet, unter anderem bei den mehrfachen täglichen Essensausgaben, bei der Abholung des Geschirrs, beim Gang zum Bad, bei der Postausgabe, bei der Übergabe von Büchern, bei Arztbesuchen, beim Einkauf, bei der täglichen Gelegenheit Meldungen zu erstatten und Bitten und Anträge vorzubringen, beim Hofgang usw. Dieser Hofgang findet auch keinesfalls in einem speziellen, wie die Angeklagten sich ausdrücken, Käfig statt. Bei diesem Raum handelt es sich vielmehr um den Dachhof der Anstalt, der für alle Gefangenen, die in der vierten, fünften und sechsten Etage untergebracht sind, zum Hofgang benützt wird. Es handelt sich dabei um durchschnittlich etwa 270 bis 300 Personen. Die Angeklagten haben darüber hinaus, wie schon mehrfach betont, die Möglichkeit zum Fernsehen, Tischtennis spielen, wovon Sie noch nicht einmal Gebrauch gemacht haben. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, daß die Angeklagten im Verhältnis zu anderen Gefangenen in einem überdurchschnittlichen hohen Maße von ihren Verteidigern besucht werden. Im Gegensatz zu anderen Gefangenen hatten[q] und haben die Angeklagten auch wiederholt Umschluß, teils über mehrere Stunden hinaus. Aus alledem erhellt, daß die angeblich begehrte Gleichstellung mit anderen Gefangenen in Wahrheit den Abbau einer Vielzahl von Privilegien bedeuten würde, die die Angeklagten bisher im Gegensatz zu [1322] anderen Gefangenen eingeräumt worden sind. Dies wird noch besonders deutlich, wenn man sich die Bestimmung der Nummer 22 Untersuchungshaftvollzugsordnung vor Augen hält. Nach dieser Vorschrift sollen Untersuchungsgefangene nach Möglichkeit von anderen Gefangenen getrennt gehalten werden. Die Kontaktaufnahmen mit Gefangenen, die der Täterschaft oder Teilnahme an der gleichen Tat verdächtig sind, ist zu verhindern. Weibliche Untersuchungsgefangene sind von männlichen Untersuchungsgefangenen stets streng getrennt zu halten. Es trifft allerdings zu, daß die Angeklagten Meinhof und Ensslin getrennt von den Angeklagten Baader und Raspe ihren Hofgang durchführen. Richtig ist auch, daß die Angeklagten an keiner Gemeinschaftsveranstaltung, an keinem Gemeinschaftsgottesdienst, den es für Frauen ohnehin in dieser Haftanstalt nicht gibt, teilnehmen können.

Dies ist aber wegen der besonderen Gefährlichkeit der Angeklagten und der ihm in der Anklageschrift vorgeworfenen Straftaten unabdingbar. Die Angeklagten sind besonders gefährlich. Dies erhellt mit einer Deutlichkeit aus den bekanntgewordenen Befreiungsplänen[r], insbesondere den des Angeklagten Baader, der am 4.2.1974 in einer konspirativen Wohnung in Frankfurt gefunden worden ist und in dem es auf die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt bezogen heißt.

Angekl. B[aader]:

Ist das Beweisaufnahme hier? Woher wissen Sie, daß das von mir ist.

Vors.:

Herr Baader, die letzte Verwarnung, noch einmal, wenn Sie unterbrechen, Sie werden ausgeschlossen.

Reg. Dir. W[idera]:

Ich darf dann aus diesem Befreiungsplan zitieren: „Eure Sache. Aber ich denke a. Wenn nicht so, irgendein Austausch ist einfacher zu organisieren, euer Risiko ist kleiner mit minimalen eigenen Kräften. Bundestagsabgeordnete wo sie sich ja außerhalb Bonns in ihren Kreisen treffen, aber die richtige Fraktion innerhalb der SPD oder aus ihren Häusern. Landtagsabgeordnete, mindestens zwei, wie die MdB[s] aus den richtigen Ausschüssen nur als Beispiel. Typen, die Gruppen repräsentieren. Auf deren Loyalität die Regierung angewiesen ist. Möglicherweise auch Richter, wobei gar nicht mal so wichtig ist, daß sie mit unseren [1323] Verfahren befaßt sind, solange ihr mehrere schnappen könnt. Nach der Vereinbarung der Innenministerkonferenz hat das Leben der Geisel Vorrang. Naja, was das schon heißt vor strafrechtlicher Verfolgung. Das Problem zu b. Hier ist das Umfeld, die Strecke bis zur nächsten sicheren Stadt (mit Sprengstoff) am besten natürlich ihr schafft mir 4 bis 5 kg rein, Stück Zündschnur, zwei Kapseln. Die Menge müßt ihr durch Versuche schätzen, an irgendwelchen alten Gemäuern, Burgen oder so. Gibt’s ja genug die einsam liegen. Ich kann euch nur die Dicke der Mauer angeben. Der Nachteil ist a. kann uns und damit nicht nur mich die Druckwelle, wenn sie das Dach einfallen läßt umbringen, b. und das ist wichtiger, heißt es, daß sofort Bullen, BGS was es hier gibt und was angeschafft werden kann, alarmiert ist. Frage von eurem Timing draußen. Nötig wäre dann nur ein Fahrer in dem Kaff hier. Die zweite Lösung, über die gesprochen worden ist, durch das Gitter auf das Dach läuft nicht. Wenns stimmt, was die Bullen hier (zu den Anträgen, mich in eine andere Zelle zu verlegen) behaupten: Das Gitter ist aus Chromstahl. Um das auszuprobieren, müßte ich eine Stahlsäge haben und zwar das Beste was es gibt: Der Pfirsich. Muß im Rücken oder Deckel eines Aktenordners eingeklebt werden, Leitz, weil das sowieso Metall drin ist. Eine andere Schwierigkeit ist, die Dächer sind vereist, und man weiß nicht, ob die Unterbrechung des Elektrozauns Alarm auslöst. Auf dem Weg müßte er jedenfalls unterbrochen werden und die Unterbrechung zu überbrücken mit isolierten Kabeln und Klemmen ist ’ne irre Arbeit. Die dritte Lösung durch die drei Gitter (das dicke Gitter, Stäbe doppelt so dick wie überall sonst, vielleicht Rohre, ist innen. Dann kommt ein Gitter, in das die Scheiben eingefaßt sind. Hat oben eine Klappe, falls man den Mechanismus, der sie öffnet, durchsägt, über die ganze Breite 35 cm weit zu öffnen ist. Dann kommt ein Gitter aus dickem Draht außen). Auf dem Beamtenklo zu sägen wäre möglich, wenn ihr den Zaun ohne Alarm erden könnt. Von dem Fenster aus kann ich die Mauer erreichen, dazu wäre nötig, 2 Stahlsägeblätter und ein scharfer Seidenschneider um durch das Drahtgitter zu kommen. Den müßt ich euch konstruieren lassen, so daß die Griffe, die lang sein müssen auch wenn das Ding untersetzt ist vom Kopf abzuschrauben sind. Das Ganze in einem großen Rekorder. Man müßte da ein paar Stunden arbeiten. Das ist aber möglich, über mehrere [1324] Besuche verteilt, weil das Werkzeug, die Sägen, ja einfach zu verstecken sind. Also nie in die Zelle kommen. Der Seitenschneider, besser ein kleiner Bolzenschneider müßte erst her, wenn ich durch die beiden kleineren Gitter bin. Abgesehen vom Zaun, wäre dazu nur ein Fahrer nötig. Und wenn das Ganze nicht gesehen wird, hätten wir bis zu zwei Stunden Vorsprung. Die vierte Lösung ist die beste. Nachts auf das Dach. Ein paar Ziegel abheben (wenn an der Außenseite keine Luke ist, reinkriechen, die Ziegel wieder einhängen, sich durch die Decke in den Raum neben dem Klo sägen, ist keine tragende Decke, also wahrscheinlich nur Bretter) zwei Schichten maximal, Schamott, Putz auf Schilf, das dauert höchstens eine halbe Stunde, wenn du das richtige Werkzeug hast. Stemmeisen, Stichsäge, Kuhfuß, Bohrer, für Holz Fuchsschwanz[t] vielleicht, sehr unwahrscheinlich, daß es gehört wird, weil das Gebäude zum Verwaltungstrakt gehört, nachts niemand drin ist oder durchläuft: Auch an Wochenenden nicht. Wird mit drei dicken Stahltüren gesichert, sich durchlassen, das Schloß aufbohren von innen. Möglicherweise noch das Gitter an dem Fenster (falls da welche sind, sind es wie im ganzen Verwaltungstrakt einfache dünne Gitter, könnte man auch auseinanderdrücken) ein Wagenheber, durchsägen, ansägen, so daß es mit ein paar Griffen rauszubiegen ist, warten bis morgens, dem Besuch oder gleich wieder abhauen. Dann wäre auch nur ein Fahrer nötig und weil ich nicht lange da rummurksen muß, sondern nur durch die Tür, die er aufgebohrt hat, gehen und aus dem Fenster steigen, bzw. durch die Decke, durch die Ziegel, ein Seil muß da sein, kann man den Vorsprung genau ausrechnen. Der Elektrozaun wird dabei umgangen, weil er nur auf der Mauer, auf der anderen Seite des Daches ist. Das ist das Wichtige dabei. Was allerdings in diesem Nebenraum ist, weiß ich nicht, nur daß er nie benutzt wird. Und zum nächsten Raum, in dem ich einmal war, keine Tür hat. Also nur von dem Gang, auf dem die Sprechzelle ist, zwischen den beiden Gittern zu erreichen. Das Durchbohren dieser bestimmten Sorte großer Sicherheitsschlösser müßt ihr üben. Notfalls kann man aber die Tür auch aufbrechen, von innen mit einem Stemmeisen. Kann man so machen, daß es von außen nicht zu sehen ist.“ Und dann folgen in diesem Plan weitere detaillierte Beschreibungen des angeblich streng isolierten Angeklagten Baader. An anderer Stelle heißt es dann noch: „Ein genauer Plan kommt, wenn ihr euch für eine der Möglichkeiten entschieden habt. Stellt Fragen, wenn was [1325] nicht klar ist. Seht euch Dachböden mit Ziegeln an. Und lest mal ein Buch über Zwischendecken und Putz usw. Der Vorteil ist, daß das alles alt ist: Nicht für ein Gefängnis gebaut. Die Decken und die Dachböden haben sie höchstens im Zellentrakt verstärkt. Zwei von den Ausbrüchen, über die ich so ziemlich alles weiß (aus Butzbach), sind durch die Decke gelaufen, obwohl die Typen Sägen hatten.“

OStA Z[eis]:

Daß die Angeklagten aus der Haft befreit werden wollen und sollen ergibt sich unter anderem auch daraus, daß die Terroristen in Stockholm[21] auch ihre Freilassung gefordert haben. Nur so erklärt sich auch, daß in der Hauptverhandlung zutage getretene auffällige Engagement für Siegfried Hausner. Nicht zuletzt sind Sie aber auch deshalb besonders gefährlich, weil es zu ihren erklärten ...

Angekl. B[aader]:

Du alte Sau

Angekl. E[nsslin]:

Dieses Schwein

Vors.:

Entschuldigen Sie bitte, darf ich nochmals fragen, was hat das Protokoll eben mitbekommen. War von Sau und Schwein die Rede?

Angekl. B[aader]:

Genau.

Vors.:

Wir beabsichtigen die Angeklagten auszuschließen,[22] d. h. zunächst Baader und Frau Ensslin. Baader sprach von Sau, Frau Ensslin von Schwein. Die anderen werden verwarnt. Wollen Sie dazu was sagen?

Die Angeklagten erheben sich und schreien unverständlich durcheinander.

Vors.: (Nach geheimer Umfrage)

Der Senat hat beschlossen, die Angeklagten Baader und Ensslin werden für die weitere Dauer der Verhandlung ausgeschlossen. Sie haben die Verhandlung gestört, Sie haben mit beleidigenden Worten, unter anderem Schwein und Sau, die Bundesanwaltschaft diffamiert. Frau Meinhof (nach unverständlichem Zwischenruf von Frau Meinhof). Sie beide haben trotz Abmahnungen von diesem [1326] Verhalten nicht abgelassen.

Jetzt Frau Meinhof, Sie haben sich im Augenblick auch angeschlossen, wie ich sehe.

Angekl. M[einhof]:

Ja, weil es darum geht, daß das Schwein behauptet, daß unser Interesse an Siegfried Hausner auf einer Konstruktion basiert, daß wir nicht isoliert werden. Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Eine Drecksau ist er.

Vors.: (nach geheimer Umfrage)

Auch Frau Meinhof wird wegen beleidigender Äußerung, Störung der Hauptverhandlung, ausgeschlossen.

Dann bitte ich die drei Angeklagten hinauszubringen.

RA Dr. H[eldmann]:

Möchten Sie nicht vor Verhängung der Ordnungsstrafen den Angeklagten hierzu rechtliches Gehör gewähren.

Vors.:

Habe ich gegeben.

Angekl. E[nsslin]:

Nein.[u]

Angekl. B[aader]: [v]

Haben Sie nicht. Sie haben mir nicht rechtliches Gehör gewährt. Auf keinen Fall, Sie habens nicht.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich stelle fest, Sie haben es nicht getan.

Vors.:

Ich bitte die Angeklagten abzuführen.

Angekl. B[aader]:

Also Sie verweigern das rechtliche Gehör.

Vors.:

Bitte die Angeklagten abzuführen ...

Angekl. E[nsslin]:

Sie ziehen hier eine Schau ab.

Angekl. B[aader]:

Die Disposition ist doch hier vollkommen klar, daß sie hier ...

Vors.:

Herr Raspe bleibt da.

- Während die Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof weiterreden, verläßt Angeklagter Raspe den Sitzungssaal -

Vors.:

Halt, Herr Raspe ist nicht ausgeschlossen. Ich bitte die drei [1327] Angeklagten jetzt abzuführen.

Angekl. B[aader]:

Ja, was ist denn, er kommt doch wieder rein. Kriegen Sie denn nicht mit, was da läuft. Was denn nun.

Angekl. M[einhof]:

Ich will rechtliches Gehör.

Vors.:

Bitte die Angeklagten abzuführen. Notfalls auch mit Gewalt. Der Angeklagte Raspe ist anschließend wieder in den Saal zurückzubringen. Er ist nicht ausgeschlossen.

Die Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof werden um 12.10 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

- Beifall, Lachen und Klatschen aus dem Publikum -

Vors.:

Ich darf im Saal bitten, es mag für Sie sehr erheiternd sein, aber bitte behalten Sie das für sich.

Der Angeklagte Raspe wird hierauf wieder in den Sitzungssaal vorgeführt und wollte etwas sagen.

Angekl. R[aspe] (im Stehen):

Ich schließe mich den Ausführungen an.

Vors.:

Herr Raspe Sie haben jetzt nicht das Wort. Bitte nehmen Sie Platz. Meinen Sie, wenn Sie weiter stören, dadurch, daß Sie sich das Wort auf diese Weise nehmen, müssen Sie eben auch ausgeschlossen werden.

Angekl. R[aspe] (dauernd dazwischen redend):

Es interessiert mich nicht, daß ich nicht das Wort habe.

Vors.:

Es interessiert Sie nicht. Gut. Wegen fortlaufender Störung ist die Möglichkeit gegeben, daß Sie ausgeschlossen werden wollen. Wollen Sie sich äußern dazu. Bleiben Sie hier zunächst. Sie bleiben jetzt zunächst hier. Bevor der Senat nicht beschlossen hat, können Sie den Saal nicht verlassen. Wollen Sie sich dazu äußern.

Angekl. R[aspe]:

Ich will mich nicht dazu äußern.

Vors.:

Sie wollen es nicht.

(Nach geheimer Umfrage) Der Senat hat beschlossen,

auch der Angeklagte Raspe wird wegen fortdauernder Störung der Verhandlung ausgeschlossen.

Er läßt trotz Abmahnung von dem Verhalten nicht ab.

Ich bitte, den Angeklagten auch aus dem [1328] Sitzungssaal zu führen.

Der Angeklagte Raspe wird um 12.12 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Vors.:

Ich bitte wieder fortzufahren.

OStA Z[eis]:

Ich muß noch einmal, hoher Senat, die zwei letzten Sätze wegen des Zusammenhangs wiederholen. Daß die Angeklagten aus der Haft befreit werden wollen und sollen, ergibt sich unter anderem auch daraus, daß die Terroristen in Stockholm auch ihre Freilassung gefordert haben. Nur so erklärt sich auch, das in der Hauptverhandlung zutage getretene auffällige Engagement für Siegfried Hausner. Nicht zuletzt sind sie aber auch deshalb besonders gefährlich, weil es zu ihrem erklärten Programm gehört, die Gefängnisse, wie sie sagen, zu politisieren, d. h. Aufstände in den Vollzugsanstalten zu provozieren. Beispielhaft sei dazu aus einem von etlichen sogenannten Zellenzirkularen zitiert:

Reg. Dir. W[idera]:

„Es ist klar, Genossen, der Kampf um die Politisierung der Gefängnisse“, ich wiederhole noch einmal; „es ist klar Genossen, der Kampf um die Politisierung der Gefängnisse kann nicht ohne euer Interesse ohne eure Solidarität geführt werden. Er kann nur geführt werden, wenn das geschlossene System, in dem der Feind alle Mittel hat, Gewalt, Privilegien, Isolation, Psychiatrie, Verlegung usw. durchbrochen wird. Wenn ihr der Gewalt der Schweine, die Macht und die Gewalt der Straße entgegenstellt und so den Kampf der Gefangenen unterstützt, bevor ihr selbst gefangen seid.“ Es geht dann an einer anderen Stelle weiter: „Deshalb haben wir am 8. Mai noch einmal einen Hungerstreik begonnen, den wir erst dann beenden werden, wenn unsere Forderung erfüllt ist: Gleichstellung der politischen Gefangenen mit allen Gefangenen. Und freie politische Information für alle Gefangenen. Ihr versteht, Kommunikation und Information im Knast sind die Voraussetzungen zur Politisierung der Gefängnisse.“

OStA Z[eis]:

Die Angeklagten sind in Mittäterschaft begangener schwerster Verbrechen dringend verdächtig. Eine solche Tatsache führt [1329] in allen anderen Strafverfahren dazu, daß Mittäter in der Untersuchungshaft keinerlei Kontakt zueinander haben dürfen. Der Gedanke der Verteidiger, daß sie gerade deshalb zusammenkommen müßten, ist zwar aus ihrer Sicht verständlich, aber vollkommen abwegig. Wenn der Senat dennoch in der Vergangenheit zur Vorbereitung bestimmter Anträge den Angeklagten ausnahmsweise die Möglichkeit einräumte, ich darf noch einmal wiederholen; wenn der Senat dennoch in der Vergangenheit zur Vorbereitung bestimmter Anträge den Angeklagten ausnahmsweise die Möglichkeit einräumte, sich zu diesem Zweck zu besprechen, das ist der sogenannte Umschluß, so ist er damit bereits an die Grenze des Vertretbaren gegangen. Daraus ergibt sich von selbst, daß die Angeklagten Baader und Raspe einerseits und die Angeklagten Ensslin und Meinhof andererseits nicht in Gemeinschaftszellen verlegt werden können. Auch in den wenigen Gemeinschaftsveranstaltungen in der hiesigen Vollzugsanstalt dürfen sie, wie andere der Aufwiegelung verdächtige Untersuchungsgefangene, nicht teilnehmen. Dazu kommt, daß dies auch zu ihrem eigenen Schutz geboten ist, weil sie nach konkreten Anhaltspunkten von den meisten anderen Untersuchungsgefangenen, gelinde gesagt, abgelehnt werden. Aus alledem ergibt sich, daß von einer Isolierung der Untersuchungsgefangenen keine Rede sein kann. Nicht zuletzt gebietet auch der Grundsatz der Gleichbehandlung aller in der Vollzugsanstalt Stammheim inhaftierten Untersuchungsgefangenen, daß die vier Angeklagten nicht wie beantragt, weitere Privilegien haben dürfen. Eine weitere Privilegierung würde auch zu einer nicht unberechtigten erheblichen Unruhe unter den übrigen Untersuchungsgefangenen der Vollzugsanstalt führen. Etwas anderes kann auch nicht aus Artikel 316 Abs. 3 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch und § 21 Abs. 3 Satz 3 StGB alter Fassung[23] hergeleitet werden. Diese Bestimmungen befassen sich ausschließlich mit Strafgefangenen. Wie die Untersuchungshaft zu vollziehen ist, ergibt sich abschließend aus § 119 Abs. 3 StPO[24] in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften der Untersuchungshaftvollzugsordnung.[25]

Vors.:

Danke.

[1330] Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich bitte kurz um Gelegenheit Stellung zu dem nehmen zu dürfen, was wir gehört haben. Ich würde das, was wir gehört haben, als eine Bankrotterklärung bezeichnen. Eine Bankrotterklärung, die einmal mehr zeigt, in welchem Ausmaß Rechtsbewußtsein bei den Sitzungsvertretern der Bundesanwaltschaft verfallen ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitte ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich bitte mich auch nicht zu unterbrechen.

Vors.:

Ja aber mäßigen, die Aufforderung sich zu mäßigen, die ist zulässig, auch einem Anwalt gegenüber.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, wenn Sie der Auffassung sind, daß das was ich hier sage in irgend einer Weise zu beanstanden ist, dann bitte ich die zuständigen Standesorganisationen darüber zu informieren,[26] mich aber nicht zu unterbrechen.

Vors.:

Wenn Sie nur endlich begreifen würden, daß die Prozeßleitungbefugnis auch die Pflicht beinhaltet, auf Mäßigung[w] von Ausführungen hinzuwirken. Nehmen[x] Sie das bitte endlich zur Kenntnis.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich habe nicht gehört, daß auf die Bundesanwaltschaft hingewiesen worden ist, etwa mäßigen um sie davon abzuhalten hier, das zu wiederholen was bereits im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch der Gefangenen Ensslin geschehen ist. Nämlich Dokumente zu verlesen, über deren Urheberschaft und Qualität erst in der Beweisaufnahme zu befinden wäre.

Vors.:

Wenn Sie Dokumente verlesen, wird niemals eingegriffen werden. Es bestand kein Grund zu mäßigen. Bitte fahren Sie jetzt fort.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Da bin ich anderer Auffassung. Die Bundesanwaltschaft hat hier den Eindruck zu erwecken versucht, als ob die Gefangenen nicht isoliert seien. Sie hat den Eindruck zu erwecken versucht, als [1331] ob man sich mit Büchern unterhalten könnte, als ob ein sozialer Kontakt mit einem Radio möglich wäre, als ob Gespräche über mehrere Mauern, durch mehrere Mauern hinweg eine Isolation in Frage stellen könnten. Sie hat den Eindruck erweckt, als ob die am gemeinschaftlichen Hofgang auf dem Dachhof der JVA teilnehmen. Es war die Rede von etwa 320 Gefangenen. Tatsache ist, daß die Gefangenen nicht nur ausgeschlossen sind von allen Gemeinschaftsveranstaltung, vom Gemeinschaftskirchgang, von dem jetzt gesagt wird, der existiere nicht. Tatsache ist, daß die Gefangenen natürlich auch den Hofgang nicht gemeinsam mit anderen Gefangenen machen sondern lediglich jeweils die männlichen Gefangenen und die weiblichen Gefangenen zu zweit. Die Verlesung der Dokumente, die zur Sprache gekommen sind in der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, dazu ist zu sagen, es ist erst einmal der Beweisaufnahme vorbehalten zu klären, ob diese Dokumente von dem Urheber stammen, von dem die Bundesanwaltschaft hier behauptet, er sei der Urheber, nämlich Herr Baader. Das ist völlig unzulässig, hier derartige Vorwürfe vor dem Eintritt in die Beweisaufnahme zu erheben und derartige Zuordnung vorzunehmen. Es ist noch einzugehen, auf das, was an Rechtsmeinung vertreten ist. Die Bundesanwaltschaft hat zum Artikel 316 Abs. 2[ EGStGB] die Feststellung getroffen, es werde damit ausschließlich Strafhaft geregelt und Untersuchungshaft werde abschließend geregelt durch § 119 Abs. 3 StPO. Die Bundesanwaltschaft hat damit zu erkennen gegeben, daß sie mit dem Hinweis der angeblichen Gefährlichkeit der Gefangenen es für erforderlich und notwendig hält, die Untersuchungshaft der Gefangenen als Strafhaft zu vollstrecken. Und zwar als Strafhaft, die sogar nach dem Gesetz als Strafhaft unzulässig wäre. Die Bundesanwaltschaft ist offensichtlich nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, den verfassungsrechtlichen Grundsatz, daß eine Untersuchungshaft nie den Charakter einer Strafe haben darf, daß sie also milder zu organisieren ist, als das und zu gestalten ist als was als Strafhaften nach den gesetzlichen Voraussetzung zulässig wäre. Die Bundesanwaltschaft will jetzt bereits die Gefangenen bestrafen, sie will sie jetzt schon darstellen, als das, was ihnen in der Anklage vorgeworfen wird und das rechtfertigt die Feststellung, daß in einem ungeheuren Umfang hier Verfall von Rechtsbewußtsein deutlich geworden ist. Die Bundes- [1332] anwaltschaft möge sich bei den Gesetzgebungsgremien um entsprechende Sondergesetze bemühen, wenn Sie es für untunlich hält, hier dem Gesetz, wie es jetzt besteht, Genüge zu verschaffen. Sie kann aber nicht außerhalb der Legalität hier weiterhin auf die Praktizierung der Einzelhaft der Gefangenen bestehen.

Vors.:

Wollen Sie erwidern. Bitte.

BA Dr. W[under]:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz. Sie haben streckenweise überhaupt nicht zugehört, was hier vorgetragen wurde.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich habe gut zugehört.

OStA Z[eis]:

Wenn Sie zugehört hätten, dann hätten Sie folgende Sätze gehört. Und da Sie sie offenbar nicht gehört haben, lese ich sie nochmals vor: Es trifft allerdings zu, daß die Angeklagten Meinhof und Ensslin getrennt von den Angeklagten Baader und Raspe ihren Hofgang durchführen. Richtig ist auch, daß die Angeklagten an keiner Gemeinschaftsveranstaltung an keinem Gemeinschaftsgottesdienst, den es für Frauen in dieser Haftanstalt ohnehin nicht gibt, teilnehmen können.

RA v[on] P[lottnitz]:

Gut, der zentrale Punkt ist, daß hier nicht Strafhaft vollstreckt werden darf. Die Gefangenen verbüßen Untersuchungshaft und sie haben ...

OStA Z[eis]:

Auch das haben wir nie behauptet, Herr von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Sie wollen die Haft der Gefangenen schärfer als Strafhaft regeln. Schärfer als Strafhaft. Das Gesetz verbietet für Strafhaft, wie gesagt, die Einzelhaft über längere Zeit als drei Jahre.

Reg. Dir. W[idera]:

Das, was wir über die Privilegien gesagt haben, haben Sie das überhört. Ich habe noch ein Hinweis zu geben. Diese Dokumente, die wir hier auszugsweise verlesen haben, sind beschlagnahmt und dürfen im Rahmen der Frage, wie die Haft zu gestalten ist, wie Sie auch wissen, zulässiger Weise verlesen werden. Soweit wir diese Dokumente als Beweisstücke da- [1333] für brauchen, was wir angeklagt haben, werden wir sie in die Beweisaufnahme einführen, dann kann das geschehen, wovon Sie gesprochen haben.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Regierungsdirektor Widera, Sie sprechen von Privilegien.

Ich stelle nochmal an Sie die Frage, können Sie soziale Kontakte mit Büchern herstellen, mit Zeitungen herstellen, mit einem Radiogerät herstellen. Ist Ihnen das möglich.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr von Plottnitz, haben Sie nicht gehört, daß die normalen Geräusche die im Gefängnis sich abspielen, d. h. das Vorbeigehen der anderen Gefangenen z. B. mit denen[y] sofort Kontakt aufgenommen wird. Haben Sie nicht gehört, daß die Gefangenen von oben nach unten und zwar sowohl die Weiblichen wie auch die männlichen Kontakte haben, Sprechkontakte, bei den Frauen allerdings verlaufen die so, daß von unten im wesentlichen nur Beschimpfungen nach oben zurückkommen. Und dann wird auch von oben geschimpft. Haben Sie nicht gehört, daß mehrere Beamte immer kommen und bis zu, nein, mindestens 10-15 Mal und zwar jeweils mehrere Beamte kommen und zu jedem Gespräch auch zur Verfügung stehen. Und Sie selber wissen, das will ich jetzt noch abschließend sagen, denn ich will nicht alles wiederholen, was hier gesagt wurde, Sie selber wissen, daß bestimmte Dinge um soziale Kontakte zu bekommen, den Gefangenen, den Angeklagten hier angeboten wurden und daß sie davon keinen Gebrauch gemacht haben, weil Sie gesagt haben, sie sollen von uns und anderen Behörden bespitzelt werden.

Vors.:

So, ich glaube jetzt sollten wir die Debatte beenden. Es ist lang genug hin und her gegangen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich kann in diesem Moment zu diesen Selbstdarstellungen der Bundesanwaltschaft nicht Stellung nehmen. Eine Stellungnahme jedoch ist erforderlich, weil die Bundesanwaltschaft hier zum Beispiel anonyme Manuskripte verlesen hat, die für uns neu sind, die aber meinem Mandanten zugeschrieben werden, womit die Bundesanwaltschaft gleichzeitig abermals den Versuch einer öffentlichen Vorverurteilung unternommen hat. [1334] Das heißt also, die Einführung völlig neuer für uns überraschender Tatsachen, denn die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft macht es erforderlich, mit den Mandanten Rücksprache zu nehmen, weil unsere Erwiderung hierauf erforderlich ist. Und ich bitte darum, uns die schriftlichen Ausfertigungen dieser Stellungnahme möglichst gleich zu übergeben. Damit wir ohne Verzögerung zu unserer eigenen Erwiderung kommen können.

Vors.:

Also es kann bis Montagabend Stellung genommen werden. Der Senat beabsichtigt, die Entscheidung, die beantragt ist, am Mittwoch, wenn die Verhandlung fortgesetzt wird, zu verkünden. Ich überlasse das der Kontaktaufnahme zwischen Verteidigung und Bundesanwaltschaft, wie Sie zu den Zitatstellen kommen.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, dazu kann ich schon sagen, ich habe die Dinge zum größten Teil nur handschriftlich. Ich sehe mich nicht in der Lage,[z] die aus der Hand zu geben.

Vors.:

Sie sind im übrigen im Zellenmaterial und das Protokoll, naja, ob das Protokoll so rasch ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, wann kriegen wir das denn. Das letzte Protokoll das ich bekommen habe, datiert vom 1.7. heute haben wir den 10.

Vors.:

Aber die Zitatstelle werden Sie bekommen, wir sorgen dafür, das ist klar. Das werden wir in Verbindung mit der Bundesanwaltschaft hinkriegen.

RA Dr. H[eldmann]:

Es kommt auf den Zeitpunkt an und auch auf Ihre Anregungen hin, die Sie jeweils an uns gerichtet haben. Auf eine solche Erwiderung haben wir unsere handschriftlichen Manuskripte hingegeben zum Fotokopieren. Wir sind sicher, wir können auch Herrn Oberstaatsanwalt Zeis’ Handschrift lesen.

Vors.:

Wir werden das nachher ganz rasch klären. Das Protokoll werden wir möglichst rasch herstellen. Ob das natürlich zeitlich noch reicht, aber möglicherweise wäre es Ihnen[aa] morgen in den späten Mittagsstunden schon zugänglich. Ich weiß nicht, ob Sie da sind.

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, sicher wollen Sie uns nicht zumuten, deswegen ein Tag [1335] länger hierzubleiben. Aber es gibt die Bundespost.

Vors.:

Aber ich denke Sie ...

RA Dr. H[eldmann]:

Was denken Sie, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Ich will den Gedanken nicht weiter verfolgen, aber morgen ...

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben mir schon einmal angetragen, ich weiß, daß ich meine ganzen Wochen hier in Stammheim verbringen soll. Ich habe Ihnen meine Antwort darauf schon einmal gegeben. Bitte, wann können wir diese Stellungnahme in der Schriftform bekommen. Wir werden heute nachmittag noch hier sein.

Vors.:

Also wir können es mit dem Protokoll nicht garantieren, daß das heute noch hergestellt wird. Aber ich meine, es muß doch einen Weg geben, daß die Zitatstellen morgen bis heute den Herrn Verteidigern noch zugänglich gemacht werden können.

RA Dr. H[eldmann]:

Wir möchten die Zitatstellungnahme komplett bitte haben.

Vors.:

Wir werden die Stellungnahme morgen Mittag für die Verteidiger zur Verfügung stellen können.

RA R[iedel}:

Herr Vorsitzender ...

RA Dr. H[eldmann]:

Dann bitte ich Sie den Postweg zu nehmen, damit wir nicht eigens wieder nach Stammheim fahren müssen am Samstag, um diese Stellungnahme abzuholen.

Vors.:

Ja, ja.

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, gedenken Sie, noch die ausgeschlossenen Angeklagten zu informieren über das, was in ihrer Abwesenheit hier vorgetragen worden ist. Das ist doch wohl die Voraussetzung für die Stellungnahme auch, denn es kommt ja auch auf deren Stellungnahme an.

[1336] Vors.:

Die Stellungnahme haben Sie doch, Sie haben doch den Antrag gestellt. Und im Augenblick ist Stellung genommen worden.

RA R[iedel]:

Aber das setzt doch wohl voraus ...

Vors.:

Es wird zunächst bei der nächsten Sitzung natürlicherweise, wie es vorgeschrieben ist, den Angeklagten mitgeteilt, was vorgetragen worden ist. Sie können dann, wenn Sie wollen, nochmals dazu Stellung nehmen und dann wird die Entscheidung im Anschluß eventuell, wenn die Stellungnahmen dazu zwingen, nochmals darüber beraten werden.

RA Dr. H[eldmann]:

Wir scheinen uns nicht verstanden zu haben. Es geht nicht um eine neue Stellungnahme, sondern es geht auf Erwiderung neuen Tatsachenvorbringens in jener Stellungnahme. Darum geht es. Das war ein neues Vorbringen. Es war ein überraschendes Vorbringen und darauf haben wir ein Recht, zu erwidern. Und darum geht es uns jetzt und bitte, vertrösten Sie uns nicht, daß wir eventuell am Freitag hier in Stammheim die schriftliche Stellungnahme abholen dürften.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich kann die Bundesanwaltschaft nicht zwingen, Ihnen ihre schriftliche Stellungnahme zu geben. Und ich kann die technischen Möglichkeiten, die wir hier haben, auch nicht überziehen. Das heißt, bis morgen nachmittag kanns geschrieben sein, vorher nicht.

RA Dr. H[eldmann]:

Würden Sie dann so freundlich sein, uns das per Post zugehen zu lassen, an die Verteidigeradressen.

Vors.:

Warum nicht, warum nicht, jederzeit.

RA Dr. H[eldmann]:

Natürlich können Sie die Bundesanwaltschaft nicht zwingen, Stellungnahmen aus der Hand zu geben, obgleich die Verteidigung jeweils dazu nachdrücklich aufgefordert worden ist. Aber es geht darum ...

Vors.:

Ich habe Sie jeweils gebeten darum, und Sie waren so freundlich.

[1337] RA Dr. H[eldmann]:

... auch die faktische Möglichkeit geben, von unserem Recht auf Erwiderung Gebrauch zu machen. Darum geht es.

Vors.:

Ich habe Ihnen im Augenblick gesagt, ich selbst werde nachher versuchen, daß man noch einen Weg findet, wie Sie doch rasch zu diesen Zitatstellen kommen. Vielleicht läßt sich dieser Teil aus den handschriftlichen Auszügen fotokopieren.

RA Dr. H[eldmann]:

Bitte, die ganze Stellungnahme Herr Vorsitzender, die ganze Stellungnahme, auf die kommt es an.

Reg. Dir. W[idera]:

Ja, Herr Rechtsanwalt Heldmann. Die ganze Stellungnahme. Nur, was hätten Sie für einen Vorteil davon, wenn wir jetzt unser ganz überwiegend handschriftliches Manuskript zu Hause, natürlich in Karlsruhe, schreiben lassen, denn hier sind unsere Möglichkeiten beschränkt und es Ihnen von dort zuschicken. Oder wenn der Herr Vorsitzende veranlaßt, daß das Wortprotokoll teilweise abgeschrieben wird, und Ihnen von hier aus zugeht.

RA Dr. H[eldmann]:

Der Weg ist mir ziemlich gleichgültig. Es kommt nur auf das Ergebnis an.

Reg. Dir. W[idera]:

Eins noch. Im übrigen, ich wurde darauf hingewiesen, so genau hatte ich den Text nicht in Erinnerung, es ist teilweise frei vorgetragen worden und auch deswegen wäre das sogar unvollständiger.

RA Dr. H[eldmann]:

Dann wären wir also auf die Tonbandabschrift doch angewiesen.

Vors.:

Und die bekommen Sie. Wir werden sie morgen auf dem Postweg an Sie abschicken.

RA Dr. H[eldmann]:

Vielen Dank. Ich habe noch eine ...

Vors.:

Und im übrigen für die Herrn, die hier sind, liegen dann entsprechende Ausfertigungen hier vor. Nicht, wenn jemand da ist, kann er es auch hier bei der Geschäftsstelle abholen.

[1338] RA Dr. H[eldmann]:

Von uns wird morgen niemand mehr hier sein.

Vors.:

Schneller schaffen wir das nicht.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Wir wären Ihnen auch dankbar, wenn Sie an alle über den Postweg zusenden.

Vors.:

Das macht mir nichts aus. Wir können es Ihnen allen zuschicken. Das ist gleichgültig. Also es wird niemand kommen, um selbst abzuholen, wenn ichs recht verstehe von Ihnen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe noch eine Bitte, auch im Namen der Kollegen vorzutragen, nämlich, daß uns Verteidigern heute Nachmittag eine ausreichende Zeit gewährt wird, mit allen Angeklagten zusammen diese Ärzteliste durchzusprechen um unsere Stellungnahme eben abzugeben können.

Vors.:

Wir werden dann jetzt, wenn ich die Sitzung beendet habe, darüber noch ganz kurz reden können. Sie haben also die Liste in die Hände bekommen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja.

Vors.:

Gut, dann ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich nicht. Wir hatten nur vier Exemplare hier.

Vors.:

Ich weiß nicht. Wir haben sicher noch ein Exemplar für Sie übrig. Ja, ja, das kann sicher kommen.

Ich würde sagen, das besprechen wir gleich im Anschluß.

Im übrigen ist die Sitzung jetzt unterbrochen bis zum kommenden Mittwoch um 9.00 Uhr. Alles andere außerhalb der Sitzung,

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

Ende der Sitzung 12.30 Uhr

Ende von Band 50

[1339][27]


[1] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[2] Mit Entscheidung vom 30. Mai 1975 wies die Europäische Menschenrechtskommission eine Beschwerde der Inhaftierten Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Wolfgang Grundmann, die sich auf die ihrer Ansicht nach menschenrechtswidrigen Haftbedingungen stützte, als offensichtlich unbegründet zurück. Die inhaftierten Mitglieder der RAF seien schon keine politischen Gefangenen, da sie sich nicht aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, sondern aufgrund des Verdachts schwerer, gemeingefährlicher Straftaten, in Haft befänden. Angesichts der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer/innen, die sich u.a. in der früheren gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders’ gezeigt habe, seien die angeordneten Maßnahmen als zulässig zu erachten (EKMR, Baader et al. v. Germany, Entsch. v. 30.5.1975, Nr. 6166/73, EuGRZ 1975, S. 455, 458 ff.).

[3] Anderen Quellen zufolge soll die Verhaftung bereits am 7. Juni 1972 stattgefunden haben (Aust, Der Baader Meinhof Komplex, 1. Neuaufl. 2017, S. 403; Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 151; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 44).

[4] Art. 316 Abs. 2 Satz 2 EGStGB a.F. lautete: „Die Einzelhaft darf ohne die Zustimmung des Gefangenen die Dauer von insgesamt drei Jahren nicht übersteigen.“ Die Norm bezieht sich allerdings auf Strafhaft, nicht auf Untersuchungshaft.

[5] Für den Vollzug von Untersuchungshaft und Strafhaft gelten unterschiedliche Vorschriften (Untersuchungshaft: zum damaligen Zeitpunkt § 119 Abs. 3 StPO a.F. i.V.m. der Untersuchungshaftvollzugsordnung; heute: Landesgesetze; Strafhaft: damals noch geregelt durch die Dienst- und Vollzugsordnung von 1961, die durch das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht als ausreichende Rechtsgrundlage angesehen wurde [BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 - Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1]; ab dem 1.1.1977 daher: Strafvollzugsgesetz; seit der Föderalismusreform 2006 zu einem großen Teil ersetzt durch Landesgesetze). Im Unterschied zur Strafhaft gibt es bei der Untersuchungshaft gerade noch kein rechtskräftiges Urteil, sodass weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Aus diesem Grund ist die Anordnung von Untersuchungshaft als Ausnahmeregelung an strenge Voraussetzungen geknüpft und muss stets mit dem Zweck der Sicherung des Strafverfahrens abgewogen werden (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 425 ff.).

[6] Andreas Baader saß noch bis zum 1. November 1974, Gudrun Ensslin bis zum 1. August 1974 in Strafhaft. Sie verbüßten jeweils den Rest einer dreijährigen Haftstrafe, zu der sie im sog. Frankfurter Kaufhausbrandstiftungsprozess verurteilt wurden (s. S. 2378 des Protokolls der Hauptverhandlung, 29. Verhandlungstag). Ulrike Meinhof wurde vom LG Berlin mit Urteil vom 29.11.1974 wegen ihrer Beteiligung an der Befreiung von Andreas Baader aus der Haft am 14. Mai 1970 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 95 ff.). Diese Strafe wurde aber erst ab dem 29.1.1976 vollstreckt (s. den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 71. Verhandlungstag, S. 6396 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[7] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), hat sie u.a. zur Folge, dass der/die beigeordnete Verteidiger/in einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse erhält (damals § 97 BRAGO, inzwischen ersetzt durch § 45 Abs. 3 RVG). Dies ist bei Wahlverteidiger/innen nicht der Fall, weshalb aufwendige und lang andauernde Prozesse gegen mittellose Mandant/innen mit einem Wahlmandat kaum zu bewältigen sind.

[8] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[9] Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) vom 16.3.1976 (BGBl. I, S. 581) trat am 1.1.1977 in Kraft. Die letztlich eingeführte Vorschrift, § 89 Abs. 2 StVollzG, enthielt allerdings keine solche Obergrenze mehr: „Einzelhaft von mehr als drei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, daß der Gefangene am Gottesdienst oder an der Freistunde teilnimmt.“

[10] Rechtsanwalt Schily äußerte am 5. Verhandlungstag die Vermutung, die Bundesanwaltschaft verfüge - anders als die Verteidigung - über eine selbstständige Mikrofonanlage, mit welcher sie die eigenen Mikrofone selbsttätig einschalten könne (S. 404 des Protokolls der Hauptverhandlung, 5. Verhandlungstag). Der Vorsitzende Dr. Prinzing nahm am 6. Verhandlungstag dahingehend Stellung, einfachheitshalber seien bei der Bundesanwaltschaft dieselben Anlagen angebracht worden, wie bei Gericht und Protokollführung. Eine Benachteiligung der Verteidigung wies er zurück, ließ aber „um auch den leisesten Zweifel auszuräumen“ die Anlagen der Bundesanwaltschaft austauschen (S. 541 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[11] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn lehnten die Angeklagten ab. Andreas Baader beschrieb das Verhältnis zu ihm wie folgt: „Das Verhältnis zu Henck ist ein Zwangsverhältnis, d. h. er hat unter [...] Anwendung urmittelbaren Zwangs durch 6 Vollzugsbeamte die Zwangsernährung - oder wie ein anderer Vollzugsarzt, typischer Sadist, sagt, die Schlauchorgie - in Stammheim während des Hungerstreiks durchgeführt, zuletzt so, wie ich das hier erklärt habe, daß es physische Folter war; darin besteht das Verhältnis zu Henck“ (S. 1243 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag).

[12] Andreas Baader spricht erstmals am 6. Verhandlungstag (S. 586 f. des Protokolls der Hauptverhandlung) von einem Geständnis Wideras, der zugegeben haben soll, die Bundesanwaltschaft habe Siegfried Hausner trotz Transportunfähigkeit in die JVA Stuttgart-Stammheim verlegen lassen. Dabei bezieht er sich offenbar auf eine Bemerkung des Regierungsdirektors Widera am 5. Verhandlungstag, in der dieser allerdings lediglich eine Aussage des befragten Anstaltsarztes Dr. Henck zusammenfasst: „Aber der Sachverständige hat bereits gesagt, er hat Hausner nicht nur für haftunfähig sondern auch für transportunfähig gehalten. Und wenn jemand für transportunfähig gehalten wird, dann ist die Frage von Herrn Baader meines Erachtens beantwortet“ (S. 505 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[13] Siegfried Hausner war Mitglied der RAF und Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 Gefangenen, darunter der Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, forderte. Aus weiterhin unbekannten Gründen explodierte kurz vor der Stürmung des Gebäudes durch schwedische Spezialkräfte im Inneren der Botschaft ein Sprengsatz, infolgedessen Hausner schwer verletzt wurde. Trotz dieser Verletzungen wurde Hausner wenige Tage später in die Bundesrepublik ausgeliefert und auf die Intensivstation der JVA Stammheim verlegt, wo er Anfang Mai 1975 verstarb (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512. 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80).

[14] Gemeint sind Holger Meins, Siegfried Hausner und Katharina Hammerschmidt. Holger Meins starb, wie Siegfried Hausner, während er sich in Untersuchungshaft und damit in Obhut des Staates befand: Der ursprünglich Mitangeschuldigte im Stammheim-Prozess starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.). Auch Katharina Hammerschmidt befand sich zunächst noch in Untersuchungshaft. Dort traten schon bald erste Symptome einer Krebserkrankung auf. Die von Hammerschmidt geäußerten gesundheitlichen Probleme wurden von den Gefängnisärzten aber nur unzureichend untersucht, weshalb der Tumor lange Zeit unerkannt blieb. Aufgrund der fortschreitenden Erkrankung wurde sie im Januar 1974 entlassen und starb schließlich Ende Juni 1975 in West-Berlin (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 196 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 329). Für alle drei Tode machten die Angeklagten staatliche Akteure verantwortlich (s. dazu auch die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 586 f., 6. Verhandlungstag).

[15] Die Anfertigung eines Wortprotokolls ist in deutschen Strafverfahren unüblich. Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO lediglich dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt.

[16] Die Hauptverhandlung befindet sich in diesem Zeitpunkt im Stadium zwischen der Feststellung der Anwesenheit und der Vernehmung der Angeklagten zur Person (§ 243 Abs. 1 und 2 StPO). Erklärungen der Angeklagten sind erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, nämlich zum einen bei der Vernehmung der Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 4 StPO a.F.; heute: § 243 Abs. 5 StPO), zum anderen im Stadium der Beweisaufnahme (§ 244 StPO), für die § 257 Abs. 1 StPO beweismittelbezogene Erklärungsrechte vorsieht.

[17] Die Hauptverhandlung fand in dem sog. Mehrzweckgebäude (auch „Mehrzweckhalle“) statt, einem Gerichtsgebäude aus Stahl und Beton, das in Vorbereitung auf den Prozess unmittelbar neben dem Gefängnis für etwa 12 Millionen DM errichtet wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69; krit. hierzu auch Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 100 f.).

[18] Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[19] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff..; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).

[20] Gegen die vom Verfahren ausgeschlossenen Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurden Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Rechtsanwalt Siegfried Haag wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).

[21] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA Stuttgart-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[22] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[23] Die in Art. 316 Abs. 3 Satz 3 EGStGB a.F. enthaltene Regelung, dass Einzelhaft ohne die Zustimmung der Gefangenen die Dauer von insgesamt drei Jahren nicht übersteigen darf, befand sich zuvor wortgleich in § 21 Abs. 3 Satz 3 StGB a.F., welcher durch das Zweite Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) mit Wirkung zum 1.1.1975 im Rahmen einer Neustrukturierung des Allgemeinen Teils des StGB gestrichen wurde.

[24] § 119 Abs. 3 StPO a.F. lautete: „Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert.“ Zweck der Untersuchungshaft ist die Sicherung des Verfahrens, sodass alle Maßnahmen der Untersuchungshaft hieran auszurichten sind (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347).

[25] Bei der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz, sondern um eine Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, die sich an die Leitungen der Haftanstalten richtet. Für Gerichte ist sie nicht bindend (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1963 - Az.: 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, S. 288, 294). Trotz der spätestens nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG zur Strafhaft (BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 - Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1) aufkommenden Zweifel an einer zureichenden rechtsstaatlichen (nämlich gesetzlichen) Grundlage scheiterten alle Bemühungen um ein Bundesuntersuchungshaftvollzugsgesetz. Erst nachdem mit der Föderalismusreform 2006 die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder überging, erließen diese entsprechende Landesgesetze (Höflich/Schriever/Bartmeier, Grundriss Vollzugsrecht, 4. Auf. 2014, S. 229 f.; Laubenthal, Strafvollzug, 6. Aufl. 2011, Rn. 929, 933).

[26] Erlangt die Rechtsanwaltskammer Kenntnis über berufsrechtliche Pflichtverletzungen von Anwält/innen, so kann sie entweder - falls die Schuld nur gering ist - selbst eine Rüge aussprechen (§ 74 Bundesrechtsanwaltsordnung [BRAO]), oder bei der Staatsanwaltschaft die Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens (früher „Ehrengerichtsverfahren“) beantragen (§ 122 BRAO). Durch Einreichen einer Anschuldigungsschrift bei dem zuständigen Anwaltsgericht kann diese das Verfahren einleiten (§ 121 BRAO). Das Gericht kann verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).

[27] Fehlblatt.


[a] Handschriftlich durchgestrichen: V.:

[b] Maschinell ersetzt: gebüßt durch verbüßt

[c] Maschinell eingefügt: werden

[d] Maschinell eingefügt: V.:

[e] Maschinell ersetzt: dies durch ihn

[f] Handschriftlich durchgestrichen: ein

[g] Handschriftlich durchgestrichen: wenn

[h] Handschriftlich ersetzt: Tuwabuhi durch Tohuwabohu

[i] Maschinell ersetzt: eine durch eigene

[j] Maschinell eingefügt: für

[k] Maschinell durchgestrichen: wir

[l] Handschriftlich eingefügt: er

[m] Maschinell eingefügt: wäre

[n] Maschinell ersetzt: ein durch an

[o] Maschinell durchgestrichen: extrizierter Stelle

[p] Maschinell eingefügt: wir

[q] Handschriftlich ergänzt: hatten

[r] Handschriftlich ergänzt: Befreiungsplänen

[s] Handschriftlich ersetzt: NBD durch MdB

[t] Handschriftlich ersetzt: Fußschwanz durch Fuchsschwanz

[u] Maschinell eingefügt: Angekl. E.: Nein

[v] Maschinell durchgestrichen: Angekl. E.:

[w] Handschriftlich ergänzt: Mäßigung

[x] Handschriftlich ersetzt: Neben durch Nehmen

[y] Maschinell eingefügt: mit denen

[z] Handschriftlich eingefügt: Lage,

[aa] Maschinell eingefügt: Ihnen