[13081] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 22. Dezember 1976 um 9.04 Uhr
(169. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von OStA Holland und Reg. dir. Widera - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
J. Ass. Clemens
J. Ass. Scholze,
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Eggler, Schnabel, Dr. Holoch (als amtlich bestellter Vertreter von RA Schwarz), Herzberg (als ministeriell bestallter Vertreter von RA Schlaegel) und Maixner (als Vertreter von RA Grigat).
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort.
Die Verteidigung ist gewährleistet.
Für 10.00 Uhr ist vorgesehen die Vernehmung des Zeugen Bundesrichters Zipfel.
Hinsichtlich der übrigen Zeugen sind Beschlüsse bekanntzugeben.
Ich darf wegen der Anwesenheit noch zunächst feststellen: Herr Rechtsanwalt Maixner heute für Herrn Rechtsanwalt Grigat; Herr Rechtsanwalt Künzel ist entschuldigt;
Herr Rechtsanwalt Dr. Holoch für Herrn Rechtsanwalt Schwarz und Herr Rechtsanwalt Herzberg für Herrn Rechtsanwalt Schlaegel. Die Vertretungen werden, soweit nicht amtliche Vertretung vorliegt,[2] genehmigt.
[13082] Es ist der Beschluß zu verkünden:
Der von RA Schily gestellte Antrag, die weiteren Vernehmungsprotokolle über Vernehmungen des Zeugen Gerhard Müller[3] aus der Akte 1 BJs 7/76[4] beizuziehen, wird abgelehnt.
Gründe:
Es handelt sich - wie der Antragsteller selbst bemerkt - um einen Ermittlungsantrag.[5] Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Pflicht zu umfassender Aufklärung die Beiziehung von Vernehmungsprotokollen erfordern soll, von denen der Antragsteller selbst nur zu sagen weiß, in ihnen kämen (wohl) die Namen der hier Angeklagten häufig vor, und auch der Senat keine weiteren Anhaltspunkte dafür hat, die Beiziehung solcher Protokolle werde im Hinblick auf die ausführliche Vernehmung des Zeugen Gerhard Müller in der Hauptverhandlung und die umfangreiche sonstige Beweiserhebung (auch zu seiner Glaubwürdigkeit) die Ermittlung der Wahrheit fördern. Die Nennung der Namen der Angeklagten, selbst die mögliche Erörterung von Taten, die auch den Angeklagten zur Last gelegt werden, bedeutet keineswegs, daß allein deshalb solche Aussagen für das hiesige Verfahren von Bedeutung sein müßten oder auch nur könnten.
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Es ist ferner der Beschluß zu verkünden:
Der von RA Weidenhammer gestellte Antrag, Herrn Bundesanwalt Bieger als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe:
Die in das Wissen von Herrn Bundesanwalt Bieger gestellten Tatsachen sind für das hiesige Verfahren durchweg ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). In welchem Stadium sich das Strafverfahren gegen Herrn Hoff[6] befindet und ob die Bundesanwaltschaft Interesse daran hat, die Ermitt- [13083] lungen gegen Hoff erst abzuschließen oder neue Ermittlungen gegen Herrn Gerhard Müller erst einzuleiten, wenn das hiesige Verfahren beendet ist, kann die hier zu treffende Entscheidung in keiner Weise beeinflussen. Wie durch die „Eröffnung eines (anderen) Strafverfahrens“ dem Gericht weitere Beweismittel an die Hand gegeben werden könnten (Nr. 3 des Antrags), ist ohnedies nicht ersichtlich.
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Und dann der Beschluß:
Der von RA Schily gestellte Antrag, Herrn KHM Kleinwort und Herrn Staatsanwalt Pfiszter als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe:
Es handelt sich um einen Ermittlungsantrag. Auch wenn der Vortrag des Antragstellers dahin zu deuten sein sollte, es komme ihm darauf an, von den Zeugen nicht ihre persönliche abschießende Wertung und Meinung zu erfahren (was ohnedies kein Zeugenwissen wäre), sondern die tatsächlichen Ermittlungsergebnisse dargestellt zu erhalten, aus denen sich nach ihrer Meinung Schlüsse auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der (so der Antrag) „Behauptungen des Zeugen Müller“ ziehen lassen, könnte der Senat damit doch unmittelbar nichts anfangen. Er könnte daraus allenfalls Anhaltspunkte dafür gewinnen, welche sonstigen Beweise mit einiger Aussicht auf Erfolg zu den jeweiligen Behauptungen erhoben werden könnten.
Unter diesen Umständen war zu erwägen, ob die Aufklärungsplicht (§ 244 Abs. 2 StPO)[7] gebiete, die Zeugen zu hören, um möglicherweise auf diesem Wege die Glaubwürdigkeit des Zeugen Müller - denn unmittelbar spielen diese Dinge im Verfahren keine Rolle - überprüfen zu können. Zur Vorbereitung seiner Entscheidung hat der Senat bei beiden Personen Erkundigungen über ihr Wissen eingeholt. [13084] Hierbei ergab sich, daß beide in einem Verfahren tätig waren, das sich mit der Frage befaßte, ob Frau Mordhorst 1972 in Heilbronn eine für konspirativ gehaltene Wohnung angemietet hatte. Herr Pfiszter war hierbei der sachbearbeitende Staatsanwalt und stellte das Verfahren schließlich mangels hinreichenden Nachweises ein; Herr Kleinwort hörte Frau Mordhorst und ihre Eltern dazu, ob Frau Mordhorst sich in Heilbronn aufgehalten habe. Ermittlungen zu den Behauptungen a - f im hier zu bescheidenden Antrag haben die als Zeugen benannten Personen nicht getätigt; hierzu können sie nichts sagen. Unter diesen Umständen verspricht ihre Anhörung in der Hauptverhandlung keinen Beitrag zur Wahrheitsermittlung im anhängigen Verfahren.
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Schließlich ist der Beschluß bekanntzugeben:
Das an den Senat gerichtete Schreiben Klaus Jünschkes vom 5.12.76 gibt dem Senat keinen Anlaß, von seiner in dem Beschluß vom 30.11.76 geäußerten Auffassung, Herr Jünschke sei als Beweismittel völlig ungeeignet,[8] abzugehen.
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Dann ist noch ein Beschluß bekanntzugeben:
Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, die Ermittlungsakten aus dem Strafverfahren gegen Gerhard Müller[9] beizuziehen, wird abgelehnt.
Gründe:
Es handelt sich um einen Ermittlungsantrag, der nach der Vorschrift des § 244 Abs. 2 StPO zu bescheiden ist. Der Senat geht davon aus, daß der Antragsteller die Akten aus dem Verfahren vor dem Schwurgericht Hamburg gegen Gerhard Müller im Auge hat. Der Sinn des Antrags geht möglicherweise dahin, irgendetwas zu der im Ver- [13085] lauf des Verfahrens wiederholt geäußerten Behauptung beizutragen, Gerhard Müller sei unter Verletzung der Vorschrift des § 136a StPO[10] vernommen worden.
Die Pflicht zu umfassender Aufklärung gebietet nicht, dem Antrag durch Beiziehung der genannten Akten nachzugehen. In der Hauptverhandlung vom 8.7.76 wurde der Vermerk des Bundesministers der Justiz vom 23.1.76 verlesen, wonach die Akten 3 ARP 74/75 I[11] für das Strafverfahren gegen Gerhard Müller und Irmgard Möller vor dem Schwurgericht Hamburg gem. § 96 StPO nicht freigegeben wurden. Im Hinblick hierauf geht der Senat davon aus, daß der Inhalt der Akten 3 ARP 74/75 I nicht in die Hamburger Akten Eingang fand, so daß in diesen Akten weder Ermittlungsergebnisse aus den Akten 3 ARP 74/75 I noch daran anknüpfende weiterführende Ermittlungen gegen Gerhard Müller erkennbar anzutreffen sind.
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Die Dinge stehen gegenwärtig so: Wir hatten heute, nach den Möglichkeiten, die die Ladungen aufgezeigt haben, nur mit der Vernehmung des Bundesrichters Zipfel rechnen können; für morgen vorgesehen war - und das ist Ihnen ja auch bei der kurzfristigen Verlegung des Termins mitgeteilt worden - die Vernehmung zweier Zeugen, die Herr Rechtsanwalt Schily morgen in der Sitzung präsentieren wollte.[12]
Herr Rechtsanwalt Schily hat diese Zeugen schon in der letzten Woche präsentiert, hatte aber versäumt, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß die Aussagegenehmigung[13] in dem Umfang, wie er die Fragen neu eröffnen wollte, erteilt werden würde. Die Bemühungen seinerseits, diese Aussagegenehmigung bis zu dieser Woche zu bekommen, sind noch nicht zu Ende gediehen, so daß er mit einer Ladung überhaupt gar nicht begonnen hat; das heißt mit anderen Worten: Die Zeugen stehen morgen nicht zur Verfügung; wir haben auch morgen kein Sitzungsprogramm mehr.
Wie sich die Dinge nun weiterentwickeln, wird zu besprechen sein, wenn Herr Rechtsanwalt Schily anwesend sein sollte. [13086] Weder Herr Dr. Heldmann noch Herr Rechtsanwalt Schily haben bis jetzt mitgeteilt, warum sie nicht pünktlich zu Beginn der Sitzung anwesend sind. Ich gehe aber davon aus, daß beide Herren anwesend sind.
Es hat unter diesen Umständen im Augenblick keinen Sinn, die Sitzung ... d. h. wir könnten eine Verlesung und Feststellung noch im Urkundenbeweis aus dem Urteil Müller jetzt dazwischen hineinschalten.
Gemäß § 249 StPO[14] wird aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. März 1976
- Az: (91) 7/75 - gegen
1. Gerhard Ernst Müller
2. Irmgard Maria Elisabeth Möller
der Urteilstenor auf den Seiten 2+3 des Urteils - ohne die Nebenentscheidungen über Einziehung und Kosten -
verlesen.[15]
Aus den Urteilsgründen - hinsichtlich der Verurteilung des Gerhard Müller - wird der wesentliche Inhalt wie folgt festgestellt (im Urkundenbeweis): Bezüglich der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung stellt das Urteil fest, der Angeklagte Gerhard Müller habe mindestens von Oktober 71 bis zu seiner Festnahme der Gruppe um Baader und Meinhof - der sogenannten RAF - als Mitglied angehört. Die gruppenbezogenen Aktivitäten des Angeklagten Müller - das ergibt sich aus S. 53 des Urteils ff. - hätten vornehmlich im Bereich der Sprengstoffherstellung gelegen. Bei der Beihilfe zum Mord bzw. dem vorsätzlichen Herbeiführen von Explosionen handle es sich um die Sprengstoffanschläge in Frankfurt, Heidelberg, München, Augsburg, Karlsruhe und Hamburg.
Auf Seite 151 ff. wird festgestellt, der Angeklagte Müller sei über die wesentlichen Absichten der Gruppe zur Durchführung von Sprengstoffanschlägen orientiert gewesen und habe gewußt, daß die Anschläge Tote und Verletzte fordern würden. Damit sei er einverstanden gewesen. Tatsächlich seien dann auch bei den Anschlägen in Frankfurt und Heidelberg vier Menschen getötet worden. Es heißt dann auf S. 151, auf dieser Grundlage habe der Angeklagte Müller an den Sprengstoffanschlägen unterstützend mitgewirkt, und zwar in der Weise, daß er das von der Gruppe für die Sprengstoffanschläge benötigte und verwendete Ammonium- und Kaliumnitrat beschafft und sich an der Herstellung des grauen Sprengstoffgemisches in der Wohnung Inheidener Straße beteiligt habe. Ferner habe er Batterien abgeholt, die die Gruppe, wie er gewusst habe, für die Zündung der Sprengkörper benötigt habe. Er habe dadurch gegenüber den maßgebenden [13087] Gruppenmitgliedern seine Bereitschaft zur Mitwirkung unter Beweis gestellt und so bewußt und gewollt in ihnen den Entschluß, die Anschläge durchzuführen, gefestigt.
Über die geschilderte Beschaffung von Chemikalien und Batterien hinaus habe der Angeklagte Müller in der Wohnung Inheidener Straße in Frankfurt an der Herstellung der Sprengstoffgemische mitgewirkt.
Bezüglich des unbefugten Führens einer Schußwaffe und der Urkundenfälschung stellt das Urteil auf den Seiten 210-212 fest, der Angeklagte Gerhard Müller habe, als er - ebenso wie Ulrike Meinhof - am 15. Juni 1972 in Hannover-Langenhagen festgenommen worden sei, unter anderem eine durchgeladene Pistole Walther P 38 mit sich geführt, sowie einen verfälschten Reisepass und einen total gefälschten Führerschein, die beide auf den Namen Dietmar Höhne gelautet hätten und beide mit dem Lichtbild des Angeklagten Müller versehen gewesen seien.
Es wird festgestellt, daß das Urteil hinsichtlich des Angeklagten Gerhard Müller seit 10.9.1976 rechtskräftig ist.
Das Urteil ist im Ergänzungsband Urteil V abgelegt.
Vors.:
Wir können bis 10.00 Uhr jetzt unterbrechen, es sei denn, es wollten irgendwelche Prozeßbeteiligten jetzt noch Anträge stellen, Äußerungen abgeben? Sehe ich nicht.
Dann 10.00 Uhr mit der Vernehmung des Zeugen Zipfel.
Pause von 9.16 Uhr bis 10.02 Uhr
Ende Band 773
[13088] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10 02 Uhr.
RAe Schily und Dr. Heldmann sind nunmehr auch anwesend.
Als Zeuge ist nunmehr anwesend:
Richter am BGH Walter Zipfel.
Vors.:
Wir können die Sitzung fortsetzen.
Anwesend ist der Herr Zeuge Bundesrichter Zipfel.
Herr RA Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich habe zu meinem Bedauern wie zu meinem Erstaunen feststellen müssen, daß diese schikanöse Verteidigeruntersuchung[16] nach wie vor andauert; die Konsequenzen[17] kennt der Senat:
Auf Wiedersehn.
Vors.:
Ich darf Ihnen folgendes noch dazu sagen - widersprechen Sie mir, wenn es [a] falsch wäre, was ich sage: Haben Sie die Maßnahmen, die angeordnet worden sind, in einer Pressekonferenz als „Hosenladenerlaß des Vorsitzenden“ bezeichnet?
RA Dr. He[ldmann]:
Ich weiß es nicht, aber ich halte es für möglich.
Vors.:
Sie waren drei Stunden vorher bei mir gewesen. Ich habe Sie selbst - und das möchte ich in aller Öffentlichkeit hier auch betonen - drauf hingewiesen, daß diese Maßnahmen nicht von mir getroffen worden sind, daß ich nur am Rande berührt bin in der Frage, inwieweit dadurch Behinderungen des Verteidigerverkehrs eintritt.[18] Wenn Sie gleichwohl das in öffentlicher Pressekonferenz erklärt haben, das sei ein Erlaß des Vorsitzenden, und ihn auch noch mit diesem Namen bezeichnet haben, dann haben Sie die Unwahrheit gesagt; und da ich meine, daß ein Jurist wissen muß, daß das überhaupt Dinge sind, die Vollzugsangelegenheiten betreffen und[b] nicht das Gericht, müßten Sie das auch bewußt getan haben. Ich könnte bloß den Sinn dahinter sehen, bei der Presse Stimmung gegen den Vorsitzenden zu machen, die Presse reinzulegen in diesem Punkte.
[13089] RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender, wie lautet ...
Vors.:
Sie können jetzt, wenn Sie wollen, unter Hinweis, daß Sie Ihre Pflichten erneut verletzen,[19] den Saal verlassen. Das Thema ist ausbesprochen[c] hier.
RA Dr. He[ldmann]:
Wie lautet der Beschluß, den Sie am Nachmittag des - wann war es? - des 8. Dezember verkündet haben?
Vors.:
„Wird nicht beanstandet.“
RA Dr. He[ldmann]:
Was heißt das, „nicht beanstandet“?
Vors.:
Ich habe keinen Erlaß gemacht.
RA Dr. He[ldmann]:
Haben Sie in[d] diesem[e] Beschluß, diese Verfügung, diese Schikane, diese Schweinerei nicht auch gerechtfertigt?
Vors.:
Ach, Herr RA Dr. Heldmann, ich darf Sie drauf hinweisen - ich glaube, hier gebietet’s beinahe meine Fürsorgepflicht, Sie drauf hinzuweisen -, daß das Dinge sind, die nachher für Sie nachteilig werden könnten; Sie sollten sie besser unterlassen. Das,[f] was hier geschehen ist ...
RA Dr. He[ldmann]:
Mit solchen Mätzchen können Sie mich bestimmt nicht einschüchtern, Herr Prinzing.
Vors.:
Augenblick -
RA Dr. He[ldmann]:
Maßnahmen, die für mich nachteilig werden können - da können Sie mir vieles erzählen und dieses dann in Frankfurt auftauchen lassen. Das berührt mich nicht.
Vors.:
Ich wende mich jetzt dem Herrn Zeugen zu.
RA Dr. He[ldmann]:
Ja -
Vors.:
Ich muß Sie, Herr Zeuge ...
RA Dr. He[ldmann]:
Ich weise dann in aller Form den Vorwurf der Unwahrheit gegen mich zurück und verweise Sie auf den Text Ihrer Verfügung vom Nachmittag des 8. Dezember. Den können Sie im Protokoll nachlesen; den können Sie auch[g] in der Presse nachlesen. Sie haben diese - nennen wir’s einmal - „Hosenlatzverfügung“ gerechtfertigt.
Vors.:
Stören Sie jetzt bitte die Sitzung nicht weiter.
RA Dr. He[ldmann]:
Das ist Ihre Art, mit Verteidigern umzugehen.
RA Dr. Heldmann verläßt daraufhin um 10.06 Uhr den Sitzungssaal.
[13090] Der Zeuge, Richter am BGH Zipfel, wird gemäß § 57 StPO[20] belehrt.
Der Zeuge, Richter am BGH Zipfel, erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[21]
Der Zeuge macht folgende zur Person:
Zeuge Zi[pfel]:
Walter Zipfel, 62 Jahre,
Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe;
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Herr Zeuge, Sie sind auf Antrag der Verteidigung geladen worden. Die Verteidigung stellt in Ihr Wissen eine bestimmte Aussage, die ein Zeuge namens Jürgen Mauer am 9.4.1974 vor Ihnen gemacht haben soll.
Zunächst die Frage:
Ist Ihnen diese Person ein Begriff?
Zeuge Zi[pfel]:
Die Person ist mir ein Begriff, aber ich muß gleich betonen, am 9. April habe ich Herrn Mauer nicht vernommen; das muß ein Irrtum sein. Es ist viel später gewesen, erst im Dezember 1974.
Vors.:
Hierbei soll Herr Mauer sich geäußert haben zu einer Begegnung mit Frau Ingeborg Barz.[22]
Ist Ihnen dazu etwas bekannt?
Zeuge Zi[pfel]:
Ja, ich erinnere mich noch daran, daß der Zeuge Mauer damals - ich habe ihn während eines Haftprüfungsverfahrens oder zur Vorbereitung eines Haftprüfungsverfahrens, das gegen andere Beschuldigte gelaufen ist, habe ich ihn vernommen, und dabei hat er eine früher von ihm schon gemachte polizeiliche Aussage bestätigt, daß er an einem bestimmten Tage - ich entnehme aus dem Beweisthema, daß es der 21. Januar 1974 gewesen sein soll; an den Tag, den er angegeben hatte, erinnere ich mich heute nicht mehr -, daß er mit mehreren Frauen, die teilweise im Untergrund gelebt haben sollen, in Frankfurt in einem bestimmten Lokal zusammengekommen sei; und dabei hat er auch den Namen Ingeborg Barz genannt.
[13091] Vors.:
Ist diese Frage vertieft worden?
Zeuge Zi[pfel]:
Nein. Das hat für mich damals überhaupt keine Rolle gespielt.
Vors.:
Und können Sie noch ganz allgemein sagen, wie Sie Herrn Mauer beurteilt haben in seiner Glaubwürdigkeit, wenn Sie überhaupt dazu einen verbindlichen Eindruck bekommen haben?
Zeuge Zi[pfel]:
Also ein abschließendes Urteil über die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen konnte ich mir nicht bilden, da ich also kurz nach diesen Vernehmungen als Ermittlungsrichter ausgeschieden bin. Ich habe also keine seiner Angaben nachprüfen können; und dieser Punkt, der hier zur Debatte steht - da hatte ich auch gar keine Anhaltspunkte, wo ich da hätte einhaken können ...
Vors.:
... so daß etwa die Frage, ob der Zeuge die Personen, die er nun namentlich nannte, auch tatsächlich gekannt hat, nicht weiterverfolgt worden ist?
Zeuge Zi[pfel]:
Nein, von meiner Seite aus wurde das nicht weiterverfolgt.
Vors.:
Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen?
Ich sehe, die Herrn Kollegen nicht.
Die Herrn der B. Anwaltschaft?
Herr B. Anw. Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Eine einzige Frage, Herr Zeuge:
Sind ihm gelegentlich[h] dieser Vernehmung [i] Lichtbilder vorgelegt worden?
Zeuge Zi[pfel]:
Von wem?
BA Dr. Wu[nder]:
Von anderen Personen aus diesem Kreis zur Identifizierung, etwa auch ein Lichtbild von Frau Barz?
Zeuge Zi[pfel]:
Nein. Das habe ich nicht in Erinnerung. Das glaube ich auch nicht, weil, wie schon gesagt, es für mich völlig unwesentlich war.
BA Dr. Wu[nder]:
Danke schön.
Zeuge Zi[pfel]:
Der Komplex Barz war mir auch damals gar[j] kein Begriff.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?
Herr RA Schily, auch nicht.
Dann können wir den Herrn Zeugen vereidigen? Keine Einwendungen.
Der Zeuge, Richter am BGH Zipfel, wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 10.10 Uhr entlassen.
Die Aussagegenehmigung des Zeugen, Richter am BGH Zipfel, wird als Anlage 1 zu Protokoll genommen (in Ablichtung).
[13092][23] [13093] Vors.:
Herr RA Schily, wir hatten gestern wegen Ihrer Zeugen schon telefonisch Fühlung aufgenommen. Ich habe bereits in der Sitzung bekanntgegeben, daß die Vorstellungen, die wir für morgen hatten, nicht verwirklicht werden können, daß Sie von einer Ladung abgesehen haben, weil die Zeugen die Aussagegenehmigung, die sie überhaupt für Sie nur interessant macht, bisher noch nicht bekommen hätten.
Haben sich irgendwelche neuen Erkenntnisse abgezeichnet?
RA Schi[ly]:
Ich darf vielleicht dazu erklären, daß ich im Anschluß an das mit Ihnen geführte Telefongespräch nochmals mit dem Herrn Heinze vom Polizeipräsidium in Hamburg telefoniert habe; und Herr Heinze hat mir angekündigt, daß er bis Mittwoch nächster Woche eine Entscheidung herbeiführen will über die Erteilung der Aussagegenehmigung. Sie wissen - ich hab Ihnen das gestern ja mitgeteilt -, daß der Herr Heinze nun plötzlich ja auf den Gedanken kam, daß nicht von Hamburg allein aus diese Aussagegenehmigung erteilt werden kann, sondern daß es dazu der Mitwirkung des B. Justizministeriums bedarf. Dieser neue Gesichtspunkt war mir natürlich auch unerwartet. Und ich würde also vorsorglich dann - je nachdem, das würde ich Ihnen anheimstellen, ob Sie das vorziehen zum 31. Dezember oder zum 10. Januar - die beiden Herrn laden. Es wurde mir dann von Herrn Heinze - das habe ich, glaube ich, Ihnen gestern schon gesagt - auch erklärt, daß ohnehin in dieser Woche der Herr Opitz nicht verfügbar gewesen wäre, weil er wohl im Urlaub ist, also jedenfalls nicht im Dienst ist.[k]
Vors.:
Ja es ist so:
Gesetzten[l] Fall, wir würden den 31. Dezember dafür vorsehen - es ist Dienstzeit ohnedies am 31.12. nur vormittags, und das Bedürfnis, die Sitzung an diesem Tage nicht allzu lange auszudehnen, das wird wohl allseits geteilt.
RA Schi[ly]:
Also ich meine, ohne große verbindliche Erklärungen da abgeben zu können, aber ich könnte mir vorstellen: Nach dem Fragenprogramm, was ich hier in meiner Akte habe, wird es sicherlich nicht länger dauern als der Vormittag, die Befragung dieser beiden Zeugen. Insofern stelle ich anheim, sie auf 31. Dezember zu laden. Wobei natürlich[m] das Problem ist: Es kann ja sein, daß Herr [13094] Heinze am Mittwoch sagt: Ja, jetzt muß ich Ihnen trotzdem sagen, ich hab keinen Bescheid aus Bonn. Dann sitze ich auch wieder da.
Vors.:
Das ist das eine Problem.
Das andere Problem:
Unterstellen wir, die Anhörung könnte am 31. Dezember durchgeführt werden; die B. Anwaltschaft wird sicher Wert darauf legen, erst zu ihrer zusammenfassenden Schlußerklärung zu kommen, wenn die Beweisaufnahme dann geschlossen ist. Dann müßte man also am 31. Dezember das unter Umständen auch unterbringen - dazu reicht wahrscheinlich die Zeit nicht.
Wenn jetzt die B. Anwaltschaft dann zu Beginn des Termins, den wir jetzt für die Plädoyers vorsehen im Augenblick, mit ihren Schlußvorträgen beginnen würde, befürchte ich, daß die Herrn Verteidiger dann sich darauf berufen: Jetzt müßten sie wieder, um das zu verarbeiten, eine gewisse Frist haben. Und damit wären wir dann schon wieder in einem Zeitraum drinne, der das bisher Vorgestellte sprengen würde.
Es war also nun, nachdem Sie mir das gestern sagten, der Gedanke aufgekommen, ob wir unter diesen Umständen nicht die Dinge vorverlegen sollten auf den 30. Dezember, weil[n] am 30.12. würde uns ein ganzer Sitzungstag zur Verfügung stehen. Ich tu es sehr ungern. Es ist natürlich die Frage, ob es klappt, aber, Herr RA Schnabel, Sie müssen schon einsehen, daß das Gericht sich hier nach den prozeßnotwendigen Dingen orientieren muß. Es liegt nicht an uns.
RA Schi[ly]:
Nur, Herr Vorsitzender, ich glaube, man muß auch bei den Anwälten dann doch bitte beachten, daß ja das Jahresende nicht so eine Ferienzeit ist für Anwälte, sondern daß wir am Jahresende besonders belastet sind mit Fristkontrollen u.ä., die ja zum Jahresende stattfinden müssen, und insofern würde auch ich Wert darauf legen, daß die Dispositionen, die jetzt terminlich festliegen, doch eingehalten werden.
Vors.:
Ist das allgemeine Meinung, dann brauchen wir das Thema ... -
Sind Sie auf den 31.12. festgelegt? Ich habe an sich gedacht, vielleicht sogar daß es manchem von Ihnen vielleicht sogar[o] geradezu lieb sein könnte, daß nicht ausgerechnet der 31.12. verwendet wird.
[13095] RA Schily:
Und dann komm ich ja erst recht in Zeitschwierigkeiten.
Vors.:
Es wäre dann problematisch; das ist zuzugeben. Die Ladung würde ganz kurz.
Also unter diesen Umständen bleibt nun in der Tat wahrscheinlich gar nichts anderes übrig, als daß wir den 31.12. als Sitzungstag belassen und dann aber pünktlich um 9.00 Uhr beginnen müssen - ich wollte ursprünglich an dem Tag erst um 10.00 Uhr beginnen. Also das müßte dann auf jeden Fall gemacht werden, und alle Beteiligten müßten sich drauf einstellen, daß dann tatsächlich die zwei Zeugen zur Verfügung stünden und entsprechend die Sitzung sich ausdehnen könnte. Dann wäre allerdings noch die Frage:
Läßt sich schon jetzt überblicken, Herr B. Anw. Dr. Wunder, wie lange ungefähr Ihre nochmaligen Äußerungen + Anträge[24] lauten würden?
BA Dr. Wu[nder]:
Herr Vorsitzender, ich kann zwei Dinge dazu sagen:
1. daß die B. Anwaltschaft in ihrem Ergänzungsplädoyer lediglich die Beweisaufnahme seit dem 7. Oktober dieses Jahres behandeln und bewerten wird, so daß sich also daran zur weiteren Vorbereitung der Plädoyers der Verteidigung sicher keine große Pause anschließen muß;
und das zweite, was für uns aber entscheidend ist - und davon möchten wir nicht gerne abgehen -, das ist die Tatsache, daß wir erst dann plädieren möchten, wenn als nächste Prozeßhandlung die Plädoyers der Verteidiger vorgesehen sind. Daß uns das niemand mit letzter Sicherheit sagen kann, das[p] wissen wir; aber wir möchten es doch mit einer halbwegs greifbaren Gewißheit haben.
Danke.
Vors.:
Das ist das, was ich andeutete vorhin: Sie werden wohl Wert darauf legen, am Schluß der[q] Beweisaufnahme, d. h. nach Schluß der Beweisaufnahme erst[r] zu plädieren.[25]
BA Dr. Wu[nder]:
Ja.
Vors.:
Das würde also bedeuten: Wenn wir am 31.12. tatsächlich die beiden Zeugen hätten und dann zum Schluß der Beweisaufnahme wieder kämen, daß wir dann unter Umständen versuchen müßten, noch an dem Tag die Plädoyers zu hören, so daß wir bis zum [13096] 10.1.77 tatsächlich die Plädoyers der Verteidiger vorsehen könnten. Wäre das nach Auffassung der Prozeßbeteiligten möglich? Ich meine, Herr RA Schily, Sie müßten ja ungefähr voraussehen können, wenn Sie sagen: Ich brauche pro Zeugen nach dem, was ich mir vorstelle, eine Stunde, dann wären wir um ...
RA Schi[ly]:
Das ist maximal eine Stunde pro Zeuge.
Vors.:
Also dann wären wir um 11.00 Uhr mit den beiden Zeugen durch. Und wenn die B. Anwaltschaft sagen könnte: Wir plädieren nicht mehr länger als eine Stunde - nach dem, was Sie eben andeuteten -, dann wären wir um 12.00 Uhr durch. Dann könnten wir also wirklich den 31. Dezember zum Abschluß vorsehen.
BA Dr. Wu[nder]:
Dieses Ergänzungsplädoyer wird, Herr Vorsitzender, sicherlich nicht länger dauern als etwa eine halbe Stunde. Nur, eine verbindliche Erklärung, ob wir dann noch am 31. plädieren, möchte ich heute noch nicht abgeben. Ich neige dazu.
Vors.:
Aber jedenfalls in der Beziehung kann man sie doch wohl als verbindlich ansehen, daß, wenn die Beweisaufnahme an diesem Tag rechtzeitig geschlossen werden kann, daß Sie dann bereit sind, Ihre Schlußanträge zu stellen.
BA Dr. Wu[nder]:
Ja. Und wenn für uns eine halbwegs greifbare Gewißheit besteht, daß dann bis zu den Plädoyers der Verteidiger nichts mehr dazwischenkommt.
Vors.:
Ja - aber das ist wohl anzunehmen, wenn wir dann die Termine so festlegen.
Das würde also bedeuten, wir sehen ein doch volles Vormittagsprogramm für den 31.12. vor.
Sind jetzt noch Anträge zu stellen?
RA Schi[ly]:
Nein, Herr Vorsitzender.
Ich möchte auch noch einmal mit Nachdruck erklären, daß ich die - ich habe ja heute Ihr Schreiben erhalten; ich habe heute auch nur mit Rücksicht darauf, daß nach meiner Erwartung die Vernehmung von Herrn B. Richter Zipfel keine größere Zeit in Anspruch nimmt, davon abgesehen, mich hier heute auch aus dem[s] Sitzungssaal zu entfernen, um weitere Gespräche mit meiner Mandantin zu führen, die ich ja hier ohne diese Kontrollen nur hier im Hause führen kann; und Sie selber haben einmal anerkannt, daß im gegenwärti- [13097] gen Stadium ja ausreichende Möglichkeiten geschaffen werden müssen, daß zur Vorbereitung der Schlußvorträge die Verteidiger mit ihren Mandanten sprechen können. Und ich darf meine früheren Erklärungen hier wiederholen, daß ich mit Nachdruck einer Beibehaltung der entwürdigenden Durchsuchungsprozeduren entgegentrete. Es mag sein, daß das nicht Ihre eigene Anordnung ist, aber Sie sind doch der zuständige Haftrichter[26] ...
Vors.:
... aber nicht für die Anordnungen, was ... - verzeihen Sie bitte.
RA Schi[ly]:
... und Sie müssen kraft richterlicher Autorität durchsetzen, daß wir Verteidiger ... uns[t] Verteidigergespräche ermöglicht werden, denn sonst könnte ja die Haftanstalt noch auf die tollsten Gedanken kommen. Sie könnte ja dann womöglich tatsächlich einmal auch wieder dazu übergehen, was ja schon andere Haftanstalten einmal versucht haben: rektale Untersuchung u.ä. ...
Vors.:
Mit Sicherheit nicht, Herr Rechtsanwalt. Das können wir der Haftanstalt nicht zutrauen.
RA Schi[ly]:
... mit Sicherheit nicht.
Dann können Sie ich auch nicht darauf zurückziehen, Herr Vorsitzender, das ist Maßnahme der Haftanstalt; und ich bin nach wie vor der Meinung, daß Sie aus der Verantwortung sich nicht selbst entlassen können. Und wenn Sie dafür nicht Sorge tragen, ja dann weiß ich nicht, wie in dem[u] Verfahren es hier[v] weitergehen soll. Das ist das Problem, was sich stellt.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, sicherlich. Das Problem sehe ich auch, und ich habe ja versucht, Ihnen auf Ihr Schreiben das nochmals darzulegen, wie ich die Dinge sehe. Ich dachte eigentlich, damit hätte sich das erledigt. Aber ich kann nur sagen: Mein Versuch, einen Kompromiß in der Form zu finden, daß die Sicherheitsvorkehrungen, die die Anstalt wünscht, auf die Angeklagten verlagert werden und dafür es beim Stand der Untersuchung der Anwälte wie bisher bleibt, ist daran gescheitert, daß die Angeklagten dem nicht zustimmen. Das Sicherheitsbegehren der Haftanstalt ist, wie ich Ihnen auch hier darlege, begründet durch dieses Schreiben der Frau Schubert.[27]
[13098] Inzwischen - ich hab’s Ihnen mitgeteilt - ist bekanntgeworden, daß auch in einer Zelle Haschisch gefunden worden ist; es sind zwar nur wenige Gramm, aber immerhin, es ist wieder etwas, was illegal in die Anstalt hineingekommen sein muß.
Nun, es ist außerordentlich bedauerlich, und das habe ich Ihnen ja auch mitgeteilt, daß nun alle Anwälte davon betroffen werden können - sie müssen es nicht; ich habe heute früh ausdrücklich nochmals mit der Haftanstalt Rücksprache genommen, wie die Schuhkontrolle gemacht werden soll: Wenn es dort also nicht piepst bei den Schuhen, dann werden auch Schuhe hingenommen, so wie sie sind; das heißt: Wenn metallfreie Kleidung getragen wird - und das hat sich in jetzt 8 oder 9 zwischenzeitlich erfolgten Verteidigerbesuchen bewährt, wo es anstandslos gegangen ist; es sind ja andere Verteidiger wieder zu den Angeklagten gegangen -, wenn also solche Kleidung getragen wird, wie Sie sie z. B. selbst auch getragen haben bei den letzten Kontrollen, dann passiert überhaupt nichts. Und wenn man nun den zwingenden Anlaß, Herr Rechtsanwalt, sieht, den die Haftanstalt hier doch wirklich sehen muß, nachdem zwei derartig gravierende Vorfälle bekannt geworden sind jetzt inzwischen schon und andererseits diese ganz leichte Möglichkeit ins Auge faßt, wie die Herrn Verteidiger jeder unangenehmen, über das Bisherige hinausgehenden Maßnahme selbst ausweichen können - Sie brauchen eben nur metallfreie Kleidung zu tragen - dann wird man nicht ernsthaft behaupten können, es sei Ihnen verwehrt, Mandantenbesuche durchzuführen. Es ist nur nicht zweckmäßig, bei diesen Mandantenbesuchen Kleidung zu tragen, auf die diese[w] Sonde anspricht. Ich kann’s nicht ändern. Das muß ich der Haftanstalt bescheinigen, daß sie im Rahmen ihrer Sicherheitsvorkehrungen solche Kontrollmaßnahmen trifft. Ich habe es nur zu messen, ob dadurch tatsächlich ein Übermaß eintritt, daß einem Verteidiger nicht mehr zugemutet werden kann und dadurch der Verteidigerverkehr zu den Angeklagten gehindert wird. Das habe ich bisher verneint. Das ist meine einzige Entscheidung, die ich dabei zu treffen habe.
Ich würde Sie also bitten, überdenken Sie die Dinge nochmals. [13099] Ich habe kürzlich mit Ihnen wegen der Schuhe gesprochen. Die Anstalt ist sofort drauf eingegangen, hat gesagt: Gut, wir wollen auch nicht, daß Schuhe ausgezogen werden, es sei denn, es sei eine ungeklärte Reaktion der Sonde - und das muß man eben bei diesen Vorkommnissen doch der Anstalt zugute halten. Ich würde also doch vorschlagen, die Sache nicht zu sehr auf die Spitze zu treiben.
RA Schi[ly]:
Wir werden es ja ausprobieren können.
Vors.:
Ja, denk’ ich auch.
Damit sind wir am Ende des heutigen Sitzungsprogramms. Fortsetzung um 9.00 Uhr am 31. Dezember - das ist ein Freitag.
Ende der Hauptverhandlung um 10.24 Uhr.
Ende von Band 774.
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt nur für die jeweils bestellte Person. Diese kann sich daher grundsätzlich weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen. Ausnahmsweise wird aber im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 – Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“) befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a). Auch die Anzeige oder der Nachweis des Vertretungsfalls ist im Falle der amtlichen Bestellung nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 2.9.1975 – Az.: 1 StR 380/75, NJW 1975, S. 2351, 2352).
[3] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag vernommen. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers u.a. durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden sei (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).
[4] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Verfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde. Nachdem bereits ein Teil der Akte übergeben worden war, beantragte RA Schily am 159. Verhandlungstag, die noch fehlenden Seiten beizuziehen (S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 160. Verhandlungstag). Diese konnten schließlich nach Herausgabe durch die Bundesanwaltschaft am 161. Verhandlungstag an die übrigen Prozessbeteiligten verteilt werden (s. S. 12347 des Protokolls der Hauptverhandlung, 161. Verhandlungstag). Da die Vernehmungen aber fortgeführt wurden, entstanden anschließend noch weitere Aktenbestandteile, deren Beiziehung Rechtsanwalt Schily am 168. Verhandlungstag beantragte (S. 13065 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[5] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 – Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 – Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.
[6] Der Zeuge Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen.
[7] Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO). Damit trifft die Aufklärungspflicht das Gericht unabhängig von Anträgen der Verfahrensbeteiligten.
[8] S. dazu den am 164. Verhandlungstag verkündeten Beschluss auf S. 12795 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung.
[9] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).
[10] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.
[11] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt weitere Aussagen des Zeugen Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).
[12] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).
[13] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.
[14] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).
[15] Zwar ist die sog. materielle Rechtskraft, die den Inhalt eines Urteils betrifft, in zweifacher Hinsicht beschränkt: Zum einen bezieht sie sich nur auf die Personen, gegen die das Verfahren gerichtet war (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Auflage 2014, Einleitung Rn. 510), zum anderen entsteht sie auch nur im Hinblick auf den Tenor, also die Entscheidungsformel, die im Falle einer Verurteilung den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch (sowie bestimmte Nebenentscheidungen) umfasst (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 170). Gleichwohl ist es anderen (Straf-)Gerichten nicht verwehrt, die auch in den Entscheidungsgründen dokumentierten Ergebnisse der Beweiserhebung im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung einzuführen und sie zur Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zu machen; dies gilt sogar für nichtrechtskräftige (z.B. aufgehobene) Entscheidungen (BGH, Urt. v. 18.5.1954 – Az.: 5 StR 653/53, BGHSt 6, S. 141; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019 § 249 Rn. 17).
[16] Rechtsanwalt Dr. Heldmann hatte sich bereits am 167. Verhandlungstag über die neuen Untersuchungsmaßnahmen vor Einlass in die Haftanstalt empört: so sei er aufgefordert worden, seine Schuhe auszuziehen und seine Hose zu öffnen, bevor er seinen Mandanten (Andreas Baader) sehen dürfe (S. 12686 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 167. Verhandlungstag). Der Vorsitzende Dr. Prinzing bestätigte die Anordnungen der Haftanstalt als zuständiger Haftrichter, was Rechtsanwalt Weidenhammer bereits während der Hauptverhandlung dazu bewog, von der „sog. Hosenladenverfügung“ zu sprechen (S. 13066 des Protokolls der Hauptverhandlung, 168. Verhandlungstag). S. zu den Maßnahmen auch die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 168. Verhandlungstag (S. 12987 f. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie die Erwiderung des Vorsitzenden (S. 12988 ff. des Protokolls, ebenfalls 168. Verhandlungstag).
[17] Rechtsanwalt Heldmann führte am 168. Verhandlungstag aus, er werde sich den angedrohten Untersuchungsmaßnahmen nicht aussetzen. Dies habe zur Folge, dass er seinen Mandanten Andreas Baader nur an den Sitzungstagen sehen könne, da er hierfür in das Mehrzweckgebäude geführt werde; dies sei die einzige Möglichkeit, Mandantengespräche zu führen, solange die Untersuchungsmaßnahmen beibehalten blieben. Unter diesen Umständen würden die Verteidiger gezwungen, „ihre Verteidigertätigkeit außerhalb dieses Gerichtssaals fortzusetzen“ (S. 12988 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[18] Die Durchsuchungsanordnungen wurden durch die Anstaltsleitung festgesetzt. Für Beschwerden gegen Anordnungen der Anstaltsleitung, die der gerichtlichen Zuständigkeit unterlagen (§ 119 Abs. 6 StPO a.F.; insbesondere weitere Beschränkungen des/der Gefangenen, die der Zweck der Untersuchungshaft – die Sicherung des Strafverfahrens –, oder die Ordnung in der Anstalt erfordern, § 119 Abs. 3 StPO a.F.) sah Nr. 75 Abs. 1 der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) eine gerichtliche Entscheidung vor. Auch außerhalb der Zuständigkeit des § 119 Abs. 6 StPO a.F. hatten Gefangene die Möglichkeit, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen, wenn sie geltend machen konnten, durch die Maßnahme, Anordnung oder Verfügung in ihren Rechten verletzt zu sein (Nr. 75 Abs. 4 UVollzO i.V.m. §§ 23, 24 Abs. 1 EGGVG). Der UVollzO kommt mittlerweile keine Bedeutung mehr zu, seit durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.8.2006 (BGBl. I, S. 2034) die Gesetzgebungskompetenz für den Untersuchungshaftvollzug den Ländern übertragen wurde und diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch gemacht haben. Heute ist die gerichtliche Entscheidung über Maßnahmen der Vollzugsbehörde in § 119a StPO geregelt. Die Zuständigkeit des Senats als Gericht der Hauptsache ergibt sich aus § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO, wobei einzelne Maßnahmen nach § 119 StPO gemäß § 126 Abs. 2 Satz 3 StPO der/die Vorsitzende anordnet (Böhm/Werner, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 1. Auflage 2014, § 126 Rn. 14 ff.).
[19] Rechtsanwalt Dr. Heldmann war dem Angeklagten Baader als Pflichtverteidiger beigeordnet (§§ 140, 141 StPO). Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 – Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 – Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.). Über die Gewichtung der verschiedenen Interessen im Rahmen der Pflichtverteidigung, denen der Angeklagten auf der einen und dem öffentliche Interesse an der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens auf der anderen Seite, gab es im Prozess häufige Auseinandersetzung, so etwa am 26. Verhandlungstag (S. 21145 ff., 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie am 41. Verhandlungstag (S. 3176 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[20] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).
[21] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[22] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[23] Anlage 1 zum Protokoll vom 22. Dezember 1976: Aussagegenehmigung für RiBGH Zipfel.
[24] Der Vorsitzende Dr. Prinzing hatte die Beweisaufnahme bereits am Ende des 148. Verhandlungstages geschlossen (S. 11767 des Protokolls der Hauptverhandlung) und die Bundesanwaltschaft ab dem 149. Verhandlungstag plädiert. Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt jedoch ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.).
[25] Auch § 258 Abs. 1 StPO sieht vor, dass die Schlußvorträge („Plädoyers“) nach dem Schluß der Beweisaufnahme erfolgen. Das bedeutet allerdings nicht, dass nicht auch im Anschluss daran erneut in die Beweisaufnahme eingetreten werden kann. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (s. Fn. 24). Inzwischen wurde mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I, S. 3202) die Möglichkeit geschaffen, Beweisanträge, die nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist gestellt werden, erst im Urteil zu bescheiden (§ 244 Abs. 6, Satz 2-5 StPO). Hierdurch sollte der Umgang mit verfahrensverzögernden Beweisanträgen vereinfacht werden (s. die Begründung in BR-Drs. 796/16, S. 34).
[26] S. hierzu bereits Fn. 16.
[27] Der Vorsitzende Dr. Prinzing bezieht sich auf ein Schreiben des RAF-Mitglieds Ingrid Schubert, in welchem sie darlegt haben soll, auf welchem Wege sie eine zuvor beschaffte Kamera und Filme mit Lichtbildaufnahmen aus der Haftanstalt herausgegeben habe: „Die Möglichkeiten, die dazu zur Verfügung stehen, sind der Anstaltsleitung bekannt: Privat- und Anwaltsbesuche“ (s. dazu bereits die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 167. Verhandlungstag, S. 12870 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[a] Maschinell durchgestrichen: richtig ist
[b] Maschinell eingefügt: und
[c] Handschriftlich ersetzt: ausgesprochen durch ausbesprochen
[d] Maschinell eingefügt: in
[e] Handschriftlich ersetzt: diesen durch diesem
[f] Maschinell eingefügt: Das,
[g] Maschinell eingefügt: auch
[h] Maschinell ersetzt: bei durch gelegentlich
[i] Maschinell durchgestrichen: gelegentlich
[j] Maschinell eingefügt: gar
[k] Maschinell eingefügt: also jedenfalls nicht im Dienst ist.
[l] Handschriftlich ersetzt: Gesetzt den durch Gesetzten
[m] Maschinell eingefügt: Wobei natürlich
[n] Maschinell ersetzt: denn durch weil
[o] Maschinell ersetzt: ja durch vielleicht sogar
[p] Maschinell eingefügt: das
[q] Maschinell ersetzt: Im Anschluß an die durch Am Schluß der
[r] Maschinell eingefügt: erst
[s] Maschinell ersetzt: vom durch aus dem
[t] Handschriftlich durchgestrichen: unsere
[u] Maschinell ersetzt: dieses durch in dem
[v] Maschinell eingefügt: es hier
[w] Maschinell ergänzt: diese