184. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 15. März 1977, 10.03 Uhr



[13598] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 15. März 1977, 10.03 Uhr

(184. Verhandlungstag)

Das Gericht erscheint in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.

Als Vertreter der Bundesanwaltschaft ist Oberstaatsanwalt Zeis anwesend.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

JOS Janetzko

J. Ass Clemens

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend, Rechtsanwälte Schily, Dr. Holoch (als Vertr. für RA Schwarz),

Schnabel, Dr. Augst (als Vertr. für RA Eggler), Schlaegel und Grigat.

Als Zeuge ist anwesend:

Krim. Dir. Otto-Werner Müller

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

Die Verteidigung ist gewährleistet.

Herr Rechtsanwalt Eggler wird von Herrn Rechtsanwalt Dr. Augst vertreten; die Vertretung wird genehmigt. Herr Rechtsanwalt Künzel hat mitteilen lassen, er komme etwas später.

Herr Rechtsanwalt Dr. Holoch für Rechtsanwalt Schwarz; auch das wird genehmigt.

Wir haben auf heute den Zeugen Herrn Kriminaldirektor Otto Werner Müller geladen.

OStA Holland erscheint um 10.04 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Müller wird gem. § 57 StPO[2] belehrt.

[13599] Der Zeuge ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

Der Zeuge Müller macht folgende Angaben zur Person:

Otto-Werner Müller, 43 Jahre alt,

Kriminaldirektor, Hamburg 1,

Beim Strohhause 31,

mit den Angeklagten weder verwandt noch verschwägert.

Wegen Eidesdelikten nicht vorbestraft.

Der Vorsitzende gibt den Inhalt der Aussagegenehmigung[4] des Zeugen, Kriminaldirektor Otto-Werner Müller, bekannt.

[a] Diese Aussagegenehmigung wird als Anl. 1 zum Protokoll genommen.

Vors.:

Herr Müller, ich nehme an, Sie kennen diese Aussagegenehmigung; sie war ja an Sie gerichtet.

Kennen Sie auch den Beweisantrag, welcher zu Ihrer Ladung geführt hat?

Zeuge Müller:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie den kennen, dann würde ich Sie bitten, im Zusammenhang über die Punkte, die in dem Beweisantrag genannt sind, Ihre Aussagen zu machen.

Zeuge Mül[ler]:

Gerne, Herr Vorsitzender. Zum ersten Punkt des Beweisantrages muß ich sagen, daß mir die Akte 3 ARP 74/75 I[5] der Bundesanwaltschaft nicht bekannt ist.

Zu Absatz 2 ist zu bemerken ...

Vors.:

Ist Ihnen nicht bekannt, so daß damit Sie auch gleich beantworten wollen - könnte ich mir denken -, daß Sie dann auch nicht wissen, ob sämtliche oder nur ein Teil davon ...

Zeuge Mü[ller]:

Genau so; ich kann also keinen Vergleich mit anderen Akten ziehen.

Vors.:

Können Sie keinen Vergleich ziehen.

Zeuge Mü[ller]:

Das gleiche gilt für die Akten des Bundeskriminalamtes, [13600][6] [13601] Nr. 1 bis 7; auch diese Akten kenne ich nicht. Ich kann also auch in diesen Fällen nicht sagen, daß Niederschriften oder Vermerke nicht enthalten sein sollen.

Vors.:

Sie sagten gerade 1 bis 7; also 1 BJs soll das heißen oder ...?

Zeuge Mü[ller]:

Entschuldigung, das war in meinem Fernschreiben falsch genannt; hier heißt es richtig 1 BJs 7 ...

Vors.:

1 BJs 7/76,[7] das soll also ein Aktenzeichen sein.

Zeuge Mü[ller]:

Das ist richtig, das war ein Fernschreibfehler.

Vors.:

Davon, sagen Sie, ist Ihnen auch nichts bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ich habe diese Akten nie gesehen.

Vors.:

Sie könnten ja, - weil Sie sagen, Sie haben es nie gesehen ...

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

... - Sie könnten ja gehört haben, daß noch Dinge hier verwahrt werden?

Zeuge Mü[ller]:

Auch nicht.

Vors.:

Auch nicht.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Ja, dann weiter bitte.

Zeuge Mü[ller]:

Der dritte Punkt, der einen 50-prozentigen Strafnachlaß, sowie Pressekontakte beinhaltet:[8] Mir ist von Zusagen, ganz pauschal, der Ermittlungsbehörden, aber insbesondere auch der eigenen, in dieser Hinsicht nichts bekannt.

Vors.:

Sind Ihnen überhaupt irgendwelche Zusagen, die man Herrn Müller gemacht hat, bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Nein.

Zeuge Mü[ller]:

Der vierte Punkt ...

Vors.:

Augenblick noch. Zusagen, in dem Punkt 3 ist ja außer Zusage auch noch etwas anderes, nämlich die Andeutung einer lebenslangen Freiheitsstrafe[9] - das würde man nicht unter Zusage wohl ziehen dürfen - ist Ihnen davon etwas bekannt?

Zeuge Mü[ller]:

Auch darüber ist mir nichts bekannt, nein.

Vors.:

Dann bitte, wenn Sie ...

Zeuge Mü[ller]:

Zum vierten Punkt, der den Zeitpunkt beinhaltet, zu dem der Zeuge Müller seine Angaben gemacht hat: Auch hier ist mir nichts bekannt, daß eine derartige Absprache getroffen worden ist.

[13602] Vors.:

Ja, gut, wenn Sie weiter ...

Zeuge Mü[ller]:

Beim fünften Punkt, möglichst viel für die publizistische Verwertung durch den Zeugen Müller herauszuholen: Mir ist weder, sind weder die Motive des Zeugen Müller, noch bekannt, daß er hierbei irgendwelche Unterstützung von den Ermittlungsbehörden bekommen hat.

Vors.:

Ich meine, wissen Sie von publizistischer Verwertung der Aussagen des Herrn Müller ...?

Zeuge Mü[ller]:

Eigentlich nur das, was ich selbst in den Presseorganen gelesen habe, wobei ich heute nicht mehr sagen könnte, ob es der „Spiegel“ oder ob es andere waren; ich kann’s nicht mehr sagen.

Vors.:

Naja, aber wie gesagt, Sie wissen nur das, was Sie gelesen haben.

Zeuge Mü[ller]:

Nur das, was ich als Normalbürger in der Zeitung gelesen habe.

Vors.:

Nun, es hätte ja sein können, daß Sie sagen: Das ist aber was Eigenartiges, daß da ein Häftling derartige Interviews oder dergleichen gibt, und vielleicht nachgeforscht haben, wie kommt denn so was zu Wege.

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Nicht.

Ja, dann bitte Punkt 6.

Zeuge Mü[ller]:

Zu Ziffer 6, „Aussagen vertraulich behandeln“: Dort ist mir keine Absprache bekannt, die eine derartige Zusage beinhalten; und damit kann ich 7 auch nicht beantworten. Und ich darf vielleicht anfügen, daß diese insbesondere Fragen sind, die ich als Dienststellenleiter, der derartige Details aussagen soll, einfach nicht beantworten kann, weil es nicht zu meinen Aufgaben gehört, in diesem Detailbereich Kenntnisse zu haben.

Vors.:

Nun ich meine, ich kenne natürlich Ihre Aufgaben als Dienststellenleiter nicht im einzelnen; aber es könnte ja doch sein, daß der Dienststellenleiter, je nach dem, von manchen Fällen mehr, von manchen weniger erfährt. Und die Aussage des Herrn Müller könnte möglicherweise zu dem gehören, wo der Dienststellenleiter schon in gewisser Weise unterrichtet wurde.

Zeuge Mü[ller]:

Man muß dazu sagen, da sind also noch 3 Stufen in der Hierarchie dazwischen. Und da dieses auch insgesamt [13603] kein Hamburger Fall, kein Fall war im Bereich der Staatsanwaltschaft Hamburg, war also das Interesse, an einem solchen Fall einzusteigen, noch geringer.

Vors.:

Weil das also mehr oder weniger im Interesse einer[b] anderen Behörde bearbeitet wurde[c], wollten Sie sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie insgesamt, zu diesen Punkten, die Sie da gerade, denen Sie sich gewidmet haben, noch etwas zu sagen?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Nicht. Dann habe ich keine Fragen mehr.

Die Bundesanwaltschaft?

OStA Z[eis]:

Danke, nein.

Vors.:

Die Verteidigung?

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Herr Zeuge, haben Sie selbst an Gesprächen oder Vernehmungen mit dem Zeugen Gerhard Müller teilgenommen?

Zeuge Mü[ller]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Haben Sie von solchen Vernehmungen erfahren?

Haben Sie Kenntnis von solchen Vernehmungen oder Gesprächen erhalten?

Zeuge Mü[ller]:

Ich habe davon Kenntnis gehabt, daß die Herren Opitz und Petersen, die ja hier als Zeugen gewesen sind, mit derartigen Vernehmungen zu tun hatten; mehr aber auch nicht.

RA Schi[ly]:

Den Inhalt der Gespräche und Vernehmungen, ist der Ihnen bekannt geworden?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, nicht bekanntgeworden.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen nicht bekanntgeworden.

Wissen Sie, in wessen Auftrag die Herren Opitz und Petersen da tätig geworden sind?

Zeuge Mü[ller]:

Ich kann diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten, ob es das Bundeskriminalamt war oder die Bundesanwaltschaft. Ich bin unsicher.

RA Schi[ly]:

Wenn ich richtig unterrichtet bin, dann waren also die Herren Opitz und Petersen an sich, sagen wir mal[d], in der Hierarchie der Dienststelle Ihre, waren Sie der Vorgesetzte von Herrn Opitz und Herrn Petersen.

Zeuge Mü[ller]:

Vorgesetzter ja, nicht unmittelbarer Vorgesetzter.

RA Schi[ly]:

Also da war noch was dazwischen?

Zeuge Mü[ller]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Oberhalb oder unterhalb sozusagen der Hierarchie ...?

[13604] Zeuge Mü[ller]:

Von mir ausgesehen, unterhalb war also ein Inspektionsleiter dazwischen, zum Teil auch Kommissariatsleiter.

RA Schi[ly]:

Wer war denn der, wer waren denn die unmittelbaren Vorgesetzten?

Zeuge Mü[ller]:

Der Inspektionsleiter; aber ich kann Ihnen jetzt nicht den Namen sagen, weil man dann den Zeitpunkt genau eingrenzen müsste, weil dort ein Personalwechsel stattgefunden hat.

RA Schi[ly]:

Ja, dann gut, im Frühjahr 1975?

Zeuge Mü[ller]:

Ich bin nicht ganz sicher, aber es könnte der Hauptkommissar Stahmer gewesen sein.

RA Schi[ly]:

Hauptkommissar Stahmer?

Zeuge Mü[ller]:

Stahmer.

RA Schi[ly]:

Wie man es spricht?

Zeuge Mü[ller]:

Stahmer.

RA Schi[ly]:

Stahmer.

Zeuge Mü[ller]:

Richtig, ja.

RA Schi[ly]:

Mit „Heinrich“ in der Mitte, ja?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, richtig.

RA Schi[ly]:

Und Sie sagten, noch ein zweiter Herr war da auch beteiligt ...

Zeuge Mü[ller]:

Ja, zu dieser ...

RA Schi[ly]:

... als unmittelbarer Vorgesetzter?

Zeuge Mü[ller]:

Zu diesem ..., der Kommissariatsleiter; das ist zum Teil ja aber auch Herr Opitz gewesen.

RA Schi[ly]:

Ja, wenn da nun ein Ermittlungsauftrag erteilt wird, also auf Vernehmung einer bestimmten Auskunftsperson, kommt das nicht[e] über Ihren Tisch auch; müssen Sie das nicht eigentlich, wenn das also an die Herren Opitz und Petersen geht, auch zur Kenntnis nehmen, Herr Müller?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, nicht in jedem Fall. Bei der Menge der Vorgänge, die in[f] einem Jahr bei uns anfallen, ist also nicht gewährleistet, daß ich wirklich jeden Vorgang sehe, bzw. mich wirklich an jeden Vorgang erinnern kann.

RA Schi[ly]:

Ja, das sind zweierlei Dinge, Herr Müller, ob Sie sich erinnern oder ob Sie also etwas, davon überhaupt Kenntnis erhalten.

Zeuge Mü[ller]:

Richtig.

RA Schi[ly]:

Und nun die Frage: Erinnern Sie sich nicht oder haben Sie davon keinerlei Kenntnis erhalten mangels Zu- [13605] ständigkeit oder ...?

Zeuge Mü[ller]:

Herr Verteidiger, ich kann es nicht voneinander trennen, weil einmal das selektiert wird, was ich vorgelegt bekomme, und selbst von dem Selektierten hat man nicht mehr nach einer solchen Zeit jedes Detail in Erinnerung.

RA Schi[ly]:

Ja nun, der Herr Vorsitzende hat Ihnen schon einen ähnlichen Vorhalt gemacht. Aber man könnte sich vorstellen, daß dieser Vorgang, betreffend den Herrn Gerhard Müller, doch so ein bißchen außerhalb des gewöhnlichen kriminalpolizeilichen Ermittlungsbetriebes herausgefallen ist, meinethalben[g] ein Hinweis auch, daß da Veröffentlichungen dann stattgefunden haben im „Stern“ beispielsweise, so daß vielleicht doch Ihr Interesse auch wachgeworden ist. Sie sagen selber, daß Sie mindestens als normaler Zeitungsleser davon erfahren haben. Haben Sie sich denn dann dienstlich mal um die Sache gekümmert, und mal den Herrn Opitz und den Herrn Petersen angesprochen und gefragt, was findet denn da statt, in wessen Auftrag werdet denn ihr da tätig, und wie ist es[h] denn eigentlich zu diesen Vernehmungen gekommen?

Zeuge Mü[ller]:

Gerade was die Frage angeht, in wessem Auftrag das stattfindet, das hat mir sicher Herr Opitz irgendwann einmal gesagt; ich kann es nur im Augenblick nicht konkret beantworten, weil man es ja aus den Akten herausziehen kann. Zum anderen, wie ich schon zum Herrn Vorsitzenden sagte, da wir hier nicht unmittelbar Auftrag gebende Dienststelle waren, war mein Interesse an dieser Arbeit der Herren Opitz und Petersen naturgemäß geringer. Und ich hab mich mit den Dingen beschäftigt, die primär meine Aufgabe sind. Ich habe also, um es konkret zu sagen, dort nicht im Detail nachgefragt, welche Arbeiten dort gemacht werden; die Information von Herrn Opitz beschränkte sich im wesentlichen darauf, daß er mal mitteile, daß er hier und da eine Dienstreise zu machen hatte; mehr aber auch nicht.

RA Schi[ly]:

Können Sie etwas darüber sagen, Herr Müller, wann die Gespräche bzw. Vernehmungen, die die Herren Opitz und Petersen durchgeführt haben mit dem Zeugen Gerhard Müller, wann die begonnen haben?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, nein, kann ich nicht.

[13606] RA Schi[ly]:

Darüber haben Sie keine Kenntnis.

Herr Müller, Sie sollen einmal als Zeuge benannt worden sein oder, ja als Zeugen auch geladen worden sein in dem Strafverfahren gegen den Zeugen Gerhard Müller[10] ...?

Zeuge Mü[ller]:

Ja, das ist richtig.

RA Schi[ly]:

Seinerzeit sollen Sie eine Aussagegenehmigung nicht erhalten haben.

Zeuge Mü[ller]:

Richtig.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen bekannt, daß der Zeuge Gerhard Müller dann sich an das Gericht gewandt hat mit der Erklärung, durch die Verweigerung der Aussagegenehmigung seien bestimmte Konsequenzen vermieden worden für das Verfahren?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ist mir nicht ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande jetzt die Frage. Zum wiederholten Male unterstellt Herr Rechtsanwalt Schily einfach durch die Formulierung „daß“, während den Anfängen, es müsste richtigerweise[i] heißen: „ob“ und nicht „daß“.

RA Schi[ly]:

„Ob“, einverstanden, Herr Zeis, einverstanden „ob“. Ist Ihnen bekannt, ob der Herr Müller sich an das Gericht in Hamburg gewandt hat mit der Erklärung, es würden sich aus der Erteilung der Aussagegenehmigung bestimmte Konsequenzen ergeben können?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, das ist mir nicht bekanntgeworden.

RA Schi[ly]:

Ist Ihnen bekannt geworden - jetzt[j] etwas konkretisierter -, daß der Zeuge oder damalige Angeklagte Gerhard Müller in einer Äußerung gegenüber dem Hamburger Gericht erklärt haben soll, daß im Falle der Erteilung einer Aussagegenehmigung für Sie, also Sie dem Zeugen Kriminalbeamten Otto Werner Müller, seine Verteidigerin, seine[k] damalige Frau Kollegin Gottschalk-Solger, möglicherweise das Mandat wegen[l] einer Interessenkollision niederlegen müsse?

Zeuge Mü[ller]:

Nein, ist mir nie bekanntgeworden.

RA Schi[ly]:

Aber mal unterstellt, eine solche Erklärung sei von dem Herrn Gerhard Müller abgegeben worden, hätten Sie eine Erklärung dafür[m], wie der Herr Gerhard Müller zu einer solchen Äußerung gelangt?

Vors.:

Ja, das verstehe ich jetzt nicht so ganz. Wie soll die Frage lauten?

[13607] RA Schi[ly]:

Ja, unterstellt, daß der Herr Gerhard Müller eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Hamburger Gericht abgegeben haben sollte, haben Sie eine Erklärung dafür?

Vors.:

Ja, das ist also keine zulässige Frage, Herr Rechtsanwalt Schily, das sind keine ...

RA Schi[ly]:

Inwiefern ist es keine zulässige ...?

Vors.:

... das sind keine Fakten, die erfragt werden sollen, sondern das sind Überlegungen, Spekulationen, die der Zeuge anstellen soll. Das ist keine Zeugenfrage.

RA Schi[ly]:

Nein. Kennen Sie ...

Vors.:

Sie werden sicher selber zu der Überzeugung kommen, wenn Sie ... überlegen.

RA Schi[ly]:

Kennen Sie, können Sie etwas über Tatsachen aussagen, die den Herrn Müller veranlaßt haben könnten, eine solche Erklärung gegenüber dem Hamburger Gericht abzugeben?

Vors.:

Das ist auch keine zulässige Frage. Der Zeuge sagt, er weiß nicht, daß eine solche Erklärung abgegeben worden ist. Und alles Weitere sind Spekulationen, über die wir uns natürlich Gedanken machen können, aber der Zeuge; das ist keine Zeugenfrage.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, das ist nicht richtig. Ich frage den Zeugen ja gar nicht nach Spekulationen, sondern nach Tatsachen, ob ihm Tatsachen bekannt sind, die eine solche Erklärung, auf die sich eine solche Erklärung des Herrn Müller stützen konnte. Ich bin gern bereit, aber die Vernehmung von Herrn Kriminalbeamten Müller zu unterbrechen, und zunächst mal einen Beweisantrag zu stellen, in der Form, daß eine entsprechende Äußerung, eine entsprechende Erklärung von Herrn Gerhard Müller zum Beweise dafür, daß der Herr Gerhard Müller gegenüber dem Hamburger Gericht eine entsprechende Erklärung abgegeben hat. Falls Sie das also für die bessere Verfahrensweise halten, dann stelle ich das anheim.

Vors.:

Ja, nun, also ich meine, wenn der Beweis sogleich während der Vernehmung erhoben werden könnte, wäre es möglicherweise sachdienlich, aber wenn nicht, dann hülfe uns der bloße Beweisantrag ja nicht viel[n] weiter.

RA Schi[ly]:

Ich weiß nicht, inwieweit die Sachdienlichkeit eines Beweisantrages von der sofortigen Durchführung, einer [13608] Durchführung abhängt

Vors.:

Aber sicher, Herr Rechtsanwalt, das ist doch klar. Ich meine, wenn sofort Beweis erhoben werden könnte, dann könnten wir sagen, gut, es ist sachdienlich, dann klärt sich vielleicht, ob eine solche Äußerung gefallen ist oder nicht. Wir könnten dann bei der weiteren Vernehmung des Herrn Zeugen O.W. Müller das mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad vielleicht zugrunde legen. Wenn aber der Beweisantrag bloß als Antrag stehen bleibt, dann bringt er für die pure Vernehmung des Herrn Müller vermutlich nichts.

RA Schi[ly]:

Ja doch, dann müßte notfalls eben unterbrochen werden.

Aber ich stelle zunächst mal die Frage - Sie können ja dann über die Zulassung entscheiden, Herr Vorsitzender - ich stelle die Frage, ob dem Zeugen Tatsachen bekannt sind, auf die der Zeuge Gerhard Müller eine in seinem, in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren abgegebene Erklärung stützen konnte, daß die Nichterteilung der Aussagegenehmigung für das damalige Verfahren für Herrn Otto-Werner Müller verhindert habe, daß seine Verteidigerin, Frau Gottschalk-Solger, möglicherweise das Mandat wegen Interessenkollision für Herrn Müller niederlegen mußte?

Vors.:

Ja, also ich lasse die Frage nicht zu; das ist keine zulässige Zeugenfrage. Das ist eine[o] ungeeignete Frage.

RA Schi[ly]:

Dann bitte ich um einen Senatsbeschluß,[11] Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte sehr. Will sonst noch irgendwie Stellung genommen werden dazu? Ich sehe nicht.

Wir werden über die Frage beraten.

Beratungspause von 10.25 Uhr bis 10.31 Uhr.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen,

die Frage nicht zuzulassen.

In dieser allgemeinen Form ist die Frage ungeeignet, weil sie vom Zeugen auf dieser hypothetischen Grundlage nicht sachgemäß beantwortet werden kann. Es ist dem Fragesteller [13609] unbenommen, den Zeugen nach solchen Tatsachen konkret zu fragen.

- - -[p]

RA Schi[ly]:

Herr Zeuge, wissen Sie etwas darüber, wer außer den Beamten Opitz und Petersen an den Gesprächen bzw. Vernehmungen, die im Jahre 1975 mit dem Zeugen Gerhard Müller stattgefunden haben, beteiligt war?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande die Frage.

Zunächst müsste mal geklärt werden, ob außer den beiden genannten Zeugen überhaupt noch jemand daran beteiligt war, und[q] ob der Zeuge darüber Wissen hat.

Vors.:

Ja, das ist in der Tat die Voraussetzung, daß man den Zeugen erst danach fragt, ob er weiß, daß außer Opitz, Petersen; wenn Sie ...

RA Schi[ly]:

Ja, ich stelle anheim, die Frage zunächst so zu fragen.

Zeuge Mü[ller]

Mein Wissen geht lediglich dahin, daß die Herren Opitz und Petersen an diesen Gesprächen, Vernehmungen des Zeugen Gerhard Müller teilgenommen haben; andere sind mir nicht bekannt.

RA Schi[ly]:

Ja, dann, nach dem Sie die Frage nicht zugelassen haben, Herr Vorsitzender, dann stelle ich den Antrag,

die Vernehmung des Zeugen Otto-Werner Müller zu unterbrechen.

Ferner stelle ich den Beweisantrag,

den Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg, Hadenfeldt als Zeugen zu vernehmen.

Der Zeuge wird bekunden, daß der Zeuge Gerhard Müller im Zusammenhang mit der seinerzeit in dem Strafverfahren gegen Gerhard Müller vorgesehenen Vernehmung des Zeugen Otto-Werner Müller um eine Unterredung mit dem Zeugen Hadenfeldt nachgesucht hat.

Ferner wird der Zeuge Hadenfeldt bekunden, daß der Zeuge Gerhard Müller ihm gegenüber die Erklärung abgegeben hat, daß sich bei Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Zeugen Otto-Werner Müller die Gefahr einer Interessenkollision auf Seiten seiner Verteidigerin, Frau Rechtsanwältin Gottschalk-Solger, ergeben hätte und daß diese Erklärung des Zeugen Gerhard Müller abgegeben worden ist, [13610] zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, daß eine Vernehmung des Zeugen Otto Werner Müller nicht durchgeführt werden kann, weil die entsprechende Aussagegenehmigung nicht erteilt wird.

Ferner beantrage ich

zu der Vernehmung des Zeugen Hadenfeldt erneut den Zeugen Otto-Werner Müller vorzuladen und zu diesem Zeitpunkt seine Vernehmung fortzusetzen.

Vors.:

Jetzt darf ich Sie noch fragen, warum Sie diesen Antrag erst heute stellen? Wenn ich Sie fragen darf, bitte, es ist Ihre Sache.

RA Schi[ly]:

Ich habe dazu[r] an sich keine Erklärung abzugeben; aber es dürfte doch eigentlich aus dem Zusammenhang erklärbar sein.

Vors.:

Ja eben, dann müßten Sie ja den Zusammenhang vielleicht früher auch schon erkannt haben, nicht ...

RA Schi[ly]:

Das ist die Frage ...

Vors.:

... [s] und dann wäre es sinnvoll gewesen, wenn Sie ...

RA Schi[ly]:

... wann die Kenntnis ...

Vors.:

... mit Herrn Müller ...

RA Schi[ly]:

... darüber[t] kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben, wann ich meine Informationen bekomme, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ja bitte sehr; nun, ich wollte Ihnen nur Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern.

Sonstige Stellungnahmen zu diesem Beweisantrag und zu dem Antrag, die Vernehmung zu diesem Zwecke zu unterbrechen?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft hält die Beweisfragen für dieses Verfahren für bedeutungslos, und bittet deshalb den Antrag, Herrn Vorsitzenden Richter Hadenfeldt hier als Zeuge über diese Beweisthemen zu vernehmen, als[u] ohne Bedeutung für die Entscheidung gemäß § 244 Abs. 3 StPO[12] zurückzuweisen.

Im Hinblick darauf besteht auch keinerlei Veranlassung, die Vernehmung des hier anwesenden Zeugen zu unterbrechen. Wir beantragten vielmehr, die Vernehmung fortzusetzen und sie abzuschließen.

RA Künzel erscheint um 10.35 Uhr in Sitzungssaal.

[13611] Vors.:

Danke sehr.

Fortsetzung 10.50 Uhr.

Pause von 10.36 Uhr bis 10.51 Uhr

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Die Vernehmung des Zeugen Otto-Werner Müller wird fortgesetzt.

Über die Anträge, Herrn Hadenfeldt und zugleich Herrn Otto-Werner Müller nochmals zu laden, wird später entschieden.

Der Antrag auf Vernehmung von Herrn Hadenfeldt läßt nicht erkennen, inwiefern es geboten wäre, von der weiteren Vernehmung des Zeugen Otto-Werner Müller schlechthin Abstand zu nehmen.

- - -[v]

Bitte, haben Sie weitere Fragen, Herr Rechtsanwalt?

RA Schi[ly]:

Danke, nein.

Vors.:

Sonstige Frage sehe ich nicht.

Der Zeuge Otto-Werner Müller wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 10.52 Uhr entlassen.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich möchte gerne eine Erklärung nach [§ ]257 StPO[13] abgeben.

Vors.:

Bitte.

OStA Z[eis]:

Wieder einmal hat die Verteidigung mit der Benennung eines Zeugen und der Behauptung, er könne das[w] in sein Wissen gestellte bekunden und bestätigen, Schiffbruch erlitten. Es zeigt wieder einmal mehr, mit welch unglaublicher Leichtfertigkeit hier Beweisanträge gestellt werden, um damit das Ende der Hauptverhandlung hinauszögern.

Ich habe noch die Worte von Herrn Rechtsanwalt Schily im Ohr, er wolle keine Beweisanträge ins Blaue hinein stellen. Ich kann nur sagen si tacuisses, denn die Benennung dieses Zeugen stellt ein Paradebeispiel dafür dar, wie geradezu unverantwortlich mit dem Recht, Beweisanträge zu stellen, von Ihnen, Herr Rechtsanwalt Schily, umgegangen wird, danke.

[13612] Vors.:

Da die Gerichtssprache deutsch ist, gestatte ich mir die Übersetzung: „Wenn Du geschwiegen hättest“.

RA Schi[ly]:

Ich möchte auch eine Erklärung abgeben.

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

Zunächst einmal finde ich es interessant, daß der Herr Vorsitzende seine humanistische Bildung zur[x] Übersetzung von Erklärungen der Bundesanwaltschaft[y] zur Verfügung stellt. Den Zitatenschatz von Herrn Bundesanwalt Zeis haben wir ja hier schon mehrfach kennenlernen dürfen. Ich räume ohne weiteres ein, daß die heutige Vernehmung von dem Zeugen Otto-Werner Müller nicht die Bekundungen erbracht hat, die die Verteidigung erwartet hat. Daß solche Vernehmungen mitunter nicht zu den Ergebnissen führen, die zu erwarten seitens der Verteidigung Anlass besteht, das wird an anderer Stelle zu diskutieren sein; das ist auch eine Frage der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines solchen Zeugen, der immerhin hier mit der bemerkenswerten Äußerung aufgetreten ist, daß ihn ein Vorgang, wie die Erklärung von Herrn Gerhard Müller, dienstlich in keiner Weise interessiert hätten. Was von einer solchen Äußerung zu halten ist, das überlasse ich zunächst einmal der Beurteilung der noch zu einer objektiven Einschätzung der Beweisaufnahme fähigen Personen.

Im übrigen scheint es mir notwendig, in diesem Zusammenhang einfach auch einmal darauf hinzuweisen - zum wiederholten Male darauf hinzuweisen, welchen Schwierigkeiten die Verteidigung bei der Aufklärung des Sachverhalts gegenübersteht. Wir haben beispielsweise keine Möglichkeit als Verteidiger, etwa in eine[z] Befragung, eine unmittelbare Befragung solcher Zeugen, wie den Kriminalbeamten Otto-Werner Müller, einzutreten, sondern wir sind auf indirekte Informationen angewiesen. Insofern mögen sich da mitunter auch Informationsfehler einstellen. Im übrigen hat es aber die Bundesanwaltschaft ja verstanden, einen Schleier des Geheimnisses über die gesamten Erklärungen des Herrn Gerhard Müller, die vor Prozeßbeginn, vor Beginn dieser Hauptverhandlung abgeben worden sind, zu legen. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß es der Verteidigung verwehrt worden ist, zu erfragen, [13613] wie eigentlich diese Vernehmungen[aa] zustande gekommen sind, welchen Umfang sie hatten, wer den Auftrag erteilt hat. Und wir haben bis heute nicht einmal die vollständige Akte 3 ARP 74/75, die den bemerkenswerten Namen von einem der hier vernommenen Zeugen zugeteilt bekommen hat, einer Beobachtungs- und Überwachungsakte. Alle diese Dinge fügen sich zusammen zu einem Bild der Gestalt, daß offenbar die Strafverfolgungsbehörden ein Interesse haben, die Aufklärung dieses Vorganges zu verhindern, mindestens zu erschweren. Und es ist nicht die Frage der Verantwortlichkeit oder Unverantwortlichkeit seitens der Verteidigung zu diskutieren, sondern die Frage ist zu stellen, wie das die Bundesanwaltschaft mit ihrer Verantwortung[bb] in Einklang, ins Reine bringen will, daß diese Aufklärung von ihr verhindert wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie hatten für heute einen Zeugen angekündigt, bitte.

Rechtsanwalt Schily übergibt dem Gericht die Ladung des Zeugen Dr. Herold mit Zustellungsnachweis.

Der Vorsitzende stellt daraufhin die ordnungsgemäße Ladung des Zeugen Dr. Herold fest.

Die Ladung mit Zustellungsnachweis wird als Anlage 2 dem Protokoll beigefügt.

Ende Band 804

[13614-13616][14] [13617] Der unmittelbar von Rechtsanwalt Schily geladene[15] Zeuge, Präsident des BKA Dr. Herold, erscheint um 11.00 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Dr. Herold wird gem. § 57 StPO belehrt.

Der Zeuge ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Vors.:

Herr Dr. Herold, bitte Ihre Personalien.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:

Zeuge Dr. Herold

Dr. Herold, Horst, 53 Jahre alt,

Präsident des BKA, ladungsfähige Anschrift: Wiesbaden, Thaerstr. 11,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Dann, Herr Dr. Herold, Sie kennen, nehme ich an, die Aussagegenehmigung, die Ihnen erteilt ist?

Zeuge Dr. Her[old]:

Ja.

Vors.:

Sie entspricht wohl, das entnehme ich dem Schreiben des Bundesinnenministeriums, in den Punkten 1-8 der Bitte um Aussagegenehmigung, dem Antrag um Aussagegenehmigung von Herrn Rechtsanwalt Schily an den Herrn Bundesminister des Innern. Da Sie also dergestalt das Thema Ihrer Aussage kennen, bitte ich Sie, sich zunächst im Zusammenhang, am besten sich haltend an die Reihenfolge der Fragen, insofern Ihre Aussagen zu machen.

Eine Fotokopie der Aussagegenehmigung wird als Anlage 3 dem Protokoll beigefügt.

Zeuge Dr. Her[old]:

Die einzelnen Punkte betreffen Beweisgegenstände, die nicht zu meinem unmittelbaren Aufgabenbereich gehören. Wenn und soweit Ermittlungsverfahren eingeleitet sind, ist Sache der Ermittlungsführung und der Aktenführung ausschließlich der Staatsanwaltschaft. Das gilt auch für den vorliegenden Fall. So kann ich über die sehr unbestimmten Ziffern 1-7 im Detail keine Auskunft geben. Eine Ausnahme davon macht die Ziffer 4, wo der Tod von Ingeborg Barz[16] angesprochen ist. Hier habe ich, ohne daß ich jetzt im Augen- [13618] blick die Quelle noch angeben kann, aber ich nehme an, aufgrund von dienstlichen Berichten, entweder mündlicher oder schriftlicher Art, davon erfahren, daß nach Angaben Müllers Ingeborg Barz erschossen worden sein soll im Zusammenwirken der Angeklagten Baader und Meins[17]. Ich habe die zur Sachaufklärung erforderlichen Schritte dafür eingeleitet. Die bisher durchgeführten Ermittlungen haben Beweise in der Richtung dieser Aussagen noch nicht erbracht.

Zu den übrigen Punkten kann ich nur wiederholen, was ich eingangs sagte. Ich verfüge nicht über eigenes Sachwissen. Auch nicht über eine so umfassende Aktenkenntnis, wie es der Beweisantrag voraussetzt. Das ist nicht mein Aufgabenbereich. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie mir konkretere Fragen stellen würden.

Vors.:

Zunächst noch eines: Sie erwähnten vorhin Ziffer 1-7, wenn ich Sie richtig verstanden habe.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich meine den gesamten Beweisantrag, also 8.

Vors.:

Das war nur ein Irrtum in der Nummerierung?

Zeuge Dr. Her[old]:

Es war ein Irrtum in der Zahl.

Vors.:

Nun, Sie sagten, Sie haben kein eigenes Sachwissen. Eigenes Sachwissen, das diesen Namen noch verdient, kann sich ja auch auf verschiedene Art ergeben. Man kann selber Beobachtungen treffen. Man kann aber doch auch so zuverlässige Dinge von anderen hören, oder ich will so sagen, man kann Dinge von anderen so zuverlässig hören,[18] daß man es auch noch in den Bereich des eigenen Sachwissens rechnen könnte, so daß auch, wenn Sie von Beamten, sei es von Beamten, die hier tätig wurden, oder auf andere Weise Kenntnisse über die Punkte erlangt hätten, die in diesem Beweisantrag drin stehen, Sie auch in diesem Falle sich dazu äußern möchten.

Zeuge Dr. Her[old]:

Herr Vorsitzender, es ist mir größtenteils unmöglich, mich präzise äußern zu können, wenn Sie nur die Ziffer 1 des Beweisantrags nehmen. Ich soll hier aussagen über Umfang und Inhalt der Akten über die Vernehmungen und Gespräche mit dem Zeugen Müller, die die Ermittlungsbeamten in den Jahren 74/75 und 76 durchgeführt haben. Das ist ein so weitausuferndes Thema, daß ich mich dazu im einzelnen nicht erklären kann. Ich müßte Sie um konkretere, detailliertere Fragen bitten. Ich kann nur sagen, ganz allgemein, ich habe die Akten Müller [13619-13620][19] [13621] möglicherweise einmal sporadisch gesehen, um über eine Einzelheit, die mich interessierte, möglicherweise mich noch näher zu informieren. Aber in der ganzen Breite besitze ich keine Aktenkenntnis. Das ist völlig ausgeschlossen. Ich muß desgleichen zu Ziffer 2 sagen, daß hier es mir völlig unmöglich ist, in einer einleitenden Bemerkung zu diesem ausufernden Beweisthema Stellung zu nehmen.

Vors.:

Ich mein, wissen Sie irgendwas, daß da noch Niederschriften ...

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich habe zu Ziffer 3 ...

Vors.:

Nein, ich meine gerade in Ziffer 2, ob da also noch irgendwelche Niederschriften beim Bundeskriminalamt vorhanden wären, die von den protokollierten Aussagen, wie sie hier genannt sind, erheblich abweichen?

Zeuge Dr. Her[old]:

Nein. Es ist vor längerer Zeit einmal die Behauptung aufgestellt worden, ganz allgemeiner Art, jedenfalls war sie in der Presse verzeichnet, wohl als Wiederspiegelung der Prozeßberichterstattung, daß das Bundeskriminalamt eine Reihe von Akten zurückhalte. Das hat dazu geführt, daß ich mich informierte, ob das der Fall ist. Das wurde mir verneint. Davon sind natürlich selbstverständlich Aktenbestandteile auszunehmen, die ohne jeden Bezug zum Verfahren stehen. Etwa, es fällt eine Spurnummer 10200 an,[cc] Baader sei da und dort gesehen worden. Die Recherche ergibt, daß die Spur leerläuft, daß es sich um ein Phantom gehandelt hat oder um eine Falschaussage. Dann wird diese Spur unter der Nummer, mit der sie eingetragen ist, abgelegt. Derartige Aktenbestandteile können durchaus im Bundeskriminalamt noch vorhanden sein. Sie haben aber keinerlei Bezug zur Sache. Im übrigen sind die Beamten nicht nur Kraft Dienstanweisung und Ausbildung, sondern auch durch Einzelweisung angehalten, den gesamten Aktenbestand auch der Staatsanwaltschaft oder der Bundesanwaltschaft in diesem Fall zu präsentieren. Ich gehe davon aus, daß die Bundesanwaltschaft auch alle Akten kennt. Nichts wird zurückgehalten.

Vors.:

Nun könnte ja, gerade diese Ziffer des Antrags ist schon öfters hier in diesem Verfahren angesprochen worden, nun[dd] könnte natürlich über die Frage, ob eine Spur leerläuft, möglicherweise eine Meinungsverschiedenheit oder eine ver- [13622] schiedene Beurteilung platzgreifen. Der eine sagt vielleicht, diese Spur ist eine völlig ins Leere laufende, der andere sagt, na so ein bißchen könnte dran sein. Haben Sie da irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß bei der Beurteilung auch Spuren, die möglicherweise nicht so ganz ins Leere laufen, in die Akten kamen, die dann ...

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich habe das eben als Beispielsfall gesagt, weil ich mit der Ziffer 2 nichts anfangen kann. Ich vermag nicht zu erkennen, was sich dahinter konkret verbirgt. Ich habe diesen Spurenfall als Beispielsfall genommen, aber die Disposition darüber, ob der verfahrenserheblich ist, ob die Spur leerläuft oder nicht, liegt bei der Staatsanwaltschaft. Ihr sind die Akten präsentiert und ich gehe davon aus, daß sie von dem Auswahlrecht in Zweifelsfällen, ob solche vorliegen, weiß ich gar nicht, in Zweifelsfällen auch Gebrauch gemacht wird.

Vors.:

Danke sehr. Dann, Sie hatten schon den Punkt 3 angeschnitten ...

Zeuge Dr. Her[old]:

Ja, ich wollte dazu sagen, weil Sie die Frage präzisierten. Ich wollte sagen, daß dieser Widerspruch, der in verschiedenen Aktenbestandteilen aufscheinen soll, widersprüchliche Aussage des Zeugen Müller mir bekannt geworden ist aus der Presseberichterstattung und in präziserer schärferer Form aus diesem Beweisantrag. Aus eigener Wahrnehmung kenne ich diesen Widerspruch nicht. Ich nehme an, wenn er aufgetreten sein sollte, daß der Beamte diesen Widerspruch dann auch in den Akten ersichtlich gemacht hat. Aber das ist eine Annahme, ich kann zu diesem Punkt nichts sagen.

Vors.:

Sie haben auch hier kein konkretes Wissen.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich habe kein konkretes Wissen.

Vors.:

Zum Fall 4 haben Sie sich schon geäußert. Sie sagten, Sie hätten erfahren, daß Frau Barz erschossen worden sein solle. Sie nannten die Namen Baader und Meins und daß bisher keine Beweise erbracht worden seien hierfür.

Zeuge Dr. Her[old]:

Die Ermittlungen in dieser Frage sind ja noch nicht abgeschlossen. Es bestehen nach meiner Auffassung, aber das ist eine subjektive Auffassung, durchaus noch einige Chancen [13623] und Fakten, diesen Vorgang, der nach meiner sehr persönlichen Einschätzung einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad hat, aufzuklären.

Vors.:

Ja aber, bis jetzt also wohl weder im positiven als auch im negativen, wenn ich Sie recht verstehe?

Zeuge Dr. Her[old]:

Bis jetzt ist kein Beweis erbracht.

Vors.:

Also weder daß Frau Barz auf diese Weise zu Tode gekommen ist, noch daß sie es nicht ist.

Zeuge Dr. Her[old]:

So ist es.

Vors.:

So rum, es sind also beide Richtungen noch offen.

Dann der Punkt 5: Zusagen der Ermittlungsbehörden an den Zeugen Müller als Gegenleistung für eine Aussage. Können Sie hierzu etwas sagen?

Zeuge Dr. Her[old]:

Der Kriminalbeamte weiß kraft Ausbildung, daß derartige Zusagen nicht zulässig sind. Und in Sonderheit weiß es auch der Beamte des Bundeskriminalamtes, der ja eine Ausbildung im Amt selbst erfährt. Ich gehe auch hier davon aus, daß solche Zusagen von den Beamten des Bundeskriminalamtes nicht gemacht wurden. Die Formulierung lautet ja ganz allgemein „der Ermittlungsbehörden“. Mein Wissen reicht natürlich nicht über den Rahmen des Bundeskriminalamtes hinaus. Für das Bundeskriminalamt möchte ich das ausschließen. Ich habe auch keine Fakten erfahren, die darauf hindeuten auf eine solche Pflichtwidrigkeit.

Vors.:

Ja, danke sehr. Dann Punkt 6. Das wäre nun eine spezielle Absprache hinsichtlich des Ablaufs der Revisionsfrist[20] in dem Strafverfahren, das sich gegen Herrn Müller selbst gerichtet hatte. Ist Ihnen da etwas davon bekannt?

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich entnehme die Behauptung dem Beweisantrag. Ich habe davon keine Kenntnis und halte es auch für unwahrscheinlich.

Vors.:

Ja, dann Punkt 7. Können Sie hierzu etwas sagen. Unterstützung der ...

Zeuge Dr. Her[old]:

Wenn mir der Sinn klar wäre, aber ich vermag den nicht zu erkennen. Es heißt hier: „Unterstützung der Ermittlungsbehörden“, durch wen, fragt man sich, „bei der publizistischen Verwertung der Aussage des Zeugen Müller“. Ich weiß nicht, was darunter verstanden wird.

Vors.:

Also wenn ich den bisherigen Vortrag der Verteidigung richtig [13624] verstanden habe, dann ist das möglicherweise so gemeint, da man den Herrn Müller nicht direkt unterstützen wollte, konnte oder sollte, sei man den Umweg gegangen über Presseorgane und habe dem Herrn Müller eben dadurch einen Vorteil verschaffen wollen, daß er durch den Verkauf, will ich mal sagen, durch die Preisgabe seines Wissens an Presseorgane in Form von Honoraren dann doch einen baren Vorteil erhielt. Es wurde hier im Saale schon der Ausdruck „Vermarktung seines Wissens“ geprägt. Ist Ihnen jetzt klargeworden, in welchem Sinne ...

Zeuge Dr. Her[old]:

Ja, ich verstehe jetzt.

Vors.:

... Also sozusagen diese Frage einer Umgehung der direkten Vorteilshingabe durch einen Umweg über die Presse?

Zeuge Dr. Her[old]:

Nein. Eine solche Anordnung ist weder erteilt worden, noch weiß ich von ihr, noch weiß ich von dem Vorgang selbst. Ich muß auch hier sagen, ich halte es für unwahrscheinlich.

Vors.:

Ja und schließlich noch der Punkt 8 hier: Zusage der Vertraulichkeit gegenüber Herrn Müller hinsichtlich seiner Aussagen bis zum Abschluß des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens. Das wäre nun eine spezielle Zusage.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ja, hierauf bezieht sich bereits meine allgemeine Äußerung[ee].

Vors.:

Das heißt, Sie wissen nichts davon?

Zeuge Dr. Her[old]:

Nein.

Vors.:

Dann habe ich im Augenblick keine Fragen. Sind von Gerichtsseite? Die Bundesanwaltschaft? Die Verteidigung? Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, Sie haben, wenn ich das richtig akustisch mitbekommen habe, geäußert, daß die Aktenführung zum Aufgabenbereich der Staatsanwaltschaft, bzw. der Bundesanwaltschaft gehört. Möchte ich Ihnen vorhalten, daß man aus bestimmten Aktenvermerken, auch hier in den teilweise hier vorhandenen Spurenakten einen anderen Eindruck gewinnen kann, nämlich daß die Originalakten jedenfalls bis zum[ff] Beginn der hiesigen Hauptverhandlung, vielleicht aber auch darüber hinaus, beim Bundeskriminalamt verwahrt wurden und zwar wohl bei der Abteilung, wie heißt es jetzt, „Terrorismus“ früher war es wohl - ich weiß nicht, wie die Abteilung früher [13625] hieß -. Also die Frage, die sich an diesen Vorhalt anknüpft, war es nicht so, oder war es so, daß die Originalakten zunächst einmal beim Bundeskriminalamt verwahrt wurden und daß dann nur jeweils bestimmte Ablichtungen von Sonderordnern an die jeweiligen Staatsanwaltschaften oder Gerichte für die jeweiligen Verfahren abgegeben wurden oder zum Teil auch, also dann aber nur teilweise, Originale der Sonderordner, während die eigentlichen Hauptakten beim Bundeskriminalamt verblieben?

Zeuge Dr. Her[old]:

Es ist ja selbstverständlich, daß die Akten zunächst bei der ermittelnden Dienststelle entstehen, die die Ermittlungen führt. Das war das Bundeskriminalamt. Zu diesem Zeitpunkt existierte die Abteilung „Terrorismus“ noch nicht. Sondern es waren verschiedene Sonderkommissionen oder zusammengestellte Ermittlungsgruppen, auch Spezialistengruppen an dem Vorgang tätig. Soweit ich weiß, soweit ich durch Gespräche mit der Bundesanwaltschaft aus der damaligen Zeit mich erinnere und mit den sachbefaßten[gg] Beamten, sind die Akten unter der Leitung und Direktive auch unter der Wahl der Terminologie von der Bundesanwaltschaft zusammengestellt worden. Wobei die manuellen Tätigkeiten natürlich das Bundeskriminalamt übernahm. Aber z.B. das Wort „Sonderakten“ stammt, soweit ich mich erinnere, aus einem Vorschlag der Bundesanwaltschaft. Weil ich mich damals noch erkundigte, warum man diese nicht ganz einsichtige Bezeichnung gewählt hat, die von der polizeilichen Terminologie ein wenig abweicht.

RA Schi[ly]:

Meinen Sie den Ausdruck „Sonderordner“ vielleicht?

Zeuge Dr. Her[old]:

Oder Sonderordner, entschuldigen Sie, Sonderordner. Also die komplexmäßige Aufbereitung des Gesamtsachverhalts. Die Zerlegung dieses Kolossalgemäldes in einzelne Partikel. Dabei hat sich doch natürlicherweise der Gesamtaktenbestand zunächst im Bundeskriminalamt gesammelt, bevor er abgegeben werden konnte. Ich halte das also für einen völlig logischen Vorgang, einen notwendigen.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, wenn wir uns vielleicht mal darüber verständigen wollen, ob notwendig oder nicht notwendig, mir geht es nun mal um die Fakten, wie es sich vollzogen hat. Also jedenfalls ist auch nach Ihrer Kenntnis es so gewesen, daß die eigentlichen Originalunterlagen sich beim Bundes- [13626] kriminalamt befanden?

Zeuge Dr. Her[old]:

Ja, wo sollten sie sich denn sonst befinden?

RA Schi[ly]:

Ja, ich frage ja nur.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich hab ja der Aktenzusammenstellung weder beigewohnt, noch habe ich eine unmittelbare Wahrnehmung zu den Akten. Ich kenne sie aus sehr engen Sektoren meines Interesses, aber nicht im Gesamtzusammenhang. Ich kann also nur allgemein antworten.

RA Schi[ly]:

Naja, der große Zusammenhang ist ja jetzt zunächst auch mal interessant. Und Sie sagen, wo sollen sie sonst gewesen sein. Sind denn nun die Originalunterlagen, Originalakten vollständig, wobei ich also die Hauptakte meine, einschließlich der Sonderordner, sind denn die dann beispielsweise dem hiesigen Gericht zur Verfügung gestellt worden oder sind nur bestimmte Sonderordner hier dem Gericht zur Verfügung gestellt worden?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande die Frage. Es dürfte Herrn Rechtsanwalt Schily auch bekannt sein, daß das Bundeskriminalamt in keinerlei Kontakt mit dem Gericht tritt. Infolgedessen kann das Bundeskriminalamt dem Gericht auch niemals Akten zur Verfügung stellen.

Vors.:

Ja, ach vielleicht weiß der Zeuge was davon und kann es beantworten.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich hab akustisch nicht alles mitbekommen. Jedenfalls die Feinheit, soweit sie sich auf das Verhältnis BKA - Gericht bezieht, das ist mir erst aus der Erklärung des Herrn Staatsanwalts ...

RA Schi[ly]:

Wir können die Frage gerne auf Wunsch von Herrn Zeis etwas abwandeln. Ist es richtig, daß dem Gericht über die Bundesanwaltschaft nicht sämtliche Akten zur Verfügung gestellt worden sind, sondern nur ein Teil in Form einer bestimmten Anzahl von Sonderordnern?

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich muß, wenn es auch ermüdend ist, meinen Eingangssatz nochmals wiederholen ...

OStA Z[eis]:

Ich beanstande die Frage erneut. Ich muß sagen, es verwundert mich eigentlich, ich will das nicht näher bezeichnen. Herr Rechtsanwalt Schily weiß ganz genau, daß dem Gericht auch Personensachakten vorgelegt worden sind. Wie [13627] kann er dann dem Zeugen eine solche Frage stellen, obwohl er Kenntnis vom Gegenteil hat?

RA Schi[ly]:

Beziehen wir die Personensachakten, die ja an sich auch nur bestimmte Sonderordner sind, personenbezogener Ermittlungen, ich beziehe die eigentlich in die Sonderordner ein, aber ich stelle anheim ...

Vors.:

Ich habe die Frage so aufgefaßt und das entspricht an sich ja den Behauptungen der Verteidigung bisher schon, eines Teils der Verteidigung, daß das Gericht nicht sämtliche Akten bekommen habe. Es schweben da teilweise sehr hohe Zahlen im Raume und ich könnte mir denken, daß Herr Rechtsanwalt Schily sich auf dieser Fährte befindet.

RA Schi[ly]:

Ganz recht.

Vors.:

Und da sehe ich eigentlich keine Bedenken.

Zeuge Dr. Her[old]:

Vielleicht darf ich doch eine Bemerkung dazu machen.

Vors.:

Ich meine, eine andere Frage ist, ob sie schon beantwortet ist. Es wurde eigentlich von Herrn Dr. Herold schon eindringlich erzählt, wie das so geht.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich darf aber noch eine Bemerkung dazu machen. Das Bundeskriminalamt produziert täglich und jährlich 100 000 von Blatt Akten in den verschiedensten Ermittlungsverfahren. Jedes Ermittlungsverfahren trägt die Gesetze der Gestaltung in sich selbst. Das heißt, jedes Ermittlungsverfahren baut mit einer anderen Aktenordnung auf. Die hier gewählte Terminologie Sonderordner, Personensachen ist typisch für diesen Fall. Ich wäre Ihnen also dankbar, damit Sie mich nicht verwirren, weil ich auch eine ganz andere Terminologie auch mit einer Fülle von Verfahren vor Augen habe, wenn Sie die jedesmal nochmal präzisieren würden. Die Bitte möchte ich äußern, damit ich korrekt antworten kann. Aber zum Kern der Sache sei bemerkt, daß ich davon ausgehen muß, aufgrund Dienstrechtes, aufgrund von Dienstanweisungen, daß der Bundesanwaltschaft und damit dem Gericht alle Akten vorgelegt worden sind, alle verfahrenserheblichen Akten. Natürlich doch nicht, Herr Rechtsanwalt Schily, die Akten beispielsweise, die auch Baader-Meinhof-Komplex betreffen, aber die sich auf den Dienstverkehr etwa des Bundeskriminalamts mit dem Bundesinnenminister bezieht, oder schließen Sie die ein? Das glaube ich doch nicht. Das hat mit Ermittlungen nichts zu [13628] tun. Darüber hinaus existieren selbstverständlich Akten, die die ganze Rote-Armee-Fraktion betreffen, die aber hier nicht Verfahrensgegenstand sind.

Vors.:

Wir wollen jetzt doch mal ganz klar fragen. Ich meine, Herr Zeuge, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sagten Sie, Sie gehen davon aus, also Sie waren selber wohl bei der Zusammenstellung der Akten nicht dabei, sondern Sie gehen davon aus, so wie Sie ja bei verschiedenen Punkten Ihrer Befragung Ihre Antwort einleiteten.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich gehe von einem pflichtgemäßen Handeln der Beamten ...

Vors.:

Nur damit wir da Klarheit haben, welcher Art das Wissen ist, das Herr Dr. Herold hier von sich gibt.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich gehe von einem pflichtgemäßen Handeln der Beamten aus. Und es sind mir keine Anhaltspunkte dafür bisher präsentiert und geliefert worden, die es rechtfertigen würden, von dieser Grundannahme abzugehen.

RA Schi[ly]:

Ja, Herr Dr. Herold, weil Sie mich nach der Frage der Terminologie, weil sie[hh] vielleicht wünschen, daß die präzisiert wird. Ich halte mich bei der Terminologie an den Sprachgebrauch, den die Herren des Bundeskriminalamtes verwendet haben. Das ist vielleicht am zweckmäßigsten, damit wir uns hier nicht in Mißverständnisse verlieren. Und da habe ich eben aus den Akten diesen Sprachgebrauch angetroffen, Hauptakten und u.a. Sonderordner. Und dann gibt es noch einen Begriff, der eine Rolle spielt, Spurenakten. Jetzt die Frage, sind die sog. Hauptakten dem Gericht auch zur Verfügung gestellt worden?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, können Sie, ich muß Sie bitten, das noch näher zu erläutern, was verstehen Sie jetzt unter den Hauptakten bezogen auf das Verfahren hier. Das ist mir jetzt im Augenblick auch nicht ganz klar. Meinen Sie die hier gerichtlich angefallenen Akten oder?

RA Schi[ly]:

Nein, nein, nicht die hier gerichtlich angefallenen Akten, sondern die in dem Ermittlungsverfahren angelegten Akten. Das können Sie also aus den verschiedenen Vermerken in den Spurenakten ja erkennen, daß dieser Begriff ja verwendet wird. Es kommt allerdings auch wiederum die Redewendung vor, bestimmte Komplexe. Aber das scheint die Ein- [13629] teilung wiederum der Hauptakte zu sein. Da ich die Hauptakten inhaltlich nicht kenne, muß ich dazu sagen, kann ich mich da natürlich nur mit Vermutungen, bisher muß ich mich mit Vermutungen begnügen. Aber nach dem Inhalt dieser Vermerke scheint es so zu sein, daß bestimmte Ermittlungsunterlagen eben in diesen Hauptakten, wie es ja auch der Normalfall ist, eingegangen sind[ii], und daß dann wiederum eine Aufteilung stattgefunden hat auf bestimmte Sonderordner, wo offenbar nach bestimmten Verteilungskriterien diese Vorgänge verteilt worden sind, wobei wiederum, das darf ich auch vielleicht in Form des Vorhalts hier mit einführen, mitunter ein Doppelabheften stattgefunden, etwa daß ein Vermerk über eine Spur in der Spurenakte geblieben ist, aber gleichzeitig in den Sonderordner Eingang gefunden hat.

Vors.:

Das findet sich sicher öfter in den Sonderordnern[jj], daß manche Dinge mehrfach dem Sachzusammenhang folgend vorhanden sind.

RA Schi[ly]:

Auch in Spurenakten, die gar nicht hier den hiesigen Akten einverleibt worden sind, sondern die hier nur quasi noch neben, benachbart diesem Verfahren hier gelagert werden. Das will ich nur vorhalten. Die Frage an Herrn Dr. Herold ist die, ob ihm bekannt ist, daß die sog. Hauptakten, ich verwende, wie gesagt, ein Ausdruck der Beamten des Bundeskriminalamtes, über die Bundesanwaltschaft dem Gericht nicht zur Verfügung gestellt worden sind.

OStA Z[eis]:

Ich beanstande den Vorhalt, Herr Vorsitzender. Nach meiner Erinnerung hat kein einziger der hier vernommenen Beamten des Bundeskriminalamts den terminus technicus[kk] Hauptakten gebraucht. Und was in irgendwelchen Spurenakten steht, interessiert solange nicht, solange hier diese Spurenakten nicht eingeführt worden sind.

RA Schi[ly]:

Ja dann stelle ich den Antrag, die Spurenakten, die ja hier an Gerichtsstelle sind, notfalls zu verlesen, um diesen Sprachgebrauch festzustellen.

Vors.:

Ja das wäre natürlich eine etwas umfangreiche Geschichte. Ich weiß es also nicht, ob ein Herr Zeuge hier schon mal den Ausdruck Hauptakten gebraucht hat. Das ist ja auch, Hauptakten ich weiß nicht, gesetzlich festgelegt scheint mir dieser terminus nicht zu sein.

[13630] Zeuge Dr. Her[old]:

Es ist ja doch so, ich versuchte das schon zu erklären, daß jedes Ermittlungsverfahren anders gegliedert werden muß, aktenmäßig anders aufgebaut werden muß. Ein Ermittlungsverfahren, das nur einen Komplex zum Gegenstand hat, kann historisch aufgebaut werden. Erfolgt, nacheinander folgen die Ermittlungsvorgänge, werden[ll] nacheinander in historischer Reihenfolge abgelegt. Ein Mammutverfahren kann solchen Gesetzen nicht folgen. Da muß man entweder nach Komplexen gliedern oder nach Personen oder nach Angeklagten usw. und sofort. Die Bundesanwaltschaft hat, das weiß ich von Berichten meiner Beamten, hierfür ein System für diesen Fall vorgegeben, und dafür eine bestimmte Terminologie geschaffen, die mir im Sprachgebrauch nicht geläufig ist, weil sie sich ausschließlich auf dieses Verfahren bezieht und weil sie sich unterscheidet von dem Sprachgebrauch der Aktengliederung in anderen Verfahren. So ist der Begriff der Hauptakten mir nicht geläufig. Ich weiß nicht, was man darunter versteht. Ich kann nur den Kern der Fragen wiederholen. Alles, was von Bedeutung ist, ist, unter welcher Bezeichnung auch immer, ob unter Hauptakten oder Sonderordnern, dem Gericht vorgelegt worden. Das ist eine ausdrückliche Weisung.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, wenn ich das richtig verstanden habe, dieses Kriterium, was von Bedeutung ist, hat eine bestimmte Vorsortierung stattgefunden. Sie sagen, es hat sich eine Spur als Falschaussage oder als Phantom erwiesen. Diese Vorauswahl, sagen Sie, sei von der Bundesanwaltschaft vorgenommen worden. War es nicht anders, daß das Bundeskriminalamt diese Vorauswahl vorgenommen hat und dann nach dieser Vorauswahl die Bundesanwaltschaft mit Akten bedient hat?

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich habe den Fall der Spurenakte als Beispiel bezeichnet, wie ich es mir vorstellen könnte, wie man zwischen erheblich und unerheblich unterscheidet, als Beispielsfall. Ich habe dabei als Beispiel die Nr. 10200 oder irgendwas gesagt. Genausowenig wie Sie daraus folgern können, daß es wirklich eine Spurenakte 10200 gibt, genausowenig dürfen Sie folgern, daß das nun ein realer Fall ist. Ich versuchte mich [13631] nur verständlich zu machen.

RA Schi[ly]:

Ja, ja, ich hab das ja durchaus verstanden. Nur ich frage, die Frage ging in eine andere Richtung. Ob die Vorauswahl dessen, was also nun verfahrensrelevant ist oder nicht, oder was also aus Aussage glaubhaft ist oder nicht, Sie haben ja diesen Beispielsfall gebildet, Herr Baader ist irgendwo gesehen worden und dann nach Meinung des ermittelnden Kriminalbeamten ist das ein Phantom gewesen oder eine Falschaussage oder sonst irgendwie nicht verläßlich. Ist diese Vorauswahl vom Bundeskriminalamt vorgenommen worden oder bzw. von den einzelnen Beamten des BKA oder von anderen?

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich habe zu dem Auswahlvorgang keine eigene Sachkenntnis. Ich war bei ihm nicht zugegen. Er hat mich auch nicht interessiert, denn hier handelt es sich nach meiner Auffassung um einen mehr mechanischen Vorgang, der der Anwesenheit des Dienststellenleiters keinesfalls bedarf.

RA Schi[ly]:

Ja, Herr Dr. Herold, wenn ich Sie unterbrechen darf, ich meine, es war ja, wie Sie sagen, ein Mammutbild, ein Kolossalgemälde, und ich könnte mir vorstellen, daß Sie als Präsident des BKA ja doch vielleicht bestimmte Direktiven erteilt haben, wie man zu verfahren habe und da sich auch darüber Kenntnis verschafft haben, ob dann entsprechend diesen Direktiven gehandelt worden ist. Und meine Frage geht dahin, ob Sie Ihren Beamten die Anweisung erteilt haben, nun eine gewisse Siebung oder Sichtung vorzunehmen und dann nach dieser Sichtung eben das, was verbleibt, was sozusagen im Sieb bleibt, der Bundesanwaltschaft zur Weiterleitung an das Gericht zur Verfügung zu stellen?

Zeuge Dr. Her[old]:

Eine solche Anweisung wurde von mir nicht erteilt und ist nach meiner Auffassung auch nicht nötig, denn es ist ja ein Alltagsvorgang, die Akten abzuschließen für die Weitergabe an die Staatsanwaltschaft. Das ist ein dienstkundlicher Vorgang, der gewissen Routineregelungen unterliegt und ich hatte keinen Anlaß im vorliegenden Fall, mich um diese mehr technischen Dinge der Aktenaufbereitung zu kümmern.

RA Schi[ly]:

Ja, wenn da kein Anlaß bestand, wie war es dann routinemäßig. War routinemäßig so, daß das Bundeskriminalamt [13632] diese Vorauswahl vorgenommen hat oder hat sie quasi die gesamten Akten, einschließlich aller Spuren, der Bundesanwaltschaft überlassen und hat dann die Bundesanwaltschaft die Sortierung vorgenommen?

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich kann hier nur Vermutungen äußern, wie sich das abgespielt haben könnte ...

Vors.:

Mit Vermutungen ist uns natürlich nicht viel gedient. Also, Herr Dr. Herold sagte ja vorhin schon, daß jedes Verfahren seine eigenen Gesetze in sich trägt, so daß man von einer Routine insofern wahrscheinlich, von einer gleichbleibenden Routine gar nicht reden kann. Höchstens von der Routine, daß jedes Verfahren anders ist.

RA Schi[ly]:

Ja, ja. Nur einerseits hat mir Herr Dr. Herold gesagt, es seien keine bestimmten Direktiven erteilt worden. Andererseits sagt er, es sei auch überflüssig gewesen, weil das ja eine Routineangelegenheit gewesen sei. Und dann ist es doch wohl verständlich, wenn ich die Frage stelle, wie denn diese Routine beschaffen war. Denn das muß ja dann festzustellen sein.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ja, aber ich verstehe doch unter Routine, wenn der Staatsanwalt eine bestimmte Aktengliederung vorgibt. Das tut er ja nicht in allen Fällen. In vielen Fällen findet der Kriminalbeamte ja selbst die Eigengesetzlichkeiten heraus, die die Gliederung eines Falles bestimmen und präsentiert sie dann schon so gegliedert dem Staatsanwalt. Aber hier in diesem Fall war es eben, soweit ich erfahren habe, anders. Da hat die großen Einteilungs- und Gliederungsgesichtspunkte die Bundesanwaltschaft vorgegeben, um die Akten eben handhabbar zu machen und überhaupt übersichtlich zu machen. Und danach haben unsere Beamten verfahren. Wie sie das nun im Einzelfall gemacht haben, wie sie das abgelegt und wie sie das ausgesucht haben, das kann ich nicht sagen. Ich war nicht zugegen.

RA Schi[ly]:

Im Einzelfall meine ich auch nicht, Herr Dr. Herold. Nur, ich glaube, Sie sind ein bißchen an meiner Frage vorbeigegangen. Ich habe ja nicht gefragt, wer hat denn nun sozusagen die Einteilung vorgenommen oder die Gliederung, wie etwa man jetzt das Ermittlungsergebnis strukturieren kann, damit man bessere Übersichtlichkeit gewinnt vielleicht, sondern ich hab [13633] gefragt, wer hat die Sortierung vorgenommen, ganz allgemein, nicht im Einzelfall ...

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich habe schon gesagt, daß ich es nicht weiß. Aber ich gehe davon aus ...

RA Schi[ly]:

... was erheblich ist für das Verfahren und was nicht.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich kann Ihnen im konkreten Fall keine Antwort geben, wie sich das vollzogen hat. Aber ich gehe davon aus, daß hier das so gemacht worden ist, zumindest mit Anklängen[mm], wie es in anderen Verfahren auch gemacht wird, daß dann nämlich, wenn ein Zweifelsfall auftritt, der Kriminalbeamte dem Staatsanwalt die Vorgänge unterbreitet und sagt, wo müssen die hin und zu welchem Teil der Akten gehört das oder gehört das überhaupt in die Akten usw. Davon gehe ich aus, daß das so abgelaufen ist, ohne das Verfahren im einzelnen zu kennen.

Und das werden Ihnen die sachbearbeitenden Beamten wohl am besten darlegen können.

RA Schi[ly]:

Nun nehmen wir vielleicht mal einen konkreteren Fall. Wir haben hier in einem sehr späten Stadium des Verfahrens davon Kenntnis erhalten, daß der Zeuge Gerhard Müller bestimmte Aussagen in Gesprächsform zum Teil und zum Teil in Vernehmungsform im Jahre 1975 gemacht hat und zwar noch vor Beginn der hiesigen Hauptverhandlung. Wissen Sie etwas darüber, in welche Akten diese Protokolle und Vermerke über diese Gespräche und Vernehmungen eingegangen sind?

Zeuge Dr. Her[old]:

Der letzte halbe Satz ist mir nicht ...

RA Schi[ly]:

In welche Akten die Vermerke bzw. Protokolle über Gespräche bzw. Vernehmungen mit dem Zeugen Gerhard Müller eingegangen sind?

Zeuge Dr. Her[old]:

Nein, das weiß ich nicht. Alle Fragen knüpfen immer wieder an einem grundlegenden Mißverständnis offenbar meiner Funktion. Es ist nicht meine Sache, die Ermittlungen zu führen und die Akten zu ordnen. Die Disposition darüber hat die Bundesanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft schlechthin.[21] Ich habe der Staatsanwaltschaft die personellen und sachlichen Substrate für eine geordnete und qualifizierte Ermittlungsführung zur Verfügung zu stellen. Und ich informiere mich nicht durch Aktenlektüre, sondern durch die Berichte über die wesentlichsten Vorkommnisse dieser Akten, um sie dann in die [13634] polizeilichen Strategien einzuführen. Das ist meine Arbeitsweise. Infolgedessen liegt das alles, was Sie fragen, vor meinem Arbeitsbereich. Und ich kann keine exakten Aussagen darüber machen. Ich kann nur Vermutungen äußern.

Rechtsanwalt Künzel verläßt um 11.40 Uhr den Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Ja, Vermutungen, da gebe ich dem Herrn Vorsitzenden recht, Vermutungen, soweit sie nicht einen Tatsachenkern haben, haben natürlich für uns ein relativ geringfügiges Interesse. Nur, Herr Dr. Herold, ich könnte mir vorstellen, daß Sie mit diesem Verfahren gegen Baader u.a. doch insoweit vielleicht an dem Verfahren interessiert waren, daß es Sie nicht so ganz dienstlich ohne Interesse für Sie war, wenn nun der Herr Müller da irgendwelche Angaben machte. Und daß Sie vielleicht doch sich darüber auch Kenntnis verschafft haben. Ist das der Fall, daß Sie davon gehört haben, daß der Herr Müller irgendwelche Aussagen macht.

Zeuge Dr. Her[old]:

Selbstverständlich werde ich ohne Einflußnahme auf die Ermittlungsführung selbst, denn das wäre nicht rechtens, werde ich über den Fortgang des Ermittlungsverfahrens und die anfallenden wichtigsten Tatsachen informiert. Das geschieht teils durch zusammenfassende Berichte, die mir erstattet werden, oder durch mündlichen Vortrag der sachbearbeitenden Beamten, weil ich diese Fakten brauche. Aber hier ist auch eine deutliche Trennung zum Akteninhalt.

RA Schi[ly]:

Darf ich dann davon ausgehen, daß Sie also davon erfahren haben, daß der Herr Müller im Jahre 75 bestimmte Angaben gegenüber ...

Zeuge Dr. Her[old]:

Welche?

RA Schi[ly]:

Naja, jetzt mal ganz allgemein. Überhaupt Angaben gemacht hat.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich weiß nicht, ob das 1975 war. Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Sie müßten mir präzise sagen, was Sie meinen, welche Fakten Sie meinen und dann könnte ich dazu antworten.

RA Schi[ly]:

Nein, ich möchte jetzt zunächst mal das Faktum, daß der Herr Müller im Jahre 1975 sich auf Vernehmungen, bzw. Ge- [13635] spräche mit Vernehmungsbeamten unter a.[nn] des Bundeskriminalamtes eingelassen hat. Ist Ihnen das bekannt geworden?

Zeuge Dr. Her[old]:

Mir ist bekannt geworden, ich kann jetzt nicht sagen, ob es 1975 war, da müßte ich nachsehen, daß Herr Müller von den Hamburger Kollegen angehört wurde und daß bei zunehmender oder dann vielleicht auch sogar alleiniger Beteiligung im Rahmen eines Ermittlungsauftrags des Generalbundesanwaltes auch Beamte des Bundeskriminalamtes beteiligt waren. Wie sich das im einzelnen vollzog, in welchem Umfang, welche Beamten, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe nur die Tatsachen aus dem ...

Rechtsanwalt Künzel erscheint wieder um 11.42 Uhr im Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Darf ich dann fragen, welcher Ermittlungsauftrag, ist denn überhaupt ein Ermittlungsauftrag erteilt worden? Gegebenenfalls von wem? Und zu welchem Zeitpunkt?

Ende von Band 805

[13636] Zeuge Dr. He[rold]:

Das kann ich jetzt im Augenblick nicht sagen, von wem ein Ermittlungs..., aber wir ermitteln ja nicht ins Blaue hinein, sondern wir werden tätig nur als Auftragspolizei; das ist das Wesen des Bundeskriminalamtes, neben seinen gering dimensionierten originären Kompetenzen, so daß also[oo] jeder Ermittlungshandlung ein Auftrag zugrunde liegt.[22] In welchem Verfahren der nun erteilt wurde, kann ich im Augenblick nicht sagen.

RA Schi[ly]:

Ja, das ist nun gerade aber, vielleicht können Sie da doch noch[pp] Ihr Gedächtnis etwas[qq] bemühen, Herr Dr. Herold, wenn ich Sie fragen darf ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Herr Rechtsanwalt Schily, ...

RA Schi[ly]:

Darf ich vielleicht die Frage ...

Zeuge Dr. He[rold]:

... wir bekommen hunderte von Aufträgen; ich kann das, ich bin keine wandelnde Registratur, dafür müßten[rr] wir unsere Aufzeichnungen zu Rate ziehen.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, davon gehe ich aus, daß Sie sehr viele Dinge, mit sehr vielen Dingen konfrontiert werden, und auch kein wandelnder Computer sind, dafür haben Sie ja nun Ihre technischen Anlagen in Wiesbaden. Aber auf der anderen Seite könnte ich mir vorstellen, daß das, daß diese Ermittlungen im Zusammenhang, der hier interessiert, vielleicht doch etwas über den, über das hinausragen, was ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Richtig.

RA Schi[ly]:

... sonst gewöhnliche Ermittlungsverfahren sind, wegen irgendeinem simplen Kraftfahrzeugdiebstahls ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Natürlich.

RA Schi[ly]:

Mich würde nur interessieren, ob Sie vielleicht doch nicht Ihr Gedächtnis bemühen können. Bisher[ss] konnten wir das nämlich nicht klären, in welchem Verfahren eigentlich ein Ermittlungsauftrag erteilt worden ist. Vielleicht darf ich, einfach um Ihnen den Sachverhalt noch ein bißchen deutlicher zu machen, aus der Aussage von Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger den Vorhalt machen, daß diese Unterlagen, also Vermerke und Protokolle über Gespräche und Vernehmungen mit dem Zeugen Gerhard Müller erst relativ spät Eingang in eine Akte der Bundesanwaltschaft gefunden haben, wobei diese Akte der Bundesanwaltschaft eigentlich nicht das, das eigentliche Ermittlungsverfahren, ein Ermittlungsverfahren sein kann, sondern die Überschrift [13637] trägt einer sogenannten „Überwachungs- und Beobachtungsakte“ ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, das ist nicht völlig korrekt.

RA Schi[ly]:

Doch.

Vors.:

Von einer Überschrift einer „Überwachungsakte“ habe ich aus dem Hauptverfahren nichts mitbekommen.

RA Schi[ly]:

Naja, also den Titel ...

Vors.:

Der Zeuge Dr. Krüger hat dieser Akte diesen Titel beigelegt; schon der Zeuge Kaul wollte von diesem Titel nicht so sehr viel wissen,

RA Schi[ly]:

Ich habe ja ...

Vors.:

... von Überschrift kann man an sich nicht sprechen.

RA Schi[ly]:

Gut, also nicht Überschrift aber ...

Vors.:

Es hat ein Zeuge mal so genannt.

RA Schi[ly]:

... also so bezeichnet, hat die Akte als solche so bezeichnet als „Überwachungs- und Beobachtungsakte“. Wir konnten bisher nicht klären, in welchem Verfahren eigentlich, in welchem Ermittlungsverfahren der Herr Müller nun eigentlich [tt] vernommen worden ist. Und vielleicht können Sie da Ihr Gedächtnis bemühen, ob es sich da um das Strafverfahren gegen Herrn Müller selbst handelte oder um das Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen die hiesigen Angeklagten oder was immer?

Vors.:

Man müßte vielleicht noch korrekterweise anfügen, daß auch der Zeuge Krüger, als er den Begriff „Überwachungs- und Beobachtungsakte“ prägte, dann das so erklärte, das habe sich auf Vorgänge bezogen, nicht auf Personen.

RA Schi[ly]:

Ja, Vorgänge, die ihm zugeleitet wurden - der Bundesanwaltschaft - seitens des Bundeskriminalamts ...

Vors.:

Ich meine nur [uu] Überwachung und Beobachtung, also sachbezogen und nicht personenbezogen; so habe ich seine Aussage verstanden.

RA Schi[ly]:

Ja ja, also auf die Unterlagen, die sozusagen, damit man überhaupt nun den Fortgang dieser Dinge, so habe ich es jedenfalls aufgefaßt; falls ich das also anders, bin ich gern bereit, das auch noch zu diskutieren. Aber die Frage, Herr Dr. Herold, damit zu der Frage zurückkehren. Wenn ich Ihnen das so vorhalte, nach dem, was wir bisher also klären oder bzw. nicht klären konnten, vielleicht sind Sie doch in der Lage, etwas näher zu beschreiben, in [13638] welchem Verfahren denn nun der Herr Müller eigentlich vernommen worden ist, und welcher Ermittlungsauftrag, von wem, und wann, in welchem Verfahren erteilt worden ist?

Zeuge Dr. He[rold]:

Sie fragten eingangs, ob dieses Verfahren, das sich ja von dem eines Hühnerdiebs unterscheidet, nicht mein Interesse gefunden hat. Selbstverständlich hat es das gefunden. Aber mein Interesse konzentriert sich auf die dabei gewonnenen Fakten, inwieweit lassen sie sich einfügen und verwerten für weitere Strategien. Mein Interesse konzentrierte sich nicht auf die formelle Seite der Angelegenheit. Ich kann Ihnen die Frage, wer hat den Ermittlungsauftrag hier erteilt und aus welchem Verfahren ist er zu entnehmen, im Augenblick nicht beantworten. Jedenfalls muß ein Auftrag der Staatsanwaltschaft - welcher auch immer - vorgelegen haben. Denn sonst hätten wir nicht ermittelt. Wenn nun, soweit es sich überhaupt mit dem, was Sie ansprechen, um Ermittlungshandlungen des Bundeskriminalamtes handelt und nicht solche einer anderen Behörde, was ich im Augenblick nicht übersehe, ...

RA Schi[ly]:

Teils, teils, Herr Dr. Herold, teils der Hamburger Kriminalpolizei, teils auch ...

Zeuge Dr. He[rold]:

- ... dann ist es ja durchaus möglich - entschuldigen Sie - ...

RA Schi[ly]:

Ja bitte.

Zeuge Dr. He[rold]:

... dann ist es ja durchaus möglich, daß ein Auftrag von Hamburg vorgelegen hat am Anfang, der später von der Bundesanwaltschaft übernommen wurde; aber das sind Spekulationen.

RA Schi[ly]:

Sie wissen darüber nichts?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich kann es nicht sagen.

RA Schi[ly]:

Ja wissen Sie dann, jedenfalls so viel, in welche Akten diese Ermittlungsergebnisse - wollen wir mal es nennen - also diese Vermerke und Protokolle, in welche Akten die Eingang gefunden haben?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, seit 10 Minuten stellt Herr Rechtsanwalt Schily Fragen, die offensichtlich - und er kann ja sicherlich auch lesen - überhaupt nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt sind. Was soll das eigentlich? Soll der Zeuge hier zu Dingen veranlaßt werden, die möglicherweise nachher noch ein[vv] disziplinarrechtliches Nachspiel[23] [13639] nach sich ziehen könnten, oder was soll das?

Gerade eben wird eine Beweisfrage aus dem Beweisantrag des Zeugen Otto-Werner Müller wörtlich gestellt. Ich kann nur annehmen, daß Herr Rechtsanwalt Schily jetzt schon seine Beweisanträge selbst verwechselt. Da heißt es genauso: „... daß in die Akte 3 ARP 74/75 I der Bundesanwaltschaft nur ein Teil der Vermerke und Protokolle über Gespräche und Vernehmungen des Zeugen Gerhard Müller eingegangen sind“, nahezu wörtlich. Und da ich dahin ...

RA Schi[ly]:

Ich weiß nicht ...

OStA Z[eis]:

Ich bin noch nicht ganz fertig. Und da ich Fragen, die ersichtlich von der Aussagegenehmigung nicht gedeckt sind, für unzulässig halte, beanstande ich diese Frage.

RA Schi[ly]:

Ja, ich glaube, Herr Zeis, Ihre Aufregung ist umsonst.

OStA Z[eis]:

Ach, ob ich mich aufrege und dergleichen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Aufregung und dergleichen: Wir wollen doch alle diese Dinge beiseite lassen und rein bei der Sache bleiben; das fördert sicher das Verfahren.

RA Schi[ly]:

Ja, es wäre ganz gut, wenn Sie die Sachlichkeit auch mal bei Herrn Zeis anmahnen können.

Vors.:

Ich habe also von Aufregung, ob einer der Beteiligten aufgeregt ist ...

RA Schi[ly]:

Ja nein, aber ich ...

Vors.:

... oder nicht; das kümmert hier überhaupt nicht ...

RA Schi[ly]:

Herr ...

Vors.:

Hier kümmert die Sache, und sonst nichts.

RA Schi[ly]:

Aber Herr Vorsitzender, wenn der Herr Bundesanwalt Zeis ...

Vors.:

Ja, jetzt begeben Sie sich nicht in die Gefahr, sich aufzuregen, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

... sich hier darüber mokiert, ich würde meine Beweisanträge nicht mehr auseinanderhalten, dann ist das ja auch nicht mehr so besonders sachlich, nicht?

Vors.:

Auch das Wort „mokiert“ trägt nichts zur Sache bei. Er hat eine Beanstandung angebracht; Sie werden erwidern ...

RA Schi[ly]:

Ja, die sachliche Form bei Herrn ...

Vors.:

... das Gericht wird sich damit befassen. Wir wollen doch alle diese Dinge beiseite lassen; das bringt doch nichts.

RA Schi[ly]:

Ja, na gerne, wenn ... Wie heißt es so schön, um auch [13640] mal das Spruchgut zu erweitern: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es mitunter heraus ...

Vors.:

Ja, so ...

RA Schi[ly]:

Wenn sich der Herr Zeis an die Gebote der Sachlichkeit hält, dann will ich mich gerne auch daranhalten. Die Ziffer 1 der Aussagegenehmigung umfaßt mit Sicherheit auch die Genehmigung zu dieser Frage, die ich zuletzt gestellt habe, Stellung zu nehmen.

Vors.:

Da der Herr Zeuge bisher also an seiner Aussagegenehmigung kein Hindernis erblickte, sah ich auch keines. Und es ist in der Tat die Frage, ob es nicht unter Nr. 1, wie Herr Rechtsanwalt Schily erwähnte, fällt. Nur, meine ich, die Frage sei gerade beantwortet. Ich dachte an sich, Herr Rechtsanwalt Schily, Sie würden es auch merken, daß der Zeuge halt hier immer wieder sagt: „Ich weiß es nicht“, „ich vermute“ und dergleichen mehr.

RA Schi[ly]:

Nein, die Frage ist an sich nicht beantwortet. Der Zeuge sagt, er weiß nichts darüber oder nichts konkretes darüber, welcher Art und von wem der Ermittlungsauftrag erteilt worden ist; er geht nur davon aus, daß ein solcher Ermittlungsauftrag erteilt worden ist. Aber die weitere Frage, ob er etwas darüber weiß, in welche Akten denn nun diese Vermerke und ...

Rechtsanwalt Schlaegel verläßt um 11.51 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Das hat er vorhin gesagt. Herr Rechtsanwalt Schily, Sie fragten vorhin: „In welche Akten sind diese Dinge eingegangen?“ Daraufhin sagte der Zeuge: „Das weiß ich nicht“.

RA Schi[ly]:

So, das habe ich nicht so mitbekommen. Aber wenn das im Protokoll erscheint ...

Vors.:

Er hat es damit verbunden mit der Antwort, er stellt ... mit der allgemeinen Erklärung über die personellen und sachlichen Substrate. Und vorhin kam die klare Antwort: Ich weiß es nicht - so war es -.

Jetzt bitte weitere Fragen.

RA Schi[ly]:

Herr Zeuge, zu dem Punkt 4, Frage, Ermittlungsergebnis, Ermittlung im Fall Barz. Sie haben hier erklärt, Sie sehen noch, nach Ihrer Erkenntnis bestehen noch einige Chancen und Fakten, den Vorgang aufzuklären. Darf ich Sie fragen, um welche Chancen und Fakten es sich dabei handelt?

[13641] Zeuge Dr. He[rold]:

Ich glaube, hier wird die ... würde die Antwort von meiner Aussagegenehmigung nicht gedeckt. Es handelt sich hier um eine kriminaltaktische Erwägung.

Vors.:

Ich meine, es ist, insoweit wäre es wohl gedeckt, soweit es sich um Ergebnisse von Ermittlungen handelt.

Zeuge Dr. He[rold]:

Die liegen ...

Vors.:

Die Ergebnisse könnten Sie berichten. Und aus Ergebnissen könnte sich möglicherweise zwangsläufig ergeben - nicht - also, wenn sich etwa ein Ergebnis mal ergibt: Die Dame wurde irgendwo sicher gesichtet, dann wird man daraus entnehmen können, daß sie noch lebt z.B., und man in bestimmter anderer Art ermitteln muß, als wenn man sie irgendwo anders vermutet. Insoweit wäre es vielleicht noch unter der Aussagegenehmigung.

Zeuge Dr. He[rold]:

Weder positiv noch negativ.

Vors.:

So hatten Sie es vorhin ja auch gesagt.

RA Schi[ly]:

Naja, nur konkret, können Sie das konkretisieren?

Zeuge Dr. He[rold]:

Aber wir sind doch verpflichtet, Überlegungen anzustellen, wie wir diesen Sachverhalt weiter aufklären.

RA Schi[ly]:

Naja, vielleicht kann ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Aber ich sehe mich nicht für befugt an, darüber Aufschluß zu geben.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, vielleicht kann ich mal anders fragen. Wir haben ja hier über die Bundesanwaltschaft auch als ein Nebenprodukt der Vorlage dieser Geheimakte 3 ARP 74/75 auch eine Akte erhalten mit dem Aktenzeichen der Bundesanwaltschaft 31, glaube ich, aus 75, 1 BJs 31/75, also Ermittlungsverfahren gegen Baader und andere wegen der angeblichen Tötung von Ingeborg Barz. Ich will mal schauen, ob ich das Aktenzeichen gerade mal da habe.

Ja, das müßte 31/75 sein.

Vors.:

Sie meinen das Verfahren in der Sache auf Todesermittlung - oder was auch immer - Barz? Das dürfte 1 BJs 31/75 ...

RA Schi[ly]:

Ja, 31/75.

Die Vorgänge, die wir hier dazu erhalten haben, da datiert die letzte Eintragung in der Akte vom 30. Mai 1975; heute schreiben wir den März 1977. Können Sie etwas darüber sagen, was in der Zwischenzeit an Ermittlungen in diesem Zusammenhang durchgeführt worden sind, und welches Ergebnis [13642] diese Ermittlungen hatten?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich glaube nicht, daß diese Fragen, von meiner Aussagegenehmigung gedeckt werden.

RA Schi[ly]:

Aber doch; es steht doch: „Ergebnis der infolge dieser Aussagen eingeleiteten Ermittlungen“.

Zeuge Dr. He[rold]:

Ja, das ist in den Akten, die ich nicht kenne. Sie hatten ja selbst Schwierigkeiten, sie zu bezeichnen, was also deutlich macht, daß Sie selbst als Kenner der Situation und der Akten Schwierigkeiten haben, sich auf sie zu beziehen.

Rechtsanwalt Schlaegel erscheint wieder um 11.55 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge Dr. He[rold]:

Sie verlangen von mir, der ich sie nicht kenne, nun eine präzise Aussage. Dazu bin ich nicht in der Lage. Ich weiß nicht, wie der Stand der Akten ist, welchen Abschluß er dort hat und inwieweit[ww] er widerspricht noch weiteren angestellten Überlegungen.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich kann Ihnen nur sagen, die eingeleiteten Ermittlungen haben weder zur Bestätigung noch zur Verneinung geführt.

RA Schi[ly]:

Das ist eine Bewertung. Ich möchte aber wissen, welche Ermittlungen noch weiter in die Wege geleitet worden sind.

Vors.:

Das hat der Zeuge gerade gesagt: Er wisse es nicht, soweit ich es richtig verstanden habe.

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich habe Sie jetzt nicht verstanden.

Vors.:

So war es doch?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich habe Sie ...

Vors.:

Ich meine, Sie hätten gesagt: Sie wüßten es nicht.

Zeuge Dr. He[rold]:

Nein.

Vors.:

Ja, das war die Antwort.

RA Schi[ly]:

Ja, ich meine, Herr Dr. Herold, sind Sie jetzt nur im Moment nicht in der Lage, das zu reproduzieren oder haben Sie keine Kenntnis davon, welche weiteren Ermittlungen durchgeführt worden sind?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich wäre in der Lage, ohne es zu sagen, welche Verdachtsmomente ich noch weiterhin gegeben sehe, die ausgeschöpft werden müssen, um zu einer Ja- oder Neinaussage in diesem Vorfall zu kommen.

[13643] RA Schi[ly]:

Darf ich dann die Frage stellen, ob nach dem 30. Mai, was an sich naheliegen würde, nach dem 30. Mai 1975 weitere Ermittlungen bis zum heutigen Tage durchgeführt worden sind?

Zeuge Dr. He[rold]:

Meines Erachtens sind nach dem 30. Mai noch Ermittlungen durchgeführt worden, aufgrund - aber bitte, das muß ich sehr aus dem Gedächtnis rekonstruieren - aufgrund des Auffindens von skelettierten Leichen, die natürlich, soweit sie weiblich sind und soweit sie altersmäßig in das Raster passen oder vom Zahnschema her usw., unter dem Aspekt der Identität überprüft werden müssen. Insofern sind, solange der Akt nicht abgeschlossen sind - wenn Sie so wollen - die Ermittlungen permanent.

RA Schi[ly]:

Ja ja, ich frage ja nur.

Wo sind die denn aufgefunden worden?

Zeuge Dr. He[rold]:

Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen; da bin ich jetzt außerstande, das im Detail zu sagen.

Ich belaste mein Gedächtnis auch nicht mit den Fällen, die ausgeschieden werden konnten, bei denen eben ein Neinurteil gefällt wird: Die und die Leiche ist die Barz, nicht; dann interessiert es mich nicht mehr kriminalistisch. Aber es sind solche Fälle vorgekommen, nach meiner Erinnerung nach dem Mai 1975.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, ist Ihnen einmal - jetzt komme ich zu dem Punkt „Zusagen“ - ist Ihnen einmal bekannt geworden, daß ein Kriminalbeamter namens Wolf, der wohl beim Bundeskriminalamt tätig ist oder gewesen ist, dem Herrn Müller angeboten haben soll 50 % Straferlaß und finanzielle Vorteile ...?

Vors.:

Auch hier wäre wahrscheinlich das Wort „ob“ besser geeignet.

RA Schi[ly]:

Ob, ja, ob natürlich.

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich kenne keinen Beamten namens Proll, jedenfalls ist mir im Augenblick ...

Vors.:

Wolf.

Zeuge Dr. He[rold]:

Wolf.

Vors.:

Wolf.

Zeuge Dr. He[rold]:[xx]

Es ist mir im Augenblick nicht gegenwärtig, ein Beamter namens Wolf. Es sind da 2400 Bedienstete; ich bin da überfordert. Es ist mir niemals bekannt geworden, daß ein Beamter namens Wolf oder eines anderen Namens ein solches Angebot gemacht hätte.

[13644] RA Schi[ly]:

Ist Ihnen mal die Aussage von dem Herrn Müller, dem Herrn Gerhard Müller bekannt geworden, der mal in einer Gerichtsverhandlung diese Behauptung aufgestellt hat als Zeuge? Und sind dann entsprechende Ermittlungen im Bundeskriminalamt angestellt worden, ob solche Angebote gemacht worden sind?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich weiß jetzt nicht, ob Ermittlungen, ich glaube nicht, daß Ermittlungen im Bundeskriminalamt zu der Frage angestellt worden sind. Es ist aber durchaus möglich; ich erinnere mich im Augenblick nicht.

RA Schi[ly]:

Da Sie ja doch hervorgehoben haben, daß nach Ihrer Meinung solche Vorkommnisse eigentlich ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Das ist ein Dienstvergehen.

RA Schi[ly]:

... nach Ihrer Kenntnis auszuschließen seien, kann man dann[yy] doch annehmen, daß, wenn irgend so eine Behauptung aufgestellt wird, daß Sie vielleicht doch der Sache dann nachgehen und daß es ein Vorfall ist, der wiederum etwas den Rahmen des Alltäglichen verläßt, und Sie vielleicht insofern dann auch eine Erinnerung [zz] haben könnten.

Zeuge Dr. He[rold]:

Jeder dieser Vorgänge, jeder dieser Vorwürfe, soweit sie überhaupt prüfungsreif sind, vieles wird nach dem Abschluß des Verfahrens in jeder Richtung überprüft werden. Normalerweise wird jeder dieser Vorgänge und Behauptungen einer Prüfung unterzogen. Mir ist im Augenblick nicht in Erinnerung, ob dieser von Ihnen eben angezogene Sachverhalt bereits geprüft ist; er wird sicher geprüft werden. Aber ich habe keine Kenntnis davon, daß er wahr sei; ich halte es auch für ausgeschlossen.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, jetzt komme ich zu Punkt 6 der ... auch in Verbindung mit Punkt 6, Punkt 8 der Aussagegenehmigung. Ist Ihnen bekannt geworden, daß das Hamburger Landgericht[24] sich über einen Zeitraum von etwa einem halbem Jahr um diese Akten bemüht hat - 3 ARP 74/75 -, in denen also Angaben von Herrn Müller niedergelegt worden sind, daß diese Bemühungen vergeblich blieben und daß dann im Januar 1976 auf Antrag der Bundesanwaltschaft das Bundesjustizministerium eine Erklärung abgegeben hat, daß die Akten nach § 96 StPO[25] nicht zur Verfügung gestellt werden?

[13645] Zeuge Dr. He[rold]:

Das ist mir vom Hörensagen vor einiger Zeit von einem Beamten, ich kann jetzt nicht mehr sagen wem, aber einem Godesberger Beamten berichtet worden, mitgeteilt worden, daß es so gewesen sei.

RA Schi[ly]:

Darf ich aus dieser Erklärung den Schluß ziehen, daß Sie in den Entscheidungsprozeß, wann und wie und wo, wann und wie mit diesen Akten verfahren wird und ob sie nun freigegeben werden oder nicht, daß Sie in diesen Entscheidungsprozeß nicht eingeschaltet waren?

Zeuge Dr. He[rold]:

Das ist richtig. Ihre Annahme ist richtig.

RA Schi[ly]:

Meine Annahme ist richtig.

Nun, Herr Dr. Herold, Sie wissen, daß ich noch eine Ergänzung Ihrer Aussagegenehmigung beantragt hatte, wenn ich auch, in Ihrem Interesse und im allseitigen Interesse hätte ich es[aaa] begrüßt, wenn[bbb] darüber, über diese ergänzende Aussagegenehmigung auch eine Entscheidung hätte getroffen werden können. Ich bin heute von einem Fernschreiben unterrichtet worden, in dem das Bundesinnenministerium mitteilt, daß diese Aussagegenehmigung, daß eine Entscheidung über diese Aussagegenehmigung, über die Erteilung dieser Aussagegenehmigung noch nicht getroffen werden könne, aus bestimmten Gründen, wie sie hier im Fernschreiben aufgenommen worden sind, etwa in der Richtung, daß die Beweisthemen nicht genügend präzisiert seien. Ich habe jetzt noch einige Fragen, aber ich weise also ausdrücklich darauf hin, daß Sie womöglich in der Tat dann die Frage sich zu stellen haben, ob das mit der Ihnen erteilten Aussagegenehmigung noch in Einklang zu bringen ist. Ich könnte mir aber denken, daß einiges von dem, was ich jetzt[ccc] zu fragen habe, ohnehin keiner besonderen Aussagegenehmigung bedarf, weil es sich um auch öffentliche Äußerungen von Ihnen handelt, die Sie abgegeben haben sollen.

Vors.:

Ja, bei diesem Stand der Dinge sehe ich mich zu einer Unterrichtung sämtlicher Prozeßbeteiligter veranlaßt. Es ging gestern abend noch ein Fernschreiben des Bundesinnenministeriums ein - zur späten Stunde - wo es also hieß: „Rechtsanwalt Schily hat am 24.“ - rein informatorisch, damit alle Bescheid wissen - „hat am 24. Februar 77 für [13646] den Präsidenten des Bundeskriminalamts Erteilung einer Aussagegenehmigung zu neun[ddd] näher bezeichneten Beweispunkten beantragt. Die Aussagegenehmigung ist ihm unter dem 3. März 77 für 8 Beweispunkte erteilt worden.“

Dann wird darauf hingewiesen, das sei inhaltsgleich gewesen mit dem Antrag vom 18. Januar 1977 von Herrn Rechtsanwalt Schily. Und dann heißt dann ein Satz, der dann hier keine Rolle spielt, daß das Gericht die Vernehmung von Dr. Herold hierzu nicht angeordnet habe. Dann heißt es weiter: „Mit Schreiben vom 1. März 77“ - das betrifft jetzt wohl die noch zu stellenden Fragen - „hat Rechtsanwalt Schily vier weitere Beweispunkte ergänzt. Diese sind in allgemeiner und zum Teil unbestimmter Form gefaßt, so daß eine Prüfung im Sinne von § 62 Bundesbeamtengesetz[26] nicht erfolgen kann. Ich bedaure daher, ohne Konkretisierung der Beweisanträge über die Erteilung einer Aussagegenehmigung nicht[eee] entscheiden zu können.“

Nun ist es so, Herr Rechtsanwalt Schily, wenn Sie zu weiteren Punkten Fragen wollen, wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie diese Fragen, diese Punkte, diese Themen zunächst dem Gericht mitteilen könnten, da ja die Vernehmung zunächst vom Vorsitzenden und vom Gericht zu erfolgen hat, müßte ich Sie bitten, diese 4 Punkte noch zu benennen.

RA Schi[ly]:

Naja, ich kann erst zunächst mal den ...

Vors.:

Wir können gerne eine kurze Pause machen, wenn Sie es ...

RA Schi[ly]:

Ja, wenn ich mal[fff] um 5 Minuten Pause bitten darf.

Vors.:

Ja, gut. 12.15 Uhr wird fortgesetzt.

Pause von 12.07 bis 12.15 Uhr

Vors.:

Haben Sie die Fragen gefunden, die Themen?

RA Schi[ly]:

Ja. Das bezieht sich auf den Beweisantrag vom 14. Januar, den ich ja hier auch seinerzeit gestellt habe, allerdings Abs. 1 und Abs. 2 sind ja praktisch schon beantwortet; und das würde sich jetzt auf die Punkte oder auf die Absätze 3 und 4 beziehen. Ich will aber auch Herrn Dr. Herold Fragen stellen im Zusammenhang mit seiner Einschätzung der Roten-Armee-Fraktion aus den von ihm im Rahmen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes gewonnenen[ggg] Ergebnissen.

[13647] Vors.:

Ja zunächst folgendes: Der Antrag von Ihnen, auf den 14. datiert, trägt handschriftlich drübergeschrieben 18. ...

RA Schi[ly]:

Ja, es kann sein, ja ...

Vors.:

... und ist,[hhh] glaube ich[iii], auch nicht am 18. gestellt; ich meine, er sei, oder ist er am 18. gestellt?

RA Schi[ly]:

Ich glaube, er ist am 18. gestellt.

Vors.:

Am 18. gestellt, ja. Und die Absätze 3 und 4, das wäre also „durch gezielte Indiskretionen aus zurückgehaltenen Akten bestimmte Presseveröffentlichungen zur psychologischen Beeinflussung der Bevölkerung herbeigeführt worden seien.“

Unter Absatz 4, das wäre, „daß der Zeuge im Jahre 72 mit dem Journalisten Eduard Zimmermann einen Beratervertrag abgeschlossen hat, um ihn vor Fehlern ‚in der Öffentlichkeitsarbeit gegen Anarchisten‘ zu bewahren und daß in Ausführung dieses Beratervertrages dem Journalisten Zimmermann erhebliche Teile aus den Ermittlungsakten gegen die Rote-Armee-Fraktion, u. a. auch gegen die Angeklagten dieses Verfahrens, überlassen[jjj] worden sind, und daß sich unter diesen Unterlagen auch solche befanden, die als ‚VS-vertraulich‘[27] gekennzeichnet waren.“ Und dann - das sind die Punkte 3 und 4 - und dann sprach Herr Rechtsanwalt Schily jetzt ja noch von der allgemeinen Einschätzung der sogenannten Roten-Armee-Fraktion. Ja nun zunächst die Frage, Herr Dr. Herold, würden Sie sich denn - mal rein hypothetisch, wenn ich auch mal eine hypothetische Frage stellen darf - würden Sie sich denn in der Lage sehen, wenn man Sie diese Dinge fragte, trotz der, wie ich vorhin vorlas, bis jetzt nicht erteilten Aussagegenehmigung hierzu Angaben zu machen?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ja, es kommt darauf an, mit welchem Bestimmtheitsgrad, wahrscheinlich nicht höher als bisher.

Vors.:

Ja, nun, wir wollen noch gar nicht in die Sache einsteigen. Es geht einfach zunächst darum - das ist eine Frage, die zu klären ist - zu diesen jetzt zu fragenden Punkten läuft offenbar ein[kkk] Antrag auf Aussagegenehmigung, der bisher, wie wir erfahren haben, nicht beschieden ist.

Zeuge Dr. He[rold]:

Wenn Sie so fragen, Herr Vorsitzender, das steht nicht in meiner Disposition. Die Frage der Aussagegenehmigung wird - und[lll] so ist es in diesem Fall gewesen - ohne [13648] meine Anhörung vom Bundesinnenminister entschieden.

Vors.:

Ja, gut, also und eine solche Aussagegenehmigung liegt bisher nicht vor. Würden Sie sich dessen ungeachtet in der Lage sehen, wenn man Sie diese Dinge fragte, hierzu Angaben zu machen?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ja also zunächst besteht das formelle Hindernis, daß es eben keine Aussagegenehmigung gibt.

Vors.:

Ja, es geht nicht nur zunächst, aber das ist natürlich ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Wenn ich mich jetzt zur Sache äußern würde, ...

Vors.:

... eine wesentliche Frage.

Zeuge Dr. He[rold]:

... würde ich sie gleichsam unterlaufen, nicht.

Vors.:

Also ich meine, ich muß Ihnen dazu natürlich, müßte ich Ihnen gegebenenfalls dazu eine Überlegungsfrist einräumen.

Zeuge Dr. He[rold]:

Es bedürfte keiner Überlegungsfrist. Ich sehe das Hindernis nur in der fehlenden Genehmigung, die unerläßlich ist für mich und ...

Vors.:

Die Genehmigung ist natürlich nicht nur unerläßlich für Sie, sondern die kann auch auf das Gericht sich auswirken; denn Beweiserhebungen bei Zeugen, die keine Aussagegenehmigung haben nach [§ ]54[ StPO], sind an sich unzulässig, es sei denn der Zeuge sage: Ich meine, das falle nicht darunter oder ich könne es doch auf meine Kappe nehmen oder dergleichen.

Zeuge Dr. He[rold]:

Das möchte ich aus formellen Gründen nicht.

Vors.:

Ich meine es ist, ich hab Sie ja jetzt nur mal zunächst um Ihre Entscheidung gebeten.

Zeuge Dr. He[rold]:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie mit sich noch zu Rate gehen wollen, bitte sehr.

Zeuge Dr. He[rold]:

Also die Feststellung kann ich treffen, Herr Vorsitzender, daß ich das nicht von mir aus entscheiden möchte. Ich möchte nur aussagen aufgrund einer Genehmigung.

Vors.:

Und da zu diesen Punkten keine Aussagegenehmigung vorliegt, wie ausdrücklich erklärt, wird das wohl nicht gehen, Herr Rechtsanwalt Schily.

Zeuge Dr. He[rold]:

Wobei ...

RA Schi[ly]:

Das sehe ich ein, dann muß ich eben die Entscheidung da abwarten, und muß mir sonst darüber klarwerden, wie ich da weiter verfahren will. Ich will um Gottes willen nicht [13649] den Herrn Dr. Herold zur Überschreitung der ihm gezogenen Grenzen, durch die Aussagegenehmigung gezogenen Grenzen veranlassen; dazu besteht hier keine Veranlassung. Ich habe eben auch nur die Frage gehabt, ob das evtl. sich anders klären läßt; aber das scheint nicht der Fall zu sein. Dann würde ich also diese Fragen zunächst mal zurückstellen, 3 und 4 ...

Vors.:

Ich meine, ich will nur zur Aufklärung, damit keine Irrtümer entstehen, ob damit, ob den Fragen sonstige prozessuale Hindernisse entgegenstehen würden; damit habe ich mich bis jetzt noch nicht befaßt.

RA Schi[ly]:

Ja, nun, dann werde ich die Fragen stellen und ...

Vors.:

Ja, das können Sie eben[mmm] nicht, weil der Zeuge von vorherein sagt, er hat keine Aussagegenehmigung.

RA Schi[ly]:

Ja doch, ich kann ja die Fragen stellen, und kann gleichzeitig den Antrag stellen auch über das Gericht, eine Erteilung der Aussagegenehmigung insoweit und eine Erweiterung der Aussagegenehmigung herbeizuführen und den Zeugen erneut zu laden.

Vors.:

Also zunächst wäre die Fragestellung an mir, wie schon erwähnt - ich stelle die Fragen von mir aus nicht. Dann wären Sie an der Reihe; Sie können ja die Fragen stellen.

RA Schi[ly]:

Ja, dann stelle ich die Frage: Trifft es zu, daß durch gezielte Indiskretionen aus zurückgehaltenen Akten bestimmte Presseveröffentlichungen zur psychologischen Beeinflussung der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Roten-Armee-Fraktion herbeigeführt worden sind?

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, wir beanstanden die Frage unabhängig, ob der Zeuge hier[nnn] zur Beantwortung eine Aussagegenehmigung hat oder nicht.

Die Frage hat ersichtlich mit der Straf- und Schuldfrage überhaupt nichts zu tun. Hier geht es um Mord, hier geht es um Sprengstoffverbrechen, das sollte man in diesem Gerichtssaal ab und zu auch mal wiederholen [ooo]. Wie gesagt, mit der Schuld- und Straffrage hat die Beantwortung dieser Frage, die offenbar nur aus propagandistischen Überlegungen heraus überhaupt gestellt worden ist, überhaupt [13650] nichts zu tun.

Wir beantragen sie daher zurückzuweisen.

Vors.:

Ich sehe mich nicht gehindert, zunächst den Zeugen zu fragen, ob er diese Frage durch die Aussagegenehmigung gedeckt sieht oder nicht.

Zeuge Dr. He[rold]:

Nein, ich sehe sie nicht gedeckt.

Sie befindet sich in der Prüfung des Bundesinnenministers.

Vors.:

Dann bedarf es im Augenblick keiner Entscheidung des Gerichts.

RA Schi[ly]:

Dann stelle ich den Antrag,

über das Gericht eine Aussagegenehmigung zur Beantwortung dieser Frage einzuholen.

Und stelle die weitere Frage ...

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, das ist ja vielleicht etwas merkwürdig. Es ist doch der von Ihnen geladene Zeuge. Den Beweisantrag, den Sie auf Vernehmung des Herrn Dr. Herold gestellt hatten, den haben wir ja durch Beschluß zu diesen zwei Punkten abgelehnt, weil es ohne Bedeutung sei.

RA Schi[ly]:

Ja, wissen Sie, Herr Vorsitzender, ich bin ja nun hier durch die Verfahrensweise etwas belehrt worden. Normalerweise ist es ja in der Tat so, daß, wenn also eine Frage vielleicht durch die Aussagegenehmigung nicht gedeckt ist, daß dann notfalls eine Ergänzung herbeigeführt wird. Ich möchte mich nur[ppp] davor schützen, daß, wenn ich jetzt den Herrn Dr. Herold - wenn die Aussagegenehmigung erteilt würde - und ich würde Herrn Dr. Herold erneut vorladen, daß Sie dann sagen: Naja dieses, diese Befragung, die darf nicht stattfinden, also wodurch ja nur eine Verzögerung eintritt, die ja vermeidbar wäre. Ich möchte also an sich eine Klärung herbeigeführt sehen, ob das Gericht die Fragen überhaupt dann zuläßt.

Vors.:

Ja, dieses Risiko kann ich Ihnen natürlich nicht abnehmen; das ist bei gerichtlichen Entscheidungen immer so, sie sind zu treffen, wann sie anstehen, und nicht vorher.

RA Schi[ly]:

Ja, ich sehe an sich nicht, daß Sie nicht vorher die Entscheidung darüber herbeiführen können, ob die Frage zuzulassen ist oder nicht. [qqq] Aber ...

Vors.:

Ja, wenn der Zeuge sagt: Ich habe keine Aussagegenehmigung, ...

RA Schi[ly]:

... ich habe ja einen Antrag gestellt, Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... dann ist die Beweiserhebung über diese Frage damit außer- [13651] halb des Verfahrens. Und da gibt es an sich dann nichts mehr zu entscheiden.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich habe ja einen Antrag gestellt, und Sie können doch dann darüber befinden, je nach der von Ihnen vertretenen Rechtsansicht ...

Vors.:

Also Ihr Antrag geht dahin, das Gericht möge hinwirken, daß zu diesem Punkt Aussagegenehmigung erteilt werde.

RA Schi[ly]:

Aber wir können den Antrag auch zurückstellen, damit wir in der Befragung vorankommen.

Ich stelle also jetzt die weitere Frage, ob es zutrifft, daß Sie - der Herr Zeuge - im Jahre 1972 mit dem Journalisten Eduard Zimmermann einen Beratervertrag abgeschlossen haben, um ihn vor Fehlern ‚in der Öffentlichkeitsarbeit gegen Anarchisten‘ zu bewahren und daß in Ausführung dieses Beratervertrages dem Journalisten Zimmermann erhebliche Teile aus den Ermittlungsakten gegen die Rote-Armee-Fraktion, unter anderem auch gegen die Angeklagten dieses Verfahrens, überlassen worden sind, einschließlich von solchen Unterlagen, die als ‚VS-vertraulich‘ gekennzeichnet waren?

Vors.:

Auch hier ...

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender ...[rrr]

Vors.:

Ja, bitte.

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender, auch hier widerspricht die Bundesanwaltschaft ganz vorsorglich der Zulassung dieser Frage. Im letzten Hauptverhandlungstermin habe ich zu dem gleichen Fragenkreis ausgeführt, daß auch diese Dinge mit der Schuld- und Straffrage nicht das Geringste zu tun haben[sss]. Um beim Sprachgebrauch der RAF zu bleiben, soll hier offensichtlich wieder einmal aus Innenministern, „Bullen“ etc. das nötige herausgefragt werden.

Vors.:

Herr Dr. Herold, die gleiche Frage wie vorhin: Sehen Sie die von Herrn Rechtsanwalt Schily soeben formulierte Frage als durch Ihre Aussagegenehmigung gedeckt an?

Zeuge Dr. He[rold]:

Nein.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, haben Sie sonst noch Fragen?

RA Schi[ly]:

Ja.

Dann habe ich eine Frage, die jetzt überleitet zu dem von mir angekündigten Fragenkomplex.

Herr Dr. Herold, zunächst einmal die Vorfrage: Trifft [13652] es zu, daß Sie einmal auf einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung aufgetreten sind im sogenannten Hessen-Forum, in dem es auch um die Frage ging, wie die Rote-Armee-Fraktion zur beurteilen sei?

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Bitte.

OStA Hol[land]:

... auch hier widerspricht die Bundesanwaltschaft aus den bereits dargelegten Gründen der Zulassung der eben an den Zeugen Dr. Herold gestellten Frage.

Vors.:

Herr Dr. Herold, sehen Sie diese Frage als von Ihrer Aussagegenehmigung gedeckt an oder nicht?

Zeuge Dr. He[rold]:

Nein. Ich darf nur darauf hinweisen, daß der Text der Äußerungen dort protokollarisch niedergelegt ist und verlegt wurde.

Vors.:

Verlegt wurde?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ja, es ist gedruckt und publiziert, verlegt.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, trifft es zu, daß Sie in dieser Veranstaltung geäußert haben, daß bestimmte historische Bedingungen die Grundlage für das Auftreten einer Gruppierung wie der Roten-Armee-Fraktion sind, daß also es sich um die Wiederspiegelung objektiver Bedingungen handelt, und daß es unter anderem auch damit zu tun hat, daß ein[ttt] unerträgliches Mißverhältnis besteht zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen in den sogenannten Industrieländern einerseits und der sogenannten Dritten Welt andererseits, und daß aus diesem ökonomischen Mißverhältnis das Auftreten einer solchen Gruppierung erklärbar ist.

Vors.:

Herr Dr. Herold, wie steht es hier mit Ihrer Aussagegenehmigung zu diesem Punkte?

Zeuge Dr. He[rold]:

Ich habe keine, und ich glaube auch nicht, daß ich sie erhalten würde, denn meine Aussagegenehmigung beschränkte sich immer nur auf Fakten; hier sind offenbar Sachverständigenurteile oder Werturteile allgemeiner Art gemeint.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt Schily, von[uuu] vier Fragen war die Rede,[vvv] aber bitte, natürlich.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold ...

Wie bitte?

Vors.:

Sie hatten vorhin von vier Fragen geredet, aber selbstverständlich ...

[13653] RA Schi[ly]:

Nein, nein, ich hatte ja ganz allgemein von der Einschätzung, das ist ein[www] Fragenkomplex naturgemäß, von Herrn Dr. Herold der Roten-Armee-Fraktion.

Herr Dr. Herold, hat das Bundeskriminalamt sich an Überlegungen und auch infolge dieser Überlegungen an Maßnahmen beteiligt, die eine militärisch-politische Bekämpfung der Roten-Armee-Fraktion zum Inhalt hatten, wobei auch das Instrumentarium einer[xxx] psychologischen Kriegsführung verwendet wurde. Und ist bei dieser Bekämpfung insbesondere auch nach bestimmten Methoden verfahren worden, die innerhalb des Nato-Generalstabes entwickelt worden sind?

Vors.:

Zunächst, Herr Dr. Herold, die Frage, die gleiche, wie jetzt schon viele Male ...

Zeuge Dr. He[rold]:

Ja, es ist sehr ärgerlich, daß ich mich hier auf formelle fehlende Aussagegenehmigung berufen muß, weil hier durch, ein solcher Antrag natürlich einen propagandistischen Eigenwert erhält. Aber ich kann dienstrechtlich nicht umhin, zunächst das formelle Fehlen hervorzuheben.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Herold, ist das ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich bitte ums Wort.

Vors.:

Wollen Sie eine Beanstandung oder ...?

OStA Z[eis]:

Ja.

Vors.:

Bitte.

OStA Z[eis]:

Es kann doch wohl nicht angehen, daß Herr Rechtsanwalt Schily - ich weiß nicht wie lang - laufend noch Fragen stellt, die offensichtlich von der Aussagegenehmigung des Zeugen nicht gedeckt sind. Es wäre seine Sache gewesen, wenn er hier einen Zeugen präsentiert, Fragen an ihn stellen will, im voraus sich über den Umfang und den[yyy] Inhalt der Aussagegenehmigung zu vergewissern. Ich weiß nicht, was das jetzt soll, daß hier Fragen gestellt werden, die lediglich propagandistischen Charakter haben, auf die der Zeuge, aufgrund seiner mangelnden Aussagegenehmigung, dann keine Antwort geben kann, und[zzz] über die heute sowieso dann[aaaa] nicht entschieden werden kann, ob sie zulässig sind oder ob sie nicht zulässig sind.

Ich darf erinnern, daß wir schon einmal ein Prozeßstadium hatten, wo Herr Rechtsanwalt Schily nicht mehr in der Lage war, weitere zulässige, und zwar nach der Prozeßordnung [13654] zulässige Fragen zu stellen.

Notfalls und rein vorsorglich stelle ich deshalb den Antrag,

dem Herrn Rechtsanwalt Schily das Fragerecht für diesen Fall zu entziehen.[28]

RA Schi[ly]:

Ja, Herr Zeis, Ihr Einfallsreichtum in Ehren; aber die Verwendung beispielsweise dieses Ausdrucks „propagandistisch“, was ja ein gewisses[bbbb] Echo auch bei dem Zeugen gefunden hat, die belehrt mich nur wieder darüber, daß Sie eben einer sachlichen Auseinandersetzung über diesen Themenkreis aus dem Wege gehen wollen. Inwieweit der Zeuge Aussagegenehmigung benötigt, hat er selbstverständlich selbst zu entscheiden. Man könnte aber daran denken, daß natürlich diese Gesichtspunkte durchaus auch vorweg in Form einer generellen Aussagegenehmigung diskutiert werden können, und auch die entsprechende Erlaubnis erteilt wird. Im übrigen scheint es mir doch sinnvoll zu sein, diese Fragen zu stellen, damit dann notfalls eine ergänzende Aussagegenehmigung erteilt werden kann; einen entsprechenden Antrag habe ich ja schon angekündigt, daß das Gericht dann veranlaßt wird, diese Erweiterung der Aussagegenehmigung herbeizuführen.

Vors.:

Falls in der Beanstandung des Wortes „propagandistisch“ also auch ein Seitenblick auf das Gericht angeknüpft worden sein sollte, daß es den Antrag nicht gerügt hat: Ich entsinne mich, daß ein solcher Ausdruck mindestens in ein oder zwei Entscheidungen des Reichsgerichts, und ich meine auch des Bundesgerichtshofs, aufgetaucht ist; und Reichsgericht, Bundesgerichtshof darf man wohl zitieren. Deswegen sah ich keinen Anlaß, hier irgendwelche Beanstandungen vorzunehmen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es geht ja nicht darum, daß ein solches Wort verwendet wird ...

Vors.:

Ja, dann ist ja gut; ich entnahm das nur Ihren Worten und wollte das klarstellen,

RA Schi[ly]:

Nein, nein ...

Vors.:

... was die Gründe da hierfür sind.

RA Schi[ly]:

Nein, nein, Herr Zeis kann soviel von Propaganda reden, wie er will. Ich nehme mir allerdings das Recht [13655] heraus, auf das, was er,[cccc] die Bundesanwaltschaft hier von sich gibt, auch als Propaganda zu bezeichnen, in einem ganz anderen Sinne. Und ich nehme zur Kenntnis, daß das Gericht es zuläßt, daß also dieser Ausdruck verwendet wird. Nur, worauf ich hinweisen wollte, daß man nicht mit der Frage, mit solchen Etiketten, wie propagandistisch, einer sachlichen Auseinandersetzung ausweichen kann. Das ist meiner Meinung nach nicht der Aufklärung des Sachverhalts förderlich; aber das hat die Bundesanwaltschaft mit sich selbst abzumachen.

Ende Band 806

[13656] Vors.:

Nun ist es so, Sie sind ja von vornherein eigentlich davon ausgegangen, Herr Rechtsanwalt Schily, daß diese noch zu stellenden Fragen von der Aussagegenehmigung nicht gedeckt sind, weil eine ergänzende Aussagegenehmigung noch nicht zur Entscheidung gekommen ist. Sie haben dann trotzdem Fragen gestellt und man wird sich nun wirklich bei der 4. und 5. Frage überlegen müssen, ob es sinnvoll ist, eine Befragung fortzusetzen, die unter der Voraussetzung der Nichtzulässigkeit begonnen worden ist und die auch im konkreten Fall jeweils dazu geführt hat, daß sie nicht zulässig ist. Ich würde Sie schon bitten, diese Überlegung bei etwaigen weiteren Fragen zu berücksichtigen.

RA Schi[ly]:

Selbstverständlich will ich das berücksichtigen. Nur scheint es mir sinnvoll zu sein, wenn ich einen Antrag vorbereite, daß das Gericht seinerseits auf eine Erteilung bzw. Erweiterung der Aussagegenehmigung hinwirken möge. Daß dann die zu stellenden Fragen hier im Protokoll erscheinen, das, glaube ich, ist doch der Sache durchaus förderlich.

Also die weitere Frage, die ich zu stellen hab, ich werde mich dann sehr beschränken, um die Zeit auch nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen. Und zwar zwei Fragen, die noch zu stellen sind: Trifft es zu, daß Sie die Auseinandersetzung mit der Roten-Armee-Fraktion, zwischen dem Staatsapparat der Bundesrepublik und der Roten-Armee-Fraktion, als eine Form des Krieges bezeichnet haben, und gegebenenfalls welche Tatsachen haben Sie zu dieser Bezeichnung veranlaßt?

Und die zweite Frage, die ich zu stellen habe: Trifft es zu, daß Sie, bzw. das Bundeskriminalamt an der Ausarbeitung bzw. Übernahme weltweiter Counter-Insurgency-Programme beteiligt sind, und inwieweit haben diese Programme Anwendung bei der Bekämpfung der Roten-Armee-Fraktion gefunden?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie wissen ja, daß ich großen Wert darauf lege auf klare und deutliche Ausdrücke. Ich weiß wohl, daß der Begriff der „Counter-Insurgency“ in diesem Verfahren schon häufig genannt worden ist, aber was das nun richtig sein soll, das ist mir bis jetzt noch nicht ganz klargeworden. Vielleicht könnten Sie es mit einem deutschen Ausdruck verdeutlichen?

RA Schi[ly]:

Ja, eine gegenrevolutionäre oder eine Gegenaufstandsstrategie. Insurgent ist Ihnen vielleicht ein geläufiger Be- [13657] griff.

Vors.:

Also hier die Insurgenten und dort gegen die Insurgenten. Ja nun, das macht die Polizei ja häufig. Hier ist einer, den man sucht und dort ist die Polizei, die ihn sucht. Das ist an sich nichts außergewöhnliches.

RA Schi[ly]:

Wie bitte?

Vors.:

Das ist an sich nicht so außergewöhnliches, daß man vielleicht den Ausdruck ...

RA Schi[ly]:

Ob das außergewöhnlich ist oder nicht, das ist eine andere Frage.

Vors.:

Also ich sehe ...

RA Schi[ly]:

Ein geläufiger Begriff aus der ganzen Literatur über Guerilla; können Sie sich vielleicht mal damit beschäftigen.

Vors.:

Ja, Herr Dr. Herold, die zwei Fragen: Einmal, ob Sie das als Form des Krieges bezeichnet haben und welche Tatsachen[dddd] Sie gegebenenfalls dazu gebracht hätten, und dann also die Übernahme weltweiter Gegenaufstandsbekämpfungsmaßnahmen.

Zeuge Dr. Her[old]:

Ich muß denselben formellen Einwand bringen.

Vors.:

Gut. Sonst noch Fragen, Herr Rechtsanwalt Schily?

RA Schi[ly]:

Dann habe ich keine Fragen mehr, danke schön.

Vors.:

Sind sonst noch irgendwelche Fragen an den Zeugen, Herrn Dr. Herold? Nicht.

Der Zeuge Dr. Herold wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 12.40 Uhr entlassen.

Vors.:

Zunächst also die Frage nach der Erklärung § 257[ StPO][29] etwa. Und dann hatten Sie von einem Antrag gesprochen, der sich speziell auf diese Vernehmung bezog.

RA Schi[ly]:

Ja, ich stelle also den Antrag,

beim Bundesinnenministerium eine Erweiterung der Aussagegenehmigung für Herrn BKA-Präsidenten Dr. Herold herbeizuführen und zu den Fragen, die ich jetzt zuletzt gestellt habe, Herrn Dr. Herold ergänzend zu vernehmen.

Im übrigen habe ich noch weitere Anträge zu stellen. Zunächst einmal an erster Stelle ...

Vors.:

Zunächst die Frage, weil wir ja jetzt das Gebiet des § 257[ StPO] verlassen. Soll hierzu noch irgend etwas? Nichts. Dann bitte, Herr Rechtsanwalt.

[13658] RA Schi[ly]:

Dann stelle ich zunächst den Antrag,

die Hauptverhandlung zu unterbrechen und Herrn Bundesinnenminister Maihofer zu vernehmen zur Klärung der Frage, ob Gespräche zwischen den Angeklagten dieses Verfahrens einerseits und Gespräche zwischen den Angeklagten dieses Verfahrens und ihren Verteidigern unzulässiger Weise heimlich abgehört, auf Tonband aufgezeichnet und Staatsschutzbehörden oder anderen Dienststellen zur Auswertung überlassen worden sind. Es liegen Anhaltspunkte vor, daß die beschriebenen unzulässigen Abhörmaßnahmen auch im Bereich von Vollzugsanstalten durchgeführt werden und es[eeee] erscheint geboten, zur Wahrung der Rechte der Verteidigung diese Frage aufzuklären und vorläufig auch in dem Verfahren nicht fortzufahren.

Das ist der erste Antrag, den ich an erster Stelle ...

Vors.:

Sie sind möglicherweise bereit, Herr Rechtsanwalt, diese Anhaltspunkte zu nennen. Das könnte ja für die Bescheidung von Bedeutung sein, daß wir die kennen.

RA Schi[ly]:

Ich kann u.a. nennen, u.a. betone ich, da Sie ja sicherlich im Zusammenhang mit dem Fall Traube[30] sich einmal beschäftigt haben mit den Kriterien, die bestimmte Dienststellen für ausreichend halten, um solche Abhörmaßnahmen durchzuführen. Wenn man allein Mal die Kriterien sich anschaut, dann würde[ffff] allein daraus sich ein bestimmtes Verdachtsmoment, bestimmte Verdachtsmomente ergeben. Ich darf aber auch hinweisen auf die Erklärung des Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Herrn Herbert Wehner, der in letzten Presseberichten zitiert worden ist und der sinngemäß die Forderung aufgestellt hat, daß auch in Zukunft Abhörmaßnahmen, wie etwa im Fall Traube, in Haftanstalten unterbleiben sollen. Die besondere Hervorhebung in der Erklärung von Herrn Wehner, daß auch solche Maßnahmen in Haftanstalten unterbleiben sollen, hat sicherlich ihren,[gggg] eine solide Grundlage in Informationen, die Herrn Wehner vorliegen. Welche weiteren Anhaltspunkte für die von der Verteidigung gewünschte Aufklärung vorliegen, werden wir möglicherweise zur gegebener Zeit dem Gericht noch vortragen.

Ich stell dann weiter den Beweisantrag,

den Kriminalbeamten KHM[hhhh] Kleinwort, den ich schon zu einem früheren Zeitpunkt zu einem anderen Beweisthema benannt hatte, zu laden über die Kriminalpolizei in Hamburg, als Zeugen zu vernehmen. Der Zeuge wird bekunden, daß die Zeugin [13659] Susanne Mordhorst in einer von dem Zeugen Kleinwort Anfang Juli 1972 durchgeführten Vernehmung u.a. folgendes erklärt hat:

„Mir ist hier gesagt worden, daß vom 29.5. bis 2.6.1972 im Inselhotel in Heilbronn eine junge Dame gewohnt hat, die sich dort mit meinem Reisepaß ausgewiesen haben soll. Der Reisepaß ist ausgestellt gewesen am 26.2.1969 vom Einwohnermeldeamt Hamburg. Ich lege hier als Legitimation meinen Bundespersonalausweis vor, der am 15. Mai 1972 vom Einwohnermeldeamt in Hamburg-Blankenese ausgestellt worden ist. Einen Reisepaß habe ich auch besessen. Nach meiner Schätzung müßte der eine Gültigkeitsdauer bis 1974 gehabt haben. Diesen Paß habe ich mir seinerzeit in Hamburg ausstellen lassen. Nachdem mir meine Mutter gestern durch das Gespräch mit den Kriminalbeamten diese Angelegenheit vom Reisepaß mitteilte, habe ich sofort nach meinem Paß gesucht und ihn nicht gefunden. Bis heute konnte ich meinen Reisepaß nicht finden. Verliehen habe ich ihn auch mit Sicherheit an niemanden. Ich kann nicht sagen, ob ich ihn verloren habe, möchte aber noch offenlassen, ob er mir eventuell gestohlen oder anderweitig verlorengegangen ist. Mit Bestimmtheit kann ich heute auch nicht mehr sagen, wann ich ihn zuletzt in Händen hatte. Ich war mit Freunden von Ende März bis Anfang April 1972 in Paris und hatte damals meinen Bundespersonalausweis mit. Es kann sein, daß ich damals auch außerdem noch meinen Reisepaß bei mir hatte. Das kann ich aber nicht mit Sicherheit sagen. Seither habe ich ihn bestimmt nicht mehr bewußt in Händen gehabt. Denn seit dieser Zeit habe ich Hamburg nicht mehr verlassen, weil ich hier das Sommersemester mitmache. In Heilbronn bin ich mit Sicherheit in meinem Leben noch nie gewesen. Abschließend möchte ich erklären, daß mir das Vorkommnis in Heilbronn, bei dem offenbar mein Reisepaß mißbräuchlich verwandt wurde, völlig unerklärlich ist.“

Ferner stelle ich den Antrag,

die vollständigen Akten des Strafverfahrens oder des Ermittlungsverfahrens gegen Baader u.a. der Bundesanwaltschaft 1 BJs 31/75 beizuziehen und der Verteidigung Gelegenheit zu geben, diese Akten einzusehen.

Ich habe bei der Befragung von Herrn BKA-Präsidenten Dr. Herold bereits darauf hingewiesen, daß die hier vorliegenden Akten unvollständig sein müssen, weil die letzte Eintragung vom 30. Mai 1975 datiert und man nicht davon ausgehen kann, [13660] daß nach dem 30. Mai 1975 nichts mehr in der Akte passiert ist. Ich habe mich mehrfach an die Bundesanwaltschaft unmittelbar gewandt, zunächst an Herrn BA Dr. Wunder, und habe aber jetzt zuletzt von Herrn Bundesanwalt Holland ein Schreiben erhalten, in dem er mir nur lediglich mitteilt, daß Herr[iiii] Wüst sich bei der Bundesanwaltschaft gemeldet habe und daß aufgrund dieser Mitteilung von Herrn Wüst, der ja hier als Zeuge vernommen worden ist, dann weitere Ermittlungen durchgeführt worden sind. Aber das ist ja ein Vorgang, der aus der letzten Zeit datiert. In der Zwischenzeit kann ja nicht ein vollständiger Stillstand da eingetreten sein. Ich halte es für erforderlich - gerade im Zusammenhang mit der Überprüfung dieses Vorganges Barz, der ja auch für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Gerhard Müller eine nicht ganz untergeordnete Rolle spielt; daß sowohl das Gericht, aber auch alle übrigen Prozeßbeteiligten von den vollständigen Ermittlungsakten Kenntnis erhalten.

Ferner beantrage ich,

die Strafakten des Strafverfahrens gegen Gerhard Müller beizuziehen und das Schreiben des Rechtsanwalts von Plottnitz vom 17. Juli 1972 aus diesen Akten zu verlesen. Die Verlesung wird ergeben, daß Seitens der damaligen Verteidigung von Herrn Müller vorgetragen worden ist, daß der Zeuge Wolf für den Fall der Aussagebereitschaft Herrn Müller angeboten hat 50 % Straferlaß und finanzielle Vorteile.

- Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 4 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und in Ablichtung dem Protokoll beigefügt wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie hatten heute noch, ja ich weiß nicht, war der Antrag dann gestellt oder nicht, die Spurenakten vorzulesen.

RA Schi[ly]:

Den Antrag stelle ich zunächst zurück. Den bitte ich, als nicht gestellt zu betrachten.

OStA Z[eis]:

Ich möchte dazu Stellung nehmen, Herrn Vorsitzender.

Vors.:

Bitte sehr.

OStA Z[eis]:

Zum Antrag 1, das Gericht solle um eine Erweiterung [13661] der Aussagegenehmigung bemüht sein: Hier verkennt Herr Rechtsanwalt Schily, daß es sich um ein präsentes Beweismittel[31] handelt und nicht um ein aufgrund eines Beweisantrages dem[jjjj] stattgegeben wurde. Infolgedessen ist es ureigene Aufgabe von Herrn Rechtsanwalt Schily selbst, um eine etwaige Erweiterung der Aussagegenehmigung sich zu kümmern, nicht aber Sache des Gerichtes.

Zum Antrag Ziffer 2, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, den Zeugen Maihofer zur Klärung der Frage hier zu laden, ob Gespräche zwischen den Angeklagten einerseits und zwischen den Angeklagten und ihren Anwälten [kkkk] überwacht[llll] worden sind, dazu folgendes: Es konnte ja wohl nicht erwartet werden, daß der Herr Rechtsanwalt Schily aus dem Fall Traube nicht versuchen würde, auch Kapital zu schlagen. In seinem[mmmm] Bestreben, öffentlichkeitswirksame Anträge hier in diesem Gerichtssaal zu stellen, geht er jetzt schon soweit, daß er Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag durcheinander bringt[32] und nicht mehr auseinanderhält. Tatsächlich handelt es sich nämlich hier um einen reinen Beweisermittlungsantrag. Die Bundesanwaltschaft ist der Überzeugung, daß auch die Sachaufklärung gem. § 244 Abs. 2 StPO,[33] zumal bei einem solch haltlosen Antrag, nicht gebietet den[nnnn], Zeugen darüber zu vernehmen.

Vors.:

Herr Bundesanwalt, auch Sie darf ich bitten, möglichst jegliche Schärfe und dergleichen und abwertende Äußerungen zu vermeiden. Wir wollen uns an die Sache halten; dann kommen wir der Sache am nächsten.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich bin gerne bereit, Ihrer Bitte zu entsprechen. Ich meine aber, wenn hier unterstellt wird, daß mittels irgendwelcher Lauschmittel Gespräche zwischen Angeklagten einerseits und Angeklagten und Verteidigern andererseits überwacht werden würden, dann meine ich doch von Seiten der Bundesanwaltschaft hier auch einmal ein solches Wort sagen zu dürfen. Zum Antrag Ziffer 3: Wir sind der Überzeugung, daß das in das Wissen des Zeugen Kleinwort Gestellte[oooo] als wahr unterstellt[34] werden kann. Dem Antrag auf Beiziehung der Akten 1 BJs 31/75 meinen wir, daß es sich hier um einen reinen Beweisermittlungsantrag handelt. Die Beiziehung dieses Dokuments aus dem Strafverfahren gegen Müller, dazu sind wir der [13662][35] [13663] Auffassung, daß es gem. § 244 Abs. 3 StPO[36] nicht darauf ankommt. Zum Antrag, den Zeugen Burg dazu zu vernehmen, daß im Mai 1972 Ingeborg Barz noch gelebt haben soll, behalten wir uns ausdrücklich eine Stellungnahme vor. Dankeschön.

Vors.:

Bitte sehr, Herr Rechtsanwalt?

RA Schi[ly]:

Ich habe gar nicht in Abrede gestellt und ich wüßte nicht, daß ich meinen ersten Antrag als Beweisantrag gekennzeichnet habe. Ich habe ausdrücklich die Formulierung verwendet „ob“ zur Aufklärung, „ob“, kein Beweisantrag gestellt, ein Beweisermittlungsantrag, wie der Herr Bundesanwalt Zeis ganz zutreffend erkannt hat.

Vors.:

Dann besteht ja Einigkeit. Herr Rechtsanwalt Schily, Sie sagten, der Herr Burg der wohne in Möhrfelden bei Langen. Wären Sie nicht in der Lage, wenigstens die Postleitzahl zu nennen. Mir ist im Augenblick ... Bevor wir also das Ortsverzeichnis für die Bundesrepublik und auch noch die Umgebung durchstöbern, wäre es natürlich schon nützlich ...

RA Schi[ly]:

Ich gehe davon aus, daß es der Ort Langen ist, der eben in der Nähe von Frankfurt liegt.

Vors.:

In der Nähe von Frankfurt. Das wäre immerhin ein Anhaltspunkt.

Wir machen jetzt eine kurze Pause: Um 13.05 Uhr bitte ich die Beteiligten, wieder hier zu sein.

Pause von 12.56 Uhr bis 13.06 Uhr.

Ende von Band 807

[13664] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 13.06 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Holoch ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Ich habe nur bekannt zu geben, daß wir die Sitzung 15.30 Uhr fortsetzen. Wir werden uns in der Zwischenzeit schon über die gestellten Anträge Gedanken machen. Fortsetzung 15.30 Uhr.

Pause von 13.06 Uhr bis 15.34 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung sind Oberstaatsanwalt Holland und Rechtsanwalt Grigat nicht mehr anwesend.

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt. Die Herren Rechtsanwälte Grigat und Dr. Holoch haben sich wegen anderweitiger anwaltlicher Inanspruchnahme entschuldigt.

Es sind folgende Beschlüsse zu verkünden:

Der Antrag, Herrn Vorsitzenden Richter Hadenfeldt zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorgänge, die der Antragsteller im Antrag behauptet, mit dem hier anhängigen Verfahren in Verbindung stehen könnten; sie sind ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Die Pflicht zu umfassender Aufklärung gebietet die Vernehmung von Herrn Hadenfeldt ebenfalls nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 136a StPO;[37] denn auch insofern sind verfahrensbedeutsame Zusammenhänge nicht erkennbar.

Damit erledigt sich die Frage einer nochmaligen Vernehmung des Zeugen Otto-Werner Müller.

- - -[pppp]

Dann:

Der Antrag, beim Bundesminister des Innern eine Erweiterung der Aussagegenehmigung für [13665] den Zeugen Dr. Herold herbeizuführen, wird abgelehnt.

Gründe:

Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Einigkeit darüber, daß die in dem Antrag in Bezug genommenen Beweisfragen von der bisher erteilten Aussagegenehmigung nicht erfaßt werden. Zum Teil hat RA Schily beim Bundesminister des Inneren Aussagegenehmigung beantragt, aber bisher nicht erhalten, zum Teil ist das nicht der Fall.

Mit den Fragen, ob durch gezielte Indiskretionen aus zurückgehaltenen Akten bestimmte Presseveröffentlichungen zur psychologischen Beeinflussung der Bevölkerung herbeigeführt worden sind, und ob mit Herrn Zimmermann ein Beratervertrag abgeschlossen wurde sowie Herrn Zimmermann Teile aus Ermittlungsakten überlassen wurden, hat sich der Senat schon im Beschluß vom 17.2.77 befaßt und den dahingehenden Antrag abgelehnt, weil die behaupteten Tatsachen ohne Bedeutung für das Verfahren sind. Daran hat sich nichts geändert. Aus diesem Grund besteht für den Senat nach wie vor kein Anlaß, eine Erweiterung der Aussagegenehmigung herbeizuführen.

Gleiches gilt für die weiteren Fragen, für die keine Aussagegenehmigung vorliegt; ein Zusammenhang mit dem Verfahren ist nicht erkennbar.

Der Senat hat den gem. § 220 StPO unmittelbar geladenen[38] Zeugen Dr. Herold im Rahmen der ihm erteilten, von RA Schily herbeigeführten Aussagegenehmigung vernommen. Es ist Sache des Antragstellers, eine etwa gewünschte Erweiterung dieser Genehmigung zu erwirken; dementsprechend ist RA Schily, wie erwähnt, auch schon an den Bundesminister des Innern herangetreten.

Auch die Aufklärungspflicht gebietet nichts anderes.

- - -[qqqq]

Dann:

Der Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen und Herrn Bundesminister des Innern Maihofer zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Senat sieht keine konkreten Anhaltspunkte, die ihn [13666] veranlassen könnten, die vom Antragsteller gewünschten Ermittlungen anzustellen.

- - -[rrrr]

Des weiteren:

Der Antrag, den Kriminalbeamten Kleinwort aus Hamburg zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Behauptung, Frau Susanne Mordhorst habe Anfang Juli 1972 gegenüber dem Kriminalbeamten Kleinwort die in dem Antrag angeführten Aussagen gemacht, wird so behandelt, als wäre die behauptete Tatsache - daß nämlich diese Aussagen dem Beamten gegenüber gemacht wurden - wahr.

- - -[ssss]

Dann der Beschluß:

Der Antrag,

die Akten 1 BJs 31/75 der Bundesanwaltschaft über die schon vorliegenden Akten hinaus beizuziehen, wird abgelehnt.

Gründe:

Das Gericht hat in einem früheren Zeitpunkt die Akten der Bundesanwaltschaft 1 BJs 31/75 zugezogen. Ob dazu inzwischen weitere Aktenteile angefallen sind, ist dem Senat nicht bekannt. Solche etwaigen Aktenteile beizuziehen, sieht der Senat ohne nähere Anhaltspunkte aufgrund des Ermittlungsantrags keinen Grund. Zu der Frage, ob Frau Barz lebt, hat der Senat schon mehrere Zeugen, zuletzt die Zeugen Wüst und Dr. Herold, vernommen.

- - -[tttt]

Dann:

Der Antrag, aus den Akten gegen Herrn Gerhard Müller das Schreiben des [uuuu] Rechtsanwalts von Plottnitz vom 17.7.72 beizuziehen und zu verlesen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Behauptung, seitens der damaligen Verteidigung von Herrn Gerhard Müller sei vorgetragen worden, der Zeuge [13667] Wolf habe für den Fall der Aussagebereitschaft Herrn Müller 50 % Straferlaß und finanzielle Vorteile angeboten, wird so behandelt, als wäre die behauptete Tatsache - solches sei von der Verteidigung vorgetragen worden - wahr (§ 244 Abs. III Satz 2 StPO).

- - -[vvvv]

Schließlich noch ein Beschluß:

Der Senat sieht davon ab, darauf hinzuwirken, daß den Zeugen Freter und Radzey über die bisher erteilte Aussagegenehmigung hinaus Aussagegenehmigung im vollen Umfang des Beweisantrags vom 1.3.77 erteilt wird.

Gründe:

Die Vernehmung der Zeugen Freter und Radzey am 10.3.77 wurde abgeschlossen, ohne daß ein Verfahrensbeteiligter Fragen gestellt hätte, die mangels Aussagegenehmigung unbeantwortet geblieben wären. Auf deren Ausdehnung hinzuwirken, besteht also kein Bedürfnis.

Des weiteren ist zu erwägen: Der Beweisantrag befaßt sich durchweg mit Fragen, die allenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 136a StPO (Vernehmung des Zeugen Gerhard Müller) mit dem anhängigen Verfahren in Verbindung zu bringen sind. Insoweit ist Freibeweis[39] am Platze, der hier auch unter Berücksichtigung der Pflicht zu umfassender Aufklärung das beantragte Tätigwerden des Gerichts nicht erfordert. Der Senat hat in seinen Beschlüssen vom 1.3.77 (betr. die Kriminalbeamten Opitz und Petersen) hierzu Ausführungen gemacht;[40] darauf wird verwiesen. Der Senat ist im Rahmen seiner Aufklärungspflicht der Frage, ob Müller Zusicherungen zur etwaigen vertraulichen Behandlung seiner Angaben gegeben wurden, nachgegangen. Dazu hat er u.a. die Zeugen Fernholz, Freter und Radzey vernommen. Sie wissen von solchen Zusagen nichts. Weitere Aufklärung wäre möglicherweise in Betracht gekommen, wenn einer der Zeugen bestätigt hätte, ihm sei von einer dem Zeugen Müller gegebenen Zusicherung berichtet worden; das war indes nicht der Fall.

Daß die Vermerke und Niederschriften über Angaben des [13668] Zeugen Müller wegen ihrer vertraulichen Behandlung keinen Eingang in andere Akten gefunden haben, ergibt sich eben aus ihrer Vertraulichkeit; davon geht der Senat aus.

Soweit hier die Glaubwürdigkeit anderer Zeugen zur Schuld-, gegebenenfalls Straffrage[41] berührt sein könnte, stehen die offengebliebenen Fragen des Beweisantrags in einem so entfernten gedanklichen Zusammenhang, daß sie für die Beurteilung des Senats ohne Bedeutung sind.

- - -[wwww]

Vors.:

Offen ist jetzt noch der Beweisantrag auf Ladung und Vernehmung des Zeugen Burg. Hierüber hat der Senat noch nicht entschieden. Der Senat hat Ermittlungen angestellt, ob es den Zeugen Burg überhaupt gibt, ob es ihn unter der angegebenen Anschrift gibt. Es hat sich ergeben, daß er bei der Stadtverwaltung Langen, wo er wohl früher beschäftigt war, jedenfalls nicht mehr beschäftigt ist. Er wohne seit langem wo ganz anders. Auch nicht in Möhrfelden. Der Senat wird prüfen, ob unter der angegebenen Anschrift, die in Westfalen liegen soll, der Zeuge Burg bekannt ist und geladen werden kann. Dazu werden wir noch eine Pause machen, denn von dem Ausgang dieser Ermittlungen kann die weitere Terminierung des Senats abhängen.

Sind im Augenblick sonstige Anträge zu stellen?

RA Schi[ly]:

Ja, ich stelle noch den Antrag:

Den Kriminalhauptkommissar[xxxx] Stahmer zu den Beweisthemen zu vernehmen, die Gegenstand des Beweisantrages des Polizeibeamten Otto-Werner Müller waren.

Vors.:

Ja, gut. Wir machen 16.30 Uhr weiter. Ich hoffe, daß ich bis dahin wegen des Zeugen Burg und damit auch wegen der weiteren Terminierung näheres sagen kann.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich darf darauf hinweisen, daß ich auf eine Maschine 17 Uhr gebucht bin. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich mich dann telefonisch nach den Entscheidungen des Senats erkundigen werde, da ich sonst eine wichtige ...

Vors.:

Naja, ich kann Sie selbstverständlich[yyyy] nicht halten. Aber es wäre natürlich schon gut, wenn Sie die volle Sitzung wahrnehmen könnten, denn Sie wissen ja, morgens sind [zzzz] Verspätungen da, und das kann man natürlich nicht dadurch wettmachen, daß man abends etwas früher weggeht.

[13669] RA Schi[ly]:

Vielleicht haben Sie die Möglichkeit, die Pause etwas zu kürzen, daß Sie auf 16 Uhr dann die Sitzung fortsetzen, in der Zwischenzeit das klären.

Vors.:

Das hängt eben leider nicht von mir ...

Ja, es hat keinen Wert, wenn ich auf 16 Uhr terminiere und doch schon voraussehe, daß da möglicherweise die Zeit eben doch zu kurz ist. Das hält ja alle Beteiligten bloß unnötig hin. Wir müssen schon bei 16.30 Uhr bleiben.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es kann sich eigentlich ja doch nur darum handeln, daß Sie bekanntgeben um 16.30 Uhr - ich habe keine weiteren Anträge zu stellen heute - es kann sich ja nur darum handeln, daß Sie die Entscheidung des Senats bekanntgeben. Und ich werde mein Büro bitten, sich mit der Geschäftsstelle in Verbindung zu setzen, um 16.30 Uhr oder 17 Uhr, um dann in Erfahrung zu bringen, wie der Senat entschieden hat. Insofern glaube ich, ist es verständlich, wenn ich jetzt dadurch nicht meine Maschine um 17 Uhr verpassen möchte.

Vors.:

Nun ist natürlich so, ich weiß natürlich nicht, bevor wir befunden haben, weiß ich nicht, wie diese Beschlüsse aussehen werden.

RA Schi[ly]:

Ja, ja sicherlich. Nur Sie werden ja Beschlüsse fassen so oder so. Und es geht ja dann nur um die Kenntnisnahme der Beschlüsse, wenn ich also ankündige, daß ich keine weiteren Anträge zu stellen habe.

Vors.:

Ja gut, ich habe zur Kenntnis genommen, daß Sie dann der weiteren Verhandlung nicht mehr beiwohnen wollen. Das bedaure ich. Ich meine, es sei Ihre Pflicht,[42] aber bitte sehr, ich kann Sie nicht halten.

Fortsetzung 16.30 Uhr.

Pause von 15.45 Uhr bis 16.31 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist RA Schily nicht mehr anwesend.

Just. Ass. Clemens ist nicht mehr anwesend.

OStA Holland ist wieder anwesend.

Vors.:

Wir setzen fort. Die Erkundigungen haben ergeben, daß es den Herrn Burg in der Tat gibt, und zwar wohnt er in der Gegend von Dortmund wohl. Den Herrn Stahmer gibt es auch, und beide Herren werden voraussichtlich am Donnerstag, 17.3.1977, 10 Uhr hier ver- [13670] nommen werden, weswegen ich alle Beteiligten zu diesem Termin lade, Donnerstag, 17.3.77. 10 Uhr. Ich will dann noch folgendes ankündigen: Der Senat hat vorgesehen - aber auch hier vorbehaltlich einer etwa erforderlich werdenden Änderung - hat vorgesehen, daß die Woche vor Ostern von 4. bis 9. April 1977 sitzungsfrei bleiben soll. Wie gesagt, vorbehaltlich gesagt, aber immerhin, wir haben es ins Auge gefaßt, wenn keine zwingenden Notwendigkeiten sich ergeben.

Soll sonst noch irgend etwas ausgeführt werden? Ich sehe nicht. Dann sehen wir uns am kommenden[aaaaa] Donnerstag, 10 Uhr wieder. Damit ist die Sitzung für heute geschlossen.

Ende der Sitzung 16.34 Uhr

Ende von Band 808


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[5] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des Belastungszeugen und ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[6] Anlage 1 zum Protokoll vom 15. März1977: Aussagegenehmigung für den Kriminaldirektor Müller.

[7] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Verfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde. Nachdem bereits ein Teil der Akte übergeben worden war, beantragte Rechtsanwalt Schily am 159. Verhandlungstag, die noch fehlenden Seiten beizuziehen (S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung). Diese konnten schließlich nach Herausgabe durch die Bundesanwaltschaft am 161. Verhandlungstag an die übrigen Prozessbeteiligten verteilt werden (s. S. 12347 des Protokolls der Hauptverhandlung). Da die Vernehmungen aber fortgeführt wurden, entstanden anschließend noch weitere Aktenbestandteile, deren Beiziehung Rechtsanwalt Schily am 168. Verhandlungstag beantragte (S. 13065 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[8] Die Verteidigung versuchte u.a. zu beweisen, dass die umfassende Aussage des Zeugen Müllers, in welcher er die Angeklagten erheblich belastete, durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden sei (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[9] Bei einem Festnahmeversuch des RAF-Mitglieds Margrit Schiller wurde der Polizeibeamte Norbert Schmid erschossen. Er war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Schiller selbst belastete Gerhard Müller schwer, der mit Urteil vom 16.3.1976 vom LG Hamburg zwar für andere Taten, nicht aber für den Mord an Schmid verurteilt wurde (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Eine Verurteilung wegen Mordes hätte zwangsläufig eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Folge gehabt (§ 211 Abs. 1 StGB). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass auch der Freispruch Müllers in Bezug auf den Mord an Norbert Schmid Teil einer unzulässigen Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden gewesen sei (s. dazu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 8 und 12 zum Protokoll vom 20.7.1976, S. 10649 f., 10659 des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[10] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde (Fn. 9). Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).

[11] Der/Die Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen von Amts wegen oder auf Antrag von Verfahrensbeteiligten selbst zurückweisen (§ 241 Abs. 2 StPO), oder bei Zweifeln die Entscheidung des Gerichts einholen (§ 242 StPO). Die Zurückweisung der Frage durch den/die Vorsitzende/n kann als unzulässig beanstandet werden, was ebenfalls die Entscheidung durch das Gericht zur Folge hat (§ 238 Abs. 2 StPO).

[12] § 244 Abs. 3 bis 6 StPO enthalten die abschließenden Gründe, aus denen Beweisanträge abgelehnt werden können. Für Anträge auf Zeugenvernehmung ist insbes. Abs. 3 relevant. Abgelehnt werden können entsprechende Anträge u.a., wenn die zu beweisende Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung ist.

[13] Der Verteidigung sowie der Staatsanwaltschaft ist auf Verlangen nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären (§ 257 Abs. 2 StPO).

[14] Anlage 2 zum Protokoll vom 15. März 1977: Ladung des Präsidenten des BKA Dr. Herold als Zeugen durch Rechtsanwalt Schily nebst Zustellungsurkunde.

[15] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).

[16] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[17] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[18] § 250 Satz 1 StPO bestimmt zwar: „Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen.“ Hieraus folgt aber nicht, dass die Vernehmung sog. „Zeug/innen vom Hörensagen“ unzulässig ist, da auch diese ihre eigenen Wahrnehmungen, nämlich in der Regel das Gespräch mit dem/der unmittelbaren Zeug/in, bekunden können (BGH, Urt. v. 1.8.1962 – Az.: 3 StR 28/62, BGHSt 17, S. 382). In diesem Sinne können sie unmittelbare Zeug/innen für Indizien sein. Dieser eingeschränkte Beweiswert ist allerdings in der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) zu berücksichtigen (Ott, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 261 Rn. 99).

[19] Anlage 3 zum Protokoll vom 15. März 1977: Aussagegenehmigung für den Präsidenten des BKA Dr. Herold.

[20] Das LG Hamburg verurteilte Gerhard Müller mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Müller selbst legte zunächst das Rechtsmittel der Revision ein. Trotz dadurch eingetretener Hemmung der Rechtskraft (§ 343 Abs. 1 StPO), hatte Müller eine Verschlechterung seiner Situation (etwa durch Erhöhung des Strafmaßes) zum Zeitpunkt seiner Aussagen kaum noch zu befürchten. Die Frist zur Einlegung einer Revision (eine Woche ab Verkündung des Urteils, § 341 Abs. 1 StPO) für die Staatsanwaltschaft war abgelaufen; § 358 Abs. 2 StPO enthält ein Verbot der Schlechterstellung im Rahmen der Revision u.a. für den Fall, dass nur der/die Angeklagte Revision eingelegt hat. Weitere Rechtsmittel stehen gegen ein Urteil des Landgerichts nicht zur Verfügung; ein erneutes Verfahren wegen der abgeurteilten Taten ist nach Art. 103 Abs. 3 GG grundsätzlich ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens zuungunsten des/der Verurteilten besteht nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen (§ 362 StPO). In der Zwischenzeit hatte Müller seine Revision wohl zurückgenommen, sodass das Urteil gegen ihn in Rechtskraft erwachsen war (so Rechtsanwalts Schily am 148. Verhandlungstag, S. 11728 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[21] Die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des Ermittlungsverfahrens, d.h. Ermittlungshandlungen führt sie entweder selbst oder unter Zuhilfenahme der Polizeibehörden durch (§ 160 Abs. 1, 161 StPO). Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übt als Strafverfolgungsbehörde das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 142a Abs. 1 GVG) aus. Diese Zuständigkeit des OLG für Strafsachen in erster Instanz ist nur für besondere Straftaten gegeben, etwa für Hoch- und Landesverrat (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GVG). Der Generalbundesanwalt kann zudem die Strafverfolgung für Strafsachen, die eigentlich zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören würden, wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernehmen (was in der Folge ebenfalls zur Zuständigkeit des OLG in erster Instanz führt, §§ 120 Abs. 2, 74a Abs. 2 GVG).

[22] § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) in der Fassung vom 28.6.1973 (BGBl. I, S. 704) wies die Aufgabe der Verbrechensbekämpfung und die Verfolgung strafbarer Handlungen den Ländern zu, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt war. Nach Absatz 2 übernahm das BKA aber die Aufgabe der Verbrechensbekämpfung u.a. in bestimmten Fällen der international organisierten Kriminalität sowie bei bestimmten Straftaten gegen Träger/innen hoher Staatsämter, wenn die Tat aus politischen Motiven erfolgte und bundes- oder außenpolitische Belange berührte. Nach Absatz 3 übernahm das BKA die Strafverfolgung zudem u.a. bei Anordnung durch den Bundesminister des Innern, oder wenn der Generalbundesanwalt in den Fällen, in denen er die Ermittlungen führte, darum ersuchte. Heute findet sich eine ähnliche Aufgabenzuteilung in § 4 Bundeskriminalamtgesetz (BKAG), wobei die Fälle international organisierter Kriminalität inzwischen auch § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen) umfassen.

[23] Zur grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht von Landes- und Bundesbeamt/innen s. bereits Fn. 4.

[24] Vor dem LG Hamburg fand das Strafverfahren gegen Gerhard Müller statt (s. Fn. 10).

[25] Ein Sperrvermerk kann nach § 96 StPO durch die oberste Dienstbehörde angebracht werden, wenn „das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“ (§ 96 StPO a.F.; entspricht heute § 96 Satz 1 StPO).

[26] § 62 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) a.F. lautete: „Die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde“ (heute geregelt in § 68 Abs. 1 BBG).

[27] Verschlusssachen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG „im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform“. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 SÜG wird eine Verschlusssache in den Geheimhaltungsgrad „VS-VERTRAULICH“ eingestuft, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines der Länder schädlich sein kann. Bis zur Einführung des SÜG, das am 29.4.1994 in Kraft getreten ist und für den Bund gilt (die SÜGs der Länder decken sich in weiten Teilen mit dem Bundes-SÜG), fanden sich die entsprechenden Regelungen in Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder (vgl. dazu die Gesetzesbegründung zum SÜG, BT-Drs. 12/4891, S. 1).

[28] Die/Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen der Verteidigung nach § 141 Abs. 2 StPO zurückweisen. Daraus folgt aber grundsätzlich noch nicht die Befugnis, das Fragerecht im Ganzen zu entziehen und Fragen gar nicht mehr zuzulassen. Nach der Rechtsprechung soll es aber zulässig sein, das Fragerecht bei fortgesetztem und erheblichem Missbrauch etwa im Hinblick auf einen konkreten Zeugen zu entziehen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass das Fragerecht nur noch für Fragen beansprucht werden wird, die zurückzuweisen wären (BGH, Beschl. v. 13.2.1973 – Az.: 5 StR 577/72, MDR 1973, S. 371 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.10.1977 – Az.: 3 Ss 314/77, NJW 1978, S. 436 f.; krit. Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 241 Rn. 32 f.; Strate, StV 1981, S. 261, 263 f.).

[29] S. Fn. 13.

[30] Bei dem „Fall Traube“ handelte es sich um einen Abhörskandal in der Bundesrepublik. Gegen Ende des Jahres 1975 geriet der Atomphysiker Klaus Traube unter Verdacht, in Kontakt zur RAF zu stehen. Daraufhin wurde seine Wohnung vom Bundesnachrichtendienst verwanzt. Die Abhörung brachte zwar keine Ergebnisse, wurde jedoch nach und nach publik. Traube verlor seinen Managerposten in der Atomenergie-Branche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 662 ff.).

[31] Nach § 245 StPO a.F. war die Ablehnung präsenter Beweismittel nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).

[32] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 – Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 – Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.

[33] Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO). Damit trifft die Aufklärungspflicht das Gericht unabhängig von Anträgen der Verfahrensbeteiligten.

[34] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.

[35] Anlage 4 zum Protokoll vom 15.03.1977: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des Herrn Burg als Zeugen.

[36] S. bereits Fn. 12.

[37] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[38] S. Fn. 15.

[39] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 136a StPO wurde zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohl überwiegend das Freibeweisverfahren (auch für die Tatsacheninstanz) für ausreichend angesehen (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166; s. etwa Sarstedt, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 136a Anm. 8). Die Rechtsprechung vertritt diesen Standpunkt weiterhin (BGH, Urt. v. 21.7.1994 – Az.: 1 StR 83/94, NJW 1994, S. 2904, 2905; BGH, Urt. v. 21.7.1998 – Az.: 5 StR 302/97, BGHSt 44, S. 129, 132; siehe auch Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136a Rn. 32). Im Schrifttum mehren sich aber die Stimmen, die die teilweise oder sogar vollständige Anwendung des Strengbeweises fordern (für eine vollständige Anwendung des Strengbeweises s. Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 77; für eine Anwendung des Strengbeweises in den Fällen, in denen die Aussage letztlich für die Straf- oder Schuldfrage verwertet werden soll s. Schuhr, in Knauer/Kudlich/Schneier [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 136a Rn. 99).

[40] S. 13480 des Protokolls der Hauptverhandlung (181. Verhandlungstag).

[41] Zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, findet das sog. Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“) Anwendung. Dieses ist in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt und zeichnet sich u.a. durch eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel (Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, Urkundenbeweis und Inaugenscheinnahme) aus. Die Tatsachen müssen zudem Eingang in die Hauptverhandlung gefunden haben (§ 261 StPO) und grundsätzlich mündlich vorgetragen und erörtert worden sein (sog. Mündlichkeitsprinzip, s. dazu Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 7).

[42] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 – Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 – Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).


[a] Handschriftlich durchgestrichen: Eine Fotokopie

[b] Maschinell ersetzt: daß das eine andere durch im Interesse einer

[c] Maschinell eingefügt: wurde

[d] Maschinell eingefügt: mal

[e] Handschriftlich durchgestrichen: nichts

[f] Maschinell eingefügt: in

[g] Maschinell ersetzt: meinetwegen durch meinethalben

[h] Maschinell eingefügt: es

[i] Maschinell ergänzt: richtigerweise

[j] Maschinell eingefügt: jetzt

[k] Maschinell eingefügt: seine

[l] Maschinell ersetzt: man da durch Mandat wegen

[m] Maschinell ergänzt: dafür

[n] Maschinell ersetzt: mehr durch viel

[o] Handschriftlich eingefügt: eine

[p] Handschriftlich eingefügt: - - -

[q] Maschinell eingefügt: und

[r] Maschinell ergänzt: dazu

[s] Maschinell durchgestrichen: sinnvoll gewesen...

[t] Maschinell ergänzt: darüber

[u] Handschriftlich durchgestrichen: also

[v] Handschriftlich eingefügt: - - -

[w] Maschinell eingefügt: das

[x] Maschinell eingefügt: zur

[y] Maschinell ergänzt: Bundesanwaltschaft

[z] Handschriftlich durchgestrichen: einer

[aa] Maschinell ergänzt: Vernehmungen

[bb] Maschinell ersetzt: Verantwortlich durch Verantwortung

[cc] Maschinell eingefügt: an,

[dd] Handschriftlich ersetzt: Man durch nun

[ee] Maschinell ersetzt: Ausführung durch Äusserung

[ff] Maschinell ersetzt: vom durch zum

[gg] Maschinell ersetzt: sachersten durch sachbefaßten

[hh] Maschinell eingefügt: weil sie

[ii] Maschinell ersetzt: ist durch sind

[jj] Handschriftlich ersetzt: dem Sonderordner durch den Sonderordnern

[kk] Maschinell eingefügt: technicus

[ll] Maschinell eingefügt: werden

[mm] Handschriftlich ergänzt: Anklängen

[nn] Maschinell ersetzt: u.a. durch unter a.

[oo] Handschriftlich ergänzt: also

[pp] Maschinell eingefügt: noch

[qq] Maschinell eingefügt: etwas

[rr] Handschriftlich ergänzt: müssten

[ss] Maschinell ersetzt: Bis jetzt durch bisher

[tt] Maschinell durchgestrichen: nun

[uu] Maschinell ersetzt: der durch nur

[vv] Maschinell eingefügt: ein

[ww] Maschinell ergänzt: inwieweit

[xx] Maschinell eingefügt: Zg. Dr. He.:

[yy] Maschinell eingefügt: dann

[zz] Handschriftlich durchgestrichen: daran

[aaa] Maschinell ersetzt: nicht durch hätte ich es

[bbb] Maschinell ersetzt: bin durch wenn

[ccc] Maschinell ersetzt: hier durch jetzt

[ddd] Handschriftlich durchgestrichen: neuen

[eee] Maschinell eingefügt: nicht

[fff] Maschinell eingefügt: mal

[ggg] Maschinell ergänzt: gewonnenen

[hhh] Maschinell eingefügt: ist,

[iii] Maschinell ersetzt: ist durch ich

[jjj] Handschriftlich ersetzt: unterlassen durch überlassen

[kkk] Maschinell eingefügt: ein

[lll] Maschinell eingefügt: und

[mmm] Maschinell eingefügt: eben

[nnn] Maschinell ersetzt: Herold durch hier

[ooo] Handschriftlich durchgestrichen: wieder wiederholen

[ppp] Maschinell eingefügt: nur

[qqq] Maschinell durchgestrichen: Also...

[rrr] Maschinell eingefügt: OStA Hol.: Herr Vorsitzender ...

[sss] Maschinell eingefügt: haben

[ttt] Maschinell eingefügt: ein

[uuu] Maschinell eingefügt: von

[vvv] Maschinell ersetzt: ... durch war die Rede,

[www] Maschinell eingefügt: ein

[xxx] Maschinell ersetzt: an der durch einer

[yyy] Maschinell eingefügt: den

[zzz] Maschinell eingefügt: und

[aaaa] Maschinell eingefügt: dann

[bbbb] Maschinell ersetzt: dieses durch ja ein gewisses

[cccc] Maschinell eingefügt: er,

[dddd] Handschriftlich ergänzt: Tatsachen

[eeee] Handschriftlich eingefügt: es

[ffff] Handschriftlich ersetzt: wird durch würde

[gggg] Maschinell ersetzt: hier durch ihren

[hhhh] Maschinell eingefügt: KHM

[iiii] Handschriftlich durchgestrichen: Herrn

[jjjj] Maschinell eingefügt: dem

[kkkk] Maschinell durchgestrichen: und

[llll] Handschriftlich ersetzt: bewacht durch überwacht

[mmmm] Maschinell ergänzt: seinem

[nnnn] Maschinell ersetzt: gebetenen durch gebietet den

[oooo] Handschriftlich ergänzt: Gestellte

[pppp] Handschriftlich eingefügt: - - -

[qqqq] Handschriftlich eingefügt: - - -

[rrrr] Handschriftlich eingefügt: - - -

[ssss] Handschriftlich eingefügt: - - -

[tttt] Handschriftlich eingefügt: - - -

[uuuu] Handschriftlich durchgestrichen: Herrn

[vvvv] Handschriftlich eingefügt: - - -

[wwww] Handschriftlich eingefügt: - - -

[xxxx] Maschinell ersetzt: Kriminalhauptmeisterdurch Kriminalhauptkommissar

[yyyy] Maschinell eingefügt: selbstverständlich

[zzzz] Handschriftlich durchgestrichen: ähnliche

[aaaaa] Maschinell eingefügt: kommenden