[13874] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 31. März 1977 um 9.02 Uhr
188. Verhandlungstag
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko, Just. Ass. Clemens.
Die Angeklagten sind nicht anwesend[1]
Als deren Verteidiger sind erschienen:
Rechtsanwälte Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.
Vors.:
Die Sitzung wird fortgesetzt. Die Verteidigung ist gewährleistet. Herr Rechtsanwalt Eggler ist im Hause, wird wohl gleich kommen dann. Herr Rechtsanwalt Schily fehlt. Der Senat hat im Hinblick auf die Anträge, die in der letzten Hauptverhandlung gestellt worden sind, zunächst, die gesamten Anträge konnten natürlich nicht ausgeschöpft werden, zunächst folgendes unternommen im Freibeweise: Er hat zunächst an den Vorsitzenden Richter am OLG Dr. Prinzing geschrieben.
Der Vorsitzende verliest das Schreiben an den Herrn Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing vom 30. März 1977.
Eine Ablichtung dieses Schreibens ist als Anlage 1 dem Protokoll beigefügt.
Rechtsanwalt Eggler erscheint um 9.04 Uhr im Sitzungssaal.
Vors.:
Herr Dr. Prinzing hat darauf geantwortet:
Der Vorsitzende verliest das Antwortschreiben des Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing vom 30. März 1977.
[13875] Eine Ablichtung dieses Schreibens ist als Anlage 2 dem Protokoll beigefügt.
Vors.:
Außerdem habe ich an den Leitenden Regierungsdirektor Nusser, Leiter der Vollzugsanstalt Stuttgart, geschrieben:
Der Vorsitzende verliest das Schreiben an den Leitenden Regierungsdirektor Nusser vom 30. März 1977.
Eine Ablichtung dieses Schreibens ist als Anlage 3 dem Protokoll beigefügt.
Vors.:
Daraufhin ging gestern ein Schreiben von Herrn Nusser ein:
Der Vorsitzende verliest das Antwortschreiben des Leitenden Regierungsdirektor Nusser vom 30. März 1977.
Eine Ablichtung dieses Schreibens ist als Anlage 4 dem Protokoll beigefügt.
Vors.:
Da dieses Antwortschreiben, was Nr. 1 anlangt, mir und dem Senat einigermaßen am Thema vorbeizugehen schien, wir hatten ja nicht gefragt, wer für diese Dinge zuständig gewesen war, es war ja schon erörtert worden, daß das Landeskriminalamt schließlich die Sachen gemacht hat, habe ich Herrn Nusser telefonisch dahin aufgeklärt, daß es hier um sein persönliches Wissen gehe, nicht um irgendwelche Hinweise auf fremde Stellen. Er hat daraufhin telefonisch durchgegeben, er ergänze sein Antwortschreiben wie folgt: „Die Minister Bender und Schiess haben erklärt, es sei nur in den Zeiten vom 25.4. bis 9.5.1975 und vom 6.12.1976 bis 21.1.1977 an einer bestimmten Anzahl von Tagen abgehört[2] worden. Mir ist nichts anderes bekannt.“
Das sind diese zwei Äußerungen, die wir eingeholt hatten. Sodann geben die Erörterungen in der Hauptverhandlung vom 29.3.1977 Anlaß zu folgender Feststellung: Es kann nicht Sache des Senats sein, die durchgeführten Abhörungen über den unmittelbaren Bereich des Verfahrens hinaus in allen Einzelheiten aufzuklären und insbesondere strafrechtlich abschließend zu beurteilen oder zu begutachten. Das kann in den anhängigen Ermittlungsverfahren und etwa sich anschließenden [13876][3] [13877][4] [13878][5] [13879][6] [13880] sonstigen Verfahren geschehen. Anders steht es mit der Zukunft. Um sicherzustellen, daß zukünftige Gespräche zwischen den Angeklagten und ihren Verteidigern ohne Überwachung bleiben, habe ich an den Leiter der Vollzugsanstalt Stuttgart folgendes Schreiben gerichtet:
Der Vorsitzende verliest das Schreiben an den Leitenden Regierungsdirektor Nusser vom 30. März 1977.
Eine Ablichtung dieses Schreibens ist als Anlage 5 dem Protokoll beigefügt.
Vors.:
Ich habe eine Ablichtung dieses Schreibens Herrn Justizminister Dr. Bender, der ja Hausherr der Vollzugsanstalt Stuttgart ist, zugeleitet, mit folgendem Begleittext:
Der Vorsitzende verliest das Schreiben an den Justizminister Dr. Bender vom 30. März 1977.
Eine Ablichtung dieses Schreibens ist als Anlage 6 dem Protokoll beigefügt.
Vors.:
Der Senat hat keinen Sinn darin gesehen, den Herrn Justizminister nochmals detailliert über seine Beurteilung der Vorgänge unter dem Gesichtspunkt des § 34 StGB[7] aufzufordern. Das ist eben Gegenstand der schon erwähnten sonstigen Verfahren. Der Senat hat keine Zweifel, daß diese strikte haftrichterliche Anordnung beachtet werden wird. Die erbetene Bestätigung des Briefempfangs liegt noch nicht vor. Der Brief ist auch erst heute früh zugeschickt worden. Ich meine, hiermit habe der Senat kundgetan, wie er seine schon früher geäußerte Auffassung verwirklichen will, das unüberwachte Verteidigergespräch zu gewährleisten, und habe hinreichend Sicherheit geschaffen, daß sich Abhörungen von Verteidigergesprächen nicht wiederholen werden.
Noch eine Bemerkung: Heute früh erst, Herr Rechtsanwalt Künzel, ist mir Ihr Schreiben zugegangen. Es ist wohl gestern abend sehr spät hier abgegeben worden. Die darin enthaltenen Vorschläge werden selbstverständlich auch unsere Würdigung finden. Sie waren noch nicht zu verwerten.
Eine Ablichtung des Schreibens von RA. Künzel vom 30.3.1977 wird als Anlage 7 zum Protokoll genommen.
[13881] Soll hierzu etwas erklärt werden? Wenn die Prozeßbeteiligten diese Schreiben selber lesen wollen, es sind noch keine Fotokopien verteilt worden, so wäre es möglich, die Verhandlung zu diesem Zwecke einige Zeit zu unterbrechen. Ich bitte um Stellungnahme. Herr Rechtsanwalt Schwarz.
RA Schw[arz]:
Ja, ich beabsichtige eine Erklärung abzugeben, bitte aber vorher eine halbe Stunde Pause einzulegen, damit ich Gelegenheit habe, die Schreiben zu lesen.
Vors.:
Ja, wir werden es am besten fotokopieren lassen und in Verteilung geben. Wollen Sie etwas erklären, Herr Bundesanwalt?
BA Dr. W[under]:
Ich wollte nur erklären, daß damit dem Anliegen der Prozeßbeteiligten aus der Sicht der Bundesanwaltschaft Genüge getan sein dürfte, denn alles andere wäre ohnedies unserer Auffassung nach abstrakte Theoretisiererei. Ich für meinen Bereich meine ohnedies, daß gegenwärtig die[a] in Betracht kommenden Stellen bestimmt nichts mit weiteren Abhöraktionen zu tun haben wollen.
Vors.:
Danke. Dann werden wir 9.45 Uhr fortsetzen.
Pause von 9.12 Uhr bis 9.46 Uhr
In der Pause werden den anwesenden Verfahrensbeteiligten Ablichtungen der dem Protokoll als Anlagen 5 und 6 beigefügten Schriftstücke ausgehändigt.
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.46 Uhr ist RA Künzel nicht mehr anwesend.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort. Werden Wortmeldungen gewünscht? Herr Rechtsanwalt Schwarz, bitte.
RA Schw[arz]:
Die von Ihnen soeben geäußerte Meinung, der Abhörvorgang sei, soweit er dieses Verfahren betreffe, jetzt - soweit möglich - aufgeklärt, ist meines Erachtens leider unzutreffend. Daß der Senat bislang auch anderer Meinung war, entnehme ich aus den beiden Anfragen, die der Senat an den Herrn Justizminister gerichtet hat, in denen ja keineswegs nur davon die Rede war, daß künftige etwa mögliche und beabsichtigte Abhörvorgänge unter allen Umständen vermieden werden müßten, sondern der Senat hat, wie mir scheint zu Recht, detaillierte Aufklärung über die Abhör- [13882][8] [13883][9] [13884-13885][10] [13886] vorgänge verlangt. Die Auskünfte, die er dazu bekommen hat, wurden in der Sitzung verlesen. Sie sprechen teilweise für sich selbst.
Rechtsanwalt Künzel erscheint um 9.48 Uhr wieder im Sitzungssaal.
RA Schw[arz]:
Aber ich bin der Meinung als Verteidiger, diese Vorgänge berühren eben aus bereits hier vorgetragenen Gründen durchaus das Verfahren. Und es ist meine Pflicht als Verteidiger, und nur so kann man die Verteidigerpflicht sehen, den Angeklagten, der von solchen Vorgängen betroffen wurde, umfassend zu schützen nicht nur in der Zukunft, sondern auch aufzuklaren, was ihm in der Vergangenheit angetan wurde. Und um das einmal hier auch auszudrücken, weil solche Bemerkungen an allen möglichen Stellen schon gemacht wurden, dabei kann es gar keine Rolle spielen, daß ich beispielsweise aus bekannten Gründen von diesen Abhörvorgängen nicht betroffen wurde und nicht betroffen sein konnte.[11] Aber hier geht es nicht um meine Person, sondern hier geht es um den Angeklagten, den ich zu verteidigen habe. Und nun zu dem Schriftwechsel, der hier heute verlesen wurde. Ich habe nie einen Zweifel daran geäußert, daß die Darstellung des Senats, die erfreulicherweise gleich zu Beginn des Aufkommens abgegeben wurde, nämlich daß der Senat von dieser Mitteilung, genauso wie jeder andere Prozeßbeteiligte hier, überrascht wurde, zutreffend ist. Aber eines darf doch gesagt werden und muß gesagt werden: Ich habe Zweifel, ob im Rahmen der Fürsorgepflicht des Senats die Klärung von Fragen, wie sie aus den Anträgen der Angeklagten hier gestellt wurden, im Freibeweis[12] möglich und vor allen Dingen, ob sie der notwendigen Transparenz zuträglich sind. Ich darf Sie nur daran erinnern, welche Antwort der Leiter der Vollzugsanstalt Ihnen zunächst gegeben hat.[13] Sie wurde verlesen und ich stehe nicht an zu sagen, diese Antwort ist, ganz gelinde ausgedrückt, peinlich und zwar deshalb, weil doch hier jemand nicht aus Unwissenheit oder Ungeschicklichkeit, sondern ganz bewußt am Problem vorbeigesprochen hat, indem er schlicht und einfach erklärt, es falle alles in die Zuständigkeit des Herrn Innenministers und mehr könne er nicht dazu sagen. Und darf ich hier [13887] doch mit der notwendigen Deutlichkeit sagen, wir unterziehen uns so wie jeder andere, der in die Haftanstalt geht und auch in dieses Gebäude geht, Durchsuchungsmaßnahmen, die angeordnet wurden. Und wenn diese Durchsuchungsmaßnahmen umfassend angeordnet worden wären, wie wir sie auch einmal zu Beginn des Verfahrens schon gefordert haben, dann hätte man ja die ganzen Klempner, die in diese Anstalt dort drüben gegangen sind, mit samt ihrem Werkzeug schon am Tor festgestellt. Und dann bräuchte man nicht heute zu sagen, das ist nicht meine Zuständigkeit und dazu kann ich nichts sagen. Das muß einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden und ich begrüße es, das sage ich auch ausdrücklich, daß der Herr Vorsitzende in seinem Schreiben an den Anstaltsleiter und an den Herrn Justizminister deutlich gemacht hat, daß der Senat etwas derartiges nicht hinnimmt. Ich darf nur[b] in diesem Zusammenhang eben Zweifel anmelden und zwar Zweifel deshalb, weil sich ja wie ein roter Faden durch dieses ganze Verfahren ein Problem zieht, nämlich das Problem, daß offenbar die Exekutive in sehr vielen Fällen glaubt, an der Rechtsprechung, an der Justiz vorbeiarbeiten zu dürfen. Das ist doch nur der krönende Abschluß einer Erfahrung, die wir in diesem Verfahren erstmals gemacht haben, nämlich daß man sich anmaßt, ich sage das voll im Bewußtsein des Sinnes dieser Worte, daß man sich anmaßt, die Wahrheitsfindung dadurch zu erschweren, daß an allen Ecken und Enden Bremsen angelegt werden. Ich darf nur das Problem der Aussagegenehmigung[14] hier ansprechen. Wir bekommen keine Akten, weil Geheimhaltungsvermerke angeordnet werden,[15] Zeugen kommen hierher, beantworten die zweite Frage schon nicht; verweisen auf ihre nicht vorhandene Aussagegenehmigung; und ich meine, aus diesem Geist heraus sind solche Maßnahmen hier möglich und ich verkenne nicht die Schwierigkeiten, vor denen der Senat steht. Ich bin überzeugt, daß er hier das will, was Rechtens ist, aber die Zweifel bleiben für mich bestehen, so lang nicht restlos geklärt ist, was hier geschehen ist, daß es eben Leute gibt, die meinen, hier eigene Kompetenzen zu haben und damit dem Verfahren und allen Verfahrensbeteiligten Hindernisse zu bereiten, die einfach unerträglich sind. Es bleibt abzuwarten, was der Herr Minister auf Ihr Schreiben antwortet. Es wäre sehr leicht, hier eine befriedigende Antwort abzugeben. Ist diese Antwort da, dann kann ich mich für meine Person endgültig entscheiden, [13888] ob und welche Konsequenzen ich aus dem Vorgang zu ziehen habe. Danke.
Vors.:
Danke sehr, Herr Rechtsanwalt Schwarz. Sonstige Wortmeldungen? Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte.
RA Schn[abel]:
Hohes Gericht, ich schließe mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Schwarz an und will im besonderen nochmal auf einen Passus des Schreibens des Herrn Justizministers von Baden-Württemberg vom 28. März 1977 eingehen, in dem - ich sage es[c] sehr deutlich noch einmal - apodiktisch festgestellt wird: „Das Landeskriminalamt hat sich damit streng an die Voraussetzungen des § 34 StGB gehalten“, von dem die Angemessenheit des Mittels im Verhältnis zu der drohenden Gefahr verlangt wird. Mir als Verteidiger obliegt diese Pflicht, nachzuprüfen, ob[d] das, was hier der Herr Justizminister apodiktisch behauptet, auch wirklich stimmt. Und um das nachprüfen zu können, bitte ich nochmals dringend, daß an den Herrn Justizminister geschrieben wird, er möge klarlegen, welche [e] damals gegenwärtig, nicht anders abwendbare Gefahr, wie es in § 34[ StGB] heißt, vorgelegen hat, die ihn dann nachträglich zu der Schlußfolgerung berechtigt, daß das Landeskriminalamt sich an die Voraussetzungen gehalten hätte. Und um es auch nochmal deutlich zu sagen, der Kinderspielplatz,[16] der ständig hier in die Debatte geworfen wird, kann es nicht gewesen sein. Denn von dem wurde ja erst nachträglich bekannt, so daß auch [f] der Herr Justizminister nicht als Hellseher bereits im[g] voraus weiß, daß etwa hintendrein von einem Kinderspielplatz gesprochen wird und daß man das hintendrein dann als Rechtfertigung für die Abhörmaßnahmen bringt. Mit anderen Worten, es muß, als diese Abhörmaßnahmen angeordnet wurden, bereits im eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr vorhanden gewesen sein, und die möge jetzt der Herr Justizminister endlich einmal, nachdem es weder im Landtag noch in seinem Schreiben getan wurde, hier klarlegen. Denn wenn er es nicht tut, dann waren auch die zwei Schreiben, die der Senat an ihn gerichtet hat, vollkommen umsonst und nur verschwendetes Papier.
Vors.:
Ja, Herr Rechtsanwalt Schnabel, nur darauf folgendes: Wir haben uns das natürlich auch überlegt. Wir meinen aber, ein Kolloquium unter Juristen darüber, ob nun eine Vorschrift zutrifft oder nicht, die sei nicht so sehr verfahrensfördernd. Auch ein Minister konnte möglicherweise eine abweichende Rechtsmeinung haben - das [13889] kommt ja vor - könnte aber trotzdem sagen, eine entgegenstehende Entscheidung eines Gerichts respektiere ich, das ist nichts außergewöhnliches. Es ist noch ein weiteres zu bedenken: Wenn nun alle die Einzelheiten vorgelegt würden, die möglicherweise dieser Rechtsauffassung, es greife[h] § 34[ StGB] ein, zugrunde liegen, so würden damit möglicherweise Erkenntnisse eingeführt, die nun rechtens in[i] dem Verfahren eigentlich nichts verloren haben und die das Verfahren auch wieder nur belasten würden. Ein Gesichtspunkt, den der Senat ja schon betont hat, als er sagte, er möchte von inhaltlichen Abhörergebnissen keinesfalls etwas wissen, aber derselbe Gesichtspunkt gilt doch möglicherweise schon bei den Indizien, die zu diesen Abhörungen geführt haben, das bitte ich vielleicht doch noch zu bedenken.
RA Schw[arz]:
Herr Vorsitzender, Ihre ...
Vors.:
... unmittelbar erwidern.
RA Schw[arz]:
Wenn Sie gestatten, daß ich dazu noch zwei Sätze sage. Sie erinnern sich an meinen Antrag, in dem ich gebeten hatte, der Herr Justizminister möge im Verfolg der von Ihnen zu Recht geäußerten Meinung, daß diese Gespräche nicht dem Senat zur Kenntnis gelangen sollten, den Gesprächsteilnehmern Gelegenheit geben, gerade eine besonders hervorgehobene Bemerkung zu überprüfen. Und nun meine ich, daß eben die Fürsorgepflicht des Senats auch so weit geht, daß er[j] Angeklagte eines Verfahrens, wie mir mittlerweile scheint, vor öffentlich unzutreffenden Behauptungen zu schützen. Kommen wir zum Punkt „Kinderspielplatz“. Ich erinnere Sie, was in der Pressekonferenz gesagt wurde, das wurde in der Landtagsdebatte bereits auf kleinerer Flamme gekocht und landet dann in der Erklärung des Herrn Ministers in einem bezeichnenderweise wiederum sehr vielseitigen Wortlaut, Ulrike Meinhof hat die Möglichkeit der Geiselnahme eines Kindes erwähnt.
Sie selbst haben aus einem dem Gericht offenbar vorliegenden Schriftsatz zitiert, daß vorgetragen wurde, das Gespräch, das Frau Meinhof mit dem ja noch nicht bekanntgegebenen Verteidiger geführt habe, sei nach der Behauptung der Gesprächsteilnehmer in der Form verlaufen, daß Frau Meinhof die Befürchtung geäußert habe, man könne ihr in der öffentlichen Diskussion und den Mitangeklagten, und deshalb natürlich [13890] auch dem Mandanten Baader, eine derartige beabsichtigte Geiselnahme unterstellen - ich brauche nicht darauf hinzuweisen, welch himmelweiter Unterschied zwischen diesen Dingen liegt. Und da meine ich einfach, daß es eben wieder bezeichnend ist, wenn man nun die Tatsache des Todes der Frau Meinhof[17] benützt und gleichzeitig darauf hinweist, daß der angeblich ausgeschlossene Verteidiger ja gar nicht mehr im Verfahren ist und sagt, aus diesem Grund kann hier schon gar nichts mehr vorgelegt werden, denn das hat ja mit dem Verfahren nichts zu tun. Wie ich eingangs sagte, ich bin anderer Meinung und zwar deshalb: Wir haben doch Anlaß, klarzustellen, daß hier zwar über die Anklagepunkte verhandelt wird, aber wenn man den Angeklagten unterstellt, sie würden aus der Zelle heraus schwerste Verbrechen planen, dann ist das doch auch ein Teilakt der Fortsetzung der kriminellen Vereinigung und gehört eben für mich insofern noch in das Verfahren hinein; und ich kann nur bedauern, daß man hier diesen Weg wählt. Vielleicht hat der Herr Minister dieses Band noch nie gehört, sondern ist eben hier auch wieder auf Mitteilungen angewiesen, die ihm gegeben wurden.
Vors.:
Nur, es ist so, Herr Rechtsanwalt, in jedem Strafverfahren oder in vielen Strafverfahren - sobald sie ein wenig über den Bereich des Gerichtssaals hinausgehen - werden ja viele Meinungen kund aller Orten, der eine weiß das, der andere weiß das. Und das Gericht und alle Prozeßbeteiligten sind das gewohnt und wissen doch genau, daß eben nur das zu verhandeln ist, was im Gerichtssaal gesprochen wird und sonst gar nichts. Wenn wir alle die Erklärungen, die von irgendwelchen Leuten im Umfeld abgegeben werden, wenn wir denen allen nachgingen, das wäre entsetzlich, wir würden dann mehr ein Pressesenat als verhandelndes Gericht sein, nicht.
Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte.
RA Schn[abel]:
Ja, Herr Vorsitzender, genau an das anknüpfend[k], was Sie eben gesagt haben. Ich habe es ja hier in diesem Saal schon einmal festgestellt, daß offensichtlich, abgesehen vom Gericht, den Verteidigern, der Bundesanwaltschaft und den Angeklagten, auch noch die Presse als weiterer Prozeßbeteiligter vorhanden ist. Nach dem das jetzt aber hier der Fall ist und Sie das ja selbst insofern zur Kenntnis [13891] genommen haben, in dem Sie nämlich aufgrund von Presseberichten und von nichts anderem, sich bemüßigt fühlten, an den Herrn Justizminister zu schreiben. Hätten Sie es damals nicht getan aufgrund von Presseberichten, dann könnten Sie heute so argumentieren und sagen, das wurde ja gar nicht im Gerichtssaal festgestellt. Aber nachdem Sie damals aufgrund von Presseberichten sich bemüßigt gefühlt[l] haben, können Sie nun in Verfolgung Ihrer eigenen Linie doch nicht bei einem Punkt jetzt abblocken und sagen, jetzt reicht es mir. Mir reicht es nicht. Nachdem Sie eben angefangen haben, dann nehmen Sie bitte dieses Ziel weiter ins Auge und dieses Ziel ist nicht erreicht. Und ich möchte es nochmal sagen hier, ich habe auch die Pflicht, nachzuprüfen, wie der Herr Justizminister zu dem Ergebnis kommt, daß das Landeskriminalamt sich an die Voraussetzungen gehalten hat. Das hat nichts mit unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu tun, sondern das hat mit Tatsachenfeststellungen zu tun und ich kann mich nicht damit zufriedengeben, daß das hier apodiktisch festgestellt wird, sondern ich möchte die Grundlagen haben und möchte dann nachprüfen können, er kommt zu diesem Ergebnis, ich komme zum gleichen oder zu einem anderem Ergebnis. Aber wenn ich die Grundlagen nicht habe, dann kann ich es auch nicht nachprüfen. Und ich glaube nicht einfach, was hier geschrieben wird, sondern ich mochte es selbst prüfen können.
Und deswegen bitte ich nochmals, daß hier klargelegt wird, aufgrund welcher Tatsachen der Herr Minister zu seiner Rechtsauffassung gekommen ist, dann kann ich nachträglich sagen, aufgrund dieser Tatsachen komme ich zur gleichen Rechtsauffassung oder zu einer anderen. Und davon hängt dann auch ab, wie man weiter zu entscheiden hat.
Insofern ist das durchaus unmittelbar beim hiesigen Verfahren anhängig, zumal es eben ganz wesentlich ist, ob wirklich dieser § 34[ StGB] vorgelegen hat oder nicht, denn hätte er nicht vorgelegen, dann bräuchte ich ja nicht mehr allzuviel zu sagen, was es dann gewesen wäre, dieses Abhören da drüben.
Vors.:
Ich will nur eines klarstellen in Bezug auf diesen Kinderspielplatz: Ich hatte ja das letzte Mal schon versucht, [13892] deutlich zu machen, warum ich diese Stelle verlesen hatte, nämlich aus dem Schriftsatz von Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming. Ich hatte es verlesen, um die Möglichkeit offenzulassen, daß hier möglicherweise das Wort „Kinderspielplatz“ gefallen sein könnte, und der eine meint, die wollten was damit, und die anderen haben gesagt, nein, da wollen wir gerade nichts damit. Ich hoffe doch, daß das deutlich geworden ist, ich hatte es auf den Einwand von Herrn Rechtsanwalt Oberwinder das letzte Mal schon versucht. Aber eines muß ich klarstellen, wenn ich diesen Schriftsatz von Herrn Dr. Temming herangezogen habe, Herr Dr. Temming kann nicht der vom Minister gemeinte Rechtsanwalt sein, da er ja bekanntlich nicht nach § 138a[ StPO] ausgeschlossen wurde.[18]
Nur damit hier keine Irrtümer sich einschleichen.
Herr Rechtsanwalt Künzel, Sie wollten ...
RA Kün[zel]:
Ich möchte an sich keine Erklärung abgeben, ohne auf den Aussetzungsantrag hingewiesen zu haben, nicht daß ich [m] den so durch rügelose[n] Abgabe einer Erklärung preisgeben würde.[19] Man verhandelt offenbar im Augenblick etwas im prozessualen Niemandsland. Nach dieser Vorbemerkung folgendes: Ich verkenne nicht, daß es auch für den Senat sehr schwierig ist, der Verteidigung und den Gefangenen die Sicherheit zu geben, zu garantieren, daß eine Abhörung in Zukunft nicht mehr stattfindet. Insofern mag es richtig sein, daß primär der Blick in die Zukunft der notwendige ist. Indes, solange noch die Erklärung der Ministerien im Raum steht, daß sie bei entsprechendem Anlaß genau wieder so handeln würden, und solange aus der Sicht der Gefangenen die Erklärungen, die hier abgegeben wurden, auf ihren Wahrheitsgehalt hin nicht jede Prüfung bestehen, solange kann auch das Vertrauen in die Maßnahmen der Zukunft auf keinen Grund haben.
In diesem Rahmen bitte ich, die Vorgänge im Wege des Freibeweises doch etwas im größeren Umfang aufzuklären. Die Gefangenen, ich habe Anhaltspunkte dafür, haben nie den Plan gehabt, ein Kind zu entführen und einen Kinderspielplatz zu verunsichern. Sie müssen es deshalb als eine unerträgliche Diffamierung empfinden, die ihnen die Glaubwürdigkeit in jede Maßnahme nimmt, solange die Sache [13893] nicht aufgeklärt ist. Als Hilfsmittel in dieser Richtung rege ich die Vernehmung des Professors Azzola an. Herr Azzola hat aus gegebenen Anlaß, darauf ist schwerpunktmäßig abzustellen, aus gegebenen Anlaß Frau Meinhof befragt, ob die Absicht bestünde, nachdem das gesprochen würde, oder bestanden hat, ein Kind zu entführen oder einen Kinderspielplatz zu verunsichern. Frau Meinhof hat darauf in spontaner Entrüstung reagiert und dieses Gerücht als ein Propagandamittel der Verfolgungsbehörde strikt zurückgewiesen. Die Anschrift des angehenden Beweismittels ist dem Gericht bekannt.
Sodann bitte ich aber auch, uns Gelegenheit zu geben, die Sache etwas genauer aufzuklären. Mich würde noch interessieren, an welchem Tag, und welchen Beteiligten die Absprache über das erste und zweite Abhören erfolgt, und an welchen Tagen im Anschluß oder möglicherweise auch am selben Tag, Kontakte zwischen der Justizverwaltung, dem Innenministerium und dem Senat stattgefunden haben.
Ohne diese Aufklärung geht es nicht. Was dann in Bezug auf die Zukunft zu geschehen hat, so meine ich, daß mit Sicherheit zum jetzigen Zeitpunkt, solange möglicherweise, solange noch erklärt wird, vom Ministerium, daß sie ähnliches wieder tun werden, genügen die vom Senat bis jetzt ergriffenen Maßnahmen nicht; als Mindestmaßnahme käme das in Betracht, was ich schriftlich angeregt habe, das Allermindeste ein Sprech... eine Sprechmöglichkeit in Räumen, die nicht der Hausherrschaft der Exekutive unterstehen. Ich verkenne nicht, daß insoweit natürlich der Oberlandesgerichtspräsident auch in diesem Raum[o] Verwaltungsbehörde ist, wenn er Hausherr ist, und die Besprechungsräume in diesem Haus wählen. Das verkenne ich nicht. Aber immerhin doch eine Verwaltungsbehörde, in diesem Fall, die nicht von der Justiz, von der richterlichen Funktion in der Vorstellung der Betroffenen wohl getrennt werden kann. Das, und die technische Abwehrmaßnahme, soweit sie möglich sind, jedenfalls die Überprüfung, ob das geht, ist das Mindeste, was geschehen kann und muß, um eine ordnungsgemäße Verteidigung wieder zu gewährleisten.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, nur[p] zu Letzteren, zunächst. Ihr Vorschlag stößt natürlich auf immense technische Schwierigkeiten, [13894] und zwar nicht, weil man hier keine Besprechungsräume schaffen könnte; aber es müßte ja vor jedem Anwaltsgespräch ein Transport hierher stattfinden, was insbesondere - etwa zu Zeiten[q] eines Hungerstreiks[20] wohl auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten stößt, auch für die Angeklagten und die Verteidiger. Ich sehe da erhebliche Schwierigkeiten.
Ich will dann noch eines sagen: Sie stellen auf diese Erklärung des Ministers oder[r] der Minister ab; nun, ein Gericht ist in der Regel nicht dazu da, zu irgendwelchen Leuten zu gehen und zu sagen, widerrufe. Ein Gericht trifft eine Verfügung und geht davon aus, daß insbesondere das Justizministerium solche Verfügungen dann auch beachtet. Wenn Sie sagen, nun, es hat es ja früher auch nicht, dann bitte ich doch zu beachten, früher lag eben auch eine solche Verfügung nicht da; und ich weiß es nicht, möglicherweise hat sich das Ministerium über die Haltung des Gerichts da keine Gedanken gemacht. Aber jetzt liegt eben eine solche Verfügung vor, und ich meine, das sollte die Verteidigung doch auch bedenken, daß eine solche Verfügung, wenn sie einmal vorliegt, doch auch für den Justizminister und für andere Minister gilt.
RA Kün[zel]:
Aber[s] Herr Vorsitzender, das Beklagenswerte ist ja, daß hier etwas ganz ganz Selbstverständliches verfügt werden mußte. Und wo das nun notwendig wird, da verlieren wir auch etwas die Zuversicht in die Wirkkraft einer solchen richterlichen Verfügung.
Vors.:
Sonstige Wortmeldungen?
Herr Rechtsanwalt Eggler, bitte.
RA Egg[ler]:
Ich teile die großen Bedenken, die in objektiver Weise [t] Herr Kollege Schwarz hier vorhin dargelegt hat.
Ich schließe mich insoweit seinen Ausführungen voll und ganz an. Lassen Sie mich nur noch zwei Worte dazu sagen. Stichwort 1, vom Herrn Künzel eben gebracht, das[u] Wort „Freibeweis“. Es mag zulässig sein, daß Sie Teilanträge, Teilbeweisanträge der Angeklagten auf Vernehmung gewisser Personen im Wege des Freibeweises hier zum Abschluß bringen. [13895] Ich halte das für außerordentlich bedenklich, und aus optischen Gründen möchte ich doch empfehlen, hier den [v] Streng-Beweis[21] anzutreten. Das zweite Stichwort - auch nur ganz kurz, was der Herr[w] Kollege Schwarz ausgeführt hat - „Zweifel“. In der Tat bestehen hier, bei einem so eklatanten Vorfall, aufgrund der Erklärungen, die wir gehört haben, nach wie vor größte Zweifel, bei denen die Verteidigung darauf bestehen muß, daß diese Zweifel beseitigt werden müssen. Denn hier würde sonst der andere Grundsatz des in dubio pro reo[x][22] umgekehrt werden. Hier bestehen nämlich die Zweifel nach wie vor zu Ungunsten der Angeklagten, und das muß beseitigt werden.
Vors.:
Ich bin mir jetzt nicht völlig klargeworden, welche Zweifel zu Ungunsten der Angeklagten ...
RA Egg[ler]:
Die der Herr Kollege Schwarz vorhin ausgeführt hat.
Vors.:
Wegen der öffentlichen Verdachtsäußerung oder?
RA Egg[ler]:
Ja, ja.
Vors.:
Ja, danke.
Herr Rechtsanwalt Grigat, bitte.
RA Gri[gat]:
Auch Kollege Schlaegel und ich sind der Auffassung, daß wir uns mit den bisherigen Stellungnahmen des Justizministers nicht zufriedengeben können. Wir fordern ebenfalls, daß die Tatsachen benannt werden, die uns die Möglichkeit geben, zu prüfen, ob tatsächlich ein rechtfertigender Notstand[23] vorlag. Im übrigen schließen wir uns der Auffassung des Herrn Kollegen Schwarz an.
Vors.:
Danke.
Ich muß natürlich auch darauf hinweisen: Wir haben, als das damals bekannt wurde, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wir haben das Ergebnis jener Erörterungen in einem Brief an den Herrn Justizminister verwertet. Wir haben nach Eingang dieser Antwort erneut die Sache erörtert, wir haben erneut an den Herrn Justizminister geschrieben, wir haben erneut darüber gesprochen, haben jetzt eine Anordnung getroffen und wieder geschrieben, und die Sache schleppt sich natürlich kolossal hin. Jeder Schritt, den wir tun, und den wir tun zum Teil auch durchaus, meines Erachtens, in Erschöpfung der Anregungen, die hier [13896] vorgebracht werden, setzt eine neue Anfrage und neue Dinge in Gang. Ich weiß nicht, ob man’s nicht hätte auch so machen können, daß das nun alles etwas konzentrierter vorgebracht worden wäre. Irgendwo nehmen natürlich die Möglichkeiten des Gerichts und das Vorgehen des Gerichts auch ein Ende. Sonstige Wortmeldungen?
Herr Rechtsanwalt Schnabel, Sie wollten noch etwas sagen.
RA Schn[abel]:
Ich wollte[y] nur einen Satz hier noch anfügen. Sie haben Ihr[z] Schreiben vom 22. März 77 begonnen mit dem Satz: „Sehr geehrter Herr Minister! Für Ihr Schreiben vom 18.3.77 bedanke ich mich verbindlich. Ich habe es in der Hauptverhandlung bekanntgegeben.“ Und dann schrieben Sie weiter: „Darauf wurden von den Herrn Rechtsanwälten usw. ...“
Dürfte ich Ihnen nur einen Vorschlag machen, daß Sie jetzt ein Schreiben schicken an den Herrn Minister in dann drin steht: Sehr geehrter Herr Minister! Für Ihr Schreiben vom 28. März 1977 bedanke ich mich ebenfalls verbindlich. Ich habe es in der Hauptverhandlung am so und so vielten bekanntgegeben. Es ist jedoch nicht befriedigend gewesen - daß man das ganz deutlich mal mitteilt - Ihre Antwort war nicht befriedigend. Vielleicht sieht dann der Herr Minister auch, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Vors.:
Nun ja, ich fürchte dann bloß, wir sitzen dann am so und so vielten März da und ich schreibe wieder: Ihr Schreiben, sehr geehrter Herr Minister, vom so und so vielten war leider doch noch nicht voll befriedigend.
RA Schn[abel]:
Dann schreiben Sie jetzt gleich voll befriedigend.
Vors.:
Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Ja, noch eine kurze Erklärung, Herr Vorsitzender.
Ich beziehe mich zunächst auf meine schon vorhin abgegebene Stellungnahme. Zwar habe ich auch volles Verständnis - volles Verständnis - für die Argumente der meisten der Herrn Verteidiger, doch sollte man das jetzt intensive Bemühen und[aa] das Tun des Senats nicht übersehen oder gar bagatellisieren. Ich trete darin der Auffassung des Senats bei, daß mehr als das, was geschehen ist, nicht mehr getan werden kann und auch nicht mehr getan werden braucht. Auch von Seiten der Sitzungsvertreter aus der Bundesanwalt- [13897] schaft kann nichts getan werden. Ich wäre andernfalls dazu bereit. Und ich möchte nun im Ernst diese, darum bitten, diese unliebsamen Vorgänge - ich bezeichne sie tatsächlich so, und [bb] seien Sie mir jetzt nicht böse und nehmen Sie mir das Wort nicht übel - nicht zum Dauer- oder zum Krisenthema zu machen. Danke.
Vors.:
So, ich sehe keine Wortmeldungen mehr.
Wir werden jetzt eine kurze Pause machen, eine Denkpause. Wir setzen um 10.35 Uhr fort.
Pause von 10.17 Uhr bis 10.40 Uhr
Ende Band 818
[13898] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.40 Uhr
Rechtsanwalt Künzel ist nicht mehr anwesend.
Vors.:
Wir setzen fort.
Ich habe beim Justizministerium Rückfrage gehalten, wann mit einer Reaktion auf das heute zugeschickte Schreiben zu rechnen sei. Es hat sich ergeben, daß der Herr Minister heute und morgen wohl abwesend ist, so daß mit einer Stellungnahme heute nicht mehr zu rechnen ist und auch morgen nicht. Deswegen wollen wir die Sitzung für heute beenden.
Nächste Woche soll, wie ja schon angekündigt, sitzungsfrei sein.
Dann lade ich alle Beteiligten zur Fortsetzung der Hauptverhandlung auf Dienstag, den 12. April 1977 und - weil das der erste Tag nach den Osterfeiertagen ist - erst auf 10.00 Uhr.
Dienstag, 12. April 77, 10.00 Uhr
Ende des 188. Verhandlungstages um 10.41 Uhr
Ende Band 819
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Am 185. Verhandlungstag wurde bekannt, dass vertrauliche Verteidigungsgespräche in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim abgehört worden waren. Rechtsanwalt Schily erklärte dazu: „Was hier stattfindet in diesem Verfahren, das kann man nicht anders benennen als die systematische Zerstörung aller rechtsstaatlichen Garantien. Insofern hat das Verfahren für den Zustand dieser Republik in politischen Verfahren [...] seine exemplarische Bedeutung. Die Verteidigung kann es unter keinen Umständen verantworten, hier auch nur eine Minute länger in dem Verfahren mitzuwirken, um hier noch vielleicht als eine Art Alibi aufzutreten, daß es noch so etwas gebe wie eine Verteidigung“ (S. 13712 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 185. Verhandlungstag).
[3] Anlage 1 zum Protokoll vom 31. März 1977: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Foth an den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing vom 30. März 1977.
[4] Anlage 2 zum Protokoll vom 31. März 1977: Antwortschreiben des Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing vom 30. März 1977.
[5] Anlage 3 zum Protokoll vom 31. März 1977: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Foth an den Leitenden Regierungsdirektor Nusser vom 30. März 1977.
[6] Anlage 4 zum Protokoll vom 31. März 1977: Antwortschreiben des Leitenden Regierungsdirektors Nusser vom 30. März 1977.
[7] Bereits in einem Schreiben vom 28.3.1977 nahm das Justizministerium dahingehend Stellung, die Abhörmaßnahmen hätten sich „streng an die Voraussetzungen des § 34 StGB gehalten“ (Anlage 2 zum Protokoll vom 29.3.1977, S. 13738, 13739 des Protokolls der Hauptverhandlung, 187. Verhandlungstag). Nicht rechtswidrig handelt demnach, „[w]er in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden [...], wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“ Ob und in welchem Umfang § 34 StGB auf hoheitliche Handlungen staatlicher Akteur/innen anwendbar ist, ist umstritten. Nicht anwendbar ist § 34 StGB jedenfalls, soweit bestimmte Interessenkollisionen zwischen Staat und Bürger/in in Form von staatlichen Eingriffsbefugnissen bereits durch speziellere Normen geregelt sind. Fehlen entsprechende Eingriffsbefugnisse, oder sind die vorhandenen als nicht abschließend einzustufen, wird ein Rückgriff auf § 34 StGB überwiegend nicht ausgeschlossen (BGH, Beschl. v. 23.9.1977 – Az.: 1 BJs 80/77 – StB 215/77, BGHSt 27, S. 260; Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1, 5. Aufl. 2020, § 16 Rn. 103; a.A. Zieschang, in Hohn/Rönnau/Zieschang [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 13. Aufl., § 34 Rn. 7 ff.).
[8] Anlage 5 zum Protokoll vom 31. März 1977: Haftrichterliche Anordnung des Vorsitzenden Dr. Foth (Untersagung weiterer Abhörung) vom 30. März 1977.
[9] Anlage 6 zum Protokoll vom 31. März 1977: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Foth an den Justizminister Dr. Bender vom 30. März 1977.
[10] Anlage 7 zum Protokoll vom 31. März 1977: Schreiben des Rechtsanwalts Künzel an den Vorsitzenden Dr. Foth vom 30. März 1977.
[11] Die noch anwesenden Verteidiger gehörten zu den von den Angeklagten sog. Zwangsverteidigern, die ihnen vom Gericht gegen ihren Willen zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren. Da sich die Angeklagten weigerten, mit ihnen zu sprechen, gab es auch keinerlei Gespräche, die hätten abgehört werden können.
[12] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Einschränkungen ergeben sich im Freibeweis weder aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz noch aus dem Prinzip der Mündlichkeit (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 16).
[13] S. Anlage 3 zu diesem Verhandlungstag, S. 13879 des Protokolls der Hauptverhandlung.
[14] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). Die Aussagegenehmigungen für Polizeibeamt/innen wurden in diesem Verfahren z.T. erheblich eingeschränkt. So musste die Verteidigung die Erteilung mancher Aussagegenehmigungen erst in verwaltungsrechtlichen Verfahren erstreiten: Vor dem VG Köln bzw. dem VG Hamburg wurden Klagen sowie Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Erteilung von zuvor versagten Aussagegenehmigungen eingereicht. Zum Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem VG Köln s. Anlage 2 zum Protokoll vom 31. August 1976 (S. 11426 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag); der Antrag vor dem VG Hamburg befindet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 21. September 1976 (S. 11597 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 145. Verhandlungstag). Das VG Köln befand die pauschale Versagung der Aussagegenehmigung für den Generalbundesanwalt Siegfried Buback für rechtswidrig und verpflichtete den Bundesminister der Justiz, die Klägerin und Antragstellerin Gudrun Ensslin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (s. das Urteil und den Beschluss des VG Köln vom 15.9.1976 in Anlage 1 a des Protokolls vom 28. September 1976, zu Blatt 11698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 148. Verhandlungstag). Das VG Hamburg verpflichtete den Polizeipräsidenten Hamburg im Wege der einstweiligen Anordnung, dem KHK Opitz die beantragte Aussagegenehmigung zu erteilen (s. dazu Rechtsanwalt Heldmann am 151. Verhandlungstag, S. 11795 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[15] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des Belastungszeugen und ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).
[16] Mit der Behauptung, es sei eine Geiselnahme auf einem Kinderspielplatz geplant, wurde z.T. versucht, die Abhörmaßnahmen in der Stuttgarter Haftanstalt zu rechtfertigen (s. auch das Antwortschreiben des Justizministers Baden-Württembergs in Anlage 2 zum 187. Verhandlungstag, S. 13738 ff.).
[17] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die Umstände ihres Todes – offiziell Suizid durch Erhängen – wurden, nicht zuletzt durch die Vertrauensverteidigung, erheblich angezweifelt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.). Der Angeklagte Raspe erklärte am 109. Verhandlungstag: „Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist; wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem“ (S. 9609 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[18] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 und damit kurz vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).
[19] Der Verlust von Anträgen durch „rügelose Verhandlung“ ist in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen. Allerdings kann eine solche ausdrückliche Klarstellung verhindern, dass spätere Ausführungen als eine (unter strengen Voraussetzungen mögliche) konkludente Rücknahme des Antrags ausgelegt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – Az.: 5 StR 532/04, NStZ 2005, S. 463, 464; Trüg/Habetha, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 244 Rn. 157).
[20] Am 187. Verhandlungstag erklärte die Angeklagte Ensslin, dass sich die Gefangenen von diesem Tag an im Hungerstreik befänden. Zu den Forderungen erklärte sie (bevor ihr hierzu das Wort entzogen wurde) u.a., „daß die Gefangenen aus den antiimperialistischen Widerstandsgruppen, die in der Bundesrepublik kämpfen, entsprechend den Mindestgarantien der Genfer Konvention von 1949 behandelt werden“ (S. 13859 des Protokolls der Hauptverhandlung, 187. Verhandlungstag). Für die Behandlung von Kriegsgefangenen gelten nach dem humanitären Völkerrecht (welches im internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anwendbar ist) besondere Bestimmungen. Diese sind im Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen (III. Genfer Konvention) von 1949, sowie in den beiden Zusatzprotokollen von 1977 niedergelegt. Danach sind Kriegsgefangene jederzeit mit Menschlichkeit zu behandeln (Art. 13 der III. Genfer Konvention), sie haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Würde (Art. 14 der III. Genfer Konvention). In Art. 13 heißt es außerdem: „Jede unerlaubte Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in ihrem Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist verboten und als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens zu betrachten.“ Bereits am 65. Verhandlungstag hatte Prof. Dr. Azzola, damals Verteidiger von Ulrike Meinhof, für die Angeklagten den Status von Kriegsgefangenen reklamiert und beantragt, die Angeklagten in Kriegsgefangenschaft zu überführen (S. 5673 ff. des Protokolls).
[21] Das Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“) ist in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt. Es findet Anwendung zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, und zeichnet sich u.a. durch eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel (Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, Urkundenbeweis und Inaugenscheinnahme) aus. Die Tatsachen müssen zudem Eingang in die Hauptverhandlung gefunden haben (§ 261 StPO) und grundsätzlich mündlich vorgetragen und erörtert worden sein (sog. Mündlichkeitsprinzip, s. dazu Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 7).
[22] Der Zweifelssatz „in dubio pro reo“ ist eine Entscheidungsregel. Danach dürfen entscheidungserhebliche Tatsachen nur dann zum Nachteil der Angeklagten verwertet werden, wenn das Gericht von deren Vorliegen nach Abschluss der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) überzeugt ist. Verbleiben nach Ausschöpfung sämtlicher Beweismittel noch Zweifel, ist eine Verwertung nur zu Gunsten der Angeklagten, nicht aber zu ihrem Nachteil zulässig (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 26 ff.). Bis 1963 ging die Rechtsprechung davon aus, dieser Grundsatz gelte nicht bei der Prüfung von Verfahrensvoraussetzungen, sondern nur bei der Beantwortung der Schuld- und Tatfrage. In einem Beschluss vom 19.2.1963 (Az.: 1 StR 318/62, BGHSt 18, S. 274, 277) stellte der BGH allerdings klar, dass dies nicht für alle Verfahrensvoraussetzungen oder -hindernisse „schablonenhaft“ beantwortet werden könne. Stattdessen sei eine Entscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen. Seit 2009 nimmt der BGH für Verfahrensvoraussetzungen grundsätzlich an, dass sie nicht erfüllt seien, wenn Zweifel an ihrem Vorliegen bestünden (und entsprechend ein Verfahrenshindernis immer dann schon anzunehmen sei, wenn es möglicherweise vorliege). Dabei bleibt offen, ob dies durch Anwendung des Zweifelssatzes oder durch die Einordnung der Verfahrensvoraussetzungen als Bedingung für die Zulässigkeit eines Sachurteils erfolgt (BGH, Urt. vom 30.7.2009 – Az.: 3 StR 273/09, NStZ 2010, S. 160 f.; s. auch Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 964 ff.).
[23] Zu den Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) s. bereits Fn. 7.
[a] Maschinell eingefügt: die
[b] Handschriftlich ersetzt: nun durch nur
[c] Maschinell eingefügt: es
[d] Maschinell ersetzt: um durch ob
[e] Maschinell durchgestrichen: Gefahr
[f] Handschriftlich durchgestrichen: nicht
[g] Handschriftlich eingefügt: im
[h] Maschinell ersetzt: ... durch greife
[i] Maschinell eingefügt: in
[j] Handschriftlich durchgestrichen: der
[k] Handschriftlich ergänzt: anknüpfend
[l] Maschinell ergänzt: gefühlt
[m] Maschinell durchgestrichen: ist
[n] Handschriftlich ersetzt: folgelose durch rügelose
[o] Maschinell eingefügt: Raum
[p] Maschinell ersetzt: noch durch nur
[q] Handschriftlich ersetzt: zur Zeit durch zu Zeiten
[r] Maschinell ersetzt: und durch oder
[s] Maschinell eingefügt: Aber
[t] Handschriftlich durchgestrichen: der
[u] Maschinell eingefügt: das
[v] Maschinell durchgestrichen: strengen
[w] Maschinell eingefügt: Herr
[x] Maschinell ersetzt: improio durch pro reo
[y] Maschinell eingefügt: Ich wollte
[z] Handschriftlich durchgestrichen: Ihre
[aa] Maschinell eingefügt: und
[bb] Maschinell durchgestrichen: Sie