[13899] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, 12. April 1977, 12.31 Uhr
(189. Verhandlungstag)
Das Gericht erscheint in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.
Als Vertreter für die Bundesanwaltschaft sind anwesend: Bundesanwalt Dr. Wunder und OStA Zeis.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JustOSekr. Janetzko und Just. Ass. Scholze.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind anwesend, RAe.:
Schwarz, Schnabel, Künzel, Dr. Augst (als Vertreter für Rechtsanwalt Eggler), Schlaegel und Grigat.
Beim Eintreten des Gerichts bleiben ca. 15 Zuschauer auf der linken Seite - vom Gericht aus gesehen - stehen und schreien wiederholt im Chor:
„Hungerstreik
15 politische Gefangene müssen zusammen
Aufhebung der Isolation
Anwendung der Genfer Konvention“[2]
Nach der Aufforderung des Vorsitzenden, sich ruhig zu verhalten, ansonsten ihre Entfernung aus dem Sitzungssaal in Auge gefaßt werden müsse, und dem Hinweis, zu dem evtl. erfolgenden Ausschluß Stellung nehmen zu können, verläßt diese Gruppe freiwillig, ohne Abgabe einer Stellungnahme, den Sitzungssaal.
Vors.:
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Es ist festzustellen, daß Herr Rechtsanwalt Eggler durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Augst vertreten wird; die Vertretung wird genehmigt.
[13900] Wir haben außerdem ein Schriftstück erhalten:
„Vollmacht
Hiermit erteile ich Herrn Prof. Dr. Axel Azzola Prozeßvollmacht für das Verfahren 2 StE (OLG Stuttgart) 1/74 Stammheim, 6.4.77 G. Ensslin“ unterfertigt; obwohl hier von Prozeßvollmacht die Rede ist, was mehr ein zivilistischer Ausdruck ist, fasse ich es als Verteidigervollmacht auf von Frau Ensslin für Herrn Azzola, der allerdings nicht da ist.
Eine Ablichtung der Prozeßvollmacht von Prof. Dr. Azzola wird als Anlage 1 zum Protokoll genommen.
Es sind im Laufe des heutigen Vormittages, vor Beginn der Hauptverhandlung - schriftlich - Ablehnungsanträge[3] aller drei Angeklagten durch verschiedene Verteidiger, zunächst gegen den Richter Dr. Berroth, sodann gegen mich, angebracht worden. Diese Ablehnungsgesuche sind durch einen Beschluß von heute beschieden worden, den ich hiermit bekanntgebe. Es heißt da:
Der Vorsitzende verliest den Beschluß vom 12. April 1977, der als Anlage 2 dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.
Wir hatten kürzlich erörtert, daß ich eine haftrichterliche Anordnung[4] erlassen habe, welche ich dem Anstaltsleiter, Herrn Leitenden Regierungsdirektor Nusser, zugeleitet hatte. Wir hatten weiter erörtert, daß diese haftrichterliche Anordnung in einem Schreiben, als Anlage zu einem Schreiben vom mir, dem Herrn Justizminister Dr. Bender zugeleitet werden war. In diesem Schreiben hatte ich den Herrn Justizminister Dr. Bender gebeten, den Empfang dieses Schreibens nebst Anlage zu bestätigen. Es ist nun ein Schreiben von Herrn Justizminister Dr. Bender vom 5. April 1977 mir zugegangen, welches folgenden Wortlaut hat:
Der Vorsitzende verliest das Schreiben des Justizministers Dr. Bender vom 5.4.1977.
Eine Ablichtung dieses Schreibens wird als Anlage 3 zum Protokoll genommen.
[13901][5] [13902-13903][6] [13904-13905][7] [13906] OStA Holland erscheint um 12.40 Uhr im Sitzungssaal.
Ich weiß nicht, ob eine Stellungnahme gewünscht wird.
Infolge der vorgerückten Zeit bietet sich ohnedies an, in die Mittagspause einzutreten. Soll hierzu irgendetwas bemerkt werden? Nicht.
Dann setzen wir die Hauptverhandlung um 14.30 Uhr fort.
Pause von 12.41 Uhr bis 15.16 Uhr
Ende Band 820
[13907] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.16 Uhr.
Vors.:
Die Sitzung wird fortgesetzt. Während der Mittagspause ist durch Herrn Rechtsanwalt Oberwinder, sind durch Herrn Rechtsanwalt Oberwinder Ablehnungen angebracht worden gegen die Richter Maier, Dr. Berroth, Dr. Breucker und Vötsch. Hierüber ist folgender Beschluß gefaßt worden:
Der Vorsitzende verliest den Beschluß vom 12.4.1977, der in Ablichtung als Anlage 4 zum Protokoll genommen wird.
Vors.:
Damit kann die Hauptverhandlung fortgeführt werden. Sind irgendwelche Wortmeldungen? Auch zu dem heute vormittag Verhandelten? Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte?
RA Kün[zel]:
Ich sehe das zwar auch, daß es dunkel geworden ist seit dem letzten Donnerstag und daß die Gefahr besteht, daß man die Konturen der Dinge jetzt nicht mehr ganz so deutlich sieht. Indes hat sich für die Verteidigersituation nichts geändert. Insbesondere auch nicht durch das Schreiben des Herrn Justizministers. Der Herr Justizminister legt seinen Standpunkt noch einmal dar, daß er meint, die Abhöraktion sei rechtens gewesen.[8] Ich brauche die Stimmen nicht zu zitieren, die genauso gewichtig sind und das ... andere [a] Meinung vertreten. Der Herr Minister sagt dann weiter, daß, nachdem die Abhörmaßnahme, es berührt eigenartig diese Passagen, nun ruchbar geworden wäre, nachdem es nun bekanntgeworden wäre, sei Abhören ohnehin sinnlos. Und deshalb u.a. wird in Zukunft nicht mehr abgehört. Es gibt andere, wenn man schon nun sich mit dieser Passage auseinandersetzt, es gibt andere, nun zwar nicht Lauschmöglichkeiten, aber andere Möglichkeiten, an solchen Gesprächen doch teilzunehmen, wenn ich recht informiert bin. Die Technik bietet etwa über die Laserstrahlen ungeahnte Möglichkeiten, ohne Wanzen auszukommen. Das ist nicht gesagt, daß kein Versuch mehr gemacht werden würde, Verteidigergespräche, an Verteidigergesprächen beteiligt zu sein. Und es kommt auch darauf nicht was an. Ausschlaggebend ist für mich nach wie vor, was[b] die Ver- [13908] teidigersituation von[c] Frau Ensslin anbelangt, daß die Verteidigung, die das Vertrauen hatte,[9] aus guten Gründen hier im Sitzungssaal nicht mehr mitwirkt[10] und daß deshalb die Verteidigung, die nach Gesetz das Primat hat, zerschlagen ist. Und es ist innerhalb der Fürsorgepflicht des Gerichts Aufgabe des Gerichts, zu versuchen, Verhältnisse zu schaffen, die diese Verteidigung wieder gewährleisten. Das ist bis jetzt jedenfalls nicht ausreichend geschehen und deshalb sehe ich keinen Grund, von dem gestellten Antrag auf Aussetzung, bis die Verhältnisse geklärt sind, auch nach diesem Schreiben des Herrn Justizministers, abzurücken.
Vors.:
Ja, danke sehr. Herr Rechtsanwalt Künzel, Ihr Gesuch ist natürlich etwas unbestimmt. Sie sagen, das Gericht müsse versuchen, Verhältnisse zu schaffen, die diese Verteidigung wieder gewährleisten. Und das einzige Konkrete, was ich ersehe, ist, daß das Gericht möglicherweise versuchen soll, keine Laserstrahlen in die Zellen zu lassen. Das ist etwas wenig Entscheidungsgrundlage, Herr Rechtsanwalt.
RA Kün[zel]:
Herr Vorsitzender, ich hab’s in meinem Schreiben angedeutet ...
Vors.:
Sie beziehen sich auf Ihr Schreiben, aha, das ist immerhin ...
RA Künz[el]:
... Wobei ich zur Verteidigersituation noch das eine sagen darf. Wenn sich Herr Professor Azzola nun legitimiert hat für Frau Ensslin, so ändert das an der Situation nichts. Ich weiß und bin befugt, auch dies hier zu sagen, daß sich Herr Azzola ausschließlich um die Haftsituation der Frau Ensslin bemühen wird. Er wird sich also nicht hier beteiligen, wo es nun um die Vorwürfe Schuld- und Straffrage geht.
Vors.:
Ja, wir haben ja hier eine ganze Reihe von Verteidigern, die nur extra muros tätig sind, in der Tat. - Will zu diesem Aussetzungsantrag oder sonst Stellung genommen werden, dann bitte ich darum?
BA Dr. W[under]:
Ich meine, Herr Vorsitzender, nur eine Erklärung, daß es gerade die neue Erklärung des Herrn Justizministers ist, die keinen Anlaß für eine Aussetzung der Hauptverhandlung gibt. Danke.
Vors.:
Danke sehr. Wir werden uns zurückziehen und um 16 Uhr voraussichtlich die Hauptverhandlung fortsetzen.
Pause von 15.25 Uhr bis 16.00 Uhr
[13909-13910][11] [13911] Vors.:
Wir setzen die Verhandlung fort. Es ist folgender Beschluß des Senats zu verkünden:
Die Hauptverhandlung wird nicht ausgesetzt.
Gründe:
Nach der haftrichterlichen Anordnung des Vorsitzenden und dem im Einvernehmen mit dem Herrn Innenminister abgefaßten Schreiben des Herrn Justizministers vom 5. April 1977 sieht der Senat die Gewähr gegeben, daß in Zukunft Gespräche zwischen Angeklagten und Verteidigern gem. § 148 StPO[12] ungestört stattfinden können. Die in der Vergangenheit erfolgten Abhörungen, deren Inhalt sich auf das Verfahren nicht ausgewirkt haben, braucht der Senat nicht weiter aufzuklären. Das kann anderweitiger Beurteilung überlassen bleiben.
Der Senat hat die erfolgten Abhörungen nicht auf die leichte Schulter genommen und deshalb wiederholte Schreiben an den Herrn Justizminister gerichtet, in denen die Vorstellungen und Anregungen der Verteidigung aufgegriffen waren. Der Senat hat auch von sich aus, unmittelbar nach Bekanntwerden der Abhörungen, sich der Dinge angenommen und Aufklärung in Aussicht gestellt.
Jedoch besteht jetzt kein Anlaß mehr, noch weiter zuzuwarten, auch nicht, den Ausgang der anhängigen Ermittlungsverfahren abzuwarten.
Auch soweit schließlich die beantragte Aussetzung[d] (von Rechtsanwalt Weidenhammer) darauf gestützt wurde, eine kriminelle Vereinigung habe die Herrschaft über das Verfahren ergriffen,[13] sieht sich der Senat nicht gehindert, dem Verfahren seinen Fortgang zu geben.
- - -
Es ist dann noch zunächst zu verkünden: Der Beschluß:
Der Antrag, Herrn Ulrich Borchers aus Bochum als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe:
Die Behauptung, Frau Susanne Mordhorst sei am 29.5.1972 nicht [13912] in Heilbronn, sondern in Hamburg gewesen, wird so behandelt, als wäre die behauptete Tatsache wahr (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).[14] Übrigens hat der Senat schon am 14.2.1977 als wahr unterstellt, Frau Mordhorst habe sich nach den Feststellungen der Kriminalpolizei im Jahre 1972 nicht in Heilbronn aufgehalten.
- - -[e]
Dann wurde kürzlich der Antrag gestellt, man solle aus Hamburg eine gewisse Frau Klockmann als Zeugin vernehmen. Ich habe damals gleich darauf hingewiesen, daß es sicher rätlich sei, wenn man dieser Frau Klockmann noch irgendwelche näheren Eigenschaften nachsagen könne, um sie aufzufinden. Das ist bisher nicht geschehen. Der Senat hat von sich aus ermittelt, daß im Telefonbuch von Hamburg 79 Frauen und beim Einwohnermeldeamt 98 Familien dieses Namens registriert seien. Deswegen [f] die Frage, ist der Antrag Klockmann irgendwie näher zu beschreiben, hinsichtlich dieser als Zeugin beantragten Dame? Ich sehe, daß da keine Wortmeldungen erfolgen.
(Nach geheimer Beratung)
Dann verkündet der Senat den[g] für diesen Fall vorbereiteten und eben nochmals beratenen Beschluß:
Der Antrag, Frau Klockmann aus Hamburg als Zeugin zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antragsteller, Rechtsanwalt Schily, hat nur Familiennamen und Wohnort der als Zeugin ins Auge gefaßten Person angegeben. Nach der Erkundigung des Senats sollen sich im Telefonbuch von Hamburg 79 Eintragungen von weiblichen Trägern dieses Namens, beim Einwohnermeldeamt 98 Anmeldungen von Familien dieses Namens befinden. Ohne weitere Hinweise, welche Person hier in Frage kommen könnte, sieht sich der Senat nicht in der Lage, sich näher mit dem Antrag zu befassen.
- - -
Dann ist noch bekanntzugeben: Es ging damals die Verhandlung um die Originalvermerke hinsichtlich der Vernehmung jenes Zeugen Burk. Wir hatten damals ja nur Fotokopien und dann noch ein [13913] Telebild erhalten. Inzwischen ist der Originalvermerk Burk hier eingetroffen. Es ist auch darin vermerkt, daß dieser Vermerk durch einen Herrn Polizeimeister Rübenach niedergelegt wurde. Auch die ladungsfähige Anschrift dieses inzwischen offensichtlich zum Polizeiobermeister avancierten Herrn Rübenach ist hier enthalten. Der Senat faßt ins Auge, die Herren Burk und auch, wie damals schon noch ohne Nennung des Namens beantragten, Herrn Rübenach als Person, der die Vernehmung durchgeführt hat, hierher als Zeugen zu laden. Das kann möglicherweise, das ist noch nicht zu überblicken, schon im nächsten Termin der Fall sein. Die von mir erwähnten Unterlagen stehen selbstverständlich den Prozeßbeteiligten zur Einsicht zur Verfügung.
Schließlich noch der Hinweis hinsichtlich des Zeugen Herrn Bruno Goldbach. Herr Goldbach hatte kürzlich, ich habe das in der Sitzung bekanntgegeben, an den Senat geschrieben, er bitte nochmals gehört zu werden, ihm sei bei der Vernehmung hier ein Fehler unterlaufen. Weil er nicht kenntlich machte, was das für ein Fehler gewesen sein könnte, hat der Senat eine polizeiliche Vernehmung von Herrn Goldbach herbeigeführt. Die Niederschrift ist nun eingegangen und steht ebenfalls den Prozeßbeteiligten zur Verfügung. Jedermann ist eingeladen, von den Prozeßbeteiligten selbstverständlich, diese Niederschrift anzuschauen und dann entsprechend seine Folgerungen daraus zu ziehen.
Damit wären wir am Ende der heutigen Hauptverhandlung, es sei denn, es sollten noch irgendwelche Anträge gestellt werden. Ich sehe nicht. Dann setzen wir fort am Donnerstag, den 14. April 1977, 9 Uhr. Die Beteiligten mögen sich bitte darauf einstellen, daß sowohl die Zeugen, deren Ladung beantragt, über die aber noch nicht entschieden ist, erscheinen, als auch möglicherweise, wie schon erwähnt, die Zeugen Rübenach und Burk. Fortsetzung also Donnerstag, 14.4.1977, 9 Uhr, in diesem Saale.
Ende des 189. Verhandlungstages um 16.07 Uhr
Ende von Band 821
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Am 187. Verhandlungstag erklärte die Angeklagte Ensslin, dass sich die Gefangenen von diesem Tag an im Hungerstreik befänden. Zu den Forderungen erklärte sie (bevor ihr hierzu das Wort entzogen wurde) u.a., „daß die Gefangenen aus den antiimperialistischen Widerstandsgruppen, die in der Bundesrepublik kämpfen, entsprechend den Mindestgarantien der Genfer Konvention von 1949 behandelt werden“ (S. 13859 des Protokolls der Hauptverhandlung, 187. Verhandlungstag). Für die Behandlung von Kriegsgefangenen gelten nach dem humanitären Völkerrecht (welches im internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anwendbar ist) besondere Bestimmungen. Diese sind im Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen (III. Genfer Konvention) von 1949, sowie in den beiden Zusatzprotokollen von 1977 niedergelegt. Danach sind Kriegsgefangene jederzeit mit Menschlichkeit zu behandeln (Art. 13 der III. Genfer Konvention), sie haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Würde (Art. 14 der III. Genfer Konvention). In Art. 13 heißt es außerdem: „Jede unerlaubte Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in ihrem Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist verboten und als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens zu betrachten.“ Bereits am 65. Verhandlungstag hatte Prof. Dr. Azzola, damals Verteidiger von Ulrike Meinhof, für die Angeklagten den Status von Kriegsgefangenen reklamiert und beantragt, die Angeklagten in Kriegsgefangenschaft zu überführen (S. 5673 ff. des Protokolls).
[3] Gemäß § 24 Abs. 1 StPO können Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
[4] Am 185. Verhandlungstag wurde bekannt, dass vertrauliche Verteidigungsgespräche in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim abgehört worden waren. Mit der haftrichterlichen Anordnung (abgedruckt in Anlage 5 zum Protokoll vom 31. März 1977, S. 13882 des Protokolls der Hauptverhandlung, 188. Verhandlungstag) untersagte der Vorsitzende Dr. Foth jede weitere Abhörung und ordnete an, für Verteidigungsgespräche Besucherzellen zur Verfügung zu stellen, in denen keine Abhörvorrichtung angebracht sind.
[5] Anlage 1 zum Protokoll vom 12. April 1977: Prozessvollmacht für Prof. Dr. Azzola.
[6] Anlage 2 zum Protokoll vom 12. April 1977: Senatsbeschluss vom 12. April 1977 (Zurückweisung der Ablehnungen als unbegründet).
[7] Anlage 3 zum Protokoll vom 12. April 1977: Antwortschreiben des Justizministers Dr. Bender vom 5. April 1977.
[8] Bereits in einem Schreiben vom 28.3.1977 nahm das Justizministerium dahingehend Stellung, die Abhörmaßnahmen hätten sich „streng an die Voraussetzungen des § 34 StGB gehalten“ (Anlage 2 zum Protokoll vom 29.3.1977, S. 13738, 13739 des Protokolls der Hauptverhandlung, 187. Verhandlungstag). Nicht rechtswidrig handelt demnach, „[w]er in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden [...], wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“ Ob und in welchem Umfang § 34 StGB auf hoheitliche Handlungen staatlicher Akteur/innen anwendbar ist, ist umstritten. Nicht anwendbar ist § 34 StGB jedenfalls, soweit bestimmte Interessenkollisionen zwischen Staat und Bürger/in in Form von staatlichen Eingriffsbefugnissen bereits durch speziellere Normen geregelt sind. Fehlen entsprechende Eingriffsbefugnisse, oder sind die vorhandenen als nicht abschließend einzustufen, wird ein Rückgriff auf § 34 StGB überwiegend nicht ausgeschlossen (BGH, Beschl. v. 23.9.1977 – Az.: 1 BJs 80/77 – StB 215/77, BGHSt 27, S. 260; Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1, 5. Aufl. 2020, § 16 Rn. 103; a.A. Zieschang, in Hohn/Rönnau/Zieschang (Hrsg.), Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 13. Aufl., § 34 Rn. 7 ff.).
[9] Die Verteidigung bestand aus zwei „Lagern“: Zum einen den Vertrauensverteidiger/innen, die von den Angeklagten ursprünglich frei gewählt (§§ 137, 138 StPO) und ihnen z.T. als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet worden waren (§ 141 StPO); zum anderen den von den Angeklagten sog. Zwangsverteidigern, die ihnen durch das Gericht gegen ihren Willen zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren. Die Hauptverhandlung konnte daher trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) fortgeführt werden, obwohl die Vertrauensverteidigung nach Bekanntwerden des Abhörens vertraulicher Verteidigungsgespräche nicht weiter an der Hauptverhandlung teilnahm.
[10] Nachdem die Abhörmaßnahmen bekannt wurden, erklärte Rechtsanwalt Schily: „Was hier stattfindet in diesem Verfahren, das kann man nicht anders benennen als die systematische Zerstörung aller rechtsstaatlichen Garantien. Insofern hat das Verfahren für den Zustand dieser Republik in politischen Verfahren [...] seine exemplarische Bedeutung. Die Verteidigung kann es unter keinen Umständen verantworten, hier auch nur eine Minute länger in dem Verfahren mitzuwirken, um hier noch vielleicht als eine Art Alibi aufzutreten, daß es noch so etwas gebe wie eine Verteidigung“ (S. 13712 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 185. Verhandlungstag).
[11] Anlage 4 zum Protokoll vom 12. April 1977: Senatsbeschluss vom 12. April 1977 (Verwerfung der Ablehnungen als unzulässig).
[12] § 148 StPO a.F. (entspricht dem heutigen § 148 Abs. 1 StPO) lautet: „Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.“ Hieraus wird der Grundsatz der freien Verteidigung hergeleitet, der grundsätzlich den ungehinderten und unüberwachten Verkehr zwischen Verteidiger/in und beschuldigter Person voraussetzt (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 148, Rn. 1 ff.).
[13] Rechtsanwalt Weidenhammer teilte bereits am 187. Verhandlungstag mit, er habe Strafanzeige gegen den Justizminister Baden-Württembergs Bender sowie den Innenminister Baden-Württembergs Schiess wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) erstattet (S. 13837 des Protokolls der Hauptverhandlung); auch den hier beschiedenen Aussetzungsantrag stützte er auf diesen Umstand (S. 13866 des Protokolls, ebenfalls 187. Verhandlungstag).
[14] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.
[a] Handschriftlich durchgestrichen: die
[b] Maschinell ersetzt: daß durch was
[c] Maschinell ersetzt: Verteidigung dazu, was die durch Verteidigersituation von
[d] Maschinell ersetzt: Ausschließung durch Aussetzung
[e] Handschriftlich eingefügt: - - -
[f] Handschriftlich durchgestrichen: an mich
[g] Maschinell eingefügt: den