27. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 20.8.1975, 11.02 Uhr



[2168] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 20.8.1975, 11.02 Uhr

(27. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von BA Dr. Wunder - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko, Just. Ass. z. A. Scholze.

Die Angeklagten sind anwesend mit ihren Verteidigern Rechtsanwälte

Schily, Becker, Dr. Heldmann, Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Herzberg (als Vertreter von RA Schlaegel), König, Linke und Grigat.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort, wie ich sehe in voller Besetzung. Zunächst sind die Angeklagten darüber zu belehren, was gestern geschehen ist, nach Ihrem Ausschluß.[1] Es wurden zunächst die äußeren Personaldaten, nämlich Namen, Beruf, letzter Wohnsitz, Nationalität, Familienstand und die Tatsache der derzeitigen Untersuchungshaft für dieses Verfahren aus den Akten festgestellt. Ferner wurde bekanntgegeben, daß das Verfahren durch Beschluß vom 4.2.1975 eröffnet worden ist. Sodann wurde die den Angeklagten seit langem zugängliche und bekannte Anklage verlesen mit der Maßgabe, daß sich die Anklage nicht mehr gegen den verstorbenen früheren Mitbeschuldigten Meins richtet.[2]

Nach dieser Unterrichtung ist folgendes mitzuteilen: Es wird davon abgesehen, die Bestellung der Rechtsanwälte von Plottnitz, Riedel, Dr. Heldmann, Frau Becker und Schily als Pflichtverteidiger[3] zurückzunehmen.[4] Dazu ist zu sagen, daß es sich zwar nicht verschweigen läßt, daß sich diese Pflichtverteidiger wiederholt Verstöße gegen Ihre Pflichten, zu einem geordneten Verfahren beizutragen,[5] haben zu Schulden kommen lassen. Abgesehen davon, daß insbesondere die Herren Rechtsanwälte Schily und von Plottnitz durch eigenmächtige Wortergreifungen und Weiterreden trotz Abmahnung und Wortentzug die geordnete Durchführung wiederholt gestört haben, [2169] entfernte sich Herr Rechtsanwalt Schily schon am 4. Verhandlungstag eigenmächtig aus der Sitzung,[6] um deren Beendigung zu erreichen. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz folgte damals, und nachdem Herr Rechtsanwalt Riedel und Frau Rechtsanwältin Becker gleichfalls Anstalten gemacht haben, den Sitzungssaal zu verlassen, wurde die Sitzung damals abgebrochen. Das Verhalten am gestrigen Sitzungstage, nämlich der Auszug aller genannten Anwälte war ungerechtfertigt, denn es lag eine ärztliche Äußerung vor, wonach keine Bedenken gegen die Verhandlungsfortführung am gestrigen Tage bestanden. Von einer Fiktion der Verhandlungsfähigkeit[7] konnte also keine Rede sein. Abgesehen davon, daß die von den Ärzten benannte Frist[8] natürlich ernstlich niemals als eine Art Ausschlußfrist behandelt werden konnte. Die rechtlichen Voraussetzungen, die Pflichtverteidigerbestellungen aufzuheben, lägen angesichts dieser Verstöße wohl vor. Die volle Verteidigung der Angeklagten wäre auch bei Entpflichtung der genannten Verteidiger gewährleistet. Einmal, weil den Angeklagten weitere Pflichtverteidiger beigeordnet sind[9] und zum anderen, weil es den entpflichteten Verteidigern unbenommen bliebe, als Wahlverteidiger[10] weiter dem Verfahren beizuwohnen. Dennoch wird von der Entpflichtung abgesehen. Einmal, weil die Verteidiger heute wieder zur Verhandlung erschienen sind und es ein Anliegen des Senats ist, den Angeklagten nach Möglichkeit die Verteidigung durch Anwälte zu sichern mit denen Sie in Kontakt stehen. Der Senat sieht sich allerdings veranlaßt, nochmals mit allem Ernst darauf hinzuweisen, daß eine nochmalige Wiederholung derartiger Pflichtverstoße nicht mehr hingenommen werden könnte.

-Um 11.06 Uhr erscheint Professor Dr. Mende-

Vors.:

Ich darf nun feststellen, daß auch Herr Professor Dr. Mende[11] noch anwesend ist, als stiller Beobachter.

Wir haben gestern schon bekanntgegeben, daß noch am Abend des gestrigen Tages, daß die Elektrokardiogramme gemacht worden sind. Und es ist heute früh nochmals ein Besuch der Internisten bei den Angeklagten durchgeführt worden. Es liegt uns darüber ein vorläufiger Bescheid vor, der dem Senat soeben zugegangen ist. Er lautet: „Wir haben heute die Angeklagten erneut gesprochen und untersucht und konnten unsere bisher vorliegenden Resultate [2170] in der Zwischenzeit durch die Elektrokardiogramme ergänzen. Die Ausarbeitung unseres von Ihnen durch Zusatzfragen erweiterten Gutachtens“, die Zusatzfragen werde ich gleich bekanntgeben, „wird noch etwas Zeit erfordern. Für die Gesamtbeurteilung halten wir das noch ausstehende Gutachten der Psychiater für wesentlich. Ausgehend von unserem Fachgebiet können wir heute feststellen, daß alle vier Angeklagten bis auf weiteres zwar verhandlungsfähig sind, aber nicht in der Lage sein dürften, mehr als drei Stunden pro Tag die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen und Prozeßerklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen.“ Unterschrift Professor Müller und Professor Schröder. Ich habe mich dann sofort mit den Ärzten, die noch drüben in der Haftanstalt waren, in Verbindung gesetzt und gefragt, wie die drei Stunden zu verstehen seien. Gemeint ist damit die reine Verhandlungszeit. Pausen, Unterbrechungen und dergleichen sind nicht mitzuzählen. Es kommt den Ärzten ausschließlich auf die Zeit an, in denen die Angeklagten gezwungen sind, sich gegenüber dem Gericht verständlich und verständig zu verteidigen. Die Zusatzfragen, die ich heute früh gestellt habe als ich gehört habe, daß die Ärzte drüben in der Haftanstalt sind, lauten, d.h., die der Senat natürlich gestellt hat, lauten wie folgt: „Der Angeklagte Baader macht ein Untergewicht von 25 kg geltend. Allein in der letzten Woche will er um 3 kg abgenommen haben. Dem Senat ist bekannt, daß die Angeklagten nicht nur sehr erhebliche Zusatznahrung durch die Haftanstalt erhalten, sondern auch durch eigene Einkäufe ihre Verpflegung noch zusätzlich aufbessern. Daraus ergeben sich folgende Fragen

1. Stimmt das behauptete Untergewicht?

2. Worauf ist es zurückzuführen?

3. Ist es aus ärztlicher Sicht denkbar, daß die Angeklagten mit irgend welchen Mitteln die Gewichtsabnahme selbst herbeiführen?

Angekl. B[aader]:

Du Schwein du verdammtes, das hältst du doch nicht aus.

Angekl. R[aspe]:

Drecksau.

- Um 11.12 Uhr erscheint Bundesanwalt Dr. Wunder im Sitzungssaal. -

Vors.:

Herr Baader, ich verwarne Sie. Sie wissen welche Folgen das haben [2171] würde.[12]

4. Können der ...

Angekl. R[aspe]:

Sie müssen einmal überlegen, was Sie vorlesen.

Vors.:

Können der starke ...

RA Dr. H[eldmann]:

Sie verfälschen schon wieder den Sachverhalt, Herr Vorsitzender. Wissen Sie das nicht oder tun Sie’s absichtlich.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, haben Sie ums Wort gebeten?

RA Dr. H[eldmann]:

Das werde ich gleich tun.

Vors.:

Das dürfen Sie dann, wenn ich fertig bin.

4. Können der starke Kaffee- oder Zigarettenkonsum und verordnete Abführmittel wesentliche Ursachen sein? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch diese Fragen in dem von Ihnen erbetenen schriftlichen Bescheid beantworten würden. Das ist selbstverständlich, daß diese Fragen beantwortet werden mit den endgültigen Gutachten. Eine Antwort dazu ist bisher, eine Antwort ist noch nicht eingegangen. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß wir natürlich aufgrund dieses Bescheides die Herrn Sachverständigen auch veranlassen müssen, die Ursachen näher zu beantworten. Die Ursachen, die zu dem Zustand, zu dem reduzierten Zustand geführt haben, d.h. es wird sich um die Frage drehen müssen, ob etwa der Hungerstreik[13] eine ursächliche Rolle für diesen reduzierten Zustand spielt.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben den Sachverständigen die Frage vorgelegt unter anderem, wie zu erklären, daß Herr Baader in der letzten Woche drei Kilogramm abgenommen hat. Die Frage ist entweder eine unbewußte oder eine bewußte Verfälschung des Sachverhalts, den ich gestern vorgetragen habe. Ich habe vorgetragen: Am 8.7. hat Dr. Henck[14] ein Gewicht von 56 kg bei Herrn Baader festgestellt. Am 18.8. hat Herr[a] Baader noch 53 kg gewogen. Kein Wort also, und ich weiß auch nicht wie Sie dazu kommen, kein Wort davon, daß innerhalb der letzten Woche Herr Baader drei Kilogramm abgenommen hat.

[2172] Vors.:

Gut, das wird zur Kenntnis genommen. Entsprechend berichtigt. Ich werde das den Sachverständigen sagen, das wurde heute früh in aller Eile den Herrn Sachverständigen rübergegeben. Das kann sein, daß das überhört worden ist. Das Protokoll lag mir insoweit noch nicht vor. Daß es sich um keine bewußte Verfälschung handelt, ich glaube, das braucht nicht betont zu werden, das wollen Sie mir hoffentlich auch nicht unterstellen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe Sie gefragt, Herr Vorsitzender, ferner haben Sie es für nötig gehalten, in Ihren Beschlußgründen, in dem Sie uns die Gnade erwiesen haben, weiter[b] sitzen zu dürfen, uns zu verwarnen, nämlich mit Ihrem Wortlaut, eine Wiederholung wird nicht mehr hingenommen. Dazu habe ich im Namen meiner Kollegen folgendes zu erklären. Unsere gestrige Erklärung, vor abschließender Begutachtung der Angeklagten über Ihre Verhandlungsfähigkeit nicht weiter hier zu verhandeln, war berechtigt, war begründet, sie ist es im übrigen heute noch. Wir haben Sie bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß der Verteidiger gleichberechtigt gegenüber Gericht und der Bundesanwaltschaft dazu berufen ist, über die Gesetzlichkeit des Verfahrens zu wachen. Wir haben Sie darauf hingewiesen, daß § 43 der Bundesrechtsanwaltsordnung dem Anwalt besondere Sorgfaltspflichten auferlegt, insbesondere nämlich absolute Schutzpflichten für seinen Mandanten. Wir haben Sie darauf hingewiesen, daß [§ ]53[ BRAO][15] die Generalklausel für anwaltliche Pflichten einer etwaigen Spezialpflicht für Pflichtverteidiger nach § 49 Rechtsanwaltsordnung[16] vorgeht.

Vors.:

Entschuldigung, es handelt sich jetzt um die öffentliche Bekanntgabe der dem Gericht abgegebenen Stellungnahme, die bis 10 Uhr abgegebenen werden sollte, oder was ist das jetzt.

RA Dr. H[eldmann]:

Das mag Ihnen so scheinen, Herr Vorsitzender. Nur können Sie wohl ja nicht erwarten, daß wir unwidersprochen Ihre Warnung an die Verteidiger und hiergegen, gegen diese Warnung, erhebe ich Gegenvorstellung.[17]

Vors.:

Ich erwarte das gar nicht. Sie haben das Recht, sich dazu zu äußern. Ich wollte nur feststellen, handelt es sich jetzt um [2173] die Gegenvorstellung die hier bekanntgegeben wird?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, sicher. Sie haben hier gegenüber uns eine Verwarnung ausgesprochen. Und gegen diese Warnung wehre ich mich.

Vors.:

Aber doch nicht mit einer Gegenvorstellung.

RA Dr. H[eldmann]:

Und wenn Sie die Vokabel bevorzugen Gegenvorstellung, tue ich Ihnen diesen Gefallen gerne. Aber nennen Sie es Gegenvorstellung.

Vors.:

Die Gegenvorstellung liegt schriftlich vor. Sie ist dem Senat bekannt.

RA. Dr. H[eldmann]:

Nein, das ist keine Gegenvorstellung. Die Gegenvorstellung richtet sich ...

Vors.:

Das heißt, Ihre Stellungnahme, die liegt schriftlich vor. Die ist dem Senat bekannt. Es gibt doch keinen Grund, die hier jetzt vorzutragen.

RA Dr. H[eldmann]::

Sollen wir Ihre Verwarnung an die Verteidiger hier unwidersprochen hinnehmen?

RA Sch[ily]:

Haben Sie die Befürchtung, daß das der Öffentlichkeit bekannt wird, Herr Vorsitzender, offenbar haben Sie die. Das wollen Sie nicht hören, öffentlich. Das ist doch der Fall.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie pflegen in solchen Fällen zu sagen, ersparen Sie sich solche Anregung, Vorschläge und Besorgnisse, die haben wir uns hier selbst zu überlegen. Ich habe die Befürchtung nicht.

RA Sch[ily]:

Ja, dann lassen Sie doch Herrn Dr. Heldmann ausreden. Das wäre doch sinnvoller.

Vors.:

Es ist nur die Frage, wenn Sie hier über die Stellungnahme hinaus aufgrund der bekanntgegebenen Entscheidung etwas zu sagen haben, selbstverständlich. Aber die reine Stellungnahme hier bekannt zu geben, zu welchem Grund, die liegt vor. Wir führen hier ja kein [2174] Verfahren für die Öffentlichkeit sondern das Gericht ...

RA Sch[ily]:

Manchmal ist das ein Verfahren ...

RA Dr. H[eldmann]:

Sie führen Verfahren, so wie es Ihnen paßt für die Öffentlichkeit und das, was Ihnen nicht paßt, Herr Vorsitzender, das lassen Sie gerne hier unterm Tisch.

Vors.:

Das meinen Sie. Wir sind hier Ansprechpartner. Und ich weise Sie darauf hin, daß dem Gericht Ihre Stellungnahme voll inhaltlich bekannt ist. Sie liegt hier vor uns.

RA Dr. H[eldmann]:

Gut, wenn sie Ihnen bekannt ist, dann verstehe ich um so weniger, wie Sie hier öffentlich zu einer Warnung an die Verteidiger kommen und deswegen bitte ich Sie weiter, mich jetzt ausreden zu lassen.

Vors.:

Fahren Sie fort.

RA Dr. H[eldmann]:

Das Prozeßrecht und das Standesrecht verweisen den Verteidiger auf ein Handeln in eigener Verantwortung. Als Pflichtverteidiger insbesondere auch gerade darauf, eigene Interessen, etwa die, die Sie hier so hochgespielt haben, seine Bestellung nämlich für einen mittellosen Mandanten sich zu erhalten, denjenigen Interessen des Mandanten am unbedingtem Einhalten seiner Schutzpflichten unterzuordnen. Das haben wir gestern getan. Das werden wir weiter tun und werden uns von keiner Warnung von Ihnen davon abhalten lassen. Der[c] vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger hat nämlich ganz besonders auch darauf zu achten, sich seine Unabhängigkeit vom Gericht zu erhalten, und das zu tun, sind wir unter anderem auch im Begriff. Wir haben wiederholt, allerdings völlig erfolglos, darauf hingewiesen, daß Verhandlungsfähigkeit Prozeßvoraussetzung ist, daß, wenn sie fehlt, das Verfahren einzustellen ist, und daß sie als Verfahrensvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist, von Amts wegen zu beachten ist. Hat der Verteidiger, so wie wir, begründete Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit und zwar an einer Verhandlungsfähigkeit, wie Sie Sie als voll angenommen haben, dann hat er die Pflicht, von sich aus unabhängig was Sie fern diagnostizieren, unabhängig davon, die Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten zu prüfen. Und mindestens [2175] muß, wie wir das, ich möchte fast sagen unzählige Male, nämlich 14 Mal an 26. Sitzungstagen es getan haben, durch Anregung zumindest, wir haben es überwiegend durch Anträge getan, dafür sorgen, daß auch das Gericht diese Verhandlungsfähigkeit prüft und auf den Gesundheitszustand der Angeklagten Rücksicht nimmt. Davon war in diesem Verfahren weiterhin nicht die Rede, bis nun endlich heute das, was längst zu erkennen war, herausgekommen ist, beschränkte Verhandlungsfähigkeit, wie wir es vom ersten Verhandlungstag, jedenfalls so lange ich hier sitze, für die Angeklagten reklamiert haben. Nämlich genauso wie wir es beansprucht haben für die Angeklagten, nicht über drei Stunden am Tag hinaus. Ich habe Ihnen vorgehalten, daß die Verhandlungsunfähigkeit, das bedeutet identisch die, relativ, die beschränkte Verhandlungsfähigkeit der Abwesenheit des Angeklagten, oder der zeitweisen Abwesenheit des Angeklagten gleichsteht. Daß der Verteidiger verpflichtet ist, schon im Hinblick auf ein etwaiges Revisionsgericht, diese Rüge zu erheben, soweit er diese Rüge als begründet erkennt.[18] Und daß der Verteidiger nach Prozeßrecht und nach Standesrecht diese Rüge nicht nur nicht versäumen darf, daß er vielmehr Unterbrechung, so wie wir es wiederholt getan haben, beantragen muß und verpflichtet ist, notfalls dann, wenn er wie wir hier, nur taube Ohren findet, verpflichtet ist, den Sitzungssaal zu verlassen. So wie wir das gestern getan haben. Darum ist Ihre Warnung an die Verteidigung eine Wiederholung dessen, was wir gestern getan haben, zum Schutz unserer Mandanten ist gelinde gesagt eine Zumutung an die Verteidigung und ich kann Ihnen jetzt schon die Programmvorschau geben, daß wir immer dann so handeln werden und wieder so handeln werden, wenn Sie, der Senat, durch Unrechtshandeln uns dazu veranlassen.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt. Zunächst darf ich Ihnen eines sagen. Sooft, wie Sie Anträge gestellt haben oder Anregung gegeben haben, haben wir uns auch mit der Frage der Verhandlungsfähigkeit befaßt.

RA Dr. H[eldmann]:

Aber wie.

Vors.:

Das zweite. Aber wie. Wir haben Ärzte hinzugezogen, wir haben von den Ärzten die Auskünfte erhalten, es sei Verhandlungsfähigkeit [2176] gegeben. Diese Ärzte sind für uns nun maßgeblicher gewesen, als Ihre Meinung im Augenblick, die Sie ja doch letztlich auch auf eine Ferndiagnose ohne größere Untersuchung angewiesen waren. Uns wurde gesagt bis zum gestrigen Tage, es ist Verhandlungsfähigkeit gegeben und die Verhandlungsfähigkeit, die der Senat festgestellt hat, war immer unter der Voraussetzung nach unserem Prozeßrhythmus. Sie werden keinen, oder fast keinen Tag finden, wenn Sie die Protokolle durchsehen, an denen die reine Verhandlungszeit 3 Stunden überstiegen hat. So darf ich zum Beispiel Ihnen die Feststellung mitteilen, wie lange gestern verhandelt worden ist. Herr Kollege Breucker, wenn ich Sie bitten darf.

Richter Dr. Breucker:

Gegen den Angeklagten Baader ist gestern 1 Stunde und 35 Minuten, gegen Frau Meinhof 1 Stunde 31 Minuten, gegen Herrn Raspe 1 Stunde und 33 Minuten und gegen Frau Ensslin 1 Stunde und 30 Minuten verhandelt worden.

- Rechtsanwälte Schily und Dr. Heldmann reden unverständlich durcheinander. -

Vors.:

Augenblick. Im Augenblick habe ich noch das Wort. Ja, Sie kriegen das Wort gleich. Darf ich Sie jetzt zunächst bitten, mir das Wort zu lassen. Ich habe Sie auch nicht unterbrochen.

- Rechtsanwalt Schily spricht im Hintergrund, es ist aber nicht verständlich. -

Vors.:

Aber ich bin noch nicht zu Ende. Sie können also nicht sagen, daß der Senat hier eine Verhandlungsfähigkeit unterstellt hat, die jetzt entgegen Ihrer bisherigen Annahme sich plötzlich als eingeschränkt herausgestellt hat, weil wir die Einschränkung selbst gemacht haben. Nach unserem Prozeßrhythmus mit diesen langen Pausen, mit diesen immer wieder durch Anträgen unterbrochenen Verhandlungen, und nur auf den Zeitpunkt kommt es den Ärzten an, wo die Angeklagten gezwungen sind, sich im Gerichtssaal zu verteidigen. Nicht außerhalb, wo Sie dann sagen, da setzt sich die Streßsituation fort. Das ist für die Ärzte nicht das maßgebliche. Und Sie können mal das Protokoll darauf überprüfen, ob wir einen Verhandlungstag finden, oder mehr als einen oder zwei, wo es darüber hinaus ging, vielleicht mal durch Verlesen irgendwelcher Anträge. Jetzt, Herr Rechtsanwalt Schily, er hat sich als erster [2177] zu Wort gemeldet.

RA Sch[ily]:

Ich weiß nicht, ob der Senat eigentlich nicht erkennt, ich habe eigentlich fast eher die Annahme, daß er nicht erkennen will, daß bereits durch dieses vorläufige Gutachten, das ja kein endgültiges Gutachten darstellt, die Verteidigung in Ihrem Vorgehen voll gerechtfertigt worden ist. Voll gerechtfertigt. Und es ist eine Dreistigkeit, daß der Senat sich hier noch das Recht herausnimmt, uns zu verwarnen.

Vors.:

Aber das darf ich vielleicht dazwischen sagen ...

RA Sch[ily]:

Sie lassen mich nicht ausreden, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Aber ich möchte Sie bitten, sich zu mäßigen ...

RA Sch[ily]:

Ich habe Sie ausreden lassen, lassen Sie mich gütigst auch ausreden.

Vors.:

Mit einem Unterschied ...

RA Sch[ily]:

Nein, ich bitte mich jetzt ausreden zu lassen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Nein, Herr Vorsitzender ich bitte mich jetzt nicht ...

Vors.:

Ich, als Vorsitzender, habe das Recht, Ihnen zu sagen, wenn Sie sich darüber hinausbenehmen.

RA Sch[ily]:

Sie haben nicht das Recht mich zu unterbrechen. Wie bitte?

Vors.:

Ich habe das Recht, Ihnen zu sagen, wenn Sie sich darüber hinausbenehmen, was hier im Saale möglich ist. Sie können dem Senat nicht Dreistigkeit vorwerfen.

RA Sch[ily]:

So. Sie können mich verwarnen und Sie können mir standeswidriges Verhalten vorwerfen, aber ich darf dem Senat keine Dreistigkeit vorwerfen.

[2178] Vors.:

Nein, daß dürfen Sie nicht.

RA Sch[ily]:

Das werden wir feststellen, ob wir das können oder nicht.

Vors.:

Habe ich Ihnen Dreistigkeit vorgeworfen, jemals?

RA Sch[ily]:

Ach, Herr Vorsitzender, was Sie alles uns vorgeworfen haben, das lesen Sie mal im Protokoll nach.

Vors.:

Was heißt, ach, Herr Vorsitzender.

RA Sch[ily]:

Das lesen Sie mal im Protokoll nach in einer stillen Stunde.

Vors.:

Ich darf Sie jetzt darauf hinweisen, daß ich die Verhandlungsleitung habe.

RA Sch[ily]:

Das wissen wir.

Vors.:

Die Verhandlungsleitung berechtigt mich dazu, das können Sie nachlesen. Sie haben ja Ihren Kommentar immer hier, den Großen. Der Kleine ist Ihnen nicht genug.

RA Sch[ily]:

Jawohl, Große und Kleine.

Vors.:

Da können Sie nachlesen, daß ich die Möglichkeit habe, dann, wenn Ausführungen gemacht werden, die ich glaube beanstanden zu müssen, Sie zu unterbrechen. Und ich glaube, es ist zu beanstanden, wenn Sie dem Senat wegen einer Entscheidung oder einer Verwarnung Dreistigkeit vorwerfen.

RA Dr. H[eldmann]:

Nachdem Sie uns standeswidriges Verhalten vorgeworfen haben, das ist die Erwiderung und die ist gerechtfertigt.

RA Sch[ily]:

So.

Vors.:

Bitte, ich werde Ihnen erwidern.

RA Sch[ily]:

Weil Sie den Kommentar ja, ich habe den heute wieder dabei, [2179] stellen Sie sich vor, stellen Sie sich das vor, ich habe ihn wieder dabei, und da steht nun ein interessanter Absatz drin. Und den kann ich Ihnen auch nur zur wiederholten Lektüre einmal empfehlen. Das ist die Anmerkung II 2 zu § 244 der StPO. Sie haben ja hier mal das Wort Freibeweis in diesem Zusammenhang selbst in der Verhandlung erwähnt, wenn ich mich recht erinnere. Freibeweis heißt, so heißt es hier im Kommentar, Freibeweis bedeutet nicht, Beweis nach Gutdünken, nicht nach Gutdünken. Wir sind uns vollkommen bewußt, daß der Gegenstand, der hier zur Debatte steht, Verhandlungsfähigkeit oder nicht, im Freibeweisverfahren zu klären ist.[19] Aber nicht in einem Verfahren nach Gutdünken, das nicht. Und hier heißt es weiter, die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, die aus der Verpflichtung zu einem rechtsstaatlichen und fairen Prozeß erwachsen, gelten auch hier, wie etwa das Fragerecht nach § 240[ StPO][20] oder die allgemeine Verpflichtung, Anträge zu verbescheiden. Desgleichen gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung[21] und die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs[22]. Und was Sie hier im Moment praktizieren, ist ein Kabinettsbeweisverfahren, d.h. Sie telefonieren mit Herrn Müller oder Sie korrespondieren mit Herrn Müller und die übrigen Prozeßbeteiligten bleiben von diesen Beweisverfahren ausgeschlossen und werden nur mit irgendwelchen fragwürdigen Ergebnissen konfrontiert, wobei ja das besonders Kritikwürdige an diesem Verfahren ist, daß Sie in den Fragestellungen, in subjektiven Fragestellungen, das Beweisergebnis beeinflussen. Wissen Sie, wenn Sie eine Frage stellen, kann es sein, und diese Frage hier bekanntgeben ohne auch nur eine Antwort darauf; kann es sein, daß die Angeklagten durch irgendwelche Manipulationen ihr Gewicht künstlich herunterdrücken? Dann hat die Bekanntgabe einer solcher Frage, muß sich doch der Eindruck aufdrängen, daß das hier nur propagandistische Zielsetzungen haben kann. Das liegt auf der gleichen Ebene, Herr Vorsitzender, wie Sie einmal hier in der Verhandlung eine Frage gestellt haben an Herrn Dr. Henck, ich glaube, es war an Herrn Dr. Henck oder Herrn Professor Rauschke; Wäre denn das Befinden der Angeklagten besser, wenn Sie auf freiem Fuß wären? Wissen Sie, das sind doch, man könnte sagen, agitatorische Fragen, in einem gewissen Sinne. Die haben mit Aufklärung des Sachverhalts, wie es eigentlich einem Gericht obliegt, überhaupt nichts zu tun. Und wir, wir, die Verteidiger, wir bestehen darauf, daß Sie [2180] uns auch das Fragerecht einräumen. Und der erste Schritt dazu ist, daß Sie uns einmal den vollständigen Akteninhalt bekanntgeben, zur Verfügung stellen, zur Einsichtnahme zur Verfügung stellen, was eigentlich im Bereich dieser Frage über Prüfung auf Verhandlungsfähigkeit vorhanden ist. Vermerk über Telefongespräche, Korrespondenz die in den Akten ist. Anschließend die Verteidiger selbstverständlich auch das Recht haben, den Sachverständigen Professor Müller und Schröder Fragen zu stellen, damit es nicht so läuft, daß nur das Gericht Fragen stellt und wir dann mit diesen vorprogrammierten Fragen und Antworten dann uns zufrieden geben sollen. Damit bin ich nicht einverstanden. Ich meine, Sie sollten sich einmal noch vergewissern, was gestern abgelaufen ist. Sie sollten sich das noch einmal vor Augen führen. Sie haben uns auf irgendein Schriftstück verwiesen. Auf eine telefonische Auskunft, die wir nicht prüfen konnten. Wenn das irgendwas noch zu tun haben soll mit einem fairen Prozeß, wie es hier die Grundsätze Ihnen aus einem anerkannten Kommentar zitiert habe, dann weiß ich es nicht mehr. Es gehört im übrigen dazu, wenn Sie sagen, naja die reine Verhandlungszeit, Herr Vorsitzender. Gehen Sie denn davon aus, daß also nun immer, daß Sie denn nun immer hier mit Unterbrechungen nach einer viertel Stunde oder einer halben Stunde, sind Sie gestern davon ausgegangen, daß die Verhandlung nur nach einer Stunde dann unterbrochen wird. Erinnern Sie sich eigentlich nicht daran, daß wir mal nach zwei, drei Stunden um Pausen gebeten haben und dann der Senat gesagt hat, Pause, nein, Pause gibt es nicht. Erinnern Sie sich an das nicht oder verdrängen Sie das. Wie ist das eigentlich. Und es wird sich nach meiner Überzeugung herausstellen, wenn den Sachverständigen erst einmal nicht durch so eine suggestive Fragestellung, sondern wenn ihnen klar gemacht wird, wie das hier[d] eigentlich dann[e] ein solcher Verhandlungsrhythmus aussieht, daß das keine in dem Sinne Erholungspause ist. Wenn sie sich einfach mal mit der Situation hier vertraut machen. Ich weiß nicht, ob Sie z.B. mal in den Zellen unten waren. Ob Sie einfach mal die Situation kennenlernen. Welcher Situation dann diese sogenannten Erholungspausen sind. In welcher Situation sich die Angeklagten befinden. Dann möchte ich ...

[2181] Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Ja bitte.

Vors.:

Das sind dann Fragen, die Sie ja den Sachverständigen, wenn sie hier zur Verhandlung kommen sollten, wir müssen zunächst mal das endgültige Gutachten abwarten, ob sich die Notwendigkeit ergibt, jederzeit stellen können.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Aber es hat ja keinen Sinn, daß wir nun die Fragen, die Sie bis dahin formulieren wollen, schon jetzt alle durcherörtern. Ich wäre Ihnen allerdings dankbar, wenn Sie, Sie scheinen nicht am Ende zu sein, mir doch Gelegenheit geben würden, einige Fragen die Sie hier gestellt haben, schnell zu beantworten.

RA Sch[ily]:

Ja bitte, dann unterbreche ich einen Moment.

Vors.:

Zunächst mal die Frage ...

-Sprechen im Hintergrund, ohne Mikrofon, daher unverständlich-

Vors.:

Nein, ich möchte jetzt zunächst Herr Rechtsanwalt Schily ganz kurz antworten. Die Frage der Kabinettsjustiz ist natürlich zurückzuweisen. Sie haben zweimal sich geäußert, unsere Sachverständigen, schriftlich. Beide Bescheide haben Sie bekannt gegeben bekommen, sofort wie sie in die Hauptverhandlung kamen. Die eine kam damals direkt in den Sitzungssaal, die andere habe ich eben 10 Minuten vor Eintritt in den Sitzungssaal bekommen.

RA Sch[ily]:

Die dritte gestern.

Vors.:

Sie werden sie selbstverständlich auch schriftlich bekommen. Daß gestern eine Ausnahmesituation war, wo nun plötzlich mitten in der Sitzung wieder die Verhandlungsunfähigkeit geltend gemacht [2182] wurde mit Rücksicht auf die Behandlung dieser damals doch ganz klar als Überbrückungsfrist anzusehenden Zeitangabe. Daß da es notwendig war, im Interesse der Fortführung der Verhandlung, sofort rückzufragen, wie legt ihr eure Frist aus, das war doch ganz klar. Daß man daraus den Vorwurf der Kabinettsjustiz macht, das ist einfach abwegig. Das zweite. Selbstverständlich können Sie den vollen Akteninhalt alles dessen, was bisher korrespondiert worden ist und an Aktenvermerken[f] ist, jederzeit einsehen. Das steht Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Und dann das letzte. Sie meinten, es habe agitatorischen Zweck gehabt, daß ich die Zusatzfragen verlesen habe. Es war nie daran gedacht, diese Zusatzfragen irgendwann in der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Nur dadurch, daß dieses, dieser Zwischenbescheid der Ärzte diese Zusatzfragen hier erwähnt, war ich gezwungen, um den Inhalt auszufüllen, das bekanntzugeben. Das ist der einzige Grund. Das Gericht beabsichtigt keine Agitation zu treiben.

RA Sch[ily]:

Das war keine Agitation, als Sie seinerzeit gefragt haben, ob es den Angeklagten auch besser gehen würde, wenn Sie auf freiem Fuß sind?

Vors.:

Natürlich nicht. Das war damals im Sinnzusammenhang durchaus verständlich, daß diese Frage gestellt wurde.

RA Sch[ily]:

Ahja, das ist ja eine sehr wichtige Frage. Das ist ja sicher aus dem Sachzusammenhang zu erklären.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich könnte Ihnen mehr zitieren ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, im übrigen, darf ich jetzt ...

Vors.:

Ja bitte.

Ende von Band 104

[2183] RA Sch[ily]:

Sie, glaube ich, machen einen merkwürdigen Unterschied, einen merkwürdigen Unterschied, daß Sie sagen, vorläufiges Gutachten, das geht schriftlich, das machen wir[g] im Wege des Kabinettsbeweisverfahrens, aber das endgültige, da, das Sie dann, da können Sie dann fragen und das kann hier[h] in der Öffentlichkeit erörtert werden. Da aber das vorläufige Gutachten ja ganz erhebliche Auswirkungen auf das Verfahren hat, Herr Vorsitzender, Sie wollen ja damit weiterverhandeln. Sie wollen ja Ihren Fahrplan weiterfahren mit einem vorläufigen Gutachten. Das ist doch das Fahrzeug, auf der Sie mit der Schiene dann weiterfahren wollen. Und wir wollen uns mal von der, von der Konstruktion dieses Fahrzeuges überzeugen, ob der Unterbau eigentlich wirklich so tragfähig ist, wie das hier von Ihnen dargestellt wird. Und wir haben ernste Zweifel, ob eigentlich das, was Sie an Fragen den Sachverständigen stellen, ob das dann in seinem vollen Sinngehalt hier eigentlich auch in der Verhandlung herauskommt. Sie wissen, daß zwischen uns und anderen Prozeßbeteiligten, insbesondere aus dem Senat, erhebliche Meinungsverschiedenheiten auftreten in der Bewertung bestimmter Äußerungen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich zu Ihrer Zwischenunterrichtung sagen: Die Fragen, die den Sachverständigen gestellt worden sind, lagen und liegen schriftlich fest. Sie haben Sie ...

RA Sch[ily]:

Ich habe ...

Vors.:

Sie sind darüber hinaus vom Senat, von mir keine Frage gestellt worden ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie haben selber gestern ...

Vors.:

... mit Ausnahmen und Zusatzfragen.

RA Sch[ily]:

Wir sprechen doch auch über die Verwarnung. Sie haben doch gestern selbst von einem Telefongespräch mit Herrn Müller ge- [2184] sprochen ...

Vors.:

Ja, da habe ich ...

RA Sch[ily]:

Haben Sie selber gesprochen.

Vors.:

Da habe ich gefragt, wie die Zeit zu verstehen sei von 2 - 3 Wochen, wir verhandeln heute, ob da in diese Zeit der heutige Verhandlungstag hineinfalle. Das war die Frage.

RA Sch[ily]:

Ja, und es ist eben die Frage, ob da diese Antwort ...

Vors.:

Gut, aber ...

RA Sch[ily]:

... zu bewerten ist, wie diese Antwort zu bewerten ist.

Vors.:

... Herr Rechtsanwalt, ja. Wir haben jetzt diese ...

RA Sch[ily]:

Nicht? Das ist doch der Punkt, nicht?

Vors.:

Wir haben doch jetzt diesen Zwischenbescheid bekommen.

RA Sch[ily]:

Ja, und ich sage Ihnen, Sie können nicht Zwischenbescheide erfragen und im, im ... einholen ...

Vors.:

Erfragen, das ist nicht erfragt.

RA Sch[ily]:

Ja, doch hier schriftlich.

Vors.:

Der ist doch nicht erfragt. Die Ärzte sind gestern auf unsere Bitte, rasch zum Abschluß zu kommen, mit den Untersuchungen vorangeschritten und das ist das Ergebnis. Ich wußte gar nicht, daß das schriftlich zu mir rübergegeben werden würde. Ich habe nur gesagt, wir bitten um Verständigung, welchen neuen Eindruck die Ärzte aufgrund der gestrigen Untersuchung gewinnen. In welcher Form, ob die mir anrufen würden, oder schriftlich das [2185] machen würden, war mir nicht bekannt. Ich hätte es heute in der Sitzung bekanntgegeben, wie schon gestern angekündigt. Es bedarf doch darüber jetzt keiner längeren Ausführung mehr. Das ist ein korrektes Verfahren, wie es im Freibeweisverfahren überall üblich ist.

Ich weiß nicht, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, ob Herr Rechtsanwalt Schily schon am Ende ist.

RA Sch[ily]:

Nein, ich darf also noch darauf hinweisen, daß nach einer mir jetzt bekanntgewordenen Äußerung, Herr Müller ausdrücklich abgelehnt hat, zu erklären für den gestrigen Tag, daß da Verhandlungsfähigkeit besteht. Das ist die Information, die ich soeben bekomme. Daß er das beurteilen kann für den gestrigen Tag und ...

Vors.:

Also ...

RA Sch[ily]:

... und das ...

Vors.:

... ich kann Ihnen ...

RA Sch[ily]:

... - sehen Sie mal - und das ist genau der Punkt, wo es nämlich mal, wo es dann wirklich auf Spitz[i] und Knopf steht, wo wir jetzt mal klären müßten, wo wir Herrn Müller hier haben müßten, um dann festzustellen ...

Vors.:

Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag. Wir klären den Punkt, in dem Sie mit ihm in unserer Gegenwart ruhig telefonieren dürfen, was er mir gestern für eine Auskunft gegeben hat, die ich Ihnen ja bekannt ...

RA Sch[ily]:

Herr ... Haben Sie uns ... das ist ja unglaublich.

(Rechtsanwalt Schily und Rechtsanwalt Dr. Heldmann reden laut durcheinander)

RA Sch[ily]:

Das ist genau wieder der Punkt.

[2186] RA Dr. H[eldmann]:

Das ist doch unglaublich.

RA Sch[ily]:

Wir sollen mit Herrn Müller nur telefonieren, wenn Sie dabei sind, aber Sie dürfen mit Herrn Müller, wenn wir nicht dabei sind. (RA Dr. Heldmann redet unverständlich dazwischen)

RA Sch[ily]:

Das ist das wunderbare, ein hervorragendes Beispiel.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Dr. H[eldmann]:

... und Herr Breucker hat ja ... wie man[j] so etwas macht.

RA Sch[ily]:

Ein hervorragendes Beispiel, ein hervorragendes Beispiel, vielleicht muß man auch vorher wieder abgetastet werden.

Vors.:

Das Bild, das Sie hier bieten, ist doch gar sehr seltsam. Ich wollte Ihnen einen ...

RA Sch[ily]:

Na das ...

Vors.:

... fairen Vorschlag machen, daß Sie bei Herrn Müller die Auskunft erfragen. Ich spreche ja nicht mit ihm.

RA Dr. H[eldmann]:

In Ihrer Gegenwart?

RA Sch[ily]:

Ja, aber in Ihrer Gegenwart, wieso denn?

Vors.:

Ja, Sie können auch meine Gegenwart ablehnen. Sie können doch jederzeit anrufen. Ich ging ja gestern davon aus, Sie würden mit Herrn Müller telefonieren ...

RA Sch[ily]:

Davon sind Sie ausgegangen?

Vors.:

... als Sie die 6 Minuten verlangten.

RA Sch[ily]:

Davon sind Sie ausgegangen ...

[2187] Vors.:

Das habe ich vermutet ...

RA Sch[ily]:

... hier in dem Saal war, daß ich dann hier ... habe ich einen geheimen Telefonapparat, Herr Vorsitzender?

Habe ich hier einen? Sehr interessant, es würde mich freuen, dann würde ich mit meinem Büro telefonieren.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich Sie fragen: Sie sagten doch gestern, aber ich möchte jetzt die Diskussion, die wirklich fruchtlos, dann abbrechen.

RA Sch[ily]:

Ja wenn Sie ... wenn Sie ... wenn sie für Sie vielleicht ein bißchen schwierig wird, dann wird sie fruchtlos, das ist mir klar.

Vors.:

Jaja ... Sie sagten doch gestern, also die Frage von Ihnen gekommen war, ob Rechtsanwalt, ob Prof. Schröder auch mit informiert worden sei, bevor Herr Müller seine Auskunft gab, ...

RA Sch[ily]:

Ganz recht, ja.

Vors.:

... dann sagte ich Ihnen ja, nachdem, was mir Herr Müller sagte, hat er sich vorher mit Herrn Schröder besprochen. Darauf sagten Sie, nach dieser Auskunft bitte ich um eine Pause ...

RA Sch[ily]:

Um eine Pause, ja.

Vors.:

Ja.

RA Sch[ily]:

Ja, aber wie kommen Sie darauf, daß ich mit Herrn Müller dann telefoniere?

Vors.:

Das habe ich vermutet, daß Sie mit Herrn Schröder versuchen wollten. Ich dachte ... gesprochen.

RA Sch[ily]:

Mit Herrn Schröder? Wieso denn mit Herrn Schröder?

[2188] Vors.:

Das habe ich vermutet, sage ich.

RA Sch[ily]:

Wenn ich hier im Saal bin?

Vors.:

Im Saal, sagten Sie mir dann nachher, Sie haben es nicht getan. Es gibt doch draußen für Sie Telefon.

RA Sch[ily]:

Aber, aber seit wann telefoniert die Verteidigung ...

Vors.:

Ich brauche doch keine Pause, nicht.

RA Sch[ily]:

... mit Sachverständigen, die vom Gericht bestellt sind, seit wann denn das?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Aber offen ... Sie gehen doch selber davon aus, daß das ein Anwalt nur tun soll, wenn der Herr Vorsitzender daneben steht und aufpaßt, daß er nichts Böses fragt.

Vors.:

Nein, davon gehe ich nicht aus. Es ist ...

RA Sch[ily]:

Doch, warum haben Sie den ...

Vors.:

... nicht Ihr Sach...

RA Sch[ily]:

... Vorschlag gemacht, Herr Vorsitzender, daß Sie dabei sind?

Vors.:

Weil ich Ihnen das Telefon bei uns zur Verfügung stellen wollte, hier im Beratungszimmer.

RA Sch[ily]:

Ach Sie wissen doch ... Aber Herr Vorsitzender, machen Sie sich doch - entschuldigen Sie - machen Sie sich nicht lächerlich. Sie haben doch eben gerade gesagt, daß wir ein Telefon [2189] in unserem Beratungszimmer haben.

Vors.:

Es war ein fairer Vorschlag, der nur gedacht war, daß die Beteiligten, dazu zählt das Gericht, hier im Beratungszimmer die Möglichkeit haben.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, warum haben Sie den Vorschlag gemacht, daß Sie dabei sein wollen, warum?

Vors.:

Ich habe das als eine Selbstverständlichkeit angesehen, daß die Prozeßbeteiligten sich bei dem Gespräch zusammenfinden.

RA Sch[ily]:

Sie, Sie, Sie haben doch nicht mal Herr Bundesanwalt Dr. Wunder eingeladen.

Vors.:

Selbstverständlich hätten die Herrn genauso die Möglichkeit gehabt. Es war ein faires Angebot.

RA Sch[ily]:

Ja, warum wollen Sie bei dem Telefongespräch dabei sein. Warum sollen wir bei Ihrem Telefongespräch nicht dabei sein.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe Ihnen das Warum bis jetzt mehrfach beantwortet.

RA Sch[ily]:

Nein, haben Sie nicht. Es ...

Vors.:

Es war scheins nicht zu Ihrer Zufriedenheit. Aber das ist kein Grund, daß ich jetzt Ihnen die Frage ständig wieder beantworte. Ich habe sie beantwortet.

RA Sch[ily]:

Nein Herr Vorsitzender, Sie müssen mir den Grund nennen. Sie sagen immer es ist ein fairer Vorschlag.

Vors.:

Ich muß gar nichts.

RA Sch[ily]:

Wie, Sie sagen gar nichts mehr. Das ist vielleicht am besten, ja. Das ist vielleicht am besten. Aber wir sind bei dem Punkt [2190] Herr Vorsitzender, warum Sie uns verwarnen. Warum Sie uns hier heute verwarnen. Und dazu haben Sie überhaupt nicht die geringste Rechtsgrundlage. Nicht die geringste. Und das Gericht, das sich gegen einen Ausdruck wie „Dreistigkeit“ verwahrt, das sollte sich selbst heute einmal prüfen, ob es nicht gestern einen Kardinalfehler gemacht hat. Indem es einen so wichtigen Grundsatz wie die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten in einer solchen rüden[k] Form überrollt hat. Und wenn Sie einmal daran denken, Sie haben uns kritisiert, daß wir hier ausgezogen sind. Sie haben mich natürlich auch wieder kritisiert. Ich bin ja ein besonders beliebtes Ziel Ihrer Kritik. Diese viertel Stunde um 16 Uhr, wenn Sie sich erinnern, wo Sie eine Prozeßstrafe für die Angeklagten einführen wollten, weil wir noch einen Antrag gestellt haben und unbedingt bis 16.15 Uhr verhandeln wollten, das war der Fall damals, eine viertel Stunde, Herr Vorsitzender. Da war 16 Uhr. Und vielleicht wenn Herr Professor Schröder und Herr Professor Müller rechtzeitig entsprechend dem Antrag der Verteidigung hier untersucht hätten, vielleicht wäre auch damals, vielleicht nicht nur vielleicht, sondern wahrscheinlich, hätten die Herren Gutachter schon damals ein vorläufiges Gutachten erstattet mit drei Stunden Verhandlungsdauer. Was sagen Sie denn dazu.

Vors.:

Gut, die Frage beantworte ich Ihnen, daß damals nicht, keine drei Stunden verhandelt worden sind. Herr Rechtsanwalt Schily, Sie können es nachprüfen.

RA Sch[ily]:

Das können wir ja nachprüfen. Herr Breucker hat ja immer die Stoppuhr dabei. Herr Vorsitzender, und nun denken Sie mal selber an sich selbst zurück ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wollen wir denn ...

RA Sch[ily]:

Nein, nein, Moment ich bin noch immer bei der Verwarnung, jetzt unterbrechen Sie mich nicht. Denken Sie mal an sich selbst zurück. Wissen Sie, das ist ein hohes Rechtsgut in einem Rechtsstaat, die Verhandlungsfähigkeit. Ein sehr hohes Rechtsgut. Und ich würde sagen, ein sehr viel höheres Rechtsgut als vielleicht, ob hier mal in der Verhandlung Unruhe auftritt oder nicht. Aber der Senat sieht offenbar das ganz anderes, die Proportion. Denn der Senat ist ja [2191] auch einmal ausgezogen, wenn Sie sich recht erinnern. Zur Beruhigung der Gemüter, hieß es damals, und ließ uns hier eine viertel Stunde allein, oder waren es zehn Minuten, ich will mich da nicht auf die Minute festlegen. Zur Beruhigung der Gemüter zieht der Senat aus und verwarnt sich nicht selber. Er müßte ja sich selber verwarnen.

Vors.:

Sagen Sie das nun wirklich, das ist doch nahezu eine Possenspiel, was Sie bringen. Was der Vorsitzende ...

RA Sch[ily]:

Ein Possenspiel nennen Sie das ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Ein Possenspiel mit rechtsstaatlichen Grundsätzen. Dann würde ich sagen, machen Sie ein Possenspiel mit rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Vors.:

Ich werde sofort, wenn Sie weiter in diesem Tone reden, die Pause einlegen. Sie können auch nachsehen, daß es Pflicht oder das Recht des Vorsitzenden ist, wenn solche Unruhe unter den Prozeßbeteiligten besteht, daß eine korrekte Verhandlung nicht mehr möglich ist ...

RA Sch[ily]:

Die Unruhe scheint nur bei Ihnen zu vorhanden sein, ich hab sonst keine gehört.

Vors.:

... durch eine Pause zu erreichen und jetzt lassen Sie mich bitte noch eines sagen.

RA Sch[ily]:

Ja bitte, bitte.

Vors.:

Sie tun so, als hätte der Senat ohne die Berechtigung auch von Seiten der Ärzte verhandelt und die Verhandlungsfähigkeit bejaht. Wir hatten bis zum gestrigen Verhandlungstag die klare Erklärung, es läge Verhandlungsfähigkeit vor. Wir haben ab heute aufgrund des neuen Eindrucks der Ärzte die Erklärung, drei Stunden reine Verhandlungszeit sei nach dem vorläufigen Gutachten möglich. Und Sie haben, obwohl gestern dieses Gutachten der Ärzte vorlag [2192] und Sie nicht wissen konnten, daß irgendwas anderes kommt und obwohl gestern erst eine Stunde ...

RA Sch[ily]:

Daß wir es nicht wissen konnten, ja ...

Vors.:

... und erst eine Stunde und 20 Minuten verhandelt war, haben Sie den Saal verlassen und deswegen bleibt das Urteil bestehen, Sie sind unberechtigt ausgezogen. Auch aus der Sicht des heutigen Gutachtens.[l]

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, lassen Sie das doch klären, lassen Sie doch Herr Müller herkommen. Ich stelle den ausdrücklichen Antrag.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben gestern gesagt die Angeklagten ...

Vors.:

Dr. Heldmann Sie haben das Wort im Augenblick nicht. Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Ich verzichte im Moment auf das Wort.

RA Dr. H[eldmann]:

Man kommt ja gar nicht schnell genug nach, Ihre Unrichtigkeiten hier richtig zu stellen.

Vors.:

Meinen Sie.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben gestern gesagt, in der öffentlichen Verhandlung, der Senat hält an seiner Auffassung fest, daß die Angeklagten verhandlungsfähig sind und damit haben Sie gemeint, in demselben Umfang voll verhandlungsfähig wie bisher, so war es.

Vors.:

In unserem Prozeßrhyhtmus.

RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben gerade mit dieser Äußerung haben Sie unsere Reaktion provoziert. Und heute, ich wiederhole, erdreisten Sie sich deswegen, die Verteidigung zu verwarnen. Ja, Herr Breucker schreiben Sie es auf, ich habe gesagt, erdreisten Sie sich.

RA Sch[ily]:

Ich bitte um eine Pause, fünf Minuten Pause.

Vors.:

Die Pause wird genehmigt.

- Pause von 11.45 Uhr bis 11.53 Uhr -

Ende von Band 105

[2193] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.53 Uhr.

Vors.:

Wir können fortsetzen.

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, ich gehöre ja auch zu den Anwälten, gegen die hier eine Warnung ausgesprochen worden ist, und ich habe mich ebenso wie die Kollegen zunächst mal technisch im Rahmen einer Gegenvorstellung gegen diese Warnung zu verwahren.

Der Senat hat ja vorhin, nachdem er den Zwischenbescheid der Gutachter hier bekanntgegeben hat - den schriftlichen Zwischenbescheid der Gutachter - den Versuch unternommen, so zu tun, als ob in der Vergangenheit eben dieser Senat auf der Grundlage einer gutachterlichen Äußerung verhandelt habe, wonach nicht länger als drei Stunden täglich, nicht länger als drei Stunden täglich verhandelt werden dürfe. Ich weiß eigentlich nicht, was in den Köpfen von Richtern vorgeht, die meinen, mit solchen Versuchen hier die Tatsachen einfach offen zu verkehren, offen zu verkehren. Die Tatsachen sehen so aus, daß wir nicht nur gestern und nicht gestern erstmalig den Antrag gestellt haben, zu warten, bis hier gutachterliche Äußerungen vorliegen. Wir haben diesen Antrag schon früher gestellt, soweit ich mich erinnere - in der Sitzung am 23. Juli bereits. Wir haben früher den Antrag gestellt, nur vormittags zu verhandeln. Wir haben diverseste Anträge in der Richtung gestellt.

Die Wahrheit ist: Diese Anträge sind vom Senat ständig und ohne irgendwelche größere Ausführungen zurückgewiesen worden. Warum zurückgewiesen worden? Weil der Senat diese Verhandlung unter ein großes Muß gestellt hat, ein Muß, das ja gestern auch wieder in der Äußerung der B. Anwaltschaft zum Ausdruck gekommen ist; das Muß, das da immer lautet: Die Hauptverhandlung muß vorangehen, koste es, was es wolle, und koste es auch, was die Gesundheit der Gefangenen angeht. [2194] Das war bislang die Situation, und angesichts dieser Situation war es unsere Verpflichtung gestern, unsere Verpflichtung, die Hauptverhandlung ... in der Tat zu erklären:

Wir verhandeln nicht weiter, bis definitive neue gutachterliche Äußerungen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit vorliegen. Das war also etwas, was durchaus zu unseren Pflichten gehörte. Wir hätten unsere Pflichten verletzt - und das ist ja schließlich durch das Gutachten jetzt auch zutage getreten - wir hätten unsere Pflichten verletzt, wenn wir hier weiter wie die Lämmer gesessen hätten und darauf gewartet hätten, bis, wie Sie gestern zu uns gesagt haben, in absehbarer Zeit mal mit irgendwelchen Äußerungen zu rechnen gewesen wäre.

Das ad 1.

Ad 2 habe ich in schärfster Weise, also wirklich in schärfster Weise gegen den empörenden Versuch hier, gegen den empörenden Versuch des Senats, die Gefangenen in öffentlicher Sitzung zu diffamieren, zu protestieren. Der Versuch, der darin besteht, daß hier vorgelesen wird der Satz:

„Ist es denkbar, daß der Gewichtsverlust durch eigene Manipulation herbeigeführt worden ist?“

Das wird hier in öffentlicher Sitzung gesagt, ohne daß irgendein Anhaltspunkt dafür da ist, der eine solche Frage rechtfertigen könnte. Wenn es in diesem Verfahren - das muß man dazusagen - wenn es in diesem Verfahren den Begriff der Befangenheit noch gäbe - auch dieser Begriff ist ja hier längst abgeschafft[23] -, dann wäre es Anlaß natürlich, aufgrund einer solchen Äußerung, einer solchen Frage, die hier in öffentlicher Sitzung ohne die geringsten Anhaltspunkte verlesen wird, ein Ablehnungsgesuch zu stellen. Und ginge es hier mit rechten Dingen zu, ein solches Ablehnungsgesuch würde unter anderen Umständen auch Erfolg haben. Da aber natürlich der Begriff der Befangenheit hier, wie wir also zwölf- bis fünfzehnmal erfahren mußten, keine Rolle mehr spielt, eliminiert ist, können wir’s uns sparen.

Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.

[2195] Ich bitte aber, mir vorab - ich habe mich also insoweit dem Antrag des Kollegen Schily anzuschließen - uns sämtliche Aktenteile, die die Frage der Verhandlungsfähigkeit bzw. die Kontakte des Senats mit den Gutachtern betreffen, zur Verfügung zu stellen. Vorab bitte ich um eine Ausfertigung des Briefes, aus dem die Frage zitiert worden ist, und darüber hinaus schließe ich mich auch noch an dem Antrag, hier die Gutachter in der heutigen Sitzung zu hören. Zur Begründung kann ich auf das verweisen, was bereits gesagt worden ist.

Vors.:

Herr RA Riedel.

RA Rie[del]:

Ich verwahre mich ebenso gegen die Einschüchterungsversuche des Senats. Der Senat hat, wie ich gestern schon sagte, Gewalt aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Macht ausgeübt gegen die Mandanten. Dieser Gewalt werden wir uns in keiner Weise, in keiner Phase des Verfahrens, auch nicht nach den heute wieder gehörten Versuchen, die Verteidiger hier einzuschüchtern, beugen. Die Gewalt des Senats, die er aufgrund seiner Machtbefugnisse ausgeübt hat, haben sich gezeigt auf die gravierendste Weise in der Verschärfung der Haftbedingungen vor Beginn der Hauptverhandlung. Die Macht des Senats hat ihn nicht daran gehindert, aufgrund mehrerer Anträge der Verteidigung auch während der Verhandlung die verschärften Haftbedingungen beizubehalten.

Wenn heute dann geradezu zynisch hier ausgeführt wird, daß unter Umständen die Mandanten selbst verschuldet haben könnten, daß sie weiterhin Gewicht verlieren, ist das tatsächlich der Gipfel einer grenzenlosen Machtausübung durch das Gericht. Wie soll denn jemand, der aufgrund der zigmal und wiederholt und detailliert geschilderten Umstände, unter denen er hier in der Untersuchungshaft zu leben hat, überhaupt in der Lage sein, seinen Gesundheitszustand selbst zu bessern. Das ist völlig unmöglich und völlig aus der Luft gegriffen. Eine derartige Vermutung kann auch ein Laie - ein medizinischer Laie - nicht äußern, und es ist deshalb tatsächlich zynisch zu nennen, wenn hier so getan wird, [2196] als könnte das tatsächlich so sein, als könnten die Mandanten nicht alles von sich aus getan haben, um verhandlungsfähig zu bleiben; darüber hinaus, als hätten sie tatsächlich Hand an sich selber geradezu gelegt und ihre Gesundheit selbst geschädigt.

Der Senat hat offensichtlich nie versucht und nie sich darüber genaueren Einblick verschafft, was denn tatsächlich an z. B. Ernährungsplänen und an Ernährung in der Haftanstalt verabreicht wird, welche Zusatzernährung die Mandanten zu sich nehmen und trotz dessen das Gewicht verlieren. Das ist offensichtlich dem Senat nie Grund genug gewesen, dem nachzugehen. Er hat keine Ahnung davon und kommt deshalb zu solchen Behauptungen.

Ich schließe mich ebenfalls dem Antrag an,

die Sachverst. Prof. Schröder und Müller sofort hier zu hören.

Von den Mandanten erfahren wir, daß die Erklärung, es könne drei Stunden pro Tag verhandelt werden, in gar keiner Weise so zu verstehen ist und die Sachverst. ihnen gegenüber das nicht so zum Ausdruck gebracht haben, wie der Senat hier behauptet, nämlich geradezu wie mit der Stoppuhr Pausen zu nehmen und dann zu addieren, und wenn die Zahl drei Stunden erreicht, ist aufzuhören, was unter Umständen, wie wir wissen, ja natürlich auch bis 17.00 Uhr gehen kann. So ist es den Mandanten von den Sachverst. nicht erklärt worden, und um das hier klarzustellen, allein schon deswegen ist es notwendig, daß sie hier erscheinen, damit man sie befragen kann.

Vors.:

Herr RA Schily.

RA Sch[ily]:

Sie hatten ja heute morgen den Angeklagten den gestrigen weiteren Verfahrensfortgang mitgeteilt, und da würde mich interessieren, ob eigentlich zwischendurch eine Abtrennung der einzelnen Verfahren[24] stattgefunden hat; denn ich habe gehört - ich hab mir das berichten lassen -, daß in einem unwürdigen, in einem unwürdigen Schauspiel die Angeklagten [2197] einzeln vorgeführt wurden und gezwungen wurden zu Beleidigungen.[25] Und die Tatsache allein, daß sie einzeln vorgeführt wurden, veranlaßt mich zu der Frage, ob eigentlich eine Abtrennung der Verfahren da stattgefunden hat.[26]

Vors.:

Trotz Ihres Auszuges gestern aus der Sitzung geht Ihnen das Protokoll zu. Sie können dem alles entnehmen.

RA Sch[ily]:

Dann möchte ich fortfahren.

Vors.:

Bitte schön.

RA Sch[ily]:

Das möchte ich aber doch jetzt vielleicht beantwortet wissen. Hat eine Abtrennung stattgefunden?

Vors.:

Ich sage, Sie können’s dem Protokoll ja entnehmen.

RA Sch[ily]:

Sie wollen mir die Frage nicht beantworten?

RA Dr. He[ldmann]:

... Herr Vorsitzender, ehe wir weiterverhandeln, nicht?

RA Sch[ily]:

Können Sie mir denn nicht die Frage beantworten? Ist das so schwierig? Hat eine Abtrennung stattgefunden?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Angeklagten waren ausgeschlossen.

RA Sch[ily]:

Ja.

Vors.:

Bei einzelner Vorführung wird die Ausschließung wieder aufgehoben durch Rückführung der einzelnen. Deswegen ist jeder einzelne Angeklagte aufgefordert worden, nach Rückführung hierzubleiben.

RA Sch[ily]:

Ist der Ausschlußbeschluß immer einzeln wieder aufgehoben worden? Und wieso dann nur für den einzelnen?

Vors.:

Ich habe jedem einzelnen Angeklagten das erklärt, wie das gegangen ist rechtlich und juristisch ...

[2198] RA Sch[ily]:

Sehr merkwürdige Verfahrensweise.

Vors.:

... und das können Sie bitte dem Hauptverhandlungsprotokoll im einzelnen entnehmen.

RA Sch[ily]:

Sehr merkwürdige Verfahrensweise.

Vors.:

Nun gut. Das mag ja sein. Das können Sie später ...

RA Sch[ily]:

Nun, Herr Vorsitzender, es hat ja hier noch ... Sie haben ja hier Ihren Brief verlesen. Ich möchte doch nochmals darauf eingehen auf ... Sie haben ja hier mit dieser Fragestellung den Eindruck erwecken wollen - so muß man es leider beurteilen - oder jedenfalls den Sachverst. das nahebringen wollen, daß das vielleicht doch - dieser schlechte Zustand - auf eigenem Verschulden der Angeklagten beruhen solle. Der Kollege Riedel hat ja schon ausgeführt - das ist ja dann eine merkwürdige Tatsache, daß Zusatznahrungsmittel beschafft werden, offenbar um den Zustand zu verschlechtern.

Vors.:

Darf ich Ihnen den Text nochmals verlesen, Herr Rechtsanwalt?

RA Sch[ily]:

Moment, Herr Vorsitzender.

Ja, können Sie gerne nochmal.

Vors.:

Damit Sie den Text genau nochmals hören.

RA Sch[ily]:

Ja, gerne.

Vors.:

„Der Angeklagte Baader macht ein Untergewicht von 25 kg geltend. Allein in der letzten Woche will er um 3 kg abgenommen haben.“

- Das ist richtigzustellen. Dieser Satz ist bereits korrigiert worden, daß es heißt: „Er will seit der ersten Wägung durch Herrn Dr. Henck ...“, das war am 18., sagten Sie; am wievielten sagten Sie, Herr Dr. Heldmann?

[2199] RA Dr. He[ldmann]:

Am 8.7. hat man 56 Kilogramm festgestellt.

Vors.:

Gut. Seit dem 8.7. dann um drei Kilo abgenommen haben.

Und jetzt heißt es weiter -:

„Dem Senat ist bekannt,“

- Herr RA Riedel, weil Sie grade ja diesen Punkt ansprachen -

„daß die Angeklagten nicht nur sehr erhebliche Zusatznahrung durch die Haftanstalt erhalten,“

- das ist medizinisch verordnet, wie wir wissen -

„sondern auch durch eigene Einkäufe ihre Verpflegung noch zusätzlich aufbessern. Daraus ergeben sich folgende Fragen:

1. Stimmt das behauptete Untergewicht?

2. Worauf ist es zurückzuführen?

3. Ist es aus ärztlicher Sicht denkbar, daß die Angeklagten mit irgendwelchen Mitteln die Gewichtsabnahme selbst herbeiführen?

4. Können der starke Kaffee und Zigarettenkonsum und verordnete Abführmittel wesentliche Ursachen sein?“

Ich weiß nicht, was Sie daran so verwerflich halten?

RA Sch[ily]:

... herbeiführen, daß sie selbst herbeiführen.

RA v[on] Plottnitz unverständlich.

Vors.:

Jetzt lassen Sie doch bitte Herrn RA Schily das Wort, Herr v[on] Plottnitz.

RA Sch[ily]:

Wissen Sie, Herr Vorsitzender, vielleicht wäre es dann sinnvoll gewesen, wenn Sie schon solche Fragen einführen, daß Sie einmal dann auch mitteilen, daß Herr Dr. Henck erklärt hat auf Fragen: Eine Simulation schließt er aus.

Vors.:

Gut, ja.

[2200] RA Sch[ily].:

Das wäre doch mal sinnvoll.

Vors.:

Das ist doch oft genug hier eingeführt worden.

RA Sch[ily]:

Ja, aber nicht Herrn Müller und nicht Herrn Schröder teilen Sie das mit, sondern Sie sagen: Ist es denkbar aus medizinischer Sicht.

Und wissen Sie, wenn Sie eine solche Fragestellung überhaupt einführen, die sich mit der Verschuldensfrage beschäftigt, warum hat der Senat eigentlich nicht mitgeteilt: Ist es denkbar, daß der schlechte Gesundheitszustand darauf zurückzuführen ist, daß der Senat sich bisher beharrlich geweigert hat, den Angeklagten ärztliche Hilfe zuteil werden zu lassen? Daß sie Behandlung erhalten durch Ärzte ihres Vertrauens? Ist es denkbar, daß der schlechte Gesundheitszustand auf verschärfte Haftbedingungen vor Beginn dieses Prozesses und die Aufrechterhaltung der verschärften Haftbedingungen während des Prozesses zurückzuführen ist?

Warum nicht das? Das ist doch vielleicht dann eine Fragestellung, die das Gleichgewicht herstellt. Aber davon ist natürlich nichts zu lesen, und das ist genau der Punkt, Herr Vorsitzender, warum wir uns dagegen verwahren, daß ein solches Kabinetts-Beweisverfahren, das mit Freibeweisverfahren nichts zu tun hat, Kabinetts-Beweisverfahren hier durchgeführt wird. Finden Sie lächerlich, nicht, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Ich stelle fest, daß ich öffentlich alles bekanntgegeben habe, was bis jetzt mit den Ärzten schriftlich geschehen ist, soweit es hier reingekommen ist, und ich habe Ihnen selbst diese Zusatzfrage mit Begründung, warum ich sie verlese, bekanntgegeben.

Wie können Sie immer wieder von Kabinettsjustiz sprechen?

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, können Sie mir die Frage beantworten, warum Sie nicht wenigstens die ... Sie wissen, daß die Verteidiger [2201] das häufig gefragt haben, daß Sie gesagt ... die Frage mit aufgenommen, ist es denkbar, daß der schlechte Gesundheitszustand auf eine langjährige Isolation, auf langjährige ... die die Haftbedingungen[m] der Angeklagten zurückzuführen ist? Haben Sie eine solche Frage gestellt oder nicht?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Haftbedingungen sind selbstverständlich den Sachverst. zugänglich. Dazu sind alle die Verfügungen und Beschlüsse, die im Rahmen der Haftentscheidung ergangen sind, zusammengestellt. Es liegen die Protokolle für die Sachverst. vor zur Einsicht. Sie werden auch bearbeitet. Auch Herr Prof. Mende hat heute drum gebeten, Einsicht zu bekommen. Er wird also genau auch das zur Kenntnis bekommen, was Sie und die Angeklagten geltend machen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ist nicht den Sachverst. auch von der Anstalt das, was an Unterlagen vorhanden ist über Zuführung von Zusatznahrungsmitteln, Verabreichung von Medikamenten, zur Verfügung gestellt worden? Ist ihnen das nicht auch zur Verfügung gestellt worden?

Vors.:

Da bin ich jetzt überfragt. Aber ich bin jedenfalls dahin unterrichtet:

Wenn die Sachverst. sich für die ärztlichen Verordnungen und Krankheitsbücher interessieren, daß ihnen selbstverständlich darin volle Einsicht ...

RA Sch[ily]:

Das ist doch selbstverständlich. Sie kriegen ne Krankenakte. Warum wird dann diese Frage - also die Unterlagen haben sie doch auch, Herr Vorsitzender, genauso, wie Sie sagen, die haben die Unterlagen über die Haftbedingungen - warum wird diese Frage aber herausgegriffen?

Vors.:

Wie bitte? Welche Unterlagen haben wir?

RA Sch[ily]:

Nein, die Ärzte.

Sie sagen doch auf meine Frage:

Warum haben Sie nicht auch die Haftbedingungen als Ursache in Ihre Fragestellung einbezogen?

[2202] Da sagen Sie:

„Ja das wissen Sie doch aus den Akten, unter welchen Haftbedingungen die Angeklagten inhaftiert waren.“

Das war doch Ihre Antwort.

Und ich sage Ihnen, die Krankenunterlagen, also das, was sozusagen der Ausgangspunkt Ihrer Zusatzfrage ist: Medikamente, Abführmittel, Zusatznahrungsmittel; diese Unterlagen haben die Sachverst. auch. Aber Sie stellen eine Frage heraus: Verschulden der Angeklagten.

Vors.:

Also die Fragen, die wir stellen, Herr Rechtsanwalt, das müssen Sie nun in der Tat uns überlassen. Sie können das beanstanden, wenn Sie glauben, sie wären nicht vollständig. Aber so ...

RA Sch[ily]:

Sehen Sie, Herr Vorsitzender, das tun wir eben nicht. Das tun wir eben nicht.

Vors.:

Ich sage ja, Sie können das beanstanden, wenn Sie glauben, ein Schreiben sei nicht vollständig.

RA Sch[ily]:

Ja, nein. Ich wollte eben deshalb die Befragung hier in der Hauptverhandlung, und deshalb stelle ich den Zusatzantrag - ich glaube, ich hab ihn schon gestellt, aber damit’s der Klarheit halber im Protokoll ist -

ich stelle den Antrag:

die Sachverst. Prof. Müller und Prof. Schröder sofort hier in den Sitzungssaal zu bitten und den Prozeßbeteiligten Gelegenheit zu geben, diese Sachverständigen zu befragen,

und zwar zu dem vorläufigen Bericht, Herr Vorsitzender. Sie machen da einen unzulässigen Unterschied, daß Sie sagen, Befragung erst beim endgültigen. Ich hab das ja schon ausgeführt. Auch das Vorläufige hat ja für Sie eine entscheidende Bedeutung, ob Sie nun weiterverhandeln können oder nicht oder in welchem Umfang, wenn ich Sie richtig verstanden habe. [2203] Also ich finde also, das ist das Mindestrecht, was Sie uns einräumen müssen, daß Sie Gelegenheit geben - auch der Bundesanwaltschaft, würde ich sagen - dieses Gutachten per Befragung zu überprüfen.

Vors.:

Gut. Dann liegt also jetzt dieser Antrag vor auf Anhörung - mündliche Anhörung - der Herrn Sachverst. hier in der Sitzung. Ich darf die B. Anwaltschaft bitten, sich zu äußern.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Die B. Anwaltschaft bittet,

diesen Antrag zurückzuweisen.

Es besteht zunächst einmal gar kein Bedürfnis dafür, nach dem schriftlichen vorläufigen Gutachten, die Sachverst. jetzt zu hören und das deshalb nicht, weil gar nicht geltend gemacht wird von der Verteidigerbank, daß die Angeklagten etwa ganz verhandlungsunfähig wären. Ich bitte die Verteidigung, sich mal daran zu erinnern, daß sie ja den Antrag gestellt hat, daß nur vormittags verhandelt werde.

Im übrigen halte ich es auch nicht für sinnvoll, die Sachverst. hierherzuholen, bevor nicht das endgültige Gutachten vorliegt. Ich hab dann noch etwas zu der, wie es hier genannt wurde, Verwarnung und zu den Antworten zu sagen:

Eine Gegenvorstellung war es sicherlich nicht, rechtlich gesehen.[27] Es war nichts weiter, als daß von dem Herrn Vorsitzenden eine Rechtsauffassung kundgetan wurde und eine andere Rechtsauffassung von der Verteidigung dem entgegengehalten wurde.

Dann noch zu den Voraussetzungen, die die Verteidigerbank sich aufgestellt hat, auf denen dann die in der Form überaus ungehörigen Ausführungen beruhten. Diese Voraussetzungen sind falsch.

Auf den Antrag, nur vormittags zu verhandeln, hat der Vorsitzende seinerzeit für den Senat erklärt, bei der Art, wie der Prozeß laufe, werde ja niemals mehr als die Zeit des Vormittags hier verhandelt; und wenn es mal anders sein sollte, dann könne ja von Zeit zu Zeit darüber [2204] befunden werden, ob am Nachmittag noch zu verhandeln sei oder nicht.

Nebenbei noch zur Frage des Vorsitzenden zum Gewichtsverlust. Diese Frage ist richtig, sie ist berechtigt; denn man darf ja schließlich nicht vergessen, daß der körperliche Zustand, in dem sich die Angeklagten heute befinden, mutwillig von ihnen herbeigeführt wurde durch drei Hungerstreiks,[28] wie ja allgemein bekannt.

Gestern zu verhandeln war nach meiner Auffassung richtig.

Es mußte verhandelt werden. Das Gericht durfte und mußte sich auf die Auskünfte, die es bisher von den Sachverst. gehört hat, verlassen, und diese Auskünfte lauteten:

Die Angeklagten seien verhandlungsfähig.

Und als letztes noch eins:

Meine Auffassung zur Pflicht eines Verteidigers. Ein Verteidiger hat nach meiner Auffassung die im Gesetz ihre Stütze findet, auch dann zu verteidigen, auch dann im Raum zu bleiben, selbst wenn ein Gericht ungerechterweise, ungerechtfertigter Weise verhandeln würde, hat er gerade dann dazusein, denn dann hat er um so mehr die Aufgaben der Verteidigung wahrzunehmen, und deswegen sehe ich in der Ankündigung, in Zukunft auch so zu verfahren, nämlich herauszulaufen in bestimmten Prozeßsituationen, sehe ich in dieser Ankündigung die Androhung, man werde auch in Zukunft seine Pflicht nicht ernst nehmen. Da das aber - ein Antrag dazu - hier nicht in die Hauptverhandlung gehört, [29] wird die B. Anwaltschaft zu bedenken haben, ob nicht außerhalb der Hauptverhandlung der gestrige Antrag alsbald zu wiederholen sein wird.

Vors.:

Wollen Sie jetzt fortsetzen? Oder ich meine, wir sollten jetzt im Interesse dessen, was wir heute gehört haben, die Zeit angemessen verteilen. Ich würde vorschlagen:

14.15 Uhr Fortsetzung.

Ich bitte übrigens, das Protokoll jetzt jeden Tag so lange, bis wir die endgültigen Äußerungen dann haben, genau mitzu- [2205] schreiben, wie die Zeitverhältnisse hier sind und bekanntzugeben etwa eine halbe Stunde vor Ablauf der drei Stunden, wobei nur die reine Verhandlungszeit nach dem ärztlichen Gutachten gemeint ist.

RA Sch[ily]:

... Aktenteile zur Verfügung gestellt werden können.

Vors.:

Sie können sie jederzeit auf der Geschäftsstelle einsehen.

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:[n]

Herr Vorsitzender, ich hätte eigentlich auf das, was Herr Reg. Dir. Widera für die B. Anwaltschaft erklärt hatte, erwidern wollen, insbesondere ...

RA Sch[ily]:

Ich auch.

Vors.:

Ja, aber wollen wir das nicht besser um 14.15 Uhr tun?

RA Dr. He[ldmann]:

Einverstanden. Machen wir nachher.

Vors.:

Ja bloß ist es also so:

Wenn Sie etwa noch zu dem Antrag, die Ärzte hier zu hören, über den wir ja zu entscheiden haben werden, noch etwas Spezielles sagen wollen, dann müßte das jetzt geschehen, denn wir wollen um 14.15 Uhr natürlich die Entscheidung bekanntgeben.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich schließe mich diesem Antrag an und verweise auf die rechtliche Begründung, die Herr Schily bereits gegeben hat und die dem Senat sicherlich nicht entgangen sein wird.

Vors.:

Bitte, Herrn RA Schily das Wort.

RA Sch[ily]:

Wenn Sie um 14.15 Uhr die Entscheidung schon bekanntgeben wollen; wir wollen uns natürlich zu Herrn Widera äußern.

Vors.:

Gut. Dann müßten Sie das jetzt noch tun.

Ich dachte, es sei eine allgemeine Erwiderung auf das, was [2206] Herr B. Anwalt Widera gesagt hat zu der Frage Ihrer Pflichten. Aber wenn Sie nun zu diesen Gutachtern sich äußern wollen, dann bitte schön. Aber nur zu diesem Punkt.

RA Sch[ily]:

Jaja, nur darum geht’s.

RA Dr. He[ldmann] (zu RA Schily):

Willst Du zu Widera, ja?

RA Sch[ily]:

Nein, bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Zur Erklärung des Herrn Reg. Dir. Widera:

Ich will mich aber kurz fassen, obgleich Ihre Ausführungen längerer Erwiderungen wohl wert wären.

Im Namen meines Mandanten habe ich jedenfalls Ihre Behauptung zurückzuweisen, die Angeklagten - so also auch Herr Baader - hätten den heutigen Zustand, diesen körperlichen Zustand, mutwillig herbeigeführt. Sie selbst wissen sicher besser, Herr Widera, er wurde nicht mutwillig herbeigeführt. Es gibt, wenn ich Ihnen insoweit ein paar Hinweise geben darf, ausreichende, hinreichende Forschungen, die spätestens seit dem Ende des letzten Weltkriegs begonnen haben und über Jahre fortgeführt worden sind mit dem Ergebnis, wie schnell sich die Folgen einer Hungerzeit heilen lassen.

Und es gibt, Herr Widera, hinreichende Forschungen, gegen die sich Sie, wie der Senat ja auch, sperren, sie zur Kenntnis zu nehmen, wie unheilbar langjährige Deprivationsschäden sind. Davon sprechen wir, das ist zweierlei, und die Deprivationsschäden - das ist das Wesentliche, nicht etwa die Folgen des Hungerstreiks, wie Sie hier zu suggerieren versuchen - die Deprivationsschäden sind die Ursachen für den heutigen Krankheitszustand dieser Angeklagten. Soweit lediglich eine halbmedizinische Richtigstellung.

Und erlauben Sie mir noch einen kurzen rechtlichen Hinweis:

Sie meinen, es sei rechtswidrig oder verfehle die Rechtslage, wenn die Verteidiger ankündigen, in einer solchen Situation, [2207] wie wir sie gestern erleben mußten ...

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, jetzt ist genau der Punkt erreicht, zu dem wir nicht im Augenblick sprechen wollten, wo auch Herr RA Schily wohl das Wort für 14.15 Uhr miterbeten hat nach der Verkündung.

Wir sollten jetzt uns nur zu der Frage äußern:

Mündliche Anhörung der Sachverst., die beantragt worden ist, und zwar sofortige mündliche Anhörung, und darüber will sich der Senat um 14.15 Uhr dann durch eine Entscheidung äußern. Nur dazu jetzt Stellung nehmen bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Habe ich Sie eben mißverstanden, als Sie mich aufgefordert haben, eine Erwiderung für Herrn Widera gleich abzugeben?

Vors.:

Nur zu diesem Punkte.

RA Dr. He[ldmann]:

Nur zu diesem Punkt.

Vors.:

Also nur zu den Sachverständigen.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann werde ich nachher fortfahren.

Vors.:

Herr RA Schily.

RA Sch[ily]:

Man kann aus den Ausführungen von Herrn Widera entnehmen, daß ja Differenzen bestehen zwischen der B. Anwaltschaft und dem Senat einerseits und der Verteidigung andererseits über den Inhalt und die Bewertung des vorläufigen Bescheides der Herren Prof. Müller und Schröder, und ich wiederhole:

Wenn Sie wenigstens in dem Punkt rechtsstaatliche Grundsätze anwenden wollen, dann müssen Sie der Verteidigung - und selbstverständlich allen übrigen Prozeßbeteiligten - Gelegenheit geben, durch Ausübung des Fragerechts, was zweckmäßigerweise schon zumindest aus Gründen der Prozeßökonomie in der Hauptverhandlung stattfinden sollte, diese Verschieden- [2208] heiten in der Beurteilung des vorläufigen Ergebnisses zu klären. Es ist vollkommen unzulässig, zu sagen, nur weil das ein vorläufiges Gutachten ist, deshalb soll diese Befragung unterbleiben. Das könnte nur dann richtig sein, das könnte nur dann richtig sein, wenn Sie mit dem Fortgang der Verhandlung abwarten wollten, das Vorliegen des endgültigen Ergebnisses. Dann würde ich Herrn Widera und auch Ihnen recht geben. Dann würde ich sagen:

Das ist selbstverständlich. Dann warten wir, bis die Verhandlung fortgeht, und dann, bis das endgültige ... wäre sogar zweckmäßiger.

Das wollen Sie ja aber auf keinen Fall. Sie wollen ja mit der Verhandlung unter allen Umständen fortfahren, und wenn Sie das aber wollen, wenn Sie eine prozessuale Maßnahme, wie es die Fortsetzung des Verfahrens darstellt, auf einen solchen vorläufigen Bescheid stützen wollen, dann müssen Sie den Prozeßbeteiligten das Fragerecht einräumen. Das ist in allen anderen Fällen auch so. Wenn Sie sonst ein vorläufig schriftliches Gutachten haben, das in den Akten und vielleicht also aufgrund der Fragestellung, die zunächst im Auftrag des Gerichts enthalten ist, aufgebaut, dann bedarf es im Vorverfahren nicht der Befragung des Sachverständigen. Aber wenn es eben eine Maßnahme des Gerichts stützen soll in irgendeiner Form, dann bedarf es der Einräumung der Möglichkeit der Ausübung des Fragerechts.

Und im übrigen gestatten Sie mir den Hinweis, weil das auch in den Zusammenhang gehört:

Ich meine, mein eigenes körperliches Befinden mag da also nicht der richtige Thermometer sein. Aber ich habe den Eindruck, daß heute die Klimaanlage hier nicht funktioniert.

Vors.:

Schon gestern hatte ich denselben Eindruck.

RA Sch[ily]:

Ja, das ist vielleicht ein bißchen auch wieder zum Spaß, und wenn ich nur schwitzen würde, wär’s auch wirklich spaßig. Dann würde ich darüber lachen. Aber das mag ja auch für die Angeklagten nicht ohne Bedeutung sein, und weil wir über die [2209] Verhandlungsfähigkeit hier reden, ist natürlich, wenn hier das sich in ne Sauna verwandelt allmählich, auch die Frage, was das eigentlich medizinisch zu bedeuten hat.

Und wie gesagt, die Verteidigung besteht darauf, daß die Sachverst. über ihren vorläufigen Bescheid hier in der Verhandlung gehört werden, wenn das Gericht beabsichtigt, die Verhandlung fortzusetzen. Wie gesagt, selbstverständlich würde die Verteidigung diesen Antrag zurückziehen, wenn Sie sagen: Gut, wir unterbrechen so lange, bis das endgültige Ergebnis vorliegt. Das ist hoffentlich klargeworden, wie das gemeint ist. Da würden wir uns natürlich einverstanden erklären.

Vors.:

Gut. Herr Bietz läßt sich’s hier kälter stellen? Es ist in der Tat zu warm. Wahrscheinlich ist durch[o] diese Außentemperatur, die etwas kühler geworden ist, nun hier die Klimaanlage nicht mehr ganz im Schwung. Ich bitte, das also gleich zu korrigieren.

Wir setzen um 14.15 Uhr fort.

RA Sch[ily]:

Moment. Ich darf noch etwas kurz ergänzen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Nur eine ganz kurze Ergänzung, weil das vielleicht doch auch sinnvoll ist auch wiederum prozeßökonomisch, prozeßökonomisch. Ich sehe, daß Herr Prof. Mende hier überraschend heute eingetroffen ist.

Ich darf also für die gesamte Verteidigung erklären, daß die Angeklagten eine Untersuchung durch Herrn Prof. Mende ablehnen,[30] und daß an sich nach Auffassung der Verteidigung die weitere Anwesenheit von Herrn Prof. Mende hier schon aus Kostengründen unterbleiben sollte.

Vors.:

Herr Professor, um 14.15 Uhr kommen Sie wohl wieder, nehme ich an.

- Pause von 12.23 Uhr bis 14.21 Uhr.-

Ende von Band 106.

[2210] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.21 Uhr in der gleichen Besetzung.

Prof. Dr. Mende ist weiterhin[p] anwesend.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir können die Sitzung fortsetzen. Der Senat hat folgendes beschlossen:

Der Antrag, die Sachverständigen Professoren Dr. Müller und Dr. Schröder mündlich zu hören, wird zurückgewiesen.

Gründe: Prozeßerhebliche Tatsachen [q] werden im Freibeweisverfahren ermittelt. Ergebnisse, die verwertet werden, werden in die Hauptverhandlung eingeführt. Das ist jeweils, so auch heute geschehen. Dadurch ist das rechtliche Gehör gewahrt. An die Regeln des Strengbeweises, so auch den Grundsatz der Mündlichkeit, ist das Gericht nicht gebunden.[31] Ob es einen Sachverständigen mündlich anhört, ist seinem pflichtgemäßen Ermessen, selbstverständlich nicht bloßem Gutdünken, überlassen. Der Senat hält es jedenfalls bei der derzeitigen Sachlage nicht für geboten, die Sachverständigen mündlich anzuhören. Die Frage, wie der von den Sachverständigen genannte Zeitraum von 3 Stunden zu verstehen ist, ist durch eine Rückfrage des Vorsitzenden zuverlässig geklärt. Pausen und sonstige Unterbrechungen zählen nicht mit. Es bleibt den Verteidigern unbenommen Fragen, die sie von den Sachverständigen beantwortet wissen wollen, den Sachverständigen über das Gericht schriftlich zu stellen.

Herr Rechtsanwalt Riedel, bevor ich den Herren, die heute noch das Wort hatten und unterbrochen worden sind durch die Mittagspause, wieder das Wort gebe, an Sie die Frage: Sie haben mitteilen lassen, daß Herr Ref. Dr. Temming Sie morgen vertritt. Hier liegt diese Bestellungsurkunde vor, sie ist nicht beglaubigt, versichern Sie anwaltlich, daß[r] ...

RA R[iedel]:

Das versichere ich ja.

Vors.:

Diese Urkunde mit dem Original übereinstimmt.

RA R[iedel]:

Ja.

[2211] Vors.:

Gut, dann geht das morgen klar. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wenn ich recht weiß, hatten Sie das Wort, bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Widera, wenn Sie erlauben, drei kurze Erwiderungen noch auf das, was Sie vormittags gesagt haben. Richtig ist, daß wir, und zwar bereits seit spätestens Mitte Juni, wir Verteidiger für die Angeklagten gefordert hatten, daß nur vormittags verhandelt wird. Unrichtig ist, wenn Sie[s] sich heute darauf berufen, denn das Thema der letzten Tage, insbesondere des gestrigen war das gewesen, daß sich seitdem der Zustand der Gefangenen, der Angeklagten erheblich verschlechtert habe, so daß wir heute eine andere Situation haben als die hier, von der Sie, die Sie in Erinnerung gerufen haben, nämlich Juni oder wie Sie vorhin sagten Anfang[t] Juli. 2. Sie haben behauptet, die Angeklagten hätten ihren heutigen Zustand, den Zustand eines handgreiflichen, körperlichen Verfalls, so beliebten Sie sich auszudrücken, mutwillig herbeigeführt. Dazu 1. Offenbar spielen Sie an auf die, den Hungerstreik und meinen die heutige Diagnose als Folge dieses Hungerstreiks werten zu können. Das ist nach meinem Wissen unrichtig und darum, damit es eine solche unrichtige Behauptung nicht für die Folgezeit Wirkungen haben kann, muß ich Sie hier berichtigen, nämlich der Hungerstreik ist am 5. Februar diesen Jahres beendet worden. Seitdem haben die Angeklagten eine hochqualifizierte Ernährung mit Zusatzernährung. Es ist mir bekannt, daß es ausgedehnte wissenschaftliche Forschungen gibt, insbesondere nach dem Ende des 2. Weltkriegs, die die körperlichen Folgen einer langen Hungerzeit untersucht haben und wo da nicht im Einzelfall bleibende organische Schäden bereits eingetreten waren, sind die Folgen des Hungerstreiks jeweils in relativ kurzer Zeit, das heißt so, die körperlichen Mängel auf Grund der Hungerzeit innerhalb kurzer Zeit aufgehoben worden. Etwas anderes allerdings ist und das wird hier immer wieder verdrängt, wo nicht gar, wenn die Angeklagten es aussprechen, mit Wortentziehung geahndet, etwas anderes ist die körperliche und psychische Folge einer langdauernden Isolation, oder wie der Mediziner es nennen würde, das Deprivationssyndrom. Soweit hierzu Forschungen vorliegen - und es gibt ausgedehnte Forschungen zu Deprivationserscheinungen, [2212] überwiegend allerdings an Kindern angestellt, ich zitierte ihnen gestern aus der Deutschen Literatur unter anderem Rene Spitz und die Schweizer Keller und Maier, Tobias Broche, Anne Freud und andere, die Literatur ist aber sehr viel weitergehend, - da ist erwiesen, daß Deprivationsschäden von einer bestimmten Qualität an nicht mehr reparabel sind, und darauf kommt es an. Daß Herr Baader innerhalb der letzten 6 Wochen einen weiteren Gewichtsverlust von 3 Kilo erlitten hat und damit heute nunmehr ein Untergewicht von ½ Zentner hat, das können Sie nun mit Sicherheit nicht als Folge des Hungerstreiks bezeichnen. Und 3. meinten Sie, in einer an den Senat gerichteten Programmvorschau, meine Bemerkung vom vormittag, daß vergleichbare Prozeßsituationen, wie der Senat sie der Verteidigung gestern geboten hat, die Verteidigung, jedenfalls mich abermals bewegen könnten, so zu handeln wie gestern, nämlich den Senat mit sich alleine verhandeln zu lassen, provozierten, so meinten Sie möglicherweise sogleich einen weiteren Antrag, nämlich wohl den, das dachten Sie vermutlich, zu entpflichten und um Ihnen einen rechtlichen Hinweis zu geben, wenn Sie mir den erlauben, damit Sie aus diesem Rechtsirrtum, der sich in solcher Bemerkung ausgedrückt hat, befreit werden, zitiere ich Ihnen aus dem Handbuch des Strafverteidigers von Dahs[u], ein sicher auch Ihnen nicht unbekanntes Standardwerk, wörtlich und zwar Randziffer 767.

„Die Verhandlungsunfähigkeit steht der Abwesenheit gleich. Sie ist nachträglich allerdings schwer zu beweisen, besonders, wenn sie nicht geltend gemacht worden ist und das Gericht sie nicht selbst festgestellt hat. Die Verteidiger scheitern auch hier an der Verwirkung der Rüge, weil sie es verpaßt haben eine Unterbrechung zu beantragen und einen Gerichtsbeschluß herbeizuführen, notfalls, den Sitzungssaal zu verlassen.“ Das also ist die rechtliche Würdigung dessen, was gestern von den Verteidigern getan worden ist. Folglich, ich wiederhole es, weder Anlaß für eine richterliche Verwarnung, noch Anlaß für ihre Programmvorschau, demnächst wieder Entpflichtungsanträge auf den Tisch zu legen.

Vors.:

Sie wollen erwidern, bitte.

[2213] RA Sch[ily]:

Ich hatte um das Wort gebeten.

Vors.:

Darf ich jetzt zunächst Herrn Bundesanwalt Widera das Wort lassen.

RA Sch[ily]:

Ja sicherlich.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, ich sprach vom körperlichen Zustand der Angeklagten, denn wir haben bisher ein Ergebnis von Internisten mitgeteilt bekommen. Ich bleibe dabei, daß [v] natürlich der körperliche Zustand der Angeklagten eine Folge des immerhin dritten Hungerstreiks, der 145 Tage gedauert hat, ist, und eine weitere Folge, die mich auch berechtigt von mutwilliger, eigener Zerstörung der Gesundheit zu sprechen, das ist nämlich die Folge dessen, daß die Angeklagten Kaffee und Zigaretten in einem gewaltigen Übermaß konsumieren, immer wieder nachts bis in die Morgenstunden wach bleiben. Ihnen fehlt also Schlaf und sie nehmen viel zu viel Aufputschmittel. Zum rechtlichen, was Sie zuletzt ausgeführt haben, wollte ich nur zwei Worte betonen „im Zweifel“, Zweifel waren nicht gegeben.

Vors.:

Ich darf, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie kriegen gleich die Gelegenheit, ja Sie kriegen gleich die Gelegenheit ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich will sagen, ich will gar nicht, Herr Baader bitte.

Vors.:

Ja, ja, dies wird gleich kommen, ich wollte nur, weil ja das Gericht auch angesprochen war mit der Frage des Verlassens des Saales, Ihnen sagen, gerade dieses Handbuch von Dahs[w] enthält den Hinweis: „und wenn das Gericht sie nicht selbst festgestellt hat.“ Sie werden nicht bestreiten, daß der Senat bemüht war und entsprechende Äußerungen[x] beigeholt hat, die Verhandlungsfähigkeit zu prüfen und so wie[y] die Ergebnisse waren, mußte sie bejaht werden. Das heißt, die Voraussetzung, den Saal zu verlassen, haben auch nach Dahs[z] nicht bestanden. Herr Baader hat nun das Wort.

[2214] RA Dr. H[eldmann]:

Ich will nicht mit Ihnen darüber streiten, sondern ich empfehle einfach die Lektüre, das ist die Randziffer 767 bei Dahs[aa].

Vors.:

Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ja, zunächst mal, es ist natürlich falsch, daß wir im Übermaß Kaffee oder Zigaretten zu uns nehmen würden, das ist dummes Zeug. Ganz abgesehen davon, ist in dem Protokoll dieser Ärztekonferenz aus, in München, dieser Vollzugsärztekonferenz in München die Notwendigkeit gerade bei einem reduzierten Kreislauf und Kaffee angegeben. Sie können also hier nicht sagen, daß wir Aufputschmittel zu uns nehmen nachdem der Anstaltsarzt in seiner Veranlassung vier verschiedene Aufputschmittel verordnet hat, damit wir überhaupt nach seiner Vorstellung hier in der Verhandlung uns aufrechterhalten können. Aufrechthalten können. Aber ich würde mal, ich würde mal sagen zu dieser ganzen Argumentation, die der Senat hier auch entwickelt, das wesentliche ist natürlich, daß Sie versuchen, was Sie schon zum Tod von Holger[32] versucht haben, Ihre Verantwortung für den Zustand der Gefangenen durch die Anordnung der Haftbedingungen abzuwälzen auf die Gefangenen selbst. Das heißt, das hat zwei Aspekte, würde ich sagen, Widerspruch, an[bb] den das Gericht hier stößt, das ist einfach für einen, mit einer wirklich sadistischen Akribie ... ein Versuch mit wirklich sadistischer Akribie, die Gefangenen verteidigungsunfähig zu machen. Daß dieser Versuch die Gefangenen verhandlungsunfähig gemacht hat. Das ist der eigentliche Widerspruch hier und es besteht eine Notwendigkeit für das Gericht, die Gefangenen verteidigungsunfähig zu machen, weil das zur Konzeption des Gerichts und der Bundesanwaltschaft gehört, dieses Verfahren hier - diese Vollstreckung hier würde ich mal sagen, denn es ist kein, Verfahren, hier wird nicht verhandelt, hier wird vollstreckt - diese Vollstreckung hier als rechtsstaatliches Verfahren erscheinen zu lassen auf der einen Seite und wesentlich natürlich auch, was immer wieder propagiert wird als normales Strafverfahren. Das heißt also jetzt dieser Versuch hier zu suggerieren, wir selbst [2215] würden uns bewußt verhandlungsunfähig machen. Das ist in sich völlig absurd, denn es hat sich in diesen vier Monaten oder 3 ½ Monaten Verhandlung bisher gezeigt, daß es in diesem Saal tatsächlich nur das Gericht ist und die Bundesanwaltschaft, die ein Interesse daran hat, daß wir hier unsere Argumentation nicht entwickeln können, daß wir hier nicht sprechen können. Und deswegen würde ich sagen, oder, gibt es im[cc] Protokoll 3 oder 400 Stellen, wo es aus den Unterbrechungen des Senats ganz klar vorgeht. Das ordnet sich auch in[dd] die Maßnahmen, die Gefangenen verteidigungsunfähig zu machen, die, seit der Senat zuständig ist,[33] hier ergriffen werden. Das heißt also wesentlich die Anordnung der Isolation. Dann die Verschärfung der Isolation unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung hat er ja nun wirklich sehr listig terminiert, nach einem Berg von wissenschaftlichen Material, das Prinzing hat, das heißt, das hat aus dem, aus seiner[ee] eigenen Beschlagnahmeveranlassung hat er die Haftbedingungen explizit, extrem verschärft, nachdem wir schon 2 ½[ff] Jahre isoliert waren, war die Isolation ja 2 Monate ungefähr dadurch modifiziert, daß jeweils 2 Gefangene zusammenkommen konnten. Das ist ja dann unmittelbar vor der Verhandlung wieder liquidiert worden und als die Hauptverhandlung angefangen hat, sozusagen hier Öffentlichkeit entstanden ist, hat der sie auch wieder nur modifiziert, er hat sie nicht erleichtert, die Haftbedingungen nicht wesentlich. In andere Punktes deutlicher Punktes, daß er versucht hat, sich Einblick zu verschaffen, daß das Gericht versucht hat, sich Einblick zu verschaffen in die Verteidigungsvorbereitung der Gefangenen beziehungsweise daß das Gericht Beschlagnahme einer Aktion der Bundesanwaltschaft rechtlich gedeckt hat. Der dritte Punkt ist die Rolle des Gerichts beim Ausschluß beziehungsweise bei der Liquidierung der Verteidigung in diesem Verfahren.

- StA. Holland verläßt um 14.33 Uhr den Saal. -

Das heißt, um das mal zu konkretisieren, Prinzing hat in den Beschlüssen zum Ruhen ... also zunächst in der Maßnahme die Verteidiger nicht als Pflichtverteidiger zu bestellen, die später ausgeschlossen worden,[34] und dann im Ruhen ihrer Rechte hat er programmatische Formulierungen in seinen Beschlüssen entwickelt, [2216] die dann aufgenommen worden sind oder weiter entwickelt worden sind in den Ausschlußverhandlungen. Ich würde noch einmal sagen, Tatsache ist, daß wir hier kein Interesse haben uns der Verhandlung zu entziehen, sondern daß es uns absolut notwendig erscheint, obwohl wir die Verhandlung nicht für wichtig nehmen, also obwohl wir ihr keine Bedeutung zumessen können, daß wir hier argumentieren können. Es geht allein um die Frage, ob wir fähig sind, oder ob es für uns möglich ist, uns hier zu verteidigen und das ist nochmal ganz klar zu sagen, es ist das Gericht in all seinen Veranlassungen, Maßnahmen bisher gezeigt hat, daß es die Verteidigung liquidieren will und daß es die Argumentation der Gefangenen verhindern will. Das ist die eigentliche Konstellation hier.

Vors.:

Herr RA. Schily, Sie hatten sich zu Wort gemeldet.

RA Sch[ily]:

Wenn ich den Beschluß richtig verstanden habe, dann enthält er die Wendung, die Verteidiger sollen Fragen schriftlich formulieren und über das Gericht dann an die Sachverständigen weitergeben, habe ich das so richtig verstanden.

Vors.:

Es bleibe Ihnen „unbenommen“.

RA Sch[ily]:

Es wird uns anheimgestellt. Wir hatten ja, Herr Vorsitzender, heute vormittag eine längere Kontroverse ...

Vors.:

Die wir aber jetzt möglichst nicht erneuern wollen.

RA Sch[ily]:

Die ich nicht erneuern will, das ist vielleicht auch gar nicht für Sie so sehr angebracht, aber die Frage ist doch, wieso eigentlich dieser Sinneswandel eingetreten ist. Ursprünglich hatten Sie die Meinung hier vertreten, daß es mir in einer Pause unbenommen sei einen Sachverständigen zu hören, also zu befragen telefonisch, dann hieß es ein fairer Vorschlag, daß Sie also danebenstehen und jetzt also schriftlich. Sie werden vielleicht wissen, daß im Bereich des Fragerechts aus den Kommentierungen wiederum ganz klar hervorgeht, daß ein [2217] Prozeßbeteiligter nicht verpflichtet ist, den Wortlaut von Fragen vor dem Gericht bekanntzugeben, etwa durch schriftliche Angaben, sondern daß er unmittelbar befragen darf. Die Interpretation liegt nicht fern, daß das Gericht durch die Verhinderung einer unmittelbaren Befragung erreichen will, daß eine Beantwortung verzögert wird, mindestens das. Hat man eigentlich Angst vor der Beantwortung der Fragen, bestehen da Besorgnisse, daß die Antworten hier gegeben werden, vielleicht eben in einem ganz anderen Sinne als bisher das Gericht hier die Erklärungen der Sachverständigen interpretiert hat? Und wissen Sie, ein Fragerecht soll doch, wem es irgendeinen Sinn haben kann, vorausgehen, dem Ergebnis des Sachverständigen und dann, nachdem das Fragerecht ausgeübt worden ist, hat dann das Gericht die Möglichkeit eine Entscheidung zu treffen, die es in Anknüpfung an die Bekundung der Sachverständigen treffen will. Es geht ja immer noch darum, in welchem Rhythmus, ob überhaupt unterbrochen werden soll die Verhandlung, in welchem Rhythmus, wie diese 3 Stunden Zeit zu verstehen ist. Das Gericht selbst hat zu erkennen gegeben, daß es dieser Methode folgt, dem es hat zunächst einmal Fragen auch an die Sachverständigen gerichtet in Form meinethalben auch des Auftrags oder gestern einer mündlichen Anfrage, bevor es dann zu einer prozessualen Konsequenz gekommen ist zu sagen, also wir setzen die Verhandlung fort. Das ist für mich auch eine Selbstverständlichkeit und ich meine nach wie vor, daß das Gericht die Verpflichtung hat, uns dieses Fragerecht einzuräumen. Ist es mir bekannt, daß wir den Freibeweis, das steht ja auch in allen Kommentaren, sofern kann man auch wiederum darauf zurückgehen, daß das Strengbeweisverfahren beherrscht ist von dem Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, daß das nicht so ohne weiteres für das Freibeweisverfahren gilt. Aber natürlich das Fragerecht und das rechtliche Gehör muß einen sinnvollen, in einer sinnvollen Form gewährt werden. Das heißt, es soll nicht einfach in der Verhandlung fortgeschritten werden, also mit prozessualer Maßnahme an das Ergebnis des Gutachtens anknüpft, die soll einfach durchgeführt werden, ohne daß eben vorher die Gelegenheit zu der Befragung bestand, und ich finde [2218] die, da wir ja doch immer so gerne darüber reden, wie kann man das Verfahren fördern, daß es eben das Verfahren überhaupt nicht fördert, im Gegenteil es würde es wiederum erheblich komplizieren, wenn wir jetzt erst schriftlich einreichen, dann werden die per Boten oder per weiß nicht per Post womöglich den Sachverständigen zugesandt und dann kommt wiederum per Post die Antwort, das dauert doch, das nimmt doch Zeit in Anspruch, wobei ich immer und immer darauf bestehe auf der Prämisse, daß die prozessuale Maßnahme, zu der erst geschritten wird, die erst durchgeführt wird, wenn eben das Ergebnis der Befragung vorliegt und ich muß Ihnen sagen, wenn das Gericht sich das Recht nimmt einen Sachverständigen unmittelbar zu befragen, ohne Gegenwart der Verteidiger, warum eigentlich verweigern Sie dann das Recht, den Verteidigern auch zu dieser unmittelbaren Befragung? Das ist dann allerdings die Frage, die sich stellt, und da muß ich in der Tat sagen, dann kehr ich eigentlich womöglich in Eventualform eher zu dem Vorschlag des Herrn Vorsitzenden, den[gg] ersten, den er sozusagen in Form der Annahme meines gestrigen, meiner gestrigen Antrages auf Eintreten einer Pause, dann würde ich also jetzt zunächst einmal in Form der Gegenvorstellung den Antrag erneuern:

Die beiden Herren Sachverständigen hier unmittelbar zu hören, wie gesagt, um das Verfahren zu fördern. Hilfsweise würde ich beantragen, eine Pause um mir Gelegenheit zu geben, die Herren telefonisch anzusprechen, telefonisch zu befragen.

Vors.:

Zum ...

RA Sch[ily]:

Moment, ich bin noch nicht am Ende.

Vors.:

Es sind so viel Fragen[hh], wissen Sie,[ii] ich muß Ihnen antworten, es kommt sehr viel zusammen, weil Sie ...

RA Sch[ily]:

Aber Sie haben doch ein hervorragendes Gedächtnis, Herr Vorsitzender, wenn Sie einen Prozeß ... der womöglich 1 ½ Jahre dauert, dann werden Sie vielleicht noch behalten können, was ich vor 10 Minuten gesagt habe. Herr Vorsitzender, es ist so und der Senat selbstverständlich ist auch mit angesprochen. [2219] Es ist bei diesen ganzen Erklärungen, die der Senat abgegeben hat oder der Herr Vorsitzende abgegeben hat, immer wieder die Behauptung aufgestellt worden, der Senat habe doch von Anfang an sich darum bemüht um eine Prüfung auf Verhandlungsfähigkeit. Ich weiß nicht, was Sie da eigentlich, ob das nun tatsächlich auch darauf zurückzuführen ist, daß also vielleicht bestimmte Verfahrensvorgänge Ihnen dann nach einigen Tagen nicht mehr in Erinnerung bleiben oder worauf das eigentlich zurückzuführen ist, daß Sie eine solche Behauptung aufstellen wollen. Wir wollen doch einmal daran erinnern, daß Sie hier den Herrn Dr. Henck herbeizitiert hatten und wenn ich mir die Konstellation vorstelle, daß diese Verteidigerbank hier vollkommen leer gewesen wäre, dann hätte es wahrscheinlich mit dieser Anhörung des Herrn Dr. Henck sein Bewenden gehabt.

Vors.:

Sie ...

RA Sch[ily]:

Nein, nein.

Vors.:

Nein. Es sah so aus.

RA Sch[ily]:

Und darüber, meine ich, sollte doch der Senat einmal nachdenken, was das eigentlich heißt, was das heißt. Sie hätten sich[jj] ja mit diesem Sichtkontakten von Herrn Dr. Henck zufriedengegeben. Das ist doch der Fall. Das ist doch das Faktum. Und nur das Insistieren der Verteidiger hat es überhaupt, hat überhaupt dazu geführt, daß nun eine Untersuchung stattfinden konnte. Ich gehe noch einmal zu dem Punkt zurück, warum die Sachverständigen Prof. Müller und Prof. Schröder eigentlich nicht hier in der Verhandlung auftreten sollen. Ich sehe immer noch vor mir Herrn Prof. Mende, obwohl ich seine Anwesenheit hier für überflüssig halte. Da sieht ja der Senat auch, das geht ja offenbar, ich weiß nicht warum, es macht vielleicht, kann es uns bekanntgegeben werden, aber Herr Prof. Mende kam doch auch, er mußte ja sogar aus dem Urlaub kommen, was ich für ihn persönlich bedauere. Er hat sogar aus dem Urlaub hier herbeizitiert, überflüssigerweise. Herr Prof. Müller und Herr Prof. Schröder [2220] sind in Stuttgart, soweit ich unterrichtet bin. Warum können die Herren eigentlich nicht herkommen? Warum hat man denn diese Furcht, die Herren hier im Saal zu haben. Wissen Sie, Sie haben mal gesagt, da steckt doch was dahinter, die Formulierung möchte ich mir eigentlich heute zu eigen machen. Dankeschön.

Vors.:

Bitte. Ich darf gleich zu wenigen Punkten die Auskunft geben. Ich habe heute früh schon bekannt, daß das ein Irrtum meinerseits war, zu glauben, daß Sie die gestrige Pause ausnutzen wollten, um mit Herrn Professor Schröder zu sprechen. Das ist auch ein Verfahren, das in der Tat ungewöhnlich wäre. Insofern ist es richtig, was Sie hier anschließend sagten: ich werde mich nicht telefonisch in Verbindung setzen, so sagten Sie gestern in der Verhandlung, das ist nicht meine Sache. Ich habe es angenommen, Sie wollten es tun und habe es auch aus dieser Überraschung heraus in keiner Weise da beanstandet. Es war meine Meinung, es war ein Irrtum. Das zweite. Als ich ...

RA Sch[ily]:

Sie haben also angenommen, daß ich ein ungewöhnliches Verhalten jetzt ja ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, nun haken Sie doch schon wieder an dem Wort nicht ein. Es ist ...

RA Sch[ily]:

Doch, doch, doch, doch, doch Herr Vorsitzender. Das interessiert mich jetzt, was Sie für eine Meinung da haben ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Moment, Moment, das interessiert mich jetzt.

Vors.:

Nein, Moment, ich wollte Ihnen nur sagen, es genügt, wenn Sie einmal „doch“ zu mir sagen. Wissen Sie, die Art der Unterhaltung kann ich ja nicht so wieder erwidern. Wir können normal sprechen miteinander ...

[2221] RA Sch[ily]:

Ja, gerne ...

Vors.:

... nicht in dieser ...

RA Sch[ily]:

Ich hoffe doch, daß ich normal rede, sonst bekommt Herr Mende noch einen neuen Auftrag.

Vors.:

So, ist das Ihre eigene Beurteilung? Sie wollten noch etwas dazu sagen.

RA Sch[ily]:

Nein, nein ich wollte nur wissen, wenn Sie also sagen ein ungewöhnliches ...

(Vereinzeltes Lachen im Saal)

Vors.:

Darf ich im Saal bitten; ich habe durchaus Verständnis, es wird auch gerade nicht so ernst geführt die Verhandlung, aber ich würde Sie doch bitten, wenn Sie heiter sind und dergleichen, das nicht immer so laut werden zu lassen, sonst muß ich das im Laufe der Zeit auch rügen. Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie haben mir unterstellt, ein ungewöhnliches Verhalten der unmittelbaren Befragung, welchen Anhaltspunkt hatten Sie da?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, völlig verkehrt. Ich habe gesagt, es wäre in der Tat etwas Ungewöhnliches, wenn ein gerichtlich bestellter Sachverständiger unmittelbar von einem Verteidiger in der Pause angerufen werden würde, ohne daß das Gericht davon in Kenntnis gesetzt wird. Ich habe angenommen, das könnte geschehen, Ihre Pausenbitte gestern klang so, als hätten Sie das.

RA Sch[ily]:

Ach, das haben Sie aus dem Klang entnommen.

Vors.:

Bitte?

RA Sch[ily]:

Aus dem Klang.

Vors.:

Aus dem Wortzusammenhang. Lesen Sie das Protokoll, Sie werden [2222] mir zugeben, daß dieser Irrtum entstehen könnte, da brauchen wir doch jetzt nicht drüber zu reden.

RA Sch[ily]:

Nein, Herr Vorsitzender, Sie kommen doch zu bestimmten Annahmen ...

Vors.:

Also jetzt beginnt der Kampf um die Uhr.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, ich möchte nur wissen welchen Anhaltspunkt Sie dafür hatten. Nein, nein das ist ...

Vors.:

Welche Anhaltspunkte, ich kann es Ihnen nochmals sagen, wenn Sie es wünschen und bitte nehmen Sie es jetzt aber voll zur Kenntnis, ich habe es heute früh schon ausgeführt. Nach meiner Erinnerung haben Sie gefragt[kk]: Hat Herr Prof. Schröder von der Auskunft von Herrn Müller Kenntnis? Und ich sagte, beide Herren haben sich telefonisch besprochen, die Beratungspause hat deswegen so lange gedauert, weil Herr Prof. Müller uns erst[ll] nach Rücksprache mit Herrn Prof. Schröder Bescheid geben konnte. Und als Sie das gehört haben[mm], da sagten Sie, dann bitte ich um eine Pause von, glaube ich, 6 Minuten, sagten Sie. 5 bis 6 Minuten. Und aus diesem Zusammenhang: Aha, Prof. Schröder hat sich auch dazu geäußert und Ihrer Erwiderung, dann bitte ich um eine Pause, habe ich angenommen, Sie wollen mit Prof. Schröder nun darüber sprechen, ob das zutrifft.

RA Sch[ily]:

Da würde ich, ja das entnehmen Sie aus der Bitte einer Pause.

Vors.:

Es ist doch nicht so verwunderlich, Herr Rechtsanwalt. Jetzt möchte ich aber in der Sache fortfahren. Soweit ich Ihnen heute früh gesagt habe, wir sollten gemeinschaftlich, ich dabei am Telefon, mit Prof. Müller sprechen, ging es um die ganz aktuelle Frage, daß gesagt wurde, Prof. Müller habe sich anderswo anders geäußert als mir gegenüber, nämlich, daß die drei Stunden die Pausen nicht beinhalten. Nur um diese ganz aktuelle Frage ging es. Es ist selbstverständlich von mir nicht beabsichtigt gewesen, nun den Weg zu eröffnen, daß in Zukunft die Verteidigung an Sachverständige, - die das Gericht im Freibeweiswege anhört, sich äußern läßt, sich denn Ge- [2223] danken macht, inwieweit ihre Ergebnisse unter Umständen mündlich eingeführt werden oder nur durch Bekanntgabe des schriftlichen Ergebnisses - daß nun die Verteidiger sich mit denen telefonisch unterhalten, Fragen stellen. Wenn wir hier erwarten, daß das über das Gericht geht[nn] so ist die Situation gar nicht anders, als wenn sie[oo] hier mündlich angehört werden würde. Auch da ist das Gericht dabei und könnte selbstverständlich sagen, diese Fragen kann man reinnehmen oder nicht, und ich versichere Ihnen eines, weil Sie meinten, das koste Zeit und würde die Prozedur hier verlängern, Sie können Ihre Fragen bei der Geschäftsstelle abgeben und Sie können versichert sein, daß die Geschäftsstelle angewiesen wird, die Fragen telefonisch sofort durchzugeben, an die Sachverständigen, ohne daß ein Abstrich von Seiten des Gerichts gemacht wird ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, das ist doch ...

Vors.:

... darf ich das noch sagen, von Zensur oder Verzögerung gar, damit eine Beantwortung nicht rechtzeitig erfolgen würde, wie das ja so ein bißchen gerade durchklang, wird wirklich keine Rede sein können.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, das ist ja einfach vollständig unrichtig was Sie sagen. 1. mal nehmen Sie sich offenbar das Recht, das Privileg, selbst zu fragen ohne Anwesenheit anderer Prozeßbeteiligten.

Vors.:

Das ist doch der Sinn des Freibeweises, daß das Gericht diesen Weg wählen kann, es ist doch ein gerichtlich bestellter Verteidiger. Sie wecken ja hier den Eindruck ...

RA Sch[ily]:

Moment, Moment.

Vors.:

... als habe das Gericht einen illegalen Weg beschritten, er ist 100 %ig durch alle Gesetze und alle Bestimmungen gedeckt.

[2224] RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie sagen, es ist dasselbe wie in der Verhandlung, wenn wie jetzt das Gericht dabei ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich Sie jetzt um folgendes bitten.

RA Sch[ily]:

Nein.

Vors.:

Das Gericht hat hier entschieden. Es hat Ihnen diese Fragenmöglichkeit angedeutet, es hat es nicht empfohlen, es hat [pp] gesagt, es bleibt Ihnen unbenommen. Es ist darüber entschieden. Wenn Sie irgend etwas dagegen einwenden wollen, dann nicht jetzt in einer endlosen Diskussion mit mir persönlich. Es kann eventuell ein Antrag gestellt[qq] werden, eine[rr] Diskussion weiter über diesen Punkt lehne ich im Interesse des Fortschritts der Verhandlung hiermit ab.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich habe doch einen Antrag gestellt, wenn Sie es vielleicht nicht zur Kenntnis genommen haben.

Vors.:

Eine Gegenvorstellung haben Sie geäußert.

RA Sch[ily]:

Ja, mit einem Antrag und einem Hilfsantrag, vielleicht haben Sie das zur Kenntnis genommen.

Vors.:

Gut, dann brauchen wir darüber nicht zu diskutieren.

RA Sch[ily]:

Ja doch, die Begründung, die Diskussion, Herr Vorsitzender, das sagen Sie immer, Sie haben mich unterbrochen und ich habe geantwortet und Sie haben wieder geantwortet. Das ist nicht meine Sache. Ich habe ...

Vors.:

Also fahren Sie in ... ich dachte Sie waren mit der Begründung fertig, Sie haben mir auch gesagt ...

RA Sch[ily]:

Nein, ich muß jetzt darauf eingehen, was Sie hier gesagt haben, Herr Vorsitzender. Sie nehmen sich, Sie sagen nämlich, [2225] Sie sagen nämlich, das ist doch das gleiche mit der Befragung, wie in der Verhandlung. Na es ist es eben nicht. Sie fragen nämlich unmittelbar in Abwesenheit anderer Prozeßbeteiligter, produzieren dann hier irgend etwas, von dem wir wirklich den Eindruck haben müssen, daß das also nicht ganz dem entspricht, was also die Sachverständigen in Wahrheit hier bekunden würden und uns verweigern Sie das Recht. Sehen Sie mal, das ist doch auch so, das kann man sich ja an fünf Fingern abzählen, daß natürlich, wenn Sie eine Frage haben, Sie bekommen eine bestimmte Antwort, dann vielleicht doch noch einmal eine Zusatzfrage notwendig ist. Das ist das übliche in einer Verhandlung und dann, also jetzt hinterlegen wir die Fragen bei der Geschäftsstelle nichtwahr, Sie nehmen sich dann womöglich auch noch das Recht, wenn diese Frage dann irgendwie zurückkommt, unmittelbar wieder den Herrn Müller anzurufen und zu sagen, hier jetzt Korrektur, so geht es nicht. Wir haben das gleiche Recht, in der gleichen Form zu befragen, wie das Gericht.

Vors.:

Ja, ich erwidere Ihnen nur deshalb, weil das[ss] vielleicht Ihren Antrag erübrigt. Ich habe es auch schon heute früh gesagt, ich wiederhole es nicht nochmals, ich habe bis jetzt einmal angerufen aus dem aktuellen Anlaß, der gestern gegeben war durch den Antrag die Verhandlung auszusetzen, weil die Frist abgelaufen ist. Nur die Frage gestellt, wie war die Frist von 2 bis 3 Wochen zu verstehen. Im übrigen sind alle Fragen, die den Sachverständigen gestellt worden sind, und werden alle Fragen, die eventuell noch gestellt werden müssen, schriftlich fixiert und Ihnen bekanntgegeben. Das ist geschehen a) mit dem Anschreiben an die Sachverständigen, Bestellungsauftrag und das ist weiter ... Herr RA. Schily darf ich vielleicht bitten, daß, wenn ich im Augenblick mit Ihnen spreche, daß das dem vorgezogen wird. Die Besprechung mit dem Mandanten kann ja anschließend erfolgen. Ich habe Ihnen also die Frage zum ersten Mal schriftlich bekanntgegeben, indem Sie die Senatsbeauftragung der Sachverständigen zur Kenntnis bekamen[tt], und es ist ferner heute die Zusatzfrage, die Sie schriftlich erbeten haben, die Sie auch schriftlich bekommen haben[uu], den Sachverständigen gestellt worden sind, bekanntgegeben. Weitere [2226] Fragen hat der Senat nicht gestellt. Es handelt sich nur um eine Frage.

RA Sch[ily]:

Haben Sie heute nicht telefoniert?

Vors.:

Ich habe heute wieder angefragt und habe Ihnen das bekanntgegeben, sofort hier in der Sitzung, wie das jedesmal geschehen ist, daß der Prof. Müller die Ausdeutung beziehungsweise die Erklärung abgegeben hat: zu diesen drei Stunden zählen die Pausen nicht, wobei er im übrigen auf den Text seines Schreibens verweist ...

RA Sch[ily]:

... Sie rufen doch an, Herr Vorsitzender, Sie nehmen sich das Recht, in Abwesenheit aller Prozeßbeteiligten einfach zu telefonieren und Fragen zu stellen.

Vors.:

Es war nicht in Abwesenheit der Prozeßbeteiligten. Es war zumindest in Anwesenheit der richterlichen Mitglieder des Senats, und ich darf Ihnen dazu jetzt zum letzten Mal sagen, das ist der korrekte Weg des Freibeweises, wenn es um rasche Klärung geht. Ich habe darüber den Aktenvermerk gemacht, den ich heute früh bekanntgegeben habe. Es ist falsch, wenn Sie den Eindruck erwecken, als würde das Gericht irgend etwas Unkorrektes tun, und das tut es auch nicht.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender bin ich nicht mit Ihnen einverstanden, wenn Sie uns die Gelegenheit nicht geben zur Befragung. Bevor Sie Ihre Entscheidung treffen, was mit dem Verfahren weitergeht, ob das Verfahren weitergeht oder nicht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. H[eldmann].

Ende Band 107.

[2227] RA Dr. Heldmann:

Ich schließe mich dieser Gegenvorstellung an, und zwar

1. mit dem Antrag, der heute morgen schon von uns als Bitte geäußert worden ist.

Vors.:

Wir hören.

RA Dr. He[eldmann]:

... also heute morgen von uns als Bitte geäußert worden ist,

uns unverzüglich, d. h. heute noch, das Schreiben des Herrn Prof. Müller, aus welchem Sie ... Nein, Verzeihung, Ihr Schreiben an Herrn Prof. Müller, aus welchem Sie heute vormittag zitiert haben, bitte heute noch zur Verfügung zu stellen.

2. Ihr Ansinnen, die Verteidiger sollten ihre Fragen an die Sachverst. über den Vorsitzenden stellen ...

Vors.:

Senatsbeschluß. Das Gericht, nicht der Vorsitzende.

RA Dr. He[eldmann]:

... das Ansinnen des Senats an die Verteidigung, wir sollten unsere Fragen schriftlich über den Vorsitzenden stellen. Das ist weder ein korrektes Verfahren, noch jedenfalls können Sie sich dafür auf die ZPO, auf die StPO und die Freibeweisregeln beziehen; denn die Freibeweisregeln besagen gerade, daß die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, die aus der Verpflichtung zu einem rechtsstaatlichen und fairen Prozeß erwachsen, auch hier gelten, etwa das Fragerecht nach § 240[ StPO].

So kann man es nachlesen bei Löwe-Rosenberg in der Kommentierung zu § 244 Anm. II Abs. 3.[35]

Ferner ist dieses Verfahren auch in weiterer Hinsicht ein Ansinnen, das die Verteidigung zurückzuweisen hat. Der Vorsitzende hat auch im Freibeweis, wie soeben belegt, die Fragen der Verteidigung und auch der Angeklagten auch an den Sachverst. zuzulassen, in erster Linie sie zu ermöglichen. Aber keinesfalls hat er sie inhaltlich zu zensieren, worauf es hinausliefe, wenn wir unsere Fragen über den Senat richteten und somit den [2228] unmittelbaren Kontakt zwischen Frageperson und Fragenden durch den Senat filterten. Ob nun dieser Rechtsanspruch aus Prozeßrecht, unmittelbar hier auch im Freibeweisverfahren Fragen an den Sachverst. zu, stellen, ob nun auf das Unmittelbarkeitsprinzip[36] oder Mündlichkeitsprinzip[vv] [37] zurückzuführen, spielt hier wohl keine Rolle, sondern ausschlaggebend ist der verfahrensrechtliche wie auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs auch im Freibeweisverfahren mit der prozessualen Folgerung, den Sachverst. hier zu hören, um ihn hier befragen zu können. Und es gibt eine neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eben dies wieder einmal in Fortsetzung früherer Rechtsprechung sagt. Es ist die Entscheidung im 32. Band und dort auf S. 197:

„Die Verfahrensbeteiligten müssen die Gelegenheit erhalten, auch auf die von Amts wegen in[ww] das Verfahren eingeführten Tatsachen oder Beweismittel unmittelbar Stellung zu nehmen und auch in Ausübung des Fragerechts von ihren Prozeßrechten Gebrauch zu machen.“[38]

Soweit meine ergänzende Begründung für diese Gegenvorstellung. Ich meine also, daß der Senat da einfach von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, und schon allein deswegen rechtfertigt sich die Gegenvorstellung. Bitte erlauben Sie mir, eine Frage anzuschließen: Welchen Zweck verfolgt der Senat, indem er Herrn Prof. Mende hier offenbar verpflichtet hat, weiter der Verhandlung zu folgen nach dem, was die Angeklagten heute morgen geäußert haben, sich nämlich von Herrn Prof. Mende nicht untersuchen zu lassen.

Vors.:

Das ist Sache des Gerichts, abzugrenzen und zu bestimmen, wann der Auftrag des Sachverst. endet.

RA Dr. He[ldmann]:

Aber selbstverständlich.

[2229] Vors.:

Will die B. Anwaltschaft sich zu diesen Anträgen äußern?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Haupt- und Hilfsanträge werden zurückzuweisen sein. Der Hauptantrag aus meinen Ausführungen von heute morgen, von heute vormittag, und aus den Gründen des verkündeten Beschlusses; der Hilfsantrag deshalb, weil es der korrekte Weg ist, über den Vorsitzenden Fragen an den Sachverst. zu richten. Das weiß auch die Verteidigerbank. Ich erspare mir deswegen weitere Ausführungen, weil ich bei dem Spiel, zu reden, um zu reden, um die Zeit hinwegzureden, einfach nicht mitmache.

Ich bitte den Senat, über diese Gegenvorstellung jetzt nicht zu entscheiden. Das hat Zeit bis morgen früh. Ich rege an, die Angeklagten nunmehr zu befragen, ob sie sich zur Sache äußern wollen.[39]

Vors.:

Herr RA Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Es bleibt Ihnen unbenommen, Herr Widera, sich weiter zu dekorieren mit solchen läppischen Bemerkungen, „zu reden, um zu reden“. Manchmal würde ich es begrüßen, wenn Sie etwas länger reden würden, um nämlich da mal klarzumachen, wie Sie Ihre Auffassung rechtlich begründen wollen und nicht mit diesem gebieterischen und herrischen Ton hier aufzutreten:

„Die Anträge werden zurückzuweisen sein.“

Das ist ja Ihre Art, hier aufzutreten.

Vors.:

Haben Sie noch etwas zur Sache zu sagen, abgesehen davon, ...

RA Sch[ily]:

Ja, das meine ich, gehört zur Sache.

Vors.:

... daß diese Bemerkung „läppische Bemerkungen“ ...

RA Sch[ily]:

Das gehört zur Sache.

Vors.:

... natürlich in Ihrem Munde nicht grade angebracht ist.

[2230] Sie haben als Verteidiger nicht das Recht ...

RA Sch[ily]:

Wieso in meinem Munde nicht?

Vors.:

Weil Sie Verteidiger und Rechtsanwalt sind und damit eine gewisse Form ...

RA Sch[ily]:

Ja das wußte ich eigentlich auch.

Vors.:

Eben.

RA Sch[ily]:

Ja.

Vors.:

Das sind keine Ausführungen, die einem Verteidiger angemessen sind.

RA Sch[ily]:

Aber wenn Herr Widera sagt, die Verteidiger reden, um zu reden, da fällt Ihnen nichts ein.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, heute früh wäre an verschiedenen Stellen auch Gelegenheit gewesen, bestimmte Ausführungen in irgendeiner Weise mit Eigenschaftswörtern zu bedenken. Das wollen wir aber doch nicht anfangen.

RA Sch[ily]:

Welche denn? Welche denn?

Vors.:

Um das geht’s nicht. Ich habe jetzt bloß Sie darauf hingewiesen ...

RA Sch[ily]:

Wie bitte?

Vors.:

... daß eine Ausführung gegenüber einem Prozeßbeteiligten aus dem Munde eines Anwalts, es handle sich bei ihm um „läppische Bemerkungen“, zu beanstanden ist.

Nehmen Sie’s bitte zur Kenntnis.

Haben Sie sonst zur Sache was beizutragen?

[2231] RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender und der Senat, ich bin nach wie vor der Meinung, daß wenn - ich darf das nochmals wiederholen, weil die B. Anwaltschaft einfach nicht darauf eingeht - die Klärung muß erst herbeigeführt werden, was der wahre Inhalt dessen ist, das als vorläufiger Bescheid der beiden Sachverst. Prof. Müller und Prof. Schröder ist, ehe, ehe in der... ehe die prozessuale Maßnahme durchgeführt wird: Fortsetzung der Verhandlung oder nicht. Das ist die Notwendigkeit, und das bitte ich, in jedem Falle hier bei einer Entscheidung des Senats zu berücksichtigen.

Vors.: (nach geheimer Beratung)

Wir werden über diese Anträge entscheiden, und morgen früh die Entscheidung bekanntgeben.

Wir fahren jetzt fort.

In der Tat sind die Angeklagten darauf hinzuweisen, daß sie, nachdem die Anklage verlesen ist, sich zur Sache äußern können, aber nicht verpflichtet sind, sich zu äußern. Es ist in Ihr Belieben gestellt, ob Sie sich zur Sache äußern wollen, oder ob Sie nichts angeben wollen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Herr Vorsitzender, ist eigentlich der Antrag nicht angekommen oder ...

Vors.:

Doch. Wir werden morgen früh, habe ich gesagt, die Entscheidung bekanntgeben.

RA Sch[ily]:

Aber das ist doch nun grade die Frage. Da kann doch der Senat jetzt nicht ausweichen.

Vors.:

Doch. Er hat ...

RA Sch[ily]:

Doch? Er kann ausweichen?

Vors.:

Er hat jetzt festgelegt, daß morgen früh drüber entschieden wird. Wir verhandeln jetzt genau in der zweiten Stunde.

[2232] RA Sch[ily]:

Ja. Aber Sie gehen doch davon aus. Wie ist dieser Zeitraum von drei Stunden zu bewerten?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, da habe ich mich heute vergewissert durch Rückfrage, durch einen entsprechenden Aktenvermerk habe ich das aktenkundig gemacht. Wenn Sie das anzweifeln, was mir der Herr Prof. Müller gesagt hat, dann wird sich das unter Umständen nochmals durch eine Rückfrage klären lassen. Aber ich habe jedenfalls, und das ist auch die Senatsentscheidung gewesen, die Gewißheit, daß Herr Prof. Müller die Auslegung gegeben hat, die ich heute bekanntgab. Deswegen heißt es im Senatsbeschluß,

es sei durch Rückfrage zuverlässig geklärt.

RA Sch[ily]:

Nun gut. Dann bitte ich um fünf Minuten Pause.

Vors.:

Wir haben jetzt keinen Grund, über Ihre Gegenvorstellung und Zusatzanträge zu entscheiden. Die Angeklagten sind also darauf hingewiesen ...

RA Sch[ily]:

Ich bitte um fünf Minuten Pause.

Vors.:

Gut. Fünf Minuten Pause.

Pause von 15.07 Uhr bis 15.27 Uhr.

Vors.:

Die Pause wurde benützt, um über die gestellten Anträge bzw. die Gegenvorstellung zu entscheiden. Die Entscheidung lautet:

„Die Gegenvorstellung und der Hilfsantrag, eine Pause zwecks telefonischer Befragung der Sachverständigen durch die Verteidiger einzulegen, werden abgelehnt.

Es verbleibt bei dem beanstandeten Beschluß.

In der von Rechtsanwalt Dr. Heldmann zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde auf die Einhaltung [2233] des Art. 103 Grundgesetz[40] hingewiesen und ein Truppendienstgericht gerügt, daß den Betroffenen unbekannte Beweisergebnisse verwertet worden sind.

Im vorliegenden Fall sind die Prozeßbeteiligten über alle Untersuchungsergebnisse unterrichtet worden.

Eine telefonische Befragung von gerichtlich bestellten Sachverständigen durch die Verteidiger ist nicht statthaft. Die vom Vorsitzenden in seiner Anwesenheit angebotene telefonische Anhörung betraf eine einzelne Frage, die nach der Auffassung des Senats inzwischen erledigt ist.“

Wer von den Herrn Verteidigern wünscht das Wort?

Bitte, Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Da ich, wie Sie wissen, Herr Vorsitzender, noch nach wie vor der bis, sagen wir Stammheim, geltenden Rechtsdoktrin angehangen habe, Verteidiger, Anklagebehörde und Senat seien gleichberechtigte Partner in einem Strafprozeß, habe ich also soeben, so, wie Sie es uns vorgemacht haben, Herrn Prof. Müller angerufen. Das zu Ihrer Behauptung, so etwas sei nicht statthaft.

Vors.:

Es kann auch etwas getan werden, was nicht statthaft ist. Das ist ja nun wirklich keine Frage der rechtlichen Voraussetzung.

RA Dr. He[ldmann]:

Statthaftigkeit, gut. Herr Prof. Müller hat mich auf den Brief verwiesen, der heute morgen von drüben hierher an den Senat gerichtet worden ist, und ich bitte also, diesen Brief der Verteidigung möglichst bald über ... - wenn’s geht, also heute noch - zur Verfügung zu stellen, denn wir werden ja morgen den letzten Prozeßtag in dieser Woche haben.

[2234] Vors.:

Ich verstehe diese Ausführungen, Herr Rechtsanwalt, wenn ich das zwischenrein sagen darf, nicht ganz, denn ich habe Ihnen ja vor Beginn der Mittagspause angeboten, daß auf der Geschäftsstelle diese Unterlagen hinterlegt seien - jederzeit zu Ihrer Verfügung.

RA Dr. He[ldmann]:

Ist das so? Können wir also Durchschriften, Kopien haben?

Vors.:

Die laß ich jetzt gleich anfertigen, wenn Ihnen daran gelegen ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Darum bitte ich, daß wir Kopien für die Verteidigung bekommen.

Vors.:

Und zwar dann eine Fotokopie

a) von diesem Schreiben und

b) von den Zusatzfragen, die ich gestellt habe, nämlich in Zusammenhang mit [xx] den Äußerungen in diesem Schreiben.

RA Dr. He[ldmann]:

Also habe ich Sie jetzt richtig verstanden:

Diese beiden Schreiben können wir uns in Fotokopien für die Verteidigung am Schluß der Sitzung holen in der Geschäftsstelle?

Vors.:

Die werden jetzt gleich übergeben werden. Aber wie gesagt, Sie konnten die heute mittag schon einsehen. Die lagen bereit.

RA Dr. He[ldmann]:

Naja. Wir wollten sie ja haben, um damit arbeiten zu können, und zwar möglichst schnell.

Dann weise ich auf folgendes hin:

Nach dem, was sich nun heute endlich herausgestellt hat, was aber, wie Sie wissen, die Verteidigung immer reklamiert hat, [2235] war die Vernehmung zur Person in der gestrigen Nachmittagssitzung deswegen rechtswidrig, weil die Angeklagten nicht verhandlungsfähig waren.

Drittens:

erinnere ich, die Drei-Stundenfrist pro Tag war ja abgelaufen gestern nachmittag.

Drittens:

erinnere ich daran, daß - Protokoll Bl. 2089 - noch immer aussteht die Entscheidung des Senats über die Gegenvorstellungen der Verteidiger zu der Durchsuchungsangelegenheit. Der Herr Vorsitzende hat damals gesagt - es ist wohl der 8.8. gewesen -: „Ich werde über diese Gegenvorstellungen, die erhoben worden sind, zu späterem Zeitpunkt befinden.“

Vors.:

Ist gestern früh zu Beginn der Sitzung geschehen. Sie werden’s im Protokoll wiederfinden.

Gut. Damit gebe ich jetzt den Angeklagten ...

RA Sch[ily]:

Ich habe einen ...

Vors.:

Herr RA Schily, was wollen Sie jetzt? Einen Antrag stellen?

RA Sch[ily]:

Ja.

Vors.:

Darf ich fragen, um was für einen Antrag es sich handelt?

RA Sch[ily]:

Ich hab ihn hier vor mir.

Vors.:

Das macht nichts aus. Ich bin nicht gehalten, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen.[41] Wir wollen jetzt in die Sachvernehmung der Angeklagten kommen, und wenn ich nicht erfahre, um was für einen Antrag es sich handelt ...

RA Sch[ily]:

Ja, selbstverständlich. Es ist ein Einstellungsantrag.

Vors.:

Einstellung des Verfahrens?

[2236] RA Sch[ily]:

Jawohl.

Vors.:

Ja. Das müssen wir dann wohl im voraus entgegennehmen.

RA Sch[ily]:

Moment.

Die Angeklagten stehen auf, packen ihre Sachen und drängen aus der Anklagebank.

Vors.:

Herr Baader, bitte, nehmen Sie Platz.

Angekl. Baa[der]:

Wir wollen jetzt gehen.

Vors.:

Sie wollen jetzt gehen. Es ist wieder Ihr Wille zu gehen; Sie wollen jetzt, daß dasselbe Schauspiel sich wiederholt.

Angekl. Baa[der]:

Sie wollen dieses Schauspiel.

Vors.:

Sind Sie bereit - alle vier Angeklagten frage ich das - die Verhandlung ungestört weiter ablaufen zu lassen, d. h. sich zu setzen, ohne hier nach außen zu drängen und in Ihre Zellen zurückkehren zu wollen? Ja oder nein?

Angekl. Baa[der]:

Schalt doch mal an hier.

Nein, wir möchten jetzt ausgeschlossen werden.

Vors.:

Sie möchten ausgeschlossen werden? Das ist kein Grund, Sie auszuschließen, da Sie es wollen.

Herr RA Schily, Sie haben das Wort.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, darf ich dazu mal was sagen?

Vors.:

Nein. Herr RA Schily hat im Augenblick das Wort.

RA Sch[ily]:

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann soll ja das Stehen bereits eine Störung sein.

[2237] Vors.:

Nein, eben nicht. Deswegen sage ich ja, Sie haben das Wort. Sie können fortfahren.

Angekl. Baa[der]:

Was wollen Sie denn? Wollen Sie jetzt wieder dieses listig arrangierte Schauspiel wie gestern, wollen Sie das nochmal haben?

Vors.:

Ich möchte Sie mal darüber rechtlich aufklären, daß der Ausschluß von Angeklagten ein ganz schwerwiegender Eingriff ist. Der bedarf gewisser Voraussetzungen.[42] Es ist nicht so einfach, daß die Angeklagten einfach hinstehen und erklären: Wir wollen jetzt raus aus dem Sitzungssaal.

Kein Gericht ist imstande, daraufhin den Ausschluß zu verfügen.

Angekl. Baa[der]:

Ich kann gar nicht verstehen, warum Sie sich so erregen, denn Sie haben mir[yy] in diesen drei vergangenen Monaten mindestens 50mal das Wort entzogen. Was soll das also. Das heißt, Sie haben mindestens 50mal verhindert, daß ich eine Argumentation entwickeln kann.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt im Augenblick das Wort nicht, sondern Herr RA Schily. Stehen können Sie, wenn Sie wollen.

Angekl. Baa[der]:

Ich stelle dazu jetzt fest: Schließen Sie uns aus, und versuchen Sie nicht, wie gestern, nach Möglichkeit uns zu provozieren.

Vors.:

Ich stelle fest, daß Sie nicht aufgrund eines solchen Verhaltens, wie Sie’s jetzt zeigen, ausgeschlossen werden können. Da fehlen die rechtlichen Voraussetzungen für einen solch schwerwiegenden Eingriff.

Angekl. Ra[spe]:

Versuchen Sie, uns zu provozieren?

Angekl. Baa[der]:

Man kann das natürlich auch mal anders fassen. Man kann [2238] natürlich klarmachen, daß Sie wirklich das Musterbeispiel ...

Vors.:

Herr RA Schily, Sie haben das Wort.

Angekl. Baa[der]:

... einer Faschistisierung ...

Vors.:

Bitte das Wort abzustellen.

Angekl. Baa[der]:

Das ist doch wirklich lächerlich.

Vors.:

Herr RA Schily, Sie haben das Wort.

Angekl. Baa[der]:

Ja, was wollen Sie? Wollen Sie uns zwingen, hierzubleiben? Ich stelle also nochmal fest wie gestern: Sie sind ein faschistisches altes Arschloch, ja. Genügt das?

Angekl. Ra[spe]:

Wiederholen wir’s.

Angekl. Enss[lin]:

Du faschistisches Schwein.

Vors.:

Die Angeklagten wissen, daß aufgrund des Verhaltens, das sie jetzt zeigen, ausgeschlossen werden müssen. Sind Sie bereit - ich frage Sie jetzt nochmals - sich zu setzen, der Verhandlung zu folgen oder wollen Sie weiterhin sich so verhalten wie im Augenblick?

Angekl. Baa[der]:

Wir wollen uns nicht so verhalten. Wir wollen ausgeschlossen werden, verdammt.

Vors.:

Schließen sich die andern Angeklagten dieser Erklärung an?

Angekl. Ra[spe]:

Ja, natürlich.

Angekl. Me[inhof]:

Ja, du faschistisches Schwein.

[2239] Vors.: (nach geheimer Beratung):

Die Angeklagten werden auf Senatsbeschluß für den Rest der Woche von der Verhandlung ausgeschlossen.

Die Angeklagten haben durch Aufstehen, nach außen Drängen, durch Zwischenrufe, durch Beleidigung des Vorsitzenden die Verhandlung gestört u.[zz] ein Verhalten gezeigt, das beweist, daß sie nicht willens sind, weiterhin geordnet an der Verhandlung teilzunehmen.

Die Angeklagten sind im Hinblick auf die wiederholten Störungen nunmehr nicht nur für den heutigen Tag, sondern auch für die morgige Sitzung von der Sitzung ausgeschlossen. Die Angeklagten sind abzuführen.

RA Dr. He[ldmann]:

Bitte rechtliches Gehör für den Herrn Baader.

Vors.:

Rechtliches Gehör war gewährt. Die Angeklagten sind ausgeschlossen. Sie können jetzt abgeführt werden.

RA v[on] P[lottnitz]:

Rechtliches Gehör war nicht gewährt zur Frage des Ausschlusses über den heutigen Sitzungstag hinaus. Es war nicht angekündigt und ...

Vors.:

Muß auch nicht angekündigt werden.

Ich bitte, die Angeklagten abzuführen.

RA v[on] P[lottnitz]:

Entschuldigen Sie. Angesichts einer Praxis, die bislang darauf hinauslief, jeweils nur für den jeweiligen Sitzungstag auszuschließen, ist natürlich dazu rechtliches Gehör zu gewähren.

Die Angeklagten werden um 15.37 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

[2240] Vors.:

Wir setzen damit die Sitzung fort.

Herr RA Schily hat das Wort zur Stellung seines Einstellungsantrags.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, ich erhebe Beschwerde gegen den Ausschluß in dem Umfang, wie Sie ihn eben ausgesprochen haben und weise auf folgendes hin:

Vors.:

Können Sie uns eine Vorschrift benennen, aufgrund derer Sie diese Beschwerde erheben?

RA He[ldmann]:

Die Vorschrift findet sich voraussichtlich in der GVG[43]. Jedenfalls gegenüber sitzungspolizeilichen Maßnahmen des Vorsitzenden[44] gibt es die Beschwerdemöglichkeit, wenn sie auch bedauerlicherweise keine aufschiebende Wirkung hat.

Vors.:

Es ist eine Senatsentscheidung gewesen, keine Entscheidung des Vorsitzenden.

RA Dr. He[ldmann]:

Wenn es eine Senatsentscheidung ist, ist wahrscheinlich eine Beschwerde nicht möglich.[45]

Vors.:

So ist es.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann nehmen Sie eine Gegenvorstellung.

Die Verhandlungszeit für die Angeklagten wäre um 15.45 Uhr abgelaufen gewesen, nicht? Drei Stunden täglich. Und da müssen Sie, frage ich Sie, zehn Minuten vorher müssen Sie’s noch darauf ankommen lassen, hier den Ausschluß ganz gezielt zu provozieren, wo die Angeklagten wußten, daß die Antragsbegründung, die Herr Schily sich anschickte, zu beginnen, etwa eine Vortragsdauer von zwei Stunden in Anspruch nehmen würde.

Ich sehe also weder einen Sinn noch auch eine Rechtfertigung für diese Maßnahme, zehn Minuten vor Verhandlungsschluß angesichts einer mindestens zweistündigen Antragsverlesung die [2241] Angeklagten so, wie Sie es getan haben, zu provozieren, was sie nicht wollten und dann für den Rest dieser Sitzungswoche auszuschließen.

Vors.:

Bitte schön.

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat Unrecht.

Es wurde heute verhandelt von 11.00 Uhr bis 11.45 Uhr, von 11.53 Uhr bis 12.20 Uhr, von 14.22 Uhr bis 15.06 Uhr und dann wieder ab 15.27 Uhr. Wenn man die Minuten zusammenrechnet - das sollte nicht allzu große Schwierigkeiten machen - können wir heut, um die Frist von drei Stunden Verhandlungsdauer zu erreichen, bis 16.30 Uhr verhandeln.

Vors.:

Herr RA Riedel.

RA Rie[del]:

Bevor das Gericht geheime Umfragen veranstaltet, möchte ich mich der Gegenvorstellung des Kollegen Heldmann anschließen und beantragen, zumal ich morgen nicht anwesend bin,

daß die Mandantin morgen zur Hauptverhandlung wieder zugelassen wird.

Die Bestimmung, auf die sich das Gericht bei seinem Ausschluß wahrscheinlich berufen wird, nämlich § 231b StPO, sieht vor, daß ein Ausschluß erfolgen kann und eine Verhandlung stattfinden kann bei Abwesenheit, solange mit Störungen zu rechnen ist, solange Störungen zu befürchten sind. Ich kann mir nicht vorstellen, was das Gericht veranlaßt - im übrigen: Die GVG-Vorschriften sind ja ... gehen ja von denselben Voraussetzungen ... tatsächlich ähnlichen Voraussetzungen aus - ich weiß nicht, was das Gericht veranlaßt, anzunehmen, daß die Störungen, die hier heute zum Ausschluß geführt haben, das Gericht zum Anlaß genommen hat, auszuschließen, daß die auch morgen andauern werden in der Art und Weise, wie sie heute hier vom Gericht angenommen worden sind; im Gegenteil: Ich meine, daß der bisherige Prozeßverlauf gezeigt hat, daß genau das Gegenteil zu erwarten ist, daß nämlich morgen mit Störungen [2242] nicht zu rechnen ist, so daß also ein rechtlicher Grund, den Ausschluß auszudehnen auf den morgigen Verhandlungstag, überhaupt nicht gegeben ist.

Vors.:

Will sich die B. Anwaltschaft speziell hierzu noch äußern?

BA Dr. Wu[nder]:

Nein.

Vors.:

Nicht mehr.

Geheime Beratung

Vors.:

Die Entscheidung über die Gegenvorstellung wird morgen getroffen, morgen früh, rechtzeitig vor der Sitzung, so daß notfalls Maßnahmen, die sich daran knüpfen würden, getroffen werden können.

Herr Prof. Mende, um Sie keinen Vorwürfen auszusetzen, darf ich mitteilen,

Sie sind damit für heute entlassen, da es ja um die Beobachtung der Angeklagten gegangen ist. Sie können selbstverständlich, sofern die Entlassungszeit ab [aaa] jetzt rechnet, auch weiterhin im Saale anwesend sein.

Hatten Sie die Absicht, morgen hier zu sein?

Prof. Mende:

Nein.

Der Sachverständige Prof. Mende. wurde um 15.42 Uhr entlassen.[bbb]

Vors.:

Sowieso nicht, so daß wir also von der Gegenvorstellung nicht Ihnen irgendwelche Kenntnis geben müssen im Hinblick auf Ihren Auftrag hier.

Herr RA Schily, ich darf Sie dann bitten, zu beginnen.

RA Sch[ily]:

Ich möchte kurz zu der Frage noch des Ausschlusses von morgen einen kleinen Beitrag leisten für die Beratung, die ja dann in der Zwischenzeit stattfindet:

Ich habe mehrfach den Grundsatz der Prozeßökonomie geltend gemacht, und ich glaube, daß es also dem Verfahrensfortgang, um den es ja dem Senat häufig zu tun war, in keiner Weise dienlich sein kann, wenn morgen nicht wenigstens in dem begrenz- [2243] ten Umfange, in dem die Angeklagten verhandlungsfähig sein mögen, Ihnen Gelegenheit gegeben wird, an der Verhandlung teilzunehmen, um nämlich möglicherweise auch noch hier zu dem Antrag sich zu äußern, der ihnen dann sonst wieder bekanntgegeben werden müßte, und dann diese prozessualen Umwege eingeschlagen werden, die wir doch nach Möglichkeit eigentlich vermeiden wollten.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut, wobei ich sagen darf, ich habe hier zwar ein Manuskript in maschinenschriftlicher Form, aber da es erhebliche Exkurse aus diesem Manuskript geben wird, muß ich bitten, das Tonband - das Protokolltonband - weiterlaufen zu lassen, weil sonst der Antrag nicht vollständig im Protokoll wäre. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen dieses Manuskript ...

Vors.:

... zur Ablichtung zu überlassen.

RA Sch[ily]:

Ja, dieses hier jetzt nicht, was hier vor mir ist. Aber eine Ablichtung, die ich zusätzlich habe - auch die B. Anwaltschaft kann das gerne bekommen - wobei ich aber darauf zu achten bitte, daß es in der Tat dann nur ein Torso ist, also nicht dem entspricht, was ich hier vortrage, damit also keine Mißverständnisse darüber entstehen.

Ende von Band 108.

[2244] RA Sch[ily]:

In der Strafsache gegen Andreas Baader u.a. folgt das Aktenzeichen, hier: Gudrun Ensslin, wird beantragt gem. § 260 StPO[46] in Verbindung mit Art. 6 der Menschenrechtskonvention[ccc][47] das Verfahren einzustellen.

Der Antrag ist begründet, weil ein faires Verfahren nicht mehr gewährleistet ist. Zunächst einmal, bevor ich in der Antragsbegründung dann in die Antrags ... eigentliche Antragsbegründung eintrete, darf ich in Anknüpfung von früheren Ausführungen der Bundesanwaltschaft, weil ja ein ähnlicher Antrag zur Debatte stand, auf folgendes aufmerksam machen: Die Bundesanwaltschaft hatte auf einen Antrag[ddd], den die Verteidigung in einem früheren Prozeßstadium unter Berufung auf diese beiden genannten Vorschriften gestellt hatte, die Meinung vertreten, daß diese Vorschriften eine solche prozessuale Maßnahme nicht ermöglichen. Ich darf demgegenüber sagen, der Artikel 6 der Menschenrechtskonvention[eee] ist geltendes Recht mindestens im Rang eines Gesetzes[48] und die materielle, der materielle Inhalt dieses Artikels 6 der Menschenrechtskonvention[fff] muß eine prozessuale Auswirkung haben, das heißt, wenn ein materieller Grundsatz Geltung haben soll, muß es zwingend auch eine prozessuale Form geben, in der sich dieser materielle Grundsatz seine Wirkung verschafft. Das mag für Sie in gewissem Umfange als juristisches Neuland anzusehen sein, aber vielleicht ist es eben Notwendigkeit, notwendig bei der Einmaligkeit und Ungewöhnlichkeit dieses Verfahrens, auch einmal juristisches Neuland zugunsten der Angeklagten zu betreten. Bisher ist das ja immer nur zu Lasten der Angeklagten geschehen. Ich komme nun zu der eigentlichen Antragsbegründung. „Die Guerilla im Industriestaat, die Stadtguerilla ist die Kriegsform der Zukunft. Sie stellt den Ersatz dar, für den offenen internationalen Krieg und den offenen Bürgerkrieg, die aus machtpolitischen Gründen erschwert sind. Sie kann zu einer Version des Verteilungskampfes werden.“ Was ich soeben hier vorgetragen habe, ist nicht etwa jetzt die Erklärung der Verteidigung, sondern ein [2245] Zitat aus der Zeitung „Die Welt“, Ausgabe vom 13.3.75 auf Seite 4. Und nach dieser Voraussage fährt „Die Welt“ in ihrem Artikel wie folgt fort: „Nur durchdachte geplante Gegengewalt kann helfen. Sie muß in Staatsregie bleiben. Die Armee muß einbezogen werden.“ Das ist die These der Zeitung „Die Welt“. Das Verfahren, das hier in Stammheim durchgeführt werden soll, ist Teil der unter Staatsregie ausgeübten durchdachten, geplanten Gegengewalt unter Einbeziehung der Armeen. Die Justiz wird wie bei Kitson in dem Buch „Im Vorfeld des Krieges, Abwehr von Subversion und Aufruhr“ 1974, Seite 101, das formuliert hat: „Die Justiz wird als eine der Waffen im Arsenal der Regierung benutzt und zwar als eine propagandistische Verkleidung für die Beseitigung unerwünschter Personen des öffentlichen Lebens.“ Zu den Regies, Sie haben ja gehört, in Staatsregie, „Die Welt“ sagt in Staatsregie, zu den Regieanweisungen der Staatsschutzbehörden gehört es, daß die Verhandlung nicht in einem Gerichtsgebäude, sondern in einer militärischen Sperrzone, einer militärischen Festung stattfindet,[49] deren Lage, Ausrüstung und Bewachung von ausschließlich militärischen Gesichtspunkten bestimmt wird. Die Justiz wird damit auch äußerlich dem militärischen Apparat einverleibt, indem sie militärisches Quartier bezieht, auf dessen Gelände gefechtsbereite militärische Einheiten des Bundesgrenzschutzes operieren. Das militärische Aufgebot entspricht dem Sinn und dem Inhalt der Veranstaltung, die hier abläuft und ablaufen soll, und die zu Unrecht als ordentliches Gerichtsverfahren ausgegeben wird. Mit anderen Worten, hier findet keine justizielle, sondern eine militärisch-politische Auseinandersetzung statt. Das was Prozeß genannt wird, ist in Wahrheit ein Propagandainstrument, mit einer bestimmten politisch-militärischen Zielsetzung. Beweis dafür, ist nicht nur der militärische Aufmarsch. Beweis sind auch die juristisch-prozessualen Bedingungen, die für dieses Verfahren geschaffen worden sind. Das juristische Terrain ist so gründlich umgepflügt worden, daß von den Fassaden des Rechtsstaates nur noch klägliche Ruinen übrig geblieben sind. Welche Minimalbedingungen müßten eingehalten werden, wenn von einem rechtsstaatlichen Strafprozeß gesprochen werden sollte. Im[ggg] [2246] größten Kommentar zur Deutschen Strafprozeßordnung Löwe-Rosenberg-Schäfer, 22. Auflage, in der Einleitung Kapitel 5. Abs. 2 heißt es: „Auch der schwerster Straftaten Beschuldigte und dringlich Verdächtige hat Anspruch auf ein faires, gesetzmäßiges Verfahren. Bei jedem Angeklagten wird bis zum gesetzmäßigen Nachweis seiner Schuld vermutet, daß er unschuldig ist. Keinerlei Ausnahmen sind zulässig. In keinem Fall heiligt der Zweck die Mittel.“ In keinem Fall heiligt der Zweck die Mittel. Das Strafverfahren in seiner heutigen Gestalt ist dadurch gekennzeichnet, daß über Schuld und Strafe nur das unabhängige, örtlich und sachlich zuständige, von vornherein nach abstrakten Merkmalen berufene Gericht durch gesetzliche Richter, der gesetzliche Richter in einem vorgeschriebenen Verfahrensgang entscheidet, in dem die Befugnisse der staatlichen Organe begrenzt, die Rechte des Beschuldigten aber durch feste, durch feste Vorschriften gewährleistet sind. In Art. 6 der Menschenrechtskonvention, die geltendes Recht der Bundesrepublik Deutschland, sind die Minimalbedingungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens unter anderem wie folgt festgelegt worden. Ich zitiere: „Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessen Frist gehört wird und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Jeder Angeklagte hat mindestens die folgenden Rechte unter anderem: Über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen, sich selbst zu Verteidigern, oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten“.

- Reg. Dir. Widera verläßt um 15.53 Uhr den Sitzungssaal. -

Für die Angeklagten dieses Verfahrens ist Art. 6 der Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt worden. Gegen sie wird Ausnahmerecht geschaffen und praktiziert. Die Unschuldsvermutung ist unter Einsatz aller verfügbaren propagandistischen Mittel systematisch seitens der Staatsschutzbehörden, in einem über mehr als 3 Jahre geführten Feldzug der psychologischen Kriegsführung zerstört worden und das in dem Art. 6 der [2247] Menschenrechtskonvention enthalten der in dem Artikel, der in dem Art. 6 der Menschenrechtskonvention enthaltene Grundsatz des fair trial, immanente Prinzip der Waffengleichheit von Anklage und Verteidigung ist ausradiert. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Stuttgart Dr. Prinzing hat seinerzeit in einem privaten Gespräch mit dem englischen Theologen Paul Oestereicher zugegeben, daß ein faires Verfahren gegen die Angeklagten nicht mehr möglich sei und ein amerikanischer Richter sie freisetzen müßte. Auf einen Beweisantrag, der dazu zu stellen wird, wird Bezug genommen, ich werde den im Anschluß an die Verlesung dieses Antrages ebenfalls bekanntgeben. Die Angeklagten sind längst zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt, nachdem sie über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren einem massiven und sich immer mehr steigernden propagandistischen Trommelfeuer in einem Großteil der Massenmedien ausgesetzt waren. Die Propagandakampagne erreichte ihren ersten Höhepunkt mit einer Fahndungsaktion ungeheuren Ausmaßes. Schon damals wurden die Angeklagten als Staatsfeind Nr. 1 ausgerufen. Nach ihrer Inhaftierung im Jahre 1972 wurde die Propaganda in den Massenmedien in unverminderter Heftigkeit fortgeführt, und in den folgenden Jahren mit dem Näherrücken des Prozeßtermins ins Maßlose gesteigert. Mit welcher Zielrichtung diese Propaganda geführt wird, läßt am deutlichsten ein Zitat aus der Zeitung „Die Welt“ Ausgabe vom 13.3.75 erkennen. Dort hieß es in einem Artikel: „Verantwortungslos und unintelligent ist jede vermenschlichende Darstellung der Terroristen“. Vermenschlichende Darstellung der Terroristen. Also „Die Welt“ sagt, wer diese Terroristen „Als Menschen“ darstellt oder auch nur vermenschlichend, der handelt erstens unintelligent und verantwortungslos.

Herr Vorsitzender, ich sehe, es ist 16.00 Uhr, ich weiß nicht ... Ich darf Ihnen sagen, ich habe hier in der Tat zwei Stunden hier vorzutragen, es kann sogar noch ein bißchen länger dauern. Ich würde es an sich begrüßen, wenn wir zu der normalen Zeit heute uns die Sitzung beenden würden.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Frage der Verhandlungsfähigkeit stellt sich aber bei Ihnen nicht.

[2248] RA Sch[ily]:

Nein, das habe ich nicht gesagt.

Vors.:

Dann darf ich vielleicht vorschlagen, da wir heute doch viel Zeit verloren haben, daß wir noch ein bißchen fortsetzen.

RA Sch[ily]:

Welche Zeit haben wir verloren?

Vors.:

Wir haben um 11.00 Uhr angefangen heute, wir haben dazwischenrein Beratungspausen einlegen müssen. Sie werden es sicherlich nicht so wie sonst ausgedeutet haben als Prozeßstrafe empfinden, wenn ich sage, wir müssen etwas von der verlorenen Zeit einholen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, es ist nun das Problem, Sie wissen, daß in der Tat auch eine Rolle spielt, in welchem Zusammenhang solch einen Antrag gestellt wird und auch dem Gericht zur Kenntnis kommt. Sie selber haben ja gesagt, das ist etwas schwer, alles auf einmal in einem früheren Prozeßstadium das[hhh] alles auf einmal aufzufassen. Es müßte schon irgendwie eine Unterbrechung vielleicht an einem Punkt sein, wo es also ein bißchen organisch ... wie lange wollen Sie denn heute verhandeln?

Vors.:

Ich denke etwa, unverbindlich bis 16.30 Uhr.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender erlauben Sie noch eine kleine Korrektur. Das richtet sich auch im Interesse von Herrn Zeis. Sie sagen, wir haben um 11.00 Uhr angefangen. Verhandlungsbeginn war für 10.30 Uhr festgesetzt. Die Angeklagten und die Verteidiger haben sich dementsprechend für 10.30 Uhr hier bereit gehalten.

Vors.:

Auch das sind 1 ½ Stunden Verlust. Wenn wir also dafür eine ½ Stunde, Herr Rechtsanwalt, jetzt anhängen, ist es wohl ein Gewinn und ich würde vorschlagen, wir werden vielleicht Herrn Rechtsanwalt Schily Gelegenheit geben, [2249] jetzt gleich zu überblicken, wo die richtige Zäsur seines Vortrags ist, also es sollte ausgerichtet werden auf 16.30 Uhr. Wenn wir natürlich jetzt durch Reden noch viel Zeit verlieren, dann kann es sich nochmal verzögern.

RA Sch[ily]:

Ja, ich meine, daß an sich hier vielleicht in der Tat, wissen Sie weil, weil ... ich komme in die unglückliche Lage, ich sage es Ihnen ganz ehrlich. Ich komme in die unglückliche Lage, daß ich morgen womöglich einiges nochmal wiederholen muß um den Gesamtzusammenhang herzustellen. Hier wäre vielleicht jetzt eine Zäsur möglich an diesem Punkt. Ich komme also in diese Lage, ich meine, wenn Sie das ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, für wen wollen Sie wiederholen?

RA Sch[ily]:

Für das Gericht und in der Tat auch für mich, um den Zusammenhang wieder richtig einzutreten. Das ist doch selbstverständlich.

Vors.:

Sie haben sich vorhin auf mein von Ihnen vermutetes gutes Gedächtnis berufen. Ich darf Ihnen versichern, das ist bei den übrigen Prozeßbeteiligten auch zu unterstellen. Wir wissen morgen früh, um was es geht und um was es gegangen ist.

RA Sch[ily]:

Ich will Ihnen das nur sagen. Ich meine, es kommt eventuell dann zustande, daß diese Notwendigkeit besteht. Ich meine, Sie haben die Verhandlungsleitung. Ich kann Sie nicht daran hindern jetzt zu sagen, wir verhandeln bis 16.30 Uhr. Aber ich mache Sie ... nicht nur die Schwierigkeit sehe ich und sehe an sich nicht den Gewinn. Wissen Sie.

Es wäre mir ehrlich lieber, dann morgen irgendwo eine Viertelstunde ranzuhängen.

Vors.:

Ich darf aber dazu sagen, natürlich habe ich durch die Verhandlungsleitung auch die Aufgabe, notfalls unnötige Wiederholungen zu verhindern. Das könnte ja dann morgen früh auch [2250] passieren.

RA Sch[ily]:

Sicherlich, die[iii] unnötigen, ob die dann unnötig sind oder nötig, gäbe es dann wiederum eine Auseinandersetzung. Das wäre doch vielleicht nützlich, das zu vermeiden nicht.

Vors.:

Also wir richten uns etwa auf die Zeit 16.30 Uhr ein. Ich bitte die Zeit bis dahin auszunutzen zum weiteren Vortrag.

RA Sch[ily]:

Also ich darf daran nochmal anknüpfen, „Die Welt“ sagt: „Eine vermenschlichende Darstellung der Terroristen ist unintelligent und verantwortungslos“. Und das liegt etwa auf der gleichen Ebene, wie etwa eine Meinung die in dem sogenannten Offensivkonzept der CDU/CSU, die im Juli dieses Jahres bekannt geworden ist, zu finden ist, indem es unter anderem heißt: „Es kann kein Verständnis finden, wenn Massenmedien bei der kritischen Berichterstattung über Maßnahmen der Sicherheitsorgane gegen Gewalttäter, Sympathien für die Terroristen zu wecken versuchen. Straftaten anarchistischer Terroristen sind kriminelles Unrecht. Massenmedien verletzen ihre Verpflichtung zur objektiven Information, wenn sie das anders darstellen“. Und die „Frankfurter Allgemeine“ hat eigentlich die richtige Analyse dazu gefunden, wenn Sie einen Artikel im Juni 74 auf der 1. Seite abgedruckt hat mit der Überschrift: „Wer beherrscht die Sprache?“ Was steckt in dieser Frage. In dieser Frage steckt die richtige Auffassung, daß die Beherrschung der Sprache dasjenige ist, was hier angestrebt wird, daß es eine Machtfrage ist, die hier so als Machtfrage auch aufgefaßt worden ist. wobei die „Frankfurter Allgemeine“ im konkreten Fall der Meinung war, unter anderem, daß die Bezeichnung allein schon wie man einen Beschuldigten oder einen Untersuchungsgefangenen bezeichnet, daß das schon etwas mit der Beherrschung der Sprache zu tun hat.

-Reg. Dir. Widera kommt um 16.06 Uhr wieder in den Sitzungssaal.-

Die auf Vorausverurteilung und Herstellung eines Feindbildes abzielende Kampagne in einem Großteil der Massenmedien wurde von den Staatsschutzbehörden nicht nur unterstützt, sondern direkt oder indirekt gesteuert. So hieß es in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Ausgabe vom 22. Februar 1975, auf Seite 43[jjj]: „Generalbundesanwalt Buback bekannte sich zu einer offensiven Information der Öffentlichkeit über die Baader-Mein- [2251] hof-Bande. Es komme allerdings darauf an, wie, wann und welche Informationen weitergegeben würden.“ Eine offensive Information. Und auf der gleichen Linie etwa Innenminister Schwarz, der auf dem Hessenforum einer Podiumsdiskussion, die Auffassung vertreten hatte, daß die totale, die totale Offensive der staatlichen Möglichkeiten, der polizeilichen Möglichkeiten im Sinne einer Aufklärung - der Bevölkerung - notwendig sei. Und angesichts dieser offensiven Information und angesichts dieser totalen offensive Aufklärungsoffensive von Herrn Schwarz waren eigentlich die Befürchtungen von Herrn Walden, die er in der Welt vom 27. April 1975 geäußert hat, daß da eine Lücke eigentlich bestehe im Gesetz, völlig unangebracht. Herr Walden hatte seinerzeit vermißt ein Gesetz, so hieß es hier: Noch fehlt ein Gesetz, das die geistige Vorbereitung und Begünstigung des Terrorismus unter Strafe stellt. Er sagt, die ideelle Gesundung ist keine geringere Aufgabe, als die der materiellen Sicherheit. Also der Geist, soll unter Strafe gestellt werden. Das ist aber, wie gesagt, überflüssig, denn hier gibt es ja andere Mittel und Mechanismen, um die Machtfrage im Sinne einer bestimmten Überlegung zu lösen. Um dieser offensiven, breit angelegten, psychologischen Kriegsführung zu der angestrebten nachhaltigen Wirkung zu verhelfen, war es notwendig, die Untersuchungshaft der Angeklagten, die nunmehr 3 Jahre andauert, möglichst auszudehnen, zumal in der Bevölkerung offenbar nicht unbeträchtliche Widerstände auftraten. So erklärte Bundesinnenminister Vogel in der Fernsehsendung „Baader-Meinhof, wie groß ist die Gefahr?“ Ich zitiere: „Das ist ein bedenkliches Zeichen, daß in der Öffentlichkeit immer noch keine einheitliche Auffassung über den Baader-Meinhof-Komplex erzielt werden konnte“. Also, was Herr Vogel vermißt, ist die Vereinheitlichung der Auffassung der Bevölkerung über den Baader-Meinhof-Komplex. Bestandteil der psychologischen Kriegsführung, durch die der Haß gegen die Angeklagten aufs Äußerste geschürt werden sollte, waren in regelmäßigen Abständen wiederkehrende, von Staatsschutzbehörden oder Geheimdiensten entweder mittelbar oder unmittelbar lancierte[kkk] Falschmeldungen über gegen die Bevölkerung gerichtete Drohungen und Gewaltaktionen, die im Zusammen- [2252] hang mit der Roten-Armee-Fraktion gebracht wurden. Beispiele, ein Beispiel dafür ist die sogenannte Stuttgarter Bombendrohung im Mai 1972.[50] In der Presse wurde damals unter anderem wie folgt darüber berichtet: „Nach spannungsvollen 60 Minuten atmeten die Bürger der Landeshauptstadt Stuttgart am Freitag um 14.00 Uhr erleichtert auf. Die Terroristen, die den Namen Rote-Armee-Fraktion führten, hatten ihre Bombendrohung nicht verwirklicht. Noch am Nachmittag bedachten Oberbürgermeister Klett, Ministerpräsident Filbinger und Innenminister Krause die Bürger Stuttgarts mit ausholendem Lob. Die allgemeine Besonnenheit der Einwohner, die sich in keine Panik jagen ließen, habe wesentlich dazu beigetragen, daß das Ziel der Terroristen, eine ganze Stadt durcheinanderzubringen, nicht erreicht wurde. Filbinger meinte, es sei sehr wohl möglich, daß die Haltung und Wachsamkeit der Bürger im Verein mit den vorbildlichen Sicherheitsvorkehrungen der Polizei im Effekt die Anschläge verhindert hätten. Die Stuttgarter Schutzpolizei verstärkt durch Bereitschaftspolizei aus Göppingen zusammen mehr als 2000 Mann, hätten am frühen Freitagmorgen vor und in öffentlichen Gebäuden, vor Ministerien und beim Landtag, Posten bezogen. 200 Kriminalbeamte in Zivil gesellten sich dazu. Auf allen Zufahrtsstraßen in dem Talkessel Stuttgart gab es strenge Kontrollen. In den Straßen und an jeder wichtigen Kreuzung patrouillierten Polizisten“. Ende des Zitats über diesen Bericht über den Tag in Stuttgart. Was war dem vorausgegangen. Eine aus zusammengeklebten Buchstaben hergestellte, hergestelltes Schriftstück wurde am 30.5.72 von München aus an die Deutsche Presseagentur in Hamburg übersandt. Ich verweise auf Band 88 Blatt 388 der Gerichtsakten. Nach einem Pressebericht vom 29. Mai 1972 ist dieselbe Bombendrohung, das war in diesem zusammengeklebten Schriftstück enthalten, Bombendrohung der Stuttgarter Zeitung per Eilbrief am Sonntag den 28. Mai 1972 zugegangen und wurde am gleichen Abend im Deutschen Fernsehen als ernstzunehmende Bombendrohung der RAF in den Nachrichten mitgeteilt. Mit Schreiben vom 29. Mai 1972, das der Redaktion unter anderem der Frankfurter Rundschau, der Deutschen Presseagentur in Hamburg, in München, im Spiegel und Sternredaktion in Hamburg und dem Büro der Agentur Reuter in [2253] Bonn zuging wurde seitens der Roten-Armee-Fraktion mitgeteilt, daß diese Bombendrohung gefälscht sei und nicht von der Roten-Armee-Fraktion stamme. Dieser Brief der Roten-Armee-Fraktion hatte folgenden Wortlaut: „Die beiden aus Buchstaben zusammengestückelten Bombendrohungen für den 2. Juni, für nächsten Freitag in Stuttgart stammen nicht von der Roten-Armee-Fraktion. Die echten Erklärungen der Kommandos der Stadtguerilla sind in ihrem Inhalt und ihren Formulierungen nach bei einem Vergleich mit anderen Veröffentlichungen der Roten-Armee-Fraktion leicht als authentisch zu identifizieren. Sie sind auf Schreibmaschinen geschrieben worden, die die Bullen - das ist der Ausdruck - hier schon kennen. Die falschen Erklärungen stammen ihrem Inhalt, ihrer Absicht, ihrem Geist, ihrer Machart nach eher von den Bullen selber. Das wissen sie, das wissen die Springerjournalisten die sie vorbehaltlos publiziert haben. Das wissen Filbinger, Krause und Klett. Die treffen ihre vorsorglichen Maßnahmen nur zum Schein, um neue Polizeiaktionen vorzubereiten, um den Nervenkrieg auf die Spitze zu treiben. Weil die Fahndungsbehörden bei der Bevölkerung keine Resonanz finden, greifen sie jetzt zum Mittel faschistischer Provokation. Man muß ihnen zutrauen, daß, wenn sie bis Freitag keine Fahndungserfolge haben, sie die Verbrechen, die sie angekündigt haben, auch durchführen werden.“ Soweit ein Auszug aus diesem Schreiben. Dieses Schreiben wurde noch am Tage des Einganges von den Sachverständigen des Bundeskriminalamtes für echt erkannt. Notfalls mag das durch Anhörung von Beamten des Bundeskriminalamtes nachgeprüft werden. Obwohl auf diese Weise dem Bundeskriminalamt, dem Bundesinnenministerium, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesanwaltschaft, den verantwortlichen Stuttgarter Polizeidienststellen, dem damaligen Stuttgarter Oberbürgermeister Dr. Klett, sowie den übrigen verantwortlichen Politikern des Landes Baaden-Württemberg bekannt geworden war, daß die Bombendrohung auf Stuttgart nicht von der Roten-Armee-Fraktion stammte, wurde in der Öffentlichkeit der Eindruck aufrechterhalten, daß der Autor dieser Bombendrohung die Rote-Armee-Fraktion sei. Die, das Dementi, wenn Sie so wollen, der Roten-Armee-Fraktion wurde nur entweder überhaupt [2254] nicht oder nur in versteckter Form und auszugsweise am Rande erwähnt, und es wurde nicht bekanntgegeben, daß Sachverständige des Bundeskriminalamtes diesen Brief mit dem Dementi ohne jeden Zweifel für echt hielten. Und das kehrt ja dann auch in den Berichten über die Ereignisse am 2. Juni 1972 wieder. Und ich darf nochmals zitieren bei einem anderen Bericht der Stuttgarter Nachrichten vom 3. Juni 1972: „Die Polizei hatte zwei Sperringe um die Stadt gelegt.

Im ersten Ring kontrollierte sie die von der[lll] Autobahn abfahrenden Wagen und die auf den Landesstraßen sich der Stadt nähernden Autos. Der zweite Sperrgürtel wurde rund um die Innenstadt gelegt. Am äußeren Sperrgürtel wurden tausende von Autos, vor allem schnelle Wagen vom Typ Alfa Romeo, BMW, Opel Commodore, Volvo und andere gründlich überprüft. In der Innenstadt wurde jedes Fahrzeug, das geparkt wurde, sofort untersucht. 120 Streifenwagen der Schutzpolizei, 50 Fahrzeuge der Kriminalpolizei und die beiden Hubschrauber der Landespolizei garantierten eine mobile Fahndung. Zusätzlich wurden auf dem Cannstatter Wasen zwei Helikopter des Bundesgrenzschutzes stationiert. Insgesamt waren 2000 Mann der uniformierten Stuttgarter Polizei, die 200 Kriminalbeamten der Stadt, sowie Bereitschaftspolizei aus Göppingen zum Objektschutz eingesetzt“. Ende des Zitats aus den Stuttgarter Nachrichten. Und wiederum, wie weit die Nachwirkung einer solchen Aktion geht, das können sie illustrieren an einem Prozeßvorbericht zu diesem Stammheimer Verfahren in den Stuttgarter Nachrichten vom 15. Mai 1975, also 6 Tage vor Prozeßbeginn. Da heißt es: Bereits einen Tag nach der Verhaftung von Andreas Baader hält die Großstadt Stuttgart zwischen 13. und 14.00 Uhr den Atem an. Die Stadt ist gelähmt von der Bombendrohung einer RAF Baden-Württemberg. Politiker appellieren an die Bevölkerung, Ruhe zu bewahren. Die Polizei kontrolliert in der hermetisch abgesperrten Stadt über 20.000 Autos und verfolgt über 600 Hinweise. Kritische Minuten, als 3 verdächtige Fahrzeuge die Stadtgrenze erreichen. Doch es ist Fehlalarm, die Terroristen [2255] machen ihre Drohung nicht wahr. Wenig später warnte Horst Herold, der Chef des Bundeskriminalamtes, vor Löchern in dem jetzt dichten Sicherheitsnetz der Bundesrepublik, es ist noch kein Grund zur Entwarnung. Also noch 3 Jahre nach diesem Ereignis, in den Stuttgarter Nachrichten, in einem Prozeßvorbericht zu diesem Stammheimer Verfahren, diese nachhaltig auf die Bevölkerung mit Sicherheit einen massiven Eindruck hinterlassenden Ereignis wird darauf noch einmal wieder Bezug genommen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt sobald Sie jetzt die richtige Zäsur gefunden zu haben glauben, könnten Sie sagen, wir sind jetzt in der Zeit, die wir an sich ...

RA Sch[ily]:

Dann würde ich sagen, schließen wir vielleicht an diesem Punkte ab.

Vors.:

Dann darf ich darauf hinweisen. Wir sind also einig darüber, daß Sie den Stuttgarter, das heißt die Stuttgarter Bombendrohung hier behandelt haben und die Wirkungen, die diese Drohung gehabt hat. So daß wir morgen den Zusammenhang hier nicht mehr extra herstellen müssen.

RA Sch[ily]:

Na ja mit einem Satz vielleicht, wenn Sie gestatten ...

Vors.:

Das ist selbstverständlich.

RA Sch[ily]:

... und dann habe ich den richtigen Einstieg wieder.

Vors.:

Gut dann setzen wir morgen früh um 9.00 Uhr die Verhandlung fort.

Ende 16.26 Uhr.

Ende Band 109.


[1] Die Angeklagten wurden während des vorigen Verhandlungstages wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO von dieser ausgeschlossen. Nach §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO sind die Angeklagten bei ihrer Rückkehr von dem wesentlichen Inhalt dessen, was in ihrer Abwesenheit verhandelt wurde, zu unterrichten.

[2] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[3] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden., was auch für die hier aufgezählten Verteidiger/innen geschehen war.

[4] Die Bundesanwaltschaft beantragte am 26. Verhandlungstag, die Bestellung der genannten Pflichtverteidiger/innen wegen pflichtwidrigen Verhaltens zurückzunehmen (S. 2138 des Protokolls der Hauptverhandlung). Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) war zwar ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, dass demnächst ein/e andere/r Verteidiger/in gewählt wird und diese/r die Wahl annimmt (§ 143 StPO a.F.; heute: § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO). Überwiegend wurde aber angenommen, dass die Zurücknahme der Bestellung auch über diesen Fall hinaus aus einem wichtigen Grund zulässig ist (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 244). Als wichtiger Grund wurde auch die grobe Pflichtverletzung nach voriger Abmahnung gesehen; bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s. auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter fällt nun auch der Fall der groben Pflichtverletzung (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).

[5] Die Beiordnung dient dem öffentlichen Interesse, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242). Über die Gewichtung der Interessen, denen der Beschuldigten und dem Interesse an der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, gab es im Prozess häufige Auseinandersetzung, so etwa am 26. Verhandlungstag (2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie am 41. Verhandlungstag (S. 3176 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[6] Mit der Bestellung als Pflichtverteidiger/in gehen besondere Pflichten einher. Darunter fällt grundsätzlich auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).

[7] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[8] Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Nach umfangreichen und teils heftigen Auseinandersetzungen beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten. Die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder gaben in einem am 21. Verhandlungstag eingereichten Zwischenbescheid an, ihrem Eindruck nach sei die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für die nächsten zwei bis drei Wochen zu bejahen. Eine abschließende Beurteilung stehe noch aus, sei aber vor dem anstehenden Urlaub beider Gutachter nicht mehr zu realisieren (Anlage 3 zum Protokoll vom 30.7.1975, 21. Verhandlungstag, S. 1710 des Protokolls der Hauptverhandlung). Da diese drei Wochen nach Auffassung der Verteidigung am vorigen Verhandlungstag bereits abgelaufen waren, erklärten die Verteidiger/innen, bis zur endgültigen Klärung der Verhandlungsfähigkeit nicht mehr verteidigen zu können und verließen geschlossen den Sitzungssaal (S. 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag).

[9] Den Angeklagten wurden je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht als Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet. Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch sie auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger vehement ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[10] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen.“.

[11] Prof. Dr. Mende wurde als Sachverständiger bestellt, um die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus psychiatrischer Sicht zu begutachten. Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragte bereits am 19. Verhandlungstag die Neubestellung der psychiatrischen Sachverständigen, zu denen neben Prof. Dr. Mende auch Prof. Dr. Ehrhardt zählte (S. 1505 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da das Gericht an der Bestellung beider Gutachter festhielt, lehnte Dr. Heldmann sie am 31. Verhandlungstag ab (S. 2548 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die ergänzende Begründung der Angeklagten dauerte vier Tage (vom 32. bis zum 35. Verhandlungstag, S. 2594 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Das Gericht wies die Ablehnungen schließlich am 35. Verhandlungstag zurück (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[12] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[13] Von September 1974 bis Februar 1975 führten insgesamt 40 Gefangene, darunter die Angeklagten, den insgesamt dritten und längsten Hungerstreik durch, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren, die sie als Isolationsfolter bezeichneten (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117; die Hungerstreikerklärung ist abgedruckt in Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD, Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, S. 14 ff.; s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.).

[14] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag).

[15] Gemeint ist wohl § 43 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der die allgemeine Berufspflicht von Rechtsanwält/innen beinhaltet: „Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufs der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen.“

[16] § 49 BRAO beinhaltet Regelungen zur Pflichtverteidigung. § 49 Abs. 1 BRAO a.F. lautete: „Der Rechtsanwalt muß eine Verteidigung übernehmen, wenn er nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung oder des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zum Verteidiger (heute: oder des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen oder des IStGH-Gesetzes zum Verteidiger oder Beistand) bestellt ist.“

[17] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[18] In Rechtsprechung und Literatur ist weitestgehend anerkannt, dass Verfahrensfehler nur dann erfolgreich im Rahmen einer Revision gerügt werden können, wenn sie - soweit es sich um eine Anordnung des/der Vorsitzenden handelt - zuvor durch den/die Beschwerdeführer/in nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet worden sind (Schneider, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 238 Rn. 29; Schneider, NStZ 2019, S. 324, 327). Auch für sonstige Verfahrensrügen hat sich in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt, dass eine Verfahrensrüge durch Rügeverzicht, Verwirkung oder arglistiges Verhalten unzulässig werden kann (Dahs, Die Revision im Strafprozess, 9. Aufl. 2017, Rn. 408 ff.).

[19] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 - Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166).

[20] § 240 Abs. 2 StPO verpflichtet das Gericht, der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten, der Verteidigung, sowie etwaigen Schöffen auf Verlangen zu gestatten, Fragen an Zeug/innen, Sachverständige und Angeklagte zu stellen. Aus § 240 StPO ergibt sich hingegen nicht die unmittelbare Pflicht, Sachverständige und Zeug/innen auch zu laden. Zwar normiert § 250 StPO für Zeug/innen und Sachverständige den Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundenbeweis; diese Vorschrift gilt allerdings nur für den Strengbeweis, nicht im hier anzuwendenden Freibeweisverfahren (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 244 Rn. 6 f.).

[21] Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in § 261 StPO geregelt: „Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.“ Da die Überzeugung aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpft werden muss, sind Wahrnehmungen und Erkenntnisse des Gerichts, die es außerhalb der Hauptverhandlung gewonnen hat, nicht verwertbar, wenn sie nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingebracht werden (Miebach, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 261 Rn. 7 f.). Welche Anforderungen an das Einbringen in die Hauptverhandlung gestellt werden, ist aber wiederum davon abhängig, ob die Tatsachen im Streng- oder im Freibeweisverfahren zu ermitteln sind. So gilt im Freibeweis weder der Unmittelbarkeitsgrundsatz, noch das Prinzip der Mündlichkeit (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 16).

[22] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG, als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 95). Er ist zudem einfachgesetzlich in § 33 Abs. 1 StPO normiert: „Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.“

[23] Zu diesem Zeitpunkt hatte die Verteidigung bereits - erfolglos - mehr als zehn Ablehnungen wegen Besorgnis der Befangenheit gegen Mitglieder des Senats vorgebracht (s. die Bemerkung des OStA Zeis zum „10. sog. Jubiläumsantrag“ am 23. Verhandlungstag, S. 1852 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[24] Verbundene Verfahren können nach § 4 Abs. 1 Var. 1 StPO auch nach Eröffnung der Hauptverhandlung auf Antrag oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluss getrennt werden, wenn dies zweckmäßig ist (vgl. § 2 Abs. 2 StPO). Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich im Hinblick auf eine/n Mitangeklagte/n besondere Verfahrensverzögerungen ergeben.

[25] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Wollten die Angeklagten die Hauptverhandlung verlassen, etwa weil sie angaben, verhandlungsunfähig zu sein, ergab sich häufig die Situation, dass sie so lange die Verhandlung störten, bis sie schließlich wegen ordnungswidrigen Benehmens nach § 177 GVG i.V.m. § 231b StPO ausgeschlossen wurden. Da der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel nach den ersten Störungen weiter auf ihrer Anwesenheit beharrte, steigerten sich die Störungen oftmals bis zu Beleidigungen des Vorsitzenden, so auch am vorigen Verhandlungstag (S. 2135 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. insbesondere auch die Auseinandersetzung zwischen dem Vorsitzenden Dr. Prinzing und Andreas Baader, der schließlich äußerte: „Naja, ich weise Sie darauf hin, Prinzing, daß Sie mich jetzt ausschließen werden, sonst sehe ich mich gezwungen, Sie zu beschimpfen, so wirklich lapidar das ist. [...] Ja wollen Sie es unbedingt hören? Also Sie können das hören, Sie können das in verschiedener Form haben. [...] Naja, Sie können auch von mir hören, daß Sie ein faschistisches Arschloch sind“, S. 2151 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu dieser Vorgehensweise auch die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 28. Verhandlungstag, S. 2260 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[26] Die getrennte Vorführung ergab sich daraus, dass die Angeklagten zwar zuvor wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden waren (s. bereits Fn. 1), dieser Ausschluss aber jeweils für den Zeitpunkt der Vernehmung zur Person aufgehoben wurde. Dies begründete der Vorsitzende Dr. Prinzing mit dem überragenden Interesse des rechtlichen Gehörs in dieser Prozessphase (S. 2139 des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag). Da dies nur für den Zeitpunkt der jeweils eigenen Vernehmung zur Person angenommen wurde, nicht aber für die Vernehmung der Mitangeklagten, fand eine Verfahrenstrennung nicht statt.

[27] Eine Gegenvorstellung richtet sich stets gegen eine Entscheidung, s. Fn. 17.

[28] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[29] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO).

[30] S. hierzu die durch Rechtsanwalt Dr. Heldmann am 31. Verhandlungstag vorgetragene Ablehnung, sowie die ergänzenden Begründungen der Angeklagten vom 32. bis zum 35. Verhandlungstag (ab S. 2594 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[31] Das Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“) ist in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt. Es findet Anwendung zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, und zeichnet sich u.a. durch eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel (Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, Urkundenbeweis und Inaugenscheinnahme) aus. Die Tatsachen müssen zudem Eingang in die Hauptverhandlung gefunden haben (§ 261 StPO) und grundsätzlich mündlich vorgetragen und erörtert worden sein (sog. Mündlichkeitsprinzip, s. dazu Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 7). Das Prinzip der Mündlichkeit findet im Freibeweis keine Anwendung (s. bereits Fn. 21).

[32] Da zum Zeitpunkt des Todes von Holger Meins der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar für seinen Tod verantwortlich. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[33] Die Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache für den Vollzug der Untersuchungshaft besteht ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 126 Abs. 2 StPO).

[34] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.). Bereits mit Verfügung vom 3. Februar 1975 hatte der Vorsitzende Dr. Prinzing ihre Beiordnung als Pflichtverteidiger von Andreas Baader aufgehoben, da nicht auszuschließen sei, „daß sie von den Bestimmungen über den Ausschluß von Verteidigern im Strafverfahren betroffen werden könnten“ (s. dazu S. 235 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).

[35] Dort heißt es: „Freibeweis bedeutet nicht Beweis nach Gutdünken [...]. Die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, die aus der Verpflichtung zu einem rechtsstaatlichen und ‚fairen‘ Prozess erwachsen, gelten auch hier, wie etwa das Fragerecht nach § 240“(Gollwitzer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 22. Aufl. 1973, § 244 Anm. II.2).

[36] Der Unmittelbarkeitsgrundsatz findet seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO, wonach das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Der materielle Unmittelbarkeitsgrundsatz - der unbedingte Vorrang des weniger mittelbaren Beweismittels - ist in der StPO hingegen nicht uneingeschränkt vorgesehen. Lediglich einzelne Vorschriften greifen diese Vorgabe auf. So normiert § 250 Satz 2 StPO für Zeug/innen und Sachverständige den Vorrang des Personalbeweises vor dem Sachbeweis. Diese Vorschrift, wie auch der Unmittelbarkeitsgrundsatz insgesamt, gilt allerdings nur für den Strengbeweis (s. bereits Fn. 20, 21).

[37] Auch das Mündlichkeitsprinzip findet im Freibeweis keine Anwendung (Fn. 21, 31).

[38] BVerfG, Beschl. v. 4.11.1971 - Az.: 2 BvR 767/70, BVerfGE 32, S. 195, 197.

[39] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Nachdem aufgrund vorrangiger Anträge erst am 26. Verhandlungstag die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklageschrift (in Abwesenheit der Angeklagten) erfolgten, steht nun als nächstes Stadium die Vernehmung der Angeklagten zur Sache an.

[40] Art. 103 Abs. 1 GG enthält den Anspruch auf rechtliches Gehör.

[41] Die Entscheidung, einen Antrag anzunehmen, ist Bestandteil der Verhandlungsleitung, welche durch den/die Vorsitzende/n ausgeübt wird (§ 238 Abs. 1 StPO). Es besteht aber keine Verpflichtung, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Prozessbeteiligte, die einen Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stellen, können daher auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 10.6.2014 - Az.: 3 StR 57/14, NStZ 2014, S. 668, 670; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 238 Rn. 5).

[42] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Neben der Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten im Falle ordnungswidrigen Verhaltens (§ 177 GVG i.V.m. § 231b StPO) gibt es in der ersten Instanz allerdings weitere Ausnahmen: § 231 Abs. 2 StPO ermöglicht eine Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten, wenn sie über die Anklage bereits vernommen worden sind, trotz Hinweises in der Ladung auf der Möglichkeit der Verhandlung in Abwesenheit eigenmächtig der Hauptverhandlung fernbleiben und das Gericht die Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. Werden nur geringe Strafen erwartet, kann unter bestimmten Voraussetzungen nach § 232 StPO in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt werden, oder sie können nach § 233 StPO auf Antrag vom Erscheinen entbunden werden. Schließlich ist nach § 231a StPO unter bestimmten Voraussetzungen die Verhandlung in Abwesenheit gegen verhandlungsunfähige Angeklagte möglich, die sich selbst vorsätzlich und schuldhaft in diesen Zustand versetzt haben.

[43] Gerichtsverfassungsgesetz.

[44] Nach § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem/der Vorsitzenden. Leisten Personen einer entsprechenden Anordnung nicht Folge, ermöglicht § 177 GVG die Entfernung aus dem Sitzungszimmer sowie die Anordnung von Ordnungshaft. Nach § 178 GVG kann bei ungebührlichem Verhalten ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Eine Beschwerde ist gem. § 181 GVG nur gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen nach §§ 178, 180 GVG (Ordnungseld und Ordnungshaft, sowie Maßnahmen außerhalb der Hauptverhandlung) zulässig, nicht aber bei einem Ausschluss nach § 177 GVG (s. bereits Schäfer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 3, 22. Aufl. 1974, § 177 GVG Anm. 9).

[45] Zwar ist es richtig, dass die Entscheidung über die Entfernung aus dem Sitzungszimmer (§ 177 GVG) in manchen Fällen von dem/der Vorsitzenden, in anderen vom Gericht zu treffen ist (entscheidend ist, gegen wen die Anordnung ergehen soll: Handelt es sich um Prozessbeteiligte, ist das Gericht zuständig, bei allen anderen Personen der/die Vorsitzende, § 177 Satz 2 GVG). Die Möglichkeit der Beschwerde hängt nicht damit zusammen, wer für die Entscheidung zuständig war, sondern auf welcher Grundlage die Anordnung erging. Für Ausschließungen nach § 177 GVG kommt eine Beschwerde nicht in Betracht (Fn. 44). Die Frage, ob bei einer Entscheidung durch den/die Vorsitzende die Möglichkeit der Beanstandung als sachleitungsbezogene Anordnung nach § 238 Abs. 2 StPO bestanden hätte, wäre zum damaligen Zeitpunkt wohl noch verneint worden (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1957 - Az.: 1 StR 375/56, BGHSt 10, S. 202, 207; Schäfer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 3, 22. Aufl. 1974, § 176 GVG Anm. 2 c; heute wird eine solche Maßnahme zumindest dann der Sachleitung zugeordnet, wenn der Grundsatz der Öffentlichkeit berührt ist, oder Prozessbeteiligte in ihren Verfahrensrechten beeinträchtigt werden (BGH, Beschl. v. 29.5.2008 - Az.: 4 StR 46/08, NStZ 2008, S. 582, Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 238 Rn. 21; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 238 Rn. 13).

[46] § 260 Abs. 3 StPO lautet: „Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.“

[47] Art. 6 EMRK enthält das Recht auf ein faires Verfahren. Dazu gehören u.a. der Anspruch auf den gesetzlichen Richter, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts, die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und der Verkündung des Urteils (Abs. 1), die Unschuldsvermutung (Abs. 2) sowie einige grundlegende Verteidigungsrechte (Abs. 3).

[48] Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates. Der Bundestag stimmte der Konvention mit Gesetz vom 7. August 1952 (BGBl. II, S. 685; s. auch die Neufassung vom 17. Mai 2002, BGBl. II, S. 1054) zu, sodass sie den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat (Art. 59 Abs. 2 GG); die Ratifizierung erfolgte am 5.12.1952. Das Bundesverfassungsgericht zieht den Konventionstext sowie die Rechtsprechung des EGMR allerdings auch auf der Ebene des Verfassungsrechts zur Auslegung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Verfassungsgrundsätzen heran. Dies sei Ausdruck der „Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes“, welches „nach Möglichkeit so auszulegen [sei], dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht ent[stehe]“ (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - Az. 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, S. 307, 317 f.).

[49] Die Hauptverhandlung fand in dem sog. Mehrzweckgebäude (auch „Mehrzweckhalle“) statt, einem Gerichtsgebäude aus Stahl und Beton, das in Vorbereitung auf den Prozess unmittelbar neben dem Gefängnis für etwa 12 Millionen DM errichtet wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69; krit. hierzu auch Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 100 f.).

[50] Am 2. Juni 1972 wurde aufgrund einer Bombendrohung die Stuttgarter Innenstadt gesperrt. In einem Schreiben unbekannter Herkunft war zuvor ein Sprengstoffanschlag auf drei Autos durch „RAF-Pionier-Sprengexperten“ angekündigt worden. Die Drohung bewahrheitete sich nicht, fand jedoch große mediale Aufmerksamkeit. Die Echtheit des Schreibens wurde schon kurze Zeit später in Zweifel gezogen (Balz, in Hürter/Rusconi [Hrsg.], Die bleiernen Jahre, 2010, S. 76 f.).


[a] Handschriftlich ersetzt: der durch Herr

[b] Maschinell ersetzt: bei der durch weiter

[c] Handschriftlich eingefügt: Der

[d] Maschinell eingefügt: hier

[e] Maschinell eingefügt: dann

[f] Handschriftlich ergänzt: Aktenvermerken

[g] Handschriftlich eingefügt: wir

[h] Maschinell ersetzt: nicht durch hier

[i] Handschriftlich ersetzt: Stütz durch Spitz

[j] Maschinell eingefügt: man

[k] Handschriftlich durchgestrichen: prüden

[l] Maschinell eingefügt: Gutachtens

[m] Handschriftlich ergänzt: Haftbedingungen

[n] Maschinell eingefügt: RA Dr. He.:

[o] Maschinell eingefügt: durch

[p] Maschinell eingefügt: weiterhin

[q] Handschriftlich durchgestrichen: im Freibeweisverfahren

[r] Handschriftlich eingefügt: daß

[s] Maschinell eingefügt: Sie

[t] Maschinell eingefügt: Anfang

[u] Handschriftlich eingefügt: Dahs

[v] Handschriftlich durchgestrichen: das

[w] Handschriftlich eingefügt: Dahs

[x] Handschriftlich ergänzt: Äußerungen

[y] Maschinell eingefügt: wie

[z] Handschriftlich eingefügt: Dahs

[aa] Handschriftlich eingefügt: Dahs

[bb] Handschriftlich ersetzt: und durch an

[cc] Handschriftlich ersetzt: ein durch im

[dd] Handschriftlich durchgestrichen: ein

[ee] Handschriftlich ersetzt: seinen durch seiner

[ff] Handschriftlich eingefügt: 1/2

[gg] Maschinell eingefügt: den

[hh] Handschriftlich eingefügt: Fragen

[ii] Maschinell eingefügt: Sie,

[jj] Maschinell ersetzt: wir durch sich

[kk] Handschriftlich ersetzt: gesagt durch gefragt

[ll] Handschriftlich durchgestrichen: zuerst

[mm] Handschriftlich ergänzt: haben

[nn] Handschriftlich eingefügt: geht

[oo] Handschriftlich eingefügt: Sie

[pp] Maschinell durchgestrichen: nicht

[qq] Maschinell ergänzt: gestellt

[rr] Handschriftlich ergänzt: eine

[ss] Maschinell eingefügt: das

[tt] Handschriftlich ergänzt: bekamen

[uu] Handschriftlich eingefügt: haben

[vv] Handschriftlich ersetzt: Möglichkeitsprinzip durch Mündlichkeitsprinzip

[ww] Maschinell eingefügt: in

[xx] Maschinell durchgestrichen: dies

[yy] Handschriftlich ersetzt: keine durch mir

[zz] Handschriftlich eingefügt: u.

[aaa] Handschriftlich durchgestrichen: heute

[bbb] Maschinell eingefügt: Der Sachverständige Prof. Mende. wurde um 15.42 Uhr entlassen.

[ccc] Handschriftlich ersetzt: konfession durch konvention

[ddd] Handschriftlich eingefügt: einen Antrag

[eee] Handschriftlich ersetzt: konfession durch konvention

[fff] Handschriftlich ersetzt: konfession durch konvention

[ggg] Handschriftlich ersetzt: Der durch Im

[hhh] Handschriftlich ersetzt: als durch das

[iii] Maschinell eingefügt: die

[jjj] Handschriftlich eingefügt: 3

[kkk] Handschriftlich ersetzt: langierte durch lancierte

[lll] Handschriftlich ersetzt: dem durch der