37. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 11. September 1975, 9.11 Uhr



[2987] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 11. September 1975, 9.11 Uhr

(37. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Just. Ass. z. A. Clemens, Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten erscheinen mit ihren Verteidigern Rechtsanwälte Schily, Pfaff, Riedel, Dr. Heldmann, von Plottnitz, Gerichtsreferendar[a] Düx, Eggler, Künzel, Schnabel, Schlaegel, König, Linke und Grigat.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Schwarz ist verhindert. Bei Herrn Rechtsanwalt von Plottnitz sehe ich Herrn Referendar Düx.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Düx wird die Vormittagssitzung in Vorbereitung seiner Verteidigung heute nachmittag verfolgen.

Vors.:

Also als Gast.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Als Assistent zunächst mal.

Vors.:

Aber nicht irgendwelche Verteidigungsaufgaben, die ihm zugedacht wären, heute früh.

Die Angeklagten, die inzwischen durch mehrfache Belehrung wissen, daß es Ihnen freisteht, ob Sie sich zur Anklage äußern oder lieber schweigen wollen, erhalten hiermit nochmals die von Ihnen selbst gewünschte Gelegenheit, sich vor Beginn der Beweisaufnahme zur Sache, und, wenn Sie wollen, auch zur Person zu äußern.[1]

RA Sch[ily]:

Ich hatte ums Wort gebeten, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich sehe zwei Wortmeldungen, was gilt.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte also auch zunächst um das Wort für Herrn Raspe bitten.

Vors.:

Können Sie sich einigen, wer zuerst.

RA Sch[ily]:

Na bitte.

Vors.:

Sie wollen das Wort für Herrn Raspe, bitte Herrn Raspe.

[2988] RA v[on ]P[lottnitz]:

Jawohl.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich wollte einen Antrag stellen, und zwar die Tonbandaufzeichnungen in der Hauptverhandlung, nicht wie bisher üblich einige Tage nach der Abschrift zu löschen, sondern 1. sie aufzubewahren ...

Vors.:

Der Antrag ist nicht in der Hauptverhandlung zu stellen, Herr Raspe. Der kann außerhalb gestellt werden.

Angekl. R[aspe]:

Moment.

Vors.:

Nein, nicht Moment. Der Antrag wird jetzt nicht entgegen genommen, Herr Raspe ...

Angekl. R[aspe]:

... der ist durchaus und unmittelbar von Bedeutung für die Hauptverhandlung und deshalb muß er auch innerhalb der Hauptverhandlung gestellt werden.

Vors.:

Nein, der Antrag wird jetzt nicht entgegen genommen.[2] Sie haben ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich beantrage, daß diese Anträge die von dem Herrn Raspe jetzt gestellt werden wollten in öffentlicher Sitzung, entgegengenommen und entschieden werden. Und ich bitte dazu Herrn Raspe, Herr Vorsitzender, Augenblick mal, ich bitte für Herrn Raspe Gelegenheit zu geben, erst mal alle Anträge, die er in diesem Zusammenhang zu stellen hat, vorzubringen.

Vors.:

Es ist nur die Möglichkeit gegeben, mir mitzuteilen, welcher Gegenstand mit den einzelnen Anträgen anvisiert wird. Danach kann ich entscheiden, ob jetzt die Möglichkeit gegeben ist, den vorzutragen den Antrag oder nicht.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Die Situation war doch so, Herr Raspe begann Anträge zu stellen und das Gericht hat nach dem ersten Halbsatz gesagt, das interessiert hier niemanden ...

Vors.:

Das ist eine völlig falsche Zitierweise.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Nein, Sie haben nicht gesagt, es interessiert hier niemanden, er wird hier nicht entgegen genommen, daraufhin hatte ich gesagt, es wird dem Antrag vorangestellt der weitere Antrag, diese Anträge jetzt in öffentlicher Sitzung entgegen zu nehmen.

Vors.:

Wir wissen also, Antragsgegenstand; Tonbandprotokolle länger aufbewahren. Weiterer Gegenstand?

RA v[on ]P[lottnitz]:

Das werden Sie von dem Herrn Raspe selber hören.

Vors.:

Entweder er gibt mir’s jetzt bekannt, oder es können keine [2989] Anträge gestellt werden.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Die Bekanntgabe kann ja nur durch die Stellung des Antrags erfolgen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Aber nicht dadurch, daß der Antrag gestellt wird, sondern man kann ohne weiteres voraussagen, was beabsichtigt ist zu beantragen. In diesem Verfahrensstadium möchte ich das vorher wissen, um festzustellen, ob die Anträge jetzt gestellt werden oder ob sie außerhalb ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Also ich bitte, Herrn Raspe Gelegenheit zu geben, hier einen Antrag, ein in sich geschlossener Antrag zu stellen, zu dem auch gehört, daß er in öffentlicher Sitzung vorgebracht und entschieden wird.

Vors.:

Gut, Sie haben mir nichts weiteres mitgeteilt bis jetzt, als der Antrag, daß hier über die Tonbandprotokolle nicht so rasch verfügt werden soll. Sie haben meine Verfügung, daß das hier ...

Angekl. R[aspe]:

Sie haben es ja nicht mal zu Ende angehört ...

Vors.:

Herr Raspe, wir kennen den Gegenstand dieses Antrags. Ich betrachte das als Beanstandung[3] ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, darf ich noch ein Wort zur Begründung sagen. Der Senat hat ja, er ist inzwischen dazu übergegangen, 70 - 80 % dessen, was hier im prozessualen Vorbringen von Seiten der Verteidigung kommt, außerhalb der Hauptverhandlung zu verweisen und der Verteidigung hier irgend welche Rechte zu bestreiten, etwas innerhalb der Hauptverhandlung vorzubringen. Nun ist es gewiß so, daß die Strafprozeßordnung, ich glaub mit Ausnahme des § 241[ StPO][4] und das, was sich aus dem Unmittelbarkeitsprinzip ergibt im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme,[5] wenig Vorschriften darüber enthält, wann etwas zur Hauptverhandlung gehört und wann nicht.[6] Dennoch, würde ich sagen, ist es so, daß im Stadium der Hauptverhandlung alles, was zur Verteidigungssituation eines Gefangenen gehört, eines Angeklagten gehört, zunächst mal primär in der Hauptverhandlung vorzubringen und zu entscheiden ist im unmittelbaren Kontakt mit dem Gericht, nicht verwiesen werden darf auf die Möglichkeit, im, quasi wie im Rahmen eines Zivilverfahrens, außerhalb der Hauptverhandlung schriftsätzlich gelöst zu werden, wobei es in dieser Situation, und diese Erfahrung müssen die Gefangenen ja immer wieder machen, so ist, in diesem Verfahren, das Anträge, die außerhalb der [2990] Hauptverhandlung dann auf entsprechende Empfehlung des Gerichts gestellt worden sind, doch was die Entscheidung angeht, über Gebühr lange Zeit in Anspruch nehmen, wenn sie überhaupt beschieden werden. Von daher also die Feststellung, die Strafprozeßordnung verbietet hier niemandem, das ist entscheidend, sie verbietet niemandem auch Fragen, wie sie jetzt eine Rolle spielen in der Hauptverhandlung, vorzubringen. Sie verbietet keinem Gericht solche Anträge entgegenzunehmen und in der Sitzung zu entscheiden.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen, einen Antrag, daß Tonbänder länger aufbewahrt werden sollen, kann in der Hauptverhandlung jetzt nicht gestellt werden. Es ist im übrigen Sache des Vorsitzenden, ob er einen solchen Antrag zuläßt. Die Behauptung, außerhalb der Verhandlung gestellte Anträge würden über Gebühr lange bearbeitet, trifft nicht zu. Es muß selbstverständlich in allen Fällen die Gelegenheit gegeben werden, die übrigen Betroffenen dazu zu hören.

Das nimmt gelegentlich etwas Zeit in Anspruch.

Herr Raspe, sonstigen Antrag?

Angekl. R[aspe]:

Ja, zu dieser Bemerkung will ich noch kurz erwidern.

Vors.:

Nein, keine Erwiderungen, Herr Raspe ...

Angekl. R[aspe]:

Seit sechs Monaten verschleppen Sie ...

Vors.:

Herr Raspe, keine Erwiderungen, jetzt können Sie einen Antrag stellen.

Angekl. R[aspe]:

... das ist eine Tatsache, das wissen Sie auch. Und Sie verlagern’s genau deswegen aus der Hauptverhandlung, damit darüber eben nicht entschieden wird.

Vors.:

Herr Raspe, ich gebe Ihnen keine Antwort, was Sie sagen, ist aber sachlich unzutreffend.

Angekl. R[aspe]:

Es ist nicht unzutreffend.

Vors.:

Wollen Sie einen Antrag stellen?

Angekl. R[aspe]:

Den zweiten Antrag, den ich stellen will, da Sie also mich nicht mal dazu kommen lassen, einen Antrag insgesamt zu stellen, ist der zweite Punkt, um hiermit die Möglichkeit einzuräumen, die Bänder, die zur Korrektur des Protokolls, abhören zu können.

Vors.:

Ja, da gilt das gleiche, was bereits gesagt worden ist, wird hier nicht zugelassen, als Antrag.

[2991] Angekl. R[aspe]:

Ja, dann bitte ich um Senatsbeschluß. Der ist unmittelbar relevant für die Erklärung zur Sache und ich bitte also um einen Senatsbeschluß.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat lehnt es ab, jetzt den Antrag entgegenzunehmen.

Angekl. R[aspe]:

Dann stelle ich drittens den Antrag, uns zu dem Zweck, den Sie also bisher nicht mal annehmen, uns zu diesem Zweck ein Bandgerät zur Verfügung zu stellen, bzw. zuzulassen ...

Vors.:

Außerhalb der Hauptverhandlung, Herr Raspe, außerhalb der Hauptverhandlung.

Angekl. R[aspe]:

... daß einem von uns beschafftes Bandgerät benutzt werden kann ...

Vors.:

Stellen Sie den Antrag außerhalb der Hauptverhandlung. Das sind alles Dinge, die mit der Hauptverhandlung überhaupt nichts zu tun haben.

Angekl. R[aspe]:

Ja, es ist einfach so, daß ...

Vors.:

Wollen Sie sich jetzt, Herr Raspe, wie Ihnen gerade nochmals gesagt worden ist, das gilt für alle Angeklagten, zur Sache äußern, ja oder nein.

Angekl. B[aader]:

Aber natürlich.

Angekl. R[aspe]:

Das, was ich hierzu sage, ist unmittelbar relevant für die Frage zur Klärung der Sache.

Vors.:

Also Sie hatten die Gelegenheit nochmals gehabt. Herr Rechtsanwalt Schily!

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie hatten doch meine Wortmeldung ...

Angekl. B[aader]:

Was soll denn das hier? Wir äußern uns zur Sache, aber nicht so.

Vors.:

Herr Baader ...

RA Sch[ily]:

Darf ich denn meine Wortmeldung eigentlich ...

Vors.:

Herr Baader, Sie sind nunmehr so oft verwarnt worden, daß Sie sich hier mit Zwischenrufen an der Verhandlung nicht beteiligen können, weil das stört. Ich sage Ihnen jetzt zum allerletzten Mal ...

Angekl. E[nsslin]:

Sie wollen die Erklärung zur Sache verhindern, darum geht es doch.

Vors.:

... wenn Sie noch einmal dazwischen rufen, dann werden Sie sofort ausgeschlossen werden.[7]

Herr Rechtsanwalt Schily hat das Wort.

RA Sch[ily]:

Ja, das ist eine Frage an den Senat, die von großer Be- [2992] deutung für den Fortgang des Verfahrens ist. Wir nähern uns ja einem Prozeßstadium, in der möglicherweise eine längere Erklärung notwendig ist und wir haben vor drei Wochen ein Zwischengutachten der Herrn Professoren Schröder und Müller[8] erhalten, und es erscheint mir notwendig festzustellen, wann denn nun eigentlich diese Gutachten vorliegen werden. Und die Frage an den Senat, ich habe aus den Akten entnommen, daß die Herren sich am vergangenen Freitag wohl zu dritt getroffen haben und ich würde gerne jetzt mal eine verbindliche Auskunft darüber haben, wann die Gutachten, zunächst mal die schriftlichen Gutachten vorliegen.

Vors.:

Ja, die kann ich Ihnen nicht geben, weil ich sie nicht habe. Ich dränge die Sachverständigen nicht; die Sachverständigen wissen durch den Auftrag, daß es sich um eine eilbedürftige Angelegenheit handelt. Es dürfte wohl davon auszugehen sein, ohne daß ich das verbindlich sagen kann, daß wir nach Ablauf dieser Woche, wir haben ja dann eine sitzungsfreie Woche, die Gutachten in Händen haben, wenn wir die Verhandlung fortsetzen. Davon gehe ich jedenfalls aus. Ich kann mir nicht denken, daß es sich noch länger verzögern wird. Der Senat selbst ist natürlich auch interessiert, daß die Gutachten nun rasch kommen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, aber wir sind jetzt seit nahezu ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich kann Ihnen nichts Besseres antworten, ich weiß es nicht.

RA Sch[ily]:

Ja, ja, nur, Herr Vorsitzender, ich bitte doch mal auf folgendes aufmerksam zu werden. Wir sind jetzt seit Mai in dieser Verhandlung. Seit Beginn der Verhandlung haben wir die Frage der Verhandlungsfähigkeit[9] der Gefangenen zur Debatte gestellt. Und es liegt bisher lediglich ein Zwischengutachten vor, ein vorläufiges. Wenn man das noch als Gutachten bezeichnen will. Eine Äußerung, eine Meinungsäußerung. Die Verteidigung hat in dem Punkt, das muß ich sagen, eine solche Geduld bewiesen, die eigentlich nahezu in keiner Weise mehr, also nahezu nicht mehr vertretbar ist. Und jetzt sind wiederum drei Wochen seit der Äußerung vergangen, daß man gesagt hat, mit drei Stunden täglich. Ich halte es unter diesem Aspekt wirklich nicht mehr für gangbar, daß wir jetzt sagen, [2993] naja vielleicht irgend wann in zwei Wochen, in einer Woche, in 10 Tagen, in drei Wochen, werden diese Gutachten vorliegen. Der Senat selbst hat, ich glaube vor vier Wochen, in irgend einem Schreiben oder einer Stellungnahme auf die besondere Dringlichkeit hingewiesen. Wenn sich das nun in der Tat jetzt weiter so ins Ungewisse verzögert, dann meine ich, muß von der prozessualen Möglichkeit der Unterbrechung Gebrauch gemacht werden, damit zunächst mal über diese Frage Gewißheit hergestellt wird, wobei ich darauf hinweisen möchte ...

Vors.:

Ist das ein Antrag?

RA Sch[ily]:

Moment, ja das ist ein Antrag. Ich kann ihn ja jetzt auch stellen. Ich stelle den Antrag auf Unterbrechung, wobei ich dachte, daß zunächst einmal vielleicht auch eine andere Möglichkeit in Frage käme, daß Sie uns sagen, wir setzen eine Frist.

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, Herr Rechtsanwalt, ich gehe mit Sicherheit davon aus, daß wir die Verhandlung nur noch in dieser Woche, d.h. heute und morgen ohne Gutachten führen. Meine persönliche Überzeugung ist, daß uns die Sachverständigen bis zur Fortsetzung der Verhandlung mit Sicherheit das Gutachten bringen. Ich meine deshalb, das, was Sie im Augenblick ausführen, auch wenn es dem Ansatz nach berechtigt ist, ist einfach wegen der zeitlichen Abläufe jetzt ein Zeitverlust, der nicht notwendig wäre.

RA Sch[ily]:

Wie ein Zeitverlust, das verstehe ich nicht.

Vors.:

Weil wir uns jetzt über die Frage unterhalten, wo ich Ihnen doch klar gesagt habe, ohne daß ich es verbindlich machen kann, weil ich keine verbindliche Auskunft habe, ich gehe davon aus, daß wir die Verhandlung nach Ablauf der heutigen Woche nicht mehr fortsetzen ohne Gutachten.

RA Sch[ily]:

Dann werden Sie nicht mehr fortsetzen, wenn das Gutachten nicht vorliegt.

Vors.:

Das habe ich damit nicht gesagt. Ich habe gesagt, ich gehe davon aus, dann, wenn diese Annahme, die ich jetzt gerade äußere, nicht zutreffen würde, dann wäre es eventuell berechtigt, daß Sie mit dem Antrag, den Sie jetzt stellen wollten, kämen.

RA Sch[ily]:

Nein, wenn der Senat erklären würde, also wir setzen die Verhandlung, wenn die Gutachten nicht vorliegen, nicht [2994] fort, also dann würde ich den Antrag auf Unterbrechung in der Tat zurückstellen. Dann hätte ich die Gewißheit, daß ist etwa die Frist, dann kann ich sehen, das ist etwa, zumal ja dann diese Pause dazwischen ist, also da würde ich sagen, sollte man hier vielleicht nochmal auch, ich will das ja nicht allein hier entscheiden, weil ja auch die Kollegen beteiligt sind, aber dann könnte man sich über die Sache möglicherweise verständigen.

Vors.:

Ich möchte die Zusage in der vorsichtigen Form geben. Der Senat wird alles tun, daß diese Erwartung, die ich im Augenblick äußerte, zutrifft. Er selbst würde es für hinderlich halten, wenn die Gutachten nicht da wären bis dahin.

RA Sch[ily]:

Ja, was heißt „hinderlich“.

Vors.:

Es würde dann zu Ihren Anträgen führen und dann wäre ernsthaft über Ihr Anliegen zu beraten. Jetzt im Augenblick, wo sich’s nur ...

RA Sch[ily]:

Sie, Entschuldigung, vorher hätten Sie nicht ernsthaft ...

Vors.:

Natürlich nicht, das will ich Ihnen sagen, wenns um zwei Tage geht. Denn Sie selbst sagen ja, für diesen Fall stellen Sie dann Ihr Anliegen zurück, wenn es sich wirklich nur noch um die zwei Tage handelt.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, wir haben das ...

Vors.:

Ich sage Ihnen zu, daß wir dafür sorgen, daß bis dahin die Gutachten da sind.

RA Sch[ily]:

Wir haben Ihnen ja bereits gesagt, daß also in dem Zustand, in den[b] die Gefangenen nun durch die Haftbedingungen geraten sind, gerade die Abgabe von längeren Erklärungen eine ungeheure Anstrengung bedeutet. Daß also notwendigerweise Pausen, und daß gerade da in dem Zusammenhang natürlich die Frage der Verhandlungsfähigkeit eine besondere Bedeutung gewinnt. Und aus diesem Grunde natürlich die Notwendigkeit besteht, und gerade weil Sie sagen, es ist nicht mehr so sehr viel Zeit und weil Sie sagen, es ist mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten, daß die Gutachten nach dieser Prozeßpause vorliegen, würde ich eigentlich doch denken, daß da man vielleicht doch die Lösung findet, in der Tat erst dann weiter zu verhandeln, wenn die Gut- [2995] achten vorliegen.

Vors.:

Ich habe Ihnen zugesagt, wir sorgen dafür, daß die Gutachten da sind, wenngleich ich keine Anweisungsmöglichkeiten an Sachverständige habe. Damit ist aber dieser Punkt jetzt abgeschlossen. Wir wollen nicht weiter Zeit dafür verwenden.

RA Sch[ily]:

Hier hat sich der Kollege Pfaff noch gemeldet, ich meine, der Punkt kann nicht abgeschlossen sein, aber ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Pfaff.

RA Pf[aff]:

Herr Vorsitzender, Ihre Zusage ist nach wie vor unverbindlich und Herr Kollege Schily hat es jetzt schon gesagt, es geht hier um die Erklärung zur Sache. Die Angeklagten sind, ich würde sagen teilweise überhaupt nicht in der Lage, unter den gegenwärtigen Bedingungen zur Sache Stellung zu nehmen. Teilweise sind sie das nur unter ganz außerordentlichen körperlichen und seelischen Anstrengungen und ich sehe nicht ein, es gibt die Möglichkeit, Frist zu setzen. Das gibt es auch bei anderen Aufträgen oder Anforderungen von Seiten des Gerichts, warum Sie hier keinen Gebrauch davon machen. Ich stelle jetzt förmlich den Antrag ...

Vors.:

Das war der Sinn, Herr Rechtsanwalt, wenn ich sage, wir wollen dafür sorgen, daß die Gutachten da sind. Aber ich kann selbst mit Fristsetzungen nicht bindende Anweisungen an außerhalb des Justizbereichs tätige Sachverständige geben.

RA Pf[aff]:

Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind und das haben Sie ja vorhin auch begründet und das nehmen wir Ihnen natürlich auch ab, dann meine ich, muß die Hauptverhandlung tatsächlich unterbrochen werden. Wegen der Elftagesfrist,[10] das ist ja eine andere Frage, wie man das regeln kann, [c] für nächste Woche. Ich stelle diesen Antrag im Interesse meines Mandanten, daß die Hauptverhandlung unterbrochen wird, jetzt.

RA Sch[ily]:

Moment, moment, moment. Ich möchte noch etwas sagen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie hatten das Wort schon, wollen Sie fortfahren.

RA Sch[ily]:

Ich wollte noch kurz ergänzen, wenn Sie gestatten.

Also ich teile im übrigen Ihre Auffassung nicht, daß Sie keine Möglichkeit haben, also zeitliche Bestimmungen vorzunehmen. Sie werden vielleicht wissen, daß die ...

Vors.:

Ich habe die Möglichkeit, Herr Rechtsanwalt, es läuft ein- [2996] fach fehl. Ich habe die Möglichkeit, aber ich habe keine Zwangsmittel, um das geht’s.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, ich nehme auch nicht an, daß also immer alles mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden könnte.

Vors.:

Ich kann also sagen, wenn die Herrn Sachverständigen sich nicht imstande sehen würden, aus Gründen der Überlastung, oder irgend was, könnte ich es nicht ändern. Aber ich geh davon aus, das Gutachten ist da und ich mache Ihnen auch die Zusage, daß das Gutachten bis dahin da ist. Wollen Sie nun wirklich die Verhandlungszeit hier dafür weiter beanspruchen?

RA Sch[ily]:

Es geht mir doch, lassen Sie doch mal dieses Minuten, Entschuldigen Sie, aber dieses Minuten-Klauben ...

Vors.:

Wir haben drei Stunden am Tage, Sie wissen das ganz genau, was das für so ein Verfahren bedeutet, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch8ily]:

Herr Vorsitzender ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Was bedeutet das für so ein Verfahren.

Angekl. B[aader]:

(spricht im Hintergrund ohne Mikrofon, daher unverständlich).

Vors.:

Herr Baader, es ist beabsichtigt ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Entschuldigung, Herr Rechtsanwalt ... Sie jetzt auszuschließen wegen Zwischenrufs, was wollen Sie dazu sagen.

Angekl. B[aader]:

Ich will dazu sagen, daß aus diesem Grund ich die Erklärung zur Sache, nachdem Sie nun wirklich schon zweimal versucht haben, zu verhindern. Nachdem Sie schon die Erklärung zur Person verhindert haben, daß Sie durch diesen Ausschluß ganz offensichtlich die Erklärung zur Sache von mir verhindern wollen. Denn Sie wissen natürlich genau, daß hier keiner drin bleibt, wenn Sie mich ausschließen.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, wollen Sie der Verteidigung von Herrn Baader keine Möglichkeit geben, sich dazu zu ...

Vors.:

Lassen Sie nun im Augenblick, ich will ja gerade besprechen, ob wir überhaupt Konsequenzen ziehen. Wir können es dadurch vielleicht vereinfachen, nachdem der Herr Baader es offenbar darauf bezieht, daß er an sich sich zur Sache äußern will.

Das ist ein Gesichtspunkt. Wenn er das in Zukunft in der geordneten Form hier in das Verfahren einführt, dann werden wir daraus keine Konsequenzen ziehen. Aber Herr Baader, nehmen Sie [2997] bitte zur Kenntnis, ich habs Ihnen wiederholt gesagt, Zwischenrufe können nicht geduldet werden, sie stören den Ablauf des Verfahrens. Ich darf überhaupt folgendes sagen: Es wird in diesem Verfahren, ich muß das erwähnen, von Seiten der Verteidiger und Anklagebank verhältnismäßig viel dazwischen gerufen. Ein Verfahren läßt sich auf längere Dauer so nicht führen. Das habe ich schon wiederholt wenigstens angedeutet. In Zukunft wird von mir nur noch das als für das Verfahren verbindlich entgegengenommen was nach geordneter Wortmeldung abgegeben wird. Zwischenrufe und dergleichen werden zwar registriert werden, im Hinblick auf die Möglichkeit Konsequenzen zu ziehen, etwa bei den Angeklagten, aber sie werden nicht mehr Anlaß sein für das Gericht, darauf einzugehen. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Darf man darauf mit einem Wort erwidern, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Auf was?

RA v[on ]P[lottnitz]:

Auf das, was Sie gerade hier zur künftigen Praxis Verteidigeräußerungen, bestimmten Verteidigeräußerungen gegenüber, gesagt haben.

Vors.:

Ich habe gesagt, Zwischenrufe werden in Zukunft nicht ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Werden nicht mehr entgegengenommen.

Vors.:

... sie werden registriert, aber sie werden nicht Gegenstand von irgend welchen Entscheidungen sein.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Darf ich dazu ein Wort sagen. In jeder Hauptverhandlung und zwar ohne Rücksicht darauf, ob man sich in einem Sitzungssaal befindet, in den über Mikrofone man sich Gehör zu verschaffen hat oder nicht, kann es notwendig sein, kann es prozessuale Situationen geben, in denen es das Interesse des Mandanten erfordert, spontan und sofort und ohne abzuwarten, ob man vielleicht in 15 Minuten mal das Wort erteilt bekommt, Stellung zu nehmen, Anträge zu stellen, auf einen bestimmten Punkt aufmerksam zu machen. Daß dieses Recht ... kann man sich auch natürlich in diesem Verfahren nicht nur deshalb nicht nehmen lassen, weil aufgrund des äußeren Rahmens schwieriger ist, sich Gehör zu verschaffen.

Vors.:

Ja, ist in Ordnung. Es wird selbstverständlich nicht so kleinlich gehandhabt, daß solche notwendigen Zwischenrufe, wie Sie sie [2998] gerade andeuten, dann nicht beachtet würden. Sie würden dann zur Worterteilung führen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich würde jetzt gerne die Anträge stellen ...

Herr Rechtsanwalt Schily ...

RA Dr. H[eldmann]:

Das habe ich auch bereits getan.

Vors.:

... Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihren Antrag, den Sie stellen wollten zu begründen noch, nämlich den Antrag, nicht fortzusetzen, für den Fall, daß die Sachverständigen nicht kommen. Herr Rechtsanwalt hat den Antrag gestellt.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie halten uns immer vor, daß irgend etwas kompliziert würde und von der kostbaren Nettozeit[11] verbraucht würde. Mir scheint es leider, daß durch dieses Hin und Her, was leider mitunter bei einem Antrag und bei der Behandlung solcher Anträge durch den Senat entsteht, daß da gerade die Zeit unnütz strapaziert wird. Sie werden, um die sachliche Begründung doch nicht, die können Sie doch einfach nicht übersehen, daß in der Tat es sich bei der Erklärung der Angeklagten um ein Vorgang von besonderer Bedeutung in diesem Verfahren handelt, der für die Angeklagten eine besondere Anstrengung bedeutet. Daß in dem Zusammenhang die Frage der Verhandlungsfähigkeit eine besondere, und besonders erhebliche Bedeutung gewinnt, ich glaube, das kann doch niemand bestreiten. Und ich bin wirklich davon ausgegangen, daß das endgültige Gutachten, daß das spätestens zu Beginn dieser Woche vorliegt.

Vors.:

Bitte jetzt zur Sache, Sie wollten den Antrag begründen, daß wissen wir, daß Sie davon ausgingen ...

RA Sch[ily]:

Ja, ich habe mich ja, wenn Ihnen das vielleicht zur Kenntnis gelangt ist, am Montag habe ich mich sogar noch telefonisch auf der Geschäftsstelle erkundigt und gebeten, mir alsbald telefonisch Nachricht zukommen zu lassen, wenn das Gutachten vorliegt. Wenn es gerade im Zusammenhang mit der Erklärung, die die Gefangenen beabsichtigen abzugeben und die, es handelt sich um eine längere Erklärung, da muß einfach seitens der Verteidigung darauf bestanden werden, daß die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Abgabe dieser Erklärungen vorhanden sind, in der Form der Verhandlungsfähigkeit. Und da können wir uns, meiner Meinung nach nicht mehr damit begnügen, daß wir hier nur ein vorläufiges Gutachten haben. Es besteht [2999] also die Möglichkeit, wenn Sie sagen, also sie ist erst nach der Pause möglich, durch prozessuale Maßnahmen, dann eben diese Erklärung so lange aufzuschieben, bis die Gutachten vorliegen und dann hat man die vernünftige Basis dafür zu urteilen, inwieweit und in welchem Rahmen ist also die Möglichkeit vorhanden, für die Gefangenen sich in welcher zeitlichen Dimension oder überhaupt nicht das Gutachten ausfallen mag. Dann haben wir eine vernünftige Grundlage. Und deshalb finde ich, sollte das in der Form behandelt werden.

Vors.:

Gut, Herr Rechtsanwalt, das ist jetzt gesagt. Das sind aber Wiederholungen, daß Sie das finden. Wir haben es zur Kenntnis genommen. Herr Dr. Heldmann ...

RA Sch[ily]:

Aber ich würde sagen, wissen Sie, daß Sie immer da mir in die Parade fahren, das haben Sie sich ein bißchen angewöhnt, Herr Vorsitzender, und ich würde doch bitten, daß Sie in Zukunft darauf verzichten, wenn Sie hier schon solche Errechnungen hier ...

Vors.:

Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort. Sie können nicht einen Antrag, der so[d] einfach zugeschnitten ist ...

RA Sch[ily]:

Sie brauchen mir gar nicht das Wort zu entziehen ich war schon ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Sie brauchen mir gar nicht das Wort zu entziehen, ich war nämlich bereits am Ende meiner Ausführungen.

Vors.:

Das wußte ich, deswegen sagte ich, was jetzt kommt sind Wiederholung.

RA Sch[ily]:

Dann brauchen Sie mir nicht das Wort zu entziehen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, Angeklagte und Verteidiger zeichneten sich in diesem Verfahren, so meinten Sie, ganz besonders durch Zwischenrufe aus.

Vors.:

Wollen Sie zu diesem Antrag etwas sagen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, ich komme darauf.

Vors.:

Dann bitte ich aber, dazu zu kommen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich weiß Herr Vorsitzender, daß Sie sich zur Methode gemacht haben, diskriminierende Behauptungen an diese Adresse zu richten und Erwiderung darauf abzublocken. Und nun erwidere ich. Die Verhandlungsleitung in diesem Verfahren zeichnete sich [3000] ganz besonders dadurch aus ...

Vors.:

Nein, wir wollen jetzt über den Antrag entscheiden, ich gebe Ihnen dazu jetzt nicht das Wort. Wenn Sie sich nicht zum Antrag äußern, Sie können vielleicht nachher über diesen Antrag ...

RA Dr. H[eldmann]:

Wollen Sie mich zu Zwischenrufen zwingen, schon wieder.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie können eventuell nach diesem Antrag, wenn darüber entschieden ist, sich dazu äußern, was Sie jetzt auf dem Herzen haben. Jetzt bitte ich Sie zum Antrag zu sprechen.

RA Dr. H[eldmann]:

Zeichnet sich ganz besonders dadurch aus, Wortabzuschneiden, Wortzuentziehen, Wortunterbrechen ...

Vors.:

Gut, ich gebe Ihnen dazu nicht das Wort weiter. Will sich die Bundesanwaltschaft zu dem Antrag äußern.

RA Dr. H[eldmann]:

2. Ich bin nicht fertig.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... bitte die Verteidigung von Herrn Raspe ...

RA Sch[ily]:

Da sind noch weitere Wortmeldungen, wenn Sie die freundlicherweise ordnungsgemäße Wortmeldungen, wenn Sie die freundlicherweise ...

Vors.:

Darf ich Sie darum bitten, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, es war gesagt, Sie können sich zum Antrag äußern. Das andere Anliegen hinterher. Wir wollen über den Antrag entscheiden.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, verzeihen Sie, wir können auch vielleicht die Erklärung zur Sache außerhalb der Hauptverhandlung machen, nicht. 2. Sie haben vorhin die Sitzung eröffnet, die Angeklagten hätten nochmals, so haben Sie gesprochen, Gelegenheit zur Person und zur Sache auszusagen.

Sie gehen von einer irrigen Voraussetzung aus. Die Angeklagten hatten erstens nicht die Gelegenheit zur Person auszusagen, sondern Sie haben ausgeschlossene Angeklagten mit Gewalt hier ’raufzerren lassen, um sie zu fragen, wie sie heißen.[12] Das ist keine Vernehmung zur Person, und ferner war das in einem Zeitpunkt, nämlich 15 Uhr nachmittags, wo die Verhandlungsunfähigkeit mit Händen zu greifen war. Ferner zur Vernehmung zur Sache hatten die Angeklagten bisher noch keine Gelegenheit, weil dieses Verfahrensstadium infolge von Anträgen nicht erreicht war. Als drittes möchte ich Sie darauf hinweisen, die Verteidigung, jedenfalls spreche ich hier für mich, kann den Mandanten nicht raten, heute die Erklärung zur Sache, die um- [3001] fänglich ist und die kompliziert ist, zu beginnen, bevor nicht endgültig über die Verhandlungsfähigkeit befunden worden ist. Insbesondere muß ich abraten davon, sich auf dieses Risiko, vor diesem Senat ist es ein Risiko, einzulassen, weil nach allen bisherigen Erfahrungen, ich brauche nur auf die Protokolle hinzuweisen, es Methode geworden ist, Erklärungen der Angeklagten ständig zu unterbrechen und das verdoppelt und vervielfacht die Anstrengung für die Angeklagten, überhaupt eine Erklärung im Zusammenhang abgeben zu können. So ist für die Verteidigung die Situation und deswegen schließe ich mich Herrn Kollegen Schily’s Antrag an, zu unterbrechen, bis wir über die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten genau Bescheid wissen, weil das heute ganz besonders wichtig ist, wo es darum geht, die Angeklagten einer ganz besonders erhöhten Belastung auszusetzen, nämlich zusammenhängend zur Person und zu Sache vorzutragen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Ich schließe mich dem Antrag auf Unterbrechung ebenfalls an. Dem Gericht ist bekannt, es ist erörtert worden und auch von den Mandanten erklärt worden, daß die Erklärung zur Sache beabsichtigt ist und es ist auch darauf hingewiesen worden, in welchem Umfang. Und in diesem Zusammenhang ist ganz klar, daß sowohl die Angeklagten als auch die Verteidigung und natürlich auch das Gericht Klarheit darüber haben müssen, in welcher Art und Weise diese Erklärung entgegen genommen werden kann. In welchen zeitlichen Abständen, mit welchen Unterbrechungen, mit welchen Pausen, notwendigerweise.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich schließe mich auch dem Antrag an, das Verfahren zu unterbrechen, bis die definitiven Sachverständigenäußerungen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit vorliegen. Zur Begründung noch kurz folgendes. Ich meine, der Senat hat ja an einer bestimmten Stelle selbst zu erkennen gegeben, wie wenig wohl ihm eigentlich dabei ist, hier ohne daß man sich auf die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen stützen könnte und zwar der Sachverständigen, die[e] durch den Beschluß vom 18.7.1975 bestellt worden sind, ohne solche Äußerungen hier zur Vernehmung zur Sache zu schreiten. Ich denke hier an die Schreiben, daß Sie schon einmal Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs war, das [3002] Schreiben, das glaube ich von dem Beisitzer Dr. Breucker unterzeichnet war und in dem bei den früheren Sachverständigen Rauschke[13] um mögliche Hilfe im Zusammenhang mit diesen Fragen gebeten worden ist, oder angefragt worden ist, ob eine solche Hilfe möglich sei. Ist völlig klar, daß natürlich Herr Rauschke mit Sicherheit das schlechteste Beweismittel wäre, um diese Frage jetzt zu entscheiden, weil er sich nicht auf entsprechende Befunde stützen kann und selbst hier schon bei früherer Gelegenheit gesagt hat, daß er ohne derartige Befunde auch nicht annähernd zuverlässige Bekundungen hierzu machen kann. Aber klar ist, auch der Senat weiß, daß es in jedem Verfahren, erst recht in diesem Verfahren, für einen Angeklagten keine größere Belastung gibt, als seine eigene Erklärung zu den gemachten Schuldvorwürfen. Das mit Rücksicht der nach wie vor manifesten Zweifel am Ob und Umfang der Verhandlungsfähigkeit der Gefangenen vor Eröffnung dieses neuen Prozeßabschnitts die Frage definitiv geklärt sein muß und es von daher also es dringend geboten ist, die Hauptverhandlung über Antrag zu unterbrechen.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft bitte.

BA Dr. W[under]:

Da nunmehr begründete Aussicht besteht, daß die Gutachten bis zum 1. Sitzungstag nach der Pause vorliegen, hätte es sich wirklich empfohlen, diese Anträge bis zu diesem 1. Sitzungstag nach der Pause zurück zu stellen. Es ist sehr bedauerlich, daß hierfür keine Einsicht vorhanden war.

Den Anträgen treten wir entgegen, nachdem auch heute keinerlei Anhaltspunkte für ein plötzliches Abfallen des Gesundheitszustandes bei den Angeklagten erkennbar ist. Die Bundesanwaltschaft geht auch davon aus, daß am 1. Sitzungstag nach der Pause die Gutachten vorliegen, andernfalls würde unter Umständen die Bundesanwaltschaft selbst entsprechende Anträge stellen, die nicht unbedingt die Unterbrechung der Hauptverhandlung allerdings zum Ziele haben müßten.

Vors.:

Wir werden über den Antrag beraten. Herr Raspe, was wollen Sie?

Angekl. R[aspe]:

Na, nur kurz erwidern, zu dem was Wunder eben sagte, daß das wirklich die wörtliche Formulierung ist, die also auch bei Holger[14] benutzt worden ist. Keine Anhaltspunkte für ein plötzliches Abfallen des Gesundheitszustands. Er war dann allerdings drei Stunden später tot.[15]

[3003] RA Sch[ily]:

Ich möchte auch noch kurz erwidern.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder. Sie geben überhaupt keinen plausiblen Grund an und vielleicht wäre das doch einmal nützlich, das zu tun. Aber wahrscheinlich wird es Ihnen nicht gelingen, weil es eben keinen gibt. Was für Sie eigentlich den Unterschied ausmacht, zwischen heute Donnerstag, dem 12. September, und ich glaube es ist dann der Dienstag, der 23. September, in der Beurteilung dieser Frage. Sie sagen, wenn am Dienstag, den 23. September die Gutachten nicht vorliegen, dann würde Sie eventuell auch daraus Konsequenzen ziehen, eventuell allerdings kein Unterbrechungsantrag, aber ein Antrag zu stellen haben. Welchen, haben Sie uns nicht verraten. Der Senat selbst hat hier durch den Herrn Vorsitzenden erklärt, daß dann vielleicht für den Senat eine andere Situation ergeben könnte auch. Aber, nun sagen Sie mir doch einmal, was macht denn den Unterschied aus. Nur weil da noch die 10 Tage, ist die Differenz die 10 Tage. Wir haben jetzt wiederum 3 Wochen seit dem vorläufigen Bescheid. Und wenn man sagt, hier die Verteidigung, das wird ja nun ewig wiederholt wie so eine Gebetsmühle, eine tibetanische, es ginge auf[f] Verzögerung. Darum geht es nicht, sondern es geht darum. In einem Verhandlungsabschnitt bei dem, ich wiederhole es, die Verhandlungsfähigkeit einen besonderen Stellenwert einnimmt, Klarheit darüber zu haben, was hat es mit der Verhandlungsfähigkeit auf sich und die Verteidigung wäre herzlich froh, wenn heute und nicht erst am Dienstag in 10 Tagen diese Gutachten vorliegen. Dann würde die ganze Kalamität ja nicht vorhanden sein, dann würde wir also darüber nicht, also ich glaube, dann würden wir sicherlich darüber keine Meinungsverschiedenheiten haben, daß dann über diese Gutachten zunächst einmal zu sprechen wäre.

Vors.:

Wir wären auch froh, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Ja, ja sicherlich, nur das ist das Problem, das hat ja zumindestens also nicht die Verteidigung zu vertreten, warum die Gutachten nicht vorliegen. Das werden Sie ja der Verteidigung nicht vorwerfen können, daß wir das zu vertreten haben. In Gegenteil, die Verteidigung hat ständig darauf gedrängt seit Anbeginn des Prozesses, daß hier ordnungsgemäße Gutachten eingeholt werden. Und wenn nun in der Tat aus dem [3004] Fehlen dieser Gutachten eine prozessuale Konsequenz zu ziehen ist, und das sagen Sie selber für den 23. September, dann ist in der Tat nicht einzusehen und nicht plausibel zu machen, es sei denn, man will hier irgend wie ein Programm abspulen, warum diese Konsequenz nicht heute zu ziehen ist, nicht heute, bzw. man kann das überbrücken, damit man die Zehntages-Frist einhält, daß man dann also morgen irgendwie Möglichkeit findet, da, diese Möglichkeit beherrscht sicher der Senat auch. Wenn ich das nochmal dazu sagen darf, Herr Dr. Wunder, ich sehe, Sie wollen darauf vielleicht nochmal eingehen, dann stelle ich[g] also weitere Ausführungen zunächst mal zurück.

Vors.:

Nein, ich möchte sagen, eine zweite Erwiderung wird nicht möglich sein. Wollen Sie in der Tat erwidern.

BA Dr. W[under]:

Es wäre nur ein Satz an Herrn Rechtsanwalt Schily gewesen. Wenn ich Sie recht verstanden habe vorhin, haben Sie Ihre Ausführungen in etwa selbst damit eingeleitet, daß Sie den Antrag womöglich gar nicht stellen würden, wenn Ihnen verbindlich erklärt werden würde, wann die Gutachten vorliegen. Nur die verbindliche Erklärung, Herr Rechtsanwalt Schily, so wie Sie sie sehen, die kann der Herr Vorsitzende nicht geben. Aber es ist doch so, daß wenn wir den Vorsitzenden richtig verstanden haben, mit fast Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß am 1. Sitzungstag die Gutachten vorliegen. Weshalb dann heute die Geschichte übers Knie biegen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Pfaff.

RA Pf[aff]:

Von Verbindlichkeit, Herr Dr. Wunder, kann natürlich nach wie vor keine Rede sein.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen sehe ich nicht zur Erwiderung. Dann machen wir jetzt eine kurze Pause. Die Angeklagten können im Saale bleiben.

Der Senat zieht sich um 9.46 Uhr zur Beratung zurück.

Ende von Band 169

[3005] Die Hauptverhandlung wurde um 10.15 Uhr fortgesetzt.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat beschlossen:

Die Anträge auf Unterbrechung der Hauptverhandlung werden abgelehnt.

Aufgrund der vorliegenden Sachverständigenäußerungen hat der Senat keine Zweifel, daß die Angeklagten jedenfalls innerhalb einer täglich auf 3 Stunden beschränkten Verhandlungszeit verhandlungsfähig sind. Die internistischen Gutachten werden, nach telefonischer Auskunft von Prof. Dr. Müller, im Laufe der nächsten Woche erstattet werden. Prof. Dr. Müller hat keine Bedenken dagegen, daß bis dahin täglich 3 Stunden lang verhandelt wird. Im übrigen hat der Senat soeben sämtliche Gutachter mit Eilpost um rascheste Erstattung der Gutachten gebeten.

Wir können also die heutige Verhandlungszeit nützen nochmals.

Die Angeklagten haben die Gelegenheit, sich ab jetzt zur Sache zu äußern.

Herr Rechtsanwalt Dr. Plottnitz, von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich will die Verhandlungszeit auch nützen und für den Herrn Raspe einen Antrag stellen. Ein Ablehnungsgesuch, das sich stützt auf 3 Punkte.

Der Antrag hat zunächst folgenden Wortlaut:

Herr Raspe lehnt den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing sowie die beisitzenden Richter Dr. Foth, Dr. Breucker, Maier und Dr Berroth wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Das Ablehnungsgesuch stützt sich, was die Tatsachen angeht, die zu seiner Begründung vorgetragen werden, auf insgesamt drei Komplexe. Der 1. Komplex ist der Beschluß, behandelt die Begründung des Beschlusses, durch den der Senat festgehalten hat an den Sachverständigen Prof. Ehrhardt und Prof. Mende.[16] Der 2. Komplex berührt die Versagung einer Besuchserlaubnis für einen Antragsteller, Herrn Rudi Dutschke[17] und die Begründung, die der Senat für die Versagung dieses Besuchs gegeben hat und ..., bzw. der abgelehnte Richter dazu, dafür gegeben hat.

[3006] Und der 3. Komplex berührt die Weigerung des Senats trotz der offenkundigen Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit sich dazu entschließen zu können, hier vor Übergang in die Prozeßphase, Einlassung zur Sache eine Unterbrechung, wobei die Fristfrage dann dahingestellt bleiben kann, eine Unterbrechung vorzunehmen.

Zu dem Beschluß vom 9.10.1975, den Beschluß des Senates also, durch den festgehalten worden ist an den Sachverständigen Ehrhardt und Mende, ist ja gestern von den Kollegen hier bereits einiges gesagt worden. Die Angriffe insoweit richteten sich auf ...

Richter Dr. Foth:

Herr v[on] Plottnitz, gestatten Sie eine Frage. Wir haben ja zunächst über die Befangenheit der Sachverständigen entschieden miteinander und dann gab es einen Beschluß, daß man an Herrn Ehrhardt festhält und daß man an Prof. Mende festhält. Könnten Sie es nochmal genau präzisieren, daß wir uns also richtig verstehen?

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich präzisiere es dahingehend, daß der 1. Komplex, auf den das Ablehnungsgesuch gestützt wird, die Begründung, die Begründung des Beschlusses des Senates vom 9.10.1975 ist, durch den die Befangenheitsanträge gegen die Sachverständigen Ehrhardt und Mende abgelehnt wurden[h].

Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt um 10.19 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

9.9. ist ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Vom 9.10. ja, von vorgestern.

Vors.:

9.9.

RA v[on] P[lottnitz]:

9.9., ja.

Wie gesagt, zu dem Inhalt dieses Beschlusses vom 9.9. ist ja bereits einiges gesagt worden und zwar mit dem Ziel, von Kollegen, mit dem Ziel, den Senat zu einer Korrektur dessen zu bewegen, was im Zusammenhang mit der Begründung dieses Beschlusses als Rechtsauffassung angesprochen werden könnte. Wohl gemerkt nur angesprochen werden könnte, weil der Herr Raspe das anders sieht. Der Herr Raspe sieht das insofern anders, als er der Auffassung ist und wie ich meine, zu Recht der Auffassung ist, daß das, was der Senat in der Begründung dieses Beschlusses vom 9.9.1975 offenbart hat, gar nicht [3007] mehr eine unzutreffende Rechtsauffassung ist oder eine Rechtsauffassung ist, über die man als Rechtsauffassung streiten kann, sondern daß der Senat in voller Kenntnis, in voller Kenntnis der Befangenheit und der Tatsachen, die die Befangenheit dieser beiden Gutachter begründen, an diesen beiden Gutachtern festgehalten hat und daß dieses Verhalten der abgelehnten Richter, soweit es einen Ausdruck findet in dem Beschluß, sich vor allen Dingen exemplifizieren läßt an der Art und Weise, wie manipulativ, wie manipulativ der Sinn, der Inhalt der Briefe, die Prof. Ehrhardt an den Senat geschrieben hat, am 21.7. und 21.8.1975 bzw. Prof. Mende geschrieben hat, am 22.8.1975, wie manipulativ also dieser Sinn entstellt worden ist.

Die abgelehnten Richter haben sich in der Begründung dieses Beschlusses vom 9.9.1975, ja zunächst auf den Standpunkt gestellt, die von der Verteidigung bzw. den Gefangenen selbst zitierten Passagen aus früheren Veröffentlichungen der beiden Sachverständigen ließen Rückschlüsse auf deren spezifische Voreingenommenheit den Gefangenen gegenüber nicht zu. Das ist ja der Kern der Begründung gewesen. Die abgelehnten Richter wußten und wissen jedoch genau, daß in den zitierten Passagen der Gutachter nicht nur eine beliebige forensisch-psychiatrische Lehrmeinung zum Ausdruck kommt, sondern gleichzeitig eine politische Einstellung, die denen der Gefangenen diametral entgegengesetzt ist. Denn die zitierten Passagen dienten für jedermann, und somit auch für die abgelehnten Richter erkennbar, dem Nachweis der simplen Tatsache, daß sich die beiden Gutachter in ihrer Eigenschaft als forensische Psychiater in besonders nachdrücklicher Weise für eine gesellschaftliche und politische Realität verwenden, die von Gefangenen in ebenso nachdrücklicher Weise der Kritik unterzogen wird. Schon unter diesem Gesichtspunkt, hätten die abgelehnten Richter dem Antrag auf Ablehnung der Sachverständigen entsprechen müssen. Also in den zitierten Passagen ist, oder mit den zitierten Passagen ist zweifelsfrei klargestellt[i] worden, daß sich diese beiden durch die seinerzeitigen Ablehnungsgesuche abgelehnten Sachverständigen in besonders pointierter Weise gerade für politische und gesellschaftliche Inhalte einsetzen, [3008] die bekannterweise, bekannterweise das ist also ein wesentlicher Punkt der Begründung dieses Gesuches jetzt, die bekannterweise von den Gefangenen selbst abgelehnt werden. In Gutachterauftrag an den Sachverständigen geht es erklärtermaßen auch um den Zusammenhang von Isolationshaft und Verhandlungsfähigkeit. Insoweit kann ich verweisen an Schreiben des Senats an die Gutachter, in denen um entsprechende Klarstellungen auch gebeten worden ist. Angesichts der in den zitierten Passagen der Gutachter Ehrhardt und Mende zutage tretenden Einstellung hatten und haben die Gefangenen spezifischen Anlaß zu der Befürchtung, daß diese beiden Sachverständigen ihre Gutachterstellung zu einer wissenschaftlich nicht ausweisbaren Verteidigung ihrer gegenwärtigen Haftbedingungen mißbrauchen könnten. Die abgelehnten Richter wollen den Gefangenen Gutachter zumuten, wollen den Gefangenen einen Gutachter zumuten, der wie der angeblich völlig unvoreingenommene[j], so die Begründung des Beschlusses des Senates, wie der angeblich völlig unvoreingenommene Prof. Ehrhardt, die durch § 136a StPO[18] geschützte Willensfreiheit des Angeklagten als lästig für die Durchführung von Gutachteraufträgen bezeichnet, der weiter noch kritisch, oder nennen wir sie kritische nostalgische Betrachtung über eine, so wörtlich, „Gegentendenz“ anstellt, die in Anschluß an die Erfahrung unter dem NS-Regime die Menschenrechte vom Beschuldigten vor Gutachtern zu schützen bestrebt war, die ihre Opfer nicht mehr als Menschen, sondern nur noch als ausbeutbare Objekte behandeln wollten. Die abgelehnten Richter verweisen die Gefangenen in der Begründung ihres Beschlusses insoweit auf die Möglichkeit, sie vor etwaigen Versuchen des Gutachters Prof. Ehrhardt, sein Gutachten unter Umgehung der Schutzvorschrift des § 136a StPO zu erstatten, unter Anwendung von § 78 StPO[19] zu schützen. Eine solche Passage enthält ja die Begründung Ihres Beschlusses. Sie bestätigen damit selbst, wenn auch unfreiwillig, die begründete Besorgnis der Befangenheit gegen den Gutachter Ehrhardt, ohne jedoch gleichzeitig den durch seine Ablehnung als Sachverständigen in diesem Verfahren gebotenen Schutz real zu gewähren. Die einzige Möglichkeit, die Gefangenen in der Tat zu schützen vor einen Sachverständigen, wie Prof. Ehrhardt, wäre nicht ge- [3009] wesen, der vage Hinweis auf die Leitung der Sachverständigentätigkeit durch den Vorsitzenden gemäß § 78 StPO. Die einzige Möglichkeit, die Notwendigkeit des Schutzes hätte realisiert werden können und realisiert werden müssen, dadurch, daß man vor diesem Sachverständigen Abstand nimmt, ihn als befangen ablehnt, und zwar auch als Senat hier. Die abgelehnten Richter haben mit ihrem gestrigen Beschluß an den Gutachtern Ehrhardt und Mende festgehalten, obwohl spätestens seit den insoweit gestellten Ablehnungsanträgen und ihren umfänglichen Begründungen offensichtlich ist, daß beide Sachverständigen sich bei ihrer gutachterlichen Tätigkeit von dem Primat unbedingter und keinerlei Kritik zugänglicher Staatstreue leiten lassen. Sie haben ihren Zurückweisungsbeschluß in voller Kenntnis der Tatsache gefaßt, daß sich nicht nur der Inhalt der Anklageschrift vom 26.9.1975, sondern auch und gerade die Haftbedingungen der Gefangenen, deren mögliche pathogene Ursachen von den Gutachtern zu klären wären, dem Vorwurf radikaler Gegnerschaft der Staat BRD gegenüber verdankt und daß das natürlich auch den Gutachtern Ehrhardt und Mende bekannt ist, denn worum es in diesem Verfahren geht, ist zumindest grob der Öffentlichkeit soweit bekannt, daß das auch jeden Sachverständigen, der hier als Gutachter bestellt wird, bekannt ist. Die Befürchtung der spezifischen Voreingenommenheit der Gutachter Mende und Ehrhardt gerade den Gefangenen dieses Verfahrens gegenüber, hat sich in ihren Briefen an den Senat, vom 21. bzw. 22.8.1975, mit nicht zu übertreffender Deutlichkeit bestätigt. Es ist ja gestern glaube ich schon gesagt worden, daß diese Briefe als Musterbeispiel für den Fall einer Befangenheit betrachtet werden können. In der Würdigung dieser Briefe, haben die abgelehnten Richter ihre eigene Befangenheit den Gefangenen gegenüber unter Beweis gestellt. In seinem Schreiben vom 21.8.1975 stellt der Gutachter Ehrhardt den konkreten Haftbedingungen der Gefangenen vorab einen Freibrief aus und bestreitet umstandslos jeden negativen Einfluß dieser Haftbedingungen auf die Verhandlungsfähigkeit der Gefangenen. Er tut dies wohlgemerkt, ohne sich je einen eigenen Eindruck von den Unterbringungsbedingungen im 7. Stock[20] verschafft oder irgendwelche Untersuchungen vorgenommen zu haben. [3010] Darüberhinaus maßt er sich auf unerträgliche Weise, ihm als Gutachter keinesfalls zustehende Befugnisse an, wenn er schreibt, „Die Beschlüsse, die den Haftbedingungen zugrunde liegen, bewegten sich“, so wörtlich, „selbstverständlich“ im Rahmen der StPO. Und die, in diesen Ausführungen zum Ausdruck kommende Unvoreingenommenheit, Voreingenommenheit legitimieren zu können, manipulieren die abgelehnten Richter ihren Sinn. Sie behaupten allem Augenschein zum Trotz, der Gutachter habe sich nicht über die konkrete Situation der Gefangenen und ihrer Haftbedingungen geäußert, sondern lediglich über den abstrakten Zusammenhang von Haftbedingungen, die und jetzt zitierte ich aus Beschluß vom 9.9., „den Standard des internationalen und nationalen Rechts wahren“ und über den Einfluß derartiger Haftbedingungen auf die Verhandlungsfähigkeit von Untersuchungsgefangenen ganz allgemein.

Reg. Dir. Widera verläßt um 10.28 Uhr den Sitzungssaal.

Daß der Gutachter Ehrhardt im gleichen Schreiben den Inhalt der Verhandlungsprotokolle als, ich zitiere wieder wörtlich, „streckenweise deprimierend“ bezeichnet und damit ein weiteres eklatantes Beispiel anmaßender Voreingenommenheit liefert, verharmlosen die abgelehnten Richter, wider besseres Wissen, es geht also überhaupt nicht mehr um Rechtsauffassungen, denn die abgelehnten Richter sprechen alle sehr gut deutsch, verharmlosen die abgelehnten Richter wider besseres Wissen zu einer, ich zitiere aus dem Beschluß, „beiläufigen Randbemerkung“ aus der die Gefangenen angeblich, ich zitiere wiederum, „vernünftigerweise nichts gegen sich herleiten können“.

Dabei wissen die abgelehnten Richter genau ...

[k]

... daß der Gutachter Ehrhardt mit seinem auf Teile des Protokolles bezogenen Wort „deprimierend“, nicht etwa Äußerungen der Bundesanwaltschaft oder der richterlichen Mitglieder des Senats im Auge hatte, sondern ausschließlich solche Äußerungen der Gefangenen und ihrer Verteidiger abzuqualifizieren trachtete. Die von keiner Kenntnis getrübte und allein auf die Vor- [3011] abdiffamierung Gefangener und ihrer Verteidiger abzielende Bemerkung des Sachverständigen Ehrhardt, ebenfalls im Schreiben von 21.3.1975, durch welche entsprechende Äußerungen zur Frage der partiellen Verhandlungsfähigkeit, der Beiziehung von Ärzten des Vertrauens oder Symptomatik der sensorischen Deprivation umstandslos als, ich zitiere wiederum aus dem Schreiben des Sachverständigen, „zum Teil abenteuerliche Ausführungen“ abgetan werden, wird von den abgelehnten Richtern, natürlich wieder einmal gegen besseres Wissen, als angebliche, ich zitiere aus dem Beschluß, „durchaus zulässig vorläufige Meinungsbildung aus der Verwertung von Prozeßmaterial“ bezeichnet. Mit anderen Worten, zu unanfechtbaren wissenschaftlich begründbaren Gutachterstellungnach hochstilisiert. Wenn der Sachverständige Ehrhardt seine Verächtlichmachung der Gefangenen in diesem Zusammenhang mit dem Satz fortsetzt, ich zitiere „von der Verfahrenstaktik abgesehen, werden dabei auch grundsätzliche Mißverständnisse deutlich“ tun die abgelehnten Richter in der Begründung ihres Beschlusses so, als ob von, und jetzt zitiere aus dem Beschluß vom 9.9. wieder, „Überlegungen in wieweit Äußerungen von Verfahrensbeteiligten taktisch motiviert sein könnten“ die Rede sei. Als ob sich Prof. Ehrhardt über Äußerungen irgendwelcher Verfahrensbeteiligten, nicht konkret der Gefangenen und ihrer Verteidiger ausgelassen hätte ...

Reg. Dir. Widera erscheint wieder um 10.31 Uhr.

... als ob dieser angebliche Sachverständige mit dieser Äußerung nicht alle Anträge der Verteidigung und der Gefangenen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit nicht klar und deutlich als bloße Verfahrenstaktik und damit als nicht ernst gemeinten und nicht ernst zu nehmenden winkeladvokatorischen Trick abqualifiziert hätte. Bei dererlei Würdigung durch die abgelehnten Richter nimmt es nicht mehr Wunder, daß sie das schlecht, nämlich als Möglichkeit der Klarstellung angeblicher, ich zitiere aus dem Schreiben „Mißverständnisse“ camouflierter Angebot[l] des Gutachters Ehrhardt in diesem Verfahren als eine Art Mitstreiter für die Isolationshaft auf- [3012] zutreten, dankbar als, wiederum Zitat „Möglichkeiten und Grenzen“, der Akzent liegt hier ganz gewiß auf „Möglichkeiten“, seiner gutachterlichen Tätigkeit für das Gericht entgegennehmen, natürlich für den Fall, daß die Angeklagten nicht ausreichend untersucht werden können. Es verwundert in der Tat nicht, daß auch dieses Angebot auf so dankbaren und fruchtbaren Boden hier gefallen ist. In seinem Schreiben an den Senat vom 22.8.1975 spricht der Gutachter Mende, gleich im ersten Satz, das ist also auch wichtig, gleich im ersten Satz, das fällt nicht irgendwie zu einem späteren Zeitpunkt, gleich im ersten Satz vom angeblich, ich zitiere, „schlechten Verhandlungsstil der von den Wahlverteidigern praktiziert wird“. Auch die abgelehnten Richter wissen, als vollexaminierte Juristen genau in welchem Ausmaß eine derartige Kritik an ihren Verteidigern geeignet ist, auf Seiten der Gefangenen die Besorgnis der Befangenheit auszulösen. Des Hinweises des Kollegen Heldmann, auch in der Sitzung am 9.9.1975, auf die entsprechende Kommentierung etwa im Kommentar von Löwe-Rosenberg hätte es insoweit gar nicht bedürft, er verwies auf die Anmerkung 6 zu § 74[ StPO].[21] Die Besorgnis der offenkundigen Befangenheit diesem Gutachter gegenüber, bestreiten Sie deshalb in der Begründung Ihrer gestrigen Entscheidung auch hier wider besseres Wissen. Das ist also immer der Kern. Herr Raspe geht davon aus, daß es hier nicht um irgendwelche unzutreffenden oder anfechtbaren Rechtsauffassungen geht. Herr Raspe geht davon aus, daß die Befangenheit, die so offenkundig zum Ausdruck gekommen ist, dieser beiden Sachverständigen in den beiden Briefen, daß diese Befangenheit allen abgelehnten Richtern des Senats ganz genau bekanntgeworden ist, ganz genau klargeworden ist auch, und daß sie dennoch und wider besseres Wissen in voller Erkenntnis dieser Tatsache an diesen Sachverständigen festgehalten haben. Im Hintergrund des Verhalten der abgelehnten Richter steht der Versuch, den Gefangenen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit zwei Gutachter aufzuzwingen, die in früheren Publikationen, sowie durch den Inhalt ihrer beiden Briefe an den Senat von 21. bzw. 22.8.1975 längst ein Übermaß an Tatsachen geschaffen haben, die die Besorgnis ihrer Voreingenommenheit [3013] und spezifischen Parteilichkeit für die Interessen der Strafverfolgungsbehörden rechtfertigen. Die abgelehnten Richter haben damit ihre eigene Befangenheit den Gefangenen gegenüber, man kann sagen, einmal mehr dokumentiert. Das ist der erste Komplex auf den sich das Ablehnungsgesuch des Herrn Raspe stützt. Zur Glaubhaftmachung[22] insoweit verweise ich auf den Inhalt der Briefe des Sachverständigen Ehrhardt vom 21.7 und 21.8.1975, sowie auf den Inhalt des Briefes des Sachverständigen Mende an den Senat vom 22.8.1975, sowie ergänzend zur Glaubhaftmachung auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 9.9.1975 bzw. den Inhalt des entsprechenden Beschlusses von dem hier die Rede ist.

Als nächstes ist das Ablehnungsgesuch des Herrn Raspe auf folgenden Vorgang zu stützen, folgende Tatsachen zu stützen: Die Verteidigung von Herrn Raspe hatte mit Antrag von 25.8.1975 beantragt, Herrn Dr. Rudi Dutschke, wohnhaft in Berlin, eine Besuchsgenehmigung zu erteilen. Dem lag folgende Situation zugrunde: Der Herr Dutschke hatte den Herrn Raspe schon einmal, und zwar Ende des Jahren 1974, besucht. Er hatte dann zu Beginn des Jahren 1975 erneut einen[m] Besuchsantrag gestellt, dieser Besuchsantrag war abgelehnt worden und zwar in einer Weise, die ja hier in diesem Verfahren zu genüge bekanntgeworden ist, ohne eigenständige Begründung des, die Verfügung unterzeichneten Richters, hier des Vorsitzenden und abgelehnten Richters Dr. Prinzing, sondern unter Hinweis auf einen Begründung ..., eine Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, in der beantragt worden war, die Besuchserlaubnis zu versagen. Es hieß dann in dem Beschluß, und zwar ist es eine Verfügung vom, keinen Beschluß eine Verfügung, vom 7.1.1975, lapidar, nach dem also in eingerückter Form die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, mit der um Ablehnung gebeten worden war, wiedergegeben worden war, dem ist beizutreten. Der Antrag jetzt, der jetzt im August, am 25.8. von der Verteidigung gestellten Antrag, Herrn Dutschke eine Besuchserlaubnis zu erteilen, einen Antrag, der begründet worden war auch mit neuen Tatsachen, auch unter Eingehung auf das, was die Bundesanwaltschaft zu Beginn des Januars 1975 geschrieben hatte, um Herrn Dutschke einen Be- [3014] such zu verwehren, ist durch Verfügung vom gestrigen Tag, nämlich vom 10.9.1975 abgelehnt worden. Wiederum in der bekannten Art, es heißt hier, „der Antrag wird aus den fortdauernden Gründen der Verfügung vom 7.1.1975 abgelehnt.“ Auf das, was die Verteidigung zur Begründung des Antrags vorgetragen hatte, wird nicht[n] eingegangen. Es wird nur auf das Bezug genommen, was sich in der Vergangenheit bereits abgespielt hat. Auch dieser Vorgang begründet die Besorgnis der Befangenheit gegen den abgelehnten, hier abgelehnten Richter Dr. Prinzing. Die Bundesanwaltschaft hat, und das ist ja wohl auch dann etwas, das der abgelehnte Richter Dr. Prinzing sich als Überlegung zu eigen gemacht hat, in einem früheren Antrag, der seinen Niederschlag dann gefunden hat, wie gesagt, in der Bezugsverfügung vom 7.1.1975, Tatsache, daß der Antragsteller Dutschke bei der Beerdigung von Holger Meins den Satz gesprochen hatte, „Holger der Kampf geht weiter“, zum Anlaß genommen, hier irgendwelche abstrusen, absurden und unhaltbaren Ausführungen darüber zu machen, daß der Besuch von Herrn Dutschke, der beantragte Besuch von Herrn Dutschke zu agitatorischen Zwecken mißbraucht werden könnte, so ist die einschlägige Formulierung der Herren von[o] der anderen Seite. Offensichtlich hat sich diesen Standpunkt und diese Überlegung auch der abgelehnte Richter Dr. Prinzing zu eigen gemacht. Wenn ein Antrag, wie er hier gestellt worden ist für Herrn Dutschke, mit solchen Überlegungen zurückgewiesen wird, dann muß man diese Überlegung als Vorwand bezeichnen, denn natürlich ist auch dem abgelehnten Richter Dr. Prinzing, erst recht natürlich der Bundesanwaltschaft, die sich ja der vielfältigsten Erkenntnisquellen in solchen Fällen zu[p] bedienen weiß, bekannt, daß der Haftzweck, der im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft des Gefangenen Raspe besteht, durch einen Besuch durch Herrn Rudi Dutschke nie und nimmer gefährdet ist. Was hier ... Was hier real vor sich geht ist folgendes: Die Bundesanwaltshaft hegt den Verdacht, möglicherweise sogar zu Recht, den Verdacht, daß Herr Dutschke zu denjenigen Leuten in diesem Lande gehört, die die Haftbedingungen, die Haftbedingungen, unter denen die Gefangenen in diesem Verfahren und Gefangenen anderen Verfahren im Parallelverfahren zu leiden haben, für ändern, zu verändernde halten, daß sie diese Haftbedingung für untragbar [3015] halten und daß sie an diesen Haftbedingungen Kritik üben. Eine solche Kritik gefährdet jedoch noch lange nicht den Haftzweck,[23] das weiß man. Die Bundesanwaltschaft und der abgelehnte Richter Dr. Prinzing, der sich dererlei Überlegungen zu eigen macht, versuchen mit der Ablehnung derartiger Besuchsanträge lediglich sich selbst vor öffentlicher Kritik zu schützen, lediglich sich selbst vor öffentlicher Kritik zu schützen, soweit es hier geht, um die konkreten Haftbedingungen, denen die Gefangenen unterliegen. Eine solche Kritik ist aber nichts, was einen Haftzweck gefährdet, das weiß jeder. Sie ist vor allen Dingen aber auch nichts, was hier einen Besuchsantrag zu einem Antrag macht, der abzulehnen ist. Da der Haftzweck nicht gefährdet ist, gab es eine Verpflichtung des abgelehnten Richters Dr. Prinzing hier, sich nicht auf Absurditäten der Bundesanwaltschaft zu stützen, sondern dem Besuchsantrag zu entsprechen. Daß er das nicht gemacht hat, zeigt, daß auch der abgelehnte Richter Dr. Prinzing auf anderer Ebene hier, es geht ja um Kontakte mit der Außenwelt, nach wie vor ein Interesse daran hegt, Herrn Raspe als einen der vier Gefangenen hier hermetisch von der Außenwelt abzuriegeln, ihm jede Möglichkeit zu nehmen, mit Leuten außerhalb der Justizvollzugsanstalt und zwar auch und gerade Leuten, die, deren Besuch keiner, in keiner Weise den Haftzwecke gefährden würde, mit solchen Leuten zu kommunizieren. Der Vorgang ist übrigens umso empörender, als auch der abgelehnte Richter Dr. Prinzing, wie alle abgelehnten Richter und wie natürlich auch die Bundesanwaltschaft, wissen, daß Herr Raspe zum Beispiel seit dem 1. Januar 1975, also seit annährend 9 Monaten, zweimal Besuch gehabt hat, zweimal Besuch von Leuten außerhalb der JVA und umso empörender, weil alle, um die es hier in diesem Zusammenhang geht, bei der Begründung dieses Antrags gehts um den abgelehnten Richter Dr. Prinzing, wissen, daß es schwierig genug ist, Leute zu finden, die nicht nur bereit sind, die nicht nur Interesse an Auseinandersetzung an Kommunikationen haben mit den Gefangenen, sondern die auch die reale Befürchtungen überwinden, als Besuchantragsteller sofort zu einem Dossier beim Bundesamt für Verfassungsschutz oder beim BKA gemacht zu werden, als mutmaßlicher und potentielle Großterroristen. [3016] So ist doch die Situation, wenn hier Besuchsanträge gestellt werden. Wenn sich dennoch jemand findet, der sich nicht einschüchtern läßt durch das, was in diesen Zusammenhängen geschieht und ein solcher Antrag abgelehnt wird, mit einer derartigen Begründung abgelehnt wird, wie sie die Bundesanwaltschaft Anfang Januar in der Stellung ihres Antrags gegeben hat und wie sich der abgelehnte Richter Dr. Prinzing zu eigen gemacht hat, dann zeigt man damit in höchstem Ausmaß Befangenheit. Wegen der Tatsachen, die das Ablehnungsgesuch insoweit begründen, verweise ich zur Glaubhaftmachung auf die Verfügung des abgelehnten Richters Dr. Prinzing vom 10.9.1975 und die Anlage zu dieser Verfügung, nämlich die Verfügung vom 7.1.1975 in der auch die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu einem Besuchsantrag vom 2.1.1974 inhaltlich wiedergegeben ist.

Der dritte Komplex auf den sich das Ablehnungsgesuch stützt, betrifft die heutigen Anträge das Verfahren zu unterbrechen, weil als neue Verfahrensphase hier ansteht, die Erklärung der Gefangenen zur Sache auf der einen Seite, auf der anderen Seite bekannt ist, daß manifeste Zweifel am Ob und Umfang der Verhandlungsfähigkeit der Gefangenen besteht und von daher, da die Einlassung zur Sache und die Erklärung zur Sache das ist, was jeden Angeklagten in jedem Strafverfahren am meisten anstrengt, was mit den größten Belastungen verbunden ist, von daher also die Unterbrechung bis zur endgültigen Vorlage der Sachverständigengutachten geboten gewesen wäre. Die abgelehnten Richter haben sich nicht, der Beschluß vom heutigen Tage, insoweit hat es gezeigt, haben sich nicht dazu verstehen können, hier mal das gesundheitliche Interesse der Gefangenen und sei es auch nur an so einem harmlosen Punkt, in so einer harmlosen Situation wie der heutigen, ernst zu nehmen und die beantragte Unterbrechung zu gewähren. Sie haben vielmehr einmal mehr zu erkennen gegeben, daß sie ohne Rücksicht auf die Frage, welche gesundheitlichen Auswirkungen hat dies für die Gefangenen, daß sie ohne Rücksicht auf diese Frage gewillt sind, auf Biegen und Brechen hier und strikter Abneigung dessen, was die Sachverständigen, in einem Schreiben mal [3017] „als nicht kleinliche Handhabung“[24] bezeichnen, die Hauptverhandlung durchzuziehen, das heißt in Rahmen dieser 3-Stundenregelung durchzuziehen. Die abgelehnten Richten wissen auch hier, daß es durchaus möglich sein kann, daß dann heute begonnen würde mit den Erklärungen zur Sache, angesichts der bekannten und[q] offenkundigen Zweifel und vielfach bereits jetzt in das Verfahren eingeführten Zweifel auch von den Gutachtern bereits, daß es möglich ist, daß die Anstrengung die mit den Erklärung zur Sache verbunden ist, hier schlechte Folgen haben kann, gravierende Kippfolgen haben kann, wie es hier heut mal genannt worden ist. Das zeigt, daß Sie in einem früheren Schreiben an Herrn Rauschke schon mal gebeten haben, ob er nicht als Gutachter für solche plötzlichen Schwächezustände sich zur Verfügung stellen könnte. Da Sie selbst die Gefahr plötzlichen Schwächezustände sehen auf der einen Seite, auf der anderen Seite hier dennoch in voller Kenntnis und mit dem Risiko solcher Schwächezustände den Gefangenen zumuten wollen, hier die Erklärung zur Sache abzugeben, zeigen Sie auch in diesem Punkt Voreingenommenheit und Parteilichkeit. Das zur Begründung des letzten Tatsachenkomplexes, auf den das Ablehnungsgesuch gestützt wird. Zur Glaubhaftmachung insoweit verweise[r] ich auf den Beschluß zum Unterbrechungsantrag aus der Sitzung vom heutigen Tage.

Ich möchte an Ende noch einen, ein Wort sagen zur, zum Schicksal von Ablehnungsgesuchen in diesem Verfahren überhaupt.

Die Bundesanwaltschaft wird zu diesem Antrag, wie gehabt, Stellung nehmen mit der Formulierung, es ist ein eindeutiger Versuch, hier das Verfahren zu verschleppen, verfahrensfremde Zwecke zu verfolgen und so weiter und so fort. Nun ist es nicht so, daß ein Verteidiger in diesem Verfahren nach den[s] bisherigen [t] Erfahrungen[u] seit dem 21.5.1975, nicht wüßte, daß der Begriff der Befangenheit, sowie ihn die Strafprozeßordnung kennt, zu diesem Verfahren suspendiert ist. Solange er jedoch Verteidiger in diesem Verfahren ist, muß er auch auf die Gefahr hin, daß ihm von der Bundesanwaltschaft entgegengehalten wird und das ist ja das, was die Bundesanwaltschaft real meint bei ihren Stellungnahmen zu diesen Anträgen, zu diesen Ablehnungsgesuchen. Sie wissen selbst [3018] ganz genau, daß Ablehnungsgesuche hier keinen Erfolg haben und keinen Erfolg mehr haben können. Selbst auf diese Gefahr hin muß er dort, wo sich Befangenheit des Senats, Befangenheit der abgelehnten Richter konkret im Einzelfall zu erkennen gibt, diese Befangenheit zum Gegenstand von Ablehnungsgesuchen machen. Ob man sich mit einen derartigen, mit einem derartigen Verfahren, mit einem derartigen Verhalten als Verteidiger nicht zu speziell in einem Verfahren wie diesem, wo wie gesagt die Befangenheit[v] längst demontiert ist als Rechtsbegriff, nicht zu einem Alibi wird, das ist eine ganz andere Frage über die ich mich an der, an dieser Stelle nicht zu äußern habe.

Vors.:

Schließt sich jemand dem Antrag an? Ich sehe nicht. Die Bundesanwaltschaft kann sie, will sie sich äußern?

Herrn Raspe, ja bitte. Wenn ich frage danach ist es gut, wenn Sie mir es gleich zu erkennen geben.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich wollte ...

Vors.:

Bitte um Verständnis ...

Angekl. R[aspe]:

... Ich wollte der Begründung einige Sachen zufügen. Und zwar möchte ich also zunächstmal sagen, daß ich den Ablehnungsantrag noch um einen Punkt erweitern möchte. Und zwar im Zusammenhang des heutmorgen bereits verhinderten, meines verhinderten Versuchs, hier einen Antrag zur Protollkorrektur stellen zu können, möchte ich also diesen Ablehnungsantrag gegen den Senat um diesen Punkt erweitern. Das ist also bisher offensichtlich unmöglich gemacht worden ist, daß wir, obwohl wir also wirklich x-mal darauf hingewiesen haben, daß und wie diese Protokolle verfälscht werden, falsch abgeschrieben werden, sinnentstellend abgeschrieben werden, daß es bisher nicht möglich gemacht worden ist, daß wir in der öffentlichen Hauptverhandlung, denn es ist ein wesentlicher Gegenstand der öffentlichen Hauptverhandlung, daß wir in der öffentlichen Hauptverhandlung Protokoll ..., Anträge stellen können, formulieren können und es auch aus den Protokollen begründen können, wie das also offensichtlich, wie diese sinnentstellenden Verfälschungen zustandekommen, daß das also verhindert worden ist bisher, daß solche Anträge gestellt werden. Dahinter steht [3019] offensichtlich die[w] allgemeine Praxis des Senats und das haben wir also auch an mehreren Stellen gezeigt und es ist auch verhindert worden, das mal im Zusammenhang zu begründen, die Struktur zu zeigen. Dahinter steht also offensichtlich die Praxis des Senats, durch die Verlegung solcher Anträge aus der Hauptverhandlung mit der Begründung, sie seien nicht Gegenstand der Hauptverhandlung, durch diese Verlegung zu erreichen, daß entweder über diese Anträge nicht entschieden wird, daß sie verschleppt werden und damit nach ihrem Inhalt gegen sie entschieden wird, so also wirklich zum Beispiel die ganze Frage der Fernsehregelung[x] die ich jetzt detailliert hier nicht bringen will, wo aber wirklich dazu[y] zu sagen ist, daß es seit 6-7 Monaten hin und hergeschoben wird, ohne das sich wirklich faktisch etwas verändert und also unheimlich viele Schriftsätze existieren und immer wieder wird es also hier verhindert, indem also gesagt wird, es sei nicht Gegenstand der Hauptverhandlung und aus der Hauptverhandlung verbannt wird.

Und so zum Beispiel jetzt auch heut früh verhindert worden ist, obwohl ich also gesagt hab, daß das für die Frage der, zum Beispiel unsere Erklärung zur Sache ein relevanter Punkt ist, die Protokollkorrektur und das, was wir dazu zu beantragen haben. Auch das ist also aus der Hauptverhandlung verlagert worden mit der Begründung, es sei nicht Gegenstand der Hauptverhandlung. Ich möchte darin, in diesen Zusammenhang, um also das kurz zu begründen inwieweit das relevant ist, nur daran erinnern, daß der Senat Protokolle, oder Protokollteile an die Gutachter Ehrhardt und Mende verschickt hat und das macht also genau das, also das verdeutlicht den Punkt. Diese, diese Protokollteile sind natürlich nicht korrigiert worden von uns, weil sie eben aufgrund der, des Ausmaßes der entstellenden, der entstellenden verfälschenden Darstellungen überhaupt nicht korrigiert werden können von uns, denn wir haben das also auch mehrfach gesagt, wir haben keine schriftlichen Vorlagen und wir können sie also jedenfalls durch einfaches Durchlesen nicht korrigieren. Er hat also unkorrigierte Protokollteile an die Gutachter verschickt und wir haben gesagt und wir haben es auch gezeigt an der Praxis Witter, wie aus solchen Protokollen, aus Protokollen von Besuchsüberwachung [3020] von Verwandtenbesuchen etc. die aus solchen Protokollen schließlich diese Gutachter, Leute also wie Witter, wie Ehrhardt, wie Mende und Mende hat das ausdrücklich also auch erklärt, daß er alles kriegt, was er will, daß diese Gutachter aus Protokollen dann eben natürlich einfach auch ein Gutachten machen. Wir haben das zitiert, das war also die Anregung von Witter an die Bundesanwaltschaft unter anderem. Also auf diesen Komplex der Verhinderung, daß wir diese Anträge in der Hauptverhandlung überhaupt stellen können, möchte ich dieses Ablehnungsgesuch, wie gesagt, noch erweitern, weil eben damit wirklich verhindert wird, daß über sie entschieden wird, das ist der eine Punkt. Der andere Punkt bezieht also noch auf die, auf den Beschluß von vorgestern und die Beschlüsse und Entscheidungen des Senats von gestern im Zusammenhang, daß er es also abgelehnt hat unsere Begründung der Befangenheit von Ehrhardt und Mende stattzugeben, indem er sie, indem er die Bestellung zurücknimmt bzw. sie für befangen erklärt. Ich möchte da nochmal anknüpfen kurz, denn wir haben gestern und vorgestern und auch in der Woche davor genau diesen Punkt, und das war also tatsächlich dann auch schon antizipierend, benannt. Wir hatten gesagt, eine Maßnahme des Senats und des Richters, die hier als prozessuale Verkleidung, seine manchmal schon panischen Reaktionen auf unsere Argumentationen gebracht wird, in der Maßnahme der ständigen Unterbrechung, der Zerstörung von Argumentationen [z] und in der jetzt dauernden Androhung, Andreas auszuschließen, verteidigt sich die Identität im konkreten Zusammenhang der Argumentation zur Ablehnung dieser beiden Psychiater, verteidigt sich die Identität dieser beiden größten staatlich administrativen Zwangssystemen der Bourgeoisie nämlich aus Justiz und Psychiatrie, konkret in ihrer Klassenfunktion gegen uns. Mit dem Beschluß des Senats vorgestern und den Entscheidungen gestern hat er diese Identität für jeden sichtbar bewiesen. Wir werden das an ein paar Punkten nochmal belegen und zwar auch wenn das für uns langsam wirklich ermüdend geworden ist und auch obwohl es das geworden ist. Wir sind natürlich nicht davon ausgegangen, daß der [3021] Senat diese beiden Gutachter für befangen erklären könnte, nachdem er in diesen vier Monaten Hauptverhandlung als konsequente Ablehnungsmaschine wirklich voll funktioniert. Der Senat ist gezwungen, diese Psychiater zu bestellen, an ihrer Bestellung festzuhalten, sich wirklich an ihnen festzuklammern, weil sie eine Funktion übernehmen, wie wir genau gezeigt haben aus ihren Schriften, eine Schutzfunktion und eine Angriffsfunktion, die der Senat gegenüber der Öffentlichkeit zwingend braucht und die er nur von diesen Gutachtern kriegen kann. In diesem Zwang, diese Gutachter zu bestellen[aa], und an ihnen festzuhalten, in diesem Zwang hat Prinzing die Identität zwischen der Staatsschatzjustiz und der Staatspsychiatrie öffentlich hergestellt.

Ende Band 170

[3022] Und die Gründe für die Befangenheit dieser beiden Psychiater belegen, werden hier, verändert, nach ihrer Funktion, im Verfahren gegen uns, auch bestimmt, für die Befangenheit des Gerichts. Ehrhardt hat, und das beweist sein Brief an den Senat, nach dem Studium der Haftbedingungen[bb], wie sie aus den Beschlüssen sich ihnen darstellen, die der Senat den Gutachtern zugeschoben hat, Ehrhardt hat klar erkannt, und das ist die Kehrseite dessen, was ich eben gesagt hab, daß Prinzing ihn braucht. Das heißt, daß der Senat die Rechtfertigung durch die Kriminalpsychiatrie, die er vertritt, braucht, und zwar genau in der Funktion und in der Bestimmung braucht, aus denen wir ihn[cc], also diesen Psychiater, belegt über vier Tage und konkret an seinen Schriften, abgelehnt haben. Konkret: Ehrhardt hat erkannt, daß er in dieser Verschmelzung zwischen erstens, wenn er mit einer[dd] biologistisch-faschistischen Krankheitsbegriff ausgerüsteten Psychiatrie, zweitens in seinen psychiatrisch abgesicherten rechtspolitischen Intentionen und drittens, in seinem Wissenschaftsbegriff, aus dem er die Psychiatrie im Gerichtssaal zur Hilfswissenschaft der Justiz erklärt hat, er hat erkannt, daß er aus der Fusion dieser drei Bestimmungen für Prinzing und diesen Senat unentbehrlich geworden ist. Und so erklärt er für Prinzing, also für die Rechtfertigung der Verfügung dieses Richters, daß die Frage der Verhandlungsunfähigkeit grundsätzlich nicht in den Haftbedingungen begründet sein kann. Genau das, was dieser Senat braucht, und genau das, was sich aus Ehrhardts biologistischem Krankheitsbegriff in Verbindung mit seinen rechtspolitischen Intentionen ergibt, also die Praktikabilität der Kategorien von Schuldfähigkeit, von[ee] Willensfreiheit, die an den[ff] normativen Zwecken orientierte Bestimmung des Objektstatus und so weiter, genau das, was sich daraus zwangsläufig ergibt, wie wir hier gezeigt haben. Und die Ausnahmemöglichkeit für den Einzelfall, wovon also in diesem Beschluß vorgestern die Rede war, besorgt sich Prinzing aus der Bestimmung, die ihm Ehrhardt angedient hat. Daß nämlich die Entscheidung über die Frage der Verhandlungsfähigkeit nach den Kategorien der allgemeinen Psychologie zu bestimmen sei, und das ist also ein Bereich, über den nicht der Gutachter, sondern der Richter zu entscheiden habe, und das muß ich Ihnen hier nochmal, um die Identität deutlich und sichtbar zu machen, sagen, über die eben dann im konkreten [3023] Fall der Richter zu bestimmen hat, der diese Haftbedingungen auch angeordnet hat.[25] Das Gericht ist nicht willens, sich [gg] über verbindliche Normen[hh] hinwegzusetzen, erklärt der Senat dazu, und das heißt zweierlei, es heißt, die Norm und die Normen, die er sich je nach Gebrauch aus der Strafprozeßordnung, in ihrer Fungibilität hier, besorgt, und wichtiger, die Fakten beweisen es, im zweiten Punkt, die Norm, die ihm und diesem Senat und der Bundesanwaltschaft, beziehungsweise vom Staatsschutz, in diesem Verfahren gegen RAF vorgegeben ist. Prinzing entscheidet also[ii] über die Haftbedingungen und über die Frage der Verhandlungsfähigkeit, und er hat damit [jj] einfach das Problem aus der Welt geschaffen, was wirklich darin, was in den Tatsachen besteht, daß natürlich die Frage der Verhandlungsfähigkeit nach dreieinhalb Jahren sozialer und sensorischer Isolation genau in den Haftbedingungen begründet ist und in sonst nichts. Und das Problem dieses Zusammenhangs löst der Psychiater Ehrhardt und löst der Psychiater Mende, in ihrer Funktion als Hilfsknechte, der Justiz[kk] beziehungsweise, wie wir gesagt haben, die Justiz ist eine, die, die Psychiatrie ist eine Hilfswissenschaft im Gerichtssaal. Genau die Funktion eben, wollen Sie und werden Sie, wenn Sie hier sitzen, erfüllen wollen und haben Sie schon erfüllt, deutlich in den beiden Briefen. Die beiden Psychiater verschaffen diesem Richter und diesem Gericht Rechtfertigungsargumentationen, und sie stützen und sichern sich so gegenseitig ab, und das ist genau der Zusammenhang, in dem die Befangenheit der Psychiater Ehrhardt und Mende zur Befangenheit dieses Senats wird. Weiter, weiter also zu diesem Zusammenhang noch, ne Frage der Bestellung der Psychiater. Ich will da also noch einen Punkt rausgreifen, aus dem Beschluß vorgestern, in dem wird nämlich behauptet, weder der Senat noch die Bundesanwaltschaft hätten auf die Bestellung dieser beiden Psychiater Einfluß genommen. Nebenbei würde ich dazu nochmal sagen, daß man sich natürlich fragt ...

Vors.:

Herr Raspe, auf die Vorschlagslisten bitte, Bestellung hat der Senat ausgesprochen, er hat auf die Vorschlagslisten, die gemacht worden sind, wenn Sie zitieren, dann bitte richtig, keinen Einfluß genommen. Die Bestellung ist selbstverständlich Senatssache gewesen, die Bundesanwaltschaft war nicht beteiligt.

Angekl. R[aspe]:

Ja, mehr auf die Auswahl, auf die Auswahl, also das [3024] heißt, der Senat, das war ja wohl der Sinn dieses Dementis in diesem Beschluß, der Senat hat also nicht irgendwie gezielt diese beiden Psychiater ausgewählt. Und ich meine, man fragt sich natürlich nebenbei, inwieweit der Senat dazu kommt, in einem Senatsbeschluß Erklärungen über die Rolle und Funktion der Bundesanwaltschaft abzugeben, in diesem Zusammenhang. Aber, na ja. Also jedenfalls ist es so, daß, in diesem Beschluß wird also eben das behauptet, der Senat hätte also darauf keinen Einfluß genommen. Und dazu ist nun mal zu sagen, weil das ja an erster Stelle, so wie ich weiß Punkt I dieses Beschlusses, also an erster Stelle steht, ist dazu zunächst mal zu sagen, daß wir jedenfalls das nie behauptet haben, wir haben also wirklich nie behauptet, der Senat hätte direkt Ehrhardt und Mende ausgesucht, gezielt diese beiden, beziehungsweise es hätte zwischen Prinzing und diesen beiden Psychiatern eine, es hätten da irgendwie direkte Absprachen bestanden, das war nie unsere Behauptung. Und zwar war es deshalb nicht unsere Behauptung, also nicht etwa deshalb, weil es naiv wäre, das anzunehmen, sondern weil aus einem anderen Grund, weil das eine objektive Interessenidentität zwischen der Justiz in diesem Verfahren konkret und der Staatspsychiatrie gibt, die diese Auswahl bestimmt, und die dann dazu führt, daß schließlich genau niemand anders, als genau diese beiden Herren hier, zu Gutachtern benannt worden sind. Und das möchte ich also, da möchte ich[ll] jedenfalls nochmal kurz die Widersprüche entwickeln, die im Zusammenhang, also der Bestellung von Mende, um also auch [mm] zu ihm was zu sagen, ganz offensichtlich auf der Hand liegen, denn daß Prinzing es trotzdem [nn] dauernd zurückweisen muß, also ja auch sichtbar in der Tatsache, daß es in dem Beschluß wirklich der erste Punkt ist, die Zurückweisung direkten Einflusses auf die Auswahl dieser beiden Gutachter, daß er es dauernd zurückweisen muß, zeigt, daß er sich der Strukturen, durch die die Bestellung durch den Senat, gezielt auf Ehrhardt und Mende, fällt, daß er sich dieser Strukturen durchaus bewußt ist. Und zwar sind das die institutionellen Strukturen zwischen Justizapparat und der etablierten Gerichtspsychiatrie, über die sich die Auswahl präzise so realisiert, wie sie dann gelaufen ist. Dazu [3025] will ich also einfach nur nochmal an ein paar Punkte erinnern, nämlich Rauschke, der dem Staat und der Justiz durch seine Funktion als Gerichtsarzt verpflichtet ist, der gegenüber der Justiz gebunden und von der Bundesanwaltschaft erpressbar, durch seine Rolle bei der Vertuschung der tatsächlichen Todesursachen, das heißt, des Mordes von Siegfried Hausner,[26] der so, so funktionalisierbar und funktionalisiert ist. Rauschke also hatte dem Gericht hier vorgeschlagen, von diesen etablierten medizinischen Gesellschaften eine Vorschlagsliste aufstellen zu lassen, aus der der Senat dann[oo] Gutachter auswählen könne[pp]. Das war also diese wirklich absolute Neutralität und so weiter garantierende[qq] Verfahren. Immerhin muß man dazu mal sagen, daß über die Gespräche, die Prinzing mit Rauschke, über die Gespräche, die er also mit Rauschke geführt hat, bevor er hier, Rauschke hier seinen Auftritt hatte, daß sich also der Richter über diese Gespräche hier jedenfalls nicht ausgelassen hat. Er hat nur gegenüber dem Süddeutschen Rundfunk mal erklärt, und das wurde also auch gegen seinen Willen in der Sendung berichtet, daß er mit Rauschke gesprochen hat und zwar über die Fragen im Zusammenhang der Entscheidung des Senats oder der Bestimmung des Senats zum Problem der Verhandlungsfähigkeit beziehungsweise der Verhandlungsunfähigkeit. Aber was dabei im einzelnen gesprochen worden ist, das ist jedenfalls hier nicht, also das hat er hier nie erklärt. Es liefe jedenfalls nur so weiter, daß Rauschke, als er hier war und befragt wurde, einen fertigen Vorschlag aus der Tasche zog, und diesen fertigen Vorschlag hat dann eben der Senat sofort übernommen, na ja, und in dem Zusammenhang möchte ich eben auch nochmal daran erinnern, daß Rauschke ja bereits durch Herrn Breucker vorher unterrichtet worden ist. Das ist zwar alles im Zusammenhang von Ablehnungsanträgen, die gegen das Gericht gerichtet, beziehungsweise gegen einzelne Richter gestellt worden sind, zurückgewiesen wurden, aber ich meine, welche Funktion Ablehnungsanträge und welches Schicksal Ablehnungsanträge in diesem Verfahren haben, ist ja so mittlerweile wirklich sehr sichtbar, also trotzdem, trotz ihrer Absurdität und gegen ihre Absurdität, werden wir sie[rr] natürlich immer wieder stellen, einfach um die Struktur sichtbar zu machen, in der hier Kernbegriffe bürgerlicher [3026] Rechtsideologie, die hier behauptet werden soll, natürlich ständig und offen vom Tisch gefegt werden. Der nächste Schritt in dem Ablauf der Bestellung war, daß der Vizepräsident dieser Gesellschaft den ehemaligen Präsidenten und dessen Sekretär vorgeschlagen hat, Ehrhardt und Mende, und zwar waren Ehrhardt, das war, die waren das zur gleichen Zeit. Das heißt zwischen Ehrhardt und Mende, die hier dann also als Gutachter bestellt, von uns über vier Tage wegen Befangenheit abgelehnt und vom Gericht in ihrer wissenschaftlichen Qualifikation bestätigen, ja[ss] Unabhängigkeit bestätigt worden sind, die haben also wirklich jahrelang zusammengearbeitet, um das hier nochmal zu erwähnen. Wie gesagt, der Vizepräsident dieser Gesellschaft schlägt den ehemaligen Präsidenten und dessen gewesenen und noch immer amtierenden Sekretär vor: Der Senat, vertreten durch Foth, Maier und Berroth läßt sich also dazu vernehmen, in einem Beschluß, zitiere ich mal, das sagt er: „Im Bereich der Psychiatrie hält der Senat an den Vorschlägen des Vizepräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie fest.“ Na ja, also das war die Auswahl, dieses Festhalten bezog sich also konkret in dem Beschluß auf Ehrhardt und auf Mende. Und wir können dazu jedenfalls noch feststellen, daß die Akrobatik, die Prinzing zu diesem Festhalten vorgestern, und[tt] gestern vorgeführt hat, natürlich niemanden mehr von den Stühlen reißt, denn es war ja von Anfang an klar. Nur fällt jedenfalls nachträglich auf, daß [uu] nicht mal die ursprüngliche Behauptung zutreffend war. Denn diese ganze Liste war ein einziges propagandistisches Manöver, um zu Ehrhardt und Mende zu kommen. Denn nicht der Senat hat einen aus der vom Vizepräsidenten dieser sauberen Gesellschaft aufgelisteten Riege von Psychiatern, Herrn Ehrhardt und seinen gewesenen[vv] und noch amtierenden Sekretär ausgewählt, sondern der Vizepräsident hat, wie vorgeschlagen, und an diesem Vorschlag hielt dann der Senat fest, also alle übrigen Namen auf der Liste waren wirklich nur Staffage, denn vorgeschlagen wurden wirklich diese beiden Herren, an denen der Senat dann wirklich auch nur festgehalten hat. Oder wie? Also, ich habe das hier zitiert aus diesem Beschluß. Prinzing, Foth und Maier erklären in einem Beschluß einige Zeit später dagegen, ich habe da keinen, da steht kein Datum drauf, das ist also der [3027] Beschluß gegen die Gegenvorstellung der Verteidiger, dessen un... Zitat: „Dessen ungeachtet hat der Senat, um dem[ww] Mißtrauen der Angeklagten gegen staatliche Ärzte zu begegnen und auch aus der Sicht und um auch[xx] aus der Sicht der Angeklagten [yy] ein[zz] völlig neutrales Auswahlverfahren zu gewährleisten.“ Dessen ungeachtet hat also der Senat, das wiederhole ich nochmal, Vorschläge, hier der medizinischen Fachgesellschaften, eingeholt, und das ist wichtig jetzt, dann kommt eben dieses Sätzchen: „Danach hat er seine Auswahl getroffen.“ Na ja, also das ist jedenfalls ein Widerspruch. Zu diesem Widerspruch kommt hinzu, daß Prinzing, nach den Kriterien für die Auswahl befragt, hier also in der Hauptverhandlung, in seinem Beschluß und gegenüber den Anwälten erklärt hat, erstens für Mende sei maßgeblich gewesen, daß er, hier zitiere ich: „Seit dem Bergwerksunglück in Lengede[27] wissenschaftlich mit Fragen befaßt hat, die bei Personen auftauchen, die von der Außenwelt abgeschnitten und ihrer gewöhnlichen sozialen Kontakte beraubt sind“. Dazu möchte ich mal anmerken, daß das wirklich exakt die Formulierung ist, mit denen Folterforscher ihre Untersuchung immer umschreiben. Aber das ist also eine Formulierung von Herrn Prinzing. Nebenbei muß man dazu noch sagen, daß das also konkret diese Begründung, das ist auch gestern schon mehrfach genannt worden, was also konkret davon zu halten ist, von dieser Qualifikation des Herrn Mende, daß das wirklich von Herrn Mende hier selbst genannt worden ist, als er drüben von uns[aaa] befragt worden ist. Also er hat dazu eben wirklich, er hat dazu geäußert, das sei also etwas übertrieben. Tatsächlich hat er natürlich genau die Fragestellung von Folterforscher im Kopf gehabt und keine andere. Zweitens, als zweites Kriterium[bbb] für die Auswahl von Mende hat Prinzing genannt, er hätte als zweiter auf dieser Liste gestanden. Also, als erster stand Ehrhardt drauf und als zweiter Witter glaube ich, als dritter, Witter kam ja wohl nicht in Frage, das wäre doch wohl etwas zu offensichtlich gewesen, also als zweiter sozusagen, der überhaupt in Frage kam war[ccc] also nur Mende an der Reihe, und das waren Auswahlkriterien[ddd], das ist natürlich auch ein sehr starkes Kriterium, aber es heißt eben nur, weil es sonst nichts heißt, na ja, daß Prinzing über den [3028] tatsächlichen Auswahlmodus genau Bescheid wußte. Also, wir lassen das jetzt mal und ich lasse das mal, also auch noch für Ehrhardt aus Prinzings Erklärungen, aus den verschiedenen Beschlüssen, die Wiedersprüche ihrer Bestellung und seiner Bestellung nachzuweisen. Sie unterscheiden sich nicht, sie unterscheiden sich nicht wesentlich, und wenn sie sich unterscheiden, unterscheiden sie sich nur äußerlich. Jedenfalls müßten sich Prinzing und Foth mal einig werden, wie sie es öffentlich darstellen. Als befangen, und so absurd das ist, lehne ich also wirklich beide ab, lehnen wir also beide ab und den ganzen Senat. Auch aus diesen Gründen, denn um den Punkt abzuschließen, daß Prinzing und dieser Senat als ersten Punkt ihres Beschlusses gestern dementiert haben, der Senat oder die Bundesanwaltschaft hätten auf die Auswahl Einfluß genommen ...

Vors.:

Vorschlagslisten Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Auf die, auf die, auf die Vorschlagslisten ...

Vors.:

die Vorschlagslisten.

Angekl. R[aspe]:

Auf die Vorschlaglisten Einfluß genommen ist in den Widersprüchen, die wir also jetzt an den eigenen Beschlüssen mal gezeigt haben, wie im Mißverständnis, das das Dementi ausdrückt, ja nur bestätigt. Ich betone das einfach nochmal. Wir haben es jedenfalls nie behauptet, daß der Senat und die Bundesanwaltschaft unmittelbar oder direkt und gezielt darauf Einfluß genommen hätte, wie diese beiden, also[eee] auf die Zusammensetzung der Vorschlagslisten. Es war auch nicht notwendig.

Vors.:

Gut, will sich jemand noch anschließen.

Angekl. R[aspe]:

Ich bin an sich bin ich noch nicht fertig, aber ich höre jetzt trotzdem auf, weil ich nicht mehr kann.

Vors.:

Nein, Sie haben jetzt die Gelegenheit dazu, abzuschließen, Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Nein, ich ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich hatte Herrn Raspe so verstanden, daß er noch ergänzende Ausführungen machen wollte, daß er aber sich jetzt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sieht, da fortzusetzen.

Vors.:

Ja, wir haben ja heute früh unsere Meinung auch wieder kundgetan, daß wir der Meinung sind, die drei Stunden könne ver- [3029] handelt werden, das ist ein schriftliches ...

Angekl. B[aader]:

Sie meinen also auch, man kann drei Stunden hintereinander sprechen, ja?

Vors.:

... es ist ein schriftliches Manuskript, das hier vorliegt und das kann man bekannt geben. Wir bleiben dabei, daß jetzt, das heißt, ich bleibe zunächst dabei, daß jetzt Herr Raspe die Möglichkeit hat, seine ergänzenden Anmerkungen noch zu machen, sonst kriegt die Bundesanwaltschaft Gelegenheit, sich zu äußern, ob sie sich äußern will.

Angekl. R[aspe]:

Es ist jetzt, es ist doch jetzt ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich meine, das ist doch wirklich mal ein klassischer Fall, an dem man, an den man erinnern sollte, an die Formulierung: „keine kleinliche Handhabung“. Herr Raspe hat ein Ablehnungsgesuch, das er hier gestellt, hat er begründet, bislang. Es ist ein Vorgang der ihn natürlich anstrengt und gleichermaßen anstrengt wie etwa eine Erklärung zur Sache. Sie verweisen auf ein angebliches schriftliches Manuskript. Sie können versichert sein, Herr Raspe hält sich nicht sklavisch, wie der Bundesgerichtshof sagen würde, an die Buchstaben dessen, was er vielleicht zu diesem oder jenem Punkt konzipiert hat, die Anstrengung wird dadurch nicht geringer. Also ich meine, daß, wenn man überhaupt ernst nehmen will die Formulierung: „keine kleinliche Handhabung“, jetzt in die Mittagspause eingetreten werden sollte um[fff] dann nachmittags fortgesetzt zu werden.

Vors.:

Der Senat beabsichtigt, nach Möglichkeit selbstverständlich die Mittagspause zur Beratung zu benützen. Wir machen 10 Minuten Pause, dann kann Herr Raspe fortfahren.

RA Dr. H[eldmann]:

Kann, kann, kann ...

Pause von 11.20 Uhr bis 11.32.

Vors.:

Herr Raspe, bitte, Sie haben das Wort. Wollen Sie Gebrauch davon machen, Herr Raspe?

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich will vorher nur kurz sagen, daß ich[ggg] auf jeden Fall jetzt schon die Mittagspause beantrage, ich mache hier gleich weiter, aber ich werde nicht fertig werden, das ist ganz klar, so schnell. Und ich möchte also auf jeden Fall jetzt hier an dieser Stelle die Mittagspause schon mal beantragen, ich möchte, und werde jetzt noch und werde[hhh] jetzt noch was, jedenfalls diesen Punkt vollkommen abschließen. Diesen Punkt, diesen Zusammenhang der Frage, [3030] also der Auswahl der beiden Psychiater durch das Gericht, die Bestellung durch das Gericht und der Zurückweisung in dem Senatsbeschluß, der Zurückweisung einer angeblichen Abhängigkeit der Psychiater Ehrhardt und Mende. In diesem Zusammenhang gibt, stellt sich noch auf einer anderen Ebene her. Nämlich, daß die Abhängigkeit dieser beiden Psychiater von Bundesanwaltschaft und Senat, Justiz, sich aus der Funktion ergibt, die sie hier ins Verfahren bringt. Aus seinen Krankheiten, im Wissenschaftsbegriff und aus der Verfügbarkeit ihrer Forschung und ihrer Praxis für Folter, und an dieser Stelle will ich das jedenfalls nochmal betonen, daß[iii] wir gesagt haben, aus der Verfügbarkeit ihrer Praxis und ihrer Forschung für Folter, und daß wir nie gesagt haben, generell oder generalisierend [jjj] die Psychiatrie sei eine[kkk] Folterwissenschaft, wie das also die Presse kolportiert hat. Das ist jedenfalls falsch. Wir haben es an Ehrhardt und Mende und an ihren Schriften, auch aus den Schriften, bei Mende zusätzlich aus dem Gespräch, aus seiner Befragung hier, konkret nachgewiesen.

Vors.:

Herr Raspe, Sie sollten sich jetzt auf den Ablehnungsgesuchgegenstand konzentrieren.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich weiß.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich wäre dankbar, wenn Herr Raspe nicht unterbrochen werden würde.

Vors.:

Ich weiß, daß Sie dankbar wären. Ich bin trotzdem dankbar, wenn Sie verstehen, daß ich als Vorsitzender die Pflicht habe, darauf hinzuweisen, daß er sich bei der Sache halten muß.

RA v[on] P[lottnitz]:

Er hält sich bei der Sache.[lll]

Angekl. R[aspe]:

Das ist die Sache. Jedenfalls haben wir die Abhängigkeit auf[mmm] dieser Ebene nicht nur behauptet, sondern wir haben sie belegt, wir haben[nnn] sie bewiesen. Ehrhardt nennt die Psychiatrie, ich wiederhole es nochmal, im Gerichtssaal eine Hilfswissenschaft für die Justiz, eine Hilfswissenschaft der Justiz in sozialer und administrativer Psychiatrie und er, wie Mende, stimmen in dieser Festlegung faktisch überein. Das zeigen nicht nur die beiden Briefe, sondern konkret auch das, was Mende in diesem Zusammenhang über uns, in diesem Zusammenhang uns gegenüber erklärt hat, und ich will dazu kurz nochmal einige Punkte benennen, aus denen dann auch deutlich wird, das, was ich also am Anfang schon entwickelt habe, nämlich die Identität zwischen dem Senat und diesen [3031] beiden Psychiatern, in der Funktion, in der allgemeinen Funktion hier eben jetzt nochmal an einigen konkreten Punkten. So hat Mende zur ärztlichen Schweigepflicht erklärt, daß er sämtliche Erkenntnisse eines möglichen Gutachtens dem Gericht verfügbar machen würde, ich sage sämtliche Erkenntnisse, das war Mendes Formulierung hier, und zwar unabhängig davon, das ist jetzt wesentlich, unabhängig davon, ob das Gericht diese Erkenntnisse überhaupt verlangt. Bekanntlich hat ja das Gericht überhaupt nur die Frage nach der Verhandlungsfähigkeit und der Behandlungsbedürftigkeit gestellt und hat sich also für die, im Rahmen dieser Beantwortung, der Beantwortung dieser Fragen anfallenden Einzelheiten, konkreten Daten etc., nicht interessiert. Mende hat hier erklärt, er würde ein Gutachten erstatten, das eben wirklich alles umfaßt, was er rauskriegt und zwar eben wirklich unabhängig davon, was das Gericht verlangt und natürlich, das zeigt eben auch etwas über die Realität dieses Begriffs ärztlicher Schweigepflicht, die Herr Mende hat, auch vollkommen unabhängig davon, was wir sagen. Und ich möchte einfach noch in dem Punkt daran erinnern, daß das ja auch genau das war, was Widera gestern im Kopf hatte, also, als er gesagt hat: Rasch könnte seine Ergebnisse schließlich Ehrhardt und Mende zur Verfügung [ooo] stellen, und die[ppp] würden daraus also auch noch ein Gutachten zimmern. Da hat er natürlich genau das gemeint, daß Mende zum Beispiel eben von vornherein mit dieser Konzeption überhaupt an die Sache herangegangen ist. Daß er ein Gutachten anfertigt, dem er sämtliche Informationen, die er bekommt, der Justiz zur Verfügung stellt und diese Informationen sind es[qqq] natürlich, auf die es[rrr] zum Beispiel die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang durchaus abgesehen hat. Ich meine, man kann daraus den Schluß folgern: Es ist so, daß es für ihn, Mende, der Begriff der ärztlichen Schweigepflicht zwangsläufig, zwangsläufig, liquidiert ist. Er begreift seine Funktion als Hilfswissenschaftler der Justiz darin, das staatliche Gewaltmonopol psychiatrisch durchzusetzen. Abhängigkeit und Unterwürfigkeit gegenüber dem Gericht rangieren für ihn weit über den Bestimmungen, die er als Arzt haben müßte, und die er [3032] natürlich nicht hat. Ehrhardt sagt dazu ...

Vors.:

Herr Raspe, ich muß nochmals darauf hinweisen ...

Angekl. R[aspe]:

Jetzt unterbrechen Sie mich nicht, weil das dann natürlich noch viel länger dauert.

Vors.:

Ja, das meinen Sie, ich verwarne Sie, es ist der Zusammenhang mit dem[sss] Ablehnungsantrag nicht gewahrt, wenn Sie jetzt nachholen wollen, was damals nicht vorgetragen werden konnte, dann ist es nicht der Ort dazu.

RA v[on ]P[lottnitz]:

... wäre ich dann doch für den Hinweis dankbar, aus welchen, in welchen Punkten Sie den Zusammenhang nicht gewahrt sehen. Können Sie mal darstellen, wo Sie gerade den Zusammenhang nicht mehr sehen können? Warum, wieso, inhaltlich ein bißchen, was?

Vors.:

Wir können jetzt nicht wieder die alten, längst bekannten Thesen hier alle verbreiten, um darzustellen, in welchem Verhältnis die Psychiatrie untereinander oder zur Justiz steht, um dann daraus Rückfolgerungen auf die jetzt vorgetragene Befangenheit des Senats zu ziehen, sondern es soll konkret der Bezug zum Senat erhalten bleiben.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ja, der Herr Raspe stellt doch den Zusammenhang seines Vorwurfs an die abgelehnten Richter aus dem Interesse heraus, daß die Haftbedingungen der Gefangenen nicht geändert zu werden müssen, das Interesse unterstellt er Ihnen ja als abgelehnten Richter die gerade diese beiden Sachverständigen ausgewählt und an ihnen festgehalten zu haben. In diesem Zusammenhang bewegen sich seine Ausführungen, das gehört natürlich sehr wohl zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs.

Vors.:

Das müssen Sie dann schon der Beurteilung überlassen, des Senats ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Nein, also Herr Vorsitzender, da muß ich nun mal klipp und klar sagen, es bleibt nicht der Beurteilung der abgelehnten Richter überlassen, was da, welche Tatsachen und welcher Begründungszusammenhang im Rahmen der Begründung eines Ablehnungsgesuches, von einem Gefangenen vorgetragen wird. Dann könnten Sie bei Ihrer eigenen, dann können Sie die gegen Sie gerichteten[ttt] Ablehnungsgesuche ja selbst schreiben.

Vors.:

Da sind Sie im Irrtum.

RA v[on ]P[lottnitz]:

So ist das.

[3033] Vors.:

Herr Raspe, Sie können fortfahren.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich will Ihnen das kurz erklären, was natürlich falsch ist, was Sie sagen. Ich habe eben, gerade in diesem letzten Stück, die Befangenheit des Gerichts und dieses Richters dargestellt aus der Abhängigkeit und der Unterwürfigkeit des Psychiaters Mende, den das Gericht als Gutachter bestellt hat, dessen, und zwar genau aus diesem Grund als Gutachter bestellt hat, weil er das ist, und daraus wird er, daraus erklärt sich und darin begründet sich die Befangenheit dieses Gerichts, und ich habe es dargestellt, konkret im Zusammenhang des Begriffes der ärztlichen Schweigepflicht. Das ist der Zusammenhang und da können Sie natürlich sagen, er besteht nicht. Er besteht allerdings, und zwar sehr deutlich, und ich habe das zu Mende gesagt zunächst, und ich sage zu Ehrhardt, hier zeigt sich die ärztliche Schweigepflicht zunächst einmal als relativer Wert, den man dadurch am besten schützt und fördert, daß man ihn im jeweils rechten Verhältnis zu konkurrierenden anderen Werten sieht und behandelt. Das ist ein Zitat von Herrn Ehrhardt, und es belegt also seine Auffassung des Begriffs der ärztlichen Schweigepflicht. Er sagt weiter: „Der Schwerpunkt der Problematik um die ärztliche Schweigepflicht liegt in der erforderlichen Abwägung im Zweifelsfall kollidierender Pflichten nach ihrem sittlichen Gehalt.“ Und was das nun konkret bedeutet, na ja, was es konkret bedeutet, haben wir hier über vier Tage wirklich an den Schriften von Ehrhardt gezeigt. Weiter zu Mende, indem Mende sämtliche Gerichtsanordnungen akzeptiert, stützt und psychiatrisch durchzusetzen bereit ist, demonstriert er seine Legitimationsfunktion für dieses Gericht und das ist einfach sehr klar, daß Prinzing ihn für einen hervorragenden Wissenschaftler hält. Er hilft ihm, und er hilft ihm aus seinen Widersprüchen, das ist jedenfalls der Traum dieses Richters. Und schließlich die Kehrseite davon, das ist einfach die vielleicht noch etwas interessantere Struktur, nämlich, indem Mende jede Initiative gegenüber dem Gericht ausschließt, also wir haben das hier gesagt, und ich kann das nochmal kurz wiederholen. Er hat zum Beispiel unseren Vorschlag, er solle die Erstattung [3034] eines Gutachtens dem Gericht gegenüber davon abhängig machen, daß noch ein Isolationsspezialist hinzugezogen wird, er hat diesen Vorschlag von uns strikt abgelehnt. Also das als Beispiel für die grundsätzliche Ablehnung des Herrn Mende überhaupt, eine Initiative gegenüber dem Gericht zu ergreifen. Diese Initiativelosigkeit dem Gericht gegenüber und gleichzeitig der Köder seines Forschungsinteresses, nämlich die Grenzen psychischer Belastbarkeit, mit dem er also hier diesem[uuu] Gericht kommt und sich ihm anbietet, genau aus dieser Struktur, Unterwürfigkeit, und ein, und sozusagen die Anbiederung mit einem Interesse, das dieses Gericht natürlich nur auch haben kann, darin entwickelt er die Gerichtsinitiative und macht sie möglich. Also die Zurückweisung jeder Eigeninitiative ermöglicht die Gerichtsinitiative und ganz ... das konkret an den Haftbedingungen heißt, daß der Richter eben von diesen[vvv] Psychiatern Informationen[www] bekommt, mit denen er dann genau diese Frage der Haftbedingungen auf der einen Seite öffentlich erklären kann, er sei allein kompetent über die Fragen zu entscheiden, die Verhandlungsfähigkeit beziehungsweise Unfähigkeit könne niemals in Haftbedingungen begründet liegen, also die Psychiatrie legitimiert den Richter und dieses Gericht und ich meine, es ist einfach klar, daß Prinzing und daß dieser Senat diesen Psychiater nie ablehnen werden. Und es ist dann auch nur logisch, daß das Vertrauensverhältnis herzustellen, nach dieser Struktur von Abhängigkeit dieser Psychiater von diesem Gericht durch Herrn Mende, gleich ganz und gar dem Gericht zugeschoben ist. Also nicht Herr Mende sollte das Vertrauen, sollte vielleicht irgendeine Initiative ergreifen, um das Vertrauensverhältnis herzustellen, sondern das Gericht sollte das Vertrauensverhältnis herstellen. Jedenfalls war das, was ich hier entwickelt hab, der Begriff von Abhängigkeit, aus Struktur und Funktion dieser Psychiater, dieser Psychiatrie, der Begriff von Abhängigkeit, den wir konkret in ihren Schriften nachgewiesen haben, und sie zwingt Prinzing und sie zwingt den Senat, an diesen befangenen Psychiatern festzuhalten, wie Foth sagt, in dem Beschluß, sich festzuklammern, und daraus begründet sich auch die Befangenheit dieses Richters und des Senats, und zwar zusätzlich zu dem, was hier schon gesagt worden ist, und jetzt beantrage ich die Mittagspause, [3035] weil ich noch nicht fertig bin, ich habe noch einen dritten Punkt.

Vors.:

Die Mittagspause wird noch nicht eingelegt, Herr Raspe. Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

... bitte ich doch, Herr Vorsitzender, den Gefangenen das Mittagessen, das normalerweise um 11.00 Uhr gegeben wird hier zu servieren.

Vors.:

Also, das scheint ja bei Verhandlungstagen bei Ihnen eine merkwürdige Zeitvorstellung zu sein[xxx], hier ist bestimmt um 11.00 Uhr normalerweise nicht serviert worden. Werden weitere Erklärungen gewünscht ...

Angekl. B[aader]:

Ja, ich weiß nicht.

Vors.:

Herr Baader, ja, bitte.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich würde mal sagen, daß das natürlich wieder sehr deutlich macht, die unglaubliche Brutalität, mit der Sie hier vorgehen ...

Vors.:

Herr Baader ...

Angekl. B[aader]:

... Sie sehen, hören Sie zu, jetzt.

Vors.:

Herr Baader, dazu haben Sie das Wort nicht.

Angekl. B[aader]:

Sie haben mir das Wort gegeben, dann lassen Sie mich doch bitte ausreden. Sie haben mir doch das Wort gegeben.

Vors.:

Aber nicht zu solchen Ausführungen, sondern um zu dem Antrag Ihres ...

Angekl. B[aader]:

... jetzt noch weiter zu sprechen, da schneiden Sie einfach einen Teil der Begründung ab, brutal, durch Ihre[yyy] Maßnahme, sonst[zzz] machen Sie doch ganz ohne weiteres um 11.00 Uhr, oder Sie machen auch um 10.30 Uhr schon die Mittagspause gestern. Heute sind Sie nicht dafür. Heute wollen Sie in jedem Fall ihn[aaaa] hetzen, damit[bbbb] diese Begründung hier in die Verhandlung nicht eingeführt wird.

Vors.:

Dazu kann ich sagen, das ist Ihre Beanstandung dieser Äußerung, die ich gemacht habe, die Entscheidung, daß die Mittagspause nicht eingelegt wird. Der Senat wird entscheiden.

(Nach geheimer Umfrage): Der Senat bestätigt meine Entscheidung, daß jetzt die Mittagspause nicht eingelegt, sondern Gelegenheit gegeben wird, weitere Ausführungen zu machen, zur Begründung.

[3036] RA Dr. H[eldmann]:

Darf ich Sie um eine einminütige Pause bitten, damit wir uns besprechen können, wie wir die Vortragsunfähigkeit von Herrn Raspe überbrücken, um in dieser Begründung dieses Antrags fortfahren zu können.

Vors.:

Ja, wir bleiben hier sitzen, dann solange.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Frage, sieht das der Senat in der Tat als Beispiel für Großzügigkeit an, die diese Sachverständigen empfohlen haben?

- Pause von 11.50 Uhr bis 11.52 Uhr. -

Angekl. B[aader]:

Ja, kann man mal erfahren, wann Sie die Mittagspause machen?

Vors.:

Wir wollen ja sehen, was jetzt noch kommt.

Angekl. B[aader]:

Wann wollen Sie denn die Mittagspause machen?

Vors.:

So, wie sie üblicherweise vorgesehen ist.

Angekl. B[aader]:

Um 12.00 Uhr also.

Vors.:

Was heißt um 12.00 Uhr, das kann ich jetzt nicht sagen, wollen Sie fortfahren, Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ja, Sie sagten doch, üblicherweise ist sie doch um 12.00 Uhr. Ja, es ist doch für uns wichtig, damit wir uns das hier einteilen können. Ich will noch nicht fortfahren.

Vors.:

Darf ich jetzt fragen, ob sich jemand anschließt.

Angekl. B[aader]:

Ja, ich werde mich nachher anschließen, aber dazwischen gibt ..., hat Herr Heldmann ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Zum Befangenheitsantrag. Ich selbst habe dazu folgendes zu sagen, mit seinen, die Briefe der Sachverständigen, die der Hauptgegenstand ...

Vors.:

Schließen Sie sich an, dürfen wir das voraus erfahren.

RA Dr. H[eldmann]:

Das, bitte, fragen Sie meinen Herrn Mandanten, ob er sich anschließt. Ich stelle gegen Sie keinen Befangenheitsantrag.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wenn Sie das Wort ergreifen, ist die Legitimation doch nur zu erreichen, im Augenblick, darüber, daß Sie diesem Antrag folgen,[28] und deswegen bitte ich Sie doch voraus um Auskunft, ob Sie das tun wollen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich stelle keine Befangenheitsanträge, fragen Sie bitte Herrn Baader, ob Herr Baader einen Befangenheitsantrag stellt.

Vors.:

Gut, dann kann ich Ihnen jetzt im Zusammenhang mit der Be- [3037] gründung nicht geben, Herr Baader, bitte.

Angekl. B[aader]:

Na ja, Moment, mein Verteidiger, also ich selbstverständlich. Ich stelle also ...

RA Dr. H[eldmann]:

... bitte ich zunächst, da Herr Baader gesagt, er will einen Befangenheitsantrag stellen, oder sich dem des Herrn Raspe anschließen, dazu ums Wort. Auszugehen war davon, die Briefe Ihrer Sachverständigen vom 21.8., jedenfalls, und vom 22.8., insbesondere im Zusammenhang mit dem hier zitierten sogenannten wissenschaftlichen Schrifttum dieser Sachverständigen, sind geradezu Schulbeispiele, Schulbeispiele, für Vorurteil und damit Befangenheit, und zwar nicht, ich sage Befangenheit, [cccc] als objektiver Tatbestand der Befangenheit. Das Gesetz verlangt [dddd] ja nur, daß der Ablehnende von seinem Standpunkt aus einen vernünftigen Grund zu der Annahme der Voreingenommenheit hat.[29] Das alles hat der Senat, ich sagte, Schulbeispiel für Voreingenommenheit der beiden Sachverständigen gegen diese Angeklagten, das alles hat der Senat mit der Hand vom Tisch gefegt, ich meine ihre Beschlüsse vom 9., die Herr Raspe vorgetragen hat, aber ich meine auch den vom 10., wo noch einmal eine, der Versuch gemacht worden ist, eine Brücke zu bauen, ohne daß man in öffentlicher Verhandlung nun die Befangenheit feststellen lassen müßte,[30] es war eine Brücke, hat der Senat hinweggefegt, viele Beispiele für Voreingenommenheit für Vorurteile. Aus diesen Beschlüssen des Senats vom 9. und vom 10. September ist die Befangenheit der Richter dieses Senats zum Nachteil dieser Angeklagten selbst so unmittelbar erkennbar, daß ich sagen möchte, diese Beschlüsse sind geradezu Dokumente für richterliche Befangenheit. Der Senat hat damit beurkundet, die Professoren Ehrhardt und Mende, und zwar um jeden Preis, bleiben unsere Sachverständigen, weil sie gewährleisten, daß sie diejenigen Ergebnisse, als Gutachten verkleidet, diejenigen Ergebnisse dem Senat bescheren werden, die dieser sich wünscht. Und welche Ergebnisse der Senat sich wünscht, wissen die Sachverständigen ja zumindest aus den Protokollen, nämlich die Verhandlungsfähigkeit. Aber in diesem Verfahren einen Ablehnungsantrag gegen die Richter des Senats oder gegen den Vorsitzenden, dem ja nicht, das war ja kein zufälliger Versprecher, wie es dem Herrn Kollegen Schily gestern noch rausgerutscht ist, als er Herrn Vor- [3038] sitzenden ansprach: „Herr Senat“, also gegen Richter dieses Senats oder[eeee] den Vorsitzenden dieses Senats zu stellen, wissen wir ja, das ist eine schiere Übung am Phantom. Der Senat hat es fertiggebracht, sagen wir so, das Oberlandesgericht Stuttgart hat es fertiggebracht, hier einmal das Grundgesetz extensiv zu interpretieren, nämlich das[ffff] Prinzip[gggg] der Unabsetzbarkeit von Richtern ...

Vors.:

Das scheint mir aber jetzt zur Begründung dieser konkreten Ablehnungen nichts mehr zu tun zu haben, Herr Rechtsanwalt. Auch für Sie gilt das, daß Abschweifungen dieser Art nicht angebracht sind.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, ich bin sofort bereit, jetzt bald im eigenen Namen, Befangenheitsantrag zu stellen, wenn Ihnen sogar hier einfällt, Begründungen, die ich gebe für einen Antrag, zu zensieren und jetzt auch noch den Sachverhalt, Sachzusammenhang ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Dr. H[eldmann]:

... zu reklamieren.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, selbst diese Ankündigung, Sie würden im Zweifelsfall von Drohung sprechen, hat überhaupt nichts mit Befangenheit zu tun. Es handelt sich jetzt, von was Sie sprechen wollen, doch um Entscheidungen eines anderen Senats des Oberlandesgerichtes[31] und das ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich sprach, wenn Sie, bitte, ich sprach von der Unabsetzbarkeit dieses Senats, der Richter dieses Senats.

Vors.:

Auch das hat nichts mit der Befangenheit zu tun, das ist nichts anderes, als daß Sie jetzt im Augenblick in irgendeiner Richtung Dinge erklären wollen, die Ihnen interessant erscheinen mögen. Zur Begründung dieser Ablehnung tragen sie nicht bei.

RA Dr. H[eldmann]:

Das werden Sie hören, wenn ich meinen Satz zu Ende gesprochen habe. Daß sich[hhhh] sie soweit erstreckt, die Unabsetzbarkeit der Richter dieses Senats, erstreckt auf Ihre Richterstühle in dieser Stammheimer Justizvollzugsanstalt. Nach all den Erfahrungen mit Befangenheitsanträgen kann ich meinen Mandanten Baader nicht mehr dazu raten, hier noch einen Befangenheitsantrag zu stellen, weil nämlich so sicher wie Nacht und Tag im Wechsel voraus- [iiii] [3039] zusagen sind, die Ablehnungen jeglichen Befangenheitsantrags vorauszusehen sein wird. Und wenn Herr Baader Ihnen sagt, er will ihn stellen, kann ich ihn daran nicht hindern.

Vors.:

Er hat sich angeschlossen, es ist geschehen, und wir machen jetzt die Mittagspause und setzen um 14.00 Uhr fort.

Pause von 11.59 Uhr - 14.07 Uhr

Ende des Bandes 171.

[3040] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.07 Uhr.

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in der selben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend: Just. Ass. z. A. Clemens, Just. Ass. z. A. Scholze[jjjj].

Die Angeklagten erscheinen mit Ihren Verteidigern Rechtsanwälte Schily, Pfaff, Dr. Heldmann, Rechtsreferendar Dr.[kkkk] Temming (als amtlich bestellter Vertreter[32] für RA. Riedel) und Rechtsreferendar Düx (als amtlich bestellter Vertreter für RA. v. Plottnitz), Eggler, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke und Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Schwarz ist jetzt erschienen. Herr Rechtsanwalt Künzel hat sich entschuldigen lassen, er ist verhindert. Bei Herrn Rechtsanwalt Riedel und Herrn Rechtsanwalt von Plottnitz ist insofern eine Änderung eingetreten, als die Herrn durch die zu ihren amtlich bestellten Vertretern, durch die zu ihren amtlichen Vertretern bestellten Rechtsreferendare Dr. Temming und Düx vertreten werden. Es ist aufgrund eines gestern mit diesen Herrn geführten Gesprächs als Ausnahme[33] bewilligt worden. Die Herrn sind über den Ausnahmecharakter unterrichtet. Der Senat hat seine Rechtsansicht, an der er festhält, zu diesem Punkt ja durch diese Aktennotiz allseits verbreiten lassen.[34]

-siehe Anl. 1 zum Protokoll-[llll]

Herr Baader, Sie wollten jetzt das Wort haben. Bitte.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich war noch nicht ganz fertig, ich möchte hier noch das was ich vorhin begründet habe, abschließen.

Vors.:

Herr Raspe, zunächst war jetzt Herr Baader dran. Er hat sich angeschlossen dem Antrag. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat dazu gesprochen. Er hat jetzt die Gelegenheit, seine Ausführung zu machen. Dann kommen wir auf das zurück, daß Sie Ihre Ergänzungen bringen können.

Bitte Herr Baader.

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

... ich habe vorhin gesagt, um die Vortragsunfähigkeit des Herrn Raspe zu überbrücken, spreche ich jetzt. Sie haben gesagt, Herr Raspe sollte nicht unter- [3041][35] [3042] brochen werden, sondern er war unterbrochen, weil er nicht mehr konnte. Meinen Sie nicht, daß es richtiger wäre, jetzt Herrn Raspe weiter sprechen zu lassen.

Vors.:

Nein, ich habe ja schon gesagt, dadurch, daß Sie mit der Begründung begonnen haben, scheint es jetzt zweckmäßig zu sein, Herrn[mmmm] Baader sprechen zu lassen. Bitte Herr Baader.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe nicht mit der Begründung begonnen.

Angekl. B[aader]:

Naja, er hat begründet, warum es hier sinnlos ist, Ablehnungsanträge zu stellen und das würden wir ja auch sagen. Aber zunächst mal zu der Ablehnung, des Ablehnungsantrags, wie sie mit Sicherheit gefaßt ist, nämlich in der Form der Prozeßverschleppung.[36] Dazu ist einfach festzustellen, einer explizit, drehen wir es doch ruhig mal so, der Ablehnungsgründe, die ich hier angebe, ist, daß Sie den Prozeß verschleppen. Und zwar verschleppen Sie ihn und das ist eben ein Problem bei dem Zustand, bei dem Gesundheitszustand der Gefangenen und bei Ihrem Interesse, also bei dem Interesse der Gefangenen, politische Inhalte in das Verfahren zu bringen, in dem Sie an diese beiden Gutachter festhalten. Obwohl inzwischen klargestellt ist auf jede Weise, daß sie disqualifiziert sind. Und obwohl Sie das Verfahren damit in ein, naja, mit der Psychiatrie überschwemmen werden, d.h. Sie werden hier in der Psychiatrie ersaufen, wenn die beiden hier auftauchen. Weil das eine Auseinandersetzung sein wird, die sich über Monate hinzieht an dem Gutachten, und das wissen Sie. Und daran haben wir kein Interesse, das muß man schon mal sagen. Insofern, eben auch gerade darin, drückt sich aus, daß der Versuch, den Vorwurf der Prozeßverschleppung im Zusammenhang dieses Ablehnungsantrags gegen uns zu wenden, ja eine glatte Umkehrung ist. Es wär für Sie ungeheuer einfach gewesen, das einfachste und das selbstverständlichste gewesen, diese beiden Gutachter loszulassen, nachdem drei Gutachter bereits in diesem Verfahren sind, davon ein Psychiater und zwei Internisten und alle drei Gutachter nicht etwa Leute, Ärzte unserer Wahl sind, sondern Ärzte von den Vorschlaglisten die der Senat vorgelegt hat. Das ist doch wesentlich dabei. Und darin wird natürlich auch das ganze Projekt, um das nochmal zu sagen und in dem ist eben genau ihre Befangenheit begründet, das ganze Projekt, das an diesen [3043] beiden Gutachtern hängt, deutlich. Und das hat an sich eine lange Geschichte. Das hat tatsächlich eine Geschichte, die zurück geht bis zum Tod von Holger Meins, eine besondere Geschichte. Denn da fängt Ihre persönliche, Ihre individuelle Verstrickung an und die, würde ich sagen, sollte man in diesem Zusammenhang, wenn überhaupt im Ablehnungsantrag eine mögliche Form sein sollte, um hier Inhalte zu vermitteln. Dann ist das natürlich genau das Moment, das darzustellen ist. Ihre persönliche, individuelle besondere Verstrickung in diesem Zusammenhang. Denn, um das noch einmal allgemein zu fassen, Ablehnungsanträge sind natürlich in sich eine Absolität in diesem Verfahren, weil, gerade weil politische Justiz den Schein, oder die Ideologieinstanz über den Klassen zu sein, mit dem der Apparat für eine Klassenfunktion, mit dem die Klassenfunktion der Justiz in allgemeinen verklärt wird, offen aufgibt. Das heißt, sie bekennt sich zu ihrer Funktion in Klassenkrieg. Und der Begriff der Befangenheit muß so in jedem Fall gegenstandslos werden, weil sie diese festverschweißte Clique aus Richtern, Bundesanwälten, Zwangsanwälten[37], Gefängnisärzten, Gerichtspsychiatern unter der Hegemonie der Bundesanwaltschaft könnte man schon sagen, daß explizit für diese Clique der konstitutionelle Widerspruch brachial, d.h. durch ungesetzliche und gesetzgeberische Sondermaßnahmen ausgeräumt wurde, auf Regierungsebene.

Vors.:

Bitte kommen Sie jetzt zur Sache. Das sind Weiterungen, die weit über das Thema, das durch den Antrag gestellt ist, hinausgehen[nnnn].

Angekl. B[aader]:

Nagut, schön. Aber das ist eben genau die Funktion, daß bei der Bedeutung, die die Reaktion diesem Verfahren gibt, dieses Gericht hier und auch jede Maßnahme des Gerichts, so absurd sie auch ist, so widersprüchlich sie auch ist, abgestützt wird vom ganzen Staatsapparat. Und das ist eben auch die Beziehung ...

Vors.:

Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort, weil Sie sich nicht bereit ...

Angekl. B[aader]:

Moment, lassen Sie mich doch bitte erst Mal ...

Vors.:

Nein, das Wort ist jetzt entzogen. Sie sind nicht zur Sache gekommen.

Angekl. B[aader]:

Das ist aber explizit der Grund ...

[3044] Vors.:

Sie haben nicht das Recht, hier mit solchen Weiterungen ...

Angekl. B[aader]:

Aber verdammt noch mal, das ist der Grund der Ablehnung, explizit hier.

Vors.:

Es ist nicht der Grund der Ablehnung. Das sind Vorgänge, von denen Sie reden, die liegen längst zurück, sind in Ablehnungsgesuchen häufig geltend gemacht worden, sind immer wieder erwähnt worden. Sie haben mit dem konkreten Bezug zu diesem Antrag nichts zu tun.

Angekl. B[aader]:

Nein, weil die Staatspsychiatrie, der Senat und hier im Besonderen, das ist der Grund der Ablehnung. Die Identität zwischen Senat ...

Vors.:

Ich bitte das Wort einzustellen.

Angekl. B[aader]:

... und den Psychiatern, das identische Interesse ...

Vors.:

Ja, ich betrachte die Beanstandung ...

Angekl. B[aader]:

Nein, ich hab meine Beanstandung noch nicht zu Ende geführt. Kann ich denn hier keinen Satz zu Ende reden mehr. Das ist ja nicht auszuhalten. Notwendig, das sind die Bedingungen, das ist der Hintergrund, auf denen sich eine Interessenidentität ergibt und auf den die Staatspsychiatrie sozusagen zwangsläufig diesen Senat abstützt und der Senat sich mit der Staatspsychiatrie abstützt. Auch ist ...

Vors.:

Auch Herr Baader, die Ausführung zur Staatspsychiatrie sind sieben Tage lang dargelegt worden. Wir haben Ihnen gesagt, stellen Sie den Bezug zum Senat her, das wird hier nicht mehr aufgewärmt jetzt.

Angekl. B[aader]:

Dann möchte ich Ihnen noch einmal sagen, daß der Bezug in dem Psychiater benannt sind beide von der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie als Beispiel und darüber haben Sie ja Jan als Beispiel vorhin 10 Minuten von einem Aspekt hier reden lassen, dann ist mir völlig unklar, naja, es ist mir völlig klar, warum Sie mich dazu nicht reden lassen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Pfaff, Sie wollten noch Ausführungen machen.

RA Pf[aff]:

Wenn Sie durch die Ablehnung der Anträge auf Ablehnung der Gutachter und durch die Ablehnung der Anträge auf Entbindung der Gutachter von ihrem Auftrag es hervorrufen, daß nunmehr der Antrag auf Ablehnung aus diesen Gründen erfolgen muß, dann können Sie doch nicht darauf hinweisen, daß Herr Baader bereits vorgebracht hat, diesen Zusammenhang be- [3045] reits vorgebracht hat. Er hat es nicht getan im Zusammenhang mit dem Ablehnungsantrag gegen das Gericht. Das können Sie doch nicht übersehen.

RA Dr. H[eldmann]:

Und noch eines, wenn ich das bemerken darf. Immer dann ...

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Danke. Immer dann, wenn in den Begründungen die Ablehnungen der Herren Mende und Ehrhardt eine Brücke geschlagen worden ist, von der Rolle dieser Sachverständigen zur Rolle des Senats und den Auswahlkriterien, da haben Sie das Wort abgeschnitten und haben die Angeklagten verwarnt mit dem Hinweis, der Senat hat mit der Ablehnung von Ehrhardt und Mende nichts zu tun. Und nunmehr spricht Herr Baader von dem Zusammenhang zwischen Senat und seinen Sachverständigen Ehrhardt und Mende. Und wiederum schneiden Sie ab, diesmal[oooo] mit dem Hinweis, das hat mit Ehrhardt und Mende nichts zu tun.

Meine Herrn, verzeihen Sie, erkennen Sie nicht selbst, daß das höchst widersprüchlich ist und daß darum diese Wortentziehung nicht gerechtfertigt ist.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen, es bleibt beim Wortentzug, weil der Angeklagte Baader den konkreten Bezug zum Ablehnungsantrag auch bei großherziger Betrachtung nicht hergestellt hat.

Angekl. B[aader]:

Ich möchte eine Gegenvorstellung[38] ...

Vors.:

Eine Gegenvorstellung gibt es nicht.

Angekl. B[aader]:

Gibt’s nicht, ja.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Pfaff.

RA Pf[aff]:

Herr Vorsitzender, gestatten Sie mir eine Frage. Wie kann eine Beratung des Senats möglich sein, wenn Sie sich jeweils nur mit zwei Kollegen beraten. Das scheint mir doch ausgeschlossen zu sein. Vielleicht ist diese Frage hier im Saale schon einmal erörtert worden, aber mir als einem relativ neu Prozeßbeteiligten fällt das auf, und ich halte es für ein ganz unmögliches Verfahren.

Vors.:

Es wäre eines, wenn es so wäre wie Sie glaubten, Sie irren sich. Hat sonst jemand jetzt noch sich zu diesem Antrag zu äußern. Herr Raspe, Sie haben erwähnt, Sie wollten noch ergänzen.

Angekl. R[aspe]:

Naja, es gibt einen weiteren Grund, indem wir den Zusammenhang nochmal darstellen können und auch darstellen [3046] wollen. Und zwar ist das zu entwickeln, im Zusammenhang der Gegenüberstellung, der Begründung, mit der Teuns abgelehnt worden ist und mit der diese beiden Gutachter bestellt werden und an dieser Bestellung gegen unsere Begründung ihrer Befangenheit festgehalten wird. Die Nacktheit, mit der Prinzing hier den Faschismus und die Provinzialität in Beschlüsse fasst, ist wirklich unerträglich geworden. Also ich stelle das jetzt noch einmal gegenüber. Teuns wurde als befangen abgelehnt worden, wurde als Befangen abgelehnt, weil er als Arzt eine ausdrücklich antifaschistische Position bezogen hat und sich so verhalten hat in seinem öffentlichen Prozeß, so hilflos der war, gegen die Praxis von Witter in Köln, bzw. den Versuch von Witter in Köln, die Zwangsszintigrafie, die Zwangsnarkose und den Eingriff, den stereotaktischen Eingriff durchzuziehen. Aus den Gründen, weil Teuns dagegen öffentlich protestiert hat, eine antifaschistische Position bezogen hat, wird er abgelehnt. Er ist sozusagen von vornherein als Antifaschist disqualifiziert, wissenschaftlich disqualifiziert. Er wird diskreditiert von diesem Senat, das ergibt sich eindeutig aus dem Beschluß. Und dem gegenüber werden Gutachter der herrschenden Meinung, wie hier gesagt worden ist, was also nur heißt, daß sie innerhalb ihres Vereins, dieser Gesellschaft die herrschende Meinung darstellen. Gutachter, die ausdrücklich Faschisten sind und das haben wir hier gezeigt aus ihren Schriften. An Ehrhardt eindeutig belegt ...

Vors.:

Herr Raspe, das ist eine Beleidigung für die Gutachter, die Sie in einer Weise abqualifizieren, die nicht berechtigt ist. Ich möchte Ihnen deswegen nicht allein das Wort entziehen ...

Angekl. R[aspe]:

Das ist eine Feststellung.

Vors.:

... aber halten Sie sich zurück mit solchen Beleidigungen.

Angekl. R[aspe]:

Das ist keine Beleidigung, das ist eine Feststellung. Die wir über einige Tage dargestellt haben, aus den Schriften von Ehrhardt. Er hat sich ausdrücklich, und Mende hat sich ausdrücklich mit dem Projekt von Witter mit den Zwangsuntersuchungen, mit Zwangsnarkosen identifiziert. Und wir haben gezeigt, daß das Projekt, daß sind die wirklich sind, z.B. die Zwangsnarkose von sämtlichen, aus drei Gutachten allein belegt von sämtlichen Anästhesisten abgelehnt werden, die Zwangsnarkosen. [3047] Es zeigt, daß das wirklich ein Ausdruck unmenschlicher gegen die Menschen gerichtete Wissenschaft ist, mit denen sich die Herren Ehrhardt und Mende identifiziert haben. Das qualifiziert sie genau als das, als Faschisten. Und als solche kommen Sie hier als Gutachter in dieses Gericht ...

Vors.:

Herr Raspe, Herr Raspe, ich entziehe Ihnen hiermit wegen Beleidigungen, beleidigender Ausführungen gegen die Sachverständigen das Wort. Außerdem wegen ständiger Wiederholungen. Diese Hinweise auf Professor Witter, die Identifizierung, die angebliche, der Sachverständigen mit ihm, die Qualifizierung der Maßnahmen, die Professor Witter hier vorgeschlagen hat, sind derart breit erörtert worden, daß ich das nicht mehr zulassen kann, daß das ständig wiederholt wird.

Herr Kollege bitte.

Referendar D[üx]:

Ich dürfte doch noch mal auf folgendes hinweisen. Es ist vorher Herrn Baader das Wort entzogen worden und jetzt machen Sie das gleiche bei Herrn Raspe. Ich frage Sie ganz schlicht: was bezwecken Sie mit diesem Verfahren? Herrn Raspe hat in diesem Zusammenhang gesprochen von Herrn Teuns und hat das gegenübergestellt und hat die Gutachter Ehrhardt und Mende als faschistisch qualifiziert. Es ist viel zu billig, anzunehmen, es ginge hier um irgend welche Verbalinjurien, es geht hier, wie festgestellt worden ist, seitens der Gefangenen in einem längeren Zeitraum, sind deren Äußerungen und Untersuchungsergebnisse auch qualifiziert worden und es ist eine Meinungsäußerung des Herrn Raspe, wenn er sagt, es handle sich dabei um eine faschistische Methode oder selbst um einen Faschisten. Das geht hier nicht um Beleidigung, dazu ist dieser Vorgang viel zu ernsthaft. Es ist nicht der Vorgang, daß irgend jemand als Faschist geschimpft wird, es geht hier um eine Methode, wie Gutachter vorgehen, und wenn Sie hier das Wort entziehen, dann ist das einfach ein Abschneiden des rechtlichen Gehörs. Es geht darum, daß Herrn Raspe gegenseitig sein Antrag begründet und dabei Meinungsäußerungen macht und wollen Sie diese Meinungsäußerung verbieten. Ich kann Ihre Reaktion einfach nur so werten, daß Ihnen nicht mehr bequeme Meinungsäußerung, daß Sie die in diesem Zusammenhang unterbinden wollen, in diesem [3048] Verfahren.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen, es bleibt bei der Wortentziehung. Es braucht sich in diesem Staate niemand als Faschist bezeichnen zu lassen. Das ist eine schwere Beleidigung, gerade in diesem Lande. Etwas anderes wäre es, wie es von Seiten der Verteidigung ausgeführt worden ist, wenn etwa faschistische Methoden nachgesagt werden. Das ist eine ganz andere Situation als wenn jemand direkt als Faschist und daß nach Abmahnung und Hinweis, daß das nicht hingenommen wird, geschieht. Im übrigen kommt hinzu die Gesichtspunkte, die bereits wegen der ständigen Wiederholungen angeführt worden sind.

Frau Meinhof meldet sich zu Wort.

Referendar D[üx]:

Ich beantrage dennoch für Herrn Raspe, ihm rechtliches Gehör zu gewähren, daß er sehr wohl seine Ausführungen weiter fortführen kann, oder ich möchte wissen, daß Sie das rechtliche Gehör hier offiziell verweigern.

Vors.:

Ja, möchten Sie es wissen. Wir haben Ihnen gesagt, Gegenvorstellungen in diesem Zusammenhang gibt es nicht. Frau Meinhof, Sie haben sich zu Wort gemeldet zuerst, bitte.

Angekl. M[einhof]:

Ich schließe mich dem Ablehnungsantrag an mit zwei Gründen. 1. Deswegen, weil Sie Andreas hier permanent und systematisch das Wort entziehen, und dabei jedesmal klar ist, daß es ihm um nichts anderes geht, als darum, die Inhalte abzuwürgen. Weil er es ist, der hier die Inhalte transportiert. Also es kommt jetzt nicht darauf an, nochmal zusammen zu zählen, 150 Mal oder so, was Sie ihn in den letzten Monaten hier unterbrochen haben. Aber daß Sie ihm hier jetzt das Wort abschneiden, naja das beweist es einfach zum soundsovielten Mal, daß es explizit Andreas ist, den Sie hier natürlich nicht reden lassen.

2. Der Wortentzug bei Jan beweist nur einmal mehr, daß Sie überhaupt nicht zugehört haben, bzw. völlig unfähig sind, etwas zu verstehen. Weil Faschismus ist ein ganz klarer analytischer politischer Begriff. Und wenn Sie nicht in der Lage sind, eine präzise politische Analyse von einer Beschimpfung zu unterscheiden, dann beweist es einfach einmal mehr Ihre Befangenheit. Nur sind Sie natürlich in der Lage dazu, aus genau dem Grund entziehen Sie ja permanent Andreas [3049] das Wort. Also die Befangenheit ist wirklich eindeutig.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen. Frau Ensslin?

Herr Dr. Heldmann, haben Sie mit Frau Ensslin vereinbart, daß Sie zurücktritt.

RA Dr. H[eldmann]:

... bevor Sie spricht, daß ich eine Bemerkung mache. Erstens mal: Sie haben Herr Baader genau einen von mehreren Punkten seiner Ablehnungsbegründung vortragen lassen. So kann man Ablehnungsanträge natürlich nicht begründen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, wir sagten schon, Gegenvorstellungen wollen wir jetzt aber in diesem Punkte nicht mehr annehmen.

Angekl. B[aader]:

Dann kriegen Sie halt morgen nochmal einen Ablehnungsantrag.

RA Dr. H[eldmann]:

Aber Sie registrieren, daß ich Herrn Baaders Verteidiger bin.

Vors.:

Ja, das registriere ich. Aber dazu ist ja im Augenblick nichts mehr zu sagen.

RA Dr. H[eldmann]:

Erlauben Sie mir einen rechtlichen Hinweis. Faschist ist heute nicht Schimpfwort, sondern ist eine politische Kategorie. Umgekehrt wird niemand[pppp] die Anrede oder die Denunzierung Kommunist als eine Beleidigung auffassen, obgleich eine solche Denunzierung, wie wir wissen, ja ganz erhebliche existenzgefährdende Folgen nach sich ziehen kann. Ich mein also, der Senat irrt, wo er sagt, hier in dem Gebrauch des Wortes Faschist oder faschistisch sei eine Beleidigung zu erblicken.

Vors.:

Frau Ensslin, bitte.[qqqq]

Angekl. E[nsslin]:

Aus der Gegenüberstellung, die Jan gemacht hat, hier nochmal die Gegenüberstellung Teuns Ablehnung durch das Gericht und ...

Vors.:

Schließen Sie sich dem Antrag an, Frau Ensslin.

Angekl. E[nsslin]:

Ich schließe mich dem Antrag an und führ das nochmal dazu aus. Und Teuns abzulehnen und an Ehrhardt und Mende festzuhalten, gelangt man eben genau an den Punkt der Struktur der Sache, wo das Allgemeine das Besondere charakterisiert, Prinzings Verstrickung nämlich. Das heißt, er kulminiert eine Entwicklung, die mit dem Tod von Holger anfing. Und Ehrhardt und Mende haben die Funktion, Prinzing zu exkulpieren. Denn evident wird ja in der Ursache der Verhandlungsunfähigkeit hier Isolation, auch die Notwendigkeit des Widerstands dagegen. [3050] Der Tod Holger fällt voll auf Ihn, Prinzing.[39] Wenn hier festgestellt wird, und jede neutrale Art stellt es fest, Prinzings Abhängigkeit, die einfach damit gegeben ist, daß er es ist, der die Isolation anordnet und aufrechterhält. Das ist genau der Punkt, mit dem man den Prozeß hier in den Widerspruch manipuliert hat, an dem der Prozeß platzen kann und wird.

Vors.:

Herr Dr. Temming ...

Angekl. E[nsslin]:

Ich werd hier nochmal ...

Angekl. B[aader]:

Jetzt knallts hier wirklich bald. Also jetzt haben wir gleich die Schnauze voll, wirklich.

Angekl. E[nsslin]:

... die Begründung des Gerichts für die 2. Ablehnung Teuns vorlesen und die Sache vielleicht hier noch mal Ihnen auch nahe zu bringen.

Vors.:

Entschuldigung, das ist mir jetzt entgangen. Was wollen Sie Frau Ensslin.

Angekl. E[nsslin]:

Ich werd hier Ihre Begründung für die zweite Ablehnung von Teuns nochmal vorlesen.

Vors.:

Zu welchem Bezuge.

Angekl. E[nsslin]:

Professor Witter, das ist also in der Ablehnung von Teuns und die Begründung der Ablehnung von Teuns. Ja, gegenübergestellt der Benennung und dem Festhalten an Ehrhardt und Mende. Professor Witter, Sie zitieren also, ich werd das ganze vorlesen, das ist auch kurz genug. „Der Senat hat schon in einem früheren Beschluß zum Ausdruck gebracht, daß Professor Teuns wegen des Vorspruchs vor seinem Beitrag im Kursbuch 32[40] Zweifel hinsichtlich seiner Unparteilichkeit unterliege. Diese Zweifel haben sich verstärkt. In einem bei den Akten befindlichen offenen Brief, ist also aus den Dossiers, an den Bundesgerichtshof vom 10.1.1973 heißt es: „Professor Witter macht sich hier am deutlichsten als Arzt zu einem aktiven Teil der unmenschlichen Institutionen, die die politischen Gefangenen unter die Isolationsfolter gestellt haben und stellen. Dies steht in der Tradition der NS-Medizin im deutschen Faschismus. Kein Arzt darf eine solche Medizin unterstützen.“ Und weil Professor Teuns diesen Brief nicht nur unterschrieben hat, sondern da auch besonders engagiert war, die Sache organisiert hat, fanden Sie es richtig, ihn abzulehnen. Man muß das einfach nochmal sehen, wir sagen Komplott. Prinzing, das Gericht ist in diesem Staat zu Hause und da gibt es eben diese nachbarschaftlichen [3051] Hilfen, die Ehrhardt und Mende in dieses Verfahren gebracht haben.

Vors.:

Herr Dr. Temming.

Referendar Dr. T[emming]:

Ja, ich möchte den Antrag auf Ablehnung dieses Gerichts noch auf einen weiteren Grund stützen, nämlich darauf, daß dieses Gericht, obwohl es abgelehnt worden ist, wegen seiner Befangenheit, glaubt, festlegen zu können, was Befangenheitsgründe sind und was nicht. Meines Wissens schreibt die StPO in § 29 vor, daß abgelehnte Richter nur noch unaufschiebbare Maßnahmen zu ergreifen haben,[41] dazu zählt sicherlich nicht, daß diejenigen, die abgelehnt worden sind als befangen, ihrerseits vorschreiben können, was als Befangenheitsgründe in Frage kommt und was nicht. Das aber genau tut das Gericht hier, wenn es den Angeklagten permanent das Wort entzieht, immer dann in Situationen, die dem Gericht natürlich unangenehm sein müssen, weil der allgemeine Zusammenhang und der Stellenwert, in dem das Gericht in diesem Zusammenhang sich befindet, hier thematisiert wird. Weil versucht wird, als ob es immer nur um Einzelfälle ging, während in Wirklichkeit eben dieser allgemeine Zusammenhang bis hoch zur Regierungsebene, bis einschließlich Judikative, bis einschließlich Legislative reicht und genau diesen Zusammenhang muß dieses Gericht natürlich versuchen, zu zerschlagen, weil das eben der Zusammenhang ist, in dem natürlich auch die Psychiatrisierung, die hier versucht werden soll, steht und nur da überhaupt begreifbar wird als eine Strategie, wie mit den Gefangenen verfahren werden soll.

Vors.:

Nunmehr hat die Bundesanwaltschaft die Gelegenheit sich zu äußern.

OStA Z[eis]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Ablehnungsgesuche gem. § 26a Abs. 1 Ziff. 1 und 3 StPO als unzulässig[42] zurückzuweisen. Was die Ablehnungsgründe, die Herr Rechtsanwalt von Plottnitz heute morgen vorgetragen hat, angeht, so ist ein Teil schon deswegen unzulässig, weil er verspätet ist. Das betrifft in erster Linie den Komplex Ehrhardt-Mende. Das betrifft die Versagung einer Besuchserlaubnis von Herrn Dutschke. Und es betrifft aber auch den von Herrn Raspe noch zusätzlich geltend gemachten Ablehnungsgrund, daß seine Anträge im Zusammenhang mit der Protokollierung heute morgen nicht angenommen worden sind. Nach § 25 StPO ist die Ablehnung eines Richters [3052] wegen Besorgnis der Befangenheit bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache zulässig. Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn erstens die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung berechtigten erst später bekannt geworden sind und darauf kommt’s jetzt an, 2. die Ablehnung unverzüglich[43] geltend gemacht wird. Ist dies nicht der Fall, dann muß das Ablehnungsgesuch nach § 26a Abs. 1 Ziff. 1 StPO als verspätet und damit als unzulässig zurückgewiesen werden. Mit der Vernehmung der Angeklagten zur Sache im Sinne von § 25[ StPO] ist bereits begonnen worden. Die Vernehmung beginnt, nachdem der Angeklagte sich nach dem Hinweis, daß es ihm freistehe, sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, zur Äußerung bereit erklärt hat. Das haben die Angeklagten getan, daran ändert auch der Zusatz, daß sie nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht ihm die Gelegenheit gegeben hat, sich zur Sache zu äußern, sich geäußert haben.

Angekl. B[aader]:

Nein!

OStA Z[eis]:

Der übrige Ablehnungsgrund nämlich, die Nichtstattgabe des Antrags auf Verfahrensunterbrechung ist unzulässig. Durch die Rückfrage des Herrn Vorsitzenden bei einem der Herrn Gutachter ist insoweit ausdrücklich klargestellt worden, daß von der partiellen Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, nämlich für die Dauer von 3 Stunden für den heutigen Verhandlungstag keinerlei Zweifel bestehen kann, d.h. dieser Ablehnungsgrund ist offensichtlich unbegründet und infolge dessen gem. § 26a Abs. 1 Ziff. 3[ StPO] durch die Ablehnung soll[rrrr] nur offensichtlich, daß das Verfahren verschleppt oder nur[ssss] verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden, unzulässig. Der letzte Ablehnungsgrund, den der Herr Rechtsreferendar hier vorgetragen hat, trägt geradezu die Unlogik auf der Stirn. Er meint offenbar, wenn hier Ablehnungsgründe vorgebracht werden, sei[tttt] das Gericht Freiwild, d.h. daß der Vorsitzende dann nicht mehr eingreifen darf, um beleidigende Äußerungen zu unterbrechen oder Abschweifungen zu verhindern. Nach alledem handelte es sich einmal wieder mehr um den durchsichtigen Versuch, den Prozeß weiter zu verschleppen und zu sabotieren. Man will dort drüben nur noch verhindern, daß der Prozeß voranschreitet. Kann man die Zeit nicht mehr durch Filibustern herumbringen, so greift man eben zum be- [3053] währten Mittel, wieder einmal mit einem Ablehnungsantrag, dem 19. übrigens, den Prozeß hier weiter zu verschleppen, wobei man dann noch in aller Offenheit darauf hinweist, man wisse, daß das Ablehnungsgesuch kein Erfolg haben werde, man stelle es aber dennoch. Wenn das keine Prozeßverschleppung sein soll, dann weiß ich nicht mehr, was für einen Vorgang es gibt, der diese Bezeichnung verdiente. Dem Versuch der Verteidigung und der Angeklagten, den Prozeß hier zur Farce werden zu lassen, muß mit Entschiedenheit entgegengetreten werden.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte um das Wort für Herrn Baader.

Vors.:

Herr Raspe hat sich zuerst gemeldet.

Angekl. R[aspe]:

Nein, lassen Sie Andreas zuerst reden, ich red danach.

Vors.:

Herr Raspe, Sie haben sich als erster gemeldet, haben als erster das Wort bekommen, bitte benützen Sie es.

-Rechtsanwalt Pfaff verläßt um 14.38 Uhr den Sitzungssaal-

Angekl. R[aspe]:

Naja, zur Farce, das zu Zeis, wird der Prozeß im Zusammenhang von Ablehnungsanträgen wegen Befangenheit und das ist der Inhalt unter anderem dieses Antrags gewesen, durch die Praxis des Senats und durch die Praxis der Bundesanwaltschaft für dreieinhalb Jahren, das ist zunächst mal zu sagen. Weiter ist zu sagen, das ist einfach zu korrigieren, weil es natürlich wieder einmal gelogen ist, wir seien bereits, wir hätten bereits begonnen, es sei bereits damit begonnen worden, zur Sache uns zu äußern. Das ist nicht der Fall, sondern richtig ist, daß wir zwangsweise zur Person vernommen werden sollten[44] und daß im Anschluß daran der Senat zwar die Frage gestellt hat, ob wir uns zur Sache erklären, daß wir aber an der Stelle genau gesagt haben, daß das überhaupt nicht der Punkt sein kann. Das wir nun nicht zur Sache sprechen werden, bevor wir nicht zur Person sprechen, bzw. gesprochen haben. Also auch auf dieser ganz formalen Ebene ist es ganz einfach falsch, was Zeis eben gesagt hat. Denn es kann natürlich keine Rede davon sein, daß wir schon begonnen hätten, irgendwie an diesem Punkt angelangt zu sein, wo wir zur Sache reden, solange also die Vernehmung zur Person illegal ist und geblieben ist, auch durch den Beschluß des Senats geblieben ist.

Vors.:

Herr Baader.

[3054] Angekl. B[aader]:

Naja, zur Frage der Farce ist vielleicht zu sagen, daß dieses ganze Verfahren, also sagen wir mal dieser Prozeß, eine Farce war schon bevor er angefangen hat. Und zwar wirklich durch Ihre Politik, durch die Politik der Bundesanwaltschaft ...

Vors.:

Ja, kommen Sie bitte zur Sache, das hat nun wirklich mit der Erwiderung auf das ... nichts zu tun.

-Rechtsanwalt Pfaff erscheint wieder um 14.40 Uhr.-

Angekl. B[aader]:

Moment mal, aber die Bundesanwaltschaft hat die Möglichkeit, zu so was hier sich zu äußern und ich kann darauf nicht entgegnen oder wie.

Vors.:

Herr Raspe hat sich im Rahmen dessen, was ...

Angekl. B[aader]:

Ja, das war Herr Raspe.

Vors.:

... als Erwiderung angesehen werden kann zur Frage der Farce, geäußert. Sie greifen jetzt zurück auf Zeiten vor diesem Prozeß. Das ist eine Weiterung, die nicht hingenommen werden würde.

Angekl. B[aader]:

Naja, Sie haben doch etwas gegen die Blockverteidigung[45] im allgemeinen. Aber schön, dann noch zu dem Punkt, es seien Beleidigungen, es ging hier um Beleidigungen zur Frage der Wortentziehung. Das ist ja nun wirklich, und das wird Ihnen wirklich, das kann jeder bestätigen, der da ein bißchen durchblickt, daß das gesamte Gedankengebäude Ehrhardts auf faschistisches Gedankengut zurückgeht. Daß sein Krankheitsbegriff darauf zurückgeht und daß seine gesamte philosophische Arbeit zu bestimmen ist als faschistisch. Wenn man Ehrhardt als Faschisten charakterisiert, ist das wirklich nur eine Bestimmung, exakt der Richtung, die er vertritt. Und daß das hier als Beleidigung empfunden wird von Richtern, naja, da würde ich dann schon sagen, das ist verständlich, im Zusammenhang Ihrer Traditionen, und auch Ihrer Identitäten. Aber man könnte dazu vielleicht nochmal das Beispiel benutzen, um das genauer zu belegen. Sie haben Teuns, denn das ist nicht ganz zu Ende gekommen hier, Sie haben Teuns, den Gutachter Teuns für unqualifiziert erklärt, weil er gesagt hat ...

Vors.:

Herr Baader, Sie haben die Möglichkeit, zu erwidern auf das, was [3055] die Bundesanwaltschaft gesagt hat. Sie können jetzt nicht wieder mit Herrn Professor Teuns beginnen.

Angekl. B[aader]:

Ja ich will, Moment mal, Gegenstand ...

Vors.:

Dazu ist Ihnen das Wort entzogen worden.

Angekl. B[aader]:

... Gegenstand des Ablehnungsgesuchs war doch die Wortentziehung, die haben Sie begründet [uuuu] mit einer Beleidigung und die Bundesanwaltschaft hat diese Argumentation aufgenommen. Es ist gesagt worden, es sei beleidigend, naja, da möchte ich jetzt mal klarmachen an diesem Beispiel, inwiefern das keine Beleidigung ist, als Erwiderung auf die Bundesanwaltschaft. Und wie überhaupt hier mit den Begriffen umgegangen wird. Außerdem haben Sie natürlich wieder inhaltlich kein Wort dazu gesagt. Weder das Gericht, noch die Bundesanwaltschaft hat inhaltlich zu dem Standpunkt oder zu dieser Frage, ob Ehrhardt nun ein Faschist ist oder nicht und wieso er keiner ist als Beispiel, dazu kommt natürlich nie ein Wort, weil Sie keine Ahnung haben. Sie haben wahrscheinlich noch nicht mal ein Text von dem gelesen und Sie kennen schon gar nicht sozusagen die historischen Grundlagen, auf denen er das alles aufbaut. Und Sie kennen auch die Funktion, die das im dritten Reich hatte, d.h. dieses im Zusammenhang der nationalsozialistischen Ideologie hatte, die kennen Sie nicht. Aber Ehrhardt ist der Mann, der diese Tradition repräsentiert. Er ist der Mann, der diese Tradition über die Fiktion des Grundgesetzes hinweggezogen hat auf dem Gebiet der Psychiatrie. Ehrhardt als Faschisten zur charakterisieren, ist absolut korrekt, ist auch wissenschaftlich nachweisbar.

Vors.:

Herr Baader, wegen einer Weiterung und außerdem wegen Festhaltens an dieser Beleidigung wird Ihnen das Wort erneut entzogen.

Angekl. B[aader]:

Naja, es geht doch nur über die Interessenidentität ...

Vors.:

Das Wort ist Ihnen entzogen, bitte nehmen Sie es zur Kenntnis. Weitere Wortmeldungen, Frau Ensslin, Frau Meinhof. Frau Meinhof!

Angekl. M[einhof]:

Naja kurz. Ich würde sagen, es kann schon sein, daß wir hier den Prozeß, nämlich den Prozeß ohne Verteidigung und ohne Angeklagte, auf den Sie hier aus sind, verschleppen, weil wir hier den Kampf gegen die Isolation führen. Weil das der Kern aller Anträge, jedenfalls weil das doch der Kern aller Anträge war, um den sich diese ganze vier Monate gedreht haben und es [3056] ist auf Prinzings, bzw. auf der Seite des Gerichts ein Federstrich, die Isolation aufzuheben. Und solange die Isolation nicht aufgehoben ist, sind diejenigen, die hier den Prozeß verschleppen, das Gericht und die Bundesanwaltschaft, und sonst überhaupt keiner.

Vors.:

Ich bitte um halbvier Uhr wieder im Saal ... Bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Baader hat seine Antragsbegründung um den weiteren Ablehnungsgrund zu erweitern, nämlich das der Senat ihm verwehrt hat, seinen Ablehnungsantrag zu begründen.

Zweitens habe ich bereits darauf hingewiesen, daß Faschist, faschistisch eine politologische Kategorie ist. Es gibt meterweise von Literatur hierzu zu Faschismus, Theorien zu Faschismusforschung und daß heute 1975 nur ein solcher sich durch die Anrede mit Faschist beleidigt fühlen könnte, ich bezweifle, daß Herr Ehrhardt sich dadurch beleidigt fühlen würde, der eben bestimmtes nicht verarbeitet hat und darum insoweit eine individuelle Verletzlichkeit hat. Drittens einen rechtlichen Hinweis. Ich halte die von der Bundesanwaltschaft vertretene Auffassung, das Ablehnungsgesuch für Herrn Raspe dem sich Herr Baader angeschlossen hat, sei verspätet, für rechtsirrtümlich, weil nämlich 1. der Antrag, der zu Ihrem Beschluß vom 10. also von gestern geführt hat, in der Fortsetzung stand, in der unmittelbaren Fortsetzung stand zu Ihrem Beschluß vom 9. und weil Herr Baaders Antrag sich auf Ihre Beschlüsse vom 9. und vom 10. bezogen hat.

Vors.:

Ich bitte um halbvier Uhr wieder im Saal zu sein. Alle Prozeßbeteiligten, Öffentlichkeit vorsorglich zugelassen. Damit Unterbrechung bis dahin.

Der Senat zieht sich um 14.46 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt um 15.33 Uhr wird wie folgt fortgesetzt.

-Regierungsdirektor Widera, Oberstaatsanwalt Holland und Rechtsanwalt Schlaegel waren nicht mehr anwesend-.

Vors.:

Wir setzen fort. Herr Rechtsanwalt Schlaegel ist verhindert, er hat sich entschuldigt.

[3057] Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

-Der Vorsitzende verliest den Beschluss vom 11.9.1975 aus Anlage 2 zum Protokoll-

Damit schließe ich die heutige Verhandlung, Fortsetzung morgen früh um 9.00 Uhr.

Ende der Sitzung 15.36 Uhr

Ende von Band 172

[3058-3059][46]


[1] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Aufgrund vorrangiger Anträge fand die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklage erst am 26. Verhandlungstag statt. Der Grund, warum den Angeklagten hier ermöglicht wird, auch im Rahmen der Aussage zur Sache noch zur Person auszusagen, ist, dass sie während der Vernehmung zur Person wegen ordnungswidrigen Verhaltens von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (§ 177 GVG i.V.m. § 231b StPO) und ihre persönlichen Verhältnisse anschließend in ihrer Abwesenheit aus der Akte mitgeteilt wurden (s. dazu S. 2139 ff., 2154 des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag).

[2] Die Entscheidung, einen Antrag anzunehmen, ist Bestandteil der Verhandlungsleitung, welche durch den/die Vorsitzende/n ausgeübt wird (§ 238 Abs. 1 StPO). Es besteht aber keine Verpflichtung, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Prozessbeteiligte, die einen Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stellen, können daher auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 10.6.2014 - Az.: 3 StR 57/14, NStZ 2014, S. 668, 670; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 238 Rn. 5).

[3] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[4] § 241 StPO gibt dem/der Vorsitzenden die Befugnis, das Fragerecht in bestimmten Fällen bei dessen Missbrauch zu entziehen (Abs. 1), sowie ungeeignete und nicht zur Sache gehörende Fragen zurückzuweisen (Abs. 2). Gemeint sein könnte das sich aus § 240 StPO ergebene Fragerecht der Verfahrensbeteiligten.

[5] Der Unmittelbarkeitsgrundsatz findet seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO, wonach das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Er gilt jedoch nur im sog. Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“), das in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt ist und Anwendung findet zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe.

[6] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Auch andere Prozesshandlungen (Erklärungen und Anträge) erfolgen regelmäßig innerhalb der mündlichen Verhandlung mündlich (vgl. zur Form auch Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 337; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 124). Für manche Prozesshandlungen finden sich zudem besondere gesetzliche Regeln zum Verfahren (z.B. zu Befangenheitsanträgen in §§ 25, 26 StPO). Sind Vorgänge verfahrensrechtlich jedoch nicht geregelt und beziehen sie sich nicht unmittelbar auf die oben beschriebenen Inhalte, müssen sie nicht Gegenstand der Hauptverhandlung sein.

[7] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[8] In einem vorläufigen Gutachten nahmen die Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten an, nämlich für täglich nicht mehr als drei Stunden (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).

[9] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Ihr Fehlen bedeutet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Mit Beschluss vom 18.7.1975 beauftragte das Gericht schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[10] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[11] Am 27. Verhandlungstag teilte der Vorsitzende Dr. Prinzing mit, dass er - nachdem er von dem vorläufigen Gutachten der Professoren Dr. Müller und Dr. Schröder (Fn. 8) Kenntnis erlangt hatte - telefonisch nachgefragt habe, wie die Zeitangabe „drei Stunden“ zu verstehen sei. Ihm sei daraufhin mitgeteilt worden, dass die reine Verhandlungszeit gemeint sei, Pausen und Unterbrechungen seien nicht mitzuzählen (S. 2170 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Diese Mitteilung sorgte für einige Diskussion. Der Antrag der Verteidigung, die Sachverständigen zu laden, um sie in der Hauptverhandlung dazu befragen zu können, wurde abgelehnt (S. 2192 ff., 2210 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).

[12] Am 26. Verhandlungstag vertrat die Verteidigung die Auffassung, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten sei durch die vorläufigen Einschätzungen der Gutachter Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder, die zu diesem Zeitpunkt vorlagen, nicht mehr gesichert. Der darauf gestützte Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde abgelehnt. Die Verteidiger/innen Becker, Dr. Heldmann, Riedel, Schily und von Plottnitz verließen daraufhin die Hauptverhandlung mit der Erklärung, man möge ihnen Bescheid sagen, sobald das endgültige Gutachten über die Verhandlungsfähigkeit vorliege (S. 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da daraufhin auch die Angeklagten die Hauptverhandlung verlassen wollten, der Vorsitzende Dr. Prinzing dies mit dem Hinweis auf die Anwesenheitspflicht aber untersagte, störten sie so lange, bis sie schließlich wegen Störung der Hauptverhandlung (§ 177 GVG i.V.m. § 321b StPO) ausgeschlossen wurden. Sodann sollte mit der Vernehmung zur Person begonnen werden. Mit Hinweis auf das überragende Interesse des rechtlichen Gehörs in dieser Prozessphase ließ der Vorsitzende die Angeklagten einzeln wieder vorführen, um sie zur Person zu befragen. Dies verweigerten die Angeklagten. Schließlich wurde die Vernehmung zur Person, nach erneuten Ausschlüssen wegen fortwährenden Beleidigungen, in Abwesenheit der Angeklagten durch Mitteilung ihre persönlichen Verhältnisse aus der Akte durchgeführt (s. dazu S. 2139 ff., 2154 des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag).

[13] Prof. Dr. Rauschke war Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart und beauftragt worden, zur Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten Stellung zu nehmen. Zur Vernehmung des Prof. Dr. Rauschke s. S. 1102 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (14. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn, ebenso wie eine durch den Anstaltsarzt Dr. Henck, lehnten die Angeklagten ab.

[14] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[15] Rechtsanwalt Dr. Croissant rief den Vorsitzenden Dr. Prinzing am 9. November 1974 an und wies ihn auf den kritischen Gesundheitszustand von Holger Meins hin. Der genaue Inhalt des Gesprächs wird von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt. Dr. Prinzing gab an, hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes der Schilderung skeptisch gewesen zu sein. Die Hinzuziehung eines Arztes unterblieb letztlich - aus welchen Gründen ist unklar. Die Justizvollzugsanstalt in Wittlich soll Dr. Prinzing auf Nachfrage versichert haben, der Zustand von Holger Meins sei nicht so dramatisch, wie von Rechtsanwalt Dr. Croissant dargestellt. Gegen 17 Uhr am selben Tag verstarb Holger Meins (s. zu den unterschiedlichen Schilderungen der Ereignisse die hierauf gestützte Ablehnung des Vorsitzenden durch die Angeklagte Ensslin, Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, S. 620 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 7. Verhandlungstag, sowie die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing, S. 677 ff., ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[16] Prof. Dr. Mende und Prof. Dr. Erhardt wurden als Sachverständige bestellt, um die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus psychiatrischer Sicht zu begutachten. Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragte bereits am 19. Verhandlungstag die Neubestellung der psychiatrischen Sachverständigen (S. 1505 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da das Gericht an der Bestellung beider Gutachter festhielt, lehnte Dr. Heldmann sie am 31. Verhandlungstag ab (S. 2548 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die ergänzende Begründung der Angeklagten dauerte vier Tage (vom 32. bis zum 35. Verhandlungstag, S. 2594 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Das Gericht wies die Ablehnungen schließlich am 35. Verhandlungstag zurück (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[17] Der Soziologiestudent Rudi Dutschke war einer der führenden Protagonisten der „antiautoritären Bewegung“. Am 11. April 1968 wurde Dutschke Opfer eines Attentats, das er zunächst nur schwer verletzt überlebte. 1979 starb er an den Folgen der Verletzungen. Vertreter/innen der Studentenbewegung und der außerparlamentarischen Opposition machten den Springer-Verlag sowie den Berliner Senat, die sich vorher mit Kampagnen explizit auch gegen Dutschke gerichtet hatten, für die Tat des jungen Attentäters Josef Bachmann verantwortlich. Die folgenden Proteste und Unruhen gehörten zu den schwersten, die die Bundesregierung bis dahin zu verzeichnen hatte (Kraushaar, in Ders. [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 1075, 1088; Siegfried, 1968, 2018, S. 163 f.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 72 ff.).

[18] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[19] § 78 StPO lautet: „Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten.“

[20] Im siebten Stock der JVA Stuttgart-Stammheim befanden sich die Haftzellen der Angeklagten (Bergstermann, 2016, S. 127 ff.).

[21] Dort heißt es: „Der Verteidiger kann den Sachverständigen nicht aus eigenem Recht, sondern nur namens des Beschuldigten ablehnen. Allerdings können sich Ablehnungsgründe für den Beschuldigten unter Umständen auch aus dem Verhältnis (Feindschaft, Zusammenstößen) zwischen dem Sachverständigen und dem Verteidiger ergeben“ (Sarstedt., in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 76 Anm. 6; Hervorh. im Original).

[22] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung, als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[23] Da bei angeordneter Untersuchungshaft mangels rechtkräftiger Verurteilung weiterhin die Unschuldsvermutung greift, ist die Anordnung von Untersuchungshaft als Ausnahmeregelung an strenge Voraussetzungen geknüpft und muss stets mit dem Zweck der Sicherung des Strafverfahrens abgewogen werden (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 435 ff., 448). § 119 Abs. 3 StPO a.F. lautete: „Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert.“ Die Sicherung des Strafverfahrens steht daher auch ganz überwiegend hinter den Haftgründen, aus denen Untersuchungshaft angeordnet werden darf: § 112 Abs. 2 StPO benennt konkrete Gründe, die die Durchführung eines Strafverfahrens beeinträchtigen könnten, nämlich Flucht (Nr. 1), Fluchtgefahr (Nr. 2), sowie Verdunkelungsgefahr (Nr. 3 lit. a-c). § 112 Abs. 3 StPO enthält zwar Straftatbestände, die im Falle eines dringenden Tatverdachts auch ohne Vorliegen eines gesonderten Haftgrundes die Anordnung der Untersuchungshaft ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht legt diese Vorschrift aber wegen eines andernfalls anzunehmenden Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzips verfassungskonform so aus, dass weitere Umstände hinzutreten müssen, welche die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme die Ahndung oder Aufklärung der Straftat eingeschränkt wäre, etwa aufgrund nicht auszuschließender Fluchtgefahr im Hinblick auf die hohe Strafandrohung der aufgezählten Straftatbestände (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 350). Einzig der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) verfolgt mit dem Schutz der Allgemeinheit präventive Zwecke.

[24] Die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder gaben in einem am 21. Verhandlungstag eingereichten (ersten) Zwischenbescheid an, ihrem Eindruck nach sei die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für die nächsten zwei bis drei Wochen zu bejahen. Eine abschließende Beurteilung stehe noch aus, sei aber vor dem anstehenden Urlaub beider Gutachter nicht mehr zu realisieren (Anlage 3 zum Protokoll vom 30.7.1975, 21. Verhandlungstag, S. 1710 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 26. Verhandlungstag entstanden Uneinigkeiten zwischen der Verteidigung und dem Gericht: Nach der Berechnung der Verteidigung waren die drei Wochen bereits abgelaufen, nach Auffassung des Senats fiel der Tag noch gerade in die Frist. Letzteres bestätigte Prof. Dr. Müller wohl auf Nachfrage (s. hierzu S. 2114 des Protokolls der Hauptverhandlung). Kurz darauf nahmen die Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder in einem vorläufigen Gutachten eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, nämlich für täglich nicht mehr als drei Stunden, an (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Auch hier herrschte über die konkrete Auslegung des Zeitfensters (ab- oder zuzüglich kurzer Verhandlungsunterbrechungen, die nicht der Erholung dienen) Uneinigkeit zwischen Senat und Verteidigung. Erneut fragte der Vorsitzende Dr. Prinzing bei Prof. Dr. Müller nach, wie die Zeitangabe zu verstehen sei. Als Reaktion auf eine dieser Nachfragen ist wohl ein Schreiben des Prof. Dr. Müller an den Vorsitzenden Dr. Prinzing zu sehen, in welchem die Formulierung auftaucht: „Wir würden es sehr begrüßen wenn diese, unsere gutachtlich vorläufige Stellungnahme in vernünftiger und einsichtiger und nicht kleinlicher Weise verwertet und gehandhabt werden könnte“ (vgl. dazu die Ausführungen des Angeklagten Baader am 30. Verhandlungstag, S. 2464 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[25] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[26] Siegfried Hausner war Mitglied der RAF und Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 Gefangenen, darunter der Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, forderte. Aus weiterhin unbekannten Gründen explodierte kurz vor der Stürmung des Gebäudes durch schwedische Spezialkräfte im Inneren der Botschaft ein Sprengsatz, infolgedessen Hausner schwer verletzt wurde. Trotz dieser Verletzungen wurde Hausner wenige Tage später in die Bundesrepublik ausgeliefert und auf die Intensivstation der JVA Stammheim verlegt, wo er Anfang Mai 1975 verstarb (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 512. 515 f.; Forsbach, Die 68er und die Medizin, 2011, S. 95 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 766 Anm. 80). Noch im Stockholmer Krankenhaus soll eine Schädelfraktur bei Siegfried Hausner festgestellt worden sein, angeblich entstanden durch Polizeigewalt während der Verhaftung Hausners (s. die Ausführungen von Andreas Baader auf S. 1233 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Auch der Anstaltsarzt Dr. Henck soll diese Verletzung in Stuttgart-Stammheim attestiert haben. Bei der späteren Obduktion durch Herrn Prof. Rauschke soll sie hingegen nicht entdeckt worden sein, was durch die Angeklagten als „Unterschlagung“ gewertet wurde; den Tod Hausners bezeichneten sie als Mord (Ulrike Meinhof am 19. Verhandlungstag, S. 1544 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[27] Im Erzbergwerk der niedersächsischen Gemeinde Lengede fluteten am 24. Oktober 1963 nach einem Klärteicheinbruch Schlamm und Wasser eine Grube, in der sich 129 Arbeiter befanden. Einige von ihnen konnten sich selbst befreien oder wurden in den folgenden Tagen gerettet. 29 Bergleute starben. Das Grubenunglück wurde jedoch insbesondere durch das „Wunder von Lengede“ bekannt, bei dem wider Erwarten 14 Tage nach dem Einbruch die Rettung von elf Arbeitern gelang. Sie hatten ohne Licht und Nahrung in einem stillgelegten Bereich der Grube überlebt (Willeke, DIE ZEIT, Heft 43/2003, S. 84).

[28] Während bis zum 31.12.1974 die sog. Blockverteidigung - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, mithin auch nur im Namen des/der jeweiligen Angeklagten sprechen.

[29] Die Ablehnung findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters/einer Richterin zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). Dabei ist grundsätzlich die Perspektive der ablehnenden Person entscheidend, wobei die vorgetragenen Gründe auch aus Sicht eines unbeteiligten Dritten einleuchtend sein müssen; entscheidend ist die Sicht eines/einer „vernünftigen Angeklagten“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 341).

[30] Nachdem der Senat am 9. September die Ablehnungen der Sachverständigen als unbegründet zurückgewiesen hatte, stellte die Verteidigung am 10. September den Antrag, die Sachverständigen „aus anderen Gründen“ nach § 76 Abs. 1 Satz 2 StPO von ihren Aufgaben zu entpflichten (betr. den Sachverständigen Ehrhard s. S. 2924 ff.; betr. den Sachverständigen Mende S. 2957 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 36. Verhandlungstag). Der Senat wies auch diese Anträge zurück (S. 2957 und 2983 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 36. Verhandlungstag).

[31] Abgelehnte Richter/innen können bei der Entscheidung über die Begründetheit der sie selbst betreffenden Ablehnung nicht mitwirken (§ 27 Abs. 1 StPO). Wird wie hier der gesamte Senat abgelehnt, so entscheidet ein anderer Senat. Anders ist dies bei Entscheidungen über die Zulässigkeit: Diese kann auch durch die abgelehnten Richter/innen selbst verneint und die Ablehnung als unzulässig verworfen werden (§ 26a Abs. 2 StPO).

[32] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu. Nach § 53 Abs. 3 Satz 2 BRAO a.F. konnte die Landesjustizverwaltung auch Referendar/innen, die seit mindestens 12 Monaten im Vorbereitungsdienst beschäftigt waren, zu allgemeinen Vertreter/innen bestellen (heute § 53 Abs. 4 Satz 2, wobei die Bestellung inzwischen nicht mehr durch die Landesjustizverwaltung erfolgt, sondern durch die Rechtsanwaltskammer).

[33] Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt nur für die jeweils bestellte Person. Diese kann sich daher grundsätzlich weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen. Ausnahmsweise wird aber im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 - Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“) befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a).

[34] Am 32. Verhandlungstag trat Rechtsreferendar Düx erstmals als amtlich bestellter Vertreter für Rechtsanwalt von Plottnitz auf. Der Vorsitzende Dr. Prinzing war der Auffassung, dies sei grundsätzlich nicht zulässig, genehmigte es jedoch für den Einzelfall (s. S. 2570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Ausführungen der Verteidigung hierzu auch S. 2591 ff., jeweils 32. Verhandlungstag). Dass Referendar/innen grundsätzlich nicht als Pflichtverteidiger/innen vor dem LG oder OLG auftreten können folgte aus § 142 Abs. 2 StPO a.F., der abschließend diejenigen Fälle der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO aufzählte, in denen Referendar/innen als (Pflicht-)Verteidiger/innen bestellt werden konnten. Ein Verweis auf § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO, der u.a. die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem OLG als einen solchen Fall der notwendigen Verteidigung benennt, war in § 142 Abs. 2 StPO nicht enthalten. Für amtlich bestellte Stellvertreter/innen sieht allerdings § 53 Abs. 7 BRAO vor, dass ihnen alle Befugnisse der vertretenen Person zustehen. Der BGH entschied noch am selben Tag in einem anderen Verfahren, dass die aus den §§ 140, 142 StPO (a.F.) folgenden Einschränkungen für Referendar/innen bezüglich des Auftretens vor Land- und Oberlandesgerichten in den Fällen der amtlich bestellten Stellvertretung keine Anwendung fänden; Gründe, aus denen den §§ 140, 142 StPO Vorrang vor der Wertung des § 53 Abs. 7 BRAO eingeräumt werden sollte, seien nicht ersichtlich (BGH, Urt. v. 2.9.1975 - Az.: 1 StR 380/75, NJW 1975, S. 2351, 2352). Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde die Möglichkeit, Rechtsreferendar/innen in den Fällen der notwendigen Verteidigung zu bestellen, allerdings gänzlich gestrichen. Ob die Gesetzesbegründung, die sich u.a. auf europarechtliche Qualitätsanforderungen stützt (BT-Drs. 19/13829, S. 25, 40), Auswirkungen auf diese Auslegung haben wird, bleibt abzuwarten.

[35] Anlage 1 zum Protokoll vom 11.9.1975: Mitteilung der Rechtsanwälte Riedel und von Plottnitz bzgl. der Vertretung durch die Rechtsreferendare Dr. Temming und Düx.

[36] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[37] Den Angeklagten wurden je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht als Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet. Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger vehement ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[38] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.). Gegenvorstellungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn das Gericht auch befugt wäre, die eigene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben, so z.B. in den Fällen, in denen eine ordentliche Beschwerde zulässig wäre (die Abänderungsbefugnis ergibt sich für diesen Fall aus § 306 Abs. 2 StPO). Da die Beschwerde gegen Beschlüsse des OLG in erster Instanz in der Regel ausgeschlossen ist (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO), kommt auch eine Gegenvorstellung in diesen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen sollen aber für Fälle gelten, in denen eine Grundrechtsverletzung (auch in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht wird (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 296 Rn. 25) oder die Beseitigung groben prozessualen Unrechts anders nicht behoben werden kann (Allgayer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 296 Rn. 14). Diese Ausnahmen sind durchaus umstritten (ablehnend etwa Allgayer, a.a.O. Rn. 15).

[39] Da zum Zeitpunkt des Todes von Holger Meins der Senat bereits als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für dessen Tod. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, findet sich die Strafanzeige auch im Anhang der Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.).

[40] Die Beiziehung von Dr. Teuns als Gutachter wurde am 15. Verhandlungstag abgelehnt. Der Senat stützte sich dabei auf ein Vorwort zu einem im Kursbuch 32 abgedruckten Vortrag von Dr. Teuns, das zwar nicht von ihm stamme, aber in welchem - so der Vorwurf des Senats - von ihm unbeanstandet die „Isolationsfolter, wie sie gegen politische Gefangene in der Bundesrepublik Deutschland angewendet wird“ als „tendenziellen Massenmord à la Auschwitz“ beschrieben wurde (S. 1212 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag).

[41] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[42] 26a Abs. 1 StPO benennt die Fälle, in denen eine Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist, nämlich bei Verspätung der Ablehnung (Nr. 1), wenn ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb einer bestimmten Frist benannt wird (Nr. 2) sowie wenn durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen (Nr. 3).

[43] „Unverzüglich“ bedeutet nach der Rechtsprechung des BGH „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339). Zulässig ist es allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22. 11. 2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[44] S. bereits Fn. 12.

[45] Als Blockverteidigung wurde die gemeinsame Verteidigung mehrerer Beschuldigter bezeichnet, die mit Einführung des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) mit Wirkung zum 1.1.1975 unzulässig wurde (s. Fn. 28). Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls).

[46] Anlage 2 zum Protokoll vom 11.9.1975: Verwerfung der Ablehnungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing, sowie der Richter Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker als unzulässig.


[a] Handschriftlich eingefügt: RRef.

[b] Handschriftlich ersetzt: dem durch den

[c] Handschriftlich durchgestrichen: Ich kann

[d] Maschinell eingefügt: so

[e] Handschriftlich eingefügt: die

[f] Handschriftlich ersetzt: auch durch auf

[g] Handschriftlich eingefügt: ich

[h] Handschriftlich ergänzt: wurden

[i] Maschinell ergänzt: klargestellt

[j] Handschriftlich ersetzt: uneingenommenen durch unvoreingenommene

[k] Maschinell durchgestrichen: Reg.Dir. Widera erscheint wieder um 10.31 Uhr.

[l] Handschriftlich durchgestrichen: Angebote

[m] Handschriftlich ergänzt: einen

[n] Maschinell eingefügt: nicht

[o] Maschinell eingefügt: von

[p] Maschinell eingefügt: zu

[q] Maschinell ersetzt: begonnenen durch bekannten und

[r] Maschinell ergänzt: verweise

[s] Handschriftlich ersetzt: dem durch den

[t] Handschriftlich durchgestrichen: Verfahren

[u] Handschriftlich ergänzt: Erfahrungen

[v] Maschinell ergänzt: Befangenheit

[w] Maschinell eingefügt: die

[x] Maschinell ersetzt: Fern... durch Fernsehregelung

[y] Maschinell eingefügt: dazu

[z] Maschinell durchgestrichen: gebraucht

[aa] Handschriftlich ersetzt: bestellt durch bestellen

[bb] Handschriftlich ergänzt: Haftbedingungen

[cc] Handschriftlich durchgestrichen: ihnen

[dd] Handschriftlich ersetzt: mit einem durch mit einer

[ee] Handschriftlich ersetzt: und durch von

[ff] Handschriftlich ersetzt: die durch den

[gg] Maschinell durchgestrichen: die

[hh] Handschriftlich ergänzt: Normen

[ii] Handschriftlich ersetzt: halt durch also

[jj] Handschriftlich durchgestrichen: dem

[kk] Handschriftlich eingefügt: der Justiz

[ll] Handschriftlich eingefügt: ich

[mm] Maschinell durchgestrichen: was

[nn] Handschriftlich durchgestrichen: es

[oo] Handschriftlich ersetzt: seinen durch dann

[pp] Handschriftlich durchgestrichen: könnte

[qq] Handschriftlich ersetzt: und... durch garantierende

[rr] Maschinell eingefügt: sie

[ss] Handschriftlich ersetzt: wer durch ja

[tt] Handschriftlich eingefügt: und

[uu] Handschriftlich durchgestrichen: er

[vv] Handschriftlich ergänzt: gewesenen

[ww] Handschriftlich ersetzt: die durch dem

[xx] Handschriftlich durchgestrichen: brauch

[yy] Handschriftlich durchgestrichen: in

[zz] Handschriftlich durchgestrichen: einen

[aaa] Handschriftlich eingefügt: uns

[bbb] Handschriftlich ersetzt: Kriterien durch Kriterium

[ccc] Maschinell eingefügt: war

[ddd] Handschriftlich ersetzt: Ausweichkriterien durch Auswahlkriterien

[eee] Handschriftlich eingefügt: also

[fff] Handschriftlich ersetzt: und durch um

[ggg] Maschinell eingefügt: ich

[hhh] Handschriftlich ersetzt: wenn durch werde

[iii] Handschriftlich ersetzt: was durch daß

[jjj] Handschriftlich durchgestrichen: und

[kkk] Handschriftlich ersetzt: seiner durch sei eine

[lll] Maschinell eingefügt: RA.v.P.: Er hält sich bei der Sache.

[mmm] Handschriftlich eingefügt: auf

[nnn] Handschriftlich eingefügt: haben

[ooo] Handschriftlich durchgestrichen: zu

[ppp] Handschriftlich eingefügt: die

[qqq] Handschriftlich eingefügt: es

[rrr] Maschinell eingefügt: es

[sss] Handschriftlich eingefügt: dem

[ttt] Handschriftlich ergänzt: gerichteten

[uuu] Handschriftlich ergänzt: diesem

[vvv] Handschriftlich ergänzt: diesen

[www] Handschriftlich ergänzt: Informationen

[xxx] Handschriftlich durchgestrichen: schein

[yyy] Maschinell durchgestrichen: Ihren

[zzz] Handschriftlich ersetzt: das durch sonst

[aaaa] Handschriftlich eingefügt: ihn

[bbbb] Handschriftlich eingefügt: damit

[cccc] Handschriftlich durchgestrichen: und

[dddd] Handschriftlich durchgestrichen: er

[eeee] Handschriftlich ersetzt: und durch oder

[ffff] Handschriftlich ergänzt: das

[gggg] Handschriftlich ersetzt: Prinzing durch Prinzip

[hhhh] Handschriftlich ergänzt: sich

[iiii] Handschriftlich durchgestrichen: (Text unleserlich)

[jjjj] Maschinell eingefügt: Scholze

[kkkk] Handschriftlich eingefügt: Dr.

[llll] Maschinell durch * eingefügt: -siehe Anl. 1 zum Protokoll-

[mmmm] Handschriftlich ergänzt: Herrn

[nnnn] Handschriftlich ersetzt: hinausgeht durch hinausgehen

[oooo] Maschinell eingefügt: diesmal

[pppp] Handschriftlich ersetzt: niemals durch niemand

[qqqq] Maschinell eingefügt: V.: Frau Ensslin, bitte.

[rrrr] Handschriftlich ergänzt: soll

[ssss] Maschinell ersetzt: und durch oder nur

[tttt] Handschriftlich ersetzt: war durch sei

[uuuu] Maschinell durchgestrichen: und