42. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 4. November 1975, um 9.10 Uhr



[3261] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 4. November 1975, um 9.10 Uhr

(42. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von OStA Holland - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko,

Just. Ass. z. A. Clemens,

Just. Ass. z. A. Scholze.

Die Angeklagten Baader, Raspe und Ensslin sind anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Schily, Müller, Ass. Oberwinder (als amtlich bestellter Vertr. von RA Riedel), R. Ref. Dr. Temming (als amtlich bestellter Vertr. von Ra’in Becker), Spangenberg, Köncke, Golzem, v[on] Plottnitz, Mairgünther, König, Linke, Grigat, Eggler, Künzel, Schnabel und Schwarz.

Als Zeugen sind anwesend:

KHK Egon Herrmann,

KHK Manfred Penzkofer (beide[a] im Zeugenzimmer).

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Darf ich die junge Dame, die das Gerät bedient, insofern um[b] Aufmerksamkeit bitten: Wir pflegen es am Anfang der Sitzung so zu halten, daß sich die Beteiligten erheben, wenn das Gericht eintritt. Ich würde Sie bitten, wenn Sie diese Form auch einhalten würden. (zur Sekretärin der Verteidigung)

Im übrigen darf ich nochmals darauf hinweisen, daß die Bundesanwaltschaft nicht einverstanden ist, daß ihre Ausführungen auf ein Band aufgenommen werden, außerhalb [3262] dem Band[c] des Gerichts. Ich bitte die Protokollführer, darauf zu achten, daß die Tastenstellung des Geräts dann so ist, daß gewährleistet ist, daß keine Aufnahme gemacht wird, das heißt, es muß eben alles glatt sein, darf keine Taste gedrückt sein. Notfalls überzeugen Sie sich mal durch den Zustand des Geräts, damit Sie’s überblicken können. Die Bundesanwaltschaft wünscht das, das Gericht ist daran gebunden.[1] Ich eröffne damit die Sitzung für heute, die Verteidigung ist gewährleistet. Zunächst ist der Beschluß zu verkünden, der ergangen ist aufgrund der Ablehnungsanträge gegen die Richter des Senats. Der Beschluß stammt vom 31.10.1975 und lautet:

Der Vorsitzende verliest den Beschluß vom 31.10.1975 aus Anlage 1 zum Protokoll.

Vors.:

Das Original kommt zum Protokoll. Es folgt die Unterschrift der Richter.

Der Beschluß ist dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt.

Vors.:

Soweit die Begründung des Beschlusses, dem ich noch hinzufügen möchte zur Unterrichtung, daß inzwischen dem Angeklagten Baader auf Antrag genehmigt ist, noch einen weiteren Arzt seines Vertrauens, privat und auf seine Kosten, beratend beizuziehen und daß, das ist ja in dem Beschluß erwähnt worden, die Modalitäten der Vorführung der Angeklagten in das Mehrzweckgebäude, der Erfahrung des letzten Verhandlungstags entsprechend, umgeändert worden sind, so daß den Angeklagten auch durch das Verbringen in das Mehrzweckgebäude[2] möglichst keinerlei Nachteile im Rahmen der sonstigen Vergünstigung, die sie haben, entstehen. Nachdem nun dieser Beschluß verkündet ist, ist die Anwesenheit im einzelnen hier zu klären, weil wir auch neue Gesichter sehen. Zunächst mal stelle ich fest, die Angeklagte Meinhof ist nicht anwesend,[3] anwesend sind der Angeklagte Baader, Angeklagte Raspe und Frau Ensslin. Zunächst ist Herr Baader, nachdem er ausgeschlossen worden ist in der letzten Sitzung, darüber zu unterrichten, was nach seinem Ausschluß geschehen ist.[4] Es sind die übrigen Angeklagten alsbald Ihnen gefolgt, haben also den Saal verlassen, was ihnen zusteht. Zuvor hatte Frau Ensslin noch begonnen mit dem Befangenheitsantrag, das heißt, den Befangenheitsantrag zu begründen, ihr mußte aber alsbald das Wort ent- [3263-3271][5] [3272] zogen werden, weil sie nicht mehr den Sachzusammenhang wahrte und dasselbe Schicksal widerfuhr dem Rechtsreferendar Dr. Temming, als er den Text von Frau Ensslin fortsetzen wollte. Als der Senat den Wortentzug bestätigt hat, benutzte das Rechtsreferendar Dr.[d] Temming zu einem weiteren Ablehnungsantrag wegen des Wortentzugs, dem schlossen sich dann die Rechtsanwälte Spangenberg und von Plottnitz für Raspe an und erweiterten gleichzeitig noch die vorher schon vorgetragenen Ablehnungsgründe. Abschließend hat die Bundesanwaltschaft die Verwerfung der Ablehnungen als unzulässig beantragt, was noch Erwiderungen der Rechtsanwälte von Plottnitz, Dr. Temming und Dr. Heldmann nach sich zog. Es ist jetzt erstmals Herr Rechtsanwalt Müller anwesend wie ich feststelle.

RA Müller:

Ja.

Vors.:

Sie haben ja Vollmacht wieder vorgelegt.

RA Müller:

Ja.

Vors.:

Dann sehe ich links unten, für mich jedenfalls, ein neues Gesicht, Herrn Rechtsanwalt?

RA Mairgünther:

Ich?

Vors.:

Ja.

RA Mairgünther:

Mairgünther

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Mairgünther, ja. Bevollmächtigt, Vollmacht ist klar ... bitte ...

Ja, die Vollmacht liegt vor meine ich. Die haben Sie schon vorgelegt. Ich sehe dann ferner, daß die Herren Rechtsanwälte Spangenberg, Köncke und Golzem wieder anwesend sind. Die Herren Verteidiger sind ... die jetzt eben jetzt erwähnten Herren Verteidiger sind darauf hingewiesen worden, daß gegen ihre Anwesenheit aus § 146 der Strafprozeßordnung[6] gesetzliche Bedenken bestünden, sie sind gebeten worden, sich zu dieser Frage bis heute um 12.00 Uhr schriftlich zu äußern. Die Bundesanwaltschaft hat hierzu ebenfalls Stellung genommen beziehungsweise einen Antrag gestellt. Herr Bietz, ich bitte, die Fotokopien [e] bei den Herren Anwälten zu verteilen. Es handelt sich also um die Herren Rechtsanwälte Köncke, Golzem, Spangenberg, die Angeklagten Raspe und Baader ... nein Meinhof, Entschuldigung, Raspe und Meinhof sowie die übrigen Herren Verteidiger, die diese Angeklagten verteidigen.

[3273] Gerichtswachtmeister Bietz übergibt Kopien der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft vom 4.11.1975 an die Betroffenen.

Vors.:

Bevor die Frage der Berechtigung des Auftretens dieser Herren Rechtsanwälte nicht geklärt ist, ist die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Anwesenheit dieser Anwälte nicht möglich. Wir müssen daher heute Vormittag die Sitzung unterbrechen. Es bleibt bei der Gelegenheit, sich bis 12.00 Uhr zu äußern. Fortsetzung 14.30 Uhr. Die Angeklagten ...

Die Angeklagten Baader und Raspe schreien unverständlich dazwischen.

Angekl. Baa[der]:

Das ist doch die größte Schweinerei.

Vors.:

Die Angeklagten sind zurückzuführen, die Zeugen zu verständigen.

Angekl. Baa[der]:

... die Angeklagten aus der Verhandlung gedrängt haben, versuchen Sie, die Anwälte aus der Verteidigung zu drängen. Das ist doch wirklich das Letzte.

Pause von 9.33 Uhr bis 14.37 Uhr

Ende von Band 184

[3274] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.37 Uhr

OStA Holland ist nunmehr auch anwesend.

RAe. Dr. Heldmann und Schlaegel sind nunmehr auch anwesend.

Vors.:

Ich bitte, Platz zu behalten.

Herr RA Schily, ich würde gerne jetzt zunächst den Beschluß bekanntgeben. Ich halte das ...

RA Sch[ily]:

(unverständlich)

Vors.:

... nämlich?

RA Sch[ily]:

Ein Ablehnungsgesuch.

Vors.:

Ja. Zunächst darf ich aber ...

RA Sch[ily]:

Nein, nein. Ich möchte zunächst das Ablehnungsgesuch, weil ich die Unverzüglichkeit[7] wahren will, ...

Vors.:

Die ist auch dadurch gewahrt, Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... und zwar ...

Vors.:

... daß Sie’s im Anschluß an die Verkündigung dieses Beschlusses bekanntgeben können.

RA Sch[ily]:

Nein, nein.

Vors.:

Ich nehme jetzt das Ablehnungsgesuch nicht entgegen.[8]

RA Sch[ily]:

Ich möchte das Ablehnungsgesuch stellen, und zwar für meine Mandantin Ensslin gegen Sie, Herr Vorsitzender Dr. Prinzing, und ich darf es wie folgt hier zu Protokoll geben:

Namens der Angeklagten Ensslin wird der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Stuttgart Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Namens ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ...

RA Sch[ily]:

... namens der Angeklagten ...

Vors.:

Nein, nein, Herr Rechtsanwalt, ich ...

RA Sch[ily]:

... namens der Angeklagten Ensslin ...

Vors.:

... ich habe Ihnen meine Entscheidung gesagt. Ich bleibe dabei.

Zunächst wird dieser Beschluß ...

[3275] RA Sch[ily]:

Nein, Herr Vorsitzender, Sie können keine Entscheidung mehr treffen, ...

Vors.:

... verkündet.

RA Sch[ily]:

... weil Sie abgelehnt sind.[9]

Namens der Angeklagten Ensslin ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, im Augenblick.

RA Sch[ily]:

Begründe ich.

Vors.:

Ich mache jetzt eine Pause. Wir werden uns ...

Angekl. Baa[der]:

Ach so, ein Päuschen macht er!

Vors.:

... hier wegen dieses Beschlusses, ...

RA Sch[ily]:

Nein!

Vors.:

... der bereits fertig gemacht ist, werden wir uns nicht unterbrechen lassen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ... keine aufschiebbare Handlung, dieser Beschluß keine unaufschiebbare Handlung, und ich möchte jetzt mein Ablehnungsgesuch zu Ende begründen.

Vors.:

Nein, ich habe Ihnen gesagt ...

RA Sch[ily]:

... Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... Herr Rechtsanwalt, ich nehme keine Handlung vor, die ich jetzt erst etwa vornehmen müßte, wenn ich’s mal so formulieren darf. Der Beschluß ist fertig hier, der zu verkünden ist ...

RA Sch[ily]:

Ja, das interessiert mich nicht.

Vors.:

... und ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, auch die Verkündung eines Beschlusses ist eine Prozeßhandlung, wenn Ihnen das geläufig sein sollte, und Sie haben jetzt kein Recht, dieses Ablehnungsgesuch zu verhindern.

Vors.:

Ich verhindere doch kein Ablehnungsgesuch, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

... Begründung ...

Vors.:

Es geht doch nur darum, daß jetzt ...

RA Sch[ily]:

Nein, um was es ...

Vors.:

... die Frage der Verteidigung zu klären ist.

RA Sch[ily]:

Ich habe jetzt das Recht, dieses Ablehnungsgesuch zu begründen, und ich lasse mir das Recht nicht nehmen.

Vors.:

Ich mache jetzt, wie ich Ihnen gesagt habe, um diese Frage zu überprüfen, die Pause.

[3276] RA Sch[ily]:

Nein, Herr Vorsitzender, da gibt es keine Pause. Wozu brauchen Sie denn ’ne Pause?!

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, das dürfen Sie nicht!

RA Mairg[ünther]:

Das Gesuch läuft doch.

Pause von 14.39 Uhr bis 14.41 Uhr.

Vors.:

Herr RA Schily, Sie haben das Wort zum Vorbringen Ihres Ablehnungsantrags.

RA Sch[ily]:

Namens der Angeklagten Ensslin wird der Ablehnungs... das Ablehnungsgesuch wie folgt begründet:

1. Der abgelehnte Richter hat in der Sitzung vom 28. Oktober 1975 ausweislich der Sitzungsniederschrift von diesem Tage - niedergelegt auf B1. 3180 des Protokolls - wörtlich folgendes geäußert:

„Wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen nicht möglich ist.“

- Ende des Zitats -.

Diese Äußerung war an die Verteidiger gerichtet, insbesondere an den Kollegen von Plottnitz.

Ich habe persönlich - ich war ja am vergangenen Verhandlungstag nicht anwesend, weil die Maschine nicht starten konnte bzw. in Stuttgart nicht landen konnte wegen Nebel - ich habe von dieser Äußerung durch die Presse erfahren, und zwar in zwei Presseberichten, in der „Frankfurter Rundschau“ und in den „Stuttgarter Nachrichten“ war diese Äußerung auch zitiert. Bei meinen telefonischen Rückfragen bei meinen Kollegen, ob diese Äußerung gefallen sei, wurde mir gesagt, diese Äußerung sei von diesen Kollegen nicht wahrgenommen worden; auch meine Mandantin hatte diese Äußerung in der Sitzung nicht gehört.

Heute morgen wurde uns das Sitzungsprotokoll zur Verfügung gestellt, und beim Studium dieses Sitzungsprotokolls nach Eintreten der Pause heute vormittag konnte dann festgestellt [3277] werden, daß der abgelehnte Richter diese Äußerung getan hat.

Zur Glaubhaftmachung[10] des Sachverhalts, soweit er bisher vorgetragen worden ist, wird

a) auf eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters und

b) auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

2. In dem Protokoll vom 28.10.75 wird die Äußerung des abgelehnten Richters wortgetreu wiedergegeben. Allerdings hat der abgelehnte Richter an der entsprechenden Stelle folgendes handschriftlich vermerkt:

nach dem Wort „Verhandlung“ ein kleines Kreuzchen, und dann steht da am Rande:

„gemeint: .‚nicht‘. (Versprecher)“.

Angekl. Baa[der]:

Der 10. Versprecher.

RA Sch[ily]:

Zur Glaubhaftmachung wird auf

a) eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters;

b) die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

3. Die Äußerung - ich zitiere:

„Wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen nicht möglich ist ...“,

stellt eine versuchte Nötigung dar, weil der Wortentzug gegenüber den Verteidigern mit der Androhung verbunden wurde, sie durch entsprechende Terminierung faktisch und ohne gesetzliche Grundlage von der Verteidigung auszuschließen. Die Voreingenommenheit des abgelehnten Richters ist durch diese Erklärung wiederum unverhüllt zutage getreten. Daß die zitierte Äußerung seine Voreingenommenheit verrät, hat der abgelehnte Richter auch selbst erkannt. Er hat dies dadurch zu reparieren versucht, daß er mit der handschriftlichen Randnotiz, die von den protokollführenden Urkundsbeamten [3278] nicht genehmigt worden ist,[11] den Inhalt der von ihm abgegebenen Erklärung zu verfälschen sucht. Daß es dem abgelehnten Richter nur darum zu tun war, den Inhalt seiner Äußerung zu verfälschen, ist offenkundig, weil mit dem von dem abgelehnten Richter vorgenommenen Ergänzung der von ihm gesprochene Satz absolut unsinnig ist.

Der Klarheit halber wird der Satz mit der Ergänzung - also mit der handschriftlichen Ergänzung - wiederholt. Der abgelehnte Richter will gemeint haben - und jetzt zitiere ich den Satz mit der Einfügung:

„Wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung nicht fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen nicht möglich ist.“

- Ich wiederhole -:

„Wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung nicht fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen nicht möglich ist.“

Also: Der abgelehnte Richter will gedroht haben - gedroht -, daß er nur dann verhandeln will, wenn es den Verteidigern zeitlich möglich ist.

Daß der abgelehnte Richter den Prozeßbeteiligten einen solchen offensichtlichen Unsinn als Erklärungsversuch seiner Äußerung zumuten will, beweist seine unlösbare Verstrickung in seine Befangenheit gegenüber den Angeklagten. Aus diesem Grunde ist das Ablehnungsgesuch begründet. Im übrigen stütze ich das Ablehnungsgesuch auch auf die Tatsache, daß der abgelehnte Richter zunächst die Ablehnungsbegründung unterbrochen hat und mich daran hindern wollte, das Ablehnungsgesuch zu Ende zu bringen; daß er, obwohl er abgelehnt war, an einer Beratung mit den Senatsmitgliedern teilgenommen hat, die über die Frage, ob mir das Wort erteilt wird oder nicht, die ... die ... diesen Gegenstand zur ... zum Beratungsgegenstand hatte.

Zur Glaubhaftmachung wird insoweit ebenfalls auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters Bezug genommen. Auch diese Verhaltensweise belegt, daß der abgelehnte Richter aufgrund seiner Voreingenommenheit die Einbringung von Ablehnungsgesuchen a limine verhindern will.

[3279] Vors.:

Weitere Wortmeldungen?

Herr RA Spangenberg.

RA Sp[angenberg]:

Ich schließe mich für Jan-Carl Raspe diesem [f] Ablehnungsgesuch an.

Die Äußerung des abgelehnten Richters, wie sie eben dargelegt worden ist, habe ich in der Hauptverhandlung am 28.10.75 selbst nicht vernommen; sie ist mir erst durch die Lektüre der Sitzungsniederschrift heute in der Mittagspause bekanntgeworden. Ebenso selbstverständlich ist mir die Notiz am Rande heute in der Mittagspause bei der Lektüre der Sitzungsniederschrift erst bekanntgeworden. Dies versichere ich zur Glaubhaftmachung anwaltlich. Im übrigen beziehe ich mich auf die Gründe, die der Kollege Schily eben vorgetragen hat.

Vors.:

Herr RA Köncke hat sich zuerst gemeldet.

RA Köncke:

Ich schließe mich für die Angeklagte, Frau Ulrike Meinhof, diesem Ablehnungsgesuch an.

Zur Begründung nehme ich Bezug auf die Ausführungen der Kollegen.

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich schließe mich für den Herrn Raspe ebenfalls dem gestellten Ablehnungsgesuch an;

versichere ebenfalls anwaltlich, daß ich die Äußerung in der Sitzung am 28.10.1975 nicht selbst wahrgenommen habe, daß auch der Mandant, für den das Ablehnungsgesuch gestellt wird, mir berichtet hatte ... daß er die., auf Frage berichtet hat, und zwar an einem Besuch am nächstfolgenden Tag in der JVA, daß er die Äußerung nicht gehört hat.

Ich stütze das Ablehnungsgesuch aber darüber hinaus noch auf folgende Tatsache:

Im ... in der Urschrift der Sitzungsniederschrift befindet sich maschinenschriftlich im Anschluß an die inkriminierte Äußerung des abgelehnten Richters Dr. Prinzing ein Punkt - wohlgemerkt: ein Punkt ein ... als Satzzeichen, mit dem dies ... diese grammatikalische Regel entspricht - das Ende eines abgeschlossenen ... abgeschlossen gesprochenen Satzes signalisiert wird.

[3280] Der abgelehnte Richter hat darüber hinaus ... hat handschriftlich drei Punkte im Anschluß an diesen Punkt gemacht, offensichtlich, um den Eindruck zu erwecken, als ob dieser Satz nicht zu Ende gesprochen worden sei und sich die Möglichkeit zu reservieren gegenüber etwaigen Ablehnungsgesuchen, die auf diesen Satz gestützt werden, behaupten zu können, er habe diesem Satz eigentlich noch etwas anfügen wollen, sei aber unterbrochen worden.

Vors.:

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Baader schließt sich dem für Frau Ensslin gestellten Ablehnungsgesuch an.

Herr Baader selbst hat die Äußerung in der Sitzung nicht vernommen. Ich als sein Verteidiger habe sie auch nicht vernommen.

Das Sitzungsprotokoll vom 28.10., das ich heute bekommen habe, hat mich darüber aufgeklärt, daß diese Äußerung wirklich gefallen ist. Ich bitte Sie, Herr ... Herrn Baader zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs das Wort zu erteilen.

Vors.:

Haben noch weitere Verteidiger die Absicht, sich zu Wort zu melden?

RA Go[lzem].:

Ja, einen Augenblick bitte.

Vors.:

Herr RA Mairgünther.

RA Mairg[ünther]:

Habe ich Ton?

Vors.:

Ja, ’s tut.

RA Mairg[ünther]:

Wenn Sie gestatten, beginne ich die Bemerkung, die ich dazu machen möchte, mit dem Satz, der hier Gegenstand des Ablehnungsgesuches ist:

„Wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen nicht möglich ist.“

Vors.:

Nicht fortgeführt.

RA Mairg[ünther]:

Bitte?

Vors.:

Nicht fortgeführt - nach dem Zusatzvermerk.

RA Mairg[ünther]:

Ich lese ihn so, wie er im Protokoll steht, Herr Vorsitzender:

Vors.:

Mit Vermerk.

[3281] RA Mairgünther:

„... dann wird die Verhandlung fortgeführt zu Zeiten, wo es Ihnen nicht möglich ist.“

Dieser Satz hat die Form einer Ankündigung, und zwar der Ankündigung einer Bestrafung, wie sie gemeinhin mehr im erzieherischen Bereich üblich und gängig ist: Wenn nicht, dann ...

Der Vorsitzende wird das bei der Lektüre des Protokolls mit Betroffenheit festgestellt haben, und nun begann nach meiner Wertung sein Versuch, dem Satz im Protokoll einen anderen Sinn zu geben. Die erste Möglichkeit dazu wäre folgende gewesen:

zu sagen:

Wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen möglich ist. Diese Form der Veränderung war dadurch ausgeschlossen, daß im Protokoll, also auch auf dem Tonband unwiderruflich das Wort „nicht“ sich findet.

Die zweite Möglichkeit wäre gewesen, in etwa zu sagen:

Ich habe erklären wollen und auch erklärt, wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung nicht fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen nicht möglich ist. Dieses zweite „nicht“ ist nicht gesagt worden; es befindet sich nicht auf dem Tonbandprotokoll und nicht in ... in der Protokollabschrift.

Es blieb eine einzige Möglichkeit übrig für Sie, an den Rand zu schreiben:

Gemeint war etwas anderes als das, was hier steht. Gemeint war nämlich das, was jetzt hier steht:

Dann wird die Verhandlung nicht fortgeführt zu Zeiten, wo es bei Ihnen nicht möglich ist.

Der Kollege Schily hat aber sehr eingehend und zwingend dargelegt, daß der Satz in dieser Form keinen Sinn haben kann, weil der Satz - diese Drohung - ja beginnt mit der Ankündigung: Wenn Sie hier nicht still sind, dann folgt nämlich die nachteilige Rechtsfolge.

In dieser Form, in dieser berichtigten Form - ich will das Wort berichtigt in Anführungsstriche setzen - gibt dieser Satz keinen Sinn.

[3282] Schlußfolgerung:

Der Satz war so gemeint, wie er im Protokoll maschinenschriftlich steht; und

zweitens:

Der Versuch oder diese Randbemerkung von S. 3180 stellt den Versuch dar, das Protokoll zu verändern, einen anderen Sinn dort zu geben.

Das ist in meinen Augen ein unerhörter Vorgang, der die Ablehnung rechtfertigt.

Vors.:

Herr RA Golzem.[g]

RA Go[lzem]:

Ich schieße mich ... ich schließe mich dem Ablehnungsgesuch auch für Frau Meinhof ebenfalls an wie der Kollege Köncke.

Ich möchte keine zusätzlichen Ausführungen machen. Ich glaube, daß die Ausführungen vom Kollegen Schily unwiderlegbar sind, unzweideutig und zeigen, wie unfähig der Vorsitzende sein mußte, sich aus der Verstrickung zu lösen, die ... die Verstrickung in seiner Befangenheit, die deutlich wird aus dem Protokoll, daß er - wohlgemerkt, das darf ich anfügen - nicht berichtigt hat, sondern, was nun überhaupt nicht vorgesehen ist, er hat kommentierend in das Protokoll eingegriffen; ein Versuch, der - wie gesagt - gescheitert sei.

Ergänzend möchte ich darauf hinweisen, daß auch ich diese Bemerkung aus Gründen, die ich jetzt nicht mehr feststellen kann, nicht gehört habe. Wir hätten sonst Anlaß genommen, sogleich das Ablehnungsgesuch zu stellen, das wir heute gestellt haben. Ich versichere auch dies anwaltlich.

Vors.:

Herr Baader wollte das Wort.

Angekl. Baa[der]:

Naja, zur Methode der Verfälschung, wie Sie sie hier in diesem Prozeß handhaben, seit er überhaupt läuft, also seit dem ... seit dem 1. Verhandlungstag. Da ist noch an den Beschluß vom 30. zu erinnern. Aber der Grund, der eigentliche Grund der Sache, den Sie heute morgen in Ihrer halbstündigen Propagandarede versucht haben, zu verstecken, ist natürlich, daß Sie an dem Punkt angekommen sind, wo es Ihnen ja nur noch darum geht, sowohl die Angeklagten aus der Verhandlung zu drängen als auch die Verteidiger, und zwar mit allen Mitteln.

[3283] Ich erweitere dahingehend auch den Ablehnungsantrag, denn in Ihrer Disposition wird deutlich, daß Sie vollständig abhängig von der B. Anwaltschaft sind, und wir würden sagen, Ihre Abhängigkeit geht so weit, daß direkte Absprachen stattfinden darüber, wie die Verteidigung aus dem Verfahren auszuschalten ist bzw. zu liquidieren ist. Das hat ja eine sehr lange Geschichte. Die Behinderung oder die Verhinderung von Verteidigung in diesem Verfahren läuft ja letztlich, seit Sie überhaupt zuständig sind und hat in diesem Verfahren kulminiert u. a. mit der Verhaftung von Anwälten, in der Durchsuchung von Anwaltskanzleien[12] und jetzt in Ihrer willkürlichen Interpretation, wie Sie angekündigt haben, des sukzessiven Verteidigungsverbots, d. h. den Versuch, hier Verteidiger, die absolut notwendig sind, also absolut notwendig wären in der Beweisaufnahme, weil sie eine gewisse Aktenkenntnis haben und weil sie eine gewisse Erfahrung in diesen Prozessen haben, aus der Verhandlung rauszudrängen. Dazu hab’ ich Ihnen einfach mal kurz zu sagen: Die Behauptung, die drei Verteidiger, Köncke, Golzem und Spangenberg wären betroffen von diesem sukzessiven Verteidigungsverbot, also dieses Verbot der Nachfolge, ist reiner Quatsch. Es sitzt hier kein einziger Verteidiger, außer Herrn Heldmann, auf den das nicht zutreffen würde, d. h., in Ihrer Beugung oder Interpretation dieses Sondergesetzes für dieses Verfahren, bezogen auf diese drei Verteidiger, kündigen Sie doch schon an, daß Sie[h] im Grunde hier die ganze Verteidigung ausräumen wollen.

Vors.:

Herr Baader, kommen Sie zur Sache, bitte.

Angekl. Baa[der]:

Es handelt sich um das ...

Vors.:

Es handelt sich um einen Ablehnungsantrag wegen meiner Äußerung.

Angekl. Baa[der]:

Ja, aber der Sinn dieser Äußerung ist ja schließlich, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll, ist ja schließlich, daß Sie hier verhandeln wollen ohne Verteidigung. Das haben Sie doch da gesagt.

Und ich erkläre hier, was für Methoden Sie benutzen, um die Verteidigung jetzt aus diesem Verfahren zu drängen. Das ist neu und der Öffentlichkeit nicht bekannt. Als Beispiel: [3284] Disziplinarverfahren gegen Referendare, Strafanzeigen gegen Rechtsanwälte - als Beispiel; d. h., Sie versuchen hier - also ich hab da noch ’ne ganze Menge -, d. h., Sie versuchen hier, Polizeiprovokationen, verschärfte Observationen, abgehörte Verteidigergespräche, verwanzte Anwaltsbüros - es gibt da x-Beispiele. Aber die neue Qualität ist eben die unmittelbare Bedrohung, die Existenz der Verteidiger zu vernichten, indem Sie sie entweder kriminalisieren, indem Sie sie mit Ehrengerichtsverfahren[13] überziehen, d. h., indem Sie aufgrund von Äußerungen, die hier in diesem Verfahren gefallen sind, haben Sie Strafanzeigen angeregt, haben Sie Ehrengerichtsverfahren angeregt in Ihrer Konklusion mit der B. Anwaltschaft.

Vors.:

Herr Baader, meinen Sie damit, da ich ja abgelehnt bin, mich?

Angekl. Baa[der]:

Natürlich auch Sie, weil das eine eindeutige und für jeden, der diese Verhandlung verfolgt, offensichtliche Einheit ist.

Vors.:

Also Sie werfen mir das praktisch im Zusammenhang mit dem Ablehnungsantrag vor.

Angekl. Baa[der]:

Ja, ich werfe Ihnen vor - und Sie haben ja auch x-mal in dieser Verhandlung angekündigt -, daß Sie die Ehrengerichtsbarkeit einschalten wollen, um hier unbequeme Verteidiger zu eliminieren, und das ist inzwischen geschehen.

Das ist geschehen auf der Ebene der Ehrengerichtsbarkeit, das ist geschehen auf der Ebene des Disziplinarverfahrens für die Referendare, das ist geschehen auf der Ebene der Strafanzeigen - als Beispiel!

Und das ist der Sinn dieses Satzes und der Hintergrund, den Sie aus dieser Verhandlung raushalten wollen als Beispiel, eben, daß Sie den gesamten Polizeiapparat bzw. Staatsapparat inzwischen hier versuchen, in Anwendung zu bringen gegen diese Verteidiger, und der Hintergrund ist natürlich, daß es inzwischen einen Konsensus gibt zwischen der B. Anwaltschaft, dem BGH und wahrscheinlich Regierungsstellen, daß Sie das Recht in diesem Verfahren selbst machen, [3285] d. h., Sie können alles machen grundsätzlich. Der BGH wird es absichern, und das ist tatsächlich die einmalige Situation - ich würde sagen, daß es eine einmalige Situation ist -, daß ein Richter sich das Recht selbst macht, nach dem er zu richten hat in dieser Situation. Und das betrifft hier im Widerspruch; denn diese alberne Behauptung, um das doch mal endlich klarzustellen, hier würde von uns versucht, den Prozeß zu verschleppen, das ist doch lächerlich. Sie haben durch Ihre Verhandlungsführung hier die Widersprüche so kulminieren lassen, daß tatsächlich die Verhandlung nicht mehr durchführbar ist im Moment, d. h., daß jeder Verteidiger, der das, was Sie hier machen, hinnimmt, sich selbst lächerlich macht in jeder Weise. Das ist doch der Punkt.

Wie wollen Sie denn z. B. überhaupt hier Zeugen vernehmen? Können Sie das mal irgendjemandem erklären, wenn inzwischen real, wie diese Verhandlung abgelaufen sein soll, was nicht ... was im Protokoll steht, nicht, was re..., was Sie real gesagt haben, d. h., was alle Leute hier gehört haben, sondern was gemeint war und was Sie hinterher ins Protokoll rein... reinkorrigiert haben! Wie wollen Sie hier einen Zeugen vernehmen?! Dann wird es darum gehen, was Sie gemeint haben, nicht, was die Zeugen gesagt haben! Das ist doch der Punkt hier. Das ist eine unglaubliche Infamie und die zeigt tatsächlich wesentlich ..., sie sagt Wesentliches aus; sie sagt inhaltlich was aus über den Stand der Reaktion hier, daß eine Figur wie Sie, eine Witzfigur inzwischen, sich hier als Richter behaupten kann.

Vors.:

Herr Baader, ich entziehe Ihnen hiermit das Wort wegen Beleidigung eines Gerichtsbeteiligten.

Beifall im Sitzungssaal.

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, gleichzeitig ...

Vors.:

Bitte um Ruhe im Saal.

OStA Ze[is]:

Gleichzeitig beantragt die B. Anwaltschaft, Herrn Baader zu verwarnen und ihm anzukündigen, daß er im Wiederholungsfalle von der heutigen Hauptverhandlung ausgeschlossen werden wird.

[3286] Vors.:

Sofern sich beleidigendes Verhalten als Störung auswirkt, Herr Baader, weise ich Sie darauf hin, daß das diese Folge, die eben angedeutet worden ist, nach sich ziehen könnte.

Angekl. Enss[lin]:

Amen!

Vors.:

Dann darf ich die B. Anwaltschaft bitten, zu erklären, ob Sie Stellung nehmen wollen.

OStA Ze[is]:

Ich möchte gern Stellung nehmen, Herr Vorsitzender. Darf ich fragen: Ist das Tonbandgerät abgeschaltet?

RA Go[lzem]:

Das Tonbandgerät läuft.

Vors.:

Ist nicht in Betrieb? Ist’s abgestellt?

OStA Ze[is]:

Herr Golzem hat eben erklärt, es läuft. Und seiner Äußerung habe ich entnommen, daß er auch nicht gewillt ist, das Tonbandgerät abzustellen.

RA Go[lzem]:

Inzwischen ist ein Knopf gedrückt worden.

Vors.:

Ich darf bitten, jetzt Stellung zu nehmen. Es ist abgestellt worden.

RA Müller:

Ja, können wir mal die Begründung für das Abstellen wissen? Sie müssen nämlich substantiiert vortragen. Das fehlt hier.

OStA Ze[is]:

Herr Rechtsanwalt, Sie sollten mal die Rechtsprechung zur Verwendung eines Tonbandgeräts in der Hauptverhandlung[14] nachlesen, dann erübrigt sich Ihre Frage.

Ein Vert[eidiger]:[i]

Haben wir gemacht. Herr B. Anwalt, aber nur bei Mißbrauch ...

OStA Ze[is]:

Die B. Anwaltschaft nimmt wie folgt Stellung:

Assessor Ob[erwinder].:

Ich bitte ums Wort, weil ich den Ablehnungsantrag noch ergänzen möchte.

OStA Ze[is]:

Die Prozeßverschlepper haben erneut zugeschlagen.

(RAe sprechen unverständlich)

OStA Ze[is]:

Die Prozeßsabotage soll planmäßig weiterbetrieben werden.

RA Mü[ller]:

Hier ist noch eine Wortmeldung.

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, eben durch Zeichen zu verstehen gegeben, das Wort hat im Augenblick die B. Anwaltschaft. Sie behält es.

[3287] RA Go[lzem]:

Wir würden das so gerne aufnehmen, Herr Dr. Zeis, was Sie da Erhellendes zu sagen haben.

OStA Ze[is]:

Ich darf nochmals wiederholen, weil die Herrn mich wieder einmal dort drüben unterbrochen haben:

Die Prozeßverschlepper haben erneut zugeschlagen. Die Prozeßsabotage soll planmäßig hier in diesem Sitzungssaal weiterbetrieben werden.

RA Mairg[ünther]:

Ich verwahre mich gegen diese Beleidigung.[j]

OStA Ze[is]:

Um nichts anderes handelt es sich beim 22. Ablehnungsgesuch. Es stellt sich bereits die Frage, ob dieses Ablehnungsgesuch schon deshalb unzulässig ist, weil das Vorbringen verspätet ist. Es geht ja wohl nicht an, daß die Angeklagten sich darauf berufen können, daß sie das nicht, nämlich diesen betreffenden Satz, nicht hören konnten. Allerdings ist den Angeklagten zuzugeben, daß aufgrund des skandalösen Verhaltens ihrer Verteidiger, und damit meine ich das Niederschreien und Niederbrüllen des Vorsitzenden in der letzten Hauptverhandlung, möglicherweise die Angeklagten diesen Satz dort drüben nicht mitbekommen haben. Wie krampfhaft an den Haaren herbeigezogen dieses Ablehnungsgesuch ist, ergibt sich doch aus diesem angeblich die Befangenheit begründenden Satz. Bei einer unbefangenen, jedem einsichtigen und verständlichen Interpretation wollte der Vorsitzende nichts anderes sagen als:

Die Hauptverhandlung wird so lange nicht fortgeführt, solange die Verteidiger dies durch Schreien und Brüllen nicht ermöglichen.

Diese Interpretation ergibt sich insbesondere daraus, daß unmittelbar an diesem Satz zu diesem Zweck eine Pause eingelegt worden ist.

Wir beantragen deshalb,

auch dieses Ablehnungsgesuch gemäß § 26a Abs. 1 Ziff. 3[ StPO][15], weil nur zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellt, als unzulässig

zurückzuweisen.

RA Sch[ily]:

Ich möchte erwidern.

Vors.:

Herr RA Schily.

Ende von Band 185.

[3288] RA Sch[ily]:

Herr Zeis, Ihre Reckübungen, die sie jetzt veranstalten, um die Sache doch noch zu retten, die sind von vorne rein zum Scheitern[k] verurteilt, weil Sie ja jetzt geflissentlich bei Ihrem Nachbesserungsversuch den Satzteil auslassen „wo es bei Ihnen möglich ist.“ Wieder das steht doch in dem Satz drin „wenn Sie hier nicht still sind, dann wird die Verhandlung fortgeführt zu Zeiten wo es bei Ihnen nicht möglich ist.“ Was soll denn das also mit Pause usw. zu tun haben und das auch ... und da kann man ja vielleicht in dem Fall dann ruhig mal sich darauf verlassen, daß also jeder Dritte, den Sie einen solchen ... mit einem solchen Satz konfrontieren, der hier nicht prozeßbeteiligt ist, den Sinn auch so verstanden hat und verstehen muß und da sind nun diese ... diese untauglichen Versuche, nun da noch eine Retusche anzubringen, die können zu keinem anderen Ergebnis führen. Sie zeigen aber nur, daß Sie selbst bei einem klaren Ablehnungsgrund, selbst bei einem ganz eindeutig protokollmäßig nachweisbarem Ablehnungsgrund sich nicht scheuen, sich nicht scheuen, ebenso wie bei früheren klaren Ablehnungsgründen wiederum mit dem, mit der Waffe[l] zu arbeiten, an den Haaren herbeigezogen, Prozeßverschleppung und ähnliches. Sie können ... Sie sind nicht in der Lage einer sachlichen Nachprüfung. Sie können einfach gar nicht mehr anders handeln als hier in dieser Form zu argumentieren und das allerdings muß ich sagen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Auffassung, die Sie hier in dem Verfahren vertreten.

Vors.:

Ich bitte die Prozeßbeteiligten in einer ... wollten Sie erwidern ... bitte Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann war wohl erster, ich weiß es nicht, es sah so aus.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, ich meine, daß die Ausfall... die, die Ablehnungsgründe, die bisher vorgetragen worden sind, erweitert werden sollten um den, daß Sie zwar schnell bei der Hand sind, eine Äußerung, die Sie als beleidigend empfinden, kommt sie von einem Angeklagten, diesen zu verwarnen, kommt sie von einem Verteidiger, diesen zu rügen. Aber wenn gerade der Herr Zeis von besonderer Eloquenz [3289] in diesem Verfahren schon von je her, wenn hier der neue prozessuale Anrempeleien beleidigenden Charakters von sich stößt, dann sitzen Sie stumm und es fällt Ihnen nichts dazu ein, wenn Herr Zeis die Verteidiger beleidigt, indem er von ihnen spricht, die „Prozeßverschlepper“ da drüben. Das bitte ich zu Protokoll gegeben als weiteren Grund für Ihre Ablehnung, weil Sie erneut den absoluten Mangel Ihrer Unparteilichkeit in diesem Verfahren dokumentiert. Zweitens, was Herr Zeis soeben sagen durfte, indem er nämlich einen Versuch unternommen hatte, Sie zu interpretieren und das in die deutliche Aussage gekleidet hat, damit hat der Herr Vorsitzende sagen wollen, wörtlich, damit wollte er sagen, scheint Herrn Baader’s Aussage in seinem Ablehnungsantrag zu bestätigen, daß die Kommunikation zwischen Ihnen, zumindest dem abgelehnten Richter, um keinen anderen geht es insoweit, und den Vertretern der Bundesanwaltschaft erheblich über das hinausgeht, was bisher im deutschen Strafprozeß üblich und statthaft gewesen ist.

Assessor Ob[erwinder]:

Ich bitte um’s Wort

Vors.:

Herr von Plottnitz hat sich zunächst gemeldet.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ich trete es ab an den Kollegen Oberwinder.

Vors.:

Bitte, Herr Assessor Oberwinder.

Assessor Ob[erwinder]:

Ich möchte das Ablehnungsgesuch für Frau Meinhof noch wie folgt ergänzen. Die Drohung, die in dem jetzt öfters zitierten Satz in der letzten Hauptverhandlung zum Ausdruck kam, nämlich, künftig ohne die Verteidigung zu verhandeln sowie der Antrag der Bundesanwaltschaft, die drei Verteidiger Golzem, Köncke und Spangenberg von der weiteren Verteidigung hier zurückzuweisen, machen eins deutlich, nämlich daß bestimmte Sachen wie die Haftbedingungen hier nicht mehr verhandelt werden sollen. Der Senat weiß, daß die Gutachter zu den Haftbedingungen ausgeführt haben, daß unter diesen Bedingungen, unter diesen Haftbedingungen, die im Moment herrschen, der ... eine Lebensgefahr für die Gefangenen besteht. Gleichwohl hat der Senat keine Änderung der Haftbedingungen insbesondere auch keine Zulassung von Ärzten des Vertrauens [3290] zugelassen. Wie dem Senat bekannt sein dürfte, hat Frau Meinhof gestern einen Kollaps erlitten. Es hat gleichwohl über drei Stunden gedauert, bis ein Arzt von außerhalb der Anstalt, nämlich Professor Müller, vorgelassen wurde. Herr Professor Müller hatte aber lediglich die Möglichkeit, eine Diagnose zu erstellen, konnte aber nichts zur Behandlung tun. Er hat wörtlich erklärt: „Ich kann ja nicht einfach hier her kommen wie sonst zu einem Patienten, ich komme nur bis an die Mauer.“ Das ist genau der Zustand, von dem das Gericht Kenntnis hat und den das Gericht aber nicht ändern will[16] und der jetzt durch den neuen Zustand, nämlich durch die erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands von Frau Meinhof erneut aktualisiert worden ist. Das begründet ebenfalls die Ablehnung.

Vors.:

Herr Referendar Dr. Temming.

Assessor Ob[erwinder]:

Zur Glaubhaftmachung trage ich ... verweise ich auf die dienstliche Erklärung sowie das Zeugnis von Herrn Professor Dr. Müller.

Referendar Dr. Te[mming]:

Ich darf mich im Namen der Angeklagten Gudrun Ensslin auch diesem Grund anschließen und möchte dazu noch ergänzen, daß der Vorsitzende heute morgen in seiner Propagandarede gerühmt ... sich gerühmt hat, daß auch Herr Baader nunmehr einen neuen Vertrauensarzt konsultieren könne. Damit wird verschleiert, daß die Ärzte des Vertrauens in dieses Gefängnis lediglich zur Begutachtung eingelassen werden, daß sie aber nicht selbst behandeln dürfen, sondern daß unter Berufung auf die Untersuchungshaftvollzugsordnung, die Richter nicht bindet,[17] im Gegensatz etwa zu den Mindestbedingungen der UNO,[18] daß den Angeklagten, und auch Frau Ensslin, es verweigert wird, sich durch Ärzte ihres Vertrauens nicht nur diagnostizieren, sondern auch behandeln zu lassen. Dies obwohl dem Senat und dem abgelehnten Richter bekannt ist, wie die Haftbedingungen sich auf die Gesundheit der Angeklagten ausgewirkt haben. Wenn stattdessen immer wieder darauf hingewiesen wird, daß die Angeklagten sich durch den Anstaltsarzt Henck[19] behandeln lassen könnten und die Ärzte des Vertrauens diesem beratend zur Seite stehen könnten, so wird damit in der Öffentlichkeit permanent verschleiert, daß der Anstaltsarzt Henck, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen ist, [3291] sämtliche Informationen an die Staatsschutzbehörden weiterzugeben, das heißt, daß die Interessen der Staats... des Staatsschutzes an der Psychiatrisierung sich ... dominieren und sich darüber hinwegsetzen, daß es sowas wie ein Arztgeheimnis gibt. Das zum ersten. Das zweite ist, daß in Krisenfällen, wie gestern bei Frau Meinhof, was auch bei Frau Ensslin jederzeit eintreten kann, bei einem Kreislaufkollaps es drei Stunden dauert, und noch länger dauern kann, bis ein Arzt des Vertrauens überhaupt da ist. Daß es notwendig ist, drei Stunden lang in einen ... einen Gefangenen in möglicherweise zwischen, Leben und Tod schweben zu lassen, liegt nicht daran, daß sich die Angeklagten nicht vom Anstaltsarzt Henck diagnostizieren oder gar behandeln lassen wollen,[20] sondern es liegt daran, daß der Senat und der abgelehnte Richter, seitdem er mit dieser Sache befasst ist, verhindert, daß die Angeklagten von Ärzten ihres Vertrauens behandelt werden. Wäre das der Fall, würde dies geschehen, so kä... so wären Krisensituationen wie gestern und wie sie in Zukunft einfach nicht ausgeschlossen werden können, nicht zu erwarten. Zur Glaubhaftmachung verweise ... verweise ich auf die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters.

Vors.:

Gut. Ich bitte die Prozeßbeteiligten in einer Viertelstunde wieder hier zu sein, bis dahin ...

Angekl. Baa[der]:

Moment, Moment ...

Gerichtsreferendar Dr. Te[mming]:

... es sind auch noch Angeklagte ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, Sie hatten ja das Wort gehabt, noch nicht gehabt, wollte ich sagen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja ich wollte ... ich wollte noch kurz etwas zu der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft sagen. Ich meine, das was die Bundesanwaltschaft in diesem Verfahren hier seit dem 21. Mai 1975 macht, ist in dieser Stellungnahme sehr deutlich geworden. Der Sachverhalt der ... den wir vorgetragen haben bedeutet ja im Klartext: Ein Vorsitzender Richter hat einer Verteidigung angedroht, sie auszuschalten für die Zukunft. Die Bundesanwaltschaft wiederholt ihre alte Litanei, daß aus der Sicht eines verständigen Angeklagten dies allenfalls zu verstehen sei, als eine Haltung mit der nur Gutes und Freundliches gemeint sei. Die Bundesanwaltschaft kann dererlei eigentlich selbst nicht ernst nehmen. Wenn sie hier verzweifelt versucht, den Vorsitzenden zu retten, dann deshalb, weil sie meint sicher sein zu können, daß das Institut der Ablehnung hier [3292] ohnedies abge... abgeschafft worden ist schon. Zu einem zweiten Punkt noch, wir sind hier als Prozeßverschlepper beschimpft worden. Die Bundesanwaltschaft hat ja zwischenzeitlich gegen mich einen Entpflichtungsantrag[21] gestellt unter anderem mit der Begründung, ich hätte hier staats... staatliche Repräsentanten beleidigt. Ich bin sicher, bei der Haltung, die die Bundesanwaltschaft hier in diesem Verfahren eingenommen hat, wird auch die Begründung des Ablehnungsgesuchs auf der Schritt... auf der Strichliste, die geführt wird hier über die Verteidiger, ihren Platz finden um anschließend zur Begründung von Entpflichtungsanträgen herzuhalten.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben das Wort nicht mehr. In einer Viertelstunde bitte ich die Prozeßbeteiligten wieder hier zu sein. (Zur Bundesanwaltschaft, die sich nochmals zu Wort meldet): Ich würde bitten, nicht mehr jetzt. Wir wollen also heute den Verhandlungstag noch in der Form fortführen. In einer Viertelstunde wird bekanntgegeben wie es weitergeht.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Woher wissen Sie denn das.

RA Sch[ily]:

In welcher Form wollen Sie denn fortführen?

Pause von 15.21 Uhr bis 17.00 Uhr

Die Zeugen KHK Penzkofer und Herrmann wurden um 16.00 Uhr entlassen.

Ende von Band 186.

[3293][22] [3294][23] [3295][24] [3296-3297][25] [3298-3299][26] [3300] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 17.00 Uhr

OStA Holland ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Der Vorsitzende verliest daraufhin den Beschluß aus Anlage 2 des Protokolls.

Der Beschluß wird als Anlage 2 zum Protokoll genommen.

Während der Verlesung des Beschlusses reden die Angeklagten Baader und Raspe bei der Erwähnung, daß alle Beteiligten Änderungen der Tonbandniederschrift herbeiführen könnten, wie folgt dazwischen:

Angekl. B[aader] u. R[aspe]:

Nur wir nicht.

Vors.:

Herr Baader, wenn Sie noch einmal dazwischenrufen, dann werden Sie ausgeschlossen.

Angekl. B[aader]:

Dann lügen Sie doch nicht.

Nach der Verlesung des Beschlusses:

Vors.:

Es ist damit die Sitzung für heute geschlossen, Ich muß zu meinem Bedauern darauf hinweisen, daß die Fortsetzung der Sitzung ...

RA G[olzem]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... daß die Fortsetzung der Sitzung erst am ...

RA G[olzem]:

Herr Vorsitzender, ich muß um das Wort bitten ...

V[ors]:

... erst am 11. November möglich ist. Wir müssen auf den Gesundheitszustand des Richterkollegen, der erst eine Operation hinter sich hat, die Komplikationen nach sich zogen, weiterhin ...

RA G[olzem]:

Herr Vorsitzender, ich bitte zur Kenntnis ...

Vors.:

... nach ärztliche Anforderung ... Ich habe jetzt den Termin bekannt gegeben, die Sitzung ist bereits geschlossen.

Rae G[olzem] u. M[üller]:

Wir haben noch eine Wortmeldung. Wir haben eine Wortmeldung.

Vors.:

Ich habe jetzt gesagt, wir setzen fort am 11.11., weil der ...

[3301-3303][27] [3304] RA G[olzem]:

Wenn Sie es bitte zur Kenntnis nehmen, Herr Vorsitzender, wir sind noch da.

Vors.:

... weil der Arzt des operierten Kollegen eine Fortsetzung ...

RA G[olzem]:

Es geht hier um den Arzt von Ulrike Meinhof, Herr Vorsitzender.

Vors.:

... zu einem früheren Zeitpunkt nicht zuläßt.

Herr Bietz, ich bitte Sie nun noch den Beschluß zu verteilen, den der Senat erlassen hat und der ...

RA G[olzem]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... beinhaltet, daß die Rechtsanwälte Spangenberg, Köncke und Golzem hier die Verteidigung der Angeklagten Meinhof und Raspe nicht führen können.

Assessor Oberw[inder]:

Was für Konsequenzen hat der Vorfall von gestern?

Mehrere Rechtsanwälte reden unverständlich dazwischen.

Vors.:

Fortsetzung: 11.11.

- Beifall und Unruhe im Sitzungssaal. -

Ende der Sitzung am 17.06 Uhr.

Ende des Bandes 187.


[1] Inwiefern Tonbandaufnahmen der Verteidigung in der Hauptverhandlung zulässig sind, ist bis heute nicht abschließend geklärt (s. zum Streitstand und den verschiedenen Argumenten Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 38 ff.). Nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung - auch seitens des Gerichts - stets der (zumindest konkludenten) Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 399). Ob solche Aufnahmen überhaupt angefertigt werden können, liegt aber im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BGH, Urt. v. 13.10.1981 - Az.: 1 StR 561/81, NStZ 1982, S. 42; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.8.1990 - Az.: VI 14/89, NStZ 1990, S. 554). Dabei spielen nicht nur die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, sondern auch die Pflicht zur Wahrheitsermittlung nach § 244 Abs. 2 StPO eine Rolle (s. hierzu bereits BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az. 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.). Da Tonbandaufnahmen ggf. geeignet sein könnten, Aussagen von Zeug/innen zu beeinflussen und damit den Beweiswert zu vermindern, muss sich die Verteidigung eigene Tonbandaufnahmen in jedem Fall vom Gericht genehmigen lassen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVGRn. 12; Schmitt, NStZ 2019, S. 1 ff.; a.A. Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 49, wonach nur das Gericht Tonbandaufnahmen anfertigen darf).

[2] Die Hauptverhandlung fand in dem sog. Mehrzweckgebäude (auch „Mehrzweckhalle“) statt, einem Gerichtsgebäude aus Stahl und Beton, das in Vorbereitung auf den Prozess unmittelbar neben dem Gefängnis für etwa 12 Millionen DM errichtet wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69; krit. hierzu auch Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 100 f.). Zu den beanstandeten Nachteilen s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am vorigen Verhandlungstag (S. 3192 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[3] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[4] Der Angeklagte Andreas Baader wurde am vorigen Verhandlungstag wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO von dieser ausgeschlossen (S. 3242 des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag). Nach §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO sind ausgeschlossene Angeklagte bei ihrer Rückkehr von dem wesentlichen Inhalt dessen, was in ihrer Abwesenheit verhandelt wurde, zu unterrichten.

[5] Anlage 1 zum Protokoll vom 4.11.1975: Senatsbeschluss vom 31.10.1975: Verwerfung der Ablehnungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie der Richter Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker als unzulässig.

[6] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO: „Die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger ist unzulässig“) in Kraft. Die geäußerten Bedenken stützte der Senat darauf, dass alle drei Verteidiger zur selben Zeit in einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Kaiserslautern tätig waren, und zwar für die dort Angeklagten Grashof, Grundmann und Jünschke, denen die Beteiligung an der kriminellen Vereinigung RAF sowie z.T. auch die Beteiligung an der Sprengstoffexplosion in Frankfurt und an einem Raubüberfall in Kaiserslautern vorgeworfen wurden. Diese Taten waren auch Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens, was nach Ansicht des 2. Strafsenats einen ausreichenden Zusammenhang zwischen den beiden Verfahren begründe, sodass § 146 StPO Anwendung finde. Ob sich das Verbot des § 146 StPO a.F. auch auf Parallelverfahren erstreckt, war zunächst ungeklärt. Die später gegen den Beschluss des 2. Strafsenats gerichtete Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Köncke wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschl. v. 13.1.1976 - Az.: 2 BvR 1001/75, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a“, 5. Aufl. 2014, S. 46 f.). Durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) wurde § 146 StPO schließlich neugefasst. Der heutige Wortlaut umfasst eindeutig auch das Verbot, Beschuldigte in Parallelverfahren zu verteidigen, wenn sie wegen derselben Tat beschuldigt sind (s. zur Neuregelung auch Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1161, 1163; Nestler-Tremel, NStZ 1988, S. 103 f.).

[7] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit musste nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO a.F. ab dem Zeitpunkt der Vernehmung der Angeklagten zur Sache unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen (heute gilt dies bereits ab der Vernehmung der/des Angeklagten über die persönlichen Verhältnisse); andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[8] Die Entscheidung, einen Antrag anzunehmen, ist Bestandteil der Verhandlungsleitung, welche durch den/die Vorsitzende/n ausgeübt wird (§ 238 Abs. 1 StPO). Es besteht aber keine Verpflichtung, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Prozessbeteiligte, die einen Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stellen, können daher auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 10.6.2014 - Az.: 3 StR 57/14, NStZ 2014, S. 668, 670; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 59. Aufl. 2016, § 238 Rn. 5). Diese Grundsätze gelten auch für Ablehnungsgesuche. Aus der Verpflichtung, das Gesuch unverzüglich zu stellen (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO), folgt nach der Rechtsprechung keine Pflicht des Gerichts, eine sofortige Gelegenheit zur Anbringung des Gesuchs zu geben. Ergeben sich etwa während einer Zeugenvernehmung Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen können, ist nach (heutiger) Rechtsprechung des BGH die Verweisung auf die Stellung des Gesuchs nach der Vernehmung zulässig (BGH, Urt. v. 15.1.1986 -2 StR 630/85, StV 1986, S. 281). Teilweise wird hieraus gefolgert, dass die Gelegenheit zur Anbringung noch am selben Hauptverhandlungstag ausreichend sei (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 25, Rn. 9; Drees, NStZ 2005, 184 f.; ähnlich: Senge, NStZ 2002, S. 225, 232).

[9] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[10] Die Voraussetzung des rechtzeitigen (unverzüglichen) Vorbringens muss, ebenso wie der Grund der Ablehnung, nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung, als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[11] Die handschriftliche Ergänzung wurde nicht in den Protokolltext, sondern nur als Anlage zum Protokoll aufgenommen (Anlage 4 zum Protokoll vom 28.10.1975, S. 3179 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag).

[12] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 und damit kurz vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.). Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Der vierte Vertrauensverteidiger Baaders, Rechtsanwalt Siegfried Haag, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).

[13] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Gegen die Verteidiger/innen in den RAF-Prozessen wurden zahlreiche solcher Ehrengerichtsverfahren eingeleitet (s. dazu etwa das Interview mit R. von Plottnitz, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 91, 95 f.; s. auch die Dokumentation von Ehrengerichtsverfahren von Spangenberg, KJ 1976, S. 202).

[14] S. bereits Fn. 1.

[15] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[16] Der Senat war ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage als Gericht der Hauptsache auch zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[17] Bei der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz, sondern um eine Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, die sich an die Leitungen der Haftanstalten richtet. Für Gerichte ist sie nicht bindend (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1963 - Az.: 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, S. 288, 294). Nr. 56 Abs. 1 UVollzO lautet: „Der Gefangene wird vom Anstaltsarzt gesundheitlich betreut. Mit Zustimmung des Richters und nach Anhören des Anstaltsarztes kann dem Gefangenen gestattet werden, auf eigene Kosten einen beratenden Arzt hinzuzuziehen.“ Der Vorsitzende Dr. Prinzing führte im Hinblick darauf aus, grundsätzlich sei der Anstaltsarzt zuständig; für einen begründeten Antrag auf Hinzuziehung gewählter Ärzt/innen müssten bereits Untersuchungen stattgefunden haben (14. Verhandlungstag, S. 1120 f. des Protokolls der Hauptverhandlung). Der UVollzO kommt mittlerweile keine Bedeutung mehr zu, seit durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.8.2006 (BGBl. I, S. 2034) die Gesetzgebungskompetenz für den Untersuchungshaftvollzug den Ländern übertragen wurde und diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch gemacht haben.

[18] Die „Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen“ der Vereinten Nationen von 19757/77 sehen in Nr. 91 vor: „Untersuchungsgefangenen ist auf begründeten Antrag zu gestatten, sich von ihrem eigenen Arzt oder Zahnarzt besuchen und behandeln zu lassen, wenn sie die anfallenden Kosten tragen können.“ Dieser Grundsatz ist auch in der revidierten Fassung von 2015 (sog. Mandela-Rules) in Nr. 118 enthalten. Verbindlich sind diese Resolutionen der VN-Generalversammlung nicht, da diese lediglich Empfehlungen aussprechen kann (Art. 9 ff. der Charta der Vereinten Nationen).

[19] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag).

[20] Eine Untersuchung durch den Anstaltsarzt Dr. Henck lehnten die Angeklagten ab. Andreas Baader beschrieb das Verhältnis zu ihm wie folgt: „Das Verhältnis zu Henck ist ein Zwangsverhältnis, d. h. er hat unter [...] Anwendung urmittelbaren Zwangs durch 6 Vollzugsbeamte die Zwangsernährung - oder wie ein anderer Vollzugsarzt, typischer Sadist, sagt, die Schlauchorgie - in Stammheim während des Hungerstreiks durchgeführt, zuletzt so, wie ich das hier erklärt habe, daß es physische Folter war; darin besteht das Verhältnis zu Henck“ (S. 1243 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag; s. auch die Ablehnung des Dr. Henck als Sachverständigen auf S. 517 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 5. Verhandlungstag). Neben der Voreingenommenheit betonte die Verteidigung auch die mangelnde Sachkunde des Anstaltsarztes.

[21] Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) wegen pflichtwidrigen Verhaltens war gesetzlich nicht vorgesehen, allerdings im Falle eines Fehlverhaltens von besonderem Gewicht und nach voriger Abmahnung ausnahmsweise anerkannt (Willnow, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 143 Rn. 4). Bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s. auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter wird auch der Fall der groben Pflichtverletzung gefasst (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).

[22] Verfügung: Frist zur Stellungnahme und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung.

[23] Dienstliche Erklärung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[24] Antrag des Rechtsanwalts Mairgünther auf Aussetzung der Entscheidung über die Ablehnung.

[25] Stellungnahme des Rechtsanwalts Schily zur dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[26] Stellungnahme des Rechtsanwalts Golzem zur dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.

[27] Anlage 2 zum Protokoll vom 4. November 1975: Senatsbeschluss: Zurückweisung der Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.


[a] Maschinell eingefügt: beide

[b] Maschinell ersetzt: zur ferneren durch insofern um

[c] Handschriftlich durchgestrichen: Bande

[d] Maschinell eingefügt: Dr.

[e] Maschinell durchgestrichen: der

[f] Maschinell durchgestrichen: Antrag

[g] Maschinell eingefügt: V.: Herr RA Golzem.

[h] Maschinell eingefügt: Sie

[i] Maschinell ersetzt: RA Mü durch Ein Vert.:

[j] Maschinell durch * eingefügt: RA Mairg.: Ich verwahre mich gegen diese Beleidigung

[k] Handschriftlich ersetzt: Schreiten durch Scheitern

[l] Handschriftlich ersetzt: Wache durch Waffe