53. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 4. Dezember 1975, 9.05 Uhr



[4618] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 4. Dezember 1975, 9.05 Uhr.

53. Verhandlungstag

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko, Just. Ass. Clemens.

Die Angeklagten Baader, Meinhof und Ensslin sind anwesend.[1]

Als Verteidiger sind erschienen,

Rechtsanwälte Dr. Augst (als amtl. best. Vertreter von RA Eggler), Künzel, Schwarz, Linke und Grigat.

Als Zeugen sind anwesend:

KHM Heinz und KHK Martin

Als Sachverständiger ist anwesend:

Dr. Grooß

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Zur Anwesenheit ist festzustellen, daß zunächst noch die Pflichtverteidiger[2] RAe. Schily und Dr. Heldmann fehlen. Herr Rechtsanwalt Riedel noch desgleichen. Rechtsanwalt Schlaegel hat sich für 20 Minuten entschuldigt. Herr Rechtsanwalt König ist entschuldigt für den Tag. Der Rechtsanwalt Eggler mit Genehmigung des Gerichts vertreten, durch seinen amtlich bestellten Vertreter, Herrn Rechtsanwalt Dr. Augst für den ganzen Tag. Herr Rechtsanwalt Wächtler, der als Verteidiger der Angeklagten Meinhof sich gemeldet hatte, hat das Mandat bereits wieder niedergelegt. Es hat ein weiterer Rechtsanwalt jetzt um Besuchsgenehmigung, um Vorbereitung einer eventuellen Mandatsübernahme gebeten. Ich habe Grund darauf hinzuweisen, weil gestern die Galerie angesprochen wurde, daß ich inzwischen der Sache nachgegangen bin und ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen habe, daß die Galerie keine Zuschauerbühne sein kann. Das ist inzwischen auch bekannt und sogar schriftlich oben angeschlagen. Es haben also hier nur [4619] Polizei aus dienstlichem Anlaß die Möglichkeit, die Galerie zu betreten, außerdem der Leiter der Vollzugsanstalt oder sein Vertreter. Ich möchte das ausdrücklich festgestellt haben. Sofern Personen dort oben Platz nehmen wollen, die in den Zuschauerraum gehören, haben sie auch im Zuschauerraum Platz zu nehmen. Ich hoffe, daß da also so eine Anhäufung der Personen, wie sie gestern zu beobachten war, ohne daß das Gericht im einzelnen das nun zunächst zur Kenntnis genommen hat - es ist uns erst aufgefallen, aufgrund der Intervention eines Verteidigers - sich nicht wiederholt. Wir haben heute als Zeugen und Sachverständigen Herrn Dr. Grooß, Herr Martin und Herr Heinz.

Die Zeugen KHM Heinz, KHK Martin werden gem. § 57 StPO[3] belehrt.

Der Sachverständige Dr. Grooß wurde gem. §§ 72, 57 und 79 StPO[4] belehrt.

Rechtsanwalt Schily erscheint um 9.09 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge KHK Martin und der Sachverständige Dr. Grooß werden um 9.09 Uhr in den Abstand verwiesen.

Der Zeuge KHM Heinz erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussagen auf das Gerichtstonband[5] einverstanden.

Vors.:

Herr Heinz, zunächst bitte ich Sie um Ihre Personalien.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:

Zeuge Heinz:

Hans Georg Heinz, 30 Jahre alt,

Angehöriger der Kriminalabteilung in Frankfurt,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

- Die Angeklagten Baader, Meinhof und Ensslin verlassen um 9.10 Uhr den Sitzungssaal.[6] -

[4620] Vors.:

Ihre Aussagegenehmigung[7] liegt hier vor, ist sie Ihnen dem Inhalt nach bekannt?

Zeuge Heinz:

Ja, fernschriftlich, ja.

Vors.:

Es ist grundsätzlich Ihre Sache zu beurteilen, inwieweit Sie sich berechtigt glauben, Aussagen zu machen oder nicht. Es wird in Ihrem Falle sicher auch keine besonderen Probleme in dieser Richtung geben.

- Die Aussagegenehmigung ist dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt. -

Vors.:

Herr Heinz, wir haben bisher in der Beweisaufnahme eine Festnahmeaktion erörtert, die sich im Juni 1972 in Frankfurt, Hofeckweg abgespielt hat. Wenn wir richtig unterrichtet sind durch die vorhandenen Unterlagen, waren Sie an dieser Festnahmeaktion nicht selbst unmittelbar beteiligt.

Zeuge Hei[nz]:

Nein.

Vors.:

Nicht beteiligt. Ist es richtig, daß Sie im späteren Verlauf dann eingesetzt wurden?

Zeuge Hei[nz]:

Ja, das ist richtig.

Vors.:

Zur Spurensicherung?

Zeuge Hei[nz]:

Zur Unterstützung unserer Spurensicherung.

Vors.:

Und hier würde nun interessieren. Hatten Sie die Spurensicherung oder die Untersützungsaufgaben wahrzunehmen, innerhalb eines Garagenraumes z. B. oder außerhalb dieser Garagen?

Zeuge Hei[nz]:

Außerhalb einer Garage.

Vors.:

Sind Sie dabei auch in Wohnung in der Tatortnähe gekommen?

Zeuge Hei[nz]:

Ja.

Vors.:

Sagt Ihnen der Name Ma[...] etwas[a] oder Ma[...]? [Der genaue Name bzw. dessen genaue Aussprache der hier (und in Verhandlunsgtag 51 S. 4406 ff. sowie Verhandlungstag 52 S. 4425) als Ma[...] bezeichneten Person ist den Verfahrensbeteiligten, hier dem Vorsitzenden und dem Zeugen Heinz, offenbar unklar. Eindeutig beziehen sich die Äußerungen aber auf ein und dieselbe Person (Ma[...]).]

Zeuge Hei[nz]:

Ja, Ma[...] oder so ähnlich. Ja, das dürfte hinhauen.

Vors.:

Waren Sie dort auch um irgendwelche Spuren zu sichern?

Zeuge Hei[nz]:

Ja.

Vors.:

Bitte, das sollten Sie uns schildern, was Sie dort angetroffen und beobachtet haben.

Zeuge Hei[nz]:

Ich bin zu der besagten Zeit mit meinem Kollegen Schuma von unserem Leiter dort hin geschickt worden, weil also festgestellt worden war, daß im Erdgeschoss die Scheibe zerstört war bzw. daß da ein Loch drin war und da sollten wir nachschauen in dieser Wohnung, was es mit dem Loch auf sich hat. Wir sind dann in diese Wohnung gegangen und haben uns einen Überblick verschafft und da konnten wir also feststellen, daß [4621][8] [4622] also in dieser Scheibe sich ein Loch befand, das war also gezackt, hatte etwa den Durchmesser eines Daumens. Weiter konnten wir an der Wand, die dem Fenster gegenüberliegt, auch eine Schädigung feststellen und an einem braunem Schrank war also auch eine kleine Beschädigung festzustellen.

Vors.:

So daß es also keiner großen Vorstellungsgabe bedurfte, um davon auszugehen, daß hier ein Schuß reingekommen sein könnte?

Zeuge Hei[nz]:

Offensichtlich, ja.

Vors.:

Haben Sie sich bemüht nach dem Geschoss Ausschau zu halten?

Zeuge Hei[nz]:

Richtig und das haben wir dann auch gefunden und zwar lag das in der Wohnung unterhalb des Fensters, also auf dem Boden. Wieweit entfernt kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen, es mag also ½ m sein, höchstens. Und ich hab dann also mit gelber Ölkreide, habe ich diesen Lagerort des Geschosses oder des deformierten Geschosses, besser gesagt, habe ich markiert und zwar mit einem Kreis. Ich erinnere mich[b] nämlich deshalb genau, es war wohl Parkettfußboden, der also gewachst war und die Ölkreide die rutschte also über diesen gewachsten Fußboden hinweg und da mußte ich also des öfteren diesen Kreis nachzeichnen. Dann habe ich dieses deformierte Geschoss genommen, habe es in ein durchsichtigen Zellophanglasbeutel getan, hab einen Aufkleber daraufgemacht, hab ihn beschriftet, wo das Geschoss lag und daß ich das gesichert hab.

Vors.:

Und wem haben Sie dann das Asservat übergeben?

Zeuge Hei[nz]:

Das habe ich dann dem Kollegen Feiler vom Erkennungsdienst in Frankfurt gegeben.

[c]

Dem Zeugen werden aus Bd. 88 die Bilder 117 - 119 vorgelegt.

Der Zeuge gab dazu folgende Erläuterungen ab:

Zeuge Hei[nz]:

Ja, also auf Nr. 62 kann man also sehen, daß also diese Scheibe offensichtlich durch einen Schuß zerstört worden ist, gleiches gilt für Bild 63. Ich kann mich auch noch erinnern, daß also diese Beschädigung kurz über der Fensterrahmenkante, von unten gesehen, war. Dann sieht man[d] auch hier auf Bild 64 diese erwähnte Beschädigung hier an der Wand und zwar unter diesem Bild mit den Segelschiffmotiven und auf Bild 65 sieht man also die Beschädigung in diesem braunen Wohnzimmerschrank und zwar [4623] an der Stirnseite. Und hier auf Bild 66 kann man also sehen, daß ich also mit Kreide wiederholt um dieses deformierte Geschossteil - oder Stück Kreise gezogen habe. Weitere Teile konnten wir also nicht finden.

- Die Angeklagte Ensslin erscheint um 9.15 Uhr für kurze Zeit im Sitzungssaal -

Vors.:

Also zu Bild 66 die Frage: Ist die Lage des Geschosses hier richtig wiedergegeben?

Zeuge Hei[nz]:

Das ist lagegerecht.

Vors.:

Sie erkennen auch die Kreis, die Sie gezogen haben ...

Zeuge Hei[nz]:

Ja.

Vors.:

... auf dem Parkett.

Zeuge Hei[nz]:

Ja. Wenn das in Farbe war, dann müßte das also schwach gelb erscheinen.

Vors.:

Und ist das Bild für Sie deutlich genug, um zu sagen, das Geschoss, das ich gesichert habe, erkenne ich auch auf dem Bild wieder? Oder ist das zu klein ...?

Zeuge Hei[nz]:

Ich kann mich also erinnern, daß es also so aussah, wie es hier auf diesem Bild wiedergegeben ist.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Berichterstatter? Ich sehe nicht; beim Gericht keine Fragen. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nicht. Die Herren Verteidiger? Keine Fragen.

- Der Zeuge Heinz wurde vorschriftsmäßig vereidigt[9] und im allseitigen Einvernehmen um 9.17 Uhr entlassen -

RA Schi[ly]:

Darf ich um 5 Minuten Pause bitten, weil meine Mandantin eine Rücksprache wünscht?

Vors.:

5 Minuten Pause. Herr Rechtsanwalt, das was jetzt besprochen wird, betrifft nur den Angeklagten Raspe. Vielleicht gibt Ihnen das dann die Gelegenheit ...

RA Schi[ly]:

Wen wollen Sie jetzt als Nächsten vernehmen, wenn ich fragen darf?

Vors.:

Herrn Martin. Und zwar Herrn Martin nur im ..., nicht etwa in einem größeren Gutachtenzusammenhang, sondern zu einer Frage, die urspünglich ein ganz anderer Zeuge beantworten sollte, wie er den Zustand einer Waffe, die bei Herrn Raspe gefunden sein [4624] soll, gewürdigt hat, so daß also Ihrer Abwesenheit wohl nichts im Wege steht.

Rechtsanwalt Schily verläßt um 9.18 Uhr den Sitzungssaal.

Der Zeuge Martin erscheint um 9.18 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Marin erklärte sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Vors.:

Ich bitte um Ihre Personalien.

Zeuge Martin,

machte folgende Angaben zur Person:

Martin, Karl-Heinz, 54 Jahre alt,

Kriminalhauptkommissar, Wiesbaden, Bundeskriminalamt, Teerstraße 11,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Also, ich möchte ausdrücklich feststellen, die Verteidigung für Frau Ensslin ist gewährleistet. Es bedarf also keiner Abtrennung.[10]

- Die Aussagegenehmigung ist dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt -

[e]

Dem Zeugen Martin wird die Waffe Ass. B 54 IV 3.6 zum Augenschein[11] vorgelegt. Er gab dazu folgende Erläuterungen ab:

Zeuge Mar[tin]:

Etwas Ähnliches habe ich in der Hand gehabt, ich kann mich aber an diese spezielle Waffe nicht mehr entsinnen. Überhaupt an diesen ganzen Vorgang habe ich keine Erinnerung mehr. Ich habe mich aufgrund meiner Zweitstücke der Schriftsätze informiert, bevor ich hierherkam, und zu diesen Schriftsätzen kann ich nur Aussagen machen.

Vors.:

Wir wollen mal sehen, ob wir Ihre Erinnerung durch Vorhalt wieder wecken können, wenn nicht, dann müßten wir eben das, was früher schriftlich niedergelegt ist, einführen und Sie müßten uns dann sagen, ob das von Ihnen damals, nach Ihrer Überzeugung, auch richtig niedergelegt wurde. Es heißt in einem Untersuchungsbericht, der nicht von Ihnen stammt, sondern wohl von einer anderen Abteilung, nämlich von KT 6 1, daß der Revolver Smith & Wesson Nr. 363241 ... Es ist diese Nummer, die wir hier vorliegen [4625][12] [4626] haben. Also handelte sich um diese Waffe, die sei am 2.10. Ihnen, nachdem sie am 2.10.72 gefunden geworden sei, zunächst Ihnen übersandt worden, um sie daktyloskopisch zu untersuchen. Und das Ergebnis der Untersuchung befinde sich unter Tagebuch Nr. 256/72.

Zeuge Mar[tin]:

Ja, diese Tagebuchnummer habe ich herangezogen und hab einen Vermerk dort gefunden, den ich gemacht hatte, als mir die Waffe zugesandt worden ist und habe festgestellt, daß [f] die Waffe für[g] daktyloskopische Spuren unbrauchbar war, weil sie zu diesem Zeitpunkt, laut meinem Bericht, verschmutzt und verrostet war und in der Trommel sich nur leere Hülsen befanden.

Vors.:

Jetzt haben wir also folgendes zu sagen. Wenn es sich also um die Waffe gehandelt haben sollte, was Sie aus Ihrer eigenen Erinnerung nicht bestätigen können, dann wäre die Waffe damals bei Ihrer Untersuchung negativ zu beurteilen gewesen. Sie haben das damals negativ beurteilt wegen der Verschmutzung, wegen der Rostanhaftung und Sie haben aber noch erwähnt, daß in der Trommel nur leere Hülsen gewesen sind ...

Zeuge Mar[tin]:

Ja.

Vors.:

... der Waffe, die Sie damals suchten, die möglicherweise die gewesen ist.

Zeuge Mar[tin]:

Wenn die Nummern stimmen in dem Bericht und in der ..., auf der Waffe, dann handelt es sich um die gleiche Waffe und das ist der Zustand der Waffe, wie sie mir übergeben worden ist und ich habe sie so zurückgegeben.

Vors.:

Uns interessiert gerade die Aussage, die Sie gerade machten, daß in der Trommel nur leere Hülsen gewesen seien. Sind Sie sich dessen sicher?

Zeuge Mar[tin]:

Aus der Erinnerung nicht, wenn es aber im Bericht steht, war der Zustand so, wie er im Bericht festgehalten worden ist.

Vors.:

In dem Bericht, den wir haben, läßt sich das nicht entnehmen als Ihre Feststellung.

Zeuge Mar[tin]:

Das ist ein Anschreiben gewesen, das ich an Kt 6 weitergegeben habe und das ist dann in dieses Gutachten wahrscheinlich so mit übernommen, wie ich es geschrieben hatte. Es ist allgemein so üblich, daß bei uns diese zuarbeitenden Dienststellen für die Hauptdienststellen, die das Gutachten erstellen, dieser Dienststelle einen Schriftsatz zukommen lassen, in dem die Sachen festgehalten sind, die sie bei der betreffenden [4627] Zuarbeiterstelle vorgefunden werden.

Vors.:

Dann muß ich Ihnen aus Bd. 96 Bl. 363 eine größere Passage vorhalten, möchte Sie dann bitten, wenn Sie diesen Text hören, uns anzugeben, ob Ihre Erinnerung daran geweckt wird, daß diese Tatsachen, die hier angegeben werden, von Ihnen stammen oder ob Sie dafür sich nicht verbürgen können, daß das von Ihnen geäußert worden ist. Es heißt also so: „Das Ergebnis seiner - Ihrer - Untersuchung unter der Tagebuchnummer 265/72 durchgeführten Untersuchung lautet: „Eine Sicherung daktyloskopischer Spuren war aufgrund von Erdanhaftungen und Rost nicht möglich“. Das ist das Zitat aus Ihrem Bericht und nun geht es weiter: „Der Revolver wurde zur schußwaffenerkennungsdienstlichen Behandlung an die Fachgruppe KT 6 zurückgegeben“ und jetzt kommt und da muß ich Sie darauf hinweisen, als Bericht nun von KT 6, nicht mehr von Ihnen: „Der Revolver ist ungepflegt und verschmutzt, insbesondere im Lauf und in den Trommelbogen befanden sich Erde. An der gesamten Waffe wurde Rost-und Erdanhaftung festgestellt, in der Trommel des Revolvers befanden sich gezündete Patronenhülsen der Revolvermunition ...“ Soll das jetzt von Ihnen stammen oder sind das ...?

Zeuge Mar[tin]:

Nein, wahrscheinlich ist nur das gemeint, was in Anführungsstrichen steht. Das ist aber nicht der volle Text meines Schreibens.

Vors.:

Das ist nicht der volle Text?

Zeuge Mar[tin]:

Nein, ist nicht der volle Text meines Schreibens. Ich habe ...

Vors.:

Unterstellen ..., Verzeihung.

Zeuge Mar[tin]:

Ich habe wahrscheinlich geschrieben, „bei dem übersandten Revolver handelt es sich um die Waffe Nr. sowieso, Marke und Nummer angegeben, dann den Zustand der Waffe geschildert und dann am Schluß: eine daktiloskopische Spurensicherung ist aus den und den Gründen nicht möglich.“

Vors.:

Nun, zusammenfassend die Frage. Können Sie heute aus der Erinnerung angeben, sei es die oder eine andere Waffe gewesen, jedenfalls die Sie nicht begutachten konnten wegen Rost und Schmutzanhaftungen, daß in der Trommel dieser Waffe 6 leere Hülsen gewesen sind?

Zeuge Mar[tin]:

Aus der Erinnerung nicht mehr, wie ich eben schon sagte, [4628] nur auf Grund des Schriftsatzes.

Vors.:

Ja, wir haben keinen Schriftsatz.

Zeuge Mar[tin]:

Ja, den hatte ich an Kt 6 geschickt.

Vors.:

Der liegt hier nicht vor. Ja nun, was Sie nicht mehr wissen, Herr Martin, ist ganz klar, das ist richtig, daß Sie dann sagen, ich weiß nicht mehr.

Herr Berichterstatter? Keine Fragen mehr.

Können Sie uns Hinweise geben, auf welche Weise man unter Umständen an diesen Bericht kommen könnte oder haben Sie noch einen Durchschlag beispielsweise?

Zeuge Mar[tin]:

Ich habe eine Ablichtung, die habe ich sogar bei mir.

Vors.:

Dann sind wir ja schon weiter - Entschuldigung -. Dann darf ich das Fragerecht nochmals übernehmen.

Würden Sie uns mal diese Ablichtung zukommen lassen?

Der Zeuge übergibt diese Ablichtung des Schreibens vom 5.10.1972.

- siehe Anlage 3 zum Protokoll -.

Vors.:

Können Sie sagen, daß diese Ablichtung ein Schreiben wiedergibt, das Sie auf Grund der Untersuchung einer mit Rost und Erde verschmutzten Waffe abgefaßt haben?

Zeuge Mar[tin]:

Jawohl, das ist das Schreiben, das im Nachgang zu der Untersuchung der damals zugesandten Waffe gemacht worden ist und an Kt 6 weiterging.

Vors.:

Wir haben das Original nicht, aber Sie können sich verbürgen, daß das mit dem Original übereinstimmt, was hier als Ablichtung vorliegt?

Zeuge Mar[tin]:

Jawohl, das kann ich beschwören, jawohl. Das ist meine Zweitschrift, die Ablichtung von einer Zweitschrift. Das Originalschreiben ist weggegangen.

Der Vorsitzender verlas gem. § 249 StPO[13] das Schreiben vom 5.10.1972, das dem Protokoll als Anlage 3 beigefügt ist.

Zeuge Mar[tin]:

Ja.

Vors.:

Sie können aus der Erinnerung nicht mehr bestätigen, daß Sie den Zustand so gesehen, aber Sie können wohl angeben ...,

Rechtsanwalt Schily erscheint um 9.28 Uhr wieder im Sitzungssaal.

[4629] Zeuge Mar[tin]:

Auf Grund dieses Schreibens.

Vors.:

... wenn es hier so steht, dann haben Sie die Waffe damals auch in dem Zustand angetroffen

Zeuge Mar[tin]:

Ja.

Vors.:

Bestätigen Sie das?

Zeuge Mar[tin]:

Ja, das bestätige ich.

Vors.:

Weitere Fragen? Die Herren der Bundesanwaltschaft? Die Herren Verteidiger? Ich sehe nicht.

Ist dieses Schreiben ..., kann das zu den Akten gebracht werden, besteht da eine Möglichkeit, daß die Bundesanwaltschaft das veranlaßt oder können wir diese Ablichtung von Ihnen bekommen?

Zeuge Mar[tin]:

Die Ablichtung können Sie behalten, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Haben Sie eine weitere, sonst würden wir Ihnen wieder eine zukommen lassen?

Zeuge Mar[tin]:

Nein, ich habe eine Zweitschrift, also den Durchschlag von dem Original.

Die Ablichtung des Schreibens vom 5.10.1972 wird als Anlage 3 zum Protokoll genommen.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Dann können wir Sie sofort vereidigen.

Der Zeuge KHK Martin wurde vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.30 Uhr entlassen.

Der Sachverständige Dr. Grooß erscheint um 9.31 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Bitte, Herr Dr. Grooß, wenn Sie Platz nehmen wollen.

Der Sachverständige erklärte sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Der Sachverständige übergibt seine Aussagegenehmigung als Sachverständiger[h] dem Gericht. Die Aussagegenehmigung ist dem Protokoll als Anlage 4 beigefügt.

Vors.:

Es ist Ihnen also gestattet, hier ein Gutachten abzugeben. Soweit Sie im Rahmen dieses Gutachtens als Sachverständiger Zeuge[14] irgendetwas angeben müssen, wird das sicher durch diese Genehmigung mitgedeckt. Das wäre ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe auch eine Aussagegenehmigung als Zeuge.

Vors.:

Nun wir werden es im Einzelfall ... Vielleicht wenn wir sie gleich ... Wir holen sie uns dann nachher. Jedenfalls Sie sind berechtigt, Aussagen zu machen.

[4630][15] [4631][16] [4632] Der Sachverständige übergibt seine Aussagegenehmigung als Zeuge dem Gericht.

Die Aussagegenehmigung ist dem Protokoll als Anl. 5 beigefügt.

Sachverst. Dr. Grooß macht folgende Angaben zur Person:

Dr. Klaus Dieter Grooß, 39 Jahre,

Diplomphysiker, wissenschaftlicher Rat am kriminaltechnischen Institut des Bundeskriminalamtes, mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

- Dem Sachverständigen wird die Waffe Ass. B 54 IV 3.6 zum Augenschein vorgelegt. -

Vors.:

Ich bitte Sie nun, zu erklären, ob Sie anhand dieser Waffe sagen können, ob sie Ihnen zur Begutachtung vorgelegen hat und wenn ja, welche Ergebnisse die Begutachtung vorgebracht hat?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich muß die Nummer kontrollieren - D 363241 - ja.

Vors.:

Wenn Sie bitte nun zu der Waffe das angeben würden, was Sie damals gutachterlich festgestellt haben.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Waffe wurde uns übersandt. Ich habe die Waffe im Eingangszustand gesehen und habe die Untersuchung der daktyloskopischen Spuren veranlaßt. Die Waffe kam nach der Untersuchung zu uns zurück. Die Waffe war stark verschmutzt, es befand sich lose Erde sowohl in den Trommelbohrungen, als auch im Lauf. Die Waffe war leicht angerostet. In der Waffe befanden sich 6 Patronen, wer die Patronen entladen hat kann ich im Augenblick nicht mehr sagen, das weiß ich nicht. Die Waffe wurde dann gereinigt und es wurde Vergleichsmunition aus der Waffe gewonnen. Beim Beschuß traten keine Funktionsstörungen auf. Die 6 Patronen, die der Trommel entnommen wurden, wurden mit Elektrogravierer ...

Richter Dr. Berr[oth]:

Es sind Hülsen, keine Patronen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Entschuldigung, Hülsen, keine Patronen.

Richter Dr. Berr[oth]:

Können Sie es vielleicht nochmal laut sagen ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe mich vorhin versprochen. In der Waffe befanden sich 6 Hülsen, diese Hülsen wurden mit unserer Sammlungsnummer 16314 - es handelt sich hierbei um fortlaufende Nummern, die bei uns zu Registrierzwecken verwendet werden - gekennzeichnet.

- Der Sachverständige legt die Hülsen zum Augenschein für das Gericht und alle Beteiligten vor. -

[4633] Vors.:

Ich kann bestätigen, daß die Nummer eingraviert ist - 16314 - Es sind allerdings nur 5 Hülsen, soweit ich hier sehe ... - Hier - es sind 6, alles da, danke.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Diese Hülsen wurden untereinander verglichen und es wurde festgestellt, daß alle Hülsen gleiche Verfeuerungsspuren tragen und demnach in einer ... ein- und derselben Waffe gezündet worden sind. Der spurenmäßige Vergleich der gewonnenen Vergleichsmunition aus diesen Waffen, hier also der Hülsen mit den ..., mit der Sammlungsnummer 16314 gekennzeichneten Hülsen ergab Spurenübereinstimmung was bedeutet, daß diese Hülsen in der vorliegenden Waffe gezündet worden sind.

Vors.:

Das heißt, Ihr Vorgehen ist so, daß Sie zunächstmal diese Hülsen untereinander untersucht haben auf identische Spuren ...

- Rechtsanwalt Schlaegel erscheint um 9.36 Uhr im Sitzungssaal. -

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

... daraus schließen, wenn die Spuren identisch sind, sie sind alle aus einer Waffe verfeuert worden. Sie schaffen dann aus einer Waffe, die man in Betracht zieht, Vergleichsmunition. Stellen Sie auf der dieselben Spuren fest, dann können Sie den Schluß ziehen, aus dieser Waffe sind diese 6 Hülsen abgeschossen worden.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Jawohl.

Vors.:

Auch an Sie die Frage. Ist es bei diesen Spuren, die bei den Ladevorgängen, beim Schießvorgang entstehen, gewährleistet, daß die sich so unterscheiden von allen anderen denkbaren Spuren anderer Hülsen oder Geschossteile, daß man ein solch sicheres Urteil, wie Sie es gefällt haben, treffen kann?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Beim Revolver entstehen im Regelfall keine Ladespuren, sondern nur bei der Pistole - das ist technisch bedingt - hier ist also nur ein Vergleich der Verfeuerungsspuren möglich, und diese Spuren tragen in diesem Fall individuelle Merkmale, bedingt dadurch, daß der Schlagbolzen Bearbeitungsspuren aufweist, die individuellen Charakter haben.

Vors.:

Also Anhaltspunkt für Ihre Begutachtung ist ausschließlich der Schlagbolzen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Schlagbolzen und Teile des Stoßbodens neben den Schlagbolzen, aber im Wesentlichen, also in dem Fall, der Schlagbolzen.

Vors.:

Kann man davon ausgehen, wie Sie es ja wohl tun müssen, wenn Sie das Urteil so sicher fällen, daß die Merkmale individuell so verschieden sind bei den verschiedenen Waffen, Revolvern, [4634][17] [4635] daß man dieses sichere Urteil treffen kann.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

Und welche Gerätschaften werden dazu benützt, um diese individuelle Merkmale so genau festzulegen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Voruntersuchungen werden unter einer Binokularlupe gemacht, die Untersuchungen nachher unter dem Vergleichsmikroskop.

Vors.:

Es könnte sein, daß einer der Beteiligten, wenn Bildmaterial dazu vorhanden ist, gerne einen Blick nehmen würde, um sich da einen Eindruck zu verschaffen. Haben Sie zu Ihrem Gutachten Bildmaterial zu diesem Punkte?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Zu dem Punkt habe ich kein Bildmaterial.

Vors.:

Das heißt, Sie vergleichen das optisch durch ..., Sie sehen das und daraus ziehen Sie Ihre Schlußfolgerungen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

Es ist also für Ihre Begutachtung nicht erforderlich, Bildmaterial herzustellen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

In dem Fall habe ich es nicht für erforderlich gehalten.

Vors.:

Gibt es Fälle, wo es erforderlich ist?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich werde nachher Bildmaterial vorlegen von Geschossen, weil ich es auch hier in dem Fall für wesentlicher gehalten habe, daß in einem Revolver, der aufgefunden wird mit verfeuerten Hülsen, daß diese Hülsen in der Waffe gezündet worden sind, ist eigentlich mehr oder weniger wahrscheinlich, deshalb habe ich in dem Fall davon abgesehen, Bildmaterial zu erstellen.

Vors.:

Ich meine so, ist das zu Ihrer Begutachtung, also zu Gewinnung von Ergebnissen, wichtig, daß Sie Bilder herstellen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein.

Vors.:

Das ist im Grunde nur ein statistisches Festhalten ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist nur ein Demonstrationsmaterial.

Vors.:

Weitere Fragen beim Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft. Nicht?

OStA Z[eis]:

Nur zu den Hülsen keine Fragen.

Vors.:

Gut. Herr Rechtsanwalt Schlaegel, bitte.

RA Schl[aegel]:

Herr Dr. Grooß, ich hätte folgende Frage. Haben Sie die Untersuchungen selber vorgenommen oder wurden die durch Herrn Warnke oder sonstige Assistenten vorgenommen?

[4636] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Untersuchungen sind teilweise von mir durchgeführt worden und teilweise durch Mitarbeiter von mir. Ich habe die Hülsen aber gesehen.

RA Schl[aegel]:

Sagen Sie mir bitte den Teil, den Sie selbst vorgenommen haben.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Übereinstimmung der Spuren habe ich selbst gesehen.

RA Schl[aegel]:

Das heißt also, Sie sind in dem Moment tätig geworden, als die Hülsen eingespannt waren im Vergleichsmikroskop oder wie habe ich das verstanden?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, ja.

RA Schl[aegel]:

Können Sie also über den Zustand des Revolvers, wie er zur Untersuchung übergeben wurde, gar nichts sagen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe den Revolver nur im Eingangszustand gesehen. Ich kann mich im Augenblick nicht daran erinnern, wann ich ihn das nächste Mal gesehen hab, ich kann nur dazu folgendes sagen, daß ich die Hülsen nicht entladen habe oder nicht aus der Trommel entnommen habe.

RA Schl[aegel]:

Als Sie ihn im Eingangszustand gesehen haben, nur als Eingang, Einlauf irgendwo oder selbst in der Hand gehabt und überprüft?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe ihn in einer Verpackung in der Hand gehabt, nach meiner Erinnerung ist in einer Plastiktüte verpackt gewesen.

RA Schl[aegel]:

Nähere Kontrolle von Ihnen oder bloß weitergegeben?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, keine weitere Kontrolle.

RA Schl[aegel]:

Ich habe im Moment keine weiteren Fragen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bevor Sie das Fragerecht bekommen, möchte ich etwas dazu sagen zu Ihrem Fragerecht. Es ist gestern angekündigt worden, daß die Bundesanwaltschaft der Worterteilung an Verteidiger, deren Mandanten in dem zum Erörterung stehenden Komplex nicht unmittelbar betroffen seien, nicht hinnehmen wolle. Eine Rechtsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich geworden. Für den Senat besteht kein Zweifel, daß in einem verbundenen Verfahren[18], dem sogar gegen alle Angeklagten zum Teil ein einheitlicher Vorwurf[19] zugrundeliegt, Mitverteidiger das Recht haben, Fragen zu stellen in dem Rahmen, in dem die Interessen ihrer Mandanten auch mit berührt werden. Das ist die Grenze, das Verteidigungsinteresse des Mandanten. Die Grenze kann nicht schon vor der Erteilung des Fragerechts gezogen werden, denn das würde nichts anderes bedeuten, als eine faktische Trennung [4637] der verbundenen Verfahren. Soweit nun die Befürchtung geäußert worden ist, wenn das Fragerecht, wie der Senat meint, aus Rechtsgründen eingeräumt wird, würde das Verfahren 5 Jahre dauern, darf darauf hingewiesen werden, daß das Sitzungsprogramm des Senats vollkommen unberührt von der Einräumung des Fragerechts abläuft. Es kann eben sein, daß durch die Ausübung des Fragerechts sich der einzelne Sitzungstag verlängert, aber nicht das Sitzungsprogramm verschiebt und außerdem stellt sich diese ganze Frage, die jetzt in dieser Problematik aufgetaucht ist, überhaupt nur noch bin zum 22.12. das heißt noch wenige Tage, denn dann werden Vorwürfe zu erörtern sein, die ja ohnehin komplexer Natur sind und nicht mehr nur einzelne Angeklagte betreffen. Mit der Dauer des Prozesses hat das Fragerecht überhaupt nichts zu tun. Sie haben das Fragerecht.

RA Schi[ly]:

Das war wohl mehr an Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder gerichtet diese Erklärung ...

Vors.:

Ich habe Ihnen erklärt, warum Sie das Fragerecht haben, nachdem das gestern bezweifelt worden ist.

RA Schi[ly]:

... und nicht an mich. Herr Dr. Grooß, Sie haben von individuellen Spuren gesprochen. Ich glaube, wir haben uns schon einmal in einem Berliner Verfahren gesehen ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Jawohl.

RA Schi[ly]:

... wenn ich recht mich erinnere. Können Sie mir mal sagen, aufgrund welcher Untersuchungen Sie zu dem Ergebnis gekommen sind, daß solche individuellen Merkmale vorhanden sind? Gibt es darüber Vergleichsuntersuchungen und wenn Sie mir liebenswürdigerweise dann sagen, wie die beschaffen waren?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Diese Schlagbolzen werden in der Fertigung im Regelfall gedreht.

RA Schi[ly]:

Gedreht, ja?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Gedreht, ja. Es hängt von Fabrikat zu Fabrikat ab, wie sauber die Oberfläche eines solchen Schlagbolzen verarbeitet wird. Die Oberfläche eines solchen Schlagbolzens kann so sauber verarbeitet sein, daß keine individuellen Merkmale erkennbar sind, das heißt zu gut deutsch, der Schlagbolzen ist vollkommen glatt.

RA Schi[ly]:

Ja.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist hier in dem Fall nicht gegeben. Der Schlagbolzen weist ein erheblich zerklüftetes Bild auf, was teil- [4638] weise durch die Herstellung und teilweise durch Veränderungen mit Nachträglichkeitscharakter entstanden sind ..., entstanden ist.

RA Schi[ly]:

Ja, gut also das nehme ich zur Kenntnis, daß Sie sagen, bei der Fabrikation des Schlagbolzens in der Dreherei - es wird also gedreht - da kann es sein, daß der Schlagbolzen ganz glatt ist oder zerklüftet.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Hier haben wir es mit einem Zerklüfteten zu tun. Nun wollen wir uns mal noch gar nicht mit Frage Nachträglichkeit oder Anfänglichkeit beschäftigen, aber mich interessiert die Frage, wie Sie zu der Feststellung gelangt sind, aufgrund welcher Untersuchungen, daß diese ..., diese Zerklüftung des Schlagbolzens dann individuelle Züge trägt? Also daß es keine durchaus verwechslungsfähige Zerklüftungen gibt.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es handelt sich hier bei dem Schlagbolzen im Wesentlichen um später erworbene Merkmale.

RA Schi[ly]:

Woran können Sie das feststellen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist hier in dem Fall sogar fast mit bloßem Auge erkennbar.

RA Schi[ly]:

Ja, ich fragte nur, woran Sie das feststellen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Eine Oberfläche die z. B. verrostet, wird dieser Rost und diese Rostnarben jedesmal ein anderes mikroskopisches Bild ergeben.

RA Schi[ly]:

Wie gelangen Sie zu der Feststellung?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es hat sich, seit dem man mit diesen Untersuchungen beschäftigt, noch nicht ergeben, daß zwei Spurenerzeuger, in dem Fall Schlagbolzen, die Merkmale tragen, gleiche Merkmale tragen.

RA Schi[ly]:

Ja Moment, wir waren doch jetzt bei den Verrostungen, da hatten Sie eine bestimmte Feststellung getroffen mit den Rostnarben und da wollten Sie mir doch liebenswürdigerweise eine Aufklärung darüber geben, aufgrund welcher Feststellungen, Untersuchungen Sie zu dieser Feststellung hinsichtlich der Rostnarben gelangt sind, wenn Sie mir das mal erläutern wollen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, ich verstehe im Augenblick nicht ganz genau Ihre Frage.

RA Schi[ly]:

Ja, Sie haben doch etwas gesagt mit der Beschaffenheit der Rostnarben, die man unter dem Mikroskop besichtigen kann [4639] und da habe ich Sie gefragt, wie Sie zu dieser Feststellung gelangen, aufgrund welcher Untersuchungen Sie zu dieser Feststellung gelangt sind oder gelangen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es geht also um die Individualität der vorliegenden Rostspuren, verstehe ich Ihre Frage ...

RA Schi[ly]:

Nein, Sie haben doch, wenn Sie sich erinnern wollen, Herr Dr. Grooß, gesagt, also die ..., wir sprachen über die Frage der Nachträglichkeit, nicht?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Also Anfänglichkeit, so können wir vielleicht unterscheiden, Anfänglichkeit und Nachträglichkeit ..., also zunächstmal sagen Sie, wir können es einfach nochmal rekapitulieren. Sie haben gesagt, Schlagbolzen manche fallen glatt aus, da sieht man gar nichts, dann gibt es aber Schlagbolzen, die sind nicht so bearbeitet, so glatt bearbeitet, die sind zerklüftet ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

... und dann haben Sie gesagt, es gibt aber auch nachträgliche Veränderungen - können wir ja mal ganz neutral sagen - an den Schlagbolzen und da habe ich Sie gefragt, ja woran können Sie feststellen, was nachträglich und anfänglich ist. Und da kamen Sie auf die Frage der Verrostung zu sprechen und dabei waren wir dann ..., haben wir uns ein bißchen festgefahren. Da fragte ich Sie nämlich, wie kommen Sie dazu, Frage der Verrostung und Besichtigung solcher Verrostungsnarben unter dem Mikroskop zu sagen, das eine ist, so das andere ist so; aufgrund welcher Untersuchung, so war doch wohl das jetzt richtig.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich darf also davon ausgehen, Sie interessiert allgemein, wie Sachkunde eines Sachverständigen in diesem Punkte zustandekommt, es handelt sich also nicht um spezielle Fragen nach dieser Waffe, weil die würde nun tatsächlich wieder nur die Verteidigungsinteressen des Angeklagten Raspe wohl berühren. Deswegen, ich habe keine Bedenken gegen diese Frage, aber ich möchte bloß die Bestätigung haben, es geht Ihnen allgemein zu überprüfen, wie ein Sachverständiger zu einem Urteil kommen kann angesichts dieser Rostspuren.

RA Schi[ly]:

Da Sie offensichtlich doch die Vorstellung haben, daß die Frage zulässig ist, meine ich, daß ich da keine weitere Erläuterung schulde dann?

Vors.:

Ich wollte nur den allgemeinen Charakter der Frage bestätigt haben.

[4640] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es geht also nochmal um die Frage woher ich erkenne, ob es[i] Nachträglichkeit oder ...

RA Schi[ly]:

Richtig, sehr richtig.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

... Fertigungsspuren sind?

RA Schi[ly]:

Genau, Herr Dr. Grooß.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das läßt sich in vielen Fällen nicht sagen, denn man weiß nicht, in welcher Form ein Werkzeug hier, sprich, ein Revolver bzw. ein Revolverteil, von der Firma hergestellt worden ist. Das ist im Regelfall nicht machbar.

RA Schi[ly]:

Und im Ausnahmefall?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

In einigen Fällen kann man ganz klar erkennen, daß es sich um Spuren handelt, die Gebrauchsspuren sind, oder um Spuren, die durch einen Korrosionsprozeß entstanden sind. Eine typische Gebrauchsspur ist z. B. eine Beschädigung schleifender Art, daß z. B. hier in dem Fall, der Hahn soweit nach vorne steht, daß er Berührung kommt während des Drehprozesses mit Waffen- und Munitionsteilen und sich dadurch an seiner Vorderseite abschleift. Diese Spuren erkennt man im Verlauf in vielen Fällen. In einigen Fällen hat man auch den direkten Hinweis darauf, daß so etwas entstanden ist in dem Abdrucksspuren des Schlagbolzens z. B. auf der Trommel erkennbar sind.

Ende Band 258

[4641] RA Schi[ly]:

Ja.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

... was also in vielen Fällen dabei entstehen kann, wenn mit einer Waffe in ungeladenem Zustand der Hahn abgeschlagen wird.

RA Schi[ly]:

Ja. Also wenn ich das resümieren darf:

In vielen Fällen läßt es sich nicht feststellen; manchmal, meinen Sie, kann man das feststellen - Sie haben erläutert, in welchem Zusammenhang das dann gebracht werden soll. Können wir dann mal zu der Frage zurückkehren: Woran und aufgrund welcher Untersuchungen können Sie feststellen individuelle Merkmale? Gibt’s da Vergleichsuntersuchungen? Und dann, aufgrund welchen statistischen Grades?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es sind Vergleichsuntersuchungen gemacht worden. Insbesondere machen wir ständig im BKA Vergleichsuntersuchungen an uns eingesandten tatverdächtigen Waffen, und auch in diesen Fällen sind bisher gleiche Spuren nie aufgetreten.

RA Schi[ly]:

Also Sie wollen das als Erfahrungswert bezeichnen des BKAs aus Waffenuntersuchungen, daß da bisher noch keine identischen Spuren festgestellt worden sind oder sagen wir mal, verwechslungsfähigen Spuren?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, so könnte man’s nennen.

RA Schi[ly]:

Sagen Sie, Herr Dr. Grooß, ne ganz andere Frage:

Kennen Sie die Bezeichnung Rote Armee-Fraktion?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Können Sie mir sagen, was Sie darunter verstehen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich glaube, das gehört nicht zu dem Thema, zu dem ich hier bin.

Vors.:

Herr Verteidiger, ich glaube auch nicht, daß die Frage sachdienlich ist. Wenn Sie begründen wollen, warum Sie sie für sachdienlich halten bei einem Sachverständigen?

RA Schi[ly]:

Ich glaube, wenn es hier um dieses Verfahren handelt, in dem manchmal doch auch die Bezeichnung Rote Armee-Fraktion auftritt, dann glaube ich, habe ich das Recht als Verteidiger, den Sachverständigen danach zu fragen, was er darunter versteht.

Vors.:

Nein. Das hat mit seinem Gutachtenauftrag, über den er hier berichtet, nichts zu tun. Die Frage kann nicht zugelassen werden.

[4642] RA Schi[ly]:

Ich beanstande diese Zurückweisung der Frage[20] und darf vielleicht auch darauf hinweisen, daß ich vielleicht in Bezug auf den Sachverständigen bestimmte Anträge zu stellen habe.

Vors.:

Das heißt also:

Im Grunde genommen dient das, was Sie jetzt tun, der Vorbereitung bestimmter Anträge, aber nicht der Sachaufklärung? Das wäre ja genau das, was ...

RA Schi[ly]:

Das gehört auch zur Sachaufklärung, festzustellen, ob dafür ein Anlaß besteht.

Vors.:

Nein, das hat mit der Sache nichts zu tun.

RA Schi[ly]:

Ja dann sind Sie im Irrtum, Herr Vorsitzender. Also ich möchte dann ausdrücklich um einen Senatsbeschluß bitten.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Die Frage ist unzulässig, da sie mit der Sachaufklärung - Gutachterauftrag des Herrn Sachverständigen - nichts zu tun hat und der Aufklärung nicht dienlich sein kann.

RA Schi[ly]:

Dann darf ich Sie weiter fragen, Herr Dr. Grooß:

Dieses heutige Gutachten, beruht das auf dem Gutachten vom 31. Januar 1973 mit dem Aktenzeichen - na, ein sehr langes Aktenzeichen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, es fängt an mit 617469/72.

RA Schi[ly]:

Ja genau.

Haben Sie das selbst diktiert, dieses Gutachten und verfaßt? Ist der Text von Ihnen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Trifft es zu, daß Sie in dem Gutachten u. a. den Satz geschrieben haben:

„Der unter der Sammlungs-Nr. 15791 einliegende Geschoßmantel wurde im Zuge der Spurensicherung anläßlich der Festnahme von Mitgliedern der Baader-Meinhof-Bande ...“

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie greifen der Anhörung des Herrn Sachverständigen vor. Zu diesem Thema werden erst noch Fragen auch von der Gerichtsseite an ihn gestellt und den übrigen Beteiligten.

Bis jetzt hat sich’s also nur um die hier vorliegende Waffe gehandelt und um die Hülsen. Ich bitte also, Fragen darauf auch zu beschränken.

[4643] RA Schi[ly]:

Gut, dann frage ich:

Haben Sie in dem Gutachten von einer Baader-Meinhof-Bande gesprochen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das steht in dem Gutachten drin, und zwar ist das übernommen worden aus dem Gutachtenantrag zu dem Gutachten der Munitionsteile, die damals in Frankfurt gesichert wurden.

RA Schi[ly]:

Dann eine weitere Frage:

Sie sind beim BKA tätig?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Jawohl.

RA Schi[ly]:

Sind Sie vorwiegend oder vielleicht sogar allein für Aufträge zuständig, die Ihnen von der Sicherungsgruppe[21] erteilt werden?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Nein?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Wir sind zuständig für kriminaltechnische Untersuchungen. Von wem diese Untersuchungen in Auftrag gegeben werden, ist in dem Zusammenhang für unsere Arbeit nicht bedeutend.

RA Schi[ly]:

Ne weitere Frage, Herr Dr. Grooß:

Waren Sie im Rahmen der Ermittlungen in diesem Verfahren für Aufklärungsarbeit tätig, also meinethalben Tatortsicherung?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Mit Aufgaben der Sicherung bin ich nicht befaßt gewesen, habe auch ... ich nehme an, zu wissen, wo Ihre Frage hinzielt.

Am Hofeckweg bin ich einige Wochen, soweit ich’s in Erinnerung habe, nachher gewesen.

RA Schi[ly]:

Zu welchem Zweck?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Zur Beratung bei der Suche nach Munitionsteilen, wo man glaubte, die noch finden zu können.

RA Schi[ly]:

Bei der Suche nach Munitionsteilen, ja. Auf Anordnung von wem?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen.

RA Schi[ly]:

Das werden Sie doch vielleicht noch in etwa wissen?

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, ich beanstande die Frage. Auf Anordnung von wem, ist eine reine Suggestivfrage an den Zeugen bzw. Sachverständigen.

RA Schi[ly]:

Wieso ist das ne Suggestivfrage, Herr Zeis? Das versteh ich gar nicht.

[4644] Vors.:

Also ich sehe keinen Grund zur Besorgnis, daß der Zeuge dadurch so beeinflußt sein könnte, daß seine Aussage nur in einer bestimmten Richtung verlaufen müßte. Ich würde also die Frage zulassen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich kann’s im Augenblick nicht mehr sagen. Wir sind zusammen - so wie ich’s in Erinnerung habe - mit Herrn Brandt und Herrn Warnke und einigen Angestellten von uns sowie einigen Bediensteten der AGS in Frankfurt gewesen.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Grooß, war ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich dazwischenfragen:

Ist es unerläßlich, daß diese Fragen, die an sich allgemeiner Natur sind, zu stellen, bevor wir die weiteren Fragen, die nun ...

RA Schi[ly]:

Ja, ’s dient der Prozeßökonomie.

Vors.:

Ja nun, ich habe nichts dagegen, wenn Sie drauf bestehen. Es wäre natürlich ein anderer Rhythmus möglich gewesen.

RA Schi[ly]:

Jaja. Wenn es nicht vorrangig wäre, würde ich’s zurückstellen.

Herr Dr. Grooß, ist es richtig, daß die Ermittlungen in dem Verfahren, in dem Sie dann auch hier bei der Suche nach Munitionsteilen tätig geworden sind, daß für diese Ermittlungen die B. Anwaltschaft zuständig[22] war?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das wird richtig sein.

Vors.:

Ja nun, das ist ja nun eine Auffassung, haben Sie dazu Kenntnisse? -

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Herr Schily, ich ...

RA Schi[ly]:

Ich frag doch ... ne Mutmaßung. Ich hab zunächst einmal die Frage gestellt. Wir wollen doch gar nicht jetzt erst schon was vorausbewerten.

Vors.:

Sie können die Frage nur beantworten, wenn Sie das wissen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, also da kann ich im Detail im Augenblick wirklich nichts sagen.

Vors.:

Ja, dann würde ich das aber auch sagen. Da braucht man dann keine Zeit verlieren. Daß Sie das für möglich halten, das ist schon richtig.

RA Schi[ly]:

Also Sie wissen also nicht mehr, auf wessen Anordnung Sie bei dieser Tätigkeit, nach Suche nach Munitionsteilen ...?

[4645] Kann das sein, daß Sie da auf Weisung der Sicherungsgruppe tätig geworden sind?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, auf Weisung auf gar keinen Fall, ...

RA Schi]ly]:

... sondern?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es ist an mich wohl die Frage herangetragen worden, ob ich bei der Suche nach diesen Munitionsteilen behilflich sein kann, und ich habe es getan. Eine Weisung hat nicht vorgelegen, daß ich an den Tatort gehen muß.

RA Schi[ly]:

Ja das versteh ich nicht so ganz.

Also auf meine Frage, auf wessen Anordnung, da sagen Sie, Sie wissen nicht mehr genau.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Eine Anordnung, so wie Sie’s meinen, hat nicht vorgelegen.

RA Schi[ly]:

Ja, dann muß ich um 5 Minuten Pause bitten, da ich prüfen muß, ob ich jetzt einen Antrag stelle.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wenn es in diesem engen zeitlichen Rahmen gehalten werden kann. Ich bitte aber, nicht um Verlängerung zu bitten. Fünf Minuten Pause werden ...

RA Schi[ly]:

Ja.

Pause von 10.05 Uhr bis 10.12 Uhr.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Herr RA Schily, Sie haben das Wort.

RA Schi[ly]:

Ich habe folgenden Antrag zu stellen:

Namens der Angeklagten Ensslin wird der Sachverständige Dr. Grooß wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Das Ablehnungsgesuch darf ich namens der Angeklagten wie folgt begründen:

1. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 31. Januar 1973 in Bezug auf den Personenkreis, gegen den sich die Ermittlungen im vorliegenden Verfahren richten, als Baader-Meinhof-Bande bezeichnet.

- Zur Glaubhaftmachung[23] wird auf den Inhalt dieses Gutachtens und auf die heutige Sitzungsniederschrift verwiesen. -

[4646] Durch die Verwendung dieses polemischen Ausdruckes, der in der öffentlichen Diskussion stets dazu verwendet worden ist, um ein negatives Wert- und Vorurteil gegen die in diesem Verfahren Angeklagten hervorzurufen, hat der Sachverständige zu erkennen gegeben und Anlaß dazu gegeben, das jedenfalls vom subjektiven Standpunkt der Angeklagten das Mißtrauen in seine Unvoreingenommenheit rechtfertigt.

2. Der Sachverständige ist nicht nur als wissenschaftlicher Mitarbeiter des BKAs in Wiesbaden, sondern auch bei Ermittlungshandlungen zum Zwecke der Ermittlung tätig geworden.

- Zur Glaubhaftmachung verweise ich auf die heutige Sitzungsniederschrift und die dort protokollierten Bekundungen des Sachverständigen. -

Diese Tätigkeit begründet ebenfalls vom Standpunkt der Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit. Ich verweise auf die Rechtsprechung des BGH, u. a.[j] auf die Entscheidung in Bd. 18/214[24] und auf die unveröffentlichte Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH - 1 StR 558/63[25] -. Es ist mir bekannt - das darf ich vielleicht dazu ausführen -, daß möglicherweise, und ich will den Einwand gleich vorwegnehmen, der Senat die Auffassung vertreten hat, daß die Entscheidung in Bd. 18 eher dazu angetan sein könnte, ein Ablehnungsgesuch insoweit für unbegründet zu halten; jedoch scheint mir, darf nicht durch etwa die Wortwahl, denn man kann davon ausgehen, daß auch beim BKA über Rechtsfragen diskutiert wird, daß nicht etwa durch die Wortwahl eines Sachverständigen, der etwa selbst seine Tätigkeit als nur beratend und nur, sagen wir mal, auf neutraler Basis deklariert, daß diese Wortwahl nicht entscheidend sein kann, sondern nur die Funktion, in der er auftritt. Und wenn der Sachverständige hier beteiligt war an der Suche nach Munitionsteilen, trifft es eben genau das, was in der Entscheidung im 18. Bande als Aufklärungsarbeit bezeichnet worden ist, und das ist eben nicht mehr die Tätigkeit eines neutralen Gutachters, sondern eine Tätigkeit im Rahmen der Ermittlungen. Und aus diesem Grunde muß es sich der Sachverständige gefallen lassen, daß ihm von Seiten der Angeklagten mit Mißtrauen begegnet wird; denn daß, und das ist ja auch in [4647] diesen Entscheidungen im einzelnen ausgeführt, eine solche Tätigkeit im Ermittlungsinteresse entfaltet wird und insofern nicht als neutrale Gutachtertätigkeit bezeichnet werden kann.

Soweit das Ablehnungsgesuch.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen?

Herr RA Schwarz, bitte sehr.

Dann Herr RA Linke und danach Herr RA Schlaegel.

RA Schw[arz]:

Ich schließe mich für den Angeklagten Baader dem Ablehnungsgesuch, das soeben vorgetragen[k] wurde, an.

Soweit es zur Begründung unter Ziff. 2 hier vorgetragen wurde, schließe ich mich diesen Gründen an.

Ergänzend darf ich noch dazu ausführen:

Die bisherige Beweisaufnahme hat ergeben, daß im wesentlichen die Arbeiten in der Garage von Beamten der Dienststelle des Herrn Sachverständigen durchgeführt wurden und nur ein Beamter der Kriminalpolizei Frankfurt an diesen Arbeiten beteiligt war. Schon aus diesem Verhältnis der mit der Durchsuchung beteiligten Personen ergibt sich eindeutig der Ermittlungscharakter der Tätigkeit, die der Herr Sachverständige mit seinen Untergebenen ausgeführt hat.

- Zur Glaubhaftmachung berufe ich mich auf das Sitzungsprotokoll und die heutigen Erklärungen des Herrn Sachverständigen. -

Vors.:

Herr RA Linke.

RA Li[nke]:

Ich möchte vorab zwei Fragen an den Sachverständigen stellen, die nur in diesen Zusammenhang gehören:

Herr Dr. Grooß, wie kam es denn überhaupt dazu, daß Sie zum Hofeckweg gefahren sind?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das kann ich im Augenblick aus der Erinnerung nicht mehr sagen. Es liegt ja jetzt auch rund etwas über drei Jahre her.

RA Li[nke]:

Ist das auf eine eigene Initiative von Ihnen zurückzuführen? Oder ist eine Anordnung erfolgt?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es ist weder eigene Initiative gewesen noch eine Anordnung.

RA Li[nke]:

Na und? Was gibt’s dann als dritte Möglichkeit?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es ist an mich die - so werde ich’s ausdrücken - die Bitte herangetragen worden, sich den Tatort anzusehen, auch ins- [4648] besondere im Zusammenhang mit dem Gutachten über das Kraftfahrzeug, was in der Garage gestanden hat, haben soll damals, was ich nicht mehr gesehen hab, denn ich war, wie gesagt, längere Zeit nachher dort, und[l] im Zusammenhang mit dem Kraftfahrzeug, mit den Schußbeschädigungen, die sich da befanden. Und es ist zur Rekonstruktion einer Schußrichtung meiner Ansicht nach unmöglich, ein Gutachten abzugeben, wenn Sie den Tatort nicht sehen.

RA Schnabel erscheint um 10.20 Uhr.

RA Li[nke]:

Wer diese Bitte an Sie herangetragen hat, wissen Sie also heute nicht mehr?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das kann ich Ihnen also heute wirklich nicht mehr sagen.

RA Li[nke]:

War das jemand von Ihrer Dienststelle oder war das jemand von außerhalb?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich kann Ihnen das auch nicht mehr sagen.

RA Li[nke]:

Nun haben Sie an Ort und Stelle diesen Iso-Revolta nicht mehr vorgefunden?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein.

RA Li[nke]:

Dann haben Sie dann eine andere Tätigkeit dort entfaltet?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es war mir klar, daß der Iso-Revolta dort nicht mehr ist.

RA Li[nke]:

Sie sind also nicht wegen des Iso-Revolta hingefahren, sondern ...?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

... um die Gegebenheiten in der Garage zu sehen, weil es sich ja um eine Garage handelt, die nicht üblicher Konstruktion ist, sondern um eine Art doppelstockige Garage, wo das Fahrzeug in seiner der Garagenwand zugekehrten Seite wesentlich tiefer steht als an[m] der [n] Garagentür.

RA Li[nke]:

Und haben Sie sich dann nur mit dieser Bauart der Garage näher befaßt an Ort und Stelle?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich habe damals auch gesehen die Einschüsse in dem Garagentor, und dann ist an mich die Frage rangetreten oder rangetragen worden:

Wo können Munitionsteile aufgefunden werden, die nach Durchschlagen der Garagenwand weiter ins Freie gedrungen sind.

[4649] RA Li[nke]:

Wer hat an Sie diese Frage herangetragen an Ort und Stelle?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Soweit ich weiß, waren damals mehrere Leute der AGS dabei ...

RA Li[nke]:

Würden Sie mal in die Sitzung einführen, was AGS ist?

Vors.:

Das war die damalige Arbeitsgemeinschaft ...

RA Li[nke]:

Mir ist das klar, Herr Vorsitzender. Aber wir haben’s in der Sitzung noch nicht ... Wir haben eine öffentliche Sitzung. Ich kenne zwar die Akten, aber es ist in der Sitzung selber noch nicht besprochen worden, was die AGS ist.

[o]

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Meiner Ansicht nach muß es heißen Arbeitsgemeinschaft Sprengstoff.

RA Li[nke]:

Ja, und diese Arbeitsgemeinschaft ist wo gebildet?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Wo sie gebildet worden ist, weiß ich nicht.

RA Li[nke]:

Welcher Behörde oder welchem Behördenteil?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Vom BKA.

RA Li[nke]:

Vom BKA und welcher Abteilung des BKAs?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das kann ich nicht sagen.

RA Li[nke]:

Gehörte sie der Sicherungsgruppe an?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das sind Organisationsprobleme, die ich nicht beantworten kann.

RA Li[nke]:

Können Sie nicht beantworten, ob die Arbeitsgemeinschaft Sprengstoff der Sicherungsgruppe angehört?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich glaube nicht, daß das zum Gutachten dazugehört.

RA Li[nke]:

Nee, ich will’s trotzdem wissen, ob es Ihnen bekannt ist?

Vors.:

Herr Dr. Grooß, was Ihnen im Augenblick an Fragen gestellt wird, sind ohnedies Zeugenfragen, die haben mit dem Gutachten nichts zu tun; insofern - selbstverständlich - haben Sie diese Aussagegenehmigung, die Sie als Zeuge dabeihaben, zu berücksichtigen, wobei ich kein größeres Problem dahinter sehen würde, wenn Sie etwas dazu wissen, zu sagen, ja oder nein; denn ich glaube nicht, daß der Herr Rechtsanwalt die Organisation nun irgendwie ... will, sondern nur die generelle Zugehörigkeit als solche. Sie müssen selbst beurteilen; ich kann Ihnen in der Richtung keine Vorschriften machen, keine Bedenken hegen.

[4650] Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich hab den Organisationsplan von 1972 nicht vor Augen. Ich kann dazu nichts sagen.

RA Li[nke]:

Dann noch eine Frage:

Wie lange haben Sie sich in der Garage im Hofeckweg aufgehalten?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nach meiner Erinnerung ne Stunde, anderthalb Stunden.

RA Li[nke]:

Ist während dieser Zeit von Ihnen irgendeine Anordnung getroffen worden, die sich auf das Auffinden von Beweisstücken, z. B. auf das Auffinden von Munitionsteilen, bezogen hat?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein.

RA Li[nke]:

Keinerlei Anordnung getroffen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein.

RA Li[nke]:

Herr Vorsitzender, ich schließe mich für die Angeklagte ...

Vors.:

Es sind also ...

RA Li[nke]:

Meine Fragen sind zu Ende.

Vors.:

... der zwei Fragen?

RA Li[nke]:

Jaja, nun Gott - das waren a), b) und c).

Vors.:

Bitte sehr, Sie wollen einen Antrag stellen.

RA Li[nke]:

Ja.

Namens der Angeklagten Ulrike Meinhof schließe ich mich dem Ablehnungsgesuch an.

Auch ich bin der Auffassung, daß meine Klientin begründeten Anlaß hat, die Unbefangenheit des Sachverständigen mindestens anzuzweifeln.

In diesem Zusammenhang bitte ich den Senat, festzustellen und bei seiner Entscheidung mitzuberücksichtigen, wem die Arbeitsgemeinschaft Sprengstoff organisatorisch unterstellt war. Ich behaupte im Rahmen meines Ablehnungsgesuchs, daß es eine Unterabteilung - oder wie immer Sie das bezeichnen wollen - der Sicherungsgruppe Bonn oder jedenfalls der Sicherungsgruppe des BKAs gewesen ist.

- Zur Glaubhaftmachung beziehe ich mich auf eine dienstliche Auskunft des BKAs:

im übrigen: Zur Glaubhaftmachung beziehe ich mich für das tatsächlich Vorgetragene, soweit es die Tätigkeit des Sachverständigen im Rahmen der Ermittlungen im Hofeckweg betrifft, [p] auf die Angaben, die der Sachverständige eben gemacht hat und die in der Sitzungsniederschrift ihren Niederschlag gefunden haben, [4651] die der Sachverständige eben gemacht hat und die in der Sitzungsniederschrift ihren Niederschlag gefunden haben.

Vors.:

Herr RA Schlaegel, bitte.

RA Schl[aegel]:

Herr Vorsitzender, Herr RA Grigat und ich, wir möchten uns für den Angeklagten Jan-Carl Raspe dem Ablehnungsgesuch anschließen.

Zur Begründung nehmen wir Bezug auf die Ausführungen des Herrn Schily unter Ziff. 2, zur Frage der Ermittlungstätigkeit den Ausführungen des Herrn Kollegen Schwarz und die Ausführungen des Herrn Kollege Linke.

Vors.:

Kann die B. Anwaltschaft sogleich Stellung nehmen?

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, wir halten es zweckmäßig, daß Sie den Herrn Sachverständigen vielleicht noch fragen, ob er bei seiner Gutachtenerstattung tatsächlich völlig unabhängig war, d. h. in eigener Verantwortung gearbeitet und keine Weisungen von fachlichen oder sonstigen Vorgesetzten erfahren hat.

Vors.:

Ich darf die Fragen, die hier gewünscht ... auf die eine Antwort gewünscht wird, Ihnen gleich jetzt zur Beantwortung überlassen. Sie haben sie gehört.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich unterliege keinerlei Weisungen seitens der Gutachtenerstattung.

Vors.:

Sind weitere Fragen in dem Zusammenhang zu stellen?

Herr RA Linke.

RA Li[nke]:

Nur weil diese Frage eben gestellt worden ist an den Herrn Sachverständigen, dürfte ich da anschließend etwas ...

Vors.:

Ich glaube, jetzt hat sich Herr RA Schily zuerst gemeldet. Nein? Herr RA Linke, bitte, Sie haben das Wort.

RA Li[nke]:

Die Frage, die der Herr Bundesanwalt an den Herrn Sachverständigen gestellt hat, ob er sein Gutachten nun völlig unbefangen ohne Weisungen erstattet habe.

Erlauben Sie mir bitte aus der schon angezogenen Entscheidung des BGH im 18. Bd zu zitieren. Da heißt es:

„Gerade auch in Staatsschutzverfahren, die im Rechtsstaat ebenso wie jedes andere Strafverfahren nach den Vorschriften des förmlichen und sachlichen Rechts durchzuführen sind, kommt der für alle Prozeßbeteiligten

- und das ist jetzt gesperrt gedruckt -

[4652] sichtbaren Unparteilichkeit der Sachverständigen, die sich als Gehilfen des unabhängigen Gerichts von allen Weisungen freimachen müssen, erhebliche Bedeutung zu.“

Es ist also nicht entscheidend, ob sich der Herr Sachverständige seinerseits unbefangen fühlt und gefühlt hat, als er das Gutachten erstattet hat, sondern es kommt darauf an, ob diese Unparteilichkeit hier im Saal sichtbar wird. Und wenn er, wie ich behaupte, von der Arbeitsgemeinschaft Sprengstoff, einer Unterabteilung der Sicherungsgruppe, herangezogen worden ist und in deren Auftrag tätig geworden ist, dann ist eher seine Parteilichkeit als seine Unparteilichkeit sichtbar geworden.

Vors.:

Herr RA Schily.

RA Schi[ly]:

Ja ich wollte nur ne Anschlußfrage stellen an den Herrn Sachverständigen:

Unterliegen Sie überhaupt keiner Weisungsbefugnis?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

In der Gutachtenerstattung, nein.

RA Schi[ly]:

Aber z. B. die Tatsache, daß Sie ein Gutachten erstatten, sind Sie da frei? Können Sie also sozusagen wie ein freitätiger Sachverständiger, der sagt: Naja, den einen übernehm ich, wenn das Honorar gut ist, und den andern Auftrag übernehm ich nicht.

An die Tatsache der Übernahme eines Gutachtenauftrages, sind Sie da nicht weisungsgebunden?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, auch darin bin ich nicht weisungsgebunden. Ich kann jederzeit Gutachten ablehnen.

RA Schi[ly]:

Also wenn Sie sozusagen da jetzt sagen, ich will mir jetzt ein - entschuldigen Sie, daß ich mich jetzt ein bißchen salopp ausdrücke, Herr Dr. Grooß - wenn Sie sagen: Also ich krieg ein ganz schönes Gehalt - ich kenn Ihre Gehaltsklasse nicht, interessiert mich auch nicht weiter -, ich mach mir ein feines Leben, nehm mir ne schöne Illustrierte mit auf die Behörde, vielleicht auch einen Roman und sag, also hier, wenn jetzt ein Gutachtenauftrag kommt, ich mach’s nicht, tut mir leid.

Ist das so?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das ist natürlich nicht so.

[4653] Erstens mal werden wir nicht, wie Sie vorhin ansprachen, für die Gutachten in der Form bezahlt, daß wir Privatgutachten machen.

RA Schi[ly]:

Nein, das wollt ich auch gar nicht sagen, sondern das hab ich Ihnen nur als Gegenbild sozusagen vor Augen geführt, wenn ich einen Privaten, der hat ein privates technisches Büro. Da kommt dann jemand und sagt: Ich möchte Sie bitten, mal zu einer bestimmten technischen Frage ... Sowas gibt’s ja, Ingenieurbüros, die also zu bestimmten technischen Fragen Gutachten erstatten.

So ein Büro haben Sie ja nicht, sondern Sie sind im Rahmen einer Behörde tätig.

Nun frage ich Sie:

Sind Sie da völlig frei? Können Sie sagen, ich mach’s oder ich mach’s nicht?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich mach’s in dem Augenblick nicht, wenn ich es fachlich nicht vertreten kann, daß also mein Aufgabenbereich, in dem ich tätig bin, überschritten ist.

RA Schi[ly]:

Naja, das ist klar. Also wenn Sie jetzt ein medizinisches Gutachten erstatten sollten, daß Sie dann ablehnen, das halte ich für selbstverständlich.

Aber in Ihrem Fachbereich, sind Sie da nicht weisungsgebunden, daß Sie ein Gutachten übernehmen müssen?

Also wenn Ihnen sozusagen Ihr Vorgesetzter oder ein Kollege innerhalb der Behörde mitteilt, also jetzt wollen wir dein Gutachten.

Müssen Sie’s dann machen oder müssen Sie’s nicht machen?

Sie haben ja hier auch nen bestimmten Auftrag bekommen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Untersuchungsantrag der SOKO, Sonderkommission?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich glaube, also diese Frage läßt sich doch wesentlich vereinfachen. Wir verlieren sehr viel Zeit jetzt mit der Art der Fragestellung.

Darf ich vielleicht ganz kurz fragen:

Gehört es zu Ihren Dienstpflichten, Gutachten zu erstatten?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

Vors.:

Na bitte. -

[4654] RA Schi[ly]:

Ich bedanke mich für diese Unterstützung.

Vors.:

Ja nein, mir ging’s nicht um Ihre Unterstützung, sondern um die Abkürzung der Frageweise.

RA Schi[ly]:

Nein, das wäre ja auch verhängnisvoll.

Aber Herr Sachverständiger Dr. Grooß, wie ist es denn bei der Tätigkeit am Hofeckweg? Sie haben auf die Frage eines Kollegen gesagt, eine Bitte sei an Sie herangetragen worden. War es nicht doch ein Auftrag?

Ne Bitte, wissen Sie, kann man ablehnen oder die kann man annehmen.

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, ich habe Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Frage. Die Frage ist eindeutig beantwortet worden. Herr RA Linke hat sich sogar nicht vorstellen können, was es noch dazwischendrin gibt, und da hat der Zeuge gesagt, es war eine Bitte.

Ich weiß nicht, was diese erneute Fragestellung hier noch sachdienlich sein kann.

RA Schi[ly]:

Aber Herr Zeis, um vielleicht zu Ihrem Verständnis beizutragen, bin ich gern bereit, es Ihnen zu erläutern. Ne Bitte ist eben etwas ...

OStA Ze[is]:

Nein, Herr RA Schily. Darum geht mir’s nicht. Ich weiß sehr wohl, was ne Bitte ist. Ich beanstande die Zulässigkeit Ihrer Frage, weil sie schon beantwortet ist. Darum geht mir’s.

RA Schi[ly]:

Nein, nein. Das ist nicht richtig, Herr Zeis.

Er hat bisher nur geäußert, daß er ... eine Bitte sei an ihn herangetragen. Jetzt wollte ich den Sachverständigen fragen, was eigentlich der Inhalt ... ob das wirklich eine Bitte war, was man unter einer Bitte versteht oder ob es nicht eine Anordnung doch war?

Vors.:

Ja nun - also im Grunde genommen ist’s ein Vorhalt. Bitte überlegen Sie sich’s nochmals, war es wirklich eine Bitte? Ich sehe eigentlich auch nicht ein, warum diese klare und auch allgemein verständliche Antwort, es habe sich um eine Bitte, weder um einen Auftrag noch um eine Weisung, gehandelt, einer Vertiefung in dieser Richtung bedarf.

Haben Sie irgendwelche sonstigen begrifflichen Möglichkeiten, dem Herrn Sachverständigen vorzuhalten unter diesen ...

[4655] RA Schi[ly]:

Nein, ich darf jetzt vielleicht nochmals seine Antwort, um das klarzulegen, auf die von Ihnen dann formulierte Frage, ob es zu seinen Dienstpflichten gehört, die Gutachten zu erstatten, dann war es nicht so, daß es auch zu seinen Dienstpflichten gehörte, daß es insofern auch keine Bitte war, sondern eine Anordnung, hier bei der Ermittlungstätigkeit am Hofeckweg teilzunehmen?

Vors.:

Die Frage ist zulässig.

RA Schi[ly]:

Vielleicht können Sie einfach ja oder nein sagen, das wäre am kürzesten.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich bitte nochmals um die Frage.

RA Schi[ly]:

Ich frage:

Ist es richtig, daß es auch zu Ihren Dienstpflichten gehörte, bei der Ermittlungstätigkeit am Hofeckweg teilzunehmen? Und muß man das, was Sie als Bitte und Tätigwerden auf eine Bitte bezeichnen, dann auch als Tätigwerden aufgrund einer Dienstpflicht in dem gekennzeichneten Sinne bezeichnen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Wenn ich auf das eben angeschnittene Problem des Kraftfahrzeuges Iso-Revolta zurückkomme, [q] hab ich’s in diesem Fall für die Erstattung des Gutachtens für notwendig erachtet, den Tatort zu sehen.

RA Schi[ly]:

Moment mal.

Wann haben Sie denn den Gutachtenauftrag bekommen?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich fragen:

Dienen jetzt diese weiteren Fragen, um das Ablehnungsgesuch zu ergänzen?

RA Schi[ly]:

Ja, weil der Sachverständige jetzt sagt, im Rahmen des Gutachtens.

Jetzt frag ich ihn, wann er den Gutachtenauftrag bekommen hat.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Der Auftrag ist in solchen Fällen auch nicht unbedingt notwendig, denn man weiß ja in vielen Fällen, was auf einen zukommen wird.

RA Schi[ly]:

Also lag der Gutachtenauftrag noch nicht vor, als sie am Hofeckweg waren?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das kann ich im Augenblick nicht sagen.

RA Schi[ly]:

Kann es sein, daß er noch nicht vorlag?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Kann ich nicht ausschließen.

[4656] RA Schi[ly]:

Wenn es so war, daß er noch nicht vorlag, war es nicht dann doch in Ausübung Ihrer Dienstpflichten und diese Bitte, die an Sie herangetragen worden ist, eine Bitte im Rahmen der Ihnen obliegenden Dienstpflichten?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es war nicht im Rahmen der Dienstpflichten.

RA Schi[ly]:

Ja, was denn dann? War das freie berufliche Tätigkeit, Nebentätigkeit?

Vors.:

Also die Frage ist jetzt wirklich beantwortet, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Nein, Moment. Also das ist doch ne Frage, die unbedingt geklärt werden muß, ob das nun ne freiberufliche Tätigkeit oder ne dienstliche Tätigkeit war?

Vors.:

Es ist ganz klar vom Herrn Zeugen beantwortet worden. Ich möcht’s ihm jetzt nicht in den Mund legen, sonst würde ich Ihnen die ganz klare Antwort auch geben und sagen. Aber ich möchte also jetzt bitten, doch das zusammenzuziehen, was der Zeuge zu diesem Punkt bisher gesagt hat, dann werden Sie feststellen, daß alle diese Fragen, die Sie jetzt stellen, schon beantwortet sind.

RA Schi[ly]:

Nein, nein. Das ist nicht richtig, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich möchte jetzt, um Zeit zu sparen, den Herrn Zeugen die Antwort geben lassen. Aber ich bitte Sie, jetzt wirklich Wiederholungen zu vermeiden.

RA Schi[ly]:

Haben Sie denn ne Möglichkeit, wenn Sie also am Hofeckweg tätig geworden and, abgesehen von einer dienstlichen Tätigkeit noch ne andere ... das als andere Tätigkeit zu bezeichnen?

Richter Dr. Foth:

Herr RA Schily, der Vorhalt ging dahin, ob es im Rahmen der Dienstpflichten gewesen sei und jetzt kommt die dienstliche Tätigkeit. Das ist ja wohl nicht ...

RA Schi[ly]:

Jana, dienstliche Tätigkeit ... nee, das sind durchaus kongruente Begriffe: dienstliche Tätigkeit und dienstliche Pflichten. Na sicher. Also jedenfalls versteh ich’s so.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich sehe es als eine dienstliche Tätigkeit an, aber nicht als eine Dienstpflicht.

RA Schi[ly]:

Eine dienstliche Tätigkeit, zu der Sie nicht verpflichtet ... Sie hätten sie auch lassen können?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja, dann komm ich aber wieder auf die Frage zurück: Ist das ganz Ihrer eigenen Initiative überlassen?

[4657] Vors.:

Auch diese Frage ist beantwortet - keine Zulassung mehr.

RA Schi[ly]:

Herr Sachverständiger, also dann wiederhole ich die Frage anders:

Mußten Sie nicht tätig werden am Hofeckweg?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein.

Vors.:

Auch die Frage ist beantwortet. Das ist nur eine andere Fragestellung; die Antwort ist längst gegeben.

RA Schi[ly]:

Also dann ergänze ich mein Ablehnungsgesuch dahingehend, daß, obwohl der Sachverständige meint, daß er da aus freien Stücken tätig war, daß der Charakter der Bitte, so wie er es bezeichnet hat, hier doch den Charakter einer dienstlichen Anordnung trägt, daß es zu seinen Dienstpflichten gehört, daß er dort ermittelnd tätig war, denn der Gutachtenauftrag, wie er selber erklärt hat, lag möglicherweise nicht vor, und darüber kann vielleicht sich der Senat sogar noch genauere Überzeugung verschaffen, weil der Sachverständige selber nichts darüber Genaueres weiß.

- Und zur Glaubhaftmachung insoweit beziehe ich mich bezüglich dieser weiteren tatsächlichen Begründung auf die weitergehende Sitzungsniederschrift und die Erklärungen des Sachverständigen, die dort niedergelegt sind.

Vors.:

Herr RA Linke.

RA Li[nke]:

Ich hätte auch noch 1, 2 oder auch 3 Fragen an den Herrn Sachverständigen:

Herr Dr. Grooß, trifft es zu, daß das BKA einerseits über beamtete sachverständige Gutachter verfügt und andererseits über freie Mitarbeiter?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es handelt sich hier um ein Organisationsproblem des Amtes. Ich glaube nicht, daß diese Frage zum Gutachten gehört.

RA Li[nke]:

Ha nein, Herr Dr. Grooß. Also ich will nicht wissen, wieviel und wie das Verhältnis ist. Aber ich will wissen, ob es solche und solche gibt?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das BKA hat keine freien Mitarbeiter, soweit mir bekannt ist, zumindest nicht auf dem Gebiet der Kriminaltechnik.

RA Li[nke]:

Dann noch eine andere Frage:

Wenn ich Sie recht verstanden habe - und Herr Vorsitzender, [4658] sehen Sie mir’s nach, falls die Frage beantwortet sein sollte; als der Herr B. Anwalt Zeis gestern eine Frage nochmals stellte, die schon beantwortet war, meinte er, er wolle lediglich vertiefen, und ich möchte also auch lediglich vertiefen, was der Herr Sachverständige gesagt hat - Sie sind auf irgend jemandes Bitte, so hab ich’s verstanden, wegen des Iso-Revolta in den Hofeckweg gefahren. Haben Sie erst am Hofeckweg festgestellt, daß das Fahrzeug nicht mehr da war?

Vors.:

Die Frage ist beantwortet, das wissen Sie.

RA Li[nke]:

Jaja [r].

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das war mir bekannt, daß das Fahrzeug nicht mehr da ist, weil ich das Fahrzeug schon gesehen hatte, und zwar nicht am Hofeckweg, sondern auf dem Gelände des BKAs.

RA Li[nke]:

Dann sind Sie - hab ich das richtig verstanden - hingefahren, um evtl. diese Schußrichtung bestimmen zu können?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Li[nke]:

War bis dahin noch nicht klar, daß evtl. auch die Suche nach Munitionsteilchen in Betracht kommen könnte?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das war klar.

RA Li[nke]:

... war auch da schon klar?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Li[nke]:

War also da auch schon in diese Bitte eingeschlossen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Die Beratung bei der Suche nach Munitionsteilen war eingeschlossen.

RA Li[nke]:

Danke.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen? Nicht?

Dann kann die B. Anwaltschaft bereits ihre Stellungnahme abgeben?

OStA Ze[is]:

Ja, sicher.

Die B. Anwaltschaft beantragt,

das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückzuweisen.

Zu Ziff. 2 verweist sie vollinhaltlich auf ihre Stellungnahme vom vergangenen Dienstag[26] sowie auf den Beschluß des Senats[27], ebenfalls vom vergangenen Dienstag zur Ablehnung des SV Warnke. Zu Ziff. 1 des Ablehnungsgesuchs, das, wenn ich mich recht erinnere, nur von RA Schily vorgetragen worden ist:

[4659] Es ist unrichtig, Herr RA Schily, wenn Sie hier behaupten, der Sachverständige habe in seinem Gutachten von der Festnahme von Mitgliedern der Baader-Meinhof-Bande am 1.6.1972 in Frankfurt, Hofeckweg 2-4, gesprochen. Schlichtweg unrichtig.

Sie haben’s dem Sachverständigen wörtlich vorgehalten, und ich glaube kaum, Herr RA Schily, daß auch Ihnen entgangen sein könnte, daß der Ausdruck „Baader-Meinhof-Bande“ in Anführungszeichen steht und damit einen ganz anderen Sinn bekommt als den, den Sie hier vorgetragen haben. Hier handelt es sich um nichts anderes als um eine schlagwortartige Bezeichnung, die zudem noch, das wissen wir vom Sachverständigen, aus dem Gutachtenantrag übernommen worden ist.

Zusammenfassend darf ich also darauf hinweisen, daß von keiner Seite hier Punkte vorgetragen worden sind, die an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen Zweifel lassen könnten.

Ergänzend darf ich noch darauf hinweisen, daß es sich bei der Arbeitsgruppe Sprengstoff um eine Arbeitsgruppe handelt, die einer anderen Abteilung als das kriminaltechnische Institut des BKAs in Wiesbaden angegliedert war.

RA Schi[ly]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Danke schön.

Herr RA Schily, zu welchem Behufe?

RA Schi[ly]:

Ich möchte da kurz darauf erwidern:

Herr Zeis, Sie haben also eine Begabung, an der Sache vorbeizuargumentieren. Wissen Sie, Sie wollen mir sozusagen die Unterschlagung von Anführungszeichen vorwerfen.

Vors.:

Beim Erwiderungsrecht, Herr RA Schily, würde ich bitten, das möglichst kurz zu machen.

Die Angeklagte Ensslin erscheint um 10.45 Uhr im Sitzungssaal. (mit einer Zigarette in der Hand)[s]

RA Schi[ly]:

Jaja, ich werds auch sehr kurz machen.

Vors.:

Die Polemik nützt gar nichts.

RA Schi[ly]:

Ja, na dann würd ich sagen, daß auch die Polemik des Herrn Zeis nicht sehr förderlich ist.

[4660] Wissen Sie, die Anführungszeichen, die verändern doch den Sachverhalt überhaupt nicht. Was sollen hier die Anführungszeichen also an der Beurteilung des Gebrauchs dieser Bezeichnung ändern? Ich möchte mal dran erinnern an einen Vorfall, der gestern stattgefunden hat.

Vors.:

Ich bitte, die Angeklagte Ensslin mit der brennenden Zigarette nicht in den Saal zu lassen und sie auch wieder zu entfernen. Ich bitte, sofort dafür zu sorgen.

Frau Ensslin, ... Frau Ensslin, ...

RA Schi[ly] (zur Angekl. Ensslin):

Eine Sekunde, ich komm ...

Angekl. Enss[lin] (zu RA Schily):

Ja, gleich runter? Ja aber ...

Ende von Band 259.

[4661] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich würde Sie bitten das abzulehnen, mit einer, die hier raucht, Gespräche zu führen.

RA Schi[ly]:

Die raucht gar nicht.

Vors.:

Gut, dann wird ...

RA Schi[ly]:

Sie raucht gar nicht, sie hat nur eine Zigarette in der Hand, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich darf Sie aber in Zukunft bitten, derartige Gespräche in dem Augenblick, wo Sie hier die Möglichkeit haben, zu erwidern, nicht anzuknüpfen, dem Senat zuzumuten, ohne daß Sie darum vorher bitten, einfach still zu sein und zuzuhorchen ...

RA Schi[ly]:

Ich ...

Vors.:

... ob Sie sich nun glücklich mit Ihrer Mandantin zurechtfinden, Herr Rechtsanwalt, so geht es nicht.

- Die Angeklagten Ensslin verläßt um 10.46 Uhr wieder den Sitzungssaal -

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, lassen Sie doch diese Bemerkungen oder lassen Sie doch ...

Vors.:

Ich lasse sie nicht.

RA Schi[ly]:

Doch unterlassen Sie die freundlicherweise. Das ist doch auch wiederum überhaupt für die Sache überhaupt nicht dienlich, wenn Sie schon von der Sache reden wollen.

Vors.:

Es ist nicht für die Sache, sondern ...

RA Schi[ly]:

So, ich war bei meinen Ausführungen ...

Vors.:

... für die Formen, die hier einzuhalten sind.

RA Schi[ly]:

Ich war bei meinen Ausführungen über die Anführungszeichen und ich will Ihnen nur einen Vorfall in Erinnerung bringen von gestern, in der eine Entscheidung des Senats auf eine bestimmte Äußerung, die ich jetzt hier nicht wiederholen will, eines Prozeßbeteiligten, gestützt wurde eine Ausschlußentscheidung betreffend den Angeklagten Raspe, und ich bin mir sicher, daß, wenn man hier diese Äußerung vielleicht dann in Anführungsstriche gestellt hätte, daß der Senat möglicherweise dann zu gleichen Ergebnissen gelangt wäre. Also die Veränderung einer Äußerung darin zu sehen, ob man sie in Anführungsstrichen setzt oder nicht. Ich glaube das spielt zu mindestens im Bereich der Betroffenheit desjenigen, der jetzt hier ein Ablehnungsgesuch stellt[t], nämlich von der subjektiven Seite, und nur danach ist zu beurteilen ob die, ob das Ablehnungsgesuch begründet ist oder nicht, überhaupt keine Rolle. Also, die Verwendung, um es [4662] nochmal zusammenzufassen, die Verwendung der Bezeichnung „Baader-Meinhof-Bande“ in Anführungsstrichen oder mit Anführungsstriche oder ohne Anführungsstriche, bleibt im Ergebnis das gleiche und begründet auch insofern die Besorgnis der Befangenheit.

Vors.:

Ich bitte die Beteiligten um 11.30 Uhr wieder im Saale zu sein.

Herr Dr. Groß, bis dahin sind Sie entlassen.

- Der Senat zog sich um 10.47 Uhr zur Beratung zurück -

Nach Wiedereintritt des Senats um 12.04 Uhr wurde die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt -

Vors.:

Wir sind, wie ich sehe, wieder vollständig beieinander. Ich kann den Beschluß des Senats bekanntgeben. Er lautet:

Die Ablehnung des Sachverständigen Dr. Grooß wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe: Die Angeklagten lehnen den Sachverständigen ab, weil er nicht nur als wissenschaftlicher Mitarbeiter, sondern auch im dienstlichen Auftrag pflichtgemäß Zwecke der Ermittlungen ..., zum Zwecke der Ermittlungen tätig geworden sei. Ferner macht die Angeklagte Ensslin geltend, der Sachverständige habe im Gutachten von 31.1.1973 den Ausdruck „Baader-Meinhof-Bande“ gebraucht. Die Gesuche sind nicht begründet.

Der Sachverständige ist Angehöriger, der in Wiesbaden gelegenen, mit kriminalwissenschaftlichen Aufgaben betrauten Abteilung „Kriminaltechnik“ bei Bundeskriminalamt. Ermittelt hat in dieser Sache jedoch, die davon organisatorisch getrennte Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts in Bad-Godesberg. An sie richtete sich auch der Ermittlungsauftrag des Generalbundesanwalts vom 18. Febr. 1971. Einer mit Ermittlungsaufgaben betrauten Sonderkommission oder Arbeitsgemeinschaft war er nicht zugeteilt. Er ist als wissenschaftlicher Rat kein Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft (§ 8 des Bundeskriminalamtsgesetzes in der Fassung vom 29.6.1973). Er wurde auch nicht vorübergehend von einer Ermittlungsgruppe zu Ermittlungszwecken zugezogen. Vielmehr [4663] begab sich der Sachverständige in erster Linie zum Hofeckweg, um zur Vorbereitung eines Schußrichtungsgutachtens die Besonderheiten der Örtlichkeit zu besichtigen. Bei dieser Gelegenheit beriet er, entsprechend einer an ihn gerichteten Bitte, die ermittelnde Arbeitsgemeinschaft „Sprengstoff“ bei der Suche nach Munitionsteilen also von Material, das für die gutachterliche Tätigkeit seiner Dienststelle in Betracht kam.

Der Sachverständige war also nach allen Umständen dieses Einzelfalles nicht als ermittelnder Polizeibeamter i. S. des § 22 Nr. 4 der StPO tätig. Er nahm keine sicherheitspolizeilichen Aufgaben wahr (vgl. BGH Urteil vom 12. Juli 1955 - 5 StR 109/55[28] -). Das Urteil des BGH vom 28.1.1964 - 1 StR 558/63 - steht dem nicht entgegen.

Bei der gegebenen Sachlage besteht für einen vernünftigen Angeklagten keinen Anlaß, allein aus der Zugehörigkeit des Sachverständigen zu einer nicht mit Ermittlungen betrauten anderen Abteilung des Bundeskriminalamts und der von ihm entfalteten Tätigkeit Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu hegen (vgl. BGHSt 18, S. 214[29] und Lindenmeier-Möhringen Nr. 2 zu § 74 der StPO). Daß ein Sachverständiger zur Vorbereitung seines Gutachtens am Tatort weilt, verbietet die Strafprozeßordnung nicht (RG in Hoechstrichterlicher Rechtssprechung 1932 Nr. 213 und Alsberg-Nüse, der Beweisantrag im Strafprozess 2. Aufl., S. 241[30]). Der Ausdruck „Baader-Meinhof-Bande“ war eine seinerzeit weitverbreitete, schlagwortartige Bezeichnung. Daß sie der Sachverständige nur in diesem Sinne und nicht wertend angeführt hat, zeigen auch die von ihm benutzten Anführungszeichen.

Herr Dr. Grooß, wir können mit Ihrer Anhörung fortfahren. Es erhebt sich die Frage, ob Sie im Zusammenhang mit der Ihnen vorgeführten Waffe noch irgendwelche weiteren Feststellungen im Rahmen Ihrer gutachterlichen Tätigkeit haben treffen können, insbesondere im Zusammenhang mit evtl. vorhandenen Munitionsteilen in Ihrer Sammlung.

Sachverst. Dr. Grooß:

Beim Vergleich von Munitionsteilen, die bei uns in der Sammlung einliegen, wurde festgestellt, daß die unter den Sammlungsnummern 14843 und 15791 einliegenden Tatgeschosse bzw. eines Geschossmantels spurenmäßig übereinstimmen. Beide Munitionsteile wurden demnach aus einem Lauf verfeuert.

Vors.:

Ich bitte die Herren Verteidiger soweit sie hier unmittelbar Einblick nehmen wollen, sich zu beteiligen.

[4664] Der Sachverständige führt die Geschoßteile vor.

Sie werden in Augenschein genommen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Diese beiden Munitionsteile tragen übereinstimmende individuelle Merkmale. Die Übereinstimmung dieser Merkmale ist dargestellt in der Lichtbildtafel und zwar auf Tafel 1, (Bd. 96 367). Was sich nicht in den Akten befindet ist eine ... (spricht nicht in das Mikrophon und ist daher nicht zu verstehen)

Vors.:

Heißt das, daß Sie uns ein Exemplar zu den Akten geben können?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es können 3 Exemplare zu den Akten genommen werden.

- Der Sachverständige legt Aufnahmen der von ihm beschriebenen Geschossteile, die unter dem Elektronenmikroskop gemacht worden sind, vor und erläutert sie. -

Die Aufnahmen sind dem Protokoll als Anlage 6 beigefügt.

Die Aufnahmen werden in Augenschein genommen.

Die Originalaufnahmen wie Bd. 96 Bl. 367 wurden ebenfalls übergeben und dem Protokoll als Anlage 7 beigefügt.

Der Sachverständige demonstrierte durch Auflegen einer zweiten Aufnahme die Übereinstimmung der individuellen Merkmale.

Vors.:

Sind dazu Fragen an den Herrn Sachverständigen? Es wäre vielleicht noch zu klären, diese zweite Aufnahme. Inwieweit unterscheidet die sich von der originalen, die Sie hier uns vorzeigen? Stammt das eine von einer Vergleichs...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das hier ist Tatgeschoss gegen Tatgeschoss. Das eine 14843 ist in Karlsruhe gesichert, in Kaiserslautern gesichert worden, und das Tatgeschoss Nr. 15 791 ist in Frankfurt gesichert worden.

Vors.:

Es handelt sich also um Aufnahmen von Tatgeschossen nicht von Vergleichsmunition oder Vergleichsgeschossen, so daß Sie sagen können, wenn die Annahme stimmt, daß das eine Geschoss in Kaiserslautern das andere in Frankfurt gesichert worden ist, dann müßten beide aus der ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Dann sind beide Geschosse aus der gleichen Waffe...

Vors.:

... gleichen Waffe verfeuert worden sein.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Aus derselben Waffe.

Vors.:

Sind seitens der Herrn Verteidiger weitere Fragen im Augenblick in dem Zusammenhang? Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ja, wenn Sie mal also jetzt das Bild sich ansehen ...

[4665][31] [4666][32] [4667] Wenn Sie die beiden Bilder mal gegen..., übereinanderhalten.

Sie haben also jetzt den Boden, wie Sie sagen ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, es ist am Boden ...

RA Schi[ly]:

... am Boden, ja.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

... das ist hier diese Spur in dem Bereich, ja?

RA Schi[ly]:

Ja.

RA Schl[aegel]:

Würden Sie es mir auch zeigen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Hier, in dem Bereich.

RA Schl[aegel]:

Rand, Boden und von wo bis wo?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist hier dieser Feldereindruck und auf dem Geschoss ist es der Feldereindruck.

RA Schl[aegel]:

Würden Sie es mal ... Spitze zeigen, ich bin also offensichtlich ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das möchte ich also hier nicht mit der Spitze berühren, es ist der Bereich hier. Das ist hier also die gesamte Feldereindrucksbreite, wie Sie sehen. Die ist also hier auch in der ..., sowohl in der lichtmikroskopischen Darstellung, wie in der rastermikroskopischen[u] Darstellung dargestellt. Beide Male Aufnahmen in der Größenordnung um 40 - ... die lichtmikroskopische um 632, soweit ich es in Erinnerung habe, und die andere um[v] 40ig-fache aber das kann ich ...

RA Schi[ly]:

Ja, ich möchte nur die Frage stellen; es ist erkennbar, ich glaube mit bloßem Auge erkennbar, daß also gewisse Ähnlichkeiten oder Übereinstimmung vorhanden sind, aber auch daß Abweichungen vorhanden sind ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

... also wenn ich Sie auf diesen Bereich hinweisen darf; da oben diese Rille, die also da nun einen Schlenker macht, den kann ich hier nicht erkennen ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist nun also ein typisches Revolverkennzeichen. Interessant ist im wesentlichen der Vorderbereich. Sie werden ...

RA Schi[ly]:

Ja, warum ... dieses ... Ich meine, ich habe mal gelernt bei Fingerabdrücken, da gibt es also ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich dazu bemerken ...

RA Schi[ly]:

... mit den Fingerabdrücken.

Vors.:

... nein, wir haben genau dieselbe Frage gestellt beim Herrn Sachverständigen Warnke. Es ist also hier nicht so, wie Sie annehmen, daß eine gewissen Zahl von Übereinstimmungen vorhanden sein muß, sondern es muß eine volle Übereinstimmung des [4668] Bildes da sein.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, eine volle Übereinstimmung werden Sie nie bekommen können ...

Vors.:

Ist das also falsch ausgedrückt worden.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist also aus technischen Gründen nicht möglich. Herr Warnke hat mit Sicherheit nichts anderes gesagt als ich.

Vors.:

Ich meine, vielleicht habe ich es falsch ausgedrückt oder falsch verstanden, das kann sein.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das hat mehrere Gründe.

1. mal handelt es sich ja bei diesen Patronen um Massenprodukte insbesondere auch, was hier interessant ist, um die Geschosse. Die Geschosse werden hergestellt mit gewissen Toleranzgrenzen, so daß ein Geschoss im Durchmesser etwas niedriger ist als das nächste. Das hat natürlich einen Einfluß auf die Spurenerzeugung. Denn wenn ein Geschoss stärker anliegt am Lauf, werden diese Spuren auch stärker eingegraben werden, so daß Sie identische Spuren niemals bekommen, sondern nur übereinstimmende Spuren.

RA Schi[ly]:

Ja, müßte man dann eigentlich sagen, ähnliche Spuren?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein. Ähnlich ...

RA Schi[ly]:

Ja, entweder es ist eine vollständige Kongruenz[w] oder es ist ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ähnlich ist natürlich auch das, wenn ich jetzt das herumdrehe. Aber da werden Sie keine Übereinstimmung finden.

RA Schi[ly]:

Ja vielleicht kann ich mich mal so[x] verständlich machen:

Wissen Sie, ich weiß nicht, ob Sie so was mal gesehen haben. Es gibt ja solche Fotomontagen, wo man also zwei Gesichtshälften zusammensetzt und die ... zunächstmal denkt man,[y] das ist auch durchaus das gleiche Gesicht, aber es sind ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Dasselbe.

RA Schi[ly]:

... dasselbe - Entschuldigung ja, ich mache denselben sprachlichen Fehler - dasselbe Gesicht, aber es sind eigentlich zwei verschiedene, die man nur sehr gut zusammenpassen kann. Die Frage an Sie: Wenn also in einem anderen Bereich hier doch Unterschiede erkennbar sind, ob dann eigentlich das gleichwohl gesichert bleibt, daß es sich um dieselbe Waffe handelt.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja, woraus leiten Sie das ab? Ist da ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Sie werden bei der Verfolgung einer Spur, wenn Sie diese [4669] Spur z. B. nehmen oder vielleicht sogar hier noch interessanter, die hier da unten, auch über den Verlauf der Spur hier in gerader Richtung keine Übereinstimmung, keine Identität haben, denn die Spuren verändern sich ja etwas. Die Spuren setzen mal aus, dann treten sie wieder ein. Das ist jeweils auch unter anderem bedingt durch das Material des Geschosses, was auf der gesamten Fläche ja nicht hundertprozentig zylindrisch ist.

RA Schi[ly]:

Soll man das so verstehen also, wenn Sie ..., das ist ja nun zylindrisch und insofern also auf Fläche übertragen. Wollen Sie sagen, also die Übereinstimmung ist nur in der Vertikalen und nicht in der Horizontalen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Die Identität ist weder in der Vertikalen noch in der Horizontalen. Das hatt’ ich ja vorhin schon gesagt gehabt. Es ist nur die Übereinstimmung der ..., markanten Spuren.

RA Schi[ly]:

Welche sind markant, welche sind nicht markant?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, also die Spur, die auch im lichtmikroskopischen Bild am stärksten heraustritt ist z. B. die Spur hier in der Feldermitte mit dem sehr interessanten Phänomen, daß die sich in der Mitte plötzlich teilt. Wenn Sie hier diese Spur verfolgen, fängt die als ein Ding an und geht ..., löst sich dann in zwei Spuren auf um nachher sogar denkbarerweise ...

RA Schi[ly]:

Ja, und wo ist das hier?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist hier. Hier haben Sie den Anfang, dann die Teilung, dann setzt die Spur aus - Augenblick, das ist das Geschoss, denkbarerweise, ob das erkennbar ist, weiß ich nicht - da ist eine Deformierung oder das Geschoss ist ja sehr stark auch ... Geschossmantel in sich verzogen. Wo diese Beschädigung im Augenblick herkommt, kann ich ohne unter der Lupe zu sehen nicht sagen ...

RA Schi[ly]:

Ja, was meinen Sie teilt sich in drei dann, was meinen Sie damit? Wieso teilt die sich in drei?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Hier haben Sie eine Spur ...

RA Schi[ly]:

Ja.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

... dann geht die Spur in eine Doppelspur über und verändert sich hier nochmal.

RA Schi[ly]:

Wie soll man das ... Ist das weiße eigentlich eine Vertiefung oder wie ist das eigentlich ...?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Augenblick, ich ...

[4670] - Der Sachverständige legt eine weitere Aufnahme der von ihm beschriebenen Geschossteile vor. Er gab hierzu Erklärungen ab.

Die Aufnahme wird in Augenschein genommen. Sie wird dem Protokoll als Anlage 8 beigefügt.

Vors.:

Wenn wir davon ausgehen dürfen, daß Sie eine solche Aufnahme gleichfalls zu den Akten bekommen. Darf ich nun aber ganz generell noch voraus die Frage stellen. Es scheint dann doch ein größeres Mißverständnis entstanden zu sein mit Herrn Warnke. Denn in der Tat gingen wir davon aus, daß innerhalb einer bestimmten Felderzahl eine völlige Identität vorhanden sein muß. Daß man also da nicht sagen kann, „es genügt mir ein paar charakteristische Übereinstimmungen“. Nach Ihrer bisherigen Darstellung, auf die Frage von Herrn Rechtsanwalt Schily, klingt das etwas anders. Wie ist das nun. Genügen Ihnen besondere Einzelheiten die übereinstimmen, oder legen auf das Gesamtbild wert.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Auf das Gesamtbild. Ich sagte vorhin schon, es können Spuren aussetzen und das ist technisch auch ganz plausibel. Es können Spuren aussetzen und das ist auch technisch absolut verständlich. Insbesondere durch unterschiedliche Dimensionen der verwendeten Munition, denn die wird ja auf tausendstel Millimeter hergestellt, sondern in dem Bereich der zehntel, des zehntel Millimeters.

Vors.:

Verfolgen Sie nun diese Spuren noch in ihrer Zuverlässigkeit etwa durch Vermessungen, die nun auch die räumliche Entfernung darstellen können?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist ein Verfahren, was man im Anfang der Kriminaltechnik gemacht hat, daß man ausgemessen hat, Spuren im Abstand z. B. von der Felderkante, das ist ein Verfahren, was sich heutzutage erübrigt, weil die Darstellung im Vergleichsmikroskop, oder wie wir sie hier haben, im Rastermikroskop bei gleicher Vergrößerung das wesentliche aufschlußreichere, insbesondere auch für denjenigen, der die Materie nicht kennt, ist.

Vors.:

Und sind solche Vergleichsmöglichkeiten, wie Sie hier ziehen so charakteristisch, daß Sie sagen können, das kann von gar keiner anderen Waffe mehr herrühren?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, in diesem Fall, ja.

Vors.:

In diesem Fall, es ist also keine generelle Aussage?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, das kann ich genau ...

[4671][33] [4672] Vors.:

Es wäre also denkbar, daß es den Zufall geben könnte, daß irgendwann mal identische oder nahezu identische Übereinstimmungen auftreten?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein. Was passieren kann, ist, daß ein Lauf derartig glatt ist, wie ich es vorhin auch beim Schlagbolzen gesagt hab, daß Spuren überhaupt nicht auf das Geschoss eingedrückt werden; daß als einzige Merkmale die Feldereindrucksbreite, in der sich kein individuelles Merkmal befindet, gibt.

Vors.:

Dann fehlen eben die charakteristischen Merkmale ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Dann fehlen die individuellen Merkmale und dann kann es natürlich auch passieren, daß man ein Geschoss einer Waffe nicht zuordnen kann.

Vors.:

Und charakteristische Merkmale, sind die nun für sich allein schon einmalig oder ergibt sich das erst aus dem Gesamtbild, wie oft sie sich z. B. wiederholen, daß man sagt, es könnte ein Zufall sein, daß ein charakteristisches Merkmal einmal wieder bei einer anderen Waffe auftritt, aber wenn das 10 Mal hintereinander passiert, so eine Übereinstimmung. Ich meine, stellt man solche Berechnungen an?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Berechnungen dieser Art kann man nicht anstellen[z] nach dem augenblicklichen Stand und zwar, wenn man etwas theoretisiert, ist folgendes möglich, daß trotz Übereinstimmung von unendlich[aa] vielen Merkmalen die äquidistant sind, also spurengleichen Abstandes, keine Aussage getroffen werden kann. Wenn Sie auf einer z. B. Feldereindrucksbreite 100 Gradspuren haben mit gleichem Abstand, ohne daß in diesen Spuren irgendetwas noch markantes drin ist, können Sie keine Zuordnung treffen, denn Sie finden ja diese Übereinstimmung jeweils ganz verschieden von einem - was ist das - 1/99 wieder.

Vors.:

Das ist jetzt nur zum allgemeinen Verfahren, wie hier vorgegangen Wird vom Herrn Sachverständigen. Sollen da weitere Fragen gestellt werden? Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, es wurden hier zwei Sachverständige vernommen, der Herr Warnke und dieser Sachverständige Dr. Grooß. Und sie haben als Sachverständige nicht nur etwas, wie Sie es formuliert haben, abweichende Angaben gemacht, sondern eklatant abweichende und zwar eklatant insofern, als ich mich genau an den einen Punkt erinnere, den ich Herrn Warnke mehrfach nachgefragt hab, daß im Gegensatz zu anderen Untersuchungen anders gearteter Dinge hier, um es mal ganz pauschal zu sagen, es nicht [4673] darauf ankommt, daß man 99 % oder 98 % Übereinstimmungen findet oder daß man 6 übereinstimmte oder 8 übereinstimmte Punkte findet, sondern Herr Warnke hat deutlich ausgesagt, daß Spuren und Felder identisch sein müssen, daß eine Kongruenz vorliegen muß. Das ist also nicht „etwas“ anders, sondern das ist eklatant anders. Und ich rege nur einmal an, wenn es nicht ausreicht, werde ich dann aber einen entsprechenden detailierten Antrag stellen.

Vors.:

Ich bitte jetzt zunächst die Fragen an den Herrn Zeugen ...

RA Schn[abel]:

Ja, ich rege es an ...

Vors.:

Nein, den Herr Sachverständigen ...

RA Schn[abel]:

Ich rege es an, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Wollen Sie eine Frage stellen an den Herrn Sachverständigen?

RA Schn[abel]:

Nein, ich stelle im Moment keine Frage, sondern ...

Vors.:

Aber jetzt war Gelegenheit, Fragen zu stellen, ich bitte das ...

RA Schn[abel]:

Ja, dann stelle ich eben einen Antrag und zwar den Antrag

als Obersachverständigen den Herrn Frei-Sulzer aus Zürich zu laden,

was den Vorteil hat, daß er als Schweizer Staatsangehöriger ohnehin wohl weder zur einen noch zu anderen Seite hin mit dem ganzen Komplex hier[bb] irgendwelche Interessen verbunden hat. Und wenn zwei Sachverständige hier auftreten die, ich sage nocheinmal, eklatant Wiedersprüche hier aufzeigen, dann ist es an der Zeit, einen Obersachverständigen zu bestellen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe nichts gegen den Antrag. Bloß wäre ich Ihnen dankbar, wenn man auch von Ihrer Seite die Reihenfolge einhalten würde, ich dränge sonst auch darauf. Zuerst werden die Fragen gestellt, dann kann man Erklärungen oder Anträge dazu abgeben. Ich habe geglaubt[cc], Sie haben sich auf das Wort, ob Fragen sind, gemeldet. Sie wollten eine Frage stellen, trifft das nicht zu?

RA Schn[abel]:

Nein ... (spricht ins abgeschaltene Mikrophon)

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, der Zeuge wollte eine Erklärung abgeben - Entschuldigung - der Sachverständige.

Vors.:

Ja, wenn es nicht als Frage gemeint war, aber ich ..., haben Sie daraus einen Frageteil in der Form entnommen, daß Sie es beantworten können? Herr Rechtsanwalt Schily, wären Sie einverstanden, daß der Herr Zeuge sich dann dazu erklärt, der Herr [4674] Sachverständige? Bitte.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es mag sein, daß da Verständnisfehler vorliegen.

RA Schn[abel]:

(Anfang unverständlich) ... eine Frage gestellt habe, kann ja wohl der Zeuge auch keine Frage beantworten.

Vors.:

Ich bitte den Herrn Sachverständigen zu dem, was der Herr Verteidiger ausgeführt hat, soweit es ihm möglich ist, eine Erklärung abzugeben.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es könnte folgendes gemeint gewesen sein: Die völlige Übereinstimmung der Felderbreite in den geometrischen Abmessungen, das, was wir also als Systemmerkmale bezeichnen, ist Grundvorraussetzung dafür, daß überhaupt eine Vergleichsarbeit erfolgen kann. Wir haben also hier in diesem vorliegenden Fall Geschosse mit 5 Feldereindrücken und Rechtsdrall mit gleicher Felderbreite jeweils. Wenn diese Systemmerkmale nicht stimmten, dann ist eine weitere Untersuchung, ob diese Munitionsteile aus einer Waffe verfeuert sein kann, sinnlos.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Ja, Herr Dr. Grooß, also ich hab[dd] das so verstanden, wenn ich es kurz resümieren darf, - wenn ich es falsch verstande habe, dann bitte ich Sie mich zu korrigieren, - daß Sie sagen, also das ist die erste Stufe sozusagen der Untersuchungen[ee], die Sie vornehmen, also Felderbreite geometrischen Abmessungen und, wenn Sie da zu einem bestimmten Ergebnis gelangt sind, dann kommen Sie zu der zweiten Stufe, weil das erste noch nicht ausreichend ist für eine Begutachtung zu der zweiten Stufe und vergleichen dann Merkmale. Ist das so richtig?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja. Die Breite der Feldereindrücke und die Anzahl ist ein herstellungsbedingtes Kennzeichen oder Merkmal, was im überwiegenden Teil die Waffen, die eine Firma verlassen, alle tragen. So kann man also davon ausgehen, daß Revolver von der Fertigung Smith & Wessen im Regelfall 5 Felder mit Rechtsdrall haben.

RA Schi[ly]:

Ja, also das wär dann auch kein[ff] Kriterium zur Abgrenzung von Tatmunition?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, überhaupt keines.

RA Schi[ly]:

Überhaupt keines, also dann wäre sozusagen die Unterscheidungskriterien erst im zweiten Bereich Ihrer Untersuchungen zu finden?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja, und da ist nun die Frage in der Tat. Wie ist das mit [4675] den charakteristischen Merkmalen. Was gibt einem Merkmal die Qualität charakteristisch zu sein?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, da müßte man sich erstmal darüber unterhalten, wie diese Läufe hergestellt werden. Diese Läufe werden also nach ..., es gibt mehrere Verfahren in der Technik, gezogen. Bedingt durch diese Metallverarbeitungsprozesse entstehen in den Feldern im wesentlichen, weil die für uns für die Untersuchung die interessanteren sind, eine grabenartige Struktur. Das ist also erstmal der Stand, wie die Waffen die Firma verlassen. Es kommen dann noch weiter, auch im Herstellungsprozeß weitere Merkmale in den Lauf hinein. Dann erhält ein Lauf durch den Gebrauch, Gebrauchsspuren, wie wir es in der nächsten Lichtbildserie feststellen werden, z. B. durch Rostansatz. Dann verändert sich das originäre Spurenbild recht erheblich.

RA Schi[ly]:

Naja, nur die Frage, die daran zu knüpfen ist. Wie kann man also erkennen in der Beobachtung, also der reinen Besichtigung von Elektronenmikroskopen, oder welche Geräte Sie da sonst verwenden, was nun charakteristische Merkmale die auf Identität der Waffe schließen lassen. Ich darf vielleicht noch eine ergänzende Frage dazu stellen. Nehmen Sie eigentlich dann solche Fotos und vergleichen Sie auch mit ... - Sie haben ja eine Munitionssammlung bei Ihnen - vergleichen Sie also jetzt auch mit anderen Fotos sozusagen von anderen Geschossen? Oder bezieht sich das jetzt nur auf zwei ...?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Fotos von Geschossen werden so gut wie nie verglichen, außer wie hier, in Sonderfällen. Wie allgemein bekannt ist, besteht beim Bundeskriminalamt eine zentrale Tatmunitionssammlung, in der Munitionsteile unaufgeklärter Schußwaffendelikte einliegen. Diese Munitionsteile sind im ständigen Vergleich mit Munitionsteilen, die aus sichergestellten Waffen gewonnen worden sind.

RA Schi[ly]:

Ja, nur wenn Sie jetzt also meinetwegen ein Tatgeschoss, das Sie in bestimmter Weise also kennzeichnen, davon ein Foto herstellen, so wie Sie es hier uns vorgelegt haben und jetzt individuell vergleichen mit einem anderen Geschoss ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

... jetzt wollte ich Sie fragen, ob Sie außerdem auch Vergleiche anstellen, bevor Sie also zu dieser individuellen Ver- [4676] gleich kommen, noch mit anderen Geschossen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, das wird selbstverständlich bei uns gemacht. Das ist das, was ich eben erwähnt habe. Wir bekommen eine Waffe, die beschossen ist und vergleichen sowohl die Geschosse wie die Hülsen mit der zentralen Tatmunitionssammlung. Das ist in etwa ... Wenn sich[gg] unter der Lupe eine ...

RA Schi[ly]:

Ja, darf ich mal fragen, wieviele Exemplare da bei Ihnen gelagert sind, schätzungsweise?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Da kann ich Ihnen die Zahlen im Augenblich auswendig nicht mit[hh] notwendiger Genauigkeit sagen, eine sehr große Anzahl.

RA Schi[ly]:

Eine sehr große Anzahl gehe ich von aus: Wird denn dann ein solches Tatgeschoss mit allen verglichen, die da vorhanden sind?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, da kommen wir also wieder auf das Ausgangsgespräch: Verglichen wird bei gleichen Systemmerkmalen. Wir haben also beim Geschoss die Systemmerkmale Drallrichtung, Drallwinkel, Felderbreite und Felderanzahl. Die Drallrichtung ist bei Tatgeschossen allgemein nicht auswertbar, weil die Geschosse zu stark deformiert sind, so daß Sie also eine Winkelbestimmung des Dralls nicht mehr vornehmen können. Die Munititionsteile liegen bei uns in der Sammlung geordnet nach Kaliber, nach Felderbreite, nach Drallrichtung, nach Anzahl und nach Felderbreite.

RA Schi[ly]:

Ja, nun kann man da ... Also das sind bestimmte Eingrenzungskriterien, die Sie jetzt genannt haben und ist denn innerhalb dieser Eingrenzungskriterien sozusagen alle, die diese Kriterien tragen, sind denn die dann alle verglichen worden mit diesem Tatgeschoss?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Ja, und wieviel sind das?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Kann ich Ihnen die genau Zahl im Augenblick nicht sagen.

RA Schi[ly]:

Wäre es Ihnen mal möglich, daß Sie mal vielleicht ein paar Beispiele an..., wie die sich dann unterscheiden ... Sie sagen ja, der Felderbreite, das[ii] ist dergleiche, nicht? Felderbreite, weil Sie ja sagen, es sind[jj] Eingrenzungskriterien, sonst müßten Sie ja praktisch alles vergleichen ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

... und dann Drall usw. Drall ist vielleicht nur sekundär, aber wo dann die Unterschiede auftreten?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, interessant sind für uns ausschließlich die [4677] scharfen Spuren in den Feldereindrücken.

RA Schi[ly]:

Die scharfen Spuren in den ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

In den Feldereindrücken.

RA Schi[ly]:

Was meinen Sie unter scharfen Spuren? Können Sie mir das vielleicht nochmal erläutern?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, also die in[kk] Drallrichtung verlaufenden, im wesentlichen parallelen Spuren, wie sie hier in dem Lichtbild zu erkennen sind.

RA Schi[ly]:

Ja, was müßte sich ..., also wenn man jetzt mal umgekehrt fragt, daß es also nicht identisch ist, was müßte sich denn dann unterscheiden oder was ist keine beweiskräftige Unterscheidung?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, also ...

RA Schi[ly]:

Verstehen Sie mich. Aus einem anderem Bereich von Begutachtungen habe ich mal was von erklärbaren und nicht erklärbaren Unterschieden gehört, abweichenden Merkmalen; erklärbare und nicht erklärbare abweichende Merkmale und Sie haben hier auch so ein bißchen in die Nähe dieses Begriffes, haben Sie argumentiert, als Sie gesagt haben, naja, es gibt eben doch Möglichkeiten, die Unterschiede, die sich hier auch ..., die auch hier auffällig sind in dem Vergleich der beiden Fotos, die zu erklären. Aber wie ist dann die Abgrenzung vorzunehmen zwischen nicht erklärbaren und erklärbaren?

- Der Sachverständige gibt anhand von Bildern folgende[ll] Erläuterungen ab -

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Sie haben ein Geschoss, wie hier in dem Fall mit 5 Feldern Rechtsdrall, haben die Vermutung unter der Lupe gewonnen, daß in diesem Geschoss auswertbare Verfeuerungsspuren sind, die in Lage und Form nach erster Ansicht übereinstimmen mit einem zu untersuchenden Geschoss. Nun spannen Sie dies Vergleichgeschoss und das Tatgeschoss unter das Vergleichsmikroskop und betrachten die Feldereindrücke der Geschosse gegenseitig. Dabei kann folgendes passieren: Sie finden in keinen der Feldereindrücke übereinstimmende Spuren, Sie finden gegensätzliche Spuren, so daß Sie sagen müssen, im derzeitigen Zustand der Waffe ist für das vorliegende Geschoss die Waffe als Verfeuerungswaffe auzuschließen.

RA Schi[ly]:

Ja, ist das jetzt[mm] eine Sache, die Sie sozusagen entscheiden nach reiner optischer Beobachtung. Also ich meine, daß Sie nur [4678] darauf gucken oder ist das eine Sache, die Sie praktisch durch messen dann erkennen? Also ist das eine durch Messung erkennbare oder ist das nur so ein ..., daß Sie einfach, Sie sind der Sachverständige, einfach nur darauf gucken und sagen, das ist für mich identisch oder das ist nicht identisch?

Vors.:

An sich beantwortet, aber Herr Rechtsanwalt. Wir wollen es Ihnen, wenn Sie es überhört haben, nochmals nennen lassen. Fassen Sie es kurz zusammen, was Sie schon gesagt haben zu diesen beiden Punkten.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es handelt sich hier ... eine meßbare Zahl ist bei diesem Verfahren nicht gewinnbar.

RA Schi[ly]:

Also, es ist nicht durch Messungen nachvollziehbar?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Ja, aber ist das denn praktisch auf den Gutachter angewiesen, ob er das jetzt subjektiv als Übereinstimmung ansieht oder wie wird das also quasi wissenschaftlich abgesichert eine solche Feststellung?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das handelt sich hier um Urteile, die ein Gutachter aufgrund seiner Erfahrung gewonnen hat.

Vors.:

Weitere Fragen, Herr Rechtsanwalt?

RA Schi[ly]:

Ja, wielange Erfahrung braucht er dazu?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das läßt sich durch eine Zahl von Tagen, Wochen oder so was, nicht angeben, zumal er ja nicht auf die eigene Erfahrung allein aufbaut, sondern auf dem aufbaut, was vorher in diesen Bereichen von anderen getan worden ist.

RA Schi[ly]:

Ja Moment, Sie haben doch gesagt, ein Urteil, das auf der Erfahrung des Sachverständigen beruht.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Jetzt frage ich Sie, welche Erfahrung muß er haben oder wie muß er ausgerüstet sein, um dieses Urteil quasi da aus sich heraus produzieren zu können?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Verstehe nicht ganz die Frage was Sie ..., wie muß er ausgerüstet sein.

RA Schi[ly]:

Ja, verstehen Sie, wenn ich sage, das kann ich durch Abmessungen, dann muß er vielleicht mit einem Meßgerät ausgerüstet sein, muß dann also die Abmessungen ..., das kann man nachvollziehen, das läßt sich wieder produzieren. Sie sagen aber, nein, das alles nicht, sondern es ist ein Urteil, die Übereinstimmung ist ein Urteil, das der Sachverständige abgibt aufgrund [4679] seiner Erfahrung.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und nun frage ich Sie: Wie kommt ein solches Urteil zustande? Wie muß er ausgerüstet sein, welche Erfahrung muß er haben und wie ist ..., wie kommt ein solches Urteil zustande?

Ende Band 260

[4680] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, durch die laufende praktische Arbeit auf diesen Gebieten.

RA Schi[ly]:

Ja aber die laufende praktische Arbeit ... wie, wie lange muß die gelaufen haben?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Da kann man keine Zeiten für nennen.

RA Schi[ly]:

Ja dann, also ich mein, als Laie ist es doch ein bischen schwierig, Herr Dr. Grooß. Also wenn ich jetzt weiß, Sie sind ein Jahr im Amt und dann sage ich also, Sie haben jetzt die genügende Erfahrung und jetzt verlass ich mich auf Ihr Urteil oder wie ist das, wie würden Sie sich denn verlassen? Als Laie ist es doch ein bischen schwierig, nicht? Sie sagen mir ja, das ist ein Urteil, was ein Sachverständiger aufgrund seiner Erfahrung abgeben kann.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Nun muß man doch wenigstens dann in dem Bereich irgendwo die Grenze finden.

Vors.:

Also ich glaube, daß das wieder eine Sachverständigenfrage wäre für einen weiteren Sachverständigen, nicht für einen Schußwaffensachverständigen, denn wie soll der Herr Zeuge das nun im einzelnen bewerten, welche Erfahrungen der einzelne Sachverständige benötigt, um zu den richtigen, in seinen Augen richtigen Erkenntnissen zu gelangen. Herr Rechtsanwalt ich mein, der Sinn Ihrer Frage ist klar, er ist auch nicht unberechtigt. Aber es ist wie beim Mediziner, der anfängt, auch da müssen Sie eingen gewissen Erfahrungsschatz noch vermissen und trotzdem kann’s ein hervorragender Arzt sein und umgekehrt kann er lange Erfahrung haben ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich weiß nicht, ob der Vergleich so sehr glücklich ist. Es gibt ja Ärzte, die meinen, daß das ... die Medizin gar keine exakte Wissenschaft ist, was die Diagnose anbetrifft. Aber, und das ist eine interessante Frage, wenn Sie mal fünf konsiliarische Ärzte haben, die vielleicht zu fünf verschiedenen Diagnosen kommen, der eine will operieren, der dritte ... der zweite will nur empfehlen [4681] Spaziergang im Wald, aber ich will das nicht weiter ausführen, ich will Sie nicht ...

Vors.:

Ich glaube der Herr Berichterstatter hat zur Aufklärung dafür ...

Richter Dr. Be[rroth]:

... daß wir nicht an etwas festhängen bleiben, weil hier durch die Befragung des Herrn Verteidigers nun herausgekommen ist, nun Sie sagen auf die Erfahrung kommt es an, es sei nicht nachmessbar. Es ist doch insoweit nachmessbar, Sie haben zwei Schartenspuren auf einem Objekt.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

Richter Dr. Be[rroth]:

Sie wissen die Vergrößerung Ihres Mikroskops und können dann sagen, die Abstände dieser Schartenspuren.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, selbstverständlich.

Richter Dr. Be[rroth]:

Das ist doch ein messbarer Wert.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

Richter Dr. Be[rroth]:

Der von Ihnen in der Praxis nur nicht mehr nachgemessen und mit einem anderen Wert verglichen wird, weil Sie das Vergleichsmikroskop haben ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, genau.

Richter Dr. Be[rroth]:

... das Ihnen die Arbeit erspart. Also es wird gemessen aber es wird durch eine Apparatur gemessen. Ist das nicht richtig?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das ist im Prinzip ...

RA Schi[ly]:

Herr Berichterstatter, entschuldigen Sie, diesen Vorhalt halte ich nicht für richtig, denn so hat das der ... der Sachverständige eben nicht gesagt. Er sagte: ist Abmessung, im Bereich der Abmessung das gibt überhaupt keine Unterscheidungskriterien. Die Unterscheidungskriterien, die ich feststelle, das ist sozu... der ... der Sockel für mein Gutachten, das ist der Sockel. Das muß erst mal vorhanden sein, diese Übereinstimmung im Bereich der Abmessung, aber das hat für mich noch gar keine Aussagekraft.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

[4682] RA Schi[ly]:

Und dann macht er einen zweiten Schritt - das hab ich aber doch auch ziemlich ausführlich hier befragt - dann mach ich einen zweiten Schritt und dann stell ich also Merkmale fest, charakteristische Merkmale. Und daß ich da die Übereinstimmung feststelle, das beruht auf meiner Erfahrung als Sachverständiger, und nun war ich dabei, festzustellen, und das, glaub ich, ist zur Überprüfung also der Frage, inwieweit dieses Urteil und diese Aussage des Sachverständigen uns weiterhelfen kann hier für die Beurteilung des Sachverhalts, glaube ich bedarf der ... des Nachfragens, ob das ein reiner Glaubens-Akt jetzt ist, daß wir jetzt sagen, ja also wir wissen, das ist ein erfahrener Sachverständiger und das dann so schlucken oder ob wir wissenschaftliche Kriterien haben, um ein solches Urteil abzusichern.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, der Irrtum besteht einfach, oder ist vielleicht dadurch aufgekommen, daß Sie die Frage nochmals stellten. Der Herr Sachverständige hat zunächst erklärt auf die Frage nach dem rechnen, das sei eine Methode, die man heute nicht mehr anwende. Ich glaube nicht, daß Sie es richtig verstanden haben, daß eine Berechnung nicht möglich wäre. Man braucht’s bloß nicht mehr. Aber das kann jetzt der Herr Sachverständige, nachdem er die Gegenrede der Laien gehört hat, vielleicht selbst beantworten.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, man kann natürlich insofern meßtechnisch vorgehen, indem man einen Nullwert angibt und sagt also, nach soundsoviel Zehntel Millimeter finde ich also die Spur, dann kommt die Spur, dann kommt die Spur, dann kommt die Spur, und messe so den gesamten Feldereindruck aus. Das ist ein Vefahren, was, wie ich’s vorhin schon andeutete, auch in den 20er Jahren beim Beginn der Sache angewendet worden ist. Was abgelöst ist durch die fotografische Dokumentation im Vergleichsmikroskop, weil hier die Aussage wesentlich größer ist.

RA Schi[ly]:

Ja, Herr Dr. Grooß. Sie haben aber damit doch nicht meine Feststellung wiedersprochen, daß Sie sagen, das reine Nachmessen am Meßgerät ...

[4683] Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Das ist ... noch das hat, und ich komme da auf eine Übereinstimmung, das hat noch keine Aussagekraft für sich allein genommen, Nicht? So hatten Sie doch die ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Augenblick, nochmal bitte die letzte Frage.

RA Schi[ly]:

Also das reine Nachmessen,

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

... also der Felderbreite meinethalben und Felderabstände und ... das ... das muß man zwar ... kann man machen und muß man vielleicht auch machen. Das hat aber noch für sich genommen keine Aussagekraft um Identität festzustellen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein. Gleiche Felderbreite und gleiche Felderanzahl und die andern Systemmerkmale, die ich vorhin aufgeführt hab, die deuten nur in die Richtung des ...

RA Schi[ly]:

Genau, das ist das Fundament, so wie ich’s auch beschrieben habe, das Fundament für die weitere Begutachtung, nicht?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Wenn das schon nicht da ist, dann sagen Sie, haben wir mit Zitronen gehandelt, also müssen wir woanders suchen. Aber das ist das Fundament, aber das hat noch keine Aussagekraft. Jetzt machen Sie den zweiten Schritt und machen einen optischen Vergleich.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Der ja kein Meßvergleich ist, sondern optischer Vergleich.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Und da ha... da hab ich Sie dann gefragt, ja wie stellen Sie jetzt die Übereinstimmung fest. Und da haben Sie mir die Antwort gegeben, das kann ich aus meiner Erfahrung als Sachverständiger tun.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Aufgrund, muß man’s schon so nennen, der Beobachtung der zwei, der optischen Vergleichung der beiden fotografischen Aufnahmen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

[4684] RA Schi[ly]:

Oder wenn Sie’s nicht fotografieren, dann unterm Mikroskop sich eben so angucken, das ... das eigentliche Original.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

... können nicht angeben, wie es vorhin schon mal kurz angesprochen wurde, ich muß ... übereinstimmende Linien haben.

RA Schi[ly]:

Vielleicht müssen Sie ... sonst kommen wir nicht in’s Mikrofon.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Man kann also in dem Fall nicht angeben, eine gewisse Anzahl, wie es in der Daktyloskopie üblich ist, daß man sagt, zehn Linien müssen übereinstimmen, damit man zu einer Identifizierung kommt. Das hab ich vorhin schon ausgeführt. Das ist ein Verfahren, was hier aus prinzipiellen Gründen nicht machbar ist.

RA Schi[ly]:

Ja, und nun ist ja die Frage eben Herr Dr. Grooß - und da komm ich auf meine Frage zurück, wenn das also keine Frage der Messung ist, ja, Zahl, Maß oder Gewicht, dann frage ich Sie, wie ... was sind die wissenschaftlichen Kriterien, die zu der Sicherheit eines Urteils führen. Das ist doch die Frage. Also Erfahrung ist zunächst mal eine ...

Vors.:

Jetzt bitte ich doch dem Herrn Sachverständigen Gelegenheit zu geben, die Frage zu beantworten.

RA Schi[ly]:

Ja, Entschuldigung, ja natürlich, ja gerne. Ich wollte nur zwischendurch sagen, daß Erfahrung als Solche nur etwas über die Qualität des Betreffenden aussagt aber noch kein wissenschaftliches Kriterium ist.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ein wissenschaftliches Kriterium, wie Sie es in dem Fall ansprechen, gibt es nicht, oder gibt es noch nicht und wird es sicherlich auch nicht geben. Es ist die Beurteilung der Lage und Form der übereinstimmenden Merkmale innerhalb eines Spurenkomplexes hier in dem vorliegenden Fall, in dem ... übereinstimmenden Merkmal in einem Feldereindruck, das bei diesem Verfahren nicht nur der eine Feldereindruck beurteilt wird, sondern wie hier bei dem Geschoß, sämtliche fünf Feldereindrücke ist selbstverständlich ...

[4685] RA Schi[ly]:

Gut, also ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

… und ebenfalls in den anderen fünf Feldereindrücken befinden sich übereinstimmende Merkmale. Es befindet sich nichts dadrin, was dagegen spricht. Nur daß in den anderen Feldereindrücken die Merkmale nicht so signifikant sind, daß sie sich für eine fotografische Dokumentation anbieten, unbedingt anbieten. Was hier fotografiert worden ist, ist der Feldereindruck der ... den ich für den geeignetsten gehalten habe.

RA Schi[ly]:

Ja, wir waren uns ja jetzt einig, daß es[nn] also kein wissenschaftliches Kriterium zur Abgrenzung gibt. Nun also bleiben wir dabei, was Sie gesagt haben, erfahrungsnotwendig und nun muß ich allerdings danach fragen, welches Maß an Erfahrung ist notwendig, und wo gibt es ... gibt es da Abgrenzungsmöglichkeiten? Wie erfahren muß jemand sein, um so ein Urteil abgeben zu können?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das Bundeskriminalamt bildet auf diesen Gebieten auch Sachverständige aus, die ein Examen auf diesem Gebiet machen[oo].

RA Schi[ly]:

Ja, ja gut das ... davon geh ich auch aus. Aber die Frage ist, wie erfahren muß er sein?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich glaube, das ist eine rein theoretische Frage, die Sie nie ganz beantworten können, oder nie beantworten können, wie erfahren muß er sein. Das hängt selbstverständlich auch von dem Untersuchungsobjekt ab.

Vors.:

Also ich glaube nicht, daß das der Herr Sachverständige beurteilen kann, wie gesagt, da bräuchten wir einen zusätzlichen Sachverständigen, der die Erfahrung von Sachverständigen begutachten müßte.

RA Schi[ly]:

Nein, wenn der Sachverständige sagt, da sind Sie im Irrtum, Herr Vorsitzender, wenn der Sachverständige sagt, daß das Urteil dann akzeptabel ist, wenn es von einem erfahrenen Sachverständigen abgegeben wird, dann darf ich doch wohl fragen, was er damit meint und die Interpretation ... der Interpretation dieses Ausdrucks [4686] bedarf es auch, was er mit erfahren meint. Welches Maß an Erfahrung. Erfahrung ist ein ziemlich weit gefächerter Begriff. Also wenn Sie aus anderen Lebensbereichen das vielleicht mal vergleichen wollen, einer sagt, ich hab meine Erfahrung und der andere sagt, ich hab die Erfahrung und das Maß der Erfahrung wird da ganz unterschiedlich bewertet und auch was da an Urteilen dann möglich ist aufgrund solcher Erfahrungen.

Vors.:

Es war verständlich, Herr Rechtsanwalt. Wir wollen also jetzt vermeiden, daß das zu Monologen wird, wenn der Herr Sachverständige befragt wird. Wir müssen wirklich drauf drängen, daß Sie Ihre Fragen etwas präzisieren. Das ist bekannt, Sie wollen wissen, über welchen Erfahrungsschatz über welche Dauererfahrung ...

RA Schi[ly]:

... Herr Vorsitzender.

Vors.:

... glaubt, daß er verfügen muß, er verfügen muß oder generell verfügen muß, ist nicht klar geworden aus Ihrer Frage. Wollen Sie hn fragen, was er sich für eine Erfahrung zumutet, bevor er sich ranwage, an solche Gutachten?

RA Schi[ly]:

Das hab ich nicht gesagt ... gefragt. Ich hab gesagt, die Frage war doch ganz genau, Herr Vorsitzender. Ich hab gesagt, welches Maß an Erfahrung ist erforderlich, damit man ein solches Urteil abgeben kann, seiner Meinung nach.

Vors.:

Das ist doch beantwortet, er sagt, das kann niemand sagen. Der Herr Sachverständige jedenfalls sieht sich außer Stande, wenn ich ihn recht verstanden habe, wenn ich mich nicht täusche ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, irgendein Zeitwert läßt sich da nicht angeben. Und ich wüßte auch kein weiteres Kriterium, was man hier direkt nennen kann.

RA Schi[ly]:

Also da bleiben Sie vollkommen im Ungewissen.

Vors.:

Es geht nicht nach Zahl, Maß und Gewicht, die Erfahrung.

RA Schi[ly]:

Ja dann, das ist ja wirklich, also ein bißchen, also [4687] im Bereich der Astrologie, würd ich sagen.

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender.

RA Schi[ly]:

Aber das war keine Frage mehr, wenn das der Herr Zeis jetzt rügen will ...

OStA Zeis:

Nein, nein, das will ich an und für sich nicht rügen. Aber ich habe nicht gedacht, daß aus einer einzigen Bemerkung am Richtertisch schon dann das Fragerecht auf Sie übergeht.

Vors.:

Sind jetzt weitere Fragen zu stellen am Richtertisch ...

OStA Zeis:

Ja.

Vors.:

... sehe ich noch ist eine Frage... Herr Dr. Breucker.

Richter Dr. Br[eucker]:

Herr Dr. Grooß, seit wann beschäftigen Sie sich mit der Untersuchung von Waffen und von Munition?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Seit fünf Jahren.

Richter Dr. Br[eucker]:

Gibt es auf diesem Gebiet Literatur?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Deutsche, internationale?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Es gibt auf diesem Gebiet Bücher seit ungefähr den Zwanziger Jahren. Davon halte ich das bedeutendste im angelsächsischen Bereich von Professor Matthwes und im deutschsprachigen Bereich die Arbeiten von Dr. med. Metzger und Dr. Hees.

Ergänzungsrichter Dr. Ne[rlich]:

Herr Dr. Grooß, wenn man also zwei Experten zwei Projektile zum Vergleich vorlegt, ist das etwa so, ganz primitiv ausgedrückt, als ob man ihnen die Frage stellen würde, was ist zwei mal zwei, also mit anderen Worten, daß ja eine eindeutige Antwort zu erwarten ist oder ist das so, daß unter Experten jetzt ein Streit entstehen würde, wo der eine sagt, Herr Kollege, ich bin nicht ihrer Ansicht, daß die aus einer Waffe stammen und der andere Kollege sagt ja. Wie sieht’s da aus. Also ich kann mir da keine Vorstellung machen.

Vors.:

Diese Frage wird sich sicherlich nicht so beantworten lassen. Es hängt eben wieder davon ab, wie die Merkmale ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Wie das Untersuchungsmaterial aussieht.

[4688] Ergänzungsrichter Dr. Ne[hrlich]:

Innerhalb des Rasters. Innerhalb des in Frage kommenden Rasters.

RA Schi[ly]:

Gestatten Sie mir eine Anschlußfrage Herr ...

Vors.:

Darf ich vielleicht die Frage dahin noch präzisieren. Ist es bei Ihnen möglich, daß man auf Grund derselben charakteristischen Merkmale, die dem einen Sachverständigen ausreichen, auf der anderen Seite sagen könnte, mir langen sie nicht.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Die Sache ist in Zweifelsfällen denkbar, wenn die Spuren, die auf dem Geschoß sind, sehr geringfügig sind.

RA Schi[ly]:

Wenn sie keine ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Charakteristisch ...

RA Schi[ly]:

Darf ich jetzt mal vielleicht ... Entschuldigung, darf ich, nur weil die Frage sonst untergeht, mit dem zwei mal zwei, weil mich das interessiert, ist das eine Frage der Logik, Herr Dr. Grooß, die Beurteilung. Zwei mal zwei ist nämlich eine Frage der Logik, ob man auch logisch denken kann oder ist es, wie Sie sagen, Erfahrungsfrage. Das sind nämlich zwei ganz verschiedene Denkbereiche, wenn Sie mir gestatten. Ist es ne Frage der Logik, zwei mal zwei, oder ist es ne Frage der Erfahrung.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ist ne Frage der Erfahrung.

RA Schi[ly]:

Ja, also dann ist die Frage ja wohl beantwortet.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis, Sie hatten sich schon seit längerem gemeldet.

OStA. Zeis:

Meine Frage hat sich durch die Frage des Herrn beisitzenden Richters Dr. Breucker erledigt, danke.

Vors.:

Herr Dr. Breucker bitte.

Richter Dr. Br[eucker]:

Herr Dr. Grooß, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, dann sagten Sie, daß aus Ihrer Tätigkeit beim Bundeskriminalamt Ihnen kein Fall bekannt ist, daß individuelle Spuren von zwei verschiedenen Waffen herrühren können. Ist Ihnen irgendein Fall aus der Literatur bekannt?

Sachverst. Dr. Grooß:

Nein.

Vors.:

Gut ich ... Herr Rechtsanwalt Linke, dann Herr Rechtsanwalt Schlaegel. Ich darf drauf hinweisen, daß der Herr [4689] Sachverständige noch einen weiteren Teil seines Gutachtens nachher vortragen sollte. Es könnte also sein, daß einige Fragen erst im Anschluß an seinen Schlußvortrag zu stellen wären. Bitte also jetzt nur, die zwingend in den Zusammenhang[pp] gehören.

RA Li[nke]:[qq]

Herr Dr. Grooß, wenn es also letztlich davon abhängt, wie geschärft mein Blick ist, ob ich die Übereinstimmung von Spuren feststelle, müßte ich dann nicht davon ausgehen können, daß zum Beispiel auch der Herr Vorsitzende oder ich, wenn die Untersuchungen hier im Saal demonstriert wird, von mir aus die Spurenübereinstimmung feststellen kann, und daß ich Sie eventuell, nur um einen Begriff aufzugreifen, beratend hinzuziehe.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Wenn Sie, ich weiß nicht, ob Sie mal ein Vergleichsmikroskop gesehen haben, diese Geschosse am Vergleichsmikroskop hätten, würden Sie im Vergleichsmikroskop dasselbe Bild sehen, wie Sie’s hier in den Lichtbildern sehen, nur ...

RA Li[nke]:

Mit dem einen Unterschied, daß ich die anderen, die Sie noch verglichen haben, nicht dabei habe. Ich krieg ja nur das Ergebnis Ihrer Untersuchung. Aber ich kann die Untersuchung nicht nachvollziehen, und wenn es eine Untersuchung ist, die letztlich auf meinem scharfen Blick beruht, müßte ich eigentlich, wenn ich das andere Vergleichsmaterial hätte, auch zu dem selben Ergebnis kommen können.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, unterm Vergleichsmikroskop sehen Sie das, was im Lichtbild dargestellt ist, nur das daß die Darstellung im Lichtbild einiges an ... naja sagen wir mal, eintrocknet, nicht so prägnant ist.

RA Schi[ly]:

Aber ... die Unterbrechung, an sich war ich ja bei der ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt nein, ich muß jetzt drauf bestehen, daß im Augenblick Herr Rechtsanwalt Linke das Wort hat.

[4690] RA Schi[ly]:

Aber ich hatte, ich hatte ...

Vors.:

Sie haben die Möglichkeit ...

RA Schi[ly]:

Entschuldigen Sie mal. Ich hatte das Fragerecht, und ich hatte dann, weil Mitglieder des Senats und auch Herr Zeis da Zwischenfragen hatten, hab ich mich unterbrechen lassen ...

Vors.:

... Herr Rechtsanwalt, das war ein Mißverständnis, ich dachte, Sie seien mit Ihrem Fragerecht jetzt zu Ende.

RA Schi[ly]:

Nein.

Vors.:

Es kann also jetzt nicht die Rede davon sein, daß das, was ... laufend jetzt geschieht, ein Zwischenfragerecht anderer Verfahrensbeteiligter wäre, Sie haben ... da hätten Sie sich um Ihr Fragerecht bemühen müssen. Es kann dann nachher auf Sie zurückkehren. Aber ich möchte jetzt nicht, daß andere Fragende durch Zwischenrufe unterbrochen werden, es sei denn, Sie wollen es ausdrücklich zulassen, Herr Rechtsanwalt Linke.

RA Li[nke]:

Ich habe im Moment nichts dagegen einzuwenden. Ich möchte dann aber noch eine Anschlußfrage stellen.

Vors.:

Aber ich bitte es dann zu beschränken auf eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage.

RA Schi[ly]:

Wie, mein Fragerecht wird jetzt auf ne Zwischenfrage oder was beschränkt? Herr Dr. Grooß, Sie haben also auf die Fragen von Senatsmitgliedern gesagt, ja immerhin, ich habe ja auch meine Erfahrung und ich hab also auch schon ... also noch nie festgestellt fehlende Übereinstimmung. Nun ... es muß ja irgendwann mal den ersten Schritt da gegeben haben, das heißt, wo Sie zum ersten mal verglichen haben, wie war’s denn da bei dem ... der Urteilsbildung?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Linke, zerreißt es Ihre Fragen, den Zusammenhang Ihrer Fragen?

RA Li[nke]:

... in der Tat zerreißt das, aber ...

Vors.:

Dann würde ich sagen, lassen wir Sie jetzt zuerst zu Ende fragen ...

RA Li[nke]:

Es ist sofort ...

[4691] Vors.:

... die Frage bitte ich zurückzustellen, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Li[nke]:

Ja, Herr Dr. Grooß ...

RA Schi[ly]:

Nein, dagegen protestiere ich, weil es meine Frage auch zerreißt, wenn jetzt hier ... ich habe Zwischenfragen zugelassen und es zerreißt mein Fragerecht. Ich war bei ... gerade bei der Frage des Kriteriums Erfahrungswissen und dagegen wehre ich mich, wenn jetzt meine Frage ... Befragung des Sachverständigen unterbrochen wird.

Vors. (nach geheimer Umfrage:):

Der Senat hat beschlossen

aufgrund der Beanstandung[34]: Herr Rechtsanwalt Linke behält jetzt das Fragerecht.

Herr Rechtsanwalt Schily, es bleibt Ihnen ungenommen, nachher wieder die Fragen aufzugreifen. Ich darf Sie nochmals darauf hinweisen, daß ich nicht erkannt habe, daß Ihr Fragerecht abgeschnitten worden wäre. Das hätte ich ja auch nicht getan. Das war ein Mißverständnis meinerseits, aber es läuft so ...

RA Schi[ly]:

Es wäre ja vielleicht besser gewesen, hier nochmal nachzufragen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Linke.

RA Schi[ly]:

Aber das ist die Situation, die sich hier ergibt aus der Art von ... naja.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Linke bitte.

RA Li[nke]:

Herr Dr. Grooß, die Frage, die ich jetzt stelle, schließt gerade an Ihr Erfahrungswissen an. Müßte man da nicht eigentlich sagen, daß diese Tatmunition, die hier liegt, diese Tatgeschoße im Wege des Augenscheins, und zwar durch Vergrößerung etwa unter dem Vergleichsmikroskop, in die Verhandlung eingeführt werden müßten, so daß die Prozeßbeteiligten, insbesondere das Gericht, in die Lage versetzt wird, selbst die Schlüsse herauszuziehen, die sie gezogen haben, vielleicht unter Ihrer beratenden Mithilfe wenn es keine exakten Messungen gibt, wenn man sich nur auf sein Auge verlassen muß.

[4692] Vors.:

Ja, das ist natürlich eine Frage, Herr Rechtsanwalt Linke, die der Herr Sachverständige sehr schwierig beantworten kann, wie es zum Verständnis eines anderen Beteiligten kommt.

RA Li[nke]:

Ich weiß nicht, ja aber wenn er sich auf sein Erfahrungswissen beruft, dann müßte er uns sagen können, ob das Gericht aus eigenem seine Schlußforderung nachvollziehen kann.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Die Frage läuft offensichtlich darauf hinaus, so wie ich Sie verstehe, daß das Gericht sich selbst anhand der Objekte und anhand der beiden Tatgeschosse in dem Fall ein Bild macht.

RA Li[nke]:

Ja, und Vergleichsmaterials.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Was verstehen Sie in dem Fall unter ...

RA Li[nke]:

Ja nun, Sie haben ja gesagt, Sie haben alle eingrenzbaren Tatgeschoße, die in der Sammlung vorhanden sind, herangezogen und sind also dann zu dem Ergebnis gekommen, diese beiden stimmen überein, die anderen müßen wir ausscheiden. Herr Dr. Grooß, ich meine, meine Frage hat einen sehr realen Hintergrund ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja...

RA Li[nke]:

Entschuldigen Sie, Sie sagen uns, daß Sie sich seit fünf Jahren mit derartigen Vergleichsuntersuchungen befassen. Dieses Gutachten, das hier erstattet worden ist. stammt vom Herbst 1972, damals haben Sie sich also zwei Jahre lang mit diesem Themenkreis befasst. Das ist keine übermäßig lange Zeit und deswegen meine ich, müßte doch das Gericht und müßten wir hier in der Lage sein, unter Ihrer Mithilfe meinetwegen, oder eines anderen Sachverständigen, die Dinge auch zu klären im Wege des Augenscheins.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das Gutachten, was ich heute vertrete, stammt also von dem Material nicht aus 1972 sondern aus 1975, weil ich mir die Objekte vor diesem Prozeß erneut angesehen habe.

RA Li[nke]:

Gut, aber auch schon 1972 sind Sie zu diesen Ergebnissen gekommen, also müßte das Gericht doch auch zu [4693] diesen Ergebnissen kommen können im Wege des Augenscheins.

Sachverst. Dr. Gro[o]ß:

Stehen seitens von mir keine Bedenken, daß dieser im Bundeskriminalamt ... das Gericht sich von der Arbeit dort und der Vergleichsarbeit am Vergleichsmikroskop anhand der Objekte ein Bild macht.

RA Li[nke]:

Danke, keine Fragen mehr.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schlaegel noch.

RA Schl[aegel]:

Ja, ich hätte noch eine ergänzende Frage, Herr Dr. Grooß.

RA Schi[ly]:

Ja wieso hat jetzt Rechtsanwalt Schlaegel das Vorrecht ...

Vors.:

Ich habe Ihnen vorhin, Herr Rechtsanwalt Schily, bereits[rr] die Worterteilung in dieser Form bekanntgegeben, daß jetzt Herr Rechtsanwalt Linke und dann Herr Rechtsanwalt Schlaegel die Frage geben könnte, das war bereits gesagt. Es ist keine Zurücksetzung von Ihnen, ich gebe Ihnen das Recht, nachher wieder ... aufgreifen, aber es war so angekündigt schon. Bitte Herr Rechtsanwalt.

RA Schl[aegel]:

Herr Dr. Grooß, Sie haben grade eben gesagt, daß Sie die Objekte damals, 1972 und jetzt betrachtet haben.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schl[aegel]:

Verstehe ich das so, daß Sie alle Objekte damals und jetzt betrachtet haben, die mit fünf Feldern und Rechtsdrall dafür in Betracht kamen oder haben Sie nur zwei angesehen oder drei?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich habe mir in den letzten Tagen angesehen, die Munitionsteile, um die es hier bei dem Prozeß ... auf die es hier ankommt.

RA Schl[aegel]:

Also Sammlungsnummer 17 ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

14 853 und 15 791.

RA Schl[aegel]:

Und, Unterteil zweiter Frage: haben Sie eigentlich damals sämtliche vergleichbaren Tatmunitionsteile in Ihrer Sammlung durchgeprüft oder hat das ein anderer für Sie gemacht?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Dieser Sammlungsvergleich ist, und das geht aus dem ... zum mindesten vom Namen her, der Sammlungsvergleich [4694] ist von Herrn Hamann durchgeführt worden ...

RA Schl[aegel]:

Habe ich Sie so verstanden, daß Sie letzten Endes nur die beiden, Ihrer Meinung nach, identischen [ss] Teile gesehen und verglichen haben?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schl[aegel]:

Letzte Frage an Sie, da wird es ja sicherlich bei einem solchen Vergleich ... Untersuchungen Munitionsteile geben, die auch im Rahmen der fünf Felder und Rechtsdrall weiter entfernt liegen und solche, die näher dran liegen. Verstehen Sie?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das versteh ich nicht ganz.

RA Schl[aegel]:

Verstehe ich das richtig, daß es wohl in der Auswahl oder Vergleich der Tatmunition doch Geschoßteile geben muß, die näher an diesen liegen mit ihren Merkmalen und solche, die sich deutlicher unterscheiden. Also solche, die identischer sind, wenn es diesen Komperativ überhaupt gibt, vergleichbar.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Natürlich gibt es Geschoße, die ein völlig abweichendes Spurenbild haben ...

RA Schl[aegel]:

Und dann wird’s doch sicher, Herr Dr. Grooß, Teile geben, die ganz unmittelbar nah an denen liegen, die Sie heute vorgelegt haben ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, dafür ist dieses Geschoß zu spurenreich.

RA Schl[aegel]:

Aber ich hab Sie richtig verstanden, daß Sie diese Teile nicht gesehen haben, sondern daß das ein Mitarbeiter von Ihnen gemacht hat.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schl[aegel]:

Dann hab ich keine weiteren Fragen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Ja, ich hab noch zwei Fragen Herr Z... Herr Sachverständiger. Sie haben auf Fragen von Mitgliedern des Senats, die auch eine Frage der Bundesanwaltschaft vorweggenommen haben, gesagt, Sie haben Literatur studiert und haben auch einige Werke genannt. Ergibt sich aus diesen Werken etwas anderes, als Ihre heutige [4695] Aussage, daß man nur aufgrund von Erfahrung ein solches Urteil vornehmen kann, wie Sie uns es hier berichtet haben?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das steht in diesen Büchern expresis verbis nicht drin.

RA Schi[ly]:

Nein, aber wenn Sie sagen nicht expresis verbis, aber vielleicht dann doch dem Sinne nach ist das auch das Fazit ... aus, das man aus dieser Literatur entnehmen kann oder ergibt sich aus der Literatur, die Sie da gelesen haben, irgendetwas, was sozusagen uns noch weiterhelfen könnte, zusätzlich zu dem, was Sie uns gesagt haben.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Aus der Literatur ergibt sich nichts Zusätzliches.

RA Schi[ly]:

Gut. Dann ist also die Frage, ob Sie die Literatur gelesen haben, in dem Bereich dann jedenfalls irrelevant. Ja, ist das richtig?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Was heißt in dem Bereich irrelevant.

RA Schi[ly]:

Naja, es ergibt sich kein zusätzliches Kriterium daraus. Ich hatte Sie gefragt ... Erfahrungsurteil sagen Sie, gut, zumindestens kann man aus der Literatur, die da genannt worden ist, die sich sehr eindrucksvoll anhört, aber es gibt dafür eigentlich kein zusätzliches Argument. So, die nächste Frage die ich habe, ist, wie ist es denn, Sie müssen doch irgendwann mit Ihrer Tätigkeit beginnen, ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

... sozusagen das erste Mal ein solches Urteil bilden, sagen Übereinstimmung, nun sagen Sie, s’ ist ein Urteil aus Erfahrung, wie machen Sie’s denn nun beim ersten Mal?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich habe mich während meines Studiums sehr viel mit Metallbearbeitung befassen müssen ...

Vors.:

Darf ich zunächst mal die Zwischenfrage stellen. Das war wohl nicht Ihr erster Fall.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, nein nein.

Vors.:

Nicht ...

[4696] RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, das hab ich aber auch doch nicht gefragt, das hab ich ... ist es eigentlich wirklich notwendig, daß jede Frage von mir unterbrochen wird ...

Vors.:

Dann lasse ich die Frage nicht zu, weil sie der Sachaufklärung nicht dienlich sein kann.

RA Schi[ly]:

Wieso eigentlich nicht? Können Sie das mal erläutern.

Vors.:

Weil Sie rein theoretisch fragen, wie ein Sachverständiger dieser Sparte es beim ersten Mal macht, nicht? Das hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun.

RA Schi[ly]:

Aber, Herr Vorsitzender, ich glaube das ist vielleicht ein bißchen schwierig dann für Sie, das nachzuvollziehen, ich weiß es nicht, aber es ist doch so ...

Vors.:

Ist es eine Beanstandung?

RA Schi[ly]:

Es ist eine Beanstandung, die ich jetzt begründe. Wenn mir ein Sachverständiger sagt, das Urteil, was ich Ihnen hier biete, nämlich Übereinstimmung, beruht auf meiner Erfahrung, dann habe ich als Verteidiger, als Prozeßbeteiligter und die anderen Prozeßbeteiligten hätten vielleicht auch dazu Anlaß, die Verpflichtung, nachzuprüfen, wie ist ein solches Urteil haltbar. Und da gehört es natürlich auch dazu, ob das überhaupt ein Kriterium ist, was eine Sicherheit vermittelt oder nicht. Und natürlich will ich dann auch erfahren, auch wissen, wie ist es denn bei dem ersten Schritt, das heißt, bei dem ersten Schritt, den ich als Sachverständiger da vollziehe, wo ich das erste Mal sage, das ist Übereinstimmung, wo ich ja noch keine Erfahrung haben kann. Das ist doch die Frage, wann komm ich eigentlich zum ersten Mal zu der Feststellung, Übereinstimmung. Ist doch ein ganz ... gibt sich doch ganz logischerweise eine solche Frage aus den bisherigen Bekundungen des Sachverständigen und deshalb beantrage ich, diese Frage zuzulassen.

[4697] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, sind Sie damit [tt] einig, daß Sie Ihre Frage in der Richtung stellen, wie der Sachverständige ausgebildet ist. Ihn also nach den Voraussetzungen seiner gutachterlichen Tätigkeit fragen. Sie könnten natürlich theoretisch jetzt fortfahren, wenn’s beim ersten Mal so war, wie war’s beim zehnten, wie wars beim zwanzigsten Mal, dann müßten wir feststellen, das wievieltausendste Gutachten es schon war und so vielleicht die Zahl hochsteigern. Wenn Sie also die Sache generell dahin abrunden, daß Sie nach seiner Vorbildung, Ausbildungszeit undsoweiter, fragen, das liegt ja dann bis zum ersten Mal wohl zugrunde, dann wäre gegen die Frage nichts einzuwenden.

RA Schi[ly]:

Ja wenn Sie’s ... so interpretieren wollen, es geht mir nicht darum, nach jeden tausend ... wenn er tausend Gutachten erstattet hat, nach tausend Gutachten zu fragen, damit Sie nicht wieder in Sorge geraten hinsichtlich der Prozeßökonomie, sondern mir geht’s darum, nach der Absicherung eines solchen Kriteriums zu fragen, Erfahrungsurteil und wenn es nur ein Erfahrungsurteil ist, dann frage ich, wie [uu] kommt er eigentlich das erste Mal dazu.

Vors.:

Eben, deswegen würde ich doch vorschlagen, ihn zu fragen, welche Erfahrungen man unter Umständen während der Ausbildungszeit, bis man also seine Fähigkeit als Gutachter erlangt hat, hat sammeln können. Genau in dem Sinne meine ich, sollte die Frage gestellt werden.

RA Schi[ly]:

Ja, ich stell sie so, wie ich sie gestellt habe, wie ist es bei dem ersten Urteil, das er abgibt, auf Übereinstimmung oder nicht Übereinstimmung, wie kommt er dann da zu einem Schluß. Ist es so, vielleicht darf ich das noch dazu sagen, daß er aufgrund der Feststellung eines anderen Erfahrenen, der ihn vielleicht ausbildet, eines ausbildenden, erfahrenen Sachverständigen dann dazu kommt, der ihm das vermittelt. Der sagt, na sehen [4698] Sie[vv] mal hier, Herr Dr. Grooß, das zeig ich Ihnen, ich weiß das aus Erfahrung, das ist Übereinstimmung und er sagt, naja ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich fürchte, ich müßte jetzt langsam Sie drauf hinweisen, daß das keine Fragen mehr sind, die Sie stellen. Ich ...

RA Schi[ly]:

Sind keine Fragen?

Vors.:

... ständige Monologe und Erläuterungen, die einem Sachverständigen oder Zeugen kaum die Gelegenheit geben, eigentlich noch zu wissen, was Sie wollen. Frage also, wie ist es beim ersten Mal.

RA Schi[ly]:

Aber wissen Sie, Herr Vorsitzender, Sie haben eine Art, mit meinem Fragerecht umzugehen, das ist allmählich doch ein bißchen ... das weise ich aber mit Entschiedenheit ...

Vors.:

Nein, nein, Herr Rechtsanwalt, ich muß darauf achten ...

RA Schi[ly]:

... ständig, da[ww] ist wirklich so, daß Sie ständig meine, Befragung unterbrechen. Es ist wirklich ...

Vors.:

Sie sind auch derjenige, der diese Art der Befragung besonders extensiv treibt ...

RA Schi[ly]:

Während der Vorsitzende spricht, redet Rechtsanwalt Schily unverständlich weiter.

... seit die Beweisaufnahme, seit die, seit was bitte?

Vors.:

... ich sage besonders extensiv treibt, diese Art der Befragung. Herr Rechtsanwalt, ich habe Ihnen doch gesagt ...

RA Schi[ly]:

Ja, wissen Sie, es kann ja vielleicht ...

Vors.:

... wie die Frage beantwortet werden kann. Kann sie jetzt beantwortet werden in dem Sinne, sie läßt sich doch einfach dahin fassen, ob er beim ersten Mal schon eine Erfahrung gehabt hat oder ob man beim ersten Mal ohne Erfahrung beginnt, so meinen Sie’s doch?

RA Schi[ly]:

Naja, daß man beim ersten Mal keine Erfahrung hat, das versteht sich eigentlich fast von selbst.

Vors.:

Das sagt gar nichts, es gibt ja eine Ausbildung.

RA Schi[ly]:

Solche unsinnigen Fragen würde ich also nicht stellen, Herr Vorsitzender, sondern ...

[4699] Vors.:

Herr Sachverständiger, geben Sie jetzt die Antwort ...

RA Schi[ly]:

Nein, nein, ich lasse mir nicht meine Fragen hier ummünzen, Herr Vorsitzender. So geht das hier nicht in der Beweisaufnahme.

Vors.:

Dann formulieren Sie bitte so, daß wir sie als Frage noch erkennen können.

RA Schi[ly]:

Aber ... ich dachte, das Auffassungsvermögen von Ihnen, Herr Vorsitzender, ist doch so weit gediehen, daß Sie mir ... daß Sie eine Frage verstehen können, wenn ich sage, wie ist es bei dem ersten Gutachten sozusagen, das der Sachverständige erstattet, wo er eine Vergleichsfeststellung treffen will und bei der er eben noch keine Erfahrung hat, sei es, daß er also in der Ausbildung sich befindet, sei es, daß er seine Ausbildung abgeschlossen hat. Wird ihm das dann, dieses Urteil, von einem anderen vermittelt oder wie ... wie verhält es sich da?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Während meines Studiums habe ich und auch später habe ich mich sehr viel mit der Metallbearbeitung und zwar mit der eigenen Metallbearbeitung beschäftigt, so daß mir sehr viele Sachen von vornerein klar waren, bevor ich überhaupt in diesen Tätigkeitsbereich hereingekommen bin. Um einen anderen Bereich anzuführen, als hier die Schußwaffen, obwohl es sich um weitgehend ähnliche Arbeitsbereiche handelt, ist das Gebiet der Werkzeugspuren. Und wenn Sie mal versucht haben, Bohrer anzuschleifen und sich die Bohrer während dieses Prozesses angeguckt haben, wie er geworden ist und dabei das ... den Bohrer in der Schneide betrachtet haben, da be... sehen Sie auch schon, wie Spuren an Metallgegenständen entstehen. Das hat nichts zu tun mit meinen ... meiner ersten oder ... der Aufnahme der Beschäftigung im Bundeskriminalamt. Diese Erfahrung auf diesem Gebiet der Metallverarbeitung und der Spuren auch ... Spurenträgern, liegt also weiter zurück als die fünf Jahre, die ich eben angegeben habe.

[4700] RA Schi[ly]:

Herr Sachverständiger, da haben Sie meine Frage überhaupt nicht beantwortet, das ist ja die Frage der Verursachung von solchen Spuren, die da zu beobachten sind und das bezweifle ich auch gar nicht und darum geht es nicht, sondern es geht um die Frage der Feststellung einer Übereinstimmung. Und da frage ich Sie, wie ist es bei dem ersten Mal, wo Sie ein solches Urteil treffen können, was müssen Sie an Voraussetzung mitbringen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das erste Mal, wenn man eine solche Entscheidung trifft, ja nicht eine Entscheidung die man alleine macht, sondern wie bekannt ist, auch hier aus dem Verfahren hab ich eine größere Anzahl von Mitarbeitern und auch einen Vorgänger im Amt gehabt, der mich in diese Sachen ... in dieses Arbeitsgebiet eingeführt hat.

RA Schi[ly]:

Ist es also dann nur ein abgeleitetes Urteil von einem Dritten ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, das ist kein abgeleitetes Urteil. Sie stehen jedesmal vorm Vergleichsmikroskop vor der Frage, reicht das für eine Identifizierung oder reicht das für eine Identifizierung nicht.

RA Schi[ly]:

Ja, aber Sie ... dieses Urteil, das Sie da abgeben, das haben Sie genannt ein Erfahrungsurteil.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Wenn es aber nur ein Erfahrungsurteil ist, dann kann es doch beim ersten Mal eigentlich nur abgeleitet von einem Dritten sein. Was veranlaßt Sie zu dem Kopfschütteln Herr Dr. Breucker.

Vors.:

Weil die Frage beantwortet ist. Entschuldigung, Herr Dr. Breucker.

Richter Dr. Br[eucker][xx]:

Ich möchte Ihnen gern antworten, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA [yy] Schi[ly]:

Ja gerne, ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Der Sachverständige hat bereits vorhin auf Ihre intensive Befragung erklärt, daß er entsprechende einschlägige Erfahrungen bereits auf anderem[zz] Gebiet[aaa], [4701] nämlich auf einem verwandten Gebiet, der Metallbearbeitung und der Spurenverursachung in diesem Zusammenhang, gesammelt hat. So daß es nicht richtig ist, wenn Sie ihm Vorhalten, daß man beim ersten Mal noch über keine Erfahrung verfügt hat.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Breucker nur ... sind Sie offenbar ... mißverstehen Sie vollkommen den Inhalt meiner Frage, denn die ... die Erfahrung auf dem Gebiet der Metallsachbearbeitung, der sagte ... die sagen doch nur etwas darüber aus, welche Spuren, daß das Spuren hinterlassen ... sie sagen aber überhaupt nichts darüber aus, nach welchen Kriterien eine Übereinstimmung von bestimmten Spuren festzustellen ist. Das sagt doch nicht das Studium von Metallkunde da etwas darüber aus oder haben Sie das so aufgefasst.

Vors.:

Ich weise jetzt[bbb] darauf hin, es hat keinen Sinn mehr, die Vernehmung des Herrn Zeugen am Vormittag beziehungsweise des Herrn Sachverständigen jetzt noch abzuschließen, wir werden jezt die Mittagspause dann einlegen müssen. Herr Rechtsanwalt, ich bitte Sie also, diese Frage jetzt kurz und bündig abzuschließen, um halbzwei möchte ich die Mittagspause beginnen, wir setzen dann um 15.00 Uhr fort.

RA Schi[ly]:

Ja, dann schlag ich vor, daß ich doch die Befragung dann nach der Mittagspause fortsetze, denn ich sehe nicht ein, daß ich mich hier unter Zeitdruck ...

Vors.:

Einverstanden. Wäre es den Beteiligten möglich, auch schon um 14.30 Uhr anwesend zu sein, daß wir ... bitte? Ich sehe also übereinstimmende Zustimmung, 14.30 Uhr Fortsetzung.

Pause von 13.28 Uhr bis 14.34 Uhr.

Ende von Band 261.

[4702] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.34 Uhr.

[ccc]

RAe. Dr. Heldmann [ddd] und König sind nunmehr auch anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Schily war bei seinen Fragen.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Grooß, darf ich vielleicht nochmal anknüpfen an die Frage, die ich zuletzt gestellt hatte, um die es mir ging. Wie ist es sozusagen bei dem ersten Schritt in die Sachverständigentätigkeit, wenn Sie das erste Mal ein solches Urteil bilden, und sagen Übereinstimmung, etwa wie bisher bei diesen Fotos ist. Berufen Sie sich da auch auf Erfahrung oder ist das dann vermittelte Erfahrung durch einen Dritten?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich hatte vorhin ja schonmal angefangen gehabt, daß man, daß ich im Laufe meiner Ausbildung, bevor ich hier in die Sachverständigentätigkeit im Bundeskriminalamt eingestiegen bin, eine reichhaltige Erfahrung auf dem Gebiet der Metallverarbeitung gewonnen habe und ich zum Beispiel durch Arbeiten an einer[eee] Drehbank und das, wenn Sie ein Stück gedreht haben, sehen Sie es sich ja an und insbesondere, auch wenn man mal von der mehr[fff] werkstoffeigenen Seite rankommt, so entstehen[ggg] bei diesen Prozessen[hhh] immer Spuren, die Sie nicht beeinflussen können. Wenn man beim Beispiel des Drehens bleiben ...

Vors.:

Wollen wir es denn so ausführlich machen. Die Frage war doch viel kürzer gehalten und läßt doch auch eine kürzere Antwort zu. Ich möchte Ihnen die Antwort nicht verwehren. Es ist doch die Frage, ob Sie beim ersten Mal auf Erfahrung zurückgreifen, oder ob Sie da eine vermittelte Erfahrung brauchen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Aufs erste Mal kann man natürlich nicht auf irgendwelche Erfahrungen auf diesem Gebiet zurückgreifen. Das spielt natürlich eine gewisse vermittelte Erfahrung eine Rolle und der eigene Augenschein und das technische Verständnis.

[4703] RA Schi[ly]:

Ja, ich glaube das ist zwar da, ich sehe das zwar nicht als ausreichend an, aber ich glaube nicht, daß die Frage weiter von dem Sachverständigen beantwortet werden wird und muß also an dem Punkt mit der Befragung dann mich zufrieden geben.

Vors.:

Sonstige Fragen? Ich sehe im Augenblick nicht. Dann noch von uns die Frage, Herr Sachverständiger. Sie haben uns heute früh geschildert, daß Sie diese Waffe, die Sie in der Hand hatten, zur Begutachtung hatten. Sie haben uns geschildert, daß Sie zwei Spuren bei sich haben, von denen Sie sagen konnten, sie seien aus derselben verfeuert?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie zu diesen Spuren, die Sie mit den Nummern 14 8 43 und 15 7 91 angegeben haben, auch eine Waffe gefunden oder einen Zusammenhang mit irgendeiner Waffe?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, es hat einen mit einer Waffe gegeben und zwar, die aus der Waffe, die ich vorhin in der Hand hatte, gewonnenen Vergleichsmunitionsteile wurden verglichen mit den vorhin erwähnten Munitionsteil der Sammlungsnummer 14 8 43. Hierbei ergab sich eine Übereinstimmung der gröberen Merkmale. Durch[iii] Rostansatz im Lauf wurden auf den Vergleichsgeschossen zusätzlich feine individuelle Merkmale gelegt. Trotz dieser veränderten Merkmale kann man sagen, daß mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die unter den vorhin erwähnten Sammlungsnummern erwähnten Munitionsteile aus dem vorliegenden Revolver verfeuert worden sind.

Vors.:

Sind Sie imstande, dazu auch Bildmaterial den Beteiligten zu zeigen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

In den Akten müßte liegen eine Tafel 2 zu unserem Gutachten und ich kann es nicht ausschließen, daß hier ein Übertragungsfehler drin ist. Die Waffe muß heißen: D 3 63341. Auf dem Exemplar, was ich hatte, ist eine 2 als zweite Zahl, das ist also ein Schreibfehler, der ergangen ist beim Schreiben.

Vors.:

Können wir dieses Bild mal sehen, wir haben zwar Ablichtungen in den Akten aber die sind viel zu ungenau. Die taugen natürlich nichts.

Der Herr Sachverständige legt die Originalaufnahmen vor, die auch in Band 96 Bl. 368 enthalten sind und gibt Erläuterungen hierzu.

[4704] Die Originalaufnahmen sind dem Protokoll als Anlage 9 beigefügt.

Die Originalaufnahmen werden in Augenschein genommen.

OStA Ze[is]:

Würden Sie uns vielleicht den Auszug „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ etwas näher erläutern, was Sie darunter verstehen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das ist ein Abrücken von der Sicherheit, ohne daß im kriminaltechnischen Bereich irgendwelche Zahlen angegeben werden können. Es ist für mich nicht die vollkommene Sicherheit, es ist etwas weniger. Wir können also nicht sagen 20 % ist eine geringe Wahrscheinlichkeit, 40 % ist eine mittlere Wahrscheinlichkeit, das sind Begriffe, mit denen ich nicht umgehen werde.

OStA Ze[is]:

Darum ging es mir anundfürsich weniger. Machen Sie nochmal einen Unterschied zwischen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und unter sehr großer Wahrscheinlichkeit.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das sind sprachliche Begriffe, die Sie in diesem Bereich gegeneinander, meiner Meinung nach, nicht sinnvoll abgrenzen lassen, in diesem Bereich hier.

OStA Ze[is]:

Darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß Sie also auch anstelle von „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ hätten sagen können „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit?“

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich benutze den Ausdruck mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht.

OStA Ze[is]:

Gut, dann habe keine weiteren Fragen.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Darf ich noch eine Frage stellen?

Vors.:

Bitte.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Sachverständiger, ist diese Waffe für Sie die entscheidende Waffe oder nicht?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Für mich ist es die Waffe, aus der die Geschosse verfeuert worden sind.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Vielen Dank.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schlaegel, Sie wollten anhand der Bilder, bitte.

RA Schl[aegel]:

... Bildes, wo er sie mit Sicherheit sagen können, daß diese Spuren ...

Vors.:

Die Frage kam nicht über Mikrophon, sie lautete: Woher der Herr Sachverständige feststellen kann, daß die zusätzlichen [4705] Spuren durch den Rost verursacht worden sei?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich muß mich etwas präzisieren. Sie haben recht, es ist durch Korrosion und durch das Liegen entstanden.

RA Schl[aegel]:

Woher stellt man das fest?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, wir haben gesehen, daß der Lauf Rostansatz hatte.

RA Schl[aegel]:

Woher wissen Sie, daß diese Spuren nicht vorher schon da waren, ...?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das ist die Überzeugung, die ich gewonnen habe.

Vors.:

Soll man das anhand der Bilder, wollen Sie es einfacher handhaben?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Weil ich schon weg war, wären Sie so freundlich, und wiederholen, was eben noch bekundet wurde.

Vors.:

Also die Frage war ... diese zusätzlichen Spuren verursacht worden seien. Er sagte, es sei die Überzeugung, die er gewonnen habe. Wenn wir das im Sitzen machen können wäre es bequemer, auch für den Herrn Sachverständigen. Bitte nehmen Sie wieder Platz.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich habe die Antwort des Herrn Sachverständigen akustisch nicht verstanden.

Vors.:

Es sei seine Überzeugung, daß es sich um Zusatzspuren, verursacht durch die Korrosion und Rost usw. im Laufe handele.

RA Dr. He[ldmann]:

Die vorangegangene Antwort auf Herrn Wideras Frage, da sagte der Herr Sachverständige: Für mich ist es die Waffe, welche ...

Vors.:

Um es ganz deutlich zu sagen, die zwei Geschoßteile, die er untersucht hat, sind nach seiner Auffassung auch bei dem Urteil „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ für ihn persönlich subjektiv aus dieser Waffe abgefeuert worden.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke.

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

Ja, dann habe ich also zwei Fragen, zunächst mal, Herr Dr. Grooß, Ihr Urteil mit großer Wahrscheinlichkeit und Ihr subjektives Urteil ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ich muß den Vorhalt beanstanden. Er lautet nicht mit großer Wahrscheinlichkeit, sondern mit sehr großer Wahrscheinlichkeit.

Vors.:

Der Herr Rechtsanwalt wird sicher in der Richtung abwan- [4706][35] [4707] deln.

RA Schi[ly]:

Genau, das hat er ja auch gesagt. Herr Zeis, Sie sind sehr aufmerksam, ich bedanke mich. Also mit sehr großer Wahrscheinlichkeit und das subjektive Urteil auf die Frage von Herrn Widera. Steht das in einem Zusammenhang?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich verstehe im Augenblick nicht die Frage.

RA Schi[ly]:

Ob da ein Zusammenhang besteht, zwischen den beiden Urteilen?

Vors.:

Wenn Sie die Frage nicht richtig verstanden haben, lassen Sie es sich lieber nochmal sagen, bevor Sie in die falsche Richtung laufen. Ich weiß jetzt nicht, was gefragt sein soll direkt, Herr Rechtsanwalt, vielleicht wenn Sie es nochmal ...

RA Schi[ly]:

Also es sind doch hier zwei Antworten gegeben worden. Einmal ist[jjj] gesagt worden, so nach den Kriterien, die er entwickelt hat, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit, das Urteil, und dann auf Herrn Widera hat er, auf Frage von Herrn Widera hat er gesagt, für mich ist das die Waffe, und hat dann noch auf Nachfrage gesagt, es sei ein subjektives Urteil. Und nun wollte ich den Herrn Dr. Grooß fragen, ob zwischen diesen beiden Beurteilungen des Sachverhalts ein Zusammenhang besteht? Wenn ja, welcher?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Bedingt daß durch[kkk] den ... ein Lagerungsprozeß die feineren Spuren, die in den Bildern dargestellt sind, sich verändert haben, ist also die Dokumentation nicht ganz einwandfrei durchzuführen.

RA Schi[ly]:

Aber gleichwohl ist es für Sie die Waffe, wie Sie auf Herrn Wideras Frage geantwortet haben?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, die wesentlichen Spuren, und das hatte ich ja eben auch vorne gezeigt gehabt, sind erhalten geblieben. Es sind einige zusätzliche Spuren feinerer Art dazugekommen, die bei Waffen häufig auftreten, die irgendwie einen ... Witterungsverhältnissen ausgesetzt waren. Das ist eine Sache, die für uns nicht neu ist.

RA Schi[ly]:

Ja, dann die Nachfrage dazu. Herr Dr. Grooß, Sie haben auf die Frage, wie Sie dazu kommen, daß durch den Rostansatz, oder die Veränderung durch Rosteinwirkung das veränderte Bild zustande kommt, gesagt, dieses Urteil beruht auf Ihrer Überzeugung?

[4708] Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, Überzeugung und Erfahrung. Denn es ist ja für uns etwas nicht ganz seltenes, daß Waffen vergraben gewesen sind, oder Waffen einem Verrostungsprozeß kurzfristig unterlegen haben und wir dann für diesen Prozeß typische Bild der kleineren Spuren innerhalb der größeren Spuren haben.

RA Schi[ly]:

Kannten Sie den Zustand der Waffe denn vorher?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Nein, es liegen auf den Gebieten Erfahrungen vor, und nicht nur aus dieser Sache.

RA Schi[ly]:

Ja Moment, aber doch nicht mit diesem individuellen Waffe. Da lagen doch offenbar keine Erfahrungen vor?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Den Zustand der Waffe kannte ich natürlich vorher nicht.

RA Schi[ly]:

Ja, wie kommen Sie dann zu der Feststellung, daß also die Spuren vorher, also sagen wir mal, vor Eintritt von Rost, daß die da nicht auch vorhanden waren?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Die Frage ist beantwortet, Herr Rechtsanwalt. Vielleicht für Sie nicht befriedigend, aber sie ist vom Herrn Sachverständigen schon beantwortet worden.

RA Schi[ly]:

Das ist seine Überzeugung ja?

Vors.:

Und Erfahrung.

RA Schi[ly]:

Was heißt Erfahrung, in dem Zusammenhang. Das kann doch nicht ... da ist doch die Vergleichsmöglichkeit nicht da.

Vors.:

Der Herr Sachverständige hat erklärt, daß es nicht gerade selten sei, für einen Schußwaffengutachter, solche Fälle vorgelegt zu bekommen, daß Waffen vergraben waren und offenbar gründet sich darauf dann die Erfahrung, so habe ich es verstanden.

RA Schi[ly]:

Auf die Tatsache, daß Waffen vergraben waren ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender ... [lll]

Vors.:

Herr Bundesanwalt Widera, wollten Sie die Frage beanstanden oder ...

Reg. Dir. Wi[dera]:

Nein, ich wollte noch zu diesem Zusammenhang, weil ich ja vorhin auch dabei war, die vorgelegte Frage zu beanstanden, also Sie hatten es vorweggenommen, daß sie beantwortet sei, wollte ich nur eine ganz kurze Ergänzung geben.

Vors.:

Bitte.

[4709] Reg. Dir. Wi[dera]:

So wie ich den Herrn Sachverständigen verstanden habe, hat er als tatsächlichen Anhaltspunkt, als Befundtatsache genannt, die wesentlichen Spuren sind erhalten geblieben.

Vors.:

Das war ja nicht die Frage, die der Herr Rechtsanwalt meinte, sondern nur worauf sich seine, sein Urteil gründet, daß die Zusatzspuren durch diese bestimmten Umstände bedingt worden sei. Und wiegesagt, das ist beantwortet klar, aufgrund der Erfahrungen und Überzeugung, die sich auf diese Erfahrung stützt, kann man das beantworten.

RA Schi[ly]:

Nein, nein, da will ich vielleicht mal anders fragen, Herr Dr. Grooß. Wenn Sie solche Zusatzspuren, die also Unterschiede ausmachen im Bild, daß sich Ihnen darbietet, und wenn Sie jetzt mal die Frage der Verrostung ausklammern, würden Sie dann aufgrund solcher Unterschiede sagen, das ist nicht die gleiche Waffe, aus der die Munition abgefeuert worden ist?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich bitte nochmal um die Frage.

RA Schi[ly]:

Wenn sich das Bild Ihnen darbietet, mit den Unterschieden, die nun vorhanden sind, und Sie zunächst mal die Ursache ausklammern, also mögliche Ursache, würden Sie dann zunächst einmal sagen, das ist nicht die gleiche Waffe oder jedenfalls sagen, daß die Feststellung nicht getroffen werden kann, das ist dieselbe, Entschuldigung, wieder dieselbe Waffe ist?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Wenn mir Bilder dieser Art vorgelegt werden, werde ich erstmal der Meinung sein, daß mit diesem Lauf irgendetwas zwischenzeitlich passiert ist, sofern sich nicht irgendetwas anderes bietet.

RA Schi[ly]:

Einen Moment, Sie können ja nicht von einer Prämisse ausgehen, es ist derselbe Lauf, sondern Sie haben zunächst mal ein optisches Bild, das Sie vergleichen. Sie sehen Unterschiede, Sie sehen Unterschiede?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Würde diese Unterschiede, wenn sie also jetzt keine Erklärung, die Sie sozusagen dann nachschieben, in Form von Verrostungsveränderungen, würden die dazu ausreichen zu sagen, es ist nicht gesichert, daß es aus demselben Lauf kommt die Munition? Wenn Sie solche Unterschiede mit einer nichtverrosteten, wenn Sie also von der Verrostung [4710] mal absehen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, man muß in dem Fall das Gesamtspurenbild sich ansehen und sich nicht nur anhand dieses einen dargestellten Feldereindrucks festhalten.

RA Schi[ly]:

Ja, es ist[mmm] richtig, Herr Dr. Grooß, nur der Gesamteindruck mit unter Einbeziehung dieser Unterschiede, dann nicht dazu angetan zu sagen, ja also dann kann ich mit Sicherheit nicht feststellen, daß es aus derselben Waffe kommt?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich bitte[nnn] doch nochmal um die Frage.

RA Schi[ly]:

Also wenn Sie jetzt zunächst nur mal das optische Bild nehmen, mit der unterschiedlichen Beschaffenheit, die Sie ja festgestellt haben und jetzt erst mal von den möglichen Ursachen absehen, nur vergleichen, die reine optische Wahrnehmung, wäre das, die Unterschiede, die Sie dort, deren Sie dort ansichtig werden, dazu angetan, zunächst einmal Zweifel zu haben, ob es dieselbe Waffe ist, aus der die Munition verfeuert worden ist?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Zweifel schon.

RA Schi[ly]:

Gut. Ist es dann so, daß Sie diese Zweifel meinen dadurch beseitigen zu können, daß Sie sagen, ja, wir finden an der Waffe Verrostungsspuren?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Einen[ooo] Zweifel muß man bei der Bearbeitung von Begutachtung dieser Sachen immer haben und man muß immer dem Untersuchungsmaterial sehr kritisch gegenüber stehen.

RA Schi[ly]:

Ja nur dann eben die Frage, woher wissen Sie eigentlich, inwieweit etwas Folge von Rostspuren ist und inwieweit etwas nicht Folge von Rostspuren ist. Also die Frage, die schon gestellt worden ist, wo Sie zunächst nur die Antwort gegeben haben, Überzeugung.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Weil die gröberen, und sagen wir mal, Leitspuren gleich sind und zusätzlich feine Spuren entstanden sind.

RA Schi[ly]:

Ja gibt es das aber nicht auch bei verschiedenen Läufen, daß also die gröberen übereinstimmen und die feineren nicht übereinstimmen und Sie dann sagen müssen, das sind zwei verschiedene Waffen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Das ist nicht ganz auszuschließen, daß es so was gibt.

RA Schi[ly]:

Ja und dann frage ich Sie, wie kommen Sie dann zu der Feststellung, daß es sich nicht um zwei verschiedene [4711] Waffen handelt, sondern um ein und dieselbe, mit Verrostungsspur oder nicht mit Verrostungsspur?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Na, wie ich vorhin sagte, die wesentlichen Spuren, sowohl auf den Vergleichsgeschlossen, als auch auf den Geschossen, die bei uns mit den Sammlungsnummern gekennzeichnet sind, sich befinden.

RA Schi[ly]:

Aber Sie haben doch gerade gesagt, die gröberen und die feineren Spuren, also wenn, die gröberen können übereinstimmen, wenn die feineren nicht übereinstimmen, dann kann es sich um zwei verschiedene Waffen handeln, das haben Sie doch gerade auf meine Frage gesagt, das läßt sich nicht ausschließen. Und also sozusagen haben Sie beide Möglichkeiten gekennzeichnet, es können Unterschiede bei den feineren Spuren auftreten, und Übereinstimmung bei den gröberen, wenn es sich um zwei verschiedene Waffen handelt. Es kann aber auch dann auftreten, wenn es sich um ein und dieselbe Waffe in verschiedenem Zustand handelt, so kann man das dann vielleicht kennzeichnen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja aber wir müssen doch hier in dem Fall davon ausgehen, daß die wesentlichen Spuren in Art und Lage auf allen drei Geschossen übereinstimmen.

RA Schi[ly]:

Ja, davon gehen wir ja auch aus. Nur, es gibt Unterschiede in den feineren Spuren. Sie haben selber auf meine Frage gesagt, das könnte dazu Veranlassung geben, zu sagen, das ist nicht gesichert, daß es aus derselben Waffe abgefeuert ist, also das heißt, es könnten zwei Waffen gewesen sein. Beispielweise: Unterschiedliche Waffen. Und die Frage spitzt sich doch darauf zu, es bestehen jetzt zwei Möglichkeiten, entweder sind es zwei verschiedene Waffen mit verschiedener Beschaffenheit, oder es ist ein und dieselbe Waffe in verschiedenen Zeiträumen mit unterschiedlicher Beschaffenheit und ich frage Sie, wie kommen Sie zu dem Urteil: Es ist ein und[ppp] dieselbe Waffe, mit unterschiedlicher Beschaffenheit zu verschiedenen Zeitpunkten.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender ... [qqq]

Vors.:

Wollen Sie diese Frage beanstanden? Bitte.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Diese Frage ist wiederholt gestellt und wiederholt beantwortet worden. Ich kann zwar verstehen, daß Herr Rechtsanwalt Schily mit den Antworten nicht zufrieden ist, das kann passieren. Das ist jetzt kein, aber auch nicht im geringsten irgendwo eine Bösartigkeit, und das gibt es eben, das man mit den Antworten manchmal [4712] nicht zufrieden ist. Dann muß man vielleicht neue Anträge stellen, ich ... oder so etwas. Aber nun darf es meines Erachtens nicht unentwegt weitergehen, daß der Sachverständige immer wieder dasselbe vorgelegt bekommt, nur weil man immer noch nicht zufrieden ist.

RA Schi[ly]:

... ja sehr schön Herr Widera, daß Sie mal einen Einwand nicht als Bösartigkeit bezeichnen wollen, aber auf der anderen Seite werden Sie sicherlich Verständnis dafür haben, daß die Verteidigung in dem Punkt auf Klarheit Wert legt und ich glaube, die Frage habe ich doch jetzt so zugespitzt und auch so klargelegt, daß also jedenfalls Mißverständnisse ausgeschlossen werden können und ich bitte den Sachverständigen, auf diese Frage eine klare Antwort zu geben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Frage ist zulässig, weil sie in der Tat immer weiter eingeengt ist[rrr], aber ich muß Sie darauf hinweisen, daß in der Fragestellung ein Punkt fehlt, den Sie vorhin selbst bei der ursprünglich weiteren Antwort vorausgesetzt haben. Ihre Frage hat damit begonnen: „Denken Sie sich die Erklärung, daß es sich hier um eine verrostete Waffe handelt, weg, was würden Sie beim rein zufälligen Nebeneinanderlegen etwa der Bilder dann für ein Ergebnis gewinnen? Könnten es dann zwei verschiedene Waffen sein?“ Sie stellen jetzt die Frage an den Herrn Sachverständigen so, als habe er ohne diese Zusatzerklärung, denken Sie sich das weg, die Antwort gegeben, es seien zwei Waffen. Ich weise Sie also auf diesen Unterschied hin, der scheint mir doch wichtig zu sein, ich würde ihn bei der Frage mit einbauen.

RA Schi[ly]:

Nein, Herr Vorsitzender, ich glaube, da haben Sie einen kleinen Denkfehler begangen, ich meine der kann dabei auftreten, aber Sie interpretieren die Frage ein bißchen ... ich glaube schon, daß der Sachverständige und soweit ich den äußeren Zustand der Waffe beobachten konnte, ist es auch festzustellen, daß die Waffe verrostet ist. Nur mir geht es doch darum zu klären, wie ist das Urteil möglich, zu sagen, dieselbe Waffe unter Einbeziehung der Möglichkeit, daß Vorrostungsspuren vorhanden sind, oder sind es zwei verschiedene Waffen? Und der Sachverständige hat gesagt, um es nocheinmal zu wiederholen, es gibt Grob- [4713] spuren, Feinspuren und wir haben hier Grobspuren, die übereinstimmen und Feinspuren, die nicht übereinstimmen und die erkläre ich, die Nichtübereinstimmung mit Verrostung. Er hat aber gleichzeitig auf meine Frage gesagt die können auch, kann auch sich ergeben diese Unterschiedlichkeit der Feinspuren und die Übereinstimmung in Grobspuren, wenn zwei verschiedene Waffen aus zwei verschiedenen Waffen abgefeuert wird.

Vors.:

Wenn er die Erklärung der Rostspuren nicht hätte, so war auf Ihre Frage wohl die Antwort, dann würde er hier anhand der Vergleichsbilder zum Ergebnis kommen, es könnten zwei verschiedene Waffen sein, so war es und deswegen müßte das auch ...

RA Schi[ly]:

Sie müssen aber ...

Vors.:

Ich ringe nicht um Ihre Fragestellung, ich will sie vervollständigen, weil ich meine ...

RA Schi[ly]:

Es liegt mir natürlich auch daran, daß die Frage vom Senat verstanden wird, nicht nur von dem Sachverständigen, und da ist der Inhalt der Frage der, da er ja nicht von einem vorgefaßten Urteil ausgehen soll, etwa auf die Frage von Herrn Widera, es subjektiv der Meinung ist, das ist die Waffe, darum geht es mir nicht, sondern mir geht es nur darum, ob ein gesichertes Kriterium für eine Abgrenzung dafür vorliegt und da ist die Frage richtig gestellt, um auch gar nicht zu suggerieren, wenn man ihm die beiden Alternativen anbietet. Übereinstimmung in den Grobspuren, Unterschiedlichkeit in den Feinspuren und wo gibt es das Kriterium, zu sagen, das ist die Folge der Verrostung, oder auf der anderen Seite zwei unterschiedliche Waffen. Ich glaube, Herr Dr. Grooß hat aber meine Frage schon verstanden, also, oder ist das nicht der Fall Herr Doktor?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Diese Oxydation oder Verrostungsprozeß ist natürlich ein kontinuierlicher Prozeß. Man wird irgendwann mal zu einem Punkt kommen, wo man sagen kann, es ist nicht mehr, oder es nicht nachweisbar, ob die vorliegende Waffe die Tatwaffe ist, das Spurenmaterial ist derartig unterschiedlich, daß es genausogut eine andere Waffe sein kann. Denn irgendwann überdecken die Korrosionsspuren auch die Spuren, die ich hier als gröbere Spuren bezeichnet habe, in Wirklichkeit handelt es sich natürlich auch bei die- [4714] sen gröberen Spuren um Spuren im Mikrobereich.

RA Schi[ly]:

Na ja, davon gehe ich aus, es sind ja auch unter dem Mikroskop aufgenommene Aufnahmen, das kann man ja klarlegen, aber damit ist meine Frage nicht beantwortet.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es geht also ...

Vors.:

Herr Sachverständiger, ich glaube in der Tat, Sie haben diese Frage einfach nicht richtig verstanden, es kostet uns zuviel Zeit. Darf ich versuchen, mit Ihrem Einverständniss vielleicht mit anderen Worten darzulegen, ...

RA Schi[ly]:

Ich bitte darum, aber ...

Vors.:

Der Herr Verteidiger hat von Ihnen erfragt, daß es für die Abweichungen sowohl die Erklärung gibt, die Sie gegeben haben, nach Ihrer Auffassung, nämlich daß es sich durch die Korrosion bedingte Abweichungen handelt, aber auch andererseits die Erklärung, daß es zwei verschiedene Waffen seien. So haben Ihre Antworten gelautet und deswegen seine Frage, warum kommen Sie nun in diesem speziellen Fall zum Ergebnis, daß es sich nicht um zwei verschiedene Waffen handelt?

RA Schi[ly]:

Richtig.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, ich hatte vorhin gesagt gehabt, daß ich nicht ausschließen kann, daß es zwei verschiedene Waffen gibt, die im Mikro, also in den feineren Spuren[sss] sich unterscheiden.

RA Schi[ly]:

Nicht ausschließen oder ausschließen? Nicht ausschließen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

So hatte ich es, glaube ich, wörtlich gesagt.

RA Schi[ly]:

Nicht ausschließen, ja.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich möchte also nochmal sagen, was ich vorhin gesagt habe. Bedingt dadurch, daß hier für mich die wesentlichen Spuren erhalten sind, ist das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die Waffe, aus der die Geschosse verfeuert worden sind.

RA Schi[ly]:

Gut, ich habe keine Fragen mehr.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Sachverständigen? Ich sehe nicht mehr, dann könnten wir die Vernehmung abschließen. Wegen der Fotografien und der Rücknahme Ihrer Schere usw. würde ich Sie dann bitten, nacher noch dazubleiben, nach der Vereidigung. Wird ... Entschuldigung, Herr Rechtsanwalt Künzel.

[4715] RA Kü[nzel]:

Herr Sachverständiger, Sie haben hier eine Aufnahme eines Vergleichsgeschosses vorgelegt. Frage, ist das die zulässige Methode, wäre es nicht notwendig, mehrere Vergleichsgeschosse vorzulegen. Ist das nun ein besonders übliches Bild, oder gibt es auch noch Aufnahmen, die die Unterschiede deutlicher zeigen? Eine Methode, für die ich mich interessiere, ist es ausreichend, daß Sie nun zwei Tatgeschosse verlegen und ein Vergleichsgeschoß?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Selbstverständlich ist die Waffe nicht einmal geschossen worden, sondern mehrere Male.

RA Kü[nzel]:

Und könnte man da Bilder von diesen anderen Schießversuchen auch noch sehen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe ja vorhin schon angedeutet, daß wir gezwungen sind, mehrfach zu schießen, da es[ttt] sich bei der Munition um eine Massenware handelt, die gewissen Toleranzen in der Fertigung ausgesetzt ist und wir versuchen müssen, durch den Vergleichsgeschoss ein Geschoss zu finden, was in den geometrischen Abmessungen dem Tatgeschoß entspricht.

RA Kü[nzel]:

Haben Sie in Ihrem Institut noch weitere Bilder.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Auch nicht.

RA Kü[nzel]:

Lassen sich so weitere Bilder ohne größere Mühe wieder rekonstruieren?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Dazu müßte denkbarerweise die Waffe noch einmal geschossen werden, wenn, da müßte weitere Vergleichsmunition gewonnen werden, ob das im Augenblick bei dem Zustand der Waffe, wie ich sie eben gesehen habe, noch möglich ist, bezweifle ich, denn nach dem Lagerungszustand scheint mir das nicht ganz optimal zu sein.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herr Sachverständigen? Herr Bundesanwalt Zeis, ich habe das Gefühl, Sie hätten ...

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, speziell zu diesem Gutachten nicht.

Vors.:

Achso ja, ich dachte die Vernehmung könnte jetzt abgeschlossen werden, wenn Sie aber noch weitere Fragen haben, dann ...

OStA Ze[is]:

Zu diesem Gutachten nicht. Der Herr Sachverständige hat zum Komplex Festnahme Hofeckweg noch ein weiteres Gutachten erstattet, dem die Bundesanwaltschaft eine gewisse Bedeutung beimißt, nämlich die Schußrichtungsbestimmung in der Garage Hofeckweg 2 bis 4. Ich würde deshalb bitten, daß der Herr Sachverständige auch zu diesem Punkt sein Gut-[4716] achten erstatten darf.

Vors.:

Ja gut, also auf Ihre Anregung hin kann das geschehen. Kann der Herr Sachverständige ... Sind Sie vorbereitet darauf.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich bin auf das Gutachten vorbereitet.

Vors.:

Dann würde ich Sie bitten, dieses Gutachten zu erstatten.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Es sollte ein Gutachten erstellt werden über Beschädigung an einem Fahrzeug Iso Rivolta, ob es sich bei den Beschädigungen, die erkennbar sind, um Schüsse handelt und[uuu] es sollte außerdem die Stellung des Schützen bestimmt werden. In dem Kofferaumdeckel befand sich ein Loch. Diese Beschädigung sind also in der Lichtbildtafel dargestellt.

Vors.:

Danke. Sind die in den Akten mit vorhanden,

Der Sachverständige legt die Originalaufnahmen der im Band 92, Blatt 262/4 ff. enthaltenen Bilder dem Gericht zum Augenschein vor. Er gab hierzu Erklärungen ab. Die Verfahrensbeteiligten hatten die Möglichkeit, an der Besichtigung der Bilder teilzunehmen.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Was hier abgebildet sind, sind Beschädigungen im Kofferraumdeckel. Es handelt sich hier ganz zweifelsfrei um Schußbeschädigungen, das ist auf jeden Fall erkennbar und in dem Fall muß[vvv] ich also auch wieder aus der Erfahrung ... Es gibt anhand eines Einschusses keine exakte Methode, um eine Schußrichtung zu bestimmen, sondern es gibt nur eine Näherungsmethode und auch diese Näherungsmethode ist plausibel. Man nimmt einen Stab, der in etwa dem Kaliber des Geschosses entspricht, gleich drunterliegt und paßt den so in das Schußloch ein, daß dieser Stab mit der Wandung des Schußloches, insbesondere mit dem Pegel, der so leicht nach innen gedrückt ist, allseitig einen gleichen Abstand an. Diese Versuche sind bei uns wiederholt gemacht worden, auch nacher wurde aus der ermittelten Schußrichtung geschossen, was hier in dem Fall nicht gemacht worden ist, um das Asservat nicht zu verändern. Es ergab sich in diesem Fall eine Schußrichtung, die aus diesen Bildern hier zu erkennen ist und zwar bezogen auf die oberen ... Und zwar[4717] den Stab und den Stab, es ist ein Schuß, der leicht nach oben und leicht von links nach rechts verläuft. Ich weiß nicht, ob es anhand dieser beiden Bilder erkennbar ist, wie die Schußrichtung verlaufen ist.

Vors.:

Läßt sich insbesondere abklären, daß der Schuß aus dieser Richtung kam, die Sie hier annehmen?

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, das ist also aus dem Kegel eindeutig erklärbar, in welcher[www] Richtung der Schuß gegangen ist. Es handelt sich also hier mit Sicherheit um einen Schuß, der aus, also der den Kofferraumdeckel von außen getroffen hat. Und entweder ist das Geschoß im Kofferraum liegengeblieben und daß irgendetwas aufgefallen war, was mir zur Untersuchung nicht vorlag, oder der Kofferraum war zur Zeit der Schußabgabe auf. Dafür, daß der Kofferraum auf war, spricht der zweite Schuß, der nur abgegeben sein kann, bei geöffneten Kofferraum, weil sonst eine zweite Beschädigung im Kofferraumdeckel hätte sein müssen.

Vors.:

Ich verstehe nicht ganz, was Sie jetzt meinen, der Kofferraudeckel sei geöffnet gewesen, wie Sie meinen, von außen getroffen worden.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja also das ist der Kofferraumdeckel von außen, das ist er von innen und der Schuß ist also in diese Richtung gegangen.

Vors.:

Ja, also die Seite, die normalerweise bei geschlossenem Deckel nach oben zeigt, von der Seite getroffen worden. Läßt sich eine korrespondierende Schußwirkung an weiteren Gegenständen, ließ sich die feststellen? Sie brauchen ja zwei Stellen, wie Sie ...

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja, auch damit kommt man nicht weiter, mit der zweiten Stelle, denn man kann beim Durchgang durch Materie nicht davon ausgehen, daß ein Geschoß gradlinig durchgeht. Das wird also, kann aus der Flugbahn abgelenkt werden, so daß darüber auch unter Zuhilfenahme einer zweiten Schußbeschädigung keine eindeutige Aussage gemacht werden kann.

Vors.:

Wenn wir davon ausgehen, daß dieses Fahrzeug mit dem Heck nach außen gestanden hat, dann müßte also der Schuß aus der Garage nach außen abgegeben worden sein.

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ja.

Vors.:

Unterstellen wir nun, die Türen wären geschlossen gewesen, wir wissen, zu einem bestimmten Zeitraum waren sie während des Geschehens geschlossen, ließ sich da irgendwas in der [4718] Türe finden, was Sie als passende Schußwirkung zu den hier festgestellten Schäden bezeichnen würden?>

Sachverst. Dr. Gr[ooß]:

Ich habe damals ...

RA Schi[ly]:

Verzeihung, ich beanstande den Vorhalt, Herr Vorsitzender, woher wissen Sie, daß sie zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen waren?

Vors.:

Weil die Beweisaufnahme uns in der Richtung schon gewisse Hinweise gegeben hat, ich habe gesagt: Unterstellen.

RA Schi[ly]:

Ne, ne, Sie haben gesagt: Wir wissen.

Vors.:

Wie sagte ich, ich darf es bitte nochmals wiederholen.

An dieser Stelle wurde das Band angehalten und die mit < > bezeichnete Stelle Bl. 4717 - 4718 den Verfahrensbeteiligten nochmals vorgespielt.

Ende des Bandes 262.

[4719] Vors.:

Es ist gesagt worden, es sei zu einem gewissen Zeitpunkt die Türe geschlossen gewesen. Sollte das zutreffen, dann müßte man annehmen, daß dieser Schuß, wenn er, wie Sie annehmen, von innen nach außen abgegeben worden ist, auch irgendwo die Türe beschädigt haben müßte.

Haben Sie die Türe auf solch eine Möglichkeit angeschaut?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ich habe die Türe damals gesehen, und über korrespondierende Schüsse zu sprechen, wenn die Anzahl der Schußbeschädigungen, die in dem zweiten Teil drin sind, größer ist als in dem ersten Teil und die Zuordnung dann, wenn also noch alles andere weiter ist, das halte ich ... und weil alles andere unklar ist, ob die Tür geschlossen war, ob sie halb auf war oder ob sie ganz auf war; diese Zuordnung bin ich nicht bereit, zu geben.

Vors.:

Die sollen Sie auch nicht, wenn Sie’s nicht können. Das verlangt kein Mensch von Ihnen.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, das ist mir nicht möglich.

Vors.:

Gut, also die Zuordnung ist nicht möglich. Danke.

Bitte weitere Fragen. Sofern es nicht anhand des Bildmaterials geschehen soll, würde ich bitten, dazu Platz zu nehmen, weils einfacher übertragen wird.

Herr Sachverständiger.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja ich komme dann gleich zu der zweiten Schußbeschädigung.

Vors.:

Könnten wir vielleicht doch mal zunächst wieder an den Platz gehen und diese erste Schußwirkung jetzt auch noch durch Fragen vertiefen lassen?

Sind beim Gericht zu diesem Teil des Gutachtens Fragen?

Ich sehe, nicht.

Die Herrn von der B. Anwaltschaft zu diesem Punkte, der eben erörtert worden ist?

OStA Z[eis]:

Zu Punkt 1, nein.[xxx]

[Vors.:]

Ich glaube, Herr RA Schily hat sich zunächst gemeldet. Bitte schön.

RA Schi[ly]:

Also dieses Bild, was Sie eben in Augenschein genommen haben, da ist also der geöffnete Kofferraumdeckel zu sehen mit diesem Stab in der gewissen Parallele zu dem Wagendach. [4720] Bezieht sich jetzt diese Schußrichtungsbestimmung, die also mit dieser Latte, oder wie ich das kennzeichnen soll, gekennzeichnet werden soll, und jetzt sagen wir einmal, nur auf die Relation zu dem Schußkanal in dem Blech dieses Kofferraumdeckels; ist das die einzige Feststellung die sozusagen getroffen werden kann?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

RA Schi[ly]:

Nicht. - Also das sagt nichts darüber aus, wie der Kofferraumdeckel, wie der also gestanden hat oder gelegen hat oder wie immer und sagt auch nichts über die Position des Autos aus und sagt also auch nichts darüber aus, wie der Schußkanal dann eigentlich verläuft, nicht? Die Bestimmung bezieht sich praktisch nur im Verhältnis auf das Blech des Kofferraumdeckels, ja? Ist das so richtig?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Der Wagen ist für diese Aufnahmen so angehoben worden hinten, wie er in etwa den Verhältnissen in der Garage entsprochen hat.

RA Schi[ly]:

Ja, aber das ist doch ne Unterstellung zunächst mal von Ihnen, nicht?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, die Garage ist ja nicht wesentlich größer als der Wagen, so daß da die Variation und der Fehler, der bei diesem Verfahren sowieso entsteht, miteingeht. Ich bin also in dem schriftlichen Gutachten zu der Aussage gekommen, daß es, bedingt durch die wahrscheinlichen Gegebenhei... daß die räumlichen Gegebenheiten in der Garage wahrscheinlich ist, daß dieser Schütze stehend etwa vor dem im Fahrzeug rechten Scheinwerfer, daß der Schuß vom Schützen vor dem rechten Scheinwerfer in etwa abgegeben worden ist, daß jedoch sämtliche anderen Haltungen, die mit dieser Schußrichtung in Einklang zu bringen sind, nicht ausgeschlossen werden können. Z. B. kann ich nicht ausschließen, daß der Schütze links geschossen hat, dann würde sich die Sache etwas verändern.

RA Schi[ly]:

Herr Dr. Grooß, ist es nicht so, daß dieses Blech, was hat das für’ne Stärke?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das dürfte so nen knappen Millimeter haben.

RA Schi[ly]:

... Millimeter. Also der Schußkanal, wenn Sie so wollen, der ist 1 mm?

[4721] Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, der Schußkanal ist doch etwas ...

RA Schi[ly]:

Einschuß, Ausschuß.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

... dadurch, daß die Sache frißt, da ... deformiert ... einiges länger.

RA Schi[ly]:

Ja, gut. Aber ist es nicht so, daß da schon ganz geringfügige Veränderungen im Winkel schon also ganz enorme Veränderungen des ... des ... der Schußrichtung ergeben?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, ich habe ja ...

RA Schi[ly]:

Also wissen Sie ...

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

... von vornherein gesagt, daß es ein Näherungsverfahren ist, daß man in etwa die Schußrichtung bestimmen kann, daß man die Schußrichtung bestimmt, ob der Schuß - in dem Fall - von innen nach außen oder von außen nach innen und eine Grobabschätzung der Stellung des Schützens. Ich habe nicht gesagt, daß es sich das hier um eine exakte Methode handelt.

RA Schi[ly]:

Also da gibt’s allenfalls gewisse Wahrscheinlichkeitswerte, aber sichere Werte kann man da überhaupt nicht ermitteln. Können Sie denn sozusagen einen Bereich ... ich hab das mal so gesehen bei einem Kollegen von Ihnen, der hat da sozusagen verändert diese Achse, die Achse, die mit diesem Stab ... Der hat dann den Bereich gekennzeichnet, indem er sagen könnte, da, das kann die Schußrichtung gewesen sein.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja. Mehr hab ich auch nicht gesagt, indem ich geschrieben habe, vom Schützen stehend etwa vor dem in Fahrtrichtung rechten Scheinwerfer abgegeben worden, etwa vor dem Scheinwerfer und daß alle anderen Haltungen mit der Waffe zwischen Garage und Kofferraumdeckel, die mit der aufgezeigten Schußrichtung übereinstimmen, nicht ausgeschlossen werden können. Es ist ja ein Schuß ja auch so möglich.

RA Schi[ly]:

Ja, vielleicht auch von einem anderen Standort?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Anhand der Beschädigungen ist also ein Standpunkt vor dem linken Scheinwerfer - oder Augenblick, was hat es ... - also vor dem andern Scheinwerfer des Wagens nicht vorstellbar. Dann würde diese Beschädigung ganz wesentlich anders aussehen.

RA Schi[ly]:

Ja, wie würde sie aussehen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Da würde der Trichter in die andere Richtung zeigen. Sie haben ja zwischen dem Scheinwerfer und dem offenstehenden [4722] Kofferraumdeckel - und gehen wir mal von der Voraussetzung aus, daß er offen war, denn für den zweiten Schuß, der sich im Fahrzeug befindet, muß er offen gewesen sein, sonst [yyy] wäre eine zweite Schußbeschädigung im Kofferraumdeckel.

RA Schi[ly]:

Aber Sie wissen doch nicht, in welchem Winkel er gestanden hat, dieser Kofferraumdeckel?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja, da gehe ich von der Annahme aus, daß er in dem Winkel gestanden hat, wenn er geöffnet ist, daß er also nicht zugehalten wurde oder sowas.

RA Schi[ly]:

Ja, wenn er nun aufgelegen hat auf[zzz] irgendwas?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

’S gibt ja nur zwei stabile Lagen bei den meisten Fahrzeugen: Entweder der Kofferraumdeckel ist eingerastet oder er steht auf ...

RA Schi[ly]:

... oder er liegt auf, das gibt’s z. B. auch. Wenn im Kofferraum was drin ist, der liegt auf. Das gibt’s auch.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Wenn da eine ernsthafte Abweichung zum geöffneten Kofferraumdeckel der Fall gewesen wäre, würde auch dann der Schußkanal anders aussehen können.

RA Schi[ly]:

Also diese Feststellung hängt dann davon ab, ob man ne sichere Feststellung auch treffen kann, wie die Lage des Kofferraumdeckels war, ja?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja. Diese Annahme habe ich auch in der Form wohl in dem Gutachten stehen.

RA Schi[ly]:

Gut, danke. Dann habe ich in dem Punkt keine weiteren Fragen mehr.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann, bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Drei Fragen, Herr Dr. Grooß:

Können Sie mit Sicherheit aus den Einschußspuren die Position des Schützen bestimmen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das hab ich eben grade gesagt, daß ich das nicht mit Sicherheit ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es tut mir leid. Diese Frage ist nun wirklich eingehend beantwortet worden und war weitgehend auch Gegenstand der Erörterungen mit Herrn RA Schily.

RA Dr. He[ldmann]:

Gut, Frage 2:

Können Sie aus der Schußspur das Kaliber des Geschosses und die Größe des Geschosses, also etwa ein Gewehrgeschoß, ein Maschinen- [4723] pistolengeschoß oder ein Revolvergeschoß bestimmen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Also wenn die Kaliber annähernd gleich sind, wie z. B. Kaliber, die hier in diesem Verfahren offensichtlich eine Rolle spielen, wie Kaliber 38 als Revolvermunition und 9 mm Parabellum als Maschinenpistolenmunition, so ist diese Unterscheidung nicht möglich anhand des Schusses, des Schußloches.

RA Dr. He[ldmann]:

Die 3. Frage:

Können Sie aus den Schußspuren etwas schließen auf die Entfernung des Schützen?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das ist nicht mein Arbeitsgebiet, aber ich kann dazu etwas sagen.

Die Schußentfernungsbestimmung ist möglich im Nahbereich, sofern bei Faustfeuerwaffen die ... der Bereich bis 60 cm ungefähr angesprochen ist. Für größere Entfernung ist also die Schußentfernung bei diesen Kalibern nicht möglich, und es dürfte prinzipiell aus der ganzen physikalischen Sache der Schußentfernungsbestimmung sehr zweifelhaft sein[aaaa], ob bei einem glatten Gegenstand, wie hier bei einem Lack, eine Schmauchspur erkennbar ist, die für eine Schußentfernungsbestimmung herangezogen werden kann.

RA Dr. He[ldmann]:

Und worauf stützen Sie Ihre Annahme, daß es sich um eine Faustfeuerwaffe gehandelt habe?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Soweit mir bekannt ist, sind Langwaffen innerhalb der Garage nicht gewesen.

[bbbb]

RA Dr. He[ldmann]:

Darauf stützen diese Angaben?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Außerdem hatten Sie gefragt gehabt nach ner Maschinenpistole und nach nem Revolver ...

RA Dr. He[ldmann]:

... oder ein Gewehr.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Dann geht die Nachweisgrenze etwas weiter. Aber bei den glatten Materialien, wie wir es hier zu tun haben, mit Lack und Chrom, ist eine Schußentfernungsbestimmung mit einem Ergebnis nicht zu erwarten.

RA Schi[ly]:

Darf ich nen Moment unterbrechen?

Also auf die Frage des Kollegen Dr. Heldmann, inwiefern Sie festgestellt haben, also davon ausgegangen sind, daß es sich um eine Faustfeuerwaffe gehandelt habe, haben Sie erklärt, weil Ihres Wissens in der Garage keine andere Waffe benutzt [4724] worden sei, haben Sie das als sichere Feststellung dem zugrundegelegt.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Ja aber -

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das war also keine Antwort als Sachverständiger.

RA Schi[ly]:

Ich bitte um fünf Minuten Pause.

Vors.:

Darf ich fragen, zu welchem Grunde?

RA Schi[ly]:

Ich werd mit den Kollegen erörtern müssen, ob ich einen weiteren Antrag stellen muß.

Vors.:

Herr B. Anwalt, bitte sehr.

OStA Ze[is]:

Darf ich dazu vielleicht auch zur Überbrückung der Pause um folgendes bei Ihnen nachfragen:

Die Bundesanwaltschaft erwägt, gegen Pflichtverteidiger weitere Entpflichtungsanträge zu stellen.[36]

Ist es richtig, daß Herr RA Dr. Heldmann auch heute morgen unentschuldigt der Hauptverhandlung ferngeblieben[37] ist?

Vors.:

Das ist richtig. Ich habe mir die Frage schon vornotiert. Ich wollte mich an dem Prinzip, daß die Vernehmung anwesender, insbesondere auswärtiger Zeugen, Vorrang hat, festhalten, und ich hätte die Frage von mir aus gestellt. Wir wollen sie aber jetzt nicht im Zusammenhang mit der Erörterung der Notwendigkeit der Pause weiter vertiefen.

Herr Rechtsanwalt, ich habe also jetzt keine große Neigung, Ihnen schon wieder eine Pause einzuräumen, denn Sie hatten heute früh aus demselben Anlaß das gehabt. Ich meine, wenn Sie glauben, Anlaß zu haben, dann müßte das auch jetzt geschehen können. Es muß ja jetzt hier nicht direkt im Anschluß sein, sondern die Überlegung kann man ja dann unter Umständen auch dann anstellen, wenn sonst jemand fragt und vielleicht das Fragen sind, die nicht so interessant für Sie erscheinen. Ich weiß es nicht, ob das bei Ihnen der Fall ist, daß es eine Frage gibt, die Sie weniger interessiert.

RA Schi[ly]:

Also ich glaube, bei der Befragung von Herrn Dr. Grooß gibt es eigentlich fast keine Frage, die mich nicht interessieren würde, und insofern würde ich doch bitten, da ja doch sonst auch jetzt mitunter recht großzügig Pausen bemerkenswerterweise, und das find ich auch ... - nein, das unterlaß ich jetzt - jedenfalls: Für einen solchen Antrag wär’s vielleicht [4725] doch zweckmäßig, wenn Sie mir diese Pause von fünf Minuten - das ist ja nicht unbescheiden, sondern das ist eine ganz bescheidene Pause, weil ich erwägen will, ob ich einen Antrag in der in etwa verständlichen Richtung stellen muß oder nicht. Vielleicht komm ich also nach Beratung mit dem Kollegen Dr. Heldmann zu dem Schluß, daß ein Antrag in dieser Richtung unterbleibt. Das ist vielleicht doch sinnvoll, daß man der Verteidigung eine Bedenkpause mal gibt für ...

Vors.:

Ich möchte jetzt keine weitere Begründung wegen der Pause mehr, weil ich beabsichtige, ihr stattzugeben. Nur möchten wir hier noch eine Frage vom Tisch aus vorher stellen lassen.

Richter Dr. Ber[roth]:

Herr Dr. Grooß, ich hab nur eine Frage:

Sie haben ein Schußrichtungsgutachten uns gerade erstattet. Sie haben sich jetzt dazu geäußert über den Standpunkt in der Garage.

Wissen Sie denn, ob dieser Durchschuß im Kofferraumdeckel in der Garage stattgefunden hat oder im Wald oder auf der Straße?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Nein, dazu kann ich nichts sagen. Ich gehe von der Voraussetzung aus, daß diese Schüsse in der Garage waren, daß der Wagen diese Schußbeschädigung in der Garage bekommen hat. Das ist aber Arbeitsgrundlage von mir gewesen.

Vors.:

Aber das sind Prämissen, die Sie nicht selbst überprüfen können.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Das kann ich.

Vors.:

Ich habe noch bloß, weil offenbar die B. Anwaltschaft hier gewisse Erwägungen anstellt, die Frage an Sie, Herr RA Dr. Heldmann - dann kann die Pause auch in dieser Richtung benützt werden, sich Überlegungen zu machen -:

Sie hatten heute früh gefehlt. Irgendeine Mitteilung, welche Gründe dafür vorlagen, sind nicht eingegangen. Das ist für mich um so erstaunlicher, als ich Sie gestern gebeten hatte, Ihr vorgestriges Abwesendsein zu belegen und eine Erklärung dazu abzugeben, wobei, was ich gestern überhört habe, Sie geäußert haben sollen, da könne ich bis zum nächsten Jahr warten, bis Sie diese Erklärung abgeben würden.

RA Dr. He[ldmann]:

Da haben Sie mich nicht ganz vollständig verstanden.

[4726] Vors.:

Nein, das hab ich gar nicht verstanden, es ist mir erst nachträglich mitgeteilt worden, daß Sie Solches gesagt haben sollen.

RA Dr. He[ldmann]:

Das ist unvollständig wiedergegeben.

Ich hab Ihnen gesagt:

Nachdem Sie hier in der öffentlichen Hauptverhandlung mein vorgestriges Ausbleiben in der Sitzung gerügt haben im Sinne einer Pflichtverletzung - hier in öffentlicher Hauptverhandlung -, habe ich darauf bestanden, hierauf sofort zu erwidern, während Sie mich dann aufgefordert haben, diesen Anwurf in öffentlicher Hauptverhandlung zu beantworten über Ihr Vorzimmer; und dazu habe ich mich geweigert, und selbstverständlich halte ich diese Weigerung aufrecht. Wenn Sie meinen, aus meinem Fortbleiben den Schluß ziehen zu müssen, mein Fortbleiben am vorgestrigen Tage, von dem Sie wissen, daß ich drüben in der Vollzugsanstalt mit meinem Mandanten Besprechungen zu führen hatte, die verteidigungsnotwendig waren, wenn Sie daraufhin den Anlaß sehen, mir in öffentlicher Hauptverhandlung Pflichtverletzungen nachzusagen und mir gleichzeitig verwehren, sofort hierauf zu erwidern, mich statt dessen verweisen auf Abgabe von Erklärungen in Ihrem Vorzimmer, wo Sie genau wissen, daß Sie selbst sich von mir weder persönlich noch telefonisch noch sprechen lassen - Sie verweisen mich nur immer auf Ihr Vorzimmer -, darauf hab ich Ihnen gesagt, wenn nicht hier, dann mögen Sie auch ruhig bis zum nächsten Jahr oder von mir aus auch bis zur nächsten Steinzeit warten.

Vors.:

So lange werden wir wohl kaum Geduld haben. Aber, Herr Rechtsanwalt, da ich Ihnen die Gelegenheit eingeräumt habe, bis heute Stellung zu nehmen, weiß ich nicht - ich kann’s jetzt nicht belegen, welche Worte ich gebraucht habe -, ob ich Ihnen schon, wie Sie jetzt behaupten, Pflichtwidrigkeit vorgeworfen hätte; ich habe nur festgestellt, objektiv, Sie hätten gefehlt, obwohl Ihre Anträge, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, nicht positiv beschieden worden seien. Sie haben vielleicht die Pflichtwidrigkeit gleich hineingeheimnist. Ein Anwurf, wie Sie sagen, war es jedenfalls nicht. Ich möchte Sie aber jetzt bitten, vielleicht in der Hauptverhandlung ganz kurz, bevor wir in die [4727] Pause eintreten, zu erklären, warum Sie heute früh ohne eine Erklärung der Hauptverhandlung ferngeblieben sind.

RA Dr. He[ldmann]:

Aha, jetzt sind Sie damit einverstanden, daß ich’s in öffentlicher Hauptverhandlung mache?

Vors.:

Ich bin deswegen damit einverstanden, daß die Pause in dieser Richtung ausgenützt werden kann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich mach es gerne.

Ihre Verhandlungsführung gestern hat mir hinreichenden, ich möcht sogar sagen, Anlaß im Übermaß zu geben, darüber nachzudenken, ob ich vor diesem Senat überhaupt noch weiter auftreten kann, und darüber habe ich also bis heute mittag nachgedacht.

Vors.:

Wir machen jetzt eine Pause.

Herr RA Schily, Sie haben vorhin bzw. heute früh die fünf Minuten pünktlich eingehalten. Ich wäre dankbar, wenn das wieder geschähe.

Pause von 15.37 Uhr bis 15.49 Uhr.

Vors.:

Die Pause hat sich nun - nicht von unserer Seite, sondern von anderer Seite - noch etwas verzögert.

Herr RA Schily, Sie hatten die Pause für sich erbeten.

RA Schi[ly]:

Von meiner Seite hat sich’s nicht verzögert. Ich hab also die fünf Minuten eingehalten, aber ich hab keinen Antrag zu stellen.

Vors.:

Sind weitere Fragen an den Herrn Sachverständigen zu diesem Punkte - Kofferraumdeckel - nicht?

Herr B. Anwalt Zeis, sind Sie dran interessiert, auch noch den weiteren Teil des Gutachtens ...?

OStA Ze[is]:

(zunächst unverständlich) ... würde mich schon interessieren.

Vors.:

Herr Sachverständiger, Sie kennen ja Ihr Gutachten und haben’s auch, wie ich sehe, vor sich liegen. Es behandelt noch einen anderen Punkt betreffend eine Schußbeschädigung.

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ums nochmals zu sagen.

Ich gehe also von folgenden Voraussetzungen aus:

Die Schußbeschädigungen in dem Fahrzeug sind in der Garage entstanden, und das Fahrzeug stand mit der Spitze, also mit dem Motor, nach vorne in der Garage drin.

[4728] Und weiterhin bin ich von der Voraussetzung ausgegangen, daß entweder der Kofferraum geschlossen oder angelehnt war für den ersten Schuß und nicht in einer Zwischenstelle gestanden habe, in einer Stelle, die nicht stabil ist, die gehalten werden müßte.

Vors.:

Und nur[cccc] wenn diese Voraussetzungen überhaupt zutreffen, hätte Ihre Begutachtung Gültigkeit?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Ja.

Es geht dann um die zweite [dddd] Schußbeschädigung. Die befindet sich im Kofferraum rechts am Verstärkungs ... der Kofferraumdeckelauflage und an dem Chromrahmen des rechten Schlußleuchtengehäuses. Es handelt sich hierbei um korrespondierende Schüsse, d. h. diese Beschädigungen sind durch ein Projektil verursacht worden. In diesem Fall muß der Kofferraumdeckel geöffnet gewesen sein, weil sonst eine weitere Schußbeschädigung in dem Kofferraumdeckel vorhanden gewesen sein muß. Als Schußrichtung ist die Richtung auch anzugeben, die in den Bildern 7 und 8 dargestellt ist.

Der Sachverständige gibt Erklärungen anhand der Bilder Bd 92 S 262/9 u. 10, Bild 7 u. 8 ab. Die Bilder werden von sämtlichen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen.

Das ist die Beschädigung an der ... des Kofferraumdeckels, das ist eindeutig ein Einschuß, hier eindeutig ein Ausschuß an der Chromleiste des Schlußlichtes, und die Schußrichtung ergibt sich aus diesen beiden Bildern. Das ist also ein nach unten abfallender Schuß.

Vors.:

Und unter der Annahme, daß dieser Schuß in der Garage abgegeben worden wäre, wo wäre nun auf den Bildern vorzuweisen, wo der Schütze stand?

Sachverst. Dr. Gro[oß]:

Er ist ungefähr in Höhe dieser Beifahrertüre gestanden.

Vors.:

Sonstige Fragen?

Vielen Dank.

Ich habe die Absicht, den Herrn Sachverständigen, soweit er als Zeuge Angaben gemacht hat, zu vereidigen.

Sind Anträge auf Vereidigung als Sachverständiger?[38]

RA Li[nke]:

Ja.

[4729] Vors.:

Sie beantragen das.

RA Schi[ly]:

Moment, ich widerspreche einer Beeidigung als Zeuge, weil nicht klar gekennzeichnet ist, welchen Bestandteil seiner Erklärungen er als Sachverständiger und welchen er als Zeuge vorgenommen hat.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Herr RA Schily, es handelt sich bei den Zeugenaussagen um den Teil der Befragung, der stattgefunden hat zwischen Ihrem Ablehnungsantrag und den Ergänzungen, die dazugekommen sind, insbesondere Herr RA Linke hat hier in[eeee] diesem Zusammenhang eingeleitet, er habe noch zwei Fragen - ich mache das jetzt nur zur Charakterisierung -, und diese Fragen haben sich dann etwas summiert. Dieser Teil ist gemeint.

RA Schi[ly]:

Ich halte diesen Widerspruch aufrecht, weil ich eine solche Kennzeichnung für nicht ausreichend halte, auch für den Zeugen nicht klar erkennbar, was nun Gegenstand seiner Befragung als Zeuge und als Befragung als Sachverständiger ...

Vors.:

Da der Zeuge ohnedies beeidigt wird, ist es also für ihn von nicht so erheblicher Bedeutung.

RA Schi[ly]:

Ich, wie gesagt, widerspreche, weil meiner Meinung nach eine klare Abgrenzung hier nicht vorhanden ist.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Die Vereidigung wird so durchgeführt, daß er als Zeuge in diesem Umfange vereidigt wird; im übrigen als Sachverständiger.

Der Sachverständige wird zunächst als Zeuge und anschließend als Sachverständiger vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 15.58 Uhr entlassen.

Vors.:

Herr RA Schily, es steht noch aus ein gestern angekündigter Aussetzungsantrag.

RA Schi[ly]:

Darauf wollte ich jetzt zu sprechen kommen.

Vors.:

Der ist ja gestellt - Ihr Antrag.

RA Schn[abel]:

(ist nicht verständlich).

Vors.:

Ach, ein zusätzlicher Antrag. Entschuldigung, aber Herr RA Schily hat zunächst nun die Gelegenheit, den Aussetzungsantrag, der gestern angekündigt war, zu stellen.

[4730] RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, wir hatten ja gestern abend eine kleine Kontroverse über den Zeitpunkt des Aussetzungsantrages, und ich hatte ja angekündigt, daß ich den Aussetzungsantrag heute vormittag stellen wollte. Ich hätte den auch heute morgen gestellt, weil ich der Ansicht bin und diese Ansicht auch aufrechterhalte, daß die Verteidigung darüber zu entscheiden hat, wann sie den richtigen Zeitpunkt für gekommen hält, einen Aussetzungsantrag zu stellen und wann nicht. Ich habe aber gestern erfahren, daß die B. Anwaltschaft keine Möglichkeit hat, vor Dienstag nächster Woche zu einem solchen Antrag Stellung zu nehmen, und unter diesen Umständen stelle ich den Antrag bis Dienstag nächster Woche zurück.

Vors.:

Herr RA Schnabel, bitte schön.

RA Schn[abel]:

Ich möchte den heute morgen angekündigten Antrag präzisieren.

Ich beantrage

die Ladung und Vernehmung des Sachverständigen Frey Sulzer[ffff],

zu laden über die Kriminalpolizei der Stadt Zürich, einer international anerkannten, durch viele Veröffentlichungen und eine reiche Gutachtertätigkeit qualifizierten Persönlichkeit,

zum Beweis dafür, daß

1. er über wissenschaftlich gesicherte Methoden zur Identifizierung von Schußwaffen aufgrund gefundener Geschoßsplitter und Teile verfügt, die dem Erfahrungswissen der bisher vernommenen und sich widersprechenden Gutachter überlegen sind;

2. die in dem vorliegenden Verfahren gefundenen Munitionsteile zur Identifizierung aufgrund dieser wissenschaftlichen Methoden nicht ausreichend sind.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wir können sicher hier einen schriftlichen Antrag bekommen.

RA Schn[abel]:

Nein, ich habe nur ein Konzept.[gggg]

[Vors.:]

Sonstige Wortmeldungen dazu? Wenn nicht, dann darf ich darauf hinweisen, daß wir die Sitzung

am kommenden Dienstag um 9.00 Uhr

fortsetzen.

[4731] Vorgesehen sind die Zeugen Mondry

- dafür maßgeblich sind, soweit ich hier sehe, die O. 97 und möglicherweise 88;

Zeuge Federau

- maßgeblich O. 97;

und der Zeuge Pöter

- auch O. 97; möglicherweise käme auch noch der O. 95 in Betracht.

Soweit das Sitzungsprogramm des Senates vorsieht, wären das die abschließenden Zeugen für den Komplex Hofeckweg - es käme natürlich jetzt die Frage noch, ob zu diesem Komplex nicht noch ein zusätzlicher Gutachter anzufordern wäre.

Wir würden dann bis zum 22.12. beginnen, im Anschluß daran, d. h. ab nächsten Mittwoch, mit dem Komplex Festnahme der Frau Ensslin.

Damit ist die Sitzung für heute geschlossen.

Ende der Hauptverhandlung um 16.00 Uhr.

Ende von Band 263.


[1] Der Angeklagte Raspe wurde am 52. Verhandlungstag nach § 177 GVG i.V.m. § 231b StPO wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung für die Dauer des restlichen Sitzungsmonats von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (S. 4524 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[2] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO), dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden, wie dies auch für die Rechtsanwälte Dr. Heldmann und Schily geschehen war.

[3] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[4] § 72 StPO erklärt die Vorschriften für Zeug/innen auch für Sachverständige anwendbar, wenn nicht in den nachfolgenden Vorschriften Abweichendes geregelt ist. § 79 StPO enthält eine solche Abweichung im Vergleich zu § 57 StPO a.F. im Hinblick auf die Vereidigung: Während die Vereidigung für Zeug/innen im Regelfall vorgesehen war, findet die Vereidigung von Sachverständigen nach dem Ermessen des Gerichts statt; die Regel ist hier die Nichtvereidigung (BGH, Urt. v. 22.2.1967 - Az.: 2 StR 2/67, BGHSt 21, S. 227, 228). Heute ist auch die Vereidigung für Zeug/innen nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen (§ 59 StPO).

[5] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[6] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[7] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[8] Anlage 1 zum Protokoll vom. 4. Dezember 1975: Aussagegenehmigung für KHM Heinz.

[9] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sah § 59 StPO a.F. die Vereidigung von Zeug/innen noch als Regelfall vor, wenn nicht ein Vereidigungsverbot (§ 60 StPO a.F.) vorlag. Nach § 61 StPO a.F. konnte das Gericht zudem in Ausnahmefällen von der Vereidigung absehen.

[10] Verbundene Verfahren können nach § 4 Abs. 1 Var. 1 StPO auch nach Eröffnung der Hauptverhandlung auf Antrag oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluss getrennt werden, wenn dies zweckmäßig ist (vgl. § 2 Abs. 2 StPO). Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich im Hinblick auf eine/n Mitangeklagte/n besondere Verfahrensverzögerungen ergeben, wie die fehlende Verteidigung einer Angeklagten, gegen die aufgrund der notwendigen Verteidigung (Fn. 2) nicht hätte verhandelt werden dürfen. Da den Angeklagten aber zusätzlich zu den Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Verteidiger (gegen ihren Willen) zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren, konnte die Hauptverhandlung trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) stets weitergeführt werden, auch wenn die Vertrauensverteidiger/innen nicht anwesend waren. Die Angeklagten weigerten sich allerdings, mit den von ihnen abgelehnten Verteidigern zu sprechen. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung). Auch in der Literatur war diese Vorgehensweise - die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen - lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 - Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 - Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 - Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[11] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[12] Anlage 2 zum Protokoll vom 4.12.1975: Aussagegenehmigung für KHK Martin.

[13] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[14] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2). Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; s. zur Abgrenzung Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).

[15] Anlage 3 zum Protokoll vom 4.12.1975: Schreiben des KHK Martin an KT VI (Waffenfund).

[16] Anlage 4 zum Protokoll vom 4.12.1975: Genehmigung der Gutachtenerstattung für den Sachverständigen Dr. Grooß.

[17] Anlage 5 zum Protokoll vom 4.12.1975: Aussagegenehmigung für den Wissenschaftlichen Rat Dr. Grooß.

[18] Zusammenhängende Strafsachen, die einzeln zur Zuständigkeit von Gerichten verschiedener Ordnung (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) gehören, können nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StPO verbunden werden und so gemeinsam bei dem Gericht der höheren Ordnung anhängig gemacht werden. Daraus wird der Schluss gezogen, dass dies erst recht möglich sein muss, wenn die zusammenhängenden Strafsachen zur Zuständigkeit von Gerichten gleicher Ordnung gehören (Börner, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 8). Ein Zusammenhang ist nach § 3 StPO etwa gegeben, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter/in oder Teilnehmer/in beschuldigt werden. In diesem Verfahren liegen beide Fälle vor: Die Angeklagten werden einzeln mehrerer Taten beschuldigt, zudem wird ihnen bei den meisten dieser Taten eine gemeinschaftliche Begehung als Mittäter/innen vorgeworfen.

[19] Während bis zum 31.12.1974 die sog. „Blockverteidigung“ - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, mithin auch nur im Namen des/der jeweiligen Angeklagten sprechen. Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls). Da die Gründung bzw. Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) aber allen Angeklagten vorgeworfen wurde, ließ der Vorsitzende in begrenztem Umfang auch Fragen der Verteidiger/innen nicht unmittelbar von einem Vorgang betroffener Angeklagter zu, solange hierdurch Rückschlüsse auf die Struktur oder die Absprachen innerhalb der Vereinigung gezogen werden konnten, so etwa die Frage, ob das Schießen auf Polizeibeamt/innen im Notfall zu den Grundsätzen der RAF gehört habe (s. dazu S. 4108 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 48. Verhandlungstag).

[20] Die/Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen der Verteidigung nach § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen. Wird dies durch eine/n Prozessbeteiligte/n beanstandet, so entscheidet das Gericht (§ 238 Abs. 2 StPO), in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[21] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[22] Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übt als Strafverfolgungsbehörde das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 142a Abs. 1 GVG) aus. Diese Zuständigkeit des OLG für Strafsachen in erster Instanz ist nur für besondere Straftaten gegeben, etwa für Hoch- und Landesverrat (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GVG). Der Generalbundesanwalt kann zudem die Strafverfolgung für Strafsachen, die eigentlich zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören würden, wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernehmen, was in der Folge ebenfalls zur Zuständigkeit des OLG in erster Instanz führt (§§ 120 Abs. 2, 74a Abs. 2 GVG).

[23] Der Grund, aus welchem Sachverständige abgelehnt werden, muss nach § 74 Abs. 3 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung, als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt.

[24] Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, die auch zur Ablehnung von Richter/innen berechtigen. Darunter fällt nach § 22 Nr. 4 StPO auch die Tätigkeit in derselben Sache als Polizeibeamt/innen, oder als Beamt/innen der Staatsanwaltschaft. Auch abseits der Voraussetzungen des § 22 Nr. 4 StPO kommt aber aufgrund des Dienstverhältnisses eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (§§ 72, 24 Abs. 2 StPO) in Betracht. Dafür kommt es entscheidend darauf an, ob die abgelehnte Person eigenständige Ermittlungstätigkeiten unternommen hat. Mit Urteil vom 11.1.1963 entschied der BGH, dass „Beamte des Bundeskriminalamtes, die im Ermittlungsdienst als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft eingesetzt sind, [...] in aller Regel als Sachverständige mit Erfolg wegen Befangenheit abgelehnt werden“ (amtl. Leitsatz). In dem konkreten Fall stellte der BGH jedoch explizit darauf ab, dass der Sachverständige als Mitglied der Sicherungsgruppe und nicht etwa in der kriminalwissenschaftlichen Abteilung des BKA tätig gewesen sei. Als Beamter der Sicherungsgruppe sei er Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft, der nicht lediglich beratend tätig werde, sondern vor allem sicherheitspolizeiliche Aufgaben wahrnehme. Dies begründe auch aus der Sicht objektiver Angeklagter die Besorgnis, dass Beamt/innen der Sicherungsgruppe aufgrund ihrer organisatorischen und sachlichen Verbindung zur Ermittlungsbehörde „von ihrer pflichtmäßigen Tätigkeit im Dienste der Bekämpfung von Staatsgegnern beeinflußt sind und daher nicht unbefangen urteilen“ (BGH, Urt. v. 11.1.1963 - Az.: 3 StR 52/62, BGHSt 18, S. 214, 217).

[25] Auch in dieser Entscheidung blieben die Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes nach §§ 72, 22 Nr. 4 StPO ungeklärt. Der BGH bejahte aber die Voraussetzungen der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach §§ 72, 24 Abs. 2 StPO damit, dass der betroffene Sachverständige, der sogar die ersten Ermittlungstätigkeiten im konkreten Verfahren geführt hatte, im Dienst der für die Strafverfolgung zuständigen Staatsanwaltschaft stehe, was - obwohl er in der kriminaltechnischen Abteilung und nicht wie in der Entscheidung BGHSt 18, S. 214 (Fn. 24) in der Sicherungsgruppe tätig sei - mit den Erwägungen aus BGHSt 18, S. 214 vergleichbar sei. Der Fall unterscheide sich insofern von den „Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft eine ihr nicht eingegliederte Stelle um ein Gutachten angeh[e]“ (BGH, Urt. v. 28.1.1964 - Az.: 1 StR 558/63, BeckRS 1964, 00119).

[26] S. dazu die Ausführungen des OStA Zeis am 51. Verhandlungstag, S. 4356 des Protokolls der Hauptverhandlung.

[27] S. 4357 f. des Protokolls der Hauptverhandlung (51. Verhandlungstag).

[28] Dort heißt es: „Ob wegen einer Tätigkeit im Auftrage der Polizei oder als Hilfsarbeamter der Staatsanwaltschaft die Ablehnung eines Sachverständigen als befangen gerechtfertigt ist, wird sich nach dem Einzelfalle richten; im allgemeinen wird ein Ablehnungsantrag dann allerdings Erfolg haben, wenn der Sachverständige bei der Ermittlung vor allen sicherheitspolizeiliche Aufgaben wahrgenommen hatte“ (BGH, Urt. v. 12.7.1955 - Az.: 5 StR 109/55, abrufbar unter: https://research.wolterskluwer-online.de/document/fa4d02bb-db64-447b-b957-06e60b1db2ed, zuletzt abgerufen am: 26.09.2021).

[29] Dort heißt es: „Für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (§§ 72, 24 Abs. 2 StPO) ist die Tatsache entscheidend, ob die abgelehnte Person eigenständige Ermittlungstätigkeiten unternommen hat. Dass ein Sachverständiger wiederholt von der Polizei oder Staatsanwaltschaft herangezogen wurde, ist dagegen nicht ausreichend. Viel mehr spricht dies für die Qualifikation des Sachverständigen das erforderliche Gutachten zu verfassen. Zudem sind Sachverständige in dieser Rolle „organisatorisch von der Polizei getrennt […] und unterliegen daher niemals den Weisungen [der Staatsanwaltschaft]“ (BGH, Urt. v. 11.1.63 - Az.: 3 StR 52/ 62, BGHSt 18, 214, 215 f.).

[30] In der Rechtsprechung des Reichsgerichts war anerkannt, dass der Sachverständige sich zur Vorbereitung seines Gutachtens am Tatort über die Verhältnisse unterrichten könne (RG, Urt. v. 28.09.31 - Az.: 2 D 350/31, HRR 1932, Nr. 213 b); Alsberg-Nüse, Der Beweisantrag im Strafprozess, 2. Aufl. 1956, S. 241 f.).

[31] Anlage 6 zum Protokoll vom 4. Dezember 1975: Lichtbildtafel (Tatgeschosse).

[32] Anlage 7 zum Protokoll vom 4. Dezember 1975: Lichtbildtafel (Tatgeschosse Feldereindruck).

[33] Anlage 8 zum Protokoll vom 4. Dezember 1975: Lichtbildtafel (Vergleichsgeschoss aus „Smith & Wesson“).

[34] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[35] Anlage 9 zum Protokoll vom 4. Dezember 1975: Tafel II, Vergleich Tatgeschoss mit Vergleichsgeschoss (Feldereindruck).

[36] Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) war ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, dass demnächst ein/e andere/r Verteidiger/in gewählt wird und diese/r die Wahl annimmt (§ 143 StPO a.F.; heute: § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO). Überwiegend wurde aber angenommen, dass die Zurücknahme der Bestellung auch über diesen Fall hinaus aus einem wichtigen Grund zulässig ist (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 244), so etwa im Falle eines zerstörten Vertrauensverhältnisses (heute § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO) oder grober Pflichtverletzungen (s. bereits Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Mit Verfügung vom 7.11.1975 wurde bereits die Bestellung des Rechtsanwalts von Plottnitz zum Pflichtverteidiger für Jan-Carl Raspe aufgehoben (die Verfügung ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.; s. hierzu auch die auf diese Verfügung gestützte und am 43. Verhandlungstag im Namen des Angeklagten Raspe von Rechtsanwalt Mairgünther vorgetragene Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit, S. 3308 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die Bestellung der Rechtsanwältin Becker zur Pflichtverteidigung der Angeklagten Ensslin wurde mit Verfügung vom 17.10.1975 aufgebhoben (s. S. 3146 des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag), wobei die Gründe für die Entpflichtung nicht aus dem Protokoll hervorgehen. Im Laufe der Hauptverhandlung wurden - mit Ausnahme des Rechtsanwalts Schily - alle beigeordneten Vertrauensverteidiger/innen wieder entpflichtet.

[37] Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).

[38] Sachverständige können nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden (§ 79 StPO), wobei der Regelfall die Nichtvereidigung darstellt (s. Fn. 4). Nach damaliger Rechtslage war die Vereidigung aber zwingend, wenn dies durch die Staatsanwaltschaft, Angeklagte oder die Verteidigung beantragt wurde (§ 79 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.).


[a] Handschriftlich eingefügt: etwas

[b] Maschinell ersetzt: hatte durch erinnere mich

[c] Maschinell durchgestrichen: Ich möchte Ihnen noch hier aus Bd.

[d] Handschriftlich eingefügt: man

[e] Maschinell durchgestrichen: Herr Martin, ich möchte

[f] Maschinell durchgestrichen: ich

[g] Handschriftlich eingefügt: für

[h] Maschinell ergänzt: Sachverständiger

[i] Handschriftlich eingefügt: es

[j] Maschinell eingefügt: u. a.

[k] Maschinell eingefügt: vorgetragen

[l] Maschinell eingefügt: und

[m] Maschinell eingefügt: an

[n] Maschinell durchgestrichen: an der

[o] Maschinell durchgestrichen: RA Li.

[p] Handschriftlich durchgestrichen: (Text unleserlich)

[q] Maschinell durchgestrichen: ist

[r] Maschinell durchgestrichen: die war mir bekannt

[s] Maschinell eingefügt: (mit einer Zigarette in der Hand)

[t] Maschinell durchgestrichen: gestellt

[u] Handschriftlich ersetzt: ...mikroskopischen durch rastermikroskopischen

[v] Maschinell eingefügt: um

[w] Handschriftlich ersetzt: Konkurenz durch Kongruenz

[x] Maschinell eingefügt: so

[y] Maschinell ersetzt: wir durch denkt man,

[z] Handschriftlich ersetzt: einstellen durch anstellen

[aa] Handschriftlich durchgestrichen: unendlichen

[bb] Maschinell eingefügt: hier

[cc] Handschriftlich ersetzt: geklaut durch geglaubt

[dd] Handschriftlich eingefügt: hab

[ee] Maschinell ergänzt: Untersuchungen

[ff] Handschriftlich eingefügt: kein

[gg] Maschinell eingefügt: sich

[hh] Handschriftlich eingefügt: mit

[ii] Maschinell eingefügt: das

[jj] Handschriftlich ersetzt: ist durch sind

[kk] Handschriftlich eingefügt: in

[ll] Maschinell eingefügt: folgende

[mm] Handschriftlich eingefügt: jetzt

[nn] Maschinell eingefügt: es

[oo] Handschriftlich ersetzt: lassen durch machen

[pp] Maschinell durchgestrichen: Sachzusammenhang

[qq] Handschriftlich eingefügt: Li.:

[rr] Maschinell eingefügt: bereits

[ss] Maschinell durchgestrichen: Fragen

[tt] Maschinell durchgestrichen: einverstanden

[uu] Maschinell durchgestrichen: konnte

[vv] Handschriftlich eingefügt: Sie

[ww] Handschriftlich durchgestrichen: das

[xx] Maschinell ersetzt: Be durch Br.

[yy] Maschinell durchgestrichen: D.

[zz] Maschinell ersetzt: anderen durch anderem

[aaa] Maschinell durchgestrichen: Gebieten

[bbb] Maschinell eingefügt: jetzt

[ccc] Maschinell durchgestrichen: RA König ist anwesend.

[ddd] Maschinell durchgestrichen: ist anwesend.

[eee] Handschriftlich ersetzt: der durch einer

[fff] Handschriftlich eingefügt: mehr

[ggg] Handschriftlich ersetzt: ein stehen durch entstehen

[hhh] Handschriftlich ersetzt: Prozesses durch Prozessen

[iii] Handschriftlich ersetzt: der durch Durch

[jjj] Handschriftlich eingefügt: ist

[kkk] Handschriftlich eingefügt: durch

[lll] Maschinell eingefügt: Reg.Dir.Wi.: Herr Vorsitzender...

[mmm] Maschinell eingefügt: ist

[nnn] Handschriftlich eingefügt: bitte

[ooo] Handschriftlich ersetzt: Im durch Einen

[ppp] Handschriftlich eingefügt: und

[qqq] Maschinell eingefügt: Reg.Dir. Wi.: Herr Vorsitzender...

[rrr] Handschriftlich ersetzt: hat durch ist

[sss] Handschriftlich ersetzt: Spulen durch Spuren

[ttt] Maschinell eingefügt: es

[uuu] Maschinell eingefügt: und

[vvv] Maschinell ersetzt: möchte durch muß

[www] Handschriftlich ergänzt: welcher

[xxx] Maschinell eingefügt: OStA Z.: Zu Punkt 1, nein.

[yyy] Maschinell durchgestrichen: stä

[zzz] Maschinell ersetzt: oder durch auf

[aaaa] Handschriftlich ersetzt: war durch sein

[bbbb] Maschinell durchgestrichen: RA Schi.

[cccc] Maschinell eingefügt: nur

[dddd] Maschinell durchgestrichen: Beschädigung

[eeee] Maschinell eingefügt: in

[ffff] Handschriftlich ersetzt: Fred sulzer durch Frey Sulzer

[gggg] Maschinell eingefügt: RA Schn.: Nein, ich habe nur ein Konzept.