56. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 11. Dez. 1975, 9.04 Uhr



[5098] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 11. Dez. 1975, 9.04 Uhr.

(56. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko

Just. Ass. Clemens

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend:

Rechtsanwälte Dr. Heldmann, Becker (als amtl. best. Vertr. des RA. Schily), Eggler, Schnabel, Schwarz König und Grigat.

Als Zeuginnen sind erschienen:

Gisela Rühle

Angelika Esser

Ursula Graumann

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Künzel hat sich für die erste halbe Stunde, Herr Rechtsanwalt Schlaegel für die ersten zwei Stunden entschuldigt. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie wollten ...

RA Dr. He[ldmann]:

Meine Bitte, ob über meinen gestern schriftlich gestellten Antrag entschieden worden ist. Die Angeklagten sind nicht hier.

Vors.:

Ja, da war es zu spät, das können wir heute, weder gestern Abend noch heute früh, da muß auch die Anstalt dazu gehört werden, das ist nicht möglich. Denn das hängt ja mit den technischen Voraussetzungen der Anstalt zusammen. Da wird heute Nachmittag möglicherweise darüber entschieden werden. Aber das kann erst in der nächsten Woche wirksam werden in der einen oder anderen Richtung. Ich gehe davon aus, daß Herr Rechtsanwalt Becker Herrn Rechtsanwalt Schily heute vertritt.

RA Be[cker]:

Herr Schily ist durch ein anderes Mandat verhindert ...

[5099] Vors.:

Wird genehmigt.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich möchte noch kurz zu dem, was Sie gerade hinsichtlich des Antrags von Herrn Heldmann ...

Vors.:

Darf ich zunächst jetzt mal die Formalitäten erledigen, damit wir auch die Damen wieder, soweit sie nicht als Zeugen gleich gebraucht werden, entlassen können. Ich darf davon ausgehen, daß die Bundesanwaltschaft, sobald sie sich in der Lage sieht, Stellung zu nehmen, zu dem gestrigen Antrag auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls selbst das Wort ergreift, das heißt sich zu Wort meldet, so daß ich nicht mehr daran erinnern brauche. Herr Rechtsanwalt König.

RA Kö[nig]:

Herr Rechtsanwalt Linke sagte mir gestern abend, daß er vielleicht etwas später komme, er bittet, ihn zu entschuldigen, für die erste Stunde.

Vors.:

Ja. Herr Bundesanwalt.

BA Dr. Wu[nder]:

... Nach wie vor nochmal bitte betonen zu dürfen, ich hoffe, daß es heute nachmittag ...

Vors.:

Ja, ich gehe aber davon aus jedenfalls, daß ich nichts veranlassen muß, sondern daß Sie von sich aus, sobald Sie zur Stellungnahme in der Lage sind, sich zu Wort melden. Danke. Wir haben heute die Zeuginnen Frau Rühle, Frau Esser und Frau Graumann.

Die Zeuginnen Rühle, Esser und Graumann wurden gem. § 57 StPO[2] belehrt.

Die Zeuginnen erklärten sich mit der Aufnahme ihrer Aussagen auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

Vors.:

Dann darf ich bitten, Frau Rühle, daß Sie hierbleiben und die beiden anderen Damen zunächst noch zurücktreten ins Zeugenzimmer.

Die Zeuginnen Esser und Graumann werden um 9.09 Uhr in den Abstand verwiesen.

Vors.:

Frau Rühle, es hat, nach dem was wir wissen, den Anschein, als seien Sie in einem Hamburger Bekleidungsgeschäft beschäftigt gewesen, indem es im Jahre 1972 mal zu einer Festnahmeaktion gekommen ist. Trifft das zu, haben Sie ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja ...

[5100] Vors.:

Haben Sie eine Erinnerung noch an den Vorgang.

Zeugin Rü[hle]:

Ich glaube, also daß ich das noch alles einigermaßen weiß.

Vors.:

Wir wollen Sie dann anschließend bitten, ich muß zunächst noch Ihre Personalien feststellen, daß Sie uns im Zusammenhang frisch von der Leber weg erzählen, was Sie noch von Ihrem Gedächtnis haben.

Die Zeugin Rühle macht folgende Angaben zur Person:

Gisela Rühle,

[Tag].[Monat].41,

Direktrice, z.Zt. Geschäftsführerin, 2 Hamburg 76, [Anschrift]

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Rühle, nun darf ich Sie also bitten, im Sinne des eben aufgezeigten Ihre Erzählung und Aussage zu beginnen.

Zeugin Rü[hle]:

Ja also, ich weiß nicht mehr genau, wann das war, aber ich kam von der Pause zurück, hatte eine Kundin, also die sehr viel Hosen, also bestimmt so 10, 15 Hosen angezogen hatte und die lagen alle auf einer Couch bei uns. Also der Laden ist[a] ungefähr so 70 qm groß, und bevor man zu dem letzten Ende des Ladens geht, also da, wo die Couch ist, muß man so zwei Stufen hochgehen und ich wollte diese Hosen wieder wegpacken, [b] die Kundin war weggegangen und auf der Couch lag eine Lederjacke in blau, glaube ich, so blaugrau, ziemlich dünnes Material, also eine sehr gute Qualität und ich nahm auch die Jacke hoch und als ich sie anfaßte, also war sie relativ schwer im Verhältnis zur Qualität der Lederjacke, also unheimlich schwer für mich, und diese Tasche, also diese Jacke hatte aufgesetzte Taschen große und so faßte ich da drauf und fühlte eben diesen Ablauf und diesen kleinen Knüppel da, wo man dann so von draußen, und sagte zu meinen Kolleginnen, die da oben standen und vielleicht, ich weiß gar nicht mehr, wer das alles war, also ich glaube, hier hat jemand eine Pistole und die dachten, ich mache einen Scherz und dann faßte auch jemand auch da drauf und sagte: Ja das stimmt. Und dann sagte ich: „Ich rufe die Polizei an“, weil wir bei uns sehr viel Kunden, die so was [5101] mitnehmen und deshalb war das für mich ganz klar und ich habe auch sowieso etwas anderen Kontakt zur Polizei. Ich habe dann angerufen und habe gesagt, ich weiß nicht, ob das richtig ist, aber hier hat jemand eine Pistole, ob ich in diesem Fall überhaupt anrufen soll, und da sagte mir die Polizei, ja wir kommen sofort. Und nach meinem Gefühl war das ziemlich lange. Frau Esser hatte die Kundin bedient und die wußte, also jetzt muß ich erst mal überlegen, dann blieb die Jacke ...

Vors.:

Ja tun Sie ruhig, Sie müssen, Sie können sich ruhig Zeit lassen bei der Aussage.

Zeugin Rü[hle]:

Ja. Die Jacke legte ich dann zurück, wieder so auf die Couch. Ich wußte auch nicht, wem die Jacke gehörte. Frau Ensslin, die war, wie ich später wußte, unten, also vorne am Laden, wenn man reinkommt, da ist gleich so ein kleiner Tisch, wo wir so Pullover bedienen. Und da stand sie dann und ich wußte ja gar nicht, und keiner wußte sowieso, als ich fragte, wem sie gehörte. Und dann kam Frau Ensslin hoch so nach einiger Zeit, ging in die Kabine hielt so einen weißen Pullover an, kam raus aus der Kabine und nahm die Jacke mit in die Kabine, und inzwischen hatte ich angerufen und dann wollte sie, kam sie nachher raus, hatte die Jacke angezogen und wollte, hat also, den Pullover wollte sie haben. Es war so ein kleiner Shettlandpulli, glaube ich, für 59,-- DM in weiß, und dann wollte sie noch ein Paar Burlington haben, also so Kniestrümpfe. Und sie stand so vor dem Ständer und Frau Esser sagte dann zu mir, sie wollte sie nicht weiter bedienen und da sagte ich zu ihr: „Also ihre Größe haben wir nicht im Moment“, die hing da zwar die 9, ich muß sie aus dem Keller holen, weil ich solche Angst hatte, daß sie uns dann wieder aus dem Laden läuft, und da habe ich gesagt: „Moment mal, ich hole die Strümpfe“ und war so im Begriff, das ist so eine weitere Kabine, die nach unten, also so als Durchgang, die dann zum Keller führt, und war gerade im Begriff da durchzugehen, guck mich nochmal um und [c] da sehe ich so zwei weiße Mützen und dann kam eben die Polizei. Sie stand also mit dem Rücken zur Polizei. Hier war so der Ständer und so, glaube ich, so stand sie, hier war so ein Tisch und die packten sie dann von links und [5102] rechts, ne packten sie sie, erlaube ich, und da packten sie, zumindestens stellten sie sich, glaube ich, hinter sie, und sie drehte sich, glaube ich, irgendwie rum und dann hielt man sie irgendwie fest und versuchte sie, so zu halten. So war das ungefähr.

Vors.:

Ja, jetzt sind sie genau zu dem Abschnitt gekommen, von dem ab es dann für uns besonders interessant wird. Wir wollen Ihnen die Gelegenheit geben, vielleicht noch Ihr Gedächtnis zu überprüfen und das Erinnerungsbild uns restlos zu erzählen. Von dem Moment an, wo Sie also glaubten, gesehen zu haben, daß die beiden Beamten sich mit dieser Kundin befaßten. Was lief dann noch weiter?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, also dann lief es, also sie faßten sie dann und ich fand sie hat sich sehr gekonnt gewehrt, also mit sehr guten Griffen und es war für die Polizei, fand ich, ziemlich schwer, die also so zumindestens so auf den Boden, oder still zu halten und dann holte man, glaube ich, noch jemand dazu und dann haben sie sie eben rausgeschleppt. Also sie ging nicht, sie verschränkte ihre Beine ineinander, so hat man sie abgeführt. Noch Schellen an oder so. Na wie nennt sich das, Schellen angelegt, und dann hat man sie abgeführt.

Vors.:

Das ist jetzt alles, jetzt wär der Rest geschildert oder fällt Ihnen in diesem Zusammenhang von Ihnen aus noch selbst etwas ein? Nicht mehr, dann wollen wir mal die Sache noch durch ein paar Fragen vertiefen. Zunächst sagten Sie, Sie wissen nicht mehr, wann das gewesen ist. Wissen Sie noch die Tageszeit? Sie sprachen von der Pause?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, ich kam gerade von der Mittagspause, es muß so um 1 oder um 2.00 Uhr gewesen sein. So ungefähr.

Vors.:

Liegt diese Mittagspause ganz regelmäßig fest?

Zeugin Rü[hle]:

Ne, bei mir nie. Entweder kriege ich überhaupt keine oder, das kommt immer so darauf an, was zu tun ist oder nicht.

Vors.:

Also im Anschluß an die Mittagspause?

Zeugin Rü[hle]:

Ich glaube so um eins war das, eins, halbzwei.

Vors.:

Sie waren mit dem Ordnen dieser Ware beschäftigt?

Zeugin Rü[hle]:

So mit den anderen Hosen von meiner Kundin vorher.

Vors.:

Und hatten dann diese Entdeckung gemacht, daß diese ...

[5103] Zeugin Rü[hle]:

Ja, die lag so über der Lehne die Jacke.

Vors.:

Griffen dann also an die Jacke und glaubten festzustellen, daß das eine Waffe ist. Haben Sie ...

Zeugin Rü[hle]:

Na, das fühlt man, das war so dünnes Material, also da brauchte man nur so raufzufassen, also das ist ganz eindeutig.

Vors.:

Waren Sie sich sicher daß es sich um eine Waffe handelt?

Zeugin Rü[hle]:

Ja also, da gibt es überhaupt gar kein ...

Vors.:

Sind schon in diesem Zeitpunkt Kolleginnen von Ihnen hinzugekommen, die sich mitüberzeugten, ob Ihre Beobachtung zutrifft?

Zeugin Rü[hle]:

Ja ich glaube, irgend jemand, ich weiß jetzt eben nicht genau, ich glaube, ich habe Frau Reinhardt, die stand auch da oben, mit einer früheren Kollegin, die mal bei uns gearbeitet hat. Zu Frau Reinhardt sagte ich: „Ich glaube, die hat eine Waffe hier“. Aber ich fand das selbst so lustig und so paradox, und die glaubte mir nicht, weil ich ab und zu mal, eben, also ein bißchen Ulk mache, aber sie hat draufgefaßt und es eben auch festgestellt. Und dann haben wir, und dann fragte ich sie noch: „Wem gehört die denn“, die wußten das alle nicht oben, im Moment.

Vors.:

Jedenfalls die Beobachtung schien Ihnen wichtig genug, sich bei der Polizei zu erkundigen, ob die Polizei dafür Interesse hat. So war es doch wohl, oder ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja, so war es, aber irgendwie kam ich mir auch so, wirklich, ich wußte nicht, ob das richtig war, man kann ja auch einen Waffenschein haben und insofern wußte ich auch nicht ob das so ganz angebracht war, daß ich da anrufen sollte.

Vors.:

Haben Sie noch ungefähr eine Erinnerung, ob Sie sich damals schon ein Bild machten, um was es sich möglicherweise handeln könnte, oder war für Sie das völlig gleichgültig?

Zeugin Rü[hle]:

Ne, also ich wußte wirklich nicht, daß es jemand war, ich muß[d] sogar sagen, ich muß, ich habe nach den zwei Stunden, oder vielleicht war es auch mehr, als wir wußten, wer das war, also ich wußte sogar nicht mal, wer Ensslin war, und ich hatte von Baader und Meinhof gehört, so durchs Radio und jeder sprach ja davon, aber den Namen Ensslin habe ich da zum ersten Mal gehört.

[5104] Vors.:

Nun, Sie haben beobachtet, daß die betreffende Kundin sich diese Jacke wieder mal gelangt hat, geholt hat.

Zeugin Rü[hle]:

Die hat sie mit reingenommen. Die hat sie ganz ruhig genommen und hat sie dann in die Kabine mitgenommen. Und sie war auch sehr nett als Kundin.

Vors.:

Ganz ruhig hat sie die Jacke genommen sagen Sie?

Zeugin Rü[hle]:

Also ich weiß es nicht mehr, ob das so ruhig war weiß ich nicht.

Vors.:

Sie sagten eben ganz ruhig.

Zeugin Rü[hle]:

Ja also für mich, also das kann ich nicht genau, ob das ein bißchen hastig war, da will ich mich nicht festlegen.

Vors.:

Früher sprachen Sie davon, Sie habe die Jacke hastig an sich genommen.

Zeugin Rü[hle]:

Ich weiß es nicht mehr.

Vors.:

Es ist nur, daß Sie eben, nun klären müssen, was Ihr Erinnerungsbild ist. Sie sagen gerade ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja sie kam rein, in die Kabine, machte das zu, und kam dann kurz darauf wieder raus, nahm die Jacke. Also ob das so hastig war, ich weiß es nicht.

Vors.:

Hatte sie irgendeinen sonstigen Grund aus der Kabine nochmals herauszutreten, oder ...

Zeugin Rü[hle]:

Och, da kann man ja zwischendurch immer raus, nochmal gucken und, weiß ich nicht. Ich habe sie ja auch in dem Sinne nicht so bedient.

Vors.:

Es ist interessant, Sie konnten noch den Preis von dem Pullover nennen.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, das hat man im Kopf, 59,-- DM war der.

Vors.:

Na dann ist aber Ihr Gedächtnis noch recht gut, an die Zeit, denn das liegt ja immerhin Jahre zurück. Nun wollen wir den Abschnitt noch etwas beleuchten. Sie sehen also, daß die Polizeibeamten kommen. Sind Sie in Ihrer Erinnerung sicher, daß sofort zwei Polizeibeamte sich mit der Kundin befaßten?

Zeugin Rü[hle]:

Also ich weiß, also stand, bin dann so zurückgekommen so ein paar Schritte und ich weiß, daß sie eine Kundin gefragt haben, wer ist das, oder irgendwie so was ähnliches. Und diese Kundin, die hat sich vorher bei mir beschwert, weil irgendwie eine Änderung, oder irgendwas stimmte da nicht, und da habe ich gesagt: Moment mal, ich regle das gleich. [5105] Ich muß hier einen Augenblick warten, wir warten auf die Polizei und diese Dame da, die hat einen Revolver bei sich, ich kannte die Kundin ganz gut, so vom Ansehen. Und da sie das wußte, das war die einzige in dem Moment, außer die wir ja da angestellt waren, und die zeigte dann und sagte: „Die da“, oder irgendwas sagte sie zu der Polizei.

Vors.:

Also das haben Sie mitbekommen, daß eine Kundin die Polizei zu informieren versuchte, oder ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja, ja, zeigte so, oder so, irgendwie, ich weiß nicht was sie sagte.

Vors.:

Nun es interessiert. Wissen Sie, ob die beiden Beamten gleichzeitig auf die Kundin zugingen, oder war das möglicherweise so, daß zuerst der eine bei der Frau war und sich mit ihr befaßte, und erst der nächste dann hintennach kam? Wie ist das überhaupt räumlich bei Ihnen möglicherweise?

Die Zeugin demonstrierte im Augenblick die Räumlichkeiten der Boutique „Linette“.

Zeugin Rü[hle]:

Also räumlich wäre das möglich, meines Erachtens kamen beide gleichzeitig.

Vors.:

Haben Sie nun besondere Beobachtungen gemacht, die vielleicht für Sie von Interesse auch sein konnten, weil Sie ja wußten, daß die betreffende Kundin eine Waffe in der Tasche hatte, die damit zusammenhingen?

Zeugin Rü[hle]:

Weiß ich jetzt nicht.

Vors.:

Die Kundin, sagten Sie, hat sich gewehrt. Wußten Sie übrigens in welcher Tasche, die ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja, in der rechten.

Vors.:

In der rechten Tasche. Nun wäre ja die Möglichkeit, daß ...

Zeugin Rü[hle]:

Zumindestens als ich das feststellte, war es in der rechten.

Vors.:

Sind Sie sich da sicher?

Zeugin Rü[hle]:

Das weiß ich ganz genau.

Vors.:

Nun wäre es ja immerhin denkbar, daß für Sie es besonders interessant ist, ja wenn die schon eine Waffe hat, und die Polizei kommt jetzt, macht die möglicherweise von der Waffe Gebrauch, daß man da ein besonderes Augenmerk darauf richtet. Ist das geschehen.

Zeugin Rü[hle]:

Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, ich habe das gar [5106] nicht, also ich hatte auch gar keine Angst. Ich habe mir da gar keine Gedanken gemacht, weil ich das, als so ein bißchen harmlos, habe ich das vielleicht alles gesehen.

Vors.:

Ich muß Sie dann ganz präzise fragen. Sie sind das auch schon früher gefragt worden, ob Sie etwa Beobachtungen gemacht haben, daß die Kundin versucht hätte, in diese Tasche zu greifen, in der Sie vermuten konnten, daß dort eine Waffe wäre?

Die Zeugin demonstrierte, wie die Kundin[e] die Hand in der rechten Jackentasche hielt.

Vors.:

Ja schon, als die Polizeibeamten auf sie zugingen, oder gar vorher, oder erst im Zusammenhang mit den Aktionen der Polizeibeamten gegen sie?

Zeugin Rü[hle]:

Das weiß ich nicht mehr genau.

Vors.:

Können Sie nicht sagen. So war es früher auch. Ich halte Ihnen vor, daß Sie zunächst mal angegeben haben, früher, ich möchte ausdrücklich betonen, ich halte Ihnen das aus Band 68, Blatt 17 unten vor, daß die Kundin bei Ihrer Festnahme nicht zur Waffe gegriffen hat. So lautete Ihre erste Aussage.

Zeugin Rü[hle]:

Ja also, daran verstehe ich, daß man sie so rauszieht und dann, so auf jemand zielt.

Vors.:

Daß Sie sie also sozusagen nicht gezogen hat ...

Zeugin Rü[hle]:

So daß [f] es so offensichtlich ist.

Vors.:

Ja. Das steht Ihrer Aussage aber nicht im Wege, die Sie gerade gemacht haben, daß[g] Sie meinen, sie hätte die Hand in der Jackentasche gehabt, um es nochmals klar zu machen, in welcher Tasche?

Zeugin Rü[hle]:

In der rechten.

Vors.:

In der rechten. Kann das nicht die Hosentasche gewesen sein?

Zeugin Rü[hle]:

Ne, die Jacke ist ziemlich lang, also die geht über die Hüfte.

Vors.:

Aber Sie könnten nicht mehr sagen, wann die Kundin die Hand in die rechte Tasche gegeben hat?

Zeugin Rü[hle]:

Das kann ich nicht mehr sagen.

Vors.:

Und jetzt die letzte Frage, Sie sagten vorhin uns den [5107] Namen Ensslin. Sind Sie selber irgendwie beteiligt worden, um festzustellen, um wen es sich handelt, oder woher wissen Sie den Namen?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, wir wußten das ja später, durch die Polizei, also zwei Stunden, oder zweieinhalb Stunden, ich weiß nicht mehr genau, da haben wir das gehört.

Vors.:

Ich habe keine Fragen mehr. Herr Berichterstatter bitte.

Richter Dr. Be[rroth]:

Frau Rühle, Sie haben die Jacke beschrieben, die die Kundin getragen hat, zunächst lag sie auf dem Sofa. Es wird Ihnen jetzt eine Jacke vorgelegt, und ich bitte Sie sich zu überlegen, ob es eine Jacke dieser Art gewesen ist.

OStA Ho[lland]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Augenblick, ich weiß nicht, ob irgendwelche Einwände dagegen erhoben werden.

OStA Ho[lland]:

Bevor Sie hier die Jacke der Zeugin vorlegen, hätte ich in[h] diesem Punkte noch speziell bezogen auf die Jacke eine Frage.

Vors.:

Gut, dann wollen wir es vielleicht generell so machen, daß wir die Asservate erst vorlegen, wenn zunächst mal die Fragen im Zusammenhang mit der Vernehmung an die Zeugin gerichtet sind. Herr Dr. Breucker bitte.

Richter Dr. Br[eucker]:

Frau Rühle, Sie sagten vorhin mal, im Zusammenhang damit, daß Sie die Polizei angerufen haben, Sie hätten einen „anderen Kontakt“ zur Polizei.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, einen anderen in dem Sinne, weil die Polizei zumindestens bei uns, auf dem Revier, mich schon so ein bißchen kennt, weil ich oft so Kunden erwischt habe, beim Mopsen auf deutsch gesagt, deshalb.

Vors.:

Das ist ja mit Ihre Aufgabe wohl, Sie sind Geschäftsführerin?

Zeugin Rü[hle]:

Ja.

Vors.:

Sonstige Fragen? Herr ... Die Herren Bundesanwälte bitte.

OStA Ho[lland]:

Frau Rühle, wie schon angedeutet eine Frage zum Aussehen dieser Jacke. Frau Rühle Sie haben vorhin berichtet, die Jacke hätte aufgesetzte Taschen gehabt. Nun meine Frage an Sie, Frau Rühle, die Tascheneinschnitte waren die waagrecht angesetzt oder schräg? Können Sie sich da noch erinnern?

Zeugin Rü[hle]:

Ne so gerade aufgesetzte Tasche und oben, glaube ich, [5108] so eine Patte drüber.

OStA Ho[lland]:

Und wenn Sie sich jetzt den Einschnitt vorstellen, der war waagrecht oder?

Zeugin Rü[hle]:

Ne, der kommt von oben, ja.

OStA Ho[lland]:

Parallel zum Gürtel laufend?

Zeugin Rü[hle]:

Ja.

OStA Ho[lland]:

Danke.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker hat sich gemeldet bitte. Wenn die Herren fragen, es ist meistens so, daß man sich aus Höflichkeit gleich den Fragen dann zuwendet, das können Sie gerne tun. Bloß bei der Antwort bitte ich Sie wieder das Mikrophon zu benutzen.

RA Be[cker]:

Frau Rühle, haben Sie von Ihrer Aussage eine Kopie bekommen?

Zeugin Rü[hle]:

Nein, habe ich nicht.

RA Be[cker]:

Frau Rühle, als Sie da zur Kriminalpolizei am 7.6.72 gegangen sind, da hat eine Vorbesprechung stattgefunden und zwar eine eingehende, wie es im Protokoll heißt. Was ist denn da besprochen worden. Erinnern Sie sich daran noch? Also bevor praktisch das getippt worden ist, was dann Ihre Aussage sein soll?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ich darf Sie bitten imm... gleich zu benennen, damit wir ...

Zeugin Rü[hle]:

Diese Vorbesprechung, das verstehe ich nicht.

RA Be[cker]:

Blatt 14.

Vors.:

Danke.

Zeugin Rü[hle]:

Also ich verstehe nicht, was Sie meinen, wie es. Da hat es gar keine Vorbesprechung gegeben. Wir sind also zur Polizei gefahren, und haben das ausgesagt, was im Moment passiert war. Die Vorbesprechung verstehe ich nicht.

RA Be[cker]:

Es hat keine Vorbesprechung stattgefunden?

Zeugin Rü[hle]:

Nein.

RA Be[cker]:

Sofort getippt worden?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, ich mußte das, ich weiß es jetzt nicht, ob ich es erst einmal erzählen mußte, und ob er dann getippt hat, oder ob er gleich getippt hat, das weiß ich nicht mehr.

RA Be[cker]:

An das können Sie sich nicht ...

Zeugin Rü[hle]:

Das war so, genauso, als wenn ich jetzt meinetwegen eine Kundin erwische und sage das aus, und dann wird es in die Maschine getippt. Also meines Erachtens hat er das gleich reingetippt.

[5109] RA Be[cker]:

Und haben Sie da, sind da Ihre Formulierungen verwendet worden, oder ist das, im Polizeideutsch sozusagen, umgeändert worden?

Zeugin Rü[hle]:

Also jedes Wort von mir, wird man vielleicht nicht so reinschreiben. Aber zumindestens habe ich es mir durchgelesen und unterschrieben, und war mit diesem Inhalt einverstanden. Es wird ja immer etwas abgeändert.

RA Be[cker]:

Aber Sie konnten da frei erzählen. Das ist nachher aufgenommen worden so, was Ihnen im Moment eingefallen ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja.

RA Be[cker]:

Sie haben da, und das ist Ihnen auch schonmal vorgehalten worden, gesagt, ich möchte Blatt 17 ausdrücklich betonen, daß die Kundin bei Ihrer Festnahme nicht zur Waffe gegriffen hat. Das ist Ihre Aussage, die spontan da gemacht haben, ohne danach gefragt zu sein.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, also für mich ist es, wenn man zur Waffe greift, ist für mich, ich nehme die irgendwo raus und schieße, das bedeutet für mich zur Waffe greifen. Und das hat sie nicht getan.

RA Be[cker]:

Sagen Sie mal, sind Sie danach nochmal vernommen worden?

Zeugin Rü[hle]:

Nein, ich bin nur einmal vernommen worden.

RA Be[cker]:

Sie sind nur einmal vernommen worden.

Vors.:

Sonstige Fragen? Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Ze[is]:

Die Fairneß hätte es anfürsich geboten, jetzt der Zeugin den Vorhalt zu machen, daß ich im Sonderordner 68, Blatt 18 nochmal zusätzliche Angaben von ihr befinden. Nachdem offenbar der Herr Rechtsanwalt Becker zu dieser Fairneß nicht bereit ist, übernehme ich es. Frau Rühle ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich rüge die Entgleisung des Herrn Zeis.

Vors.:

Ja nun, es ist noch keine Entgleisung, aber es ist in der Tat nicht notwendig, denn ich habe den Vorhalt aus Blatt 17 auch gemacht und sah aufgrund dessen, daß die Zeugin ja die Aussage, die sie in Blatt 19 dann gemacht hat, heute nahezu wieder wörtlich wiederholt hat, auch die Erklärung abgegeben hat, an sich keinen besonderen Anlaß mehr, den Vorhalt zu machen. Also ich glaube nicht, daß es berechtigt ist, dem Herrn Rechtsanwalt Becker daraus einen Vorwurf zu machen, daß er den Vorhalt unterlassen hat. Aber wenn Sie den Vorhalt für wesentlich halten, bitte.

[5110] OStA Ze[is]:

Frau Rühle erinnern Sie sich, daß Sie nochmal möglicherweise im Zusammenhang mit einer Tatrekonstruktion[i] zusätzliche Angaben gemacht haben, die Sie dann unterschrieben haben?

RA Be[cker]:

Die Frage ist doch bereits beantwortet worden, das ist doch unzulässig. Ich beanstande die Frage des Herrn Bundesanwalts, die bereits beantwortet worden ist, insofern auch kein geeigneter Vorhalt.

Vors.:

Es ist selbstverständlich dem Herrn Bundesanwalt möglich vorzuhalten, daß eine zweite Vernehmung da ist, denn der Vorhalt ist bisher nicht ...

RA Be[cker]:

Genau das habe ich doch gerade gefragt. Da kann er das doch nicht nochmal fragen.

Vors.:

Nein Sie hatten den Vorhalt aus der ersten Vernehmung ...

RA Be[cker]:

Nein, ich habe ausdrücklich ... Herr Prinzing bitte, dann würde ich, Herr Vorsitzender, dann würde ich doch bitten, das Protokoll zurücklaufen zu lassen. Ich habe ausdrücklich gefragt, ob Sie noch ein zweites Mal vernommen worden ist und das hat sie ganz klar verneint. Und die Frage hier nochmal zu stellen, ist eine ganz unzulässige Wiederholungsfrage und ist zu Recht von mir beanstandet.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie sehen den Ablauf der Dinge falsch. Sie haben eine Frage gestellt und Sie haben die Antwort bekommen: Nein. Und der Herr Bundesanwalt hat selbstverständlich anhand der Unterlagen das Recht, nun der Zeugin Vorhalte zu machen, die diese Frage bei ihr vielleicht in eine neue Prüfung bringen, das ist ... Jetzt erst kommt der Vorhalt, es kann doch an[j] Anschluß ... es ist keine neue Frage, sondern ein Vorhalt ... Er ist zulässig.

RA Be[cker]:

Doch es ist eine neue Frage gestellt worden. Erinnern Sie sich daran, daß Sie nochmal vernommen worden sind, das habe ...

OStA Ze[is]:

Frau Rühle, nachdem der Herr[k] Vorsitzende den Vorhalt, beziehungsweise meine Frage für zulässig erklärt hat, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie nun beantworten könnten. Meine Frage ging, also ich darf sie nochmal wiederholen, dahin, ob Sie sich daran erinnern ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung, nochmal rüge ich. Genau eben hat der Herr Vorsitzende gesagt, daß diese Frage beantwortet ist und jetzt wiederholen Sie die Frage abermals. Die Frage, Wieder- [5111] holung der Frage ist als Wiederholung unzulässig.

Vors.:

Ich würde grundsätzlich vorschlagen, im Augenblick, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, sollten Sie doch Herrn Rechtsanwalt Becker, der[l] die Interessen der ausschließlich betroffenen Frau Ensslin vertritt[m], den Vorrang zu lassen. Ist es nun ein Vorhalt, oder soll bloß die Frage wiederholt werden?

OStA Ze[is]:

Nein, [n] natürlich, die Frage diente, um es der Zeugin möglicherweise etwas leichter zu machen, der[o] [p] Einleitung, die einleitende Frage, einen Vorhalt.

Vors.:

Eben, so habe ich es auch verstanden.

RA Dr. He[ldmann]:

Das hat aber Herr Zeis nicht gesagt.

RA Be[cker]:

Der hat doch nur die Frage gestellt.

OStA Ze[is]:

Ich habe offenbar die Auffassungsgabe der Gegenseite etwas überstrapaziert, deswegen mache ich jetzt nur den Vorhalt.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Bundesanwalt, es liegt wohl an Ihrer mangelhaften Ausdrucks...

Vors.:

Ich bitte jetzt jede ...

RA Dr. He[ldmann]:

... nicht an unserer Auffassungsgabe.

Vors.:

Ich bitte jetzt jede Schärfe zu unterlassen, im übrigen ...

RA Be[cker]:

Ja aber entschuldigen Sie mal, von wem kommt denn die Schärfe ...

OStA Ze[is]:

Frau Rühle ...

Vors.:

Herr Bundesanwalt, bitte lassen Sie mir einen Moment Zeit dazu. Meine Herren, der Herr Bundesanwalt hat im Augenblick das Wort bekommen, weil er darum gebeten hat ...

RA Be[cker]:

Ja aber doch nicht so unverschämt ...

Vors.:

... Sie haben nicht das Recht, nun das schon als Unverschämtheit zu bezeichnen, ist weitgehend ...

RA Becker spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

Ich bitte Sie jetzt ausdrücklich, Herr Rechtsanwalt Becker, nicht ständig dazwischenzureden, dazwischenzurufen. Melden Sie sich geordnet zu Wort

RA Dr. He[ldmann]:

Ja dann bitten wir aber, daß wir auch zu Gehör kommen.

Vors.:

Ja, Sie sind ja zu Gehör gekommen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja sehen Sie, wir sind zu Gehör gekommen, meinen Sie.

Vors.:

Jetzt darf ich bitten, der Vorhalt ist zulässig.

OStA Ze[is]:

Frau Rühle, auf Blatt 18 der Akten hier, mit dem Datum vom 22.9.72, heißt es hier: „Nochmals vorgeladen erscheint in der hiesigen Dienststelle als Zeugin die Ge- [5112] schäftsführerin der Boutique Linette“, dann kommen Ihre persönlichen Angaben „und macht zu[q] Ihrer Aussage am 7.6.72 folgende zusätzliche Angaben“. Erinnern Sie sich daran?

Zeugin Rü[hle]:

Also, ich weiß es nicht mehr genau.

OStA Ze[is]:

Könnte das möglicherweise in Zusammenhang mit einer Tatrekonstruktion stehen, bei der Sie mitgewirkt haben?

Zeugin Rü[hle]:

Ich weiß es nicht mehr. Ich war auch in der Zeit so fertig, ich weiß es jetzt wirklich nicht mehr genau.

OStA Ze[is]:

Dann muß ich Ihnen leider vorhalten aus Blatt 18. Und zwar sind hier Fragen und Antworten protokolliert. „Frage: Frau Rühle in Ihrer Vernehmung vom 7.6.72 gaben Sie an, daß die Kundin (Ensslin) ihre Jacke auf ein Sofa legte. Ist es üblich, oder nehmen Kunden ihre Kleidungsstücke nicht mit in den Umkleideraum. Antwort: Ich habe nicht gesehen, daß diese Kundin ihre Jacke dort abgelegt hatte“ ...

RA Dr. He[ldmann]:

Ich protestiere, Herr Vorsitzender, gegen die Verlesung des Protokolls.

Vors.:

Es ist ein Vorhalt, keine Verlesung des Protokolls.

RA Dr. He[ldmann]:

Er hat bereits die Hälfte der ersten Seite verlesen.

Vors.:

Ja, es ist der Vorhalt zulässig.

OStA Ze[is]:

„Es ist aber oftmals so, daß Kunden Kleidungsstücke oder Taschen überall im Laden ablegen. Es war somit für mich auch nicht außergewöhnlich, daß auf dem Sofa eine Jacke lag?“ Erinnern Sie sich daran?

Zeugin Rü[hle]:

Ja.

OStA Ze[is]:

Ja, erinnern Sie sich daran, daß nun nochmals eine zusätzliche Vernehmung war, oder erinnern Sie sich jetzt an diese Antwort, die Sie gegeben haben, Frau Rühle.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, also ich erinnere, ich wissen, was, ich weiß es nicht[r], daß ich, ob ich dieses, was Sie jetzt vorlesen, ob ich das jetzt nachträglich nochmal gesagt habe, oder ob ich da nochmal war, also meines Erachtens war ich nicht nochmal da. Meines Erachtens haben wir das dazugefügt, so ist mir das. Ich weiß es nicht mehr genau, ob ich deshalb extra nochmal da war, um dies jetzt zu sagen was Sie mir eben vorgelesen haben. Aber es ist eben bei uns so üblich, daß jeder irgendwie, was er hat, Taschen oder Mäntel, das braucht man nicht gesondert irgendwo hinlegen. Jeder legt es dahin, wo er gerade Lust hat oder steht.

OStA Ze[is]:

Frau Rühle eine weitere Frage, erinnern Sie sich an eine Tatrekonstruktion, die in dieser Boutique auch unter [5113] Ihrer Mitwirkung vorgenommen worden ist?

Zeugin Rü[hle]:

Ich habe das nicht ganz verstanden.

OStA Ze[is]:

Tat, unter Tatrekonstruktion versteht man also, daß nochmal in etwa die Situation nachgestellt wird. Das versucht wird, die Situation nachzustellen, die am Tattag war. Erinnern Sie sich?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, das weiß ich ...

OStA Ze[is]:

Daß solche Aufnahmen dort auch in ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja.

OStA [Zeis]:

Haben Sie an dieser Tatrekonstruktion mitgewirkt?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, ganz bißchen.

OStA Ze[is]:

Ich habe dann zunächst keine Fragen mehr, Herr Vorsitzender danke.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker bitte.

RA Be[cker]:

Sagen Sie, Sie haben also gerade gesagt, an eine zweite Vernehmung erinnern Sie sich nicht, sind eigentlich eher sicher, oder sind eher der Meinung, daß sie nicht stattgefunden hat. Ist das richtig?

Zeugin Rü[hle]:

Ich weiß es nicht genau. Ich weiß es wirklich nicht. Um das jetzt fest sagen zu können: „Ja ich war das zweite Mal da“, das wußte ich nicht genau, und deshalb ich, ich weiß es nicht.

RA Be[cker]:

Können Sie sich überhaupt an Ihre Vernehmung erinnern. Sind Ihnen da auch Fragen gestellt worden? Was gab es da. Können Sie sich erinnern, wie die Vernehmung abgelaufen ist?

Zeugin Rü[hle]:

Also so im einzelnen nicht. Sicherlich wird man mal was gefragt. Aber was da gefragt worden ist, das weiß man, dabei wird ja jeder mal vielleicht irgendetwas gefragt. Aber was, da müßten Sie mir schon sagen, um was es geht.

RA Be[cker]:

Nein, ich wollte eigentlich nur wissen, ob innerhalb dieser Fragen, ob Sie den Eindruck hatten, daß da ein besonderes Interesse, an irgendwelchen bestimmten Punkten war, oder wollten die nur einfach wissen, was da so passiert ist?

Zeugin Rü[hle]:

Die wollten für mich eigentlich nur einfach wissen, was da so passiert war.

RA Be[cker]:

Haben nicht auf irgendetwas besonderes gefragt?

Zeugin Rü[hle]:

Nein, also ich wußte das nicht. Ich meine, da kann man ja sowieso nur das sagen, so wie es gewesen ist, und wie [5114] man das empfunden hat.

RA Be[cker]:

Sagen Sie, da haben Sie ... Noch eine weitere Frage: Sie haben vorher gesagt, daß die Hand in der Tasche gewesen wäre. Ist das richtig?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, also zumindest, was in dem Moment, also wo sie mit dem Gesicht zur Polizei stand. Also so ruhig, nicht daß sie jetzt rumwühlte oder so, ganz ruhig. Also so nach meinem Empfinden, soweit ich das noch erinnere, so also, als sie mit dem Gesicht zur Polizei stand.

Die Zeugin demonstriert die Haltung der Kundin, als die Polizei den Laden betreten hatte.

Vors.:

Sonst sehe ich im Augenblick keine Fragen. Ich glaube, dann können wir dazu übergehen, zunächst ... Herr Rechtsanwalt König, bitte.

RA Kö[nig]:

Ich habe keine Frage, Herr Vorsitzender. Ich habe nur eine Bitte. Vielleicht könnten wir das so machen, wie das unter halbwegs zivilisierten Menschen üblich ist, daß jeder den anderen ausreden läßt. Ich möchte natürlich kein Wort von den Herrn Kollegen entgehen lassen. Aber wenn dieses Durcheinanderreden so weiter geht, gerade bei den Zeugenbefragungen, dann wäre ich gezwungen, mich dem Herrn Kollegen, wie heißt er doch gleich, Becker, auf den Schoß zu setzen. Das möchte ich vermeiden ... Es gehört auch dazu, daß man die Zeugen ausreden läßt, wenn eine Frage gestellt worden ist, dann darf man wohl die Antwort im Ganzen erfahren.

RA Be[cker]:

Ja, Sie müßten nur zuhören, Herr Kollege.

RA Kö[nig]:

Das machen Sie mir leider unmöglich, da Sie dauernd dazwischenreden.

RA Be[cker]:

Da machen Sie sich unmöglich, weil Sie vielleicht nicht ...

Zeugin Rü[hle]:

Mein Gott nochmal.

Vors.:

Frau Zeugin ...

Zeugin Rü[hle]:

Also furchtbar finde ich das ja.

Vors.:

Nein, nein, Frau Zeugin, Sie sind ja nicht davon betroffen. Sie können sich das in aller Gelassenheit anhören, wir tun es ja auch. Jetzt wollen wir Ihnen zunächst doch mal diese Jacke vorführen.

[5115] Die Jacke Ass. C 2.1 Pos 5, in deren rechten Tasche sich die Pistole Ass. C 2.1 Pos. 9 befindet, wird in Augenschein[4] genommen und der Zeugin zur Erläuterung vorgelegt.

Alle Verf. Beteiligten hatten Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Richter Dr. Be[rroth]:

Und jetzt zur dieser Jacke, Frau Zeugin.

Ähnliche Jacke oder diese Jacke?

Zeugin Rü[hle]:

Also die Farbe, würde ich sagen, war es noch und die Taschen auch. Aber ich hatte eigentlich das mehr in Erinnerung, daß das so heller blau war, aber das stimmt so mit den Taschen.

Richter Dr. Be[rroth]:

Das stimmt so. Wenn Sie es jetzt ...

Zeugin Rü[hle]:

Also an die Biesen hätte ich mich auch nicht mehr erinnern können, das hätte ich nicht mehr gewußt.

Richter Dr. Be[rroth]:

Wenn Sie jetzt die Jacke mal in die Hand nehmen, das Gewicht prüfen ...

Zeugin Rü[hle]:

Das ist Wahnsinn.

Richter Dr. Be[rroth]:

Das ist Wahnsinn und was ...

Zeugin Rü[hle]:

Also das fühlt selbst einer, der nicht verkauft, der muß es gleich fühlen. Dieses Gewicht selbst würde ich sagen, Laie, der keine Ahnung hat, so irgendwie von irgendwelchen Jacken das muß jeder gleich ...

Richter Dr. Be[rroth]:

Sie haben auch gleich jetzt einen Griff zur Tasche gemacht, um festzustellen, woher das Gewicht kommt.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, ich habe das ... ist ja klar, die hängt so rüber und wenn man sie jetzt hochnimmt, dann fühlt sie, da meinen sie, das ist ja unnormal, ein Portemonnaie oder so was ist drin, und da habe ich so raufgefaßt.

Die Zeugin demonstriert anhand der Jacke, wie sie über die rechte Tasche gefaßt hat.

Richter Dr. Be[rroth]:

Und wenn Sie jetzt den Gegenstand abfassen ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja, man fühlt ja alles gleich, das ist ja eindeutig.

Richter Dr. Be[rroth]:

Sie glauben also, daß Sie jetzt in der Hand das gleiche Gefühl haben wie damals?

Zeugin Rü[hle]:

Ja.

Richter Dr. Be[rroth]:

Sie würden also auch jetzt sagen, daß ...

Zeugin Rü[hle]:

Ach, das ist ganz klar.

Richter Dr. Be[rroth]:

... eine Waffe drin ist?

Zeugin Rü[hle]:

Ja, das fühlt man doch. Also da müßte man schon dumm [5116] sein, wenn man das nicht fühlt.

Richter Dr. Be[rroth]:

Danke. Frau Rühle, noch eine Frage. Sie haben von einem Pullover gesprochen. Welche Farbe hat der?

Zeugin Rü[hle]:

Weißer Pullover.

Richter Dr. Be[rroth]:

Sie haben die Kundin beim Betreten des Geschäftes nicht gesehen?

Zeugin Rü[hle]:

Nein, aber ich, ich habe das, glaube ich, damals gesagt, ich weiß gar nicht mehr, ob das aufgenommen wurde. Ich habe sie aber schon mal im Laden gesehen, und ich möchte fast dazu sagen, daß sie schon also, ich weiß genau noch, wie ich vorne an der Tür stand, an der Kasse, als sie reinkam und, also ich möchte fast 100 %ig sagen, daß sie, ich glaube, Achterrath[5] hieß er, mit so einem kleinen, sehr nett aussehenden, so mit Bart und sehr sympathisch, im Laden war. Und da ging sie dann so zum Spiegel und ich guckte sie so an, also ich weiß nicht, ob ich das so sagen kann, weil sie für mich sehr extrem und eben so ein bißchen eine andere Richtung, also so dieses ausgeprägte Lesbische hatte so, also mein Empfinden. Also sie sah, das finde ich schon unheimlich. Wir haben ja viele Leute, also die so aussehen und auch so sind, und hier, ich weiß ja nicht, ob sie’s ist, aber sie wirkte so für mich, und deshalb guckte ich hin, also, auch ganz dünn und so unheimlich krank sah die aus. Deshalb mußte man automatisch da hingucken und dann lachte sie zurück und er blieb an der Tür stehen, das weiß ich noch, zumindestens ziemlich am Eingang. Aber das weiß ich überhaupt nicht, ob das einmal davor war oder an diesem Tag, das weiß ich nicht. Also ich hatte sie schonmal im Laden gesehen. Das habe ich auch damals bei der Polizei gesagt. Zweimal war sie auf alle Fälle bei uns im Laden.

Richter Dr. Be[rroth]:

Danke, Frau Rühle.

Es werden nunmehr die Beweisstücke

Ass. C 2.1 Pos. 8 und

Ass. C 2.4 Pos. 1

in Augenschein genommen.

Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

[5117] Der Zeugin wird zunächst das Bew.Stück Ass. C 2.1 Pos. 8 zur Erläuterung vorgelegt.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, das ist er original, das sehe ich schon.

Richter Dr. Be[rroth]:

Das ist der Pullover, den sie in Ihrem Geschäft gekauft hat?

Zeugin Rü[hle]:

Ja.

Richter Dr. Be[rroth]:

Danke.

Sodann wird der Zeugin das Bew.Stück Ass. C 2.4 Pos. 1 zur Erläuterung vorgelegt.

Richter Dr. Be[rroth]:

Können Sie mit diesem Pullover etwas anfangen?

Zeugin Rü[hle]:

Ja also, das müßte eigentlich die gleiche Firma sein, aber das habe ich nicht gesehen, zumindest an diesem Tag nicht.

Richter Dr. Be[rroth]:

Danke.

Vors.:

Sonstige Fragen? Herr Rechtsanwalt Becker, bitte.

RA Be[cker]:

Frau Zeugin, können Sie mal angeben, weshalb Sie diese, 1. was für Kriterien Sie haben, um zu beurteilen, ob jemand lesbisch ist oder nicht?

Vors.:

Bitte, die Frau Zeugin ...

Zeugin Rü[hle]:

Da brauche ich, glaube ich, auch nicht antworten.

Vors.:

... Frau Zeugin, lassen Sie bitte, ... nein, ich möchte die Antwort nicht haben. Das hat mit der Sachaufklärung nichts zu tun ...

RA Be[cker]:

Entschuldigen Sie mal, wenn die Zeugin hier dazu Angaben macht und insbesondere sagt, daß sie ihr deswegen aufgefallen ist und deswegen sagt, sie sei schonmal dagewesen, und daß das das Wiedererkennungszeichen ist, dann muß ich doch fragen ...

Zeugin Rü[hle]:

Entschuldigung, das ist nicht das Wiedererkennungszeichen ...

RA Be[cker]:

Jetzt lassen Sie mich mal ausreden, Frau Zeugin. Lassen Sie mich erstmal ausreden ...

Vors.:

Die Frage lasse ich nicht zu. Sie dient nicht zur Sache ...

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich möchte erst begründen, weswegen ich die Frage stelle. Ich begründe das wie folgt: Die Zeugin hat hier gesagt, daß sie schon einmal diese Person gesehen habe, [5118] und daß sie ihr aufgefallen sei, weil sie ein lesbisches Gehabe habe und ihr das sofort aufgefallen sei. Ich habe nun, um die Glaubwürdigkeit dieser Aussage zu prüfen, natürlich zu fragen, weshalb und mit was für Kategorien sie ein solches Gehabe hier überhaupt feststellen will.

Vors.:

Gut, wenn Sie überprüfen wollen unter dem Gesichtspunkt, ob die Zeugin bestimmte Kriterien entwickeln konnte, um ein Wiedererkennen zu ermöglichen, dann will ich diese Frage zulassen, aber ich bitte Sie um kurze Antwort ...

RA Be[cker]:

Also wielange die Zeugin antwortet, das ist ihre Sache und nicht Ihre, Herr Prinzing.

Zeugin Rü[hle]:

Also ich wollte eigentlich nur ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe Sie schon verschiedentlich darauf hingewiesen, daß wir uns hier in keinem Familienkranz befinden. Ich würde Sie bitten, die Funktion, die ich hier ausübe, wenigstens anzuerkennen.

Zeugin Rü[hle]:

Also ich wollte Ihnen eigentlich nur damit sagen, also sonst beachtet man Kunden vielleicht nicht in dem Sinne. Mir fiel sie eben nur dadurch auf, daß sie sehr viel anders aussah, als die anderen und deshalb habe ich vielleicht 1, 2 oder vielleicht auch 3 oder 4 mal hingeguckt. Das wollte ich nur damit sagen eben.

RA Be[cker]:

Frau Zeugin, haben Sie nicht auch mal gesagt, daß sie Ihnen aufgefallen sei, weil sie nicht so schick wie Ihre anderen Kundinnen aussah.

Zeugin Rü[hle]:

Schick, also wir haben alles durcheinander. Also ich kann nicht sagen, daß sie nicht schick war. Sie war eigentlich, finde ich, für mich in Jeans und Pullover, das finde ich immer schick.

RA Be[cker]:

Ja und jetzt haben Sie gar keine Kriterien genannt, für das, was Sie hier ...

Zeugin Rü[hle]:

Also ich habe auch gar keine Lust, Ihnen hier zu sagen, was ich damit meine und ...

RA Be[cker]:

Es geht nicht um Ihre Lust dabei ... bei dieser Frage. Wenn Sie sie ansprechen, müssen Sie es auch begründen. Herr Vorsitzender, die Zeugin hat die Frage offengelassen, ich möchte sie gerne beantwortet haben. Und wenn die Zeugin ...

Zeugin Rü[hle]:

Das ist der ganze Gesichtsausdruck dieses dünne, ich kann, das kann man nicht beschreiben. Ich kann Ihnen so was nicht sagen, dann müssen Sie mir beschreiben, dieses Gehabe, [5119] was andere Menschen haben, die eben auch, oder heute ist es ja nicht mehr so, nicht als normal gelten. Was soll ich da groß beschreiben, das sieht man, da kann ich nicht groß beschreiben.

RA Be[cker]:

Also Sie können es nicht beschreiben.

Vors.:

Die Frage ist beantwortet, die Zeugin hat gesagt, sie kann es nicht.

RA Be[cker]:

Und was ist mit der Person Achterrath, die Sie gerade genannt haben ...

Zeugin Rü[hle]:

Also ich würde sagen, zumindestens nach der Abbildung, daß er das war. Also als ich dann später bei der Polizei den Bogen sah und da habe ich mich an dieses Gesicht erinnert. Also ich würde fast sagen, daß er das war. Ich weiß es ja nicht. Manchmal sieht eine Fotografie anders aus.

RA Be[cker]:

Haben Sie das gegenüber der Polizei angegeben.

Zeugin Rü[hle]:

Ich habe das dem mal gesagt, also daß ich das Gefühl hatte, also daß eben, daß ich den im Laden gesehen habe. Ich weiß nicht, man muß ihn nochmal richtig sehen und daß er zumindestens schonmal da war und stand so ziemlich vorne an der Tür. Also vielleicht 1 ½ Meter im Laden. Weil ich auch gerade so vorn an der Kasse stand, und das ist unmittelbar nach der Tür, und sie war da schon am Spiegel, so etwas weiter im Laden, also da konnte ich mich daran erinnern, also ich habe sie zumindestens nicht zum ersten mal gesehen bei uns.

RA Be[cker]:

Ja, und warum haben Sie das, warum ... ich meine, das ist doch eine wichtige Aussage, warum ist das bisher nicht in Ihrer, von der Polizei überhaupt nicht aufgenommen worden. Haben Sie es denn überhaupt gesagt.

Zeugin Rü[hle]:

Da müssen Sie mal den Polizisten fragen, ich habe ihm das gesagt.

RA Be[cker]:

Haben Sie es denn gesagt?

Zeugin Rü[hle]:

Ich habe das mal so nebenbei gesagt, aber vielleicht war das damals nicht so wichtig.

Ende des Bandes 281.

[5120] Zeugin Rü[hle]:

Vielleicht denken Sie daß die, sagen wir mal, solche Leute, so wie ich, vielleicht reinsteigern und dann irgendwie was dazu sagen. Ich weiß nicht, aus welchem Grund er das nicht aufgeschrieben hat.

RA Be[cker]:

Ist es denn, möglich, daß diese Vermutung stimmt, die die Polizei da hatte, Ihnen gegenüber?

Zeugin Rü[hle]:

Das ist meine Vermutung, das ist nicht die Vermutung der Polizei. Das habe ich eben gesagt. Aber ich weiß es genau, und wenn ich jetzt den Typ sehen würde, dann würde ich ihn unter Umständen wieder erkennen, weil ich den nicht nur so flüchtig angesehen habe.

RA Be[cker]:

Fanden Sie das sehr aufregend eigentlich da in dem Laden, im Moment, oder ...

Zeugin Rü[hle]:

Wie bitte?

RA Be[cker]:

Wir wissen, daß einige, haben Sie Angst empfunden, als Sie da gewartet haben auf die Polizei.

Vors.:

Die Frage ist von der Zeugin bereits beantwortet.

Zeugin Rü[hle]:

Ich habe keine Angst gehabt.

RA Be[cker]:

Aufregung?

Vors.:

Ich habe gesagt, die Frage ist beantwortet worden und kann nicht zugelassen werden. Die Zeugin hat genau geschildert, in welchem Zustand sie war. Sie hat sogar gesagt, sie habe die Sache gar nicht so ernst genommen.

Sonstige Fragen? Ich sehe im Augenblick nicht. Dann bitte ich jetzt alle Beteiligten die Bilder in Band 68 Blatt 54-78 ...

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... nämlich die Fotografien der Rekonstruktion in Augenschein zu nehmen. Die Originale liegen hier beim Gericht vor. Sie sind farbig. Sie haben sie in schwarzweiß. Ich beabsichtige, der Zeugin die Bilder zu übergeben, nach dem die Beteiligten sie gesehen haben, damit sie sich äußern kann, ob sie in diesen Bildern einzelne Phasen des Geschehens wieder erkennt.

- Die Bilder aus Band 68 Blatt 54-78 wurden vom Gericht und den Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen. -

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Bitteschön.

RA Be[cker]:

... ich widerspreche der Vorlage dieser Bilder gegen- [5121] über der Zeugin. Und zwar aus folgenden Gründen. Die Bilder sind nachgestellte Bilder, die ähnlich, einem Fotoroman eine ausgesprochen suggestive Wirkung haben. Die Bilder entsprechen nicht ... Wie, was hat die Zeugin gerade gesagt?

Vors.:

Reden Sie bitte jetzt weiter, Herr Rechtsanwalt.

RA Be[cker]:

Würden Sie die Zeugin anhalten, daß Sie vielleicht, wenn hier was begründet wird, ruhig ist solange.

Vors.:

Nein, ich halte sie nicht an. Denn die Zeugin hat lediglich durchgeatmet.

RA Be[cker]:

Durchgeatmet!

Vors.:

Ja.

RA Be[cker]:

Gut nachgefühlt. Sie haben erstens eine suggestive Wirkung. Und sie sind 2. gestellt. Sie widersprechen im übrigen anderen Zeugenaussagen, zumindest soweit sie hier durch Polizeiprotokolle festgehalten sind, und sie stellen in ihrer suggestiven Wirkung, dadurch, daß sie vorgeben, eine erlebte Realität widerzuspiegeln, keine Gedächtnisstütze dar, sondern versuchen genau dieses Gedächtnis der Zeugin hier zu verwirren, indem sie nämlich eine erlebte Realität als wahr unterstellen, die in Wirklichkeit nicht unbedingt so gewesen ist. Es ist genauso, wie wenn Sie einen Vorgang noch einmal nachstellen, der sich nicht so unbedingt abgespielt hat, und wo Sie, wenn Sie diesen Film meinetwegen sehen, dann denken, das ist, was ich erlebt habe, und praktisch Wirklichkeit und Widerspiegelung dabei nicht mehr auseinander halten können. Der Hauptpunkt, weswegen ich dem widerspreche, ist die suggestive Wirkung, und daß es eine Reihe von anderen Zeugenaussagen gibt, die diesen gestellten Fotos widersprechen und die hier, wozu hier dann auch ebenfalls solche gestellten Fotos hätten produziert werden müssen, was bewußt vermieden worden ist.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich schließe mich diesem Widerspruch an, mit der weiteren Begründung, ich schließe mich auch der Begründung für den Widerspruch des Herrn Kollegen Becker an und füge als weitere Begründung hinzu: Diese Aufnahmen könnten nur, wo sie nicht etwa von der Polizei selbst konstruiert worden sind, könnten sie nur auf der Aussage der Zeugin Rühle beruhen. Nichts jedoch deutet darauf hin, daß das der Fall [5122] wäre. Aber nicht nur das, sondern die Aufnahmen, dieser Bilderroman, der hier vorliegt, und den Sie als Beweismittel einzuführen beabsichtigen, entspricht nicht den Aussagen der Zeugin Rühle. Somit haben die Bilder nicht nur keinen Beweiswert, sondern sie sind geradezu geeignet, eine beweiskräftige Zeugenaussage ins Zwielicht zu rücken und begründen den Verdacht, daß es sich um eine polizeieigene Montage handelt. Im übrigen nach der Zeugenaussage ist die Einführung dieses Bilderromans als Beweismittel überflüssig.

- Rechtsanwalt Künzel erscheint um 9.55 Uhr im Sitzungssaal. -

RA Be[cker]:

Darf ich noch etwas hinzufügen?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, es kommt noch hinzu, daß ein Vorhalt, der noch dazu jeweils durch eine Beschriftung hier, falls das Bild allein nicht ausreicht, noch eine verbale Interpretation suggeriert, noch viel stärker den Charakter dieses Bilderromans illustriert. Und es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu[s]. Die Zeugin ist offensichtlich auch zur Herstellung dieses Bilderromans, sozusagen als Aktrice, oder auf deutsch, also als Schauspielerin hier herangezogen worden. Sie sollte das alles noch einmal als zweite Realität hier wieder erleben. Und von daher ist ihr Erinnerungsbild ohnedies überlagert, so daß die, zwischen dem, was sie da erlebt hat und dem nachgestellten Erleben, was hier noch einmal dann festgehalten worden ist, sowieso nicht unterscheiden kann und daß sozusagen die Herstellung dieses Bilderromans ein ganz klares Manöver darstellt, um eine klare Erinnerung dieser Zeugin zu verwirren, genauso, wie es die meines Erachtens zumindest protokollierte, ich bin nicht sicher, ob die Zeugin noch einmal bei der Polizei war, zumindest die zweite protokollierte Vernehmung der Zeugin darstellt, an die sie sich selbst nicht mehr erinnern kann, auf die es der Polizei aber sehr stark ankam.

Vors.:

Ja, die Äußerungen zu der Aussage gern. § 257[ StPO][6] bitte nachher. Jetzt im Augenblick geht es nur um die Frage dieser ...

RA Be[cker]:

Das war nur eine Parallele, die hier zu ziehen war.

[5123] Vors.:

Sonstige Wortmeldungen der Herrn Verteidiger.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, noch, eine Frage.

Vors.:

Ja, meine Herrn, wollen Sie nun grundsätzlich beenden, oder wollen Sie weitere Ausführungen im Wechsel machen?

RA Dr. H[eldmann]:

Nein, nein. Eine Frage nur. Ich kann nicht erkennen, wann diese Bilderfolge hergestellt worden ist.

Vors.:

Ja.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja. Dann darf ich Sie um den Hinweis bitten ...

Vors.:

Nein, ich würde Ihnen vorschlagen, die Akten anzusehen, Blatt 54 ff.

RA Dr. H[eldmann]:

Oh, Herr Vorsitzender, sollte ich nächstens von Ihnen oder von der Bank der Bundesanwaltschaft auf Vorhalte aus den Akten, die mir vorliegen, wiederum die Frage kommen, wollen Sie nicht so freundlich sein uns zu sagen, woher Sie zitieren, werde ich Ihnen die gleiche Antwort geben, wie Sie mir jetzt gegeben haben. Schauen Sie sich selber um.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich werde Ihnen die Gelegenheit aber nicht geben, Vorhalte zu machen, ohne daß Sie die Zitatstelle benennen. Sonst wird ein Zeuge Ihnen keine Antwort darauf geben können.

Ich bitte die Herrn Verteidiger. Wollen Sie noch irgend etwas ausführen? Ich sehe nicht.

Bitte die Herrn der Bundesanwaltschaft. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich bitte die Lichtbilder trotz des Protestes der Verteidiger der Zeugin vorzuhalten. Die Zeugin hat den maßgeblichen Teil ihrer Aussagen gemacht. Eine Zeugin, die so frei aus ihrer Erinnerung aussagt, wie es diese Zeugin tut, die läßt sich nicht verwirren durch Aufnahmen. Im übrigen ist es selbstverständlich und entspricht auch der Praxis des Senats, daß die Beschriftung dieser Bilder abgedeckt wird. Als letztes noch. Mich verwundert es auch heute wieder, daß Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann zu diesem Komplex Erklärungen abgibt, nachdem er den Angeklagten Baader verteidigt.[7] Das aber nur am Rande.

Vors.:

Darf ich vielleicht auf folgendes hinweisen meine Herren: Ich hatte lediglich ...

[5124] RA Dr. He[ldmann]:

Wollen Sie keine Antwort darauf haben von mir.

Vors.:

... die Absicht, und das habe ich ja auch zum Ausdruck gebracht, der Zeugin die Bilder im Rahmen des Augenscheins am Tische hier zu zeigen, nicht um ihr etwa Anhalt... Anlaß zu geben, ihre Aussage zu erneuern, sondern nur, ob sie anhand dieser Bilder, die sie hier sieht, irgendeine Situation erkennt, zu der sie sagen kann: Ja, das entspricht auch meiner Erinnerung. Soweit es Bilder sind, die etwa von ihrem Erinnerungsbild, das sie ja bereits durch ihre Aussage festgelegt hat, abweichen, erwartet von der Zeugin kein Mensch, daß sie überhaupt hier Stellung nimmt zu irgend einem Bild. Sondern nur dort, wo sie irgend was glaubt, wieder zu erkennen. Das war der Sinn der Sache. Ist das diese Aufregung wert?

RA Dr. H[eldmann]:

Ich habe Blatt 79 der Akte vor mir. Es ist wahrscheinlich der Hinweis gewesen, den Sie mir haben geben wollen, als Sie sagten, kümmern sie sich selber drum, um die Datierung dieses Fotoromans. Aus Blatt 79 der Akten ...

Vors.:

Ja?

RA Dr. H[eldmann]:

Ist es also richtig, daß die Aufnahmen am 21.9. gemacht worden sind. Dreieinhalb Monate nach dem sogenannten Tatgeschehen.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, solche Sachen würde ich sagen, ...

RA Dr. H[eldmann]:

Es ist keine Frage an Sie, Frau Zeugin.

RA Be[cker]:

Ist das richtig?

Vors.:

Ja, das Datum dürften Sie richtig erkannt haben. Was besagt das?

RA Dr. H[eldmann]:

Dreieinhalb Monate nach dem Tatgeschehen.

Vors.:

Meine Herrn, es handelt sich um Bilder einer Rekonstruktion, wie sie nicht selten gemacht wird bei Kapitalverbrechen, die Gegenstand der Untersuchung bilden und die werden üblicherweise, und das werden Sie auch wissen, in die Beweisaufnahme mit einbezogen. Das ist der Sinn der Sache. Damit wird weder eine Zeugin beeinflußt, im Gegenteil, der Zeugin wird gesagt, sie soll etwas, was sie nicht wieder erkennt, auch in gar keiner Weise würdigen. Sondern nur, ob sie aus diesen Bildern heraus irgend eine Situation wieder erkennt und sagt: ja. So entspricht es meiner Erinnerung. Das ist der [5125] einzige Sinn der Sache.

RA Dr. H[eldmann]:

Bloß werden solche Fotodokumente, von denen Sie eben gesprochen haben, nicht dreieinhalb Monate nach der Tat hergestellt und nicht in der Form eines Bilderromans.

Vors.:

Über die polizeiliche Praxis möchte ich mich jetzt mit Ihnen nicht unterhalten ...

RA Dr. H[eldmann]:

... allgemein bekannt.

Vors.:

Ich betrachte das als eine Beanstandung[8] meiner Absicht, der Zeugin die Bilder in diesem Sinne, wie ich sie eben aufgeführt habe, vorzulegen.

RA Dr. H[eldmann]:

Wird beanstandet, ja.

Vors.:

Ja.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat bestätigt, daß die Bilder zu diesem Zwecke verwendet werden können.

Frau Zeugin, darf ich Sie bitten, an den Tisch vorzutreten. Wir wollen jetzt die Bilder - halt nein - so handhaben, daß Sie den Text nicht lesen können.

Der Zeugin werden aus Band 68 die Bilder Blatt 54 - 78 vorgelegt.

Sie gab dazu Erklärungen ab.

Die Bilder aus Band 68 Bl. 54 - 78 werden in Augenschein genommen.

Zeugin Rü[hle]:

Also so wie sie hier steht, das stimmt genau. Also ich weiß nun nicht, ob die Hand nun da oben war, oder was weiß ich. Aber in dem Moment, als die Polizei kam, aber sie stand zumindestens so da.

- Diese Erklärung hat die Zeugin abgegeben zu Bild Nr. 1 -

Zeugin Rü[hle]:

Ich bin nur der Meinung, daß, glaube ich, gleich zwei da waren, zwei Polizisten.

Vors.:

Das sind Sie gefragt worden. Das haben Sie auch bestätigt. Sie meinten, es seien zwei.

Zeugin Rü[hle]:

Wo sind zwei, ich sehe nur einen.

Vors.:

Aber es macht nichts aus, die Zeugin hat sich ja klar in der Richtung ...

RA Kü[nzel]:

Wo waren Sie denn da?

Zeugin Rü[hle]:

Ich war jetzt hier oben. Hier sind jetzt zwei Stufen hoch und da ist so, sagen wir mal, hier steht ein Tisch mit [5126] einer kleinen Couch und zwei Stühlen. Und jetzt sind hier, glaube ich, vier Kabinen und der fünfte ist ein Durchgang, der gleichzeitig auch als Kabine ... Und ich war so gerade, ich war noch nicht in der Kabine, also im Durchgang. In diesem Moment kam ich zurück. Da stand ich aber ziemlich oben so. Kurz vor der Kabine, vor dem Durchgang.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel, bitteschön.

RA Kü[nzel]:

Ich habe noch eine Frage, die mich jetzt interessiert. Hatten Sie denn volle Sicht auf diesen ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja, alles konnte ich sehen, den ganzen Laden konnten Sie sehen. Hier oben, das ist ja nur so ein Schlauch, so ein gerades Stück.

- Diese weiteren Erklärungen wurden gegeben anhand Bild Nr. 2 -

Zeugin Rü[hle]:

Also hier, jetzt weiß ich nicht, ob da jemand stand. Der Laden war ja voll. Hier standen bestimmt noch mehr. Meines Erachtens waren da so 8 bis 12 Kunden oder 6. Sowenig waren natürlich nicht da.

- Diese Erklärung gibt die Zeugin anhand Bild Nr. 3. -

Zeugin Rü[hle]:

Also hier weiß ich nun nicht, ob gerade die Drehung so war. Da will ich mich nicht festlegen. Also ich würde z.B. sagen, nachher geht sie hier so ein bißchen, hier ist ja der Tisch, steht sie mehr da, also, als wenn sie der Polizei ausweicht. Und dann stand sie so - die war unheimlich ruhig - als wenn sie dann so vorbeiging. Das war nachher noch. Vielleicht kommt das da noch.

- Das war die Erklärung zu Bild Nr. 4. -

Zeugin Rü[hle]:

Also die war mehr drin, glaube ich, die Hand. Also würde ich sagen. Aber das ist schon eine richtige Haltung so.

- Das ist eine Erklärung zu Bild Nr. 7 auf Blatt 59. -

RA Kü[nzel]:

Wo stehen Sie jetzt, als der ...

Zeugin Rü[hle]:

Hier oben, also immer noch da oben. Also wenn dies hier der Laden ist, ganz vorn war das, ich steh hier oben. [5127] Also das sind zwei Stufen hoch und da kann man auch alles sehen, den ganzen Laden durchblicken. Weil der Laden eben nur ein Schlauch ist.

RA Kü[nzel]:

Und wenn Sie jetzt diese Aufnahme diese Stellung mal hier zeigen.

Zeugin Rü[hle]:

Das ist da.

RA Kü[nzel]:

Das ist da.

Zeugin Rü[hle]:

Da ist der kleine Glastisch und hier ...

RA Kü[nzel]:

Also an diesem Tisch.

Zeugin Rü[hle]:

Ja so hier, genau da. Kurz vor dem Elefanten.

RA Kü[nzel]:

Dann sehen Sie aber ja, das so eigentlich gar nicht. Sie sehen ja da die linke Hand, die linke Seite?

Zeugin Rü[hle]:

Ich kann das jetzt nicht erklären. Da müßte ich Ihnen vielleicht unseren Laden aufmalen. Wo ist das hier.

RA Kü[nzel]:

Ja, wenn Sie es hier so zeigen ...

Zeugin Rü[hle]:

Gucken Sie mal, hier, wenn ich jetzt hier so, sagen wir mal, hier gehen zwei Stufen hoch. Hier könnten Sie alles sehen von hier oben.

RA Kü[nzel]:

Bloß über die Personen weg, sehen Sie ja nicht.

Zeugin Rü[hle]:

Doch. Aber man sieht das doch, wenn jemand so steht.

RA Kü[nzel]:

Aber Sie sehen doch die Person, Sie sehen doch jetzt auf die linke Seite der Person.

Zeugin Rü[hle]:

Ne, wieso. Ich hab das wirklich gesehen. Ich würde nur fast sagen, sagen wir mal, eben stand sie so hier davor, nicht. Hier sind die beiden Tische, hier ist noch so ein ganz kleiner Gang. Daß sie mehr da drin stand und so. Sagen wir mal, wenn ich jetzt ein Tisch habe, so würde ich sagen. So war es für mich. Jetzt nicht nach dieser ...

RA Kü[nzel]:

Da müßte aber wieder eine Drehung nach ...

Zeugin Rü[hle]:

Ja, diese Haltung hier, die würde ich sagen, diese no... Diese Haltung, da ist hier jetzt der Tisch, daß Sie eben da so ein bißchen drin stand und dann so. Also so erinnere ich das. Also ich meine, dies war vielleicht eine Haltung vorher, oder was weiß ich. Also das würde ich hier meinen, hier können Sie das ja sehen, hier, daß sie mehr dazwischen stand. Also so erinnere ich das.

Vors.:

Herr Holland, Sie hatten eine Frage?

OStA Ho[lland]:

Nein, das hat sich erledigt anhand des Bildes.

[5128] Vors.:

Wir waren bis zu diesem Bild gediehen. Da hatten Sie sich schon geäußert.

Zeugin Rü[hle]:

Hier also bei diesem Bild würde ich sagen, da stand sie mehr so dazwischen und eben auch so.

Vors.:

Was verstehen Sie, mehr dazwischen.

Zeugin Rü[hle]:

Hier, da ist der Tisch, den ich eben meinte, da vorne bei ...

Vors.:

Auf die Haltung kommt es insbesondere an. Weniger auf den direkten Standpunkt.

Zeugin Rü[hle]:

Also jetzt steht sie für mich ja so, nicht. Also die Polizei kam rein und sie wich hier so ein bißchen aus. Also so in den Gang, also so habe ich das noch in Erinnerung, daß sie so stand.

RA Be[cker]:

Jetzt mit der Hand nach hinten.

Zeugin Rü[hle]:

Ne. Also ich steh jetzt hinten. Sagen wir mal hier oben so halb schräg.

RA Be[cker]:

Ne, jetzt nehmen wir mal an, hier ist also der Ausgang. Hier gehts nach draußen.

Zeugin Rü[hle]:

Hier gehts nach draußen. Also wenn Sie nach draußen ... und ich steh da oben.

RA Kü[nzel]:

Jetzt müßte aber Ihre Drehung so kommen, oder nicht.

Zeugin Rü[hle]

Ne so. Ich steh hier oben ... achso, ja da ist der Ausgang. Sie steht so und ich steh jetzt da oben, so ist es. Da ist die Tür. Sie steht so und meines Erachtens war es mehr dazwischen, aber das ist ja alles egal.

RA Be[cker]:

Jetzt warten Sie mal. Ich möchte noch einmal zum 1. Bild, das ich das ganz genau habe. Ihre Position noch einmal ...

OStA Z[eis]:

Ich beanstande die Frage. Die Frage ist mehrfach schon beantwortet worden.

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist ein Vorhalt.

Vors.:

Ich werde die Gelegenheit geben, daß die, nachdem die Position ohnedies immer wieder Gegenstand von Erörterungen war, das nochmals zu verdeutlichen.

RA Be[cker]:

Wieviel Meter von hier ab. Ich mein ...

Zeugin Rü[hle]:

Der Laden ist, sagen wir mal so, mit hinten so ein bißchen ja, haben Sie sich nicht mal vorgestellt, der ist hinten, also so ein Stück, im ganzen ist er 70 qm, ich nehme an, also die Verkaufsfläche - ich kann schlecht schätzen -, [5129] aber wird so 60 bis 63 qm sein. Und man, also ich hab sowie - so ein Luchsblick[t], ich sehe sowieso alles in dem Laden. Der ist so einfach, so übersichtlich.

RA Be[cker]:

Dieser Läufer, geht der weiter hier durch.

Zeugin Rü[hle]:

Ne, der ist hier zu Ende. Und jetzt kommen hier zwei Stufen, also da muß ja gleich zu Ende sein. Dann kommt vielleicht noch so zweieinhalb Meter oder vielleicht auch zweieinhalb oder zwei Meter und dann kommen die Kabinen.

RA Be[cker]:

Und jetzt, innerhalb dieses ...

Zeugin Rü[hle]:

Nein, also hier z.B., hier gerade hoch ist der Ausgang oder die fünfte Kabine, gleichzeitig als Kabine.

RA Be[cker]:

Und jetzt Ihr Standpunkt.

Zeugin Rü[hle]:

Also ich stand hier so, also erst stand ich da. Dann bin ich natürlich, als ich die Polizei sah, da wurde ich ein bißchen sicherer, bin ich wieder nach vorne gekommen.

RA Be[cker]:

Aber wo standen Sie ...

Zeugin Rü[hle]:

Also hier stand ich vielleicht so unter Umständen. Und hier stand auch die Kundin, also die von mir eigentlich noch diese Sache geklärt haben wollte.

RA Be[cker]:

Aber eher links, auf der linken Seite.

Zeugin Rü[hle]:

Links nicht, hier so am Eingang. Ich mußte es ja auch sehen. Also ich würde sonst so etwas nicht sagen. Also ganz bestimmt. Sonst würde ich lieber sagen, ich weiß es nicht. Ich will ja nichts falsches sagen. Also wenn ich das so gesehen habe, dann habe ich das auch so gesehen.

RA Be[cker]:

Aber Sie standen nicht in der Mitte, sondern ...

Zeugin Rü[hle]:

Hier so. Wissen Sie was, hier ist die Kabine, wenn es weiterläuft. Aber hier, ich hab das wirklich in unmittelbarer Nähe, alle anderen sind ja weggelaufen. Ich stand da, weil ich mir überhaupt nicht klar oder nicht bewußt machte. Also für mich war das harmlos. Ich kam mir eher noch schäbig vor, weil ich da angerufen hab.

Vors.:

Frau Zeugin, es geht ja jetzt um einen anderen Punkt, sondern es geht einfach darum, daß, die Breite Ihres Verkaufsraums genommen, standen Sie jetzt mehr in der linken Seite, in der Mitte oder mehr rechts.

Zeugin Rü[hle]:

So hier, so vielleicht. Also so hier.

Vors.:

Ja. Wir müssen die Breite, die kennen wir ja im einzelnen.

[5130] Zeugin Rü[hle]:

Das weiß ich nicht, ob ich nun in der Mitte oder da stand, das weiß ich nicht.

Vors.:

Eben, gut. Dann ist das Ihre Antwort, Sie wußten das nicht. Wir kommen jetzt zu Bild 8.

RA Eg[gler]:

Ich habe hier noch eine Frage.

Vors.:

Achso. Herr Rechtsanwalt Eggler.

RA Eg[gler]:

Ist die Handdarstellung, wie sie hier gegeben ist auf dem Bild, entspricht die Ihrer Erinnerung.

Vors.:

An sich beantwortet, Herr Rechtsanwalt.

Zeugin Rü[hle]:

Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, also ich würde mehr sagen, daß die Hand drin war.

RA Eg[gler]:

Von Anfang an?

Zeugin Rü[hle]:

Das kann ich nicht mehr sagen, von Anfang an. Das weiß ich nicht.

Vors.:

Auch die Frage ist längst beantwortet. Ich kann’s jetzt nicht zulassen, daß alles wieder nachgeholt wird, was bereits gefragt und beantwortet wurde.

RA Be[cker]:

Zwischen nachholen und nachholzen ist ein Unterschied, meines Erachtens, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Gut, das anerkenne ich.

Zeugin Rü[hle]:

Also das war schon, vielleicht war das noch gekonnter so die Bewegung. Aber so in der Art war das schon.

- Erklärungen zu Blatt 61, Bild 9 -

Vors.:

Ab jetzt ist es dann für das Gericht nicht mehr von Bedeutung. Wenn die übrigen Verfahrensbeteiligten darauf Wert legen? Es ist nicht mehr das, was irgendwie im Zusammenhang mit dem erhobenen Tatvorwurf steht.

OStA Ho[lland]:

Eine ergänzende Frage, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte, Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Ho[lland]:

Frau Rühle, können Sie sich erinnern, ob die Kundin, von der Sie gesprochen haben und um die es hier geht, bei diesem Gerangel die Tasche noch in etwa dieser Position hatte, oder wissen Sie das nicht mehr?

Zeugin Rü[hle]:

Ich weiß jetzt nicht, ob sie sie so hatte. Also ich würde fast 99 ¾ % sagen, daß sie die Tasche hatte. Also das ist jetzt für mich ganz schwer, um das 100 %ig[u] zu sagen. Aber sie hat, ich weiß auch noch, daß nachher, als sie, sagen [5131] wir mal, umgedreht und von den beiden Polizisten gehalten wurde, daß man ihr als erstes die Tasche wegnahm. So erinnere ich das.

RA Be[cker]:

Ich hab noch eine Frage.

Vors.:

Anhand der Bilder?

RA Be[cker]:

Ja. Ich möchte gern das Bild 12 nochmal.

Vors.:

Ich dachte, Sie waren gegen die Vorhalte der Bilder?

RA Dr. H[eldmann]:

Ja deswegen müssen wir dieses Spiel mitspielen.

Zeugin Rü[hle]:

Also ich finde das furchtbar, wie Sie sich hier streiten.

RA Dr. H[eldmann]:

Das geht Sie ja nichts an, Frau Zeugin.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, das geht mich auch nichts an. Schlimm ist das.

Vors.:

Bitte Frau Zeugin, zu Bild 12. Sind Fragen?

RA Be[cker]:

Ja. Was stellt das dar?

Zeugin Rü[hle]:

Das stellt mich dar. Also hier sehen Sie ja die Kabine und da kann man so rumgehen.

RA Be[cker]:

Ach das sind Sie, das sind Sie.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, das bin ich. In schlechter Haltung.

Vors.:

Wir können es aber nicht aus den Akten nehmen, das Bild, deswegen.

Zeugin Rü[hle]:

Das ist mir auch egal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Frage ist im übrigen aus Blatt 79 auch ohne weiteres ersichtlich. Hier ist die Zeugin als Darstellerin aufgeführt.

RA Be[cker]:

Ich kann sie doch noch einmal fragen.

Vors.:

Ja, ich wollte es Ihnen nur zur Vereinfachung ... Haben Sie weitere Fragen zu diesem Bilde.

RA Be[cker]:

Ja. Entspricht das Ihrer Erinnerung so?

Zeugin Rü[hle]:

Das, daß ich da so aufgenommen wurde oder was?

RA Be[cker]:

Nein, daß das auch Ihren Standpunkt wieder gibt.

Zeugin Rü[hle]:

Also welchen Standpunkt, zu welcher Zeit und zu wann oder wie?

RA Be[cker]:

Den Zeitpunkt, als Sie noch nicht ganz sicher waren, daß das alles gutgeht und Sie schon nach vorne gingen, als Sie noch guckten von hinten.

OStA Ho[lland]:

Ich widerspreche. Die Zeugin hat nie gesagt, sie sei nie sicher gewesen, oder hätte sich im unsicheren darüber befunden, ob die Sache gutgeht. Sie hat gesagt, die Sache habe ich als harmlos angesehen.

[5132] Vors.:

Nein, sie hat gesagt, als die Polizei, kam fühlte ich mich wieder sicherer und ging nach vorne. Der Vorhalt ist richtig.

Zeugin Rü[hle]:

Ich will ja nicht wissen ...

RA Be[cker]:

Ja, aber es gab da zwei verschiedene Phasen. Zuerst von hinten geguckt ...

Vors.:

Ich habe Ihnen ja recht gegeben im Augenblick.

Zeugin Rü[hle]:

Ja, ich hab ja von hinten, ging[v] ich gerade durch guckte mich nochmal um[w], wo sie war und in dem Moment sehe ich zwei Mützen, und bin wieder nach vorne gekommen. Da hatte ich überhaupt gar keine Bedenken mehr. Und da hat sich das nachher auch alles von selbst geregelt. Man macht sich ja auch in dem Moment auch keine Gedanken.

RA Be[cker]:

Standpunkt richtig.

Zeugin Rü[hle]:

Ja also, Standpunkt. Ich bin bestimmt nach vorne gekommen, sonst hätte ich sie ja nicht gesehen. Nachher diese Sache, wo ich wirklich weiß, daß ich sie so gesehen hab. Da muß ich hier gestanden haben. Von der Ecke kann ich es doch nicht sehen.

Vors.:

Also Antwort, Standpunkt nicht richtig. Aber ich bitte auf Bild 12 doch noch [x] eines ins Auge zu fassen. Das, Frau Zeugin, scheint also das Ende des Läufers zu sein und dort vorne würden jetzt die Treppen kommen.

Zeugin Rü[hle]:

Hier sind die beiden Treppen ...

Vors.:

Jawohl, gut. Dankeschön. Sonstige Fragen zu den Bildern?

RA Be[cker]:

Können Sie, ist diese Aufnahme denn, was sehen Sie denn da vorne, hier. Können Sie das erkennen.

Zeugin Rü[hle]:

Was da vorne? Na klar, das können Sie auch erkennen. Da stehen zwei Personen.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja was denn für Personen?

Zeugin Rü[hle]:

Hier sehen Sie doch, irgendwie Polizei und irgendjemand und dies Mädchen oder diese Frau.

RA Dr. H[eldmann]:

Polizei und das Mädchen. Während Sie hier stehen.

Zeugin Rü[hle]:

Ich hab vorhin gesagt, daß ich nicht da gestanden hab.

OStA Z[eis]:

Ich beanstande die Frage. Die Frage ist schon beantwortet.

Vors.:

Ja, die Frage ist ausreichend beantwortet.

RA Dr. H[eldmann]:

Nein.

Vors.:

Doch.

[5133] OStA Z[eis]:

Ich beanstande die Frage.

RA Dr. H[eldmann]:

Im Moment erst hat die Frau Zeugin identifiziert, da vorne sind bereits Polizisten in Aktion, während Sie hier steht.

Vors.:

Ja. Sie hat aber gesagt, das sei nicht der Standpunkt bei ihren Beobachtungen gewesen. Die Frage ist klar beantwortet. Mit der Identifizierung der Person auf dem hier vorliegenden Bild hat das überhaupt nichts zu tun.

RA Dr. H[eldmann]:

Dazu stelle ich fest zu Protokoll, daß diese Aufnahme falsch ist.

Vors.:

Das dürfen Sie gerne. Das hat die Zeugin ja gesagt, daß es ihren Standpunkt nicht richtig wiedergibt. Weitere Bilder? Ich sehe nicht. Dann darf ich Sie bitten, wieder Platz zu nehmen. Sind an die Frau Zeugin weitere Fragen? Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Nachdem wir soeben an Hand der Bildbetrachtung und der darauf folgenden Aussage der Frau Zeugin gehört haben, dass Bild Nr. 12 die Wirklichkeit an jenem Tag nicht wiedergibt, das Bild Nr. 12 also falsch ist, frage ich, nach wessen Anweisungen eigentlich ist diese Bildfolge eigentlich hergestellt worden. Haben Sie, Frau Zeugin dem Fotografen die Bilddarstellung gegeben?

Zeugin Rü[hle]:

Also ich habe ihm nicht die Bilddarstellung gegeben. Also das wurde mehr, sagen wir mal, von der Polizei alles gemacht. Also daß ich da gerade stand, also da hat man mich auch nicht gefragt, also da stand ich eben. Ich weiß das auch nicht mehr so genau. Aber ich kann genau sagen, das was ich eben gesehen habe, wie sie da stand, mit der Hand in der Tasche, und davon gehe ich auch nicht ab. Das weiß ich 100 %ig[y], da brauch mir keiner was vormachen. Sicherlich war das vielleicht ein Schritt vor. Ich hab’s ja genau gesehen. Und was ich gesehen hab, das weiß ich. Da können 10 Leute reden, das ist mir egal.

Vors.:

Sonstige Fragen? Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Frau Zeugin, bei diesen Aufnahmen, gab es da irgendwie ein Drehbuch oder was?

Zeugin Rü[hle]:

Wie bitte?

RA Be[cker]:

Gab’s da irgendwie ein Drehbuch oder was, wie das [5134] ablaufen sollte?

Zeugin Rü[hle]:

Ne, weiß ich nicht. Die hatten da sicherlich, sie hatten das ja alles das schriftliche von uns, bzw. auch von mir. Und das hat die Polizei alleine gemacht. Sie fragt mich doch nicht so und dies und jenes usw. Das haben die selbst, alleine gemacht.

RA Be[cker]:

Alles selbst gemacht.

Zeugin Rü[hle]:

Ich mußte nur im Laden sein. Einmal weil ich bei solchen Sachen, wenn irgendwelche Fototermine oder so, bin ich eben immer diejenige, die da sein muß. Also die hätten auch eine andere genommen für mich, nur stand ich gerade da. Also ich war ganz unwichtig in diesem Moment.

RA Be[cker]:

Nebensächlich, aha.

Vors.:

Sonstige Fragen? Ich sehe nicht. Dann können wir die Frau Zeugin vereidigen.

- Die Zeugin Rühle wurde vorschriftsmäßig vereidigt und in allseitigen Einvernehmen um 10.20 Uhr entlassen. -

Vors.:

Jetzt bitte ich Frau Esser.

RA Be[cker]:

Ich möchte davor noch eine Erklärung abgeben ...

Vors.:

Ja selbstverständlich, Sie haben das Recht, zu verlangen ...

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, die Vernehmung der Zeugin Rühle hat meines Erachtens erst einmal ergeben, daß die Polizei, bzw. die Sonderkommision mit der ersten Vernehmung von Frau Rühle nicht zufrieden gewesen ist, weil dort ganz klar dringestanden ist. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß die Kundin bei ihrer Festnahme nicht zur Waffe gegriffen hat. Und daß die Zeugin Rühle sich heute an eine zweite Vernehmung nicht erinnern konnte, was entweder den Schluß zuläßt, daß diese Vernehmung von der Polizei nachträglich überhaupt fingiert worden ist, wenn sie sich nicht daran erinnern kann, oder aber daß diese Vernehmung im wesentlichen von Frau Rühle, diese zweite Vernehmung vom 22.9.1972, von Frau Rühle nur passiv erduldet worden ist und hier ihr Fragen und insbesondere Antworten in den Mund gelegt worden sind, die ihrer ersten Aussage ausdrücklich widersprechen. Und die nur dazu dienen sollten, das vorfabrizierte Ermittlungsergebnis, was bisher durch diese Aussage gestört war, zu stützen. Und es [5135] ist dabei bemerkenswert, daß diese Zeugin sich in dieser Vernehmung, die dann drei Monate nach dem Vorfall stattfindet, dreieinhalb sogar, an viel mehr Sachen erinnern können soll, als, und will insbesondere, als bei ihrer ersten Aussage. Und es kommt dann noch hinzu, daß sie, und das haben wir heute auch von ihr gehört, daß diese Bilder hier eigentlich keinen Beweiswert haben, weil sie im Grunde dort als Statistin der Polizei benutzt worden ist und ihr gesagt worden ist, das, was wir jetzt hier aufnehmen, das entspricht ihren Aussagen. Die hatten ja meine schriftliche Aussage und ich war da nur Statistin, hat sie hier gesagt. Ich bin also der Meinung, daß von der Form der Ermittlung her die Aussage dieser Zeugin, insbesondere, was einen angeblich versuchten Waffengebrauch anlangt, überhaupt keinen Beweiswert hat. Insbesondere auch, weil die Zeugin hier eigentlich zugegeben hat, daß sie von ihrer Position aus das nicht sehen kann, was hier suggeriert wird, was sie gesehen haben soll.

Vors.:

Ja. Sonstige Wortmeldungen, d.h. Verlangen, das Wort zu ergreifen. Ich sehe nicht. Dann bitte ich jetzt Frau Esser.

- Die Zeugin Angelika Esser erscheint um 10.23 Uhr im Sitzungssaal. -

Vors.:

Frau Esser, zunächst Ihre Personalien.

Die Zeugin machte folgende Angaben zur Person

Zeugin Esser:

Esser, Angelika, 31 Jahre alt,

kaufmännische Angestellte, wohnh.: 4307 Essen-Kettwig, [Anschrift],

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Die Boutique „Linette“[z] in Hamburg ist Ihnen ein Begriff?

Zeugin Es[ser]:

Ich habe da gearbeitet, ja.

Vors.:

Sie haben dort gearbeitet. Und in der Zeit, in der Sie dort gearbeitet haben, soll einmal eine Dame dort verhaftet worden sein, die als Kundin dort aufgetreten ist. Erinnern Sie sich [5136] an einen solchen Vorfall?

Zeugin Es[ser]:

Ja.

Vors.:

Wollen Sie uns dann im Zusammenhang darstellen, was Sie noch in Erinnerung haben?

Zeugin Es[ser]:

Das war in der Mittagszeit. Meine Kollegin Frau Graumann und ich hatten Dienst. Wir waren alleine und ich hatte eine Stammkundin. Und dann kam eine frühere Kollegin hinzu, die sich an den Tisch in unserer Boutique setzte und sich mit Frau Graumann unterhielt. Und ich hab diese Stammkundin bedient und im Laufe des Kundengesprächs, ich zeigte ihr Pullover, war eine andere Dame hinzu gekommen und guckte sich auch die Pullover an. Und ich hab zwischendurch gefragt, kann ich ihnen auch zwischendurch helfen. Und sie fragte dann nach einem Pulli und ich hab ihn ihr gegeben, und gesagt, sie könnte gerne in die Kabine gehen zum Anprobieren. Hab mich dann aber weiter mit meiner Kundin beschäftigt. Und wie dann das so geht, wenn man zwei Kundinnen hat, dann fragt man zwischendurch mal, paßt es. Und dann habe ich ihr mal einen anderen rausgesucht. Und sie hat sich aber im Großen und Ganzen selbst bedient. Und dann rief unsere Geschäftsführerin, wem gehört die Jacke hier. Sie war hinzugekommen in den Raum und hatte eine Jacke gefunden, die auf dem Sofa abgelegt war und war wohl in der Annahme, daß jemand eine neu mitgehen hatte lassen und die alte liegen gelassen hatte, was öfters vorkam. Und ich sagte, ich weiß es nicht. Ich hatte nicht gesehen, daß die andere Dame die Jacke abgelegt hatte. Und dann rief Frau Rühle, kommen sie doch mal und sagte, irgendwie ist nach erzählen ihr die Jacke so schwer vorgekommen und sie hat dann geguckt, was in der Tasche war und sagt, fassen sie doch mal an, könnte das nicht eine Pistole sein. Und ich hab die Jackentasche von außen abgefühlt und hab dann gesagt, ja, es könnte eine sein. Und ja was machen wir jetzt. Und nach einigen Beratungen waren wir dann der Meinung, daß die Polizei gerufen werden müßte. Und das hat die Frau Rühle dann auch getan und kam wieder nach vorne. Sie ist dazu hinten in ein kleines Büro gegangen und hat gesagt, die Polizei hätte gesagt, wir sollten die Kundin aufhalten und ich möchte sehen, daß das Verkaufsgespräch länger hingezogen würde. Das habe ich dann [5137] gemacht. Es war ja auch nicht schwierig, zumal ich noch eine andere Stammkundin hatte, die eher da war. Und ich hab dann wiederholt gesagt, ich müßte nochmal die richtige Größe aus dem Keller holen. Ich kann nicht sagen, wie lange es gedauert hat, bis die Polizei kam. Da hatte ich kein Zeitgefühl. Und als die beiden Polizisten, ich glaube es waren zwei, ich kann mich daran gar nicht mehr so genau erinnern, das Geschäft betraten, riefen sie, wo ist die Dame oder wo ist die Person. Ich kann nicht mal sagen, wer gesagt hat, das ist sie. Ich meine sogar, es wären zwei andere Kunden gewesen, die noch den Laden betreten hatten. Aber ich kann mich nur noch erinnern, daß es dann ein Handgemenge gab und wir sind, wenn ich mich recht besinne, ein bißchen weggelaufen zum Eingang hinten zum Büro. Dann hatten diese beiden Polizisten, also diese Kundin lag auf dem Boden und wurde festgehalten von einem Polizisten. Sie wehrte sich heftig und der Polizist fragte, wo ist denn die Pistole. Und dann haben wir noch gesagt, ich weiß nicht, wer es gesagt hat, in der Jackentasche, in der Tasche. Und dann haben sie erst die Handtasche nachgeprüft und fanden nichts und daraufhin haben wir gesagt, in der Jackentasche. Und dann wurde die Pistole gefunden. Die Kundin hatte die Jacke inzwischen wieder an, wurde die Pistole gefunden und später dann auch noch in der Handtasche noch eine. Es war also in groben Zügen, wie ich mich daran erinnern kann.

Vors.:

Ja, das ist das, was Sie noch im Gedächtnis haben von dem Vorfall. Erinnern Sie sich noch, ob diese Jacke von dem Zeitpunkt an, als Frau Rühle diese Feststellungen getroffen hatte, daß da möglicherweise eine Waffe drin ist, liegen blieb oder?

Zeugin Es[ser]:

Ja, die lag auf dem Sofa oder auf dem Stuhl. Sie blieb jedenfalls liegen. Frau Rühle hat sie nicht mit weggenommen.

Vors.:

Als die Polizisten kamen, hatte da die betreffende Kundin wieder die Jacke an.

Zeugin Es[ser]:

Ja, denn sie war ja praktisch schon, ich hatte sie fast zu Ende bedient und zum Schluß, muß ich noch hinzufügen, hatte ich eigentlich keinen Grund mehr, sie noch aufzuhalten. Sie wollte bezahlen. Sie hatte sich entschlossen. Dann habe ich Frau Rühle noch hinzu gerufen und hab gesagt: „Würden Sie Kasse machen, ich hab noch eine Kundin.“ Und dann ist Frau Rühle, [5138] wenn ich mich recht erinnere, noch mit der Dame zur Kasse gegangen und in dem Moment glaube ich, kam die Polizei rein. Ich kann es also so genau nicht mehr sagen.

Vors.:

Der Sinn dieses Vergleiches zwischen Rumliegen der Jacke und dann Anhaben der Jacke durch die Kundin war der, zu fragen, wissen Sie, wie die Kundin wieder in den Besitz ihrer Jacke kam?

Zeugin Es[ser]:

Ich habe das nicht so genau gesehen. Ich glaube sie hat sie auf dem Weg zur Kabine mitgenommen, als sie einen Pullover anprobierte. Jedenfalls hat das meine Kollegin gesagt. Das habe ich aber nicht beobachtet.

Vors.:

Ist dieses Ansichnehmen irgendwie auffällig gewesen. Aber Sie sagen ja, Sie hätten es gar nicht beobachtet.

Zeugin Es[ser]:

Ich kann mich jedenfalls nicht mehr daran erinnern. Das weiß ich nicht mehr genau.

Vors.:

Ich halte Ihnen aus Ihrer polizeilichen Vernehmung Band 68 Blatt 8 unten vor, daß Sie hier von ruckartigem Ansichnehmen sprechen. Wenn Sie das aber gar nicht beobachtet hätten ...

Zeugin Es[ser]:

Also ich muß sagen, ich kann mich nicht mehr so genau daran erinnern. Das kann sein. Ich muß da meine polizeiliche Vernehmung zugrunde legen.

Vors.:

Ich muß den Vorhalt richtig und vollständig machen. Es heißt nämlich, die Kundin hätte sich ruckartig herumgedreht und die Jacke förmlich an sich gerissen.

Zeugin Es[ser]:

Ja ich kann, ich bin wirklich überfragt. Das ist dreieinhalb Jahre her, ich weiß es nicht mehr so genau. Ich weiß nur, daß davon die Rede war. Aber ob ich das nun, das kann ich nicht mehr sagen.

Vors.:

Ja nun die Frage, wenn das so in Ihrem Protokoll steht ...

Zeugin Es[ser]:

Dann wird es so gewesen sein. Das habe ich ja unmittelbar danach angegeben. Aber wenn Sie mich heute fragen, an Einzelheiten ...

Vors.:

Haben Sie im Anschluß an Ihre Vernehmung dieses Protokoll durchgelesen nochmals?

Zeugin Es[ser]:

Vorgelesen ist es mir worden.

Vors.:

Bitte?

Zeugin Es[ser]:

Vorgelesen worden ist es mir.

Vors.:

Oder vorgelesen worden. Ist Ihnen da irgend etwas aufge- [5139] fallen, was nicht zugetroffen hätte.

Zeugin Es[ser]:

Ne, ne, das habe ich alles bestätigt, was ich da gesagt habe.

Vors.:

So daß Sie, wenn ich Sie recht verstehe, sagen wollen, ich kann es heute nicht mehr sagen, ob das so war. Aber Sie gehen davon wohl aus ...

Zeugin Es[ser]:

Nein, nein, an Einzelheiten ... die polizeiliche Vernehmung war ja unmittelbar danach.

Vors.:

Es heißt also am Schluß Ihrer Vernehmung, selbst gelesen, mit Ihrer Handschrift wohl eingetragen, für richtig befunden und unterschrieben. Weil Sie gerade sagten, es sei Ihnen das Protokoll vorgelesen worden.

Zeugin Es[ser]:

Das weiß ich nicht mehr.

Vors.:

Wissen Sie es nicht mehr. Sehen Sie, das ist ein Hinweis, da steckt nicht der geringste Vorwurf dahinter. Das kann passieren, daß man solche Kleinigkeiten vergißt. Und nach drei Jahren überhaupt kein Wunder. Nur bemühen Sie sich, wo Sie also das Gedächtnis nicht sicher haben, das auch irgendwie auszudrücken.

Zeugin Es[ser]:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie jetzt sagen, ich hab’s vorgelesen bekommen, dann klingt das sehr sicher. In Wirklichkeit scheint es doch so gewesen zu sein, daß Sie es selbst lasen.

Zeugin Es[ser]:

Nein, ich kann es wirklich nicht mehr sagen. Ich kann es auch gelesen haben.

Vors.:

Aber wenn es im Protokoll so steht und Sie damals keinen Grund gefunden haben zur Beanstandung, würde das für Sie ein Hinweis sein, daß es Ihrer damaligen Erinnerung entsprach.

Zeugin Es[ser]:

Dann würde ich sagen, daß ich es so gesehen habe, ja.

Vors.:

Sie sagten, es seien nach Ihrer Beobachtung zwei Polizeibeamten in das Geschäft gekommen? Ist das richtig? Zunächst die Frage, habe ich Sie da richtig verstanden, daß Sie ...

Zeugin Es[ser]:

Also wie ich mich erinnern kann, meine ich, es waren zwei gewesen erst. Aber das ging alles so schnell. Ich glaube später kamen noch mehr hinzu. Aber das weiß ich nicht mehr genau.

Vors.:

Also das würde bedeuten, es waren mindestens zwei.

Zeugin Es[ser]:

Ja.

[5140] Vors.:

Wissen Sie, ob gleich zwei Beamte ...

Zeugin Es[ser]:

... an die ich mich erinnern kann, also der eine hat die Dame festgehalten und der andere hat die Tasche in der Hand gehabt.

Vors.:

Und der unmittelbare Zugriff dieser beiden Beamten. Ist da einer voran gegangen oder sind beide gleichzeitig auf die Kundin losgegangen? Wenn Sie es noch wissen? Wenn Sie es nicht wissen, dann müssen Sie sagen, das kann ich heute nicht mehr sagen.

Zeugin Es[ser]:

Nein, das weiß ich nicht mehr.

Vors.:

Früher haben Sie das so geschildert, daß die beiden Beamten sofort an den Packtisch gegangen seien und dann sei es zu einem Gerangel gekommen.

Zeugin Es[ser]:

An den Packtisch. Wir haben da zwei Tische nebeneinander stehen gehabt, an dem linken glaube ich ...

Vors.:

Es kommt mir nur darauf an ...

Zeugin Es[ser]:

Ich weiß nur, daß die Beamten gefragt haben, wo ist die Person, oder so ähnlich.

Vors.:

Ja, da werden wir gleich noch darauf kommen.

Zeugin Es[ser]:

Und sie stand ja praktisch da vorne, in unmittelbarer Nähe der Kasse, weil sie bezahlen wollte.

Vors.:

Also es ist keine sehr differenzierte Beobachtung, wenn Sie sagen, die gingen an einen Packtisch und dann kam es zu einem Gerangel. Sie haben dem dann auch, das halte ich Ihnen aus Blatt 9 des Ordners vor und 10 oben, gleichzeitig gesagt: „Nähere Einzelheiten darüber kann ich nicht mehr angeben, weil da alles so schnell ging.“ Läßt es den Schluß zu, daß Sie selbst an diesen Vorgang von vornherein keine präzise Erinnerung mehr hatten, weil Sie es gar nicht richtig gesehen haben.

Zeugin Es[ser]:

Ich weiß, ich kann es gar nicht mehr genau sagen. Ich glaub, ich bin ein paar Schritte weggelaufen. Ich weiß es nicht. Ich kann mich da wirklich nicht mehr daran erinnern. So genau habe ich das nicht verfolgt.

Vors.:

Ist dieser Ruf: „Wo ist die Person“, von dem Sie berichten, so laut gewesen, daß diese Kundin den Ruf mitbekommen konnte?

Zeugin Es[ser]:

Das glaube ich schon, ja.

Ende von Band 282

[5141] Vors.:

War das ein Beamter, der das gerufen hat?

Zeugin Ess[er]:

Ja, das mein ich, ja, wenn ich mich noch recht erinnern kann.

Vors.:

Sind Sie sich dieses ...

Zeugin Ess[er]:

Ich muß allerdings dazusagen, also das ist mir zu ... in die Einzelheiten also so genau kann ich das nicht mehr sagen.

Vors.:

Ja, sagen Sie ruhig, ich kann die nicht beantworten ...

Zeugin Ess[er]:

Wirklich nicht, das kann ich nicht ...

Vors.:

... wir wollen gar nicht mehr von Ihnen wissen, als Sie noch im Gedächtnis haben, das ist selbstverständlich. Sind Sie sich dessen sicher, daß dieser Ruf von irgendeinem Polizeibeamten erfolgt ist?

Zeugin Ess[er]:

Ich glaube, ich hab es damals angegeben im Protokoll.

Vors.:

Jedenfalls das Protokoll läßt es nicht erkennen.

Zeugin Ess[er]:

Ich hab es so in Erinnerung, also ich weiß es nicht mehr genau.

Vors.:

Gäbe es Gründe, warum Sie zu einer solchen, zu einem solchen Erinnerungsbild später gekommen sein könnten? Sagen wir durch Erzählungen, durch Gespräche?

Zeugin Ess[er]:

Das ist möglich ja, ich weiß, ... ich nicht, kann ich nicht sagen.

Vors.:

Dann überprüfen Sie aber bitte Ihr Gedächtnis ganz präzise, wenn Sie sagen, es kamen zwei Beamte rein, einer hat gerufen, wo ist die Person oder sinngemäß.

Zeugin Ess[er]:

Ja gerufen, gefragt.

Vors.:

Oder gefragt.

Zeugin Ess[er]:

Ja.

Vors.:

Ja, aber Sie sagten, der Ruf war immerhin so deutlich, daß ihn auch die Kundin hätte vernehmen können. Ist das von Ihnen, oder nehmen Sie an, daß das so gewesen ist, weil Sie glauben, das in der Erinnerung zu haben oder sind Sie sich dessen überhaupt nicht mehr sicher, woher Sie zu diesem Erinnerungsbild gekommen sind?

Zeugin Ess[er]:

Also sicher bin ich mir nicht mehr.

Vors.:

Also in Ihrer Vernehmung ist davon, soweit ich sehe, nichts [5142] gesagt. Haben Sie irgendwie während des Zugreifens der Beamten, bisher haben Sie also in dieser Richtung alles verneint, noch bestimmte Verhaltensweisen dieser Frau beobachtet. Es interessieren also nur die nächsten Momente nach dem ersten Zugreifen der Beamten.

Zeugin Ess[er]:

Ich weiß nur als ... daß sie auf dem Boden lag und sich gewehrt hat.

Vors.:

Vorher sahen Sie nichts mehr.

Zeugin Ess[er]:

Nein.

Vors.:

Ich hab dann keine Frage an die Frau Zeugin. Bitte.

Richter Dr. Be[rroth]:

Frau Esser, mich hätte Ihre Erinnerung an die Bekleidung der Kundin, die dann später festgenommen worden ist, noch interessiert. Was sie angehabt hat.

Zeugin Ess[er]:

Diese Lederjacke war, wenn ich mich recht erinnere, rauchblau so graublau.

Richter Dr. Be[rroth]:

Wie war die beschaffen[aa], hat die einen Gürtel gehabt oder ohne Gürtel?

Zeugin Ess[er]:

Nein.

Richter Dr. Be[rroth]:

Nein.

Zeugin Ess[er]:

Wie gesagt, ich hab sie auch nur erst gesehen, als meine ... Frau Rühle uns die Jacke gezeigt hat. Ich hab sie nicht angezogen gesehen, da ist mir die Kundin eigentlich noch gar nicht aufgefallen, so in dem Sinn.

Richter Dr. Be[rroth]:

Hat die Jacke Taschen gehabt?

Zeugin Ess[er]:

Ja, die ... ich hab ja von außen eine Tasche angefühlt.

Richter Dr. Be[rroth]:

War das eine schrägangeschnittene oder eine aufgesetzte Tasche?

Zeugin Ess[er]:

Das kann ich mit Bestimmtheit nicht mehr sagen, ich glaube, sie war aufgesetzt, es ist aber nur eine Vermutung, ich glaube mich daran erinnern zu können.

Richter Dr. Be[rroth]:

Was hat die Kundin sonst angehabt? Rock oder Hose?

Zeugin Ess[er]:

Ich meine ... ich meine eine Hose.

Richter Dr. Be[rroth]:

Sie meinen eine Hose.

Zeugin Ess[er]:

Und ich glaub ...

Richter Dr. Be[rroth]:

Oberteil?

[5143] Zeugin Ess[er]:

... ein roter Pullover.

Richter Dr. Be[rroth]:

Und roter Pullover.

Zeugin Ess[er]:

Ja.

Richter Dr. Be[rroth]:

Und gewünscht hat sie?

Zeugin Ess[er]:

Sie hat einen weißen Shetland-Pulli kaufen wollen.

Richter Dr. Be[rroth]:

Danke.

Vors.:

Sonstige Fragen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Holland, bitte.

OStA Holl[and]:

Frau Esser, im Zusammenhang mit der Frage nach der Bekleidung der später festgenommenen Kundin, können Sie sich erinnern, ob diese Kundin irgend eine Brille getragen hat?

Zeugin Ess[er]:

Nein, kann ich nicht, aber ich meine nein, aber mit Bestimmtheit möchte ich das nicht sagen. Ich kann mich nur an den Lockenkopf erinnern.

OStA Holl[and]:

An einen Lockenkopf?

Zeugin Ess[er]:

Ja, sie hatte sehr sehr kleine krause Locken.

OStA Holl[and]:

Dann darf ich Ihnen aus Bl. 10 des SO, Moment, dieses Zitat ist falsch, aus Blatt 9 oben des SO einmal, vorhalten, daß Sie in Ihrer früheren Vernehmung von einer Sonnenbrille der Kundin gesprochen haben.

Zeugin Ess[er]:

Kann ich mich aber nicht mehr dran erinnern.

OStA Holl[and]:

Können Sie sich nicht mehr erinnern.

Zeugin Ess[er]:

Nein.

OStA Holl[and]:

Dann noch etwas anderes, Frau Esser, wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie vorhin davon berichtet, daß Ihre Geschäftsführerin, Frau Rühle, laut die Eigentümerin oder die Besitzerin der Jacke im Laden ausgerufen hat.

Zeugin Ess[er]:

Ja.

OStA Holl[and]:

Ist das richtig so?

Zeugin Ess[er]:

Wem gehört diese Jacke hat sie gesagt.

OStA Holl[and]:

Meine Anschlußfrage nun daran, Frau Esser, können Sie sich erinnern, wo sich in diesem Zeitpunkt, als also diese Frau Rühle nun diese Ausrufung vorgenommen hat, wo sich da die später festgenommene Kundin befunden hat?

[5144] Zeugin Ess[er]:

Ne, das kann ich nicht mehr.

OStA Holl[and]:

Wissen Sie auch nicht mehr. Dann, einen letzten Vorhalt und zwar folgenden, Frau Esser, Vorhalt aus Blatt 10 oben des SO, Sie haben bei Ihrer Vernehmung durch die Hamburger Polizei als es um den eigentlichen Festnahmevorgang ging, einmal bekundet, ich zitiere wörtlich: „Bei dem Gerangel fiel die Festgenommene zu Boden und versuchte sich energisch durch Rollen loszureißen.“ Ist das so richtig?

Zeugin Ess[er]:

Ja, also ich ... wenn ich jetzt jetzt, sagen wir, ich kann mich ... erinnern, daß sie auf dem Boden gelegen hat und daß sie sich so gedreht hat und versucht hat, sich zu befreien.

OStA Holl[and]:

Und an ... Sie haben wie gesagt, die Dinge noch dadurch betont, daß Sie gesagt haben, energisch durch Rollen ...

Zeugin Ess[er]:

Ja, das hat sie. Sie hat sich ziemlich heftig gewehrt.

OStA Holl[and]:

Ach, sie hat sich noch zusätzlich gewehrt, ja hat sie ... können Sie das mal beschreiben.

Zeugin Ess[er]:

Ja, ja also sie hat also auf dem Rücken gelegen ...

OStA Holl[and]:

Rollen heißt doch an sich nur sich so wegrollen.

Zeugin Ess[er]:

Ja sich so, so drehen, also daß man sich entwindet aus dem Griff.

OStA Holl[and]:

Und jetzt, könnte ich fast Ihrer Aussage entnehmen, daß zu diesem Entwinden noch etwas dazugekommen sein muß, weil Sie von einem energischen Rollen sprechen.

Zeugin Ess[er]:

Nein energisch mein ich damit, daß sie sich heftig, in dem Sinne von heftig würde ich sagen.

OStA Holl[and]:

Ja, gut. Vielen Dank Frau Esser.

Vors.:

Die Herren Verteidiger. Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Frau Zeugin, ich möchte Ihnen vorhalten aus Ihrer Aussage Blatt 10. Wir haben da im Anschluß an das gerade vor... an den gerade vorgehaltenen Passus sollen Sie gesagt haben, einer der Beamten fragte mich, wo denn nun die Pistole sei, daraufhin sagte ich ihm, in meiner Aufregung zunächst nur, daß sie in der Tasche sei. Er durchsuchte daraufhin [5145] kurz die Tragetasche, fand jedoch zunächst keine Pistole. Ich rief ihm zu, daß die Pistole in der Jackentasche sei, daraufhin fand einer der Beamten dann die Pistole in ihrer Jackentasche. Ist das?

Zeugin Ess[er]:

Ja, also wurde die Handtasche ...

Vors.:

Bitte das Mikrofon Frau Zeugin ... danke.

Zeugin Ess[er]:

... erst wurde die Handtasche der Dame durchsucht und der Beamte fand die Pistole nicht und fragte wo ist denn die Pistole. Und dann habe, meine ich, gesagt zu haben, in der ... in der Tasche und dann nochmal in der Jackentasche ... oder wie die Reihenfolge jetzt war, ob er erst fragte, nachdem er die Tasche durchsucht hatte, wo ist denn die Pistole, daß ich gesagt habe, in der Tasche und daß er dann nochmal geguckt hat, also das weiß ich mehr so genau, jedenfalls hat er sie erst in der Tasche nicht gefunden und daraufhin habe ich gesagt, in der Jackentasche.

RA Be[cker]:

Nun hätte ich noch weiter, Sie haben da auf Blatt 10 gesagt: Meines Erachtens konnte die Festgenommene nicht um sich schlagen, da die Beamten sofort ihre Hände sofort ... da die Beamten sofort ihre Hände sofort auf den Rücken gedreht hatten. Ob sie einen der Beamten getreten hat, kann ich nicht sagen. Ist das auch ...

Zeugin Ess[er]:

Ob bitte ... würden Sie’s nochmal wiederholen das letzte.

RA Be[cker]:

Kriegen Sie. Mich hat’s im Moment irritiert ... mit den zwei sofort: meines Erachtens konnte die Festgenommene nicht um sich schlagen, da die Beamten sofort ihre Hände sofort auf den Rücken gedreht hatten.

Zeugin Ess[er]:

Also ich kann mich heute nicht mehr dran erinnern, ich weiß es nicht, mir ist nur noch in Erinnerung, daß ich sie auf dem Boden liegen gesehen habe, wenn Sie mich jetzt fragen, ob ... wie das von Anfang an.

RA Be[cker]:

Haben Sie das damals gesagt. Ich mein ...

Zeugin Ess[er]:

Ja, muß ich ja wohl.

RA Be[cker]:

Dann stimmt das auch.

Zeugin Ess[er]:

Ja ja. Aber heute kann ich mich daran nicht mehr erinnern, ich weiß ... ich hab nur noch in Erinnerung, [5146] daß sie auf den Boden gelegen hat und sich heftig gewehrt hat, das weiß ... das sehe ich noch so vor mir, aber wie das vorher gewesen ist, das weiß ich nicht mehr.

RA Be[cker]:

Aber einfach durch Windungen ...

Zeugin Ess[er]:

Ja ja.

RA Be[cker]:

... wobei sich ... das praktisch in den Griffen der Polizei passierte.

Zeugin Ess[er]:

Ja.

Vors.:

Sonstige Fragen? Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

RA Kü[nzel]:

Wieviel Schritte entfernt, oder Meter entfernt, war denn die Kundin von der Ladentüre, als die Polizei kam? Wie weit im Laden war sie.

Zeugin Ess[er]:

Die Kasse steht unmittelbar hinter der Eingangstür und sie hat so vielleicht einen Meter von der Kasse gestanden ich würde insgesamt von der Tür vielleicht eineinhalb bis zwei Meter weg, wenn ich das noch so richtig in Erinnerung habe.

RA Kü[nzel]:

Und als die Polizei kam, der Beamte, blieb der zunächst noch etwas unter[bb] der Türe stehen oder unmittelbar nach Betreten des Ladens als er gefragt hat, wo ist die Kundin, war da zeitliche ...

Zeugin Ess[er]:

Ich meine, er hätte an der Kasse ... wäre einen ganz kleinen Moment an der Kasse stehen geblieben.

RA Kü[nzel]:

Also fast unmittelbar neben der Kundin.

Zeugin Ess[er]:

Ja.

RA Kü[nzel]:

Standen Sie in der Nähe von der Frau Rühle oder waren Sie ganz wo anders. Wo war denn die Frau Rühle?

Zeugin Ess[er]:

Das weiß ich nicht mehr genau. Ich habe an dem Tisch gestanden auf dem wir praktisch die Bons ausschreiben, der ist, wie gesagt, ich hab ja eben gesagt, wir haben zwei Tische da stehen. Erst kommt die Kasse, wenn man reinkommt dann kommt so ein Glastisch auf Elefantenköpfen und daneben steht so eine alte Holztruhe, nicht, so ein Holztisch und darauf schreiben wir die Bons aus und da habe ich gestanden, meine ich jedenfalls.

[5147] RA Kü[nzel]:

Stand die Kundin nun, als Sie vor diesem Packtisch oder vor diesem Tisch standen, mit Blickrichtung zur Wand, daß sie also ...

Zeugin Ess[er]:

Das kann ich Ihnen nicht mehr genau sagen.

RA Kü[nzel]:

Wie sie dort stand wissen Sie nicht.

Zeugin Ess[er]:

Bitte?

RA Kü[nzel]:

Wie sie dort stand wissen Sie nicht.

Zeugin Ess[er]:

Nein, das weiß ich nicht mehr.

RA Kü[nzel]:

Sahen Sie die linke oder die rechte Körperseite der Kunden von Ihrem Standpunkt aus.

Zeugin Ess[er]:

Bitte was?

RA Kü[nzel]:

Sahen Sie die linke oder rechte Körper...

Zeugin Ess[er]:

Ich weiß nicht mehr wie sie genau gestanden hat, das kann ich nicht sagen, wohin Sie sich gewandt hat, das weiß ich nicht mehr.

RA Kü[nzel]:

Keine Frage.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Eggler.

RA Egg[ler]:

Frau Zeugin, nach dem Vorfall sind Sie sofort zur Polizei gegangen oder erst später?

Zeugin Ess[er]:

Nein, erst später, das war nachmittags.

RA Egg[ler]:

Wann haben Sie Dienstschluß?

Zeugin Ess[er]:

Normalerweise um halb sieben.

RA Egg[ler]:

Um halb sieben. Aus dem Protokoll ergibt sich, daß der Vernehmung ... Akte, Seite sieben, daß der Vernehmungsbeginn um 18.20 Uhr war ...

Zeugin Ess[er]:

Ja wissen ...

RA Egg[ler]:

... es wäre also etwa nach Dienstschluß gewesen.

Zeugin Ess[er]:

Wir sind mit ...

RA Egg[ler]:

Haben Sie, Vorfrage noch, war der Vorfall für Sie irgend wie aufregend oder nicht.

Zeugin Ess[er]:

Natürlich.

RA Egg[ler]:

War aufregend. Haben Sie in der Zeit zwischen dem Vorfall bis zu Ihrer Vernehmung mit Ihren Kolleginnen über diesen Fall sich unterhalten.

Zeugin Ess[er]:

Ja sicher.

[5148] RA Egg[ler]:

Ja sicher. Ist es daher möglich, daß Sie etwas was Sie nachher in Ihrem Protokoll gesagt haben, nicht Ihrer persönlichen Wahrnehmung entspricht, sondern eventuell dem entspricht, was von Ihren Kolleginnen Ihnen gesagt und zwischen Ihnen erörtert worden ist? Kann das sein?

Zeugin Ess[er]:

Ja, doch das könnte schon sein, das könnte ich mir vorstellen.

RA Egg[ler]:

Könnte es sich auf diesen Satz beziehen wo Sie sagten: unmittelbar vor der Kabine bemerkte sie, die Kundin, plötzlich ihre auf dem Sofa liegende Jacke, sie drehte sich ruckartig um, sie riß die Jacke förmlich an sich und nahm sie mit in die Kabine.

Zeugin Ess[er]:

Ja, das könnte möglich sein.

RA Egg[ler]:

Kann das sein, daß das jetzt den allgemeinen Erzählungen und nicht Ihrer direkten Wahrnehmung entsprach.

Zeugin Ess[er]:

Ja, das kann möglich sein.

RA Egg[ler]:

Kann sein, danke.

RA Kü[nzel]:

Noch eine Frage.

Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Künzel.

RA Kü[nzel]:

Als Sie bei der Polizei waren zur Vernehmung, wußten Sie da schon, um wen es sich bei dieser Kundin handelt?

Zeugin Ess[er]:

Als wir zur Vernehmung fuhren, ja.

RA Kü[nzel]:

Da waren Sie sich auch der Bedeutung Ihrer Angabe bereits bewußt.

Zeugin Ess[er]:

Ja, natürlich.

Vors.:

Wenn sonst keine Fragen mehr an die Frau Zeugin sind wollen wir sie gleich vereidigen.

Die Zeugin Esser wurde vorschriftsmäßig vereidigt und in allseitigem Einvernehmen um 10.47 Uhr entlassen.

Vors.:

Ich glaube, wir machen jetzt vielleicht[cc] eine Pause bis 11.00 Uhr, setzen die Vernehmung fort, ich habe heute noch folgendes Sitzungsprogramm im Auge. Die Bundesanwaltschaft will erst wohl wie ich’s gestern verstanden habe, heute Nachmittag frühestens Stellung nehmen. Ich selbst meine auch, [5149] daß einige Gerichtsentscheidungen noch ausstehen, die zu treffen wären, so daß also, trotzdem das Beweisprogramm mit den Zeugen heute früh möglicherweise beendet ist, mit einer Fortsetzung heute Nachmittag noch gerechnet werden muß. Um 11.00 Uhr sehen wir uns wieder.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, wenn Sie das gerade angeben, würde ich natürlich gerne wissen, was Sie dann heute Nachmittag, Sie haben schon mal Andeutungen gemacht, was Sie dann verlesen wollten ...

Vors.:

Nichts verlesen. Es sollte heute Mittag ... soll also vorwiegend die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, wenn sie gegeben werden kann, vielleicht wenn Sie sich darüber noch äußern, ob es rentiert, heute zu warten oder ob das Morgen ...

Bundesanwalt Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, ich glaube, zu Beginn ... zu Ende der Vormittagssitzung verbindlich sagen zu können, ob wir die Erklärung heute Nachmittag noch abgeben oder nicht.

Vors.:

Oder es wäre ja auch der schriftliche Weg möglich. Die Sache muß nicht in der Hauptverhandlung geschehen, das ist auch klar.

Also zunächst ist nichts vorgesehen, sollten wir heute Mittag nun gleichwohl irgend etwas verlesen, glaube ich, wäre dran zu denken, daß wir aus dem Urteil gegen Pohle[9] etwas verlesen.

RA Be[cker]:

Und sonst wird nur die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft ...

Vors.:

Bundesanwaltschaft und möglicherweise einige oder der eine oder andere Beschluß des Gerichts bekanntgegeben zu den gestellten Anträgen.

RA Be[cker]:

Zu welchen Punkten? Zu gestellten Anträgen.

Vors.:

Zu gestellten Anträgen.

Pause von 10.48 Uhr bis 11.05 Uhr.

[5150] Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.05 Uhr war die Zeugin Ursula Graumann anwesend.

Die Zeugin Graumann machte folgende Angaben zur Person:

Ursula Graumann, 29 Jahre, Verkäuferin,

Hamburg 53, [Anschrift], Wohnadresse.

Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Graumann, in Hamburg gibt’s die Boutique „Linette“. Sind oder waren Sie dort beschäftigt?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Sie sind noch dort beschäftigt.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein, jetzt nicht mehr.

Vors.:

Nicht mehr. Aber Sie waren früher dort beschäftigt.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

War während Ihrer Beschäftigung dort mal eine Festnahme durch die Polizei durchgeführt worden?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Die Sie[dd] selbst mit beobachtet haben.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Bitte, wenn Sie uns schildern wollen im Zusammenhang, was Sie damals gesehen haben, was Sie heute noch in der Erinnerung haben.

Zeugin Gr[aumann]:

Ich kann mich daran erinnern, daß die Polizei reingekommen ist, daß die Frau Ensslin da war und ...

Vors.:

Das werden Sie wohl in dem Zeitpunkt nicht gewußt haben.

Zeugin Gr[aumann]:

Ach vorher meinen Sie jetzt?

Vors.:

Stellen Sie sich so auf den Standpunkt, wie wenn Sie schildern würden zum damaligen Zeitpunkt, wie Sie’s beobachtet haben. Da wußten Sie ja nicht, ob das Frau Ensslin war.

Zeugin Gr[aumann]:

Ach so, wie das anfing, ja. Wir haben eine Jacke auf dem Sofa liegen sehen und die Frau Rühle hatte die Jacke hochgehalten und gefragt, wem die Jacke gehört und da hatte sich keiner gemeldet und weil die Jacke so schwer [5151] war, wurde die Tasche angefasst und Frau Rühle vermutete, daß da eine Pistole drin ist und hatten wir dann nacheinander in die ... das heißt, ich weiß nicht, ob die andern, aber ich hab dann auch in die Tasche reingefaßt und hab diese Pistole in der Hand gefühlt. Und dann haben wir überlegt, ob wir die Polizei anrufen sollen, was Frau Rühle dann auch getan hat. Und dann hatte ich ziemlich viel Angst, bin rausgelaufen, weil ich die Festnahme nicht miterleben wollte, bin dann aber zu früh wieder zurückgekommen. Gleich danach kam dann die Polizei und hat dann die Frau Ensslin verhaftet, das heißt, also so gegriffen und die Hände auf den Rücken und ich glaub, sie ist da auf den Boden gefallen und ... soweit kann ich mich erinnern.

Vors.:

Gut. Das war dann also das Gesamtbild Ihrer Erinnerungen.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Wir wollen jetzt noch einzelne Fragen dazu stellen, um[ee] zu sehen, ob Ihre Erinnerung noch mehr hergibt. Zunächst sagten Sie, Sie hätten in die Jackentasche reingegriffen?

Zeugin Gr[aumann]:

Ich persönlich ja.

Vors.:

So daß Sie den Inhalt der Tasche direkt in der Hand hatten.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Und hat sich da die Vermutung, daß es sich um eine Waffe gehandelt haben könnte, bestätigt für Sie?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Können Sie noch angeben, welche Tasche der Jacke das war, rechts oder links?

Zeugin Gr[aumann]:

Nein, das kann ich nicht sagen.

Vors.:

Wissen Sie nicht mehr. Nun wollen wir von dem Zeitpunkt an, wo Sie wieder zurückkommen und als Sie zurückkommen dann gleich ... na praktisch mit der Polizei konfrontiert ... sich[ff] sehen nicht, so war’s doch wohl?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, genau.

Vors.:

Wie sich nun dieses Vorgehen der Polizisten abgespielt hat und was die Kundin ... wie sich die Kundin dabei verhalten hat. Wieviel Polizisten waren das, als Sie zurückkamen die da dann auftauchten?

[5152] Zeugin Gr[aumann]:

Soweit ich mich erinnern kann zwei und nachher drei, aber das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.

Vors.:

Erinnern Sie sich, ob die Polizisten zu zweit auf diese Kundin zugegangen sind oder ob da einer den Vortritt hatte, der andere etwas ...

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, es hatte einer den Vortritt, soweit ich mich erinnern kann. Hintereinander sind sie reingekommen.

Vors.:

Ist Ihnen irgend wie etwas zu Gehör gekommen, das die Polizisten beim Betreten von sich gegeben hätten, beim Betreten des Geschäftes, sei es ne Frage oder daß irgend jemand etwas zu Ihnen gesagt hätte?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja ich glaube, daß einer gefragt hat, wer die Dame ist also ziemlich leise, also so durch Zeichen versucht hat, zu erfragen, wo die Dame ist, die wir da verdächtigen.

Vors.:

Also der Polizist hat sich erkundigt, wer nun die Person ist ...

Zeugin Gr[aumann]:

Genau.

Vors.:

... wegen der er angerufen wurde, nicht?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Sie sagen ziemlich leise. Wenn Sie den Vorgang vielleicht noch etwas näher sich überlegen, man kann ja Unterschiede machen. Hat er das gefragt aus diskreten Gründen, weil er nicht laut sein wollte oder haben Sie, weil Sie sagen, durch Zeichen, den Eindruck, es ging dem Polizisten drum, das geheim zu halten, daß er etwa hier Fragen stellt oder da ist. Wenn Sie’s nicht beantworten können, sagen Sie das kann ich nicht beurteilen.

Zeugin Gr[aumann]:

Das kann ich nicht beurteilen.

Vors.:

Können Sie nicht sagen.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein.

Vors.:

Sind Sie sich sicher, daß er leise gefragt hat?

Zeugin Gr[aumann]:

Auch nicht ganz.

Vors.:

Auch nicht ganz. Und was sollte nun der Zusatz bedeuten, durch Zeichen.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, soweit ich mich erinnern kann, da ... dadurch das, wir wußten ja nun, wer gesucht wurde, und ich glaube, Frau Ensslin stand mit dem Rücken zu ihnen, und daß er [5153] eben so mehr oder weniger fragende Bewegung gemacht hat und einer, ich weiß aber nicht mehr, wer drauf gedeutet hat.

Vors.:

Also Sie können demnach nicht mal sicher sagen, ob er Worte gebraucht hat?

Zeugin Gr[aumann]:

Nicht Hundertprozentig, nein.

Vors.:

Sie haben nur aus seinem Verhalten geschlossen, daß er sich irgendwie dafür oder ne Antwort haben wollte ...

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

... wo die betreffende Person sei. Wen hat er da so angesprochen?

Zeugin Gr[aumann]:

Das weiß ich auch nicht mehr.

Vors.:

Wissen Sie auch nicht. Haben Sie eine Erinnerung, wann die Kundin zum ersten mal bemerkt haben kann, daß die Polizei anwesend war?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, ich glaube erst in dem Moment, als die Polizei im Laden war.

Vors.:

Meinen Sie sofort als die Polizei den Laden betrat?

Zeugin Gr[aumann]:

Das kann ich auch mehr sagen.

Vors.:

Können Sie nicht sagen. Ist zwischen dem Betreten der Polizisten und dem Zugehen auf diese Kundin und der erste ... und der ersten Berührung der Kundin durch die Polizei längere Zeit vergangen oder ging das ganz schnell oder ...

Zeugin Gr[aumann]:

Meiner Erinnerung ging es sehr schnell.

Vors.:

Sehr schnell.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Und können Sie nun im einzelnen vielleicht noch angeben, wie die Kundin sich, als sie von einem Polizisten oder zwei Polizisten berührt wurde, verhalten hat?

Zeugin Gr[aumann]:

Sie hat sich gewehrt.

Vors.:

Ist Ihnen irgend eine Bewegung noch in Erinnerung, die Ihnen speziell aufgefallen wäre?

Zeugin Gr[aumann]:

Nein, nein.

Vors.:

Die Jacke, in die Sie selbst reingegriffen haben, lag ja ursprünglich auf der Couch, nicht, das ist richtig.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, genau.

[5154] Vors.:

Als die Polizei zu der Kundin hinging, hatte die Kundin die Jacke wieder an?

Zeugin Gr[aumann]:

Das kann ich auch nicht sagen, das weiß ich nicht mehr genau.

Vors.:

Wissen Sie nicht.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein.

Vors.:

Glauben Sie, daß Sie das hei Ihren früheren Angaben noch bekunden konnten, also bei Ihrer Aussage bei der Polizei oder haben Sie das nie in Erinnerung gehabt oder nicht beobachtet?

Zeugin Gr[aumann]:

Das ist also völlig weg aus meinem Gedächtnis, kann ich nicht sagen, ob ich das überhaupt gesagt habe.

Vors.:

Dann will ich Ihnen mal ganz vorsichtig sinngemäß aus Ihren ... Ihrer polizeilichen Vernehmung Ordner 68 Blatt 46 mitteilen, daß der Zusammenhang Ihrer damaligen Aussage ergibt, daß die Kundin die Jacke wieder angehabt haben müßte, in dem Augenblick als die Polizei zugriff. Erinnert ... weckt das Ihre Erinnerung?

Zeugin Gr[aumann]:

Ich kann’s mir vielleicht nur so erklären, dadurch, daß Frau Rühle die ganze Zeit gerufen hat, wem die Jacke gehört, daß sie vielleicht in der Zeit die Jacke angezogen hat, andererseits weiß ich, daß sie die ganze Zeit unten gestanden hat vor dem Glastisch und die Jacke ja oben war, also ...

Vors.:

Kurzum, es zeigt sich, daß Ihnen die Erinnerung auch bei diesem Vorhalt nicht mehr zurückkommt, ob die Kundin damals die Jacke getragen hat.

Zeugin Gr[aumann]:

Kann ich nicht sagen, nein.

Vors.:

Wissen Sie, ob früher mal eine bestimmte Handbewegung der Kundin bei der Vernehmung der Polizei besonderes Interesse gefunden hat?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, aber ich kann gar nicht mehr unterscheiden, ob ich das nun gehört hab oder ob ich das selbst gesehen hab, das weiß ich nicht hundertprozentig.

Vors.:

Ich darf Ihnen dann vorhalten, daß Sie früher bei der [5155] Polizei angegeben haben, aus Blatt 46 wiederum: „versuchte sie“, ich halte Ihnen bewußt bloß diesen Halbsatz vor, um Ihnen nicht weitere Hinweise zu geben; „versuchte sie mit ihrer rechten Hand in die Außentasche ihrer Lederjacke zu kommen“. Das sollen Ihre Aussagen gewesen sein bei der Polizei.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja und ich weiß heute, ich hab es mir überlegt und ich weiß eben heute nicht mehr, ob ich’s gehört hab oder ob ich’s tatsächlich gesehen hab ...

Vors.:

So daß es sein könnte, daß Sie damals bei der Polizei diese Angabe schon bloß deswegen gemacht haben, weil man im Kolleginnenkreis darüber gesprochen hat.

Zeugin Gra[umann]:

Nein, das nicht unbedingt. Nur heute, weil wir hinterher, auch nach dieser Aussage noch oftmals drüber gesprochen haben, daß ich da diesen Unterschied nicht mehr gesehen hab. Aber damals wohl nicht, das glaub ich nicht.

Vors.:

Also diese Vernehmung, von der ich hier jetzt im Augenblich spreche, trägt das Datum 9. Februar 73.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Ist also immerhin erhebliche Zeit nach dem [gg] Geschehnis gemacht worden, viele Monate.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Können Sie, wenn ich Ihnen diesen zeitlichen Abstand sage, nun unterscheiden, war es damals schon möglich, daß Sie unter Umständen Beobachtungen angegeben haben, die Sie gar nicht gemacht hatten, sondern bloß gehört hatten von anderen?

Zeugin Gr[aumann]:

Also wenn Sie mich so fragen, kann ich das auch nicht mehr hundertprozentig sagen.

Vors.:

Das heißt, also auch nicht hundertprozentig ausschließen.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein, nein.

Vors.:

Es könnte also sein, daß Sie diese Handbewegung gar nicht selbst beobachtet haben, sondern durch Gespräche erfahren haben und das dann der Polizei so berichteten, als hätten Sie es selbst beobachtet.

[5156] Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Könnte sein, ja. Ich hab dann an die Frau Zeugin keine Frage mehr. Herr Berichterstatter? Ich sehe auch nicht. Herr Dr. Breucker bitte.

Richter Dr. Br[eucker]:

Frau Zeugin, Sie haben soeben sorgfältig differenziert, ob Sie sich an eigene Beobachtungen erinnern können, oder ob Sie’s nur vom Hörensagen wissen.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ich halte Ihnen jetzt mal einen anderen Satz aus Ihrem Protokoll vor, da sollen Sie gesagt haben, auch auf Seite 46: „Ich konnte beobachten, daß sowohl die Kundin, wie auch der Beamte, erhebliche körperliche Kräfte aufwenden mußten“. Wenn Sie damals gesagt haben, ich konnte beobachten, war das dann auch eine konkrete Beobachtung von Ihnen?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, also im Prinzip konnte ich die ganze Zeit also den Vorgang an sich schon beobachten und an diese Sache, die Sie jetzt eben gerade vorgelesen haben, kann ich mich auch genau erinnern.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ja dann möchte ich Ihnen doch den Vorhalt mal im Zusammenhang machen.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

„Ich hatte den Eindruck, daß die Kundin in Panik geriet. Obwohl der Beamte ihren rechten Arm ergriffen hatte, versuchte sie mit ihrer rechten Hand in die Außentasche ihrer Lederjacke zu kommen. Ich konnte beobachten, daß sowohl die Kundin, wie auch der Beamte, erhebliche körperliche Kräfte aufwenden mußten.“ Wenn Sie das nun so im Zusammenhang hören, kommt dann eine Erinnerung oder bleiben Sie dabei, daß Sie’s nicht mehr einordnen können als Beobachtung oder als nur vom Hörensagen.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja das letztere möchte ich also ... da möchte ich bei meiner Sache jetzt bleiben, daß ich das nicht mehr genau erinnern kann.

Vors.:

Weitere Fragen? Die Herren der Bundesanwaltschaft? Bitte, Herr Bundesanwalt Holland.

[5157] OStA Holl[and]:

Frau Graumann, Sie haben heute davon berichtet, daß Sie selbst in die Jacke dieser Kundin, die später festgenommen worden ist, gefasst haben. Dabei fällt mir auf, Frau Zeugin, Vorhalt aus Blatt 45 des SO, daß Sie in Ihrer früheren polizeilichen Vernehmung nur davon gesprochen haben, daß Sie von außen an die Jacke gefasst haben. Können Sie sich erinnern? Oder frischt mein Hinweis Ihr Gedächtnis in irgendeiner Richtung auf?

Zeugin Gr[aumann]:

Also ich bin heute der Meinung, daß ich reingefasst habe.

OStA Holl[and]:

Daß Sie reingefasst haben.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

OStA Holl[and]:

Können Sie sich, das ist natürlich eine recht schwere Frage, aber immerhin, Frau Zeugin, versuchen Sie die Frage zu beantworten. Wenn Sie in die Tasche hineingefasst haben und mit der Pistole in Berührung gekommen sind, dann müssen Sie doch irgend etwas gefühlt haben, das ist doch ein Unterschied, ob ich auf Leder greife und unter dem Leder etwas Festes fühle oder ob ich direkt am Metall oder an diesen Kunststoff der Griffschale der Pistole komme.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, also ich hatte [hh] dieses etwas kalte eckige Gefühl in der Hand, daran kann ich, glaub ich, auch genau erinnern.

OStA Holl[and]:

Danke. Dann, Frau Zeugin, hat Ihnen der eine der Herren Richter eben vorgehalten, aus einer früheren Vernehmung, daß Sie bei dieser früheren polizeilichen Vernehmung einmal gesagt haben, nach Ihren Eindrücken sei die Kundin, nämlich die später festgenommene Frau Ensslin, in Panik geraten.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

OStA Holl[and]:

Können Sie das vielleicht [ii] dem Gericht einmal näher erläutern, soweit das Ihnen noch erinnerlich ist.

Zeugin Gr[aumann]:

Also ich sehe das dadurch, daß sie sich eben wahnsinnig gewehrt hat.

OStA Holl[and]:

Ach daher.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

OStA Holl[and]:

Aber nach Ihrer früheren Aussage, Vorhalt aus Blatt 46, sieht es so aus, ich sage: sieht so aus, muß nicht so sein, daß die ... daß Sie damals gesagt haben, die Kundin sei erst [5158] in Panik geraten, und dann kommt erst das mit dem Wehren.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, für mich ist es an sich logisch, daß jemand in Panik gerät durch solch eine Sache. Das ist vielleicht eine eigene Schlußfolgerung.

OStA Holl[and]:

Dann ein letztes, Frau Zeugin. Auch nochmal Vorhalt aus Blatt 46 des SO. Können Sie sich, Frau Graumann, erinnern, daß während des Vorgangs, und zwar als sich diese Zeugin ... gewehrt hat, ob während dieses Vorgangs auch von irgend einer Seite etwas gesprochen oder gerufen wurde, oder gesagt wurde.

Zeugin Gr[aumann]:

Während der Festnahme?

OStA Holl[and]:

Ja.

Zeugin Gr[aumann]:

Kann ich mich daran erinnern, daß Frau Ensslin geschimpft hat, daß ...

OStA Holl[and]:

Ja, können Sie sich noch erinnern, was Sie gesagt hat?

Zeugin Gr[aumann]:

Welche Wörter sie benutzt hat, nein, daran, an welche Wörter genau, nicht.

OStA Holl[and]:

Genau und ungenau?

Zeugin Gr[aumann]:

Nein, also das kann ich ... ich weiß nur, daß sie eben schrecklich geschimpft hat.

OStA Holl[and]:

Darf ich Ihnen mal den Vorhalt machen wie aus Ihrer früheren polizeilichen Vernehmung und zwar wiederum Blatt 46 des SO, da haben Sie, Frau Graumann, gesagt: „die Kundin fing jetzt an zu schimpfen. Ich kann mich unter anderem an das Wort „Schweine“ erinnern“. Denken Sie mal nach.

Zeugin Gr[aumann]:

Kann ich auch nicht mehr hundert...

OStA Holl[and]:

Können Sie auch nicht mehr sagen.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein.

OStA Holl[and]:

Vielen Dank.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Zeis:

Danke, hat sich erledigt.

Vors.:

Hat sich erledigt. Die Herren Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Frau Zeugin, ich darf Ihnen einen weiteren Vorhalt, Blatt 46 aus Ihrer Aussage vom 9. Februar 1973 machen. Da haben Sie gesagt: „Als der erste Polizist den Laden betrat, stand [5159] die Kundin mit dem Rücken zur Tür, er konnte sie erreichen, bevor sie ihn bemerkte.“

Vors.:

Blatt 46 der Akten.

RA Be[cker]:

Hab ich gesagt.

Vors.:

Entschuldigung, das hab ich überhört, bitte um Verzeihung.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, ja.

RA Be[cker]:

Das ist zutreffend so.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

RA Be[cker]:

Daran erinnern Sie sich auch noch.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

RA Be[cker]:

Gut, dann hätte ich noch einen weiteren ... eine weitere Frage. Können Sie sich an Ihre Vernehmung da noch erinnern, also wie die stattgefunden hat?

Zeugin Gr[aumann]:

Meinen Sie jetzt im Polizeipräsidium?

RA Be[cker]:

Ja.

Vors.:

Frau Zeugin, bitte benutzen Sie weiterhin das Mikrofon, sonst wird’s schlecht verständlich.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

Vors.:

Danke.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein, also ich kann mich da nicht an Einzelheiten ...

RA Be[cker]:

Nein ich mein ... vielleicht präzisiere ich [jj] das ein bißchen, die Frage. Erstens: Hat es Sie gewundert, daß Sie zu dem Vorfall erst so spät vernommen worden sind, also so lange danach?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, das hat mich gewundert.

RA Be[cker]:

Haben Sie ... ist Ihnen das erklärt worden da oder ist das ... bei ... als Sie da ins Polizeipräsidium kamen, dazu was gesagt worden.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, ich glaube, daß man ... daß eine Kollegin von mir mich noch als Zeugin angegeben hat.

RA Be[cker]:

Nein, ich meine, hat Ihnen der vernehmende Beamte irgend wie gesagt, warum Sie erst jetzt vernommen werden.

Zeugin Gr[aumann]:

Nicht daß ich wüßte.

RA Be[cker]:

Haben Sie ihm gesagt, daß es für Sie schwer ist, sich jetzt zu erinnern, wo das so lange her ist schon, bei dieser Vernehmung?

[5160] Zeugin Gr[aumann]:

Das weiß ich nicht genau, ich weiß nur noch, daß man mir Fotografien vorgelegt hat und ich danach, das heißt meine Erinnerung dadurch ein bißchen aufgefrischt wurde.

RA Be[cker]:

Waren das Fotografien, die beschriftet waren irgendwie?

Zeugin Gr[aumann]:

Nein, soviel ich weiß nicht.

RA Be[cker]:

Nicht. Dann waren das Fotografien nur von Ihrem ... waren da ... waren da Personen drauf oder war da nur der Laden drauf?

Zeugin Gr[aumann]:

Nein da waren ... war diese ganze Sache nachgestellt durch Beamte, soviel ich weiß.

RA Be[cker]:

So wie ein Bilderroman?

Zeugin Gr[aumann]:

Wie bitte?

RA Be[cker]:

Wie ein Bilderroman ein bißchen, gibt’s ja manchmal in den Illustrierten, so vielleicht.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja ähnlich.

RA Be[cker]:

Ähnlich, gut danke.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel.

RA Kü[nzel]:

Galt die Frage der Frau Rühle nach ... nach der Person, der die Jacke gehört, Ihnen als Mitarbeiterin oder war[kk] das so, daß das allgemein ausgerufen wurde.

Zeugin Gr[aumann]:

Das wurde allgemein dann ausgerufen.

RA Kü[nzel]:

Keine Frage mehr.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Eggler.

RA Egg[ler]:

Frau Zeugin, war der Vorfall für Sie irgendwie interessant oder aufregend?

Zeugin Gr[aumann]:

Also wenn ich ganz ehrlich bin, beides.

RA Egg[ler]:

Beides. Ist nach dem Vorfall im Kollegenkreise mit Ihren Kolleginnen die Sache diskutiert worden?

Zeugin Gr[aumann]:

Unbedingt, ja.

RA Egg[ler]:

Unbedingt. Wissen Sie daß Ihre Kolleginnen am Abend dieses Tages zur Polizei zur Vernehmung gekommen sind?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

RA Egg[ler]:

Wann sind Sie ausgeschieden aus der Boutique „Linette“? Sie haben mal angegeben, es soll September 72 gewesen sein.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

RA Egg[ler]:

Wurde bis zu diesem Zeitpunkt gelegentlich nochmal über diesen Vorfall gesprochen?

[5161] Zeugin Gr[aumann]:

Ja.

RA Kü[nzel]:

Nach Ihrem Ausscheiden haben Sie diesen Vorfall irgendwie in der Presse verfolgt, es war Ihnen ja nun der Name der Kundin als Frau Ensslin bekannt.

Zeugin Gr[aumann]:

Natürlich.

RA Kü[nzel]:

Gut, natürlich, danke.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Becker.

RA Be[cker]:

Frau Zeugin, Sie sind zwar vorher schon zu diesem Verhalten des Polizeibeamten gefragt worden, wenn ich das rekapitulieren kann, bevor ich die Frage stelle, Sie haben also gesagt, ziemlich leise sich erkundigt, wer da nun in Frage kommt und durch Zeichen. Es war nicht genauer aufzuklären. Kann ich vielleicht, ist es richtig, daß Sie den Eindruck hatten, daß der Polizeibeamte die gesuchte Person identifizieren wollte, beziehungsweise wissen wollte, wer es ist, ohne daß sie darauf aufmerksam wurde. Ist das Ihr Erinnerungseindruck gewesen? Also man kann ja in ein Geschäft reinrennen und sagen, na wer war’s.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein.

RA Be[cker]:

Oder man kann versuchen, bevor sie’s merkt.

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, also ich hatte den Eindruck, bevor Sie’s merkt, also sie sollte nicht unbedingt wissen, daß da nun die ... jemand reinkommen sollte und sie festnehmen sollte, also so ...

RA Be[cker]:

Also hat er sich vorsichtig verhalten?

Zeugin Gr[aumann]:

Ja, in dem Moment wo er drin war, ja.

RA B[ecker]:

Danke.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.

RA Kü[nzel]:

Frau Zeugin, es ist Ihnen vorher vorgehalten worden, aus Ihrer Vernehmung Blatt 46: „Wohl der Beamte Ihren ... wohl der Beamte ihren rechten Arm ergriffen hatte, versuchte sie mir ihrer rechten Hand in die Außentasche ihrer Lederjacke zu kommen.“ Nun haben Sie gesagt, Sie wissen nicht mehr genau, ob Sie das damals gesagt haben. Nun aber, wie können Sie sich das eigentlich erklären, Sie sehen eine Hand ...

[5162] OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, ich beanstande den Vorhalt, er ist unrichtig.

RA Kü[nzel]:

Nein, ich möchte die Zeugin fragen, welche Anhaltspunkte, ob Sie sich erinnern kann ...

OStA Zeis:

Nein, Herr Rechtsanwalt, ich bitte um Entschuldigung, ich beanstande das, Herr Rechts... ich darf’s auch gleich erklären ...

Vors.:

Bitte, ja.

OStA Zeis:

... Herr Rechtsanwalt Künzel hat soeben gesagt, Sie wüßte nicht, ob Sie das gesagt hat, das ist unrichtig. Die Zeugin hat gesagt, Sie wisse nicht, ob Sie es gehört oder gesehen hätte. Das ist doch was ganz anderes.

RA Kü[nzel]:

Herr Bundesanwalt, ich möchte der Zeugin jetzt vorhalten, ob Sie sich noch erinnert, welche Wahrnehmung sie gemeint hat. Aufgrund welcher Wahrnehmung sie damals sagen konnte, ob sie das heute noch weiß, daß die Hand in die Tasche fahren sollte.

Vors.:

Also richtig ist, daß die Zeugin es[ll] gesagt hat, aber nur eben nicht weiß, ob aufgrund von Gesehenem oder Gehörtem, insofern ist der Vorhalt zu korrigieren, das ist bereits geschehen, die Frage selbst ist zulässig. Bitte wenn Sie sie nochmals formulieren wollten.

RA Kü[nzel]:

Frau Zeugin, erinnern Sie sich noch, was Sie veranlaßt hat, zu sagen, die Hand, die nun vom Polizisten ergriffen war, es ... sie wollte die Hand entziehen, der Polizist hat sie festgehalten, die Hand wollte in die Tasche kommen.

Zeugin Gr[aumann]:

Nein.

RA Kü[nzel]:

Das verstehe ich nämlich nicht ganz. Verstehen Sie, ich weiß nicht ...

Zeugin Gr[aumann]:

Das kann ich ihnen nicht mehr sagen, das ist mir nicht [mm] möglich.

RA Kü[nzel]:

Sie wissen nicht, welche Umstände sie veranlaßt haben könnten, so was zu sagen.

Zeugin Gr[aumann]:

Überhaupt nicht, nein.

RA Kü[nzel][nn]:

Keine Frage mehr, dankeschön.

[5163] Vors.:

Keine Frage mehr. Sonstige Fragen an die Frau Zeugin? Ich sehe nicht.

Die Zeugin Graumann wurde vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 11.28 Uhr entlassen.

Vors.:

Will jemand zu der Aussage eine Erklärung abgeben? Ich sehe nicht. Dann würde ich folgenden Vorschlag machen, daß wir die Sitzung heute um 14.45 Uhr fortsetzen, wir haben jetzt halbzwölf, und damit wäre wohl Gelegenheit gegeben, das aufzuarbeiten, was jetzt aufzuarbeiten ist, und dann die Entscheidungen bekanntzugeben und Ihre Stellungnahme gegebenenfalls entgegenzunehmen.

Besprechung des Vorsitzenden mit den RAen. Becker und Dr. Heldmann über Anträge, die außerhalb der Hauptverhandlung gestellt wurden.

Vors.:

Fortsetzung der Sitzung um 14.45 Uhr

Pause von 11.31 Uhr - 14.47 Uhr

Ende des Bandes 283.

[5164] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.47 Uhr.

Die RAe Schlaegel und Linke sind nunmehr auch[oo] anwesend.

RA Eggler ist nicht mehr[pp] anwesend.

Vors.:

Wir können fortfahren.

Herr RA Eggler hat sich entschuldigt.

Ich darf den Herrn der B. Anwaltschaft, Herrn B. Anwalt Widera, das Wort erteilen.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Die B. Anwaltschaft beantragt,

die Anträge der Angeklagten Baader und Ensslin auf Haftverschonung[10] abzulehnen.

Die in der Verfügung vom 21. November 1975 für die Angeklagten geregelten Haftbedingungen entsprechen den nach abschließender Begutachtung gegebenen Empfehlungen der ärztlichen Sachverständigen unter gleichzeitiger Beachtung der Notwendigkeiten des Vollzugs und der unerläßlichen Sicherheitsvorkehrungen. Sie gehen weit über das hinaus, was anderen Untersuchungsgefangenen bei gleichartigen Vorwürfen und entsprechendem Sicherheitsrisiko, und gleichem Sicherheitsrisiko bisher je gewährt worden ist.

Zwar halten die Sachverständigen aus ärztlicher Sicht eine möglichst weitgehende Integration der Angeklagten in den Vollzug für geboten, aber nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichst schnellen Wiederherstellung ihrer vollen Verhandlungsfähigkeit.[11] Die Sachverständigen sagen aber nichts davon, daß die Beibehaltung der gegenwärtigen Haftbedingungen zwangsläufig zum Persönlichkeitsverfall der Gefangenen bis hin zur psychischen und physischen Vernichtung, also bis zum Tode, führen müsse.

Der Vortrag der Verteidiger ist deshalb schon in diesem entscheidenden Punkte unrichtig. Der Beweisanregung, hierzu nochmals Prof. Rasch zu hören, braucht also nicht nachgegangen zu werden.

Den schon angesprochenen Anregungen der Sachverständigen ist in der oben genannten, am 28. November und 3. Dezember 1975 ergänzten Verfügung insbesondere dadurch Rechnung getragen, [5165] daß sich die vier Angeklagten - nach Männern und Frauen getrennt - wöchentlich 27 ½ Stunden in einer Zelle gemeinsam. aufhalten können. Außerdem können alle vier Angeklagten pro Woche 15 ½ Stunden beim Hofgang und Umschluß zu viert Zusammensein. Zu viert haben die Angeklagten außerdem die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen. Schließlich dürfen alle vier Angeklagten ihren Hofgang mit einer beschränkten Zahl von Mitgefangenen durchführen.

Damit ist den Bedürfnissen der Angeklagten und ihren gesundheitlichen Belangen unter[qq] Berücksichtigung ihrer außerordentlichen Gefährlichkeit großzügigst Rechnung getragen.

Nicht zu Unrecht werden deshalb diese Regelungen sowohl von anderen Untersuchungsgefangenen als auch in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als kaum noch zu vertretende Privilegien empfunden.[12]

Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht können [rr] gegen die Fortdauer und Ausgestaltung der Untersuchungshaft vernünftigerweise keine Bedenken erhoben werden.

Die Angeklagten stehen in dringendem Verdacht, schwerste Verbrechen begangen zu haben. Daneben sind sie in hohem Maße ausbruchsverdächtig. In diesem Zusammenhang sei nur auf die Befreiung des Angeklagten Baader,[13] die bei ihm später vorgefundenen Befreiungspläne sowie auf die Tatsache hingewiesen, daß die vier Angeklagten zu den Personen zählen, zu deren Freilassung die B. Regierung anläßlich des Anschlages auf die deutsche Botschaft in Stockholm[14] genötigt werden sollte.

Nicht unbeachtet darf auch bleiben, daß die Angeklagte Meinhof wegen ihrer Beteiligung an der Befreiung des Angeklagten Baader inzwischen rechtskräftig zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.[15]

Außerdem sind die Angeklagten nach wie vor überaus gefährlich, denn sie stehen in dem dringenden Verdacht, auch aus der Untersuchungshaft heraus ihre kriminelle Tätigkeit fortzusetzen.[16]

Dies zwingt zu dem Schluß, daß sie in Freiheit durch neuerliche Gewalttaten die öffentliche Sicherheit aufs schwerste gefährden würden. Von einer Verletzung des Grundsatzes der Ver- [5166] hältnismäßigkeit kann mithin keine Rede sein.

Es bleibt deshalb unverständlich, wie man eine, wenn auch unberechtigte, Kritik an den Haftbedingungen zum Anlaß nehmen kann, von einer vom Gericht beabsichtigten Vernichtung der Angeklagten zu sprechen. Daß es falsch wäre, etwa aus dem derzeitigen Aussehen der Angeklagten Rückschlüsse auf die Haftbedingungen zu ziehen, ergibt sich für die Angeklagte Ensslin beispielhaft aus der Aussage einer der heute vernommenen Zeuginnen.

In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, daß die Angeklagten sich an lang andauernden Hungerstreiks beteiligt haben, die in einem Fall sogar zur Selbstvernichtung eines früheren Mitangeschuldigten geführt haben.[17]

Die Angeklagten lehnen es im übrigen auch heute noch unter fadenscheinigen Gründen ab, sich in der Anstalt ärztlich behandeln zu lassen.

Nach alledem können eine Änderung der derzeitigen, vom Senat unter Berücksichtigung aller Umstände wohl abgewogenen Haftbedingungen oder gar eine Haftverschonung ernsthaft nicht in Betracht kommen.

Vors.:

Danke schön.

Der Senat hat nun noch einige Beschlüsse bekanntzugeben, die er gefaßt hat.

Zunächst handelt sich’s um den Beschluß:

Die Anträge der Angeklagten Ensslin, Baader und Raspe, die Ermittlungsakten gegen Dierk Hoff beizuziehen,[18] werden abgelehnt.

Gründe:

Der Senat sieht derzeit keinen Anlaß, die genannten Ermittlungsakten beizuziehen. Nach Mitteilung der B. Anwaltschaft ist die Vernehmung von Herrn Hoff noch nicht abgeschlossen. Die B. Anwaltschaft beabsichtigt, nach deren Abschluß die Vernehmungsniederschriften dem Senat zur Verfügung zu stellen. Hinzu kommt, daß jenes Verfahren anscheinend - die Antragsteller behaupten nichts Gegenteiliges - den zur Zeit in der Hauptverhandlung behandelten Sachzusammenhang nicht oder nur am Rande berührt. Damit erledigt sich auch der Antrag auf Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung.

- - -[ss]

[5167] Nun ist ferner der Beschluß zu verkünden:

Der Antrag des Angeklagten Baader, das Pflegepersonal, von dem die Rede war, aus diesem Keller zu diesem Komplex zu hören, weil es mit Sicherheit diesen Arzt - nämlich Prof. Dr. Hirsch - hier teilweise widerlegen wird, wird abgelehnt.

Gründe:

Es handelt sich wegen der Unbestimmtheit des Beweisthemas um einen Beweisermittlungsantrag.[19]. Der Senat sieht keinen Anlaß, ihm nachzugehen.

- - -[tt]

Schließlich noch der Beschluß:

Der Antrag, Herrn Frei-Sulzer aus Zürich als weiteren Sachverständigen für Schußwaffengutachten anzuhören, wird abgelehnt,

weil die schon erstatteten Gutachten der Sachverständigen Warnke und Dr. Grooß ergeben haben, daß die sichergestellten Munitionsteile für Identifizierungszwecke mit dem von den Sachverständigen angegebenen Sicherheitsgrad ausreichen. Damit ist das Gegenteil der behaupteten Tatsache, die Munitionsteile seien nicht ausreichend zu Identifizierungszwecken, erwiesen - § 244 Abs. 4 S. 2 StPO[20].

Es ist nichts dafür dargetan oder ersichtlich, worin die überlegenen Forschungsmittel des benannten Sachverständigen bestehen sollten.

- - -[uu]

Wir wären damit am Ende der heutigen Verhandlung.

Fortsetzung am kommenden Dienstag

mit der Vernehmung der Zeugen:

Brigitte Reinhardt,

Christina B[...],

KHM Heinze

und PHM Boehme.

Soweit ich sehe und ohne Gewähr, sind für die Vernehmung dieser Zeugen durchgängig maßgeblich bzw. ist nur maßgeblich der Ordner 68, so wie heute auch.

Bitte, Herr RA Becker.

[5168] RA Be[cker]:

Die B. Anwaltschaft hat nun ja grade ihre Stellungnahme hierzu abgegeben. Die Verteidigung würde gerne hierzu auch noch replizieren. Ich sehe ein, daß das nicht heute geht, insbesondere da hierzu auch noch ne Rücksprache mit den Mandanten erforderlich ist, und ich würde aber hier nur ankündigen, daß eine solche Replik dann am Dienstag erfolgen wird.

Vors.:

Ja, nur möchte ich Sie darauf hinweisen:

Ich habe nun die Absicht, nachdem Sie die Gelegenheit hatten, zu diesem Thema zu sprechen - umgekehrt jetzt die B. Anwaltschaft - nicht weiter die Sache in der Hauptverhandlung zu erörtern.

Es handelt sich um eine Entscheidung und um Ausführungen, die nicht dem Unmittelbarkeitsgrundsatz[21] unterliegen. Die Replik kann außerhalb der Hauptverhandlung[22] erteilt werden.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich möchte ...

Vors.:

Außerdem ist uns dieser Antrag als außerordentlich dringlich beschrieben worden, und das Gericht beabsichtigt, darüber auch alsbald zu entscheiden, auch gerade wegen dieser von den Antragstellern vorgebrachten Dringlichkeit.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich meine ... ich find nur, wenn man dieses Kriterium „außerhalb der Hauptverhandlung“ in der Hauptverhandlung anlegt, dann kann man das, glaube ich, nicht nach der Stellungnahme die Replik einem damit abschneiden, daß man sagt, das gehört jetzt außerhalb ..., sondern dann muß man meines Erachtens das nach Sachgebieten machen - das haben Sie auch ganz zutreffend gemacht, daß das in die Hauptverhandlung gehört - und ...

Vors.:

Nein, das habe ich nicht, Herr Rechtsanwalt. Die gehört nicht rein.

RA Be[cker]:

Entschuldigen Sie.

Dann hätten Sie doch die B. Anwaltschaft hierzu nicht in der Hauptverhandlung Stellung nehmen lassen können?

Vors.:

Doch, deswegen, weil ich, entgegen unserer Übung, wegen des Gegenstandes die Gelegenheit geben wollte, das zunächst in der Öffentlichkeit bekanntzugeben, was Sie mit dem Antrag verbinden wollten. Nun hat die B. Anwaltschaft das selbstverständliche Recht, auch in der Öffentlichkeit sich zu äußern. Die Replik kann ohnedies nur binnen der Zeit vom Gericht noch [5169] entgegengenommen werden, in der entschieden wird, d. h., bis zum nächsten Dienstag ist die Entscheidung bestimmt getroffen. Sie haben also die Möglichkeit, bis - sagen wir morgen um 16.00 Uhr - die Replik dem Gericht mitzuteilen. Anschließend ist mit Sicherheit die Aussicht, daß eine Replik bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann, nicht mehr gegeben.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, Herr Vorsitzender, dann bitte ich um Replik jetzt.

Vors.:

Es sei denn, Sie wären imstande, - aber ich muß betonen, eine kurze Replik - jetzt vorzutragen. Das letzte Wort würde ich in diesem Falle selbstverständlich auch der B. Anwaltschaft geben; denn Sie sind Antragsteller - die B. Anwaltschaft hat erwidert.

RA Dr. He[ldmann]:

1. Die Aussage der B. Anwaltschaft, mit welcher sie in erster Linie unserem Antrag entgegengetreten ist, nämlich die derzeitigen Haftbedingungen entsprächen den Gutachten, ist falsch, [vv] Beweis: Gutachten und anschließende ärztliche Äußerungen; sie liegen dem Gericht, sie liegen aber auch der B. Anwaltschaft vor, so daß die B. Anwaltschaft selber erkennen kann, daß diese Aussage, diese Prämisse, an der sie ihren Ablehnungsantrag aufhängt, nicht zutrifft.

2. Die Gutachten, so hat Herr B. Anwalt Widera erwidert, sagten nichts über einen letalen Ausgang bei Beibehaltung der heutigen Haftbedingungen. Richtig ist daran folgendes: - das habe ich aber auch in der Antragsbegründung schon gesagt -:

Dieser Begriff wird nicht gebraucht. Aber ich habe darauf hingewiesen, daß die Gutachten - und insoweit übereinstimmend - aussagen, daß, wo nicht die therapeutisch zwingend gebotenen Maßnahmen, die nämlich die Haftsituation betreffen, alsbald getroffen werden, alsbald mit einer Verschlechterung dieses Zustands, den ich gestern als ein Krankheitsbild aus dem Gutachten zitiert habe, alsbald herbeiführen würde die Verschlechterung, und die zunehmende Verschlechterung muß nach [5170] allem medizinischen Wissen zu einem letalen Ende führen. Und deswegen, damit Sie sich nicht auf meine medizinische Halbbildung, wenn ich so etwas sage, zu verlassen brauchten, habe ich zum Beweis für diese Aussage grade als Sachverständigen Herrn Prof. Rasch benannt, d. h. also, es bleibt weiter bestehen für diese Behauptung - der Beweisantrag - Herrn Prof. Rasch hierzu zu hören. Das bedeutete also bis dahin, ihn zu hören, ob wirklich die derzeitigen Haftbedingungen den Gutachten der Ärzte entsprechen und zweitens:

Ob nicht die Ärzte befürchten müssen, daß bei Fortführung der derzeitigen Haftbedingungen nicht nur die Verhandlungsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden wird, sondern daß, wie es u. a. in diesen Gutachten heißt, die Verschlechterung des Gesundheitszustands zu erwarten ist und eine progressive Verschlechterung - dafür insbesondere auch das Beweisangebot bis hin zum letalen Ende.

3. Herr B. Anwalt Widera hat als ein Argument, das er hervorgehoben hat für die Beibehaltung der derzeitigen Haftbedingungen, genannt, daß, so habe ich es mir in Stichworten notiert, bereits heute weite Kreise der Öffentlichkeit in der Behandlung der Angeklagten in der Haftanstalt kaum noch zu vertretende Privilegien erkennten.

Auch dazu verweise ich noch einmal auf die Entscheidung des B. Verfassungsgerichts aus dem 19. Band.[23] In jener Entscheidung ist nicht nur von dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für den Einsatz der Untersuchungshaft, ihre Ausgestaltung, die Rede, was nämlich hier für unsere Entscheidung ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt ist, sondern da wird grade das gesagt, was ja Herr Widera als ein Argument angeführt hat. Selbst, sinngemäß - ich habe die Entscheidung nicht vor mir -, aber sinngemäß heißt es in der Entscheidung:

Selbst eine große Erregung in der Öffentlichkeit über die Tat oder über den Täter darf nicht Anlaß sein, Untersuchungshaft überhaupt nur anzuordnen, umso weniger darf etwa - wovon ich nichts weiß, wie Herr Widera aber behauptet hat - das Empfinden von Kreisen in der Öffentlichkeit, [5171] die Angeklagten genössen hier kaum noch zu vertretende Privilegien, ein Argument dafür sein, daß bei den jetzigen krankmachenden und nach unserer Auffassung, die sich auf medizinische Äußerungen stützt, zerstörerische Wirkungen der derzeitigen Haftbedingungen bezieht.

Auch der Verdacht schwerster Verbrechen rechtfertigt nicht einen Ausnahmezustand im Haftvollzug. Auch das können Sie genauso nachlesen - was ich gestern nicht zitiert habe - genauso nachlesen in jener Entscheidung des BVerfG im 19. Bd., wo im Anschluß an den Passus, wie ist für den Haftrichter eine weite Erregung in breiter Öffentlichkeit zu würdigen für die Entscheidung über die U-Haft, über die Haft, im Anschluß daran ist in jener Entscheidung die Rede davon:

Selbst der Verdacht schwerster Verbrechen rechtfertigt nicht einmal für sich alleine die U-Haft, umso weniger - dort ging es um Mordvorwürfe, Vorwürfe mehrerer Morde - umso weniger kann der Verdacht, wie Sie meinen, Herr B. Anwalt, der Verdacht schwerster Verbrechen eine Ausnahmesituation, die wir - ich wiederhole es noch einmal - als zerstörerisch würdigen, worauf wir uns auf die Medizinerstellungnahme stützen, umso weniger mag ein solcher Verdacht die Ausnahmesituation in der Haft rechtfertigen.

4. Überaus gefährlich seien die Angeklagten, denn sie setzten ihre kriminelle Tätigkeit aus der U-Haft heraus fort. Das ist eine Prämisse, die ja in unseren Diskussionen hier nicht neu ist, die aber gleichwohl unbewiesen geblieben ist; denn auch eine gewisse Zitatensammlung, wobei nicht einmal die Zuordnungen geglückt sind, wie wir sie aus dem Senatsbeschluß vom 30.9. zu § 231a StPO[24] entnehmen können, selbst die sind nicht geeignet, diese Aussage zu belegen, die Angeklagten setzten aus der Haft heraus kriminelle Tätigkeit fort. Es ist lediglich eine verbale Erwiderung, wenn ich sage: Herr Widera, wo Sie den Verteidigern vorhalten, sie übten - so haben Sie gesagt - unberechtigt Kritik an den Haftbedingungen Sie haben damit unrecht. Verlassen Sie sich aber damit, was Sie sowieso nicht tun werden, auf etwa meine Verneinung, sondern schauen Sie sich die Folge der gutachtli- [5172] chen Äußerungen, auch die nach den eigentlichen Gutachten hier eingelaufenen, an, so daß man ernsthaft nicht mehr sagen darf, die Kritik an diesen Haftbedingungen sei unberechtigt.

6. Sie haben den elenden Zustand der Angeklagten auf die Hungerstreiks zurückgeführt. Die Gutachten widerlegen Sie - das haben wir bereits schriftsätzlich ausgeführt, und wir haben diese Entgegnung auch aus den ärztlichen Stellungnahmen heraus belegt -, wo nämlich ebengerade gesagt ist, die am 4. Februar d. J. abgeschlossenen Hungerstreiks spielen für die heutige, hier zu behandelnde Frage - da ging es um die Gutachterfragen - keine Rolle, sondern pathogen sind die Umweltbedingungen, d. h. ist die Ausnahmesituation in der Haft, von denen mehr als ein Gutachter gesagt und geschrieben hat, daß derartige Haftbedingungen bislang unbekannt seien. Und insbesondere lege ich Gewicht darauf, daß das grade Herr Rasch ausdrücklich an Sie geschrieben hat - ich habe das gestern zitiert -, und von Herrn Rasch wissen wir alle, daß er eine außergewöhnliche forensische Erfahrung hat.

Letzter Punkt:

Sie, Herr Widera, sagten:

Im übrigen lehnten die Angeklagten es ab, in der Anstalt ärztlich sich behandeln zu lassen.

Hab ich Sie falsch verstanden?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Ich hatte vor mich hin ergänzt: aus fadenscheinigen Gründen.

RA Dr. He[ldmann]:

Das wollt ich Ihnen gar nicht mal mehr vorhalten, weil ich diesen Verbalismus nicht für Ernst genommen habe, sondern ich wollte zur Substanz kommen.

... lehnten ab, in der Anstalt ärztlich sich behandeln zu lassen.

Sie lehnen es nicht ab, sie haben Ärzte beauftragt. Aber sie haben auch hinreichend dargelegt und verständlich dargelegt, warum die Wiederherstellung ihrer Verhandlungs- und damit Verteidigungsfähigkeit nicht in den Händen dieses Anstalts- [5173] arztes[25] liegen soll, warum sie die Spezialisten - Ärzte ihres Vertrauens -, die das Gericht benannt hat, die nicht sie sich gesucht haben, warum sie denen ihre Gesundheit, die Wiederherstellung ihrer Gesundheit, ihre Therapierung anvertrauen wollen, so daß auch diese Aussage nicht zutrifft, die Angeklagten lehnten ab, sich in der Anstalt ärztlich behandeln zu lassen.

Soweit meine Erwiderung.

Vors.:

Herr RA Becker.

RA Be[cker]:

Ich schließe mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Heldmann an. Möchte kurz noch drei Punkte erwähnen:

1. Scheint mir der im Antrag von Herrn Dr. Heldmann enthaltene Beweisantrag ein bestimmtes Beweisthema zum Gegenstand zu haben, nämlich als bestimmtes Beweisthema, daß die Fortsetzung dieser Haftbedingungen einen letalen Ausgang hat, haben wird, wenn sie so fortgesetzt wird, ...

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung - jedenfalls haben kann.

RA Be[cker]:

Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang ist, daß diese bestimmte Beweisbehauptung auch erforderlich ist, hier dieser nachzugehen und diesem Beweisantrag stattzugeben, weil der Gegenstand des ersten Gutachtens von Prof. Rasch natürlich die Verhandlungsfähigkeit war und deren Folgen aufgezeigt hat, aber Herr Prof. Rasch offensichtlich auch ja davon ausgegangen ist, daß seinem Gutachten gefolgt wird und das bisher hier in hinreichendem Maße nicht geschehen ist, so daß eigentlich die Fortführung seines Gutachtens bis zum Ende, nämlich die Konsequenzen dieser jetzigen Haftbedingungen, bis zum Ende von ihm hier noch gutachterlich noch weiter erklärt werden muß, insbesondere, wenn die B. Anwaltschaft hier der Meinung ist, daß dieses Gutachten eine solche Schlußfolgerung überhaupt nicht zulassen würde.

Der dritte Punkt

bezieht sich auf die Behauptung der B. Anwaltschaft, daß hier die Öffentlichkeit gegen die Privilegien der Angeklagten Stellung nehmen würde. Eine solche Meinung der Öffentlichkeit ist hier meines Erachtens von interessierter Seite immer wieder [5174] behauptet worden, aber sie ist in keiner Weise bewiesen worden und ist allenfalls von solchen Meinungsorganen, denen die B. Anwaltschaft auch Interviews zu geben pflegt, immer wieder aus fadenscheinigen Gründen behauptet worden.

Man muß dazu im übrigen auch noch eines sagen, daß nämlich die angeblichen Privilegien ja doch eigentlich im Vergleich zu den Gutachten, die alle sagen normale Haftbedingungen und das normale soziale Leben in der Anstalt würde bereits ungeheuer viel hier helfen, daß hier doch nicht von Privilegien geredet werden kann, wenn normale Haftbedingungen schon einen großen Schritt vorwärts bieten würden.

Der dritte Punkt

bezieht sich speziell auf meine Mandantin, nämlich, daß aus der Zeugenaussage heute morgen noch geschlossen werden könnte, daß Frau Ensslin offensichtlich konstitutionell so aussehen würde und deswegen die Haftbedingungen keine Spuren bei ihr hinterließen. Das kann man ja nur aus dieser Behauptung schließen.

Und ich muß sagen, ich halte diese Behauptung eher für polemisch als irgendwie von der Sache her gerechtfertigt; denn die Gutachten von Prof. Rasch und Prof. Müller beziehen sich eindeutig auf Frau Ensslin und haben auch zu ihrem Gesundheitszustand Ausführungen gemacht. Ich bin sicher, daß auch diese Zeugin erschreckt wäre, wenn sie heute Frau Ensslin sehen würde, und ich würde annehmen, einige der B. Anwälte sind meinetwegen bleich in ihrer Hautfarbe, aber sie sehen noch lange nicht so aus, wie man nach drei Jahren Haft aussieht, weil das nämlich ein ganz anderer Zustand ist, der nicht mit einer normalen Bleiche zu vergleichen ist, und das zeigt ganz genau, daß diese Haftbedingungen pathogen sind.

Im übrigen beantrage ich,

daß den Angeklagten ...

Vors.:

Ich möchte jetzt keine Anträge mehr im Augenblick [ww] entgegennehmen. Es geht um Ihre Erwiderung.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, es ist ein ganz technischer Antrag. [5175] Ich beantrage lediglich, da Sie vorher angekündigt haben, daß schriftliche Stellungnahmen bis morgen, 12.00 Uhr, wenn ich Sie recht verstanden habe, möglich sind,

daß diese Gelegenheit meiner Mandantin gegeben wird, hierzu - zu der Stellungnahme der B. Anwaltschaft - ebenfalls Stellung zu nehmen

und bitte die B. Anwaltschaft, da ich annehme, daß Sie das hier vorgelesen haben, doch diese Stellungnahme uns in Fotokopie zur Verfügung zu stellen, damit eine solche Stellungnahme auch für meine Mandantin möglich ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Dieser Bitte schließe ich mich für Herrn Baader an:

also die Möglichkeit zur Stellungnahme bis morgen und Bekanntgabe des hier verlesenen ... der hier verlesenen Erwiderung des Herrn Bundesanwalts.

Vors.:

Eine Pflicht dazu besteht nicht. Die Angeklagten können eben im Augenblick durch das ausgeschlossen sein, was sie selbst verursacht haben. Im übrigen hätte Frau Ensslin die Gelegenheit gehabt, heute teilzunehmen,[26] und es wäre sogar naheliegend gewesen, da ja die Beweisaufnahme heute ihr galt. Grundsätzlich haben die Angeklagten also weder das Recht noch die Möglichkeit, Stellung zu nehmen zu Vorgängen in der Hauptverhandlung.

Ich muß es der B. Anwaltschaft überlassen, ob sie dieser Bitte entsprechen will. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, daß bis 12.00 Uhr morgen auch den Angeklagten Gelegenheit gegeben ist, sich noch zu diesem Antrag zu äußern.

Wenn Sie weiterhin das Wort wünschen? Bitte schön.

Reg. Dir. Wi[dera]:

In der Beweisaufnahme, die bisher abgelaufen ist bei der Befragung von rund 40 Zeugen, ist immer wieder deutlich geworden, daß Sie, die Herrn Verteidiger Dr. Heldmann und auch Herr Becker, nicht genau genug zuhören. Deswegen kam es dort zu, wie ich meine, unnötigen und langwierigen Wiederholungen und hier dazu, daß Sie nicht genau genug zugehört haben, was ich ausgeführt habe. Ich habe deswegen nur noch ein Wort zu sagen: Der Senat kennt - wie die B. Anwaltschaft - die Gutachten der Sachverständigen. Der Senat kennt - wie die B. Anwaltschaft - die Entscheidung des BVerfG, die Herr RA Dr. Heldmann heute nochmals [5176] angesprochen hat. Und weil dem so ist, hat die B. Anwaltschaft durch die Ausführungen, die eben gemacht wurden, nicht den geringsten Anlaß, auch nur ein einziges Wort von dem, was gesagt wurde, zurückzunehmen.

Ein Wort noch zu der Bitte da drüben:

Wir können dieser Bitte nicht entsprechen, weil das ein Entwurf ist, den ich hier habe, den ich handschriftlich wiederholt geändert habe und den ich noch geändert habe, während ich vorgetragen habe. Ich muß Sie also darauf verweisen, daß dort mitprotokolliert wurde.

Vors.:

Wir sind damit am Ende der Sitzung.

Ich darf zuletzt noch drauf hinweisen, daß wir der Äußerung, wie sich die Sachvernehmung abwickeln soll, noch entgegensehen.

Herr RA Dr. Heldmann, ich muß darauf bestehen, daß Sie sich zu dem Antrag der B. Anwaltschaft - Sie wissen, welchen ich meine - bis zum Montag, 15.12., bis 12.00 Uhr äußern, und zwar einfach deswegen, weil ich noch Gelegenheit haben muß, mir darüber Gedanken zu machen, bevor wieder der Sitzungsrhythmus am Dienstag beginnt.

Damit Fortsetzung an Dienstag.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung.

Vors.:

Das können wir außerhalb der Hauptverhandlung machen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich sagte Ihnen neulich schon, daß es nicht möglich ist, denn sonntags habe ich selbst in Darmstadt keinen Bürobetrieb. Sie wollen wahrscheinlich von mir keine handschriftliche Äußerung.

Vors.:

Auch die nehm ich entgegen.

RA Dr. He[ldmann]:

Eine schriftliche Äußerung kann ich erst am Montag drucken, so daß sie erst Dienstagfrüh mit Eilboten hier sein kann.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist eine Frist, die so lange eingeräumt ist im Verhältnis zu dem Eingang des Antrags, der im übrigen am Freitag der vergangenen Woche per Eilpost an Sie abgegangen ist, so daß es mir ein bißchen verwunderlich, ist, warum er Sie erst am Montag erreichen konnte.

[5177] RA Dr. He[ldmann]:

Posteinlauf am Montag.

Haben Sie am Samstag Posteinlauf hier?

Vors.:

Ich weiß es nicht. Aber ich habe auch kein Büro, ...

RA Dr. He[ldmann]:

Na, sehen Sie.

Vors.:

... und es könnte sein, daß das Büro bei Ihnen an die Privatwohnung geknüpft ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, mein Büro ist nicht in meiner Privatwohnung.

Vors.:

Gut, dann ist das erklärt. Aber eine volle Wochenfrist muß für diesen Vorgang ausreichen. Ich muß darauf bestehen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ja, wenn ich nicht hierzusitzen hätte, dann hätte sie selbstverständlich ausgereicht.

Vors.:

Es gibt jetzt z. B. die Gelegenheit - ich habe Ihnen angeboten, unser Protokoll dazu zu verwenden - diese einzelnen Zitate zu überprüfen. Dadurch, daß wir mit der Verhandlung heute früher fertig geworden sind, läßt sich vielleicht noch die Zeit nützen. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen. Fortsetzung am Dienstag, 9.00 Uhr.

RA Dr. He[ldmann]:

Dienstagfrüh mit dem Eilbotenbrief.

Ende der Hauptverhandlung um 15.20 Uhr.

Ende von Band 284.


[1] Die Angeklagten Baader, Meinhof und Raspe wurden wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO für den restlichen Sitzungsmonat von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (s. dazu S. 4520 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 52. Verhandlungstag, betr. den Angeklagten Raspe, sowie S. 4784, 4789 f. des Protokolls, 54. Verhandlungstag, betr. die Angeklagten Baader und Meinhof). Die Angeklagte Ensslin hätte an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[5] Über Axel Achterrath liegen nur wenige Informationen vor. Offenbar war er ein ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK) und wurde von den Ermittlungsbehörden als „Helfer“ der RAF eingeordnet (s. das dpa-Hintergrundmaterial vom 6. Juni 1972 bei Rauball, in von Münch [Hrsg.], Aktuelle Dokumente, 1972, S. 29, 49). Im Februar 1974 wurde er zusammen mit Ekkehard Blenck in Amsterdam festgenommen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 116).

[6] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[7] Während bis zum 31.12.1974 die sog. „Blockverteidigung“ - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, mithin auch nur im Namen des/der jeweiligen Angeklagten sprechen. Auf die Einhaltung dieser Vorgaben achtete der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel sehr genau (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls). Da die Gründung bzw. Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) aber allen Angeklagten vorgeworfen wurde, ließ der Vorsitzende in begrenztem Umfang auch Fragen der Verteidiger/innen nicht unmittelbar von einem Vorgang betroffener Angeklagter zu, solange hierdurch Rückschlüsse auf die Struktur oder die Absprachen innerhalb der Vereinigung gezogen werden konnten, so etwa die Frage, ob das Schießen auf Polizeibeamt/innen im Notfall zu den Grundsätzen der RAF gehört habe (s. dazu S. 4108 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 48. Verhandlungstag).

[8] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[9] Rolf Pohle war ein linker Aktivist aus München. 1969 wurde er aufgrund seiner Teilnahme an den Osterunruhen nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke zu 15 Monaten Haft (ohne Bewährung) verurteilt, jedoch im Rahmen der „Brandt-Amnestie“ wieder freigelassen. Nachdem ihm aufgrund seiner Vorstrafe jedoch die Zweite Juristische Staatsprüfung verwehrt blieb, bewegte er sich ab 1970/71 im Umfeld der militanten Münchner Formation „Tupamaros München“. Am 18. Dezember 1971 wurde er verhaftet, als er versuchte, mit einem gefälschten Ausweis Waffen zu erwerben und im März 1974 wegen illegalen Waffenbesitzes und aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zur RAF wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe in Höhe von fast sechseinhalb Jahren verurteilt. Er gehörte zu denjenigen Insass/innen, die 1975 durch die Lorenz-Entführung in den Südjemen ausgeflogen wurden. Er verließ den Jemen aber und ging nach Griechenland, wo er 1976 verhaftet wurde. Zunächst lehnten griechische Behörden und Gerichte eine Überstellung in die Bundesrepublik ab. Pohles Auslieferung wurde zum Skandal, als sich viele Unterstützer/innen in Griechenland mit Parolen wie „Übergebt Pohle nicht den Nazis!“ mobilisierten und der Fall vor dem obersten Gericht für Zivil- und Strafsachen (Areopag) verhandelt wurde. Letztlich wurde Pohle im Oktober 1976 ausgeliefert und in die JVA Straubing verlegt. Pohle bestritt bis zu seinem Tod seine Mitgliedschaft in der RAF und wird von der aktuellen Forschung eher der im Entstehen befindlichen Bewegung 2. Juni zugerechnet (Danyluk, Blues der Städte, 2019, S. 513 f.; Hocks, in Kiesow/Simon [Hrsg.], Vorzimmer des Rechts, 2006, S. 129 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 761 Anm. 56; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 388 f.).

[10] S. dazu den Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 55. Verhandlungstag, S. 5097 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie die Ergänzung des Rechtsanwalts Schily, S. 5089 ff. des Protokolls.

[11] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Ihr Fehlen bedeutet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Nachdem die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten durch die Vertrauensverteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten wurde, beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe. Die Gutachten sind im Protokoll nicht enthalten. Auszüge finden sich in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 207 ff., sowie Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 117 ff. Dem lässt sich entnehmen, dass die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder von einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit von drei Stunden pro Tag ausgingen, wobei kürzere Pausen nicht mit einzubeziehen seien (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 208). Zur Behandlungsmöglichkeit führte der Sachverständige Prof. Dr. Rasch aus: „[D]ie Durchführung einer Behandlung dürfte während der Dauer der Hauptverhandlung und bei Beibehaltung der jetzt gegebenen Haftbedingungen nicht möglich sein“ (so die Wiedergabe des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 3112 des Protokolls der Hauptverhandlung, 39. Verhandlungstag). Am 40. Verhandlungstag verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing schließlich den Senatsbeschluss, wonach die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft selbst herbeigeführten Verhandlungsfähigkeit gem. § 231a StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag).

[12] S. hierzu Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 277 ff.

[13] Nachdem Andreas Baader Anfang April 1970 bei einer Verkehrskontrolle in Berlin verhaftet worden war, gelang es einer Gruppe um Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Irene Goergens und Ingrid Schubert, ihn am 14. Mai 1970 zu befreien. Als Ort der Aktion diente die Bibliothek Zentralinstituts für Soziale Fragen in Berlin-Dahlem, wo Baader unter Bewachung von zwei Vollzugsbeamten ein Gespräch mit Ulrike Meinhof für ein Buchgespräch zugestanden worden war. Während der Aktion wurde ein Schuss auf einen unbeteiligten Bibliotheksmitarbeiter abgegeben, der schwer verletzt wurde. Die gewaltsame Befreiung Baaders aus der Haft wird auch als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichnet. Auch Ulrike Meinhof lebte von nun an in der Illegalität (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 177 ff.; Wieland, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, 2006, S. 332, 343).

[14] Am 24. April 1975 überfiel das RAF-Kommando „Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und forderte die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Mitgliedern, darunter von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Dem Kommando gehörten Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel an. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen nahmen sie zwölf Geiseln, von denen sie zwei erschossen. Anders als zwei Monate zuvor bei der Lorenz-Entführung durch die Bewegung 2. Juni lehnte die Bundesregierung nun Verhandlungen mit den Geiselnehmer/innen ab. Ihr Ende fand die Geiselnahme durch eine nicht geklärte Sprengstoffexplosion im Inneren des Botschaftsgebäudes, die sich noch vor dem Zugriff schwedischer Sicherheitskräfte ereignete. Bei der Explosion wurde Ulrich Wessel tödlich verletzt. Siegfried Hausner erlag seinen Verletzungen Anfang Mai 1975 in der JVA-Stammheim. Die übrigen vier Geiselnehmer/innen wurden verhaftet und am 20. Juli 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 361 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69).

[15] Ulrike Meinhof wurde vom LG Berlin mit Urteil vom 29.11.1974 wegen ihrer Beteiligung an der Befreiung von Andreas Baader aus der Haft am 14. Mai 1970 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 95 ff.). Ab dem 29.1.1976 wurde die Freiheitsstrafe schließlich vollstreckt (s. den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 71. Verhandlungstag, S. 6396 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[16] Zu diesem Vorwurf s. S. 338 ff. der Anklage (Teil D, Abschnitt V.).

[17] Die inhaftierten RAF-Mitglieder bezeichneten ihre Haftbedingungen als „Isolationsfolter“ (s. zu den Haftbedingungen Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere S. 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.). Um ihre Forderungen, u.a. die Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge, durchsetzen zu können, traten sie ab 1973 mehrfach in Hungerstreik. Der dritte und längste Hungerstreik dauerte von September 1974 bis Februar 1975. RAF-Mitglied und ursprünglich ebenfalls Beschuldigter im Stammheimer Verfahren Holger Meins überlebte ihn nicht: Im November 1974 starb er an den Folgen der Mangelernährung (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 58).

[18] S. dazu den Antrag des Rechtsanwalts Schily am 55. Verhandlungstag, S. 5091 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung. Zur Stellungnahme der Bundesanwaltschaft s. S. 5095 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 55. Verhandlungstag.

[19] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 - Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 - Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.

[20] Nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO können Sachverständige abgelehnt werden, wenn durch frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits bewiesen ist. Eine Einschränkung findet sich im zweiten Halbsatz: „[D]ies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.“

[21] Der Unmittelbarkeitsgrundsatz findet seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO, wonach das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur im sog. Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“), das in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt ist und Anwendung findet zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe

[22] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[23] In einer Entscheidung aus dem Jahr 1965 führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Weder die Schwere der Verbrechen wider das Leben noch die Schwere der (noch nicht festgestellten) Schuld rechtfertigen für sich allein die Verhaftung des Beschuldigten; noch weniger ist die Rücksicht auf eine mehr oder minder deutlich feststellbare ‚Erregung der Bevölkerung‘ ausreichend, die es unerträglich finde, wenn ein ‚Mörder‘ frei umhergehe. Es müssen vielmehr auch hier stets Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, daß ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte“ (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347).

[24] Nach § 231a StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn diese noch nicht zur Anklage vernommen wurden, sie sich vorsätzlich und schuldhaft in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt haben, und das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält. Der hierauf gestützte Beschluss des 2. Strafsenats ist abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag. Zur Begründung der „von den Angeklagten geschaffenen Gefahrenlage“, die die Haftbedingungen erforderlich machen würden, wurde auch darauf abgestellt, dass die Angeklagten dringend verdächtig seien, die kriminelle Vereinigung RAF aus der Haft heraus „mit Hilfe von Verteidigern fortgesetzt zu haben“. Dies ergebe sich aus den Ausschlussentscheidungen bzgl. der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele (S. 10 des Beschlusses, S. 3133 des Protokolls der Hauptverhandlung; zu den Vorwürfen und Verurteilungen der Rechtsanwälte wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung s. Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 519 ff.).

[25] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn lehnten die Angeklagten ab. Andreas Baader beschrieb das Verhältnis zu ihm wie folgt: „Das Verhältnis zu Henck ist ein Zwangsverhältnis, d. h. er hat unter [...] Anwendung urmittelbaren Zwangs durch 6 Vollzugsbeamte die Zwangsernährung - oder wie ein anderer Vollzugsarzt, typischer Sadist, sagt, die Schlauchorgie - in Stammheim während des Hungerstreiks durchgeführt, zuletzt so, wie ich das hier erklärt habe, daß es physische Folter war; darin besteht das Verhältnis zu Henck“ (S. 1243 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag).

[26] Die Angeklagte Ensslin war die einzige, die zu diesem Zeitpunkt nicht wegen Störung der Hauptverhandlung ausgeschlossen war (s. Fn. 1).


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[d] Handschriftlich eingefügt: muß

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[v] Maschinell ersetzt: wo durch ging

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[y] Handschriftlich ergänzt: 100%ig

[z] Maschinell eingefügt: „Linette“

[aa] Handschriftlich ersetzt: geschaffen durch beschaffen

[bb] Maschinell ersetzt: von durch unter

[cc] Maschinell eingefügt: vielleicht

[dd] Handschriftlich eingefügt: sie

[ee] Handschriftlich eingefügt: um

[ff] Handschriftlich ersetzt: Sie durch sich

[gg] Maschinell durchgestrichen: Gespräch

[hh] Maschinell durchgestrichen: als

[ii] Maschinell durchgestrichen: im

[jj] Maschinell durchgestrichen: die Frage

[kk] Handschriftlich ersetzt: was durch war

[ll] Maschinell eingefügt: es

[mm] Maschinell durchgestrichen: mehr

[nn] Handschriftlich ersetzt: Ke. durch Kü.

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[pp] Maschinell eingefügt: mehr

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