8. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Freitag, den 20. Juni 1975, um 15.47 Uhr



[695][1] [696-704][2] [704a-704b][3] [705][4] [706-708][5] [709] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Freitag, den 20. Juni 1975, um 15.47 Uhr.

8. Verhandlungstag

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend:

Justizsekretär Janetzko,

Justizassistent z. A. Scholze.

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Schily, Becker, Heldmann, Riedel, von Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke, Grigat.

Vors.:

Die Hauptverhandlung wird fortgesetzt. Ich stelle fest, daß die Prozeßbeteiligten in der bisherigen Besetzung anwesend sind.

Ich habe nun die Beschlüsse bekanntzugeben, die der Senat auf die gegen den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter gerichteten Ablehnungsanträge in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung gefaßt hat.

Der Vorsitzende verlas danach den Beschluß vom 20. Juni 1974 nebst Begründung aus Anlage 1.

Der Beschluß ist im Protokoll als Anlage 1 beigefügt (Bl. 704 a + b).

Vors.:

Ferner ist zu verkünden der Beschluß vom 20. Juni 1975.

Das heißt, es handelt sich natürlich um eine Bekanntgabe. Die Verkündung ist hier kein Prozeßerfordernis mehr, da der Beschluß bereits wirksam geworden ist.[6]

Der Beschluß lautet:

Der Vorsitzende verlas danach den Beschluß vom 20. Juni 1975 nebst Begründung aus Anl. 2.

[710][7] [711] Der Beschluß ist im Protokoll als Anlage 2 beigefügt.

Während der Bekanntgabe der Beschlußgründe wurde der Vorsitzende wie folgt unterbrochen:

Angekl. B[aader]:

Hör auf Du Schwein, das ist gelogen.

Vors. erwidert:

Herr Baader, nochmal das, dann müßte ich Sie aus dem Saale verweisen.[8]

Angekl. E[nsslin]:

Aber ganz sicher ...

Der Vorsitzende will mit der Begründung des Beschlusses fortfahren, wird aber wieder von den Angeklagten unterbrochen.

Angekl. E[nsslin]:

... Du Schwein, Du lügst doch von A - Z, seit dem ersten Verhandlungstag ...

Alle Angeklagten schreien weiterhin unverständlich durcheinander.

Angekl. B[aader]:

Seit dem ersten Tag ...

Vors.:

Was stellt die Bundesanwaltschaft für einen Antrag?

Reg. Dir. W[idera]:

Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Angeklagten für heute aus dem Saal zu verweisen.

Vors.:

Sie haben Gelegenheit, sich dazu zu äußern, zu der Frage des Ausschlusses.

Wollen Sie sich äußern oder wollen Sie sich jetzt fortan in Ruhe verhalten?

Nur zu der Frage des Ausschlusses. Wenn Sie sich ordentlich verhalten, dann können Sie den Beschluß weiterhören.

Angekl. B[aader]:

Schwatz doch nicht; nach dieser Schweinerei... (schreit unverständlich weiter)

[712-726][9] [727] Das ist doch der Gipfel der Demagogie, überhaupt bisher.

Nach geheimer Umfrage verkündete der Vorsitzende folgenden Beschluß des Senats:

Die Angeklagten werden für den weiteren Ablauf des heutigen Verhandlungstages ausgeschlossen, weil sie sich ungebührlich benehmen. Sie haben den Vorsitzenden Richter beleidigt und sie haben durch Zwischenrufe die Verhandlung gestört. Sie sind abzuführen.

Es ist dabei darauf hinzuweisen, daß die Angeklagten verwarnt wurden und trotz Abmahnung sich von ihrem Verhalten nicht abhalten ließen.

Die Angeklagten schreien unverständlich durcheinander.

Vors.:

Ich bitte, die Angeklagten abzuführen.

Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß das, was im Augenblick verlesen wird, die Äußerung, die Stellungnahme des Generalbundesanwalts zu den Ablehnungsanträgen ist.

Die Angeklagten werden um 15.55 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Der Vorsitzende setzt die Verlesung fort.

Der Vorsitzende wird wie folgt unterbrochen:

RA H[eldmann]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich verkünde jetzt den Beschluß und lasse mich da nicht unterbrechen.

RA H[eldmann]:

... hier, die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft ...

Vors.:

So ist es.

RA H[eldmann]:

... dagegen protestiere ich. Sie haben bisher noch keine [728] Stellungnahme der Verteidigung hier vom Richtertisch zitiert. Die Bundesanwaltschaft soll solche Sachen ...

Vors.:

Ich verkünde den Beschluß des Senats ...

RA H[eldmann]:

... was Sie hier ...

Vors.:

Ich verkünde den Beschluß des Senats, das steht vollinhaltlich in dem Beschluß Herr Rechtsanwalt. Ich habe Ihnen das Wort nicht erteilt. Ich fahre in der Verkündung fort.

RA H[eldmann]:

... dies zur Kenntnis zu nehmen.

Der Vorsitzende fährt mit der Verlesung des Beschlusses fort.

RA von Plottnitz fällt dem Vorsitzenden ins Wort.

RA v[on] P[lottnitz]:

... der Bundesanwaltschaft ...

Der Vorsitzende verliest den Beschluß weiter, wird aber wieder von Herrn Rechtsanwalt v[on] Plottnitz unterbrochen.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich will jetzt mal wissen, ob das hier in dem Stil weiter ...

Vors.:

Ich verkünde weiterhin den Beschluß ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Und ich will weiterhin wissen, ob die ...

Vors.:

Bitte das Mikrophon abstellen. Ich habe das Wort nicht erteilt.

RA H[eldmann]:

Das Gericht macht sich hier die Vokabeln der Bundesanwaltschaft zu eigen, in dem sie sich hier zur Öffentlichkeit ...

[729] Vors.:

Sind Sie noch nicht einmal im Stande, nachdem wir Ihnen 54-Seiten lang zugehört haben, was Sie hier gegen die abgelehnten Richter vorgebracht haben - und das schien mir nicht zimperlich zu sein - ohne daß wir Sie irgendwann und irgendwo unterbrochen hätten, nun genauso fair zu sein und zuzuhören, wie dieser Beschluß abgefaßt ist. Sie können nachher gegen den Beschluß versuchen zu unternehmen, was Ihnen rechtlich zugänglich ist. Sie haben kein Recht, während der Verkündung dieses Beschlusses irgendwie zu unterbrechen. Das setzt Sie nur in das Bild, als hätten Sie Scheu, daß das in der Öffentlichkeit gesagt wird.

Ich fahre fort.

RA H[eldmann]:

Ich protestiere gegen die Parteilichkeit des Gerichts.

Der Vorsitzende verliest den Beschluß bis zum Ende[a].

Vors.:

Nach unseren Vorstellungen, sind wir am Ende dieses Sitzungstages.

Werden noch Anträge gestellt?

Herr Rechtsanwalt Schily bitte.

RA Sch[ily]:

Ich möchte mir eine Stilform des Herrn Vorsitzenden zu eigen machen und erklären, daß ich es mir versagt habe, auf Kloakenargumente, die Sie hier bedauerlicherweise in dem Beschluß im Wortlaut aus der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft wiedergegeben worden sind, einzugehen. Das mag[b] die Bundesanwaltschaft mit sich selbst abmachen, wie sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen derartige, ich wiederhole es, Einbringung von Kloakenargumenten in einen[c] Strafprozeß, rechtfertigen will. Aber ich finde es doch sehr bezeichnend, daß diese Stellungnahme uns weder vorher zugestellt wird und im vollen Wortlaut, obwohl sie mit dem Ablehnungsgesuch, das ja [730] bekanntlich von einer Angeklagten, von dem Angeklagten, so heißt es auch in meinem Ablehnungsgesuch namens der Angeklagten gestellt wird, daß solche Angriffe gegen einen Verteidiger in einem Beschluß aufgenommen werden, im Wortlaut. Während beispielsweise, während beispielsweise meine Stellungnahme, die ich nachträglich hier eingereicht habe, nur mit einem ... in ein paar knappen Sätzen erwähnt wird und da nun darauf verzichtet wird. Diese Stellungnahme ebenfalls[d] im Wortlaut, vielleicht weil diese Stellungnahme eben keine diffamierenden Angriffe gegen die Herrn Vertretern der Bundesanwaltschaft enthält, sondern zur der sachlichen Aufklärung des Sachverhalts, der Gegenstand des Ablehnungsgesuches ist[e] beizutragen. Und ferner muß ich sagen, befremdet es mich zutiefst, daß der Senat es nicht einmal für erforderlich gehalten hat, eine angemessene Frist zu gewähren, zur Stellungnahme auf die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter. Es wurde eine Frist bis heute vormittag um 10.00 Uhr gesetzt. Wie eine solche Frist eigentlich eingehalten werden soll, da ja auch noch eine Rücksprache mit dem Ablehnenden, nämlich dem Angeklagten geführt werden muß, das soll mir mal einer auseinandersetzen. Auf diese Weise ist auch ein weiterer Schriftsatz, der seitens der Verteidigung für die Angeklagten Ensslin eingereicht worden ist, bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht berücksichtigt worden, obwohl dieser Schriftsatz[10] außerordentlich aufschlußreiche Mitteilungen des Wittlicher Anstaltsarztes Dr. Hutter enthält. Ein Schreiben von Dr. Hutter vom 18. Oktober 1974, in dem er beschreibt, daß bei der in Wittlich geübten Methode des Einführers eines Magenschlauchs ein akuter lebensbedrohlicher Zustand nie ausgeschlossen werden kann. Das schreibt Herr Dr. Hutter am 18. Oktober 1974 und es ist davon auszugehen, daß dem abgelehnten Richter spätestens mit der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 6. November 1974, so habe ich es für Frau Ensslin in einem nachgereichten Schriftsatz vorgetragen, auch dieses Schreiben von Herrn Dr. Hutter bekannt geworden ist. Und ferner hat Herr Dr. Hutter in diesem Schreiben vom 18. Oktober 1974 ausgeführt, an einer anderen Stelle: „Eine Verlegung von Holger Meins auf eine entsprechende Fachstation eines justizeigenen Krankenhauses halte ich aus [731] Gründen und in Bezug auf vorstehende Gründe, für notwendig.“ Auch dadurch wird widerlegt, was hier immer behauptet worden ist, die Verlegung von Holger Meins von Wittlich nach Stammheim habe überhaupt kein Bezug zu medizinischen Gründen gehabt. Ich wiederhole, den sachlichen ... mit den sachlichen Gründen des Ablehnungsgesuches ist man offenbar nicht bereit sich auseinanderzusetzen und sucht seine Zuflucht in unangemessenen, sehr milde ausgedrückt, unangemessenen Angriffen gegen den Verteidiger. Und darüber kann sich dann jeder ein Urteil bilden, was das über das Verhalten der Bundesanwaltschaft und bedauerlicherweise auch der Senat in diesem Verfahren aussagt. Das habe ich dazu zu erklären.

Vors.:

Sämtliche Schreiben, die Sie erwähnten, sind im Beschluß berücksichtigt worden.

Herr Rechtsanwalt Heldmann oder Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, mir ist es gleichgültig, wer von Ihnen beiden anfangen will.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich möchte auch eine Erklärung abgeben, nicht zu den Gründen des Ablehnungsgesuches, weil zu ...

RA Sch[ily]:

Woher wissen Sie denn, daß das ... bei dem Beschluß berücksichtigt worden ist. Ich dachte Sie hätten da gar nicht daran mitgewirkt,[11] Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich habe es gerade vorgelesen, d. h. ich ließ es mir eben ...

RA Sch[ily]:

Ja, das steht aber gar nicht in dem Beschluß gar nicht drin. Das Schreiben von Herrn Dr. Hutter wird da nicht erwähnt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich habe, wir Sie vielleicht nicht bemerkt haben, weil Sie mit den Gedanken über Ihre Rede begriffen waren, soeben den Kollegen zur linken Seite gefragt, ob dieses Schreiben in diesem Beschluß verwertet worden ist und ließ mir die Stelle zeigen. Es ist Seite 15, der Absatz 4.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, nein.

[732] Vors.:

Da ist auf Ihrem Schriftsatz nach der Auskunft des Herrn Kollegen, den ich eben gefragt habe, hingewiesen bzw. ...

RA Sch[ily]:

Aber Sie übersehen, Herr Dr. Prinzing, daß ich zwei Schriftsätze eingereicht habe. Heute vormittag einen Schriftsatz und heute nachmittag einen Schriftsatz und da wird etwas hier ... dieser Schriftsatz scheint also der heute vormittag eingereichte zu sein. Es wird ja auch nur von einem Schriftsatz geredet und ich wundere mich, daß Sie überhaupt jetzt über die Beratung da auch noch Auskünfte erhalten, aber das macht ja jetzt, ich weiß nicht, ob das also jetzt bei Ihnen ... ist, daß Sie dann anschließend erst mal fragen, was ist in der Beratung erörtert worden und was nicht. Das finde ich hochinteressant, aber jedenfalls ist Ihre Auskunft, die Sie eben erteilt haben unrichtig, denn hier wird ja nur von einem Schriftsatz gesprochen, daß ist der zunächst eingereichte Schriftsatz, der sich mit Ihrer dienstlichen Erklärung befaßt und der also hier auf den Dr. Demas Bezug nimmt in Wittlich, aber der ist von Dr. Hutter und von dem Schreiben von Dr. Hutter überhaupt nicht die Rede. Das ist ein weiterer Schriftsatz, den ich heute nachmittag eingereicht habe. Wie gesagt, ich war ja ein bißchen im Zeitdruck, ich mußte ja nochmal die Akten einsehen, das wurde mir auch gewährt, die Akteneinsicht und ...

Vors.:

Können wir das nicht abkürzen Herr Rechtsanwalt, ich weiß nicht, was Sie damit wollen. Ich habe mich eben nochmals erkundigt. Beide Schriftsätze sind berücksichtigt worden.

RA Sch[ily]:

Aha.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA Sch[ily]:

Dann kann ich nur feststellen, ist das ist offenbar also im Geschwindschritt geschehen ...

Vors.:

Sie haben doch jede Möglichkeit ...

[733] RA Sch[ily]:

... denn dieser Schriftsatz ist ja offenbar ... wann haben Sie ... wann ... (RA Sch[ily] befragt einen seiner Kollegen) ... ich glaube kurz nach 15.00 Uhr, wenn ich richtig auf die Uhr gesehen habe, dann haben Sie hier um 15.45 Uhr oder so in dieser Gegend, haben Sie dann den Beschluß verkündet und ich kann mich also nur auf das Beziehen, was wir hier sonst in früheren Verhandlungstagen erlebt haben hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der hier Schriftsatze dann berücksichtigt werden. Wie gesagt Schriftsätze, die eine sachliche Grundlage haben und die nicht nur dazu dienen, hier Verfahrensbeteiligte zu diffamieren.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ja, ich möchte auch eine Erklärung abgeben und zwar nicht zu den Gründen des Beschlusses, der gerade verlesen worden ist, sondern zu der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, die wiedergegeben worden ist, im Zusammenhang mit der Begründung diesen Beschlusses.

Diese Stellungnahme der Bundesanwaltschaft[12], die klingt ja so in Teilen und zwar in sehr wesentlichen Teilen, in gezielt wesentlichen Teilen, wie eine Anklageschrift, bzw. eine Anklage gegen die von hier sogenannten Verteidiger des Vertrauens.[13] Was diese Stellungnahme in Wahrheit ist, ist eine Verteidigung. Die Verteidigung eines Richters, der, und das wissen wir spätestens seit der dienstlichen Erklärung, die ebenfalls vorgelesen wurde, lebensrettende Maßnahmen für einen Untersuchungsgefangenen bzw. deren Veranlassung, allein deshalb nicht veranlaßt hat, weil sein Vorurteil gegen einen Verteidiger, hier den Verteidiger Dr. Croissant, nicht überwinden konnte.[14] Das ist doch nichts anderes. Das ist der Sinn des Wortes Skepsis, das hier diverse Male zitiert worden ist. Diese Verteidigungsrede für einen Richter ist gespickt, sie ist ein monströses Elaborat von Lügen und Verleumdungen. Dazu könnte im Einzelnen viel gesagt werden. Ich will nur auf einen Punkt eingehen, an dem das sehr klargestellt werden [734] kann und zwar betrifft das die Strafanzeige, die ich seinerzeit erstattet habe, am 19. November 1974, für die Angehörigen und für[f] die Verteidiger.[15] Diese Strafanzeige hat ja nun, wenn man dieser Stellungnahme glauben will, einen sehr absonderliches Schicksal genommen. Da wird so getan, als ob die überhaupt nicht zur Bearbeitung angenommen worden sei, so wird das dargestellt. Tatsache ist, daß ich diese Strafanzeige seinerzeit der Staatsanwaltschaft in Trier übersandt habe, daß mir wie auch ... eine Mitteilung gemacht wurde, in der mir mitgeteilt wurde, unter welchen Aktenzeichen dieses Ermittlungsverfahren gegen Dr. Prinzing und andere, dort wurde es genannt Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, das bezog sich ja schließlich auf die Strafanzeige, die ich übersandt hatte. Ich wurde außerdem gebeten, einige Anlagen, die ich vergessen hatte, noch zu übersenden, was geschehen ist. Ich habe bis heute, ich habe bis heute von der sachbearbeitenden Staatsanwaltschaft auch nicht das Geringste darüber gehört, daß die Ermittlungen nicht aufgenommen worden seien, gegen Dr. Prinzing und andere, und ich habe auch nichts davon gehört, daß[g] diese Ermittlungen eingestellt worden seien.[16] Genau so wenig wie ich etwas davon gehört habe[h], daß gegen mich ein Ermittlungsverfahren anhängig geworden, anhängig gemacht worden sei wegen des Verdachts einer Falschanschuldigung. Das also zum Schicksal dieser Strafanzeige. Daß die hier eine derart andere Darstellung erfährt, entspricht dem übrigen Teil dessen, was wir gehört haben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann.

RA H[eldmann]:

Herr Vorsitzende, ich habe Sie erstmals in der Hauptverhandlung unterbrochen und dazu muß ich Ihr Verständnis, dafür muß ich[i] Ihr Verständnis fordern. Denn ich halte für ganz absolut unzulässig, was Sie hier getan haben, in dem Sie sich, in dem Sie die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft und eine Stellungnahme von solcher Qualität, als Vorsitzender dieses Senats hier verlesen haben.

Zwischenfrage, haben Sie jemals eine Stellungnahme der Verteidigung vom Richtertisch verlesen?

Vors.:

Darf ich Sie dazwischen aber fragen. Ich habe einen Beschluß [735] des Senats, an dem ich nicht beteiligt war, verlesen. Es steht mir nicht zu, irgendetwas aus einem Beschlusse zu unterschlagen. Ich bitte das zu berücksichtigen.

RA H[eldmann]:

Gut. Ich berücksichtige das, indem ich nunmehr das, was ich zu sagen habe, an die vier Herren des Senats richte, die diesen Beschluß gefaßt haben und es fertig gebracht haben, die Stellungnahme der Generalbundesanwaltschaft wortwörtlich aufzunehmen.

Vors.:

Es waren drei Herren. In der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung.[17]

RA H[eldmann]:

Ich nehme also einen weiteren Herrn aus.

In dieser Stellungnahme hieß es auf Seite 2 „Bandenmitglied Meins, Rädelsführer Baader“ auf Seite 2 „Erpressung der Justiz“, auf Seite 3 „Bandenangehörige“, auf Seite 4 „folgenschwersten Verbrechen der Baader-Meinhof Bande“. Folgenschwerste Verbrechen der Baader-Meinhof Bande, womit die Damen und Herren gemeint sind, die hier als Angeklagte sitzen, normalerweise. Und auf Seite 6 kommt die Unglaublichkeit, daß vom Tisch dieses Senats, vom Richtertisch hier verlesen wird „von dem Verhältnis“, so wörtlich, „der Angeklagten zu ihren Verteidigern, daß sie nur einen solchen Rechtsanwalt als Verteidiger akzeptieren, der sich mit den Angeklagten, ihren Taten identifiziere“, ferner wörtlich, „daß ein Rechtsanwalt ein Organ der Rechtspflege sich für das auf physische und psychische Vernichtung eines Richters abgestellte Programm der Angeklagten einspannen läßt und daran mitwirkt“.

Die Bundesanwaltschaft ... Ich freue mich, daß Sie wenigstens noch darüber lachen können, Herr Zeis.

Die Bundesanwaltschaft ... (Rechtsanwalt Schily ruft etwas dazwischen, man kann es aber nicht verstehen, weil das Mikrophon abgeschaltet ist)

Er kann’s wohl nicht ernst nehmen.

(Rechtsanwalt Schily fällt abermals Rechtsanwalt Heldmann ins Wort)

Vors.:

Ich bitte doch fortzufahren, Herr Rechtsanwalt Schily, Herr [736] Rechtsanwalt Heldmann hat das Wort.

RA H[eldmann]:

Die Bundesanwaltschaft demonstriert hiermit abermals, und nehmen Sie zur Kenntnis, was ich jetzt sage, daß sie auf ein rechtsstaatliches Verfahren in diesem Prozeß pfeift. Sie demonstriert abermals, daß sie die Unschuldsvermutungen in diesem Verfahren verhöhnt. Sie demonstriert abermals, daß sie das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren in diesem Prozeß ausdrücklich aberkennt, wie’s ihr Meister Buback im „Spiegel“ ja auch wörtlich zum Besten, (verbessert sich) im „stern“ auch wörtlich zum Besten gegeben hat. Daß aber das Gericht derartiges in einem Beschluß des Gerichts aufnimmt und öffentlich hier verliest, das setzt für meinen Geschmack, und ich denke, daß ich hier für meine Kollegen auf der Verteidigerbank spreche, das Gericht dem Verdacht aus, zumal die Bundesanwaltschaft, soweit ich weiß, selber des Lesens kundig ist, sich mit den Konfessionen der Bundesanwaltschaft zu der von ihr demonstrierten Rechtsfeindlichkeit zu identifizieren oder zumindest zu solidarisieren. Ich erwähne noch einmal. Bisher hat dieser Senat noch nicht ein Wort einer Stellungnahme der Verteidigung vom Richtertisch her in Beschlüsse aufgenommen, verkündet. Die Verteidigung bezieht daraus, nachdem, was wir hier heute nachmittag hier gehört haben, den dringenden Verdacht, daß in diesem Verfahren ein faires Verfahren für die Angeklagten überhaupt nicht mehr zu erwarten ist und ich frage das Gericht, bitte nehmen Sie diese Frage zumindest als eine rhetorische, ob es nicht richtiger dann wäre, öffentlich und offen auszusprechen, daß Sie vor[j] Eintritt in die Beweisaufnahme diese Angeklagten bereits verurteilt haben.

Danke.

Vors.:

Bitte die Bundesanwaltschaft, wenn Sie wünscht, Stellung zu nehmen.

BA Dr. W[under]:

Wir geben dazu keine Erklärungen ab, Herr Vorsitzender.

[737] Vors.:

Dann werden wir die Sitzung fortsetzen, am kommenden Dienstag, wie vorgesehen 9.00 Uhr, es ist der 24. Juni.

Ende des 8. Verhandlungstages um 16.38 Uhr.

Ende Band 25


[1] Aktennotiz vom 20. Juni 1975: Eingang der Stellungnahme des Rechtsanwalts Schily.

[2] Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Fristverlängerung, Akteneinsicht, Einholung weiterer dienstlicher Stellungnahmen sowie die Beiziehung weiterer Akten nebst Anhang (eidesstattliche Erklärung des Rechtsanwalts Dr. Croissant).

[3] Anlage 1 zum Protokoll vom 20. Juni 1975: Beschluss des OLG Stuttgart vom 20.6.1975 (Zurückweisung der Ablehnung des Richters Dr. Foth als unbegründet).

[4] Verfügung: Nichtgewährung einer Verlängerung der Stellungnahmefrist.

[5] Stellungnahme des Rechtsanwalts Schily zur dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters Dr. Prinzing.

[6] Entscheidungen im Strafverfahren sind den betroffenen Personen gegenüber bekanntzumachen. Das geschieht bei einer Entscheidung, die in Anwesenheit der Betroffenen ergeht, durch Verkündung (§ 35 Abs. 1 StPO), bei Entscheidungen in Abwesenheit der Betroffenen durch Zustellung (§ 35 Abs. 2 Satz 1 StPO); in Fällen, in denen durch die Bekanntmachung keine Frist in Gang gesetzt wird, genügt aber auch die formlose Mitteilung (§ 35 Abs. 2 Satz 2 StPO). Ein solcher Fall liegt auch hier vor, da der Beschluss, mit dem die Ablehnung eines erkennenden Richters/einer erkennenden Richterin als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, nicht mit der Beschwerde, sondern nur zusammen mit dem späteren Urteil angefochten werden kann (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO).

[7] Fehlblatt.

[8] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[9] Anlage 2 zum Protokoll vom 20. Juni 1975: Beschluss des OLG Stuttgart vom 20.6.1975 (Zurückweisung der Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing als unbegründet).

[10] Der Schriftsatz befindet sich auf S. 707 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (7. Verhandlungstag).

[11] Abgelehnte Richter/innen können bei der Entscheidung über die Begründetheit der sie selbst betreffenden Ablehnung nicht mitwirken (§ 27 Abs. 1 StPO).

[12] Die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft befindet sich auf S. 690 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (7. Verhandlungstag).

[13] Als „Verteidiger des Vertrauens“ wurden diejenigen Verteidiger/innen bezeichnet, welche von den Angeklagten zunächst frei gewählt waren (§§ 137, 138 StPO); einige von ihnen wurden den Angeklagten als Pflichtverteidiger/innen (§ 141 StPO) beigeordnet. Mit der Bezeichnung der Vertrauensverteidiger/innen wurden sie von denjenigen Verteidigern abgegrenzt, die den Angeklagten gegen ihren Willen durch das Gericht beigeordnet wurden.

[14] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da der Senat ab Erhebung der öffentlichen Klage für Entscheidungen über die Haftbedingungen zuständig war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten u.a. den Senat, insbesondere aber den Vorsitzenden Dr. Prinzing verantwortlich für seinen Tod (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.). Unstreitig ist, dass Rechtsanwalt Dr. Croissant den Vorsitzenden Dr. Prinzing am 9. November 1974 anrief und ihn auf den kritischen Gesundheitszustand von Holger Meins hinwies. Der genaue Inhalt des Gesprächs wird von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt. Dr. Prinzing gab an, hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes der Schilderung skeptisch gewesen zu sein. Die Hinzuziehung eines Arztes unterblieb letztlich - aus welchen Gründen ist unklar. Die Justizvollzugsanstalt in Wittlich soll Dr. Prinzing auf Nachfrage versichert haben, der Zustand von Holger Meins sei nicht so dramatisch, wie von Rechtsanwalt Dr. Croissant dargestellt. Gegen 17 Uhr am selben Tag verstarb Holger Meins (s. zu den unterschiedlichen Schilderungen der Ereignisse die hierauf gestützte Ablehnung des Vorsitzenden durch die Angeklagte Ensslin, Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, S. 620 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 7. Verhandlungstag, sowie die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing, S. 677 ff., ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[15] Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, findet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 644 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[16] Stellt die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen fehlenden Tatverdachts ein (§ 170 Abs. 2 Satz 1 StPO), so hat sie den/die Antragsteller/in hiervon zu unterrichten (§ 171 StPO).

[17] Außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden die Senate der Oberlandesgerichte in der Besetzung von drei Mitgliedern (§ 122 Abs. 1 GVG).


[a] Handschriftlich ersetzt: weiter durch bis zum Ende

[b] Handschriftlich ersetzt: macht durch mag

[c] Handschriftlich ergänzt: einen

[d] Maschinell eingefügt: ebenfalls

[e] Maschinell eingefügt: ist

[f] Maschinell eingefügt: für

[g] Handschriftlich eingefügt: daß

[h] Maschinell eingefügt: habe

[i] Maschinell eingefügt: ich

[j] Handschriftlich ersetzt: sich von durch sie vor