86. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 10. März 1976 um 9.03 Uhr



[7705] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 10. März 1976 um 9.03 Uhr

86. Verhandlungstag

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko
Just. Ass. Clemens

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend:
Rechtsanwälte Eggler, Schnabel, Schwarz, Rechtsanwalt Herzberg, (als ministeriell bestallter Vertreter von Rechtsanwalt Schlaegel) Rechtsanwältin Zuber (als Vertreterin von Rechtsanwalt König) Linke und Grigat.

Als Zeugen sind erschienen:
Erna Hofberger
Margarete Müller
Pol.be. i. R. Johann Bauer
KHM i. R. Anton Eck

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen. Die Verteidigung ist gewährleistet. Zunächst wieder einige Hinweise auf Änderungen in der Zeugenliste, die sich eben durch Krankheiten und Abmeldungen ergeben. Die Zeugin Engel-Niederhammer ist am Dienstag, 16.3, - zu diesem Zeitpunkt war sie vorgeladen, - nicht in der Bundesrepublik. Sie ist für diesen Zeitpunkt entschuldigt. Der Zeuge Pschorn, der geladen war auf den 24.5.76, befindet sich im Ausland zu diesem Zeitpunkt. Er ist umgeladen auf Mittwoch, 7.4., 9.00 Uhr. Das gleich gilt für den Zeugen Mondry, der auf den 30.3. geladen war, auch zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend ist in der Bundesrepublik, deswegen geladen auf den 7.4., ebenfalls 9.00 Uhr. Auf den 7.4. ist auch - nun fest[a] verfügt - der Zeuge Hoff geladen, [7706] mit evtl. Fortsetzung am 8.4. Wir haben dann außerdem noch auf Dienstag, 6.4.76, 14.00 Uhr den Zeugen Rainer Schlegelmilch in die Zeugenliste mithineingenommen. Herr Schlegelmilch ist Geschädigter eines PKW-Diebstahls - Fundstelle Ord. 93, Bl. 57 - Heute früh haben wir die Zeugin Hofberger und Frau Müller, dann Herrn Bauer und Herrn Eck.

Die Zeugen Hofberger, Müller, Bauer und Eck werden gem. § 57 StPO[2] belehrt.

Während der Belehrung der Zeugen erscheint Rechtsanwalt Schily um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeugen Hofberger, Müller, Bauer und Eck erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

Die Zeugen Müller, Bauer und Eck werden um 9.07 Uhr in Abstand verwiesen.

Die Zeugin Hofberger macht folgende Angaben zur Person:

Erna Hofberger, 24 Jahre, Telefonistin, Aindling,
Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Sind Sie auch schon im Jahre 1972 Telefonistin gewesen?

Zeugin Hof[berger][b]:

Ja.

Vors.:

Wo haben Sie Ihren Dienst versehen?

Zeugin Hof[berger][c]:

Bei der Stadtverwaltung Augsburg.

Vors.:

Haben Sie noch im Gedächtnis, daß es 1972 im Mai zu einem Sprengstoffanschlag auf die Polizeidirektion in Augsburg gekommen ist?

Zeugin Hof[berger][d]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie im Zusammenhang mit Ihrem Dienst einen Anruf bekommen, der in Verbindung zu dieser Sache hätte gebracht werden können?

Zeugin Hof[berger]:

Ja.

Vors.:

Bitte, wenn Sie uns das schildern wollen.

Zeugin Hof[berger]:

Zwischen 12.45 Uhr 13.00 Uhr bekam ich auf der Polizeileitung einen Anruf und der lautete: „Es wird noch eine Bombe losgehen.“ [7707] Und daraufhin habe ich das Vorzimmer des damaligen Polizeidirektors Schepp angerufen und berichtet, daß eben ein Anruf ankam: „Es wird noch eine Bombe losgehen.“ Und unmittelbar danach bekam meine Kollegin auf der Stadtleitung nochmals einen Anruf, der dasselbe wiederholte. Worauf sie die Hauptwache verständigte.

Vors.:

Zunächst zum Text des Anrufes. Nach vier Jahren ziemlich klar, daß Sie das nicht mehr im[e] einzelnen im Gedächtnis haben. Ist diese Formulierung „Es wird noch eine Bombe hochgehen“ verbindlich, sind Sie sich dessen sicher oder hätte es auch anders lauten können?

Zeugin Hof[berger]:

Ich kann ..., Ich weiß nicht mehr genau, ob er sagte, es wird noch eine Bombe hochgehen oder losgehen, also das kann ich nicht mehr genau sagen.

Vors.:

Es geht jetzt mehr um die Formulierung „noch eine“. Hätte dafür irgendetwas anderes[f] gestanden haben können oder gesagt worden sein können?

Zeugin Hof[berger]:

Soweit ich mich erinnern kann, nicht.

Die Angeklagten Raspe und Meinhof erscheinen um 9.09 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Sie haben, das halte ich Ihnen aus Ord. 101, Bl. 296 vor, bei Ihren früheren Angaben davon gesprochen, daß noch eine dritte Bombe losgehen würde.

Zeugin Hof[berger]:

Das ist möglich, also an das kann ich mich nicht mehr genau erinnern.

Vors.:

Wenn Sie damals einen Text angegeben haben, das war also am 16. Mai 1972, ziemlich unmittelbar nach dem Geschehen, nur wenige Tage später, glauben Sie, daß Sie damals den Text noch[g] richtig angeben konnten?

Zeugin Hof[berger]:

Ja, ja.

Vors.:

Ich will Ihnen vorhalten, wie Sie damals gesagt haben sollen, ob Sie sich dann daran erinnern können. Es sei folgender Anruf eingegangen: „Es wird in der Polizeidirektion und Umgebung noch eine dritte Bombe losgehen“. Das ist in Anführungszeichen gesetzt, so daß man das Gefühl hat, daß das eigentlich ein ziemlich genaue Textangabe[h] sein sollte, wie Sie es damals angaben.

Zeugin Hof[berger]:

Ja.

Vors.:

Erinnern Sie sich jetzt, wem ich Ihnen das nochmals in Erinnerung gerufen habe daran, daß es so gewesen ist?

Zeugin Hof[berger]:

Also, daß eine dritte Bombe losgehen wird, an das kann [7708] ich mich jetzt erinnern, aber ... in der Polizeidirektion, das weiß ich nicht mehr.

Vors.:

Das wissen Sie nicht mehr genau.

Zeugin Hof[berger]:

Nein, das kann ich nicht mehr sagen.

Vors.:

Und noch die Frage, wer war der Anrufer? Mann oder Frau?

Zeugin Hof[berger]:

Es war ein Mann.

Vors.:

Haben Sie in der Richtung irgendetwas erkennen können, nach der Sprache oder sonst etwas?

Zeugin Hof[berger]:

Er sprach schriftdeutsch mit leichtem süddeutschen Akzent.

Vors.:

Ja, die Uhrzeit, wie hatten Sie die heute beziffert, wann soll es gewesen sein?

Die Angeklagten Raspe und Meinhof verlassen um 9.10 Uhr den Sitzungssaal.

Zeugin Hof[berger]:

Ich glaube, es war zwischen 12.45 Uhr und 13.00 Uhr.

Vors.:

In der Richtung hatten Sie früher auch eine andere Angabe gemacht. Sie sprachen von „gegen 13.30 Uhr“, also eine halbe Stunde später, halbe bis ¾ Stunde später wäre das. Frage wird zunächst sein, wenn ich Ihnen das so vorhalte, fällt es Ihnen wieder ein, daß es tatsächlich erst gegen 13.30 Uhr gewesen sein könnte?

Zeugin Hof[berger]:

Ja, das kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Ich war zwar der Meinung, es war 13.00 Uhr. Aber es ist ohne weiteres möglich, daß es etwas später war.

Vors.:

So daß, wenn Sie früher 13.30 Uhr angegeben haben, daß das auch dann 13.30 Uhr gewesen ist?

Zeugin Hof[berger]:

Ja, das war dann auf jeden Fall richtig.

Vors.:

Sonstige Fragen an die Frau Zeugin? Herr Bundesanwalt Holland. Beim Gericht nicht, wie ich sehe.

OStA Hol[land]:

Frau Zeugin, eine Frage noch. Sie haben eben ausgeführt, der unbekannte Anrufer hätte im süddeutschen Akzent gesprochen. Können Sie diese Sprachfärbung noch etwas mehr eingrenzen? War es ein bayrischer Akzent oder war es vielleicht mehr eine schwäbische Sprachfärbung oder Franke, Oberbayer?

Zeugin Hof[berger]:

Nein, also einen schwäbischen Akzent.

OStA Hol[land]:

Mehr einen schwäbischen Akzent?

Zeugin Hof[berger]:

Mehr einen schwäbisch-bayrischen, ja; also wie in Augsburg.

[7709] OStA Hol[land]:

Könnten Sie sagen, daß es unter Umständen sogar nach ..., na, sagen wir mal, eine Augsburger Klangfärbung war?

Zeugin Hof[berger]:

Ja.

OStA Hol[land]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen an die Frau Zeugin? Ich sehe nicht.

Die Zeugin Hofberger bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Vors.:

Dann bitte ich Frau Müller.

Die Zeugin Müller erscheint um 9.12 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeugin Müller macht folgende Angaben zur Person:

Margarete Müller, geb. am [Tag].[Monat].1925,
Angestellte, Augsburg, [Anschrift].
Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Wo haben Sie im Mai 1972 gearbeitet?

Zeugin Mü[ller]:

Bei der Polizeidirektion Augsburg.

Vors.:

Wissen Sie, daß damals in der Polizeidirektion ein Sprengstoffanschlag verübt worden ist?

Zeugin Mül[ler]:

Ja.

Vors.:

Sind Sie Zeuge dieses Anschlags geworden?

Zeugin Mü[ller]:

Ich war in meinem Zimmer, wie die Explosion war.

Vors.:

Bitte, schildern Sie, was Sie dann alles beobachtet haben.

Zeugin Mü[ller]:

Ich befand mich in meinem Zimmer und dann war die Detonation. Ich bin dann ...

Vors.:

Können wir die Zimmernummer schnell erfahren?

Zeugin Mü[ller]:

335.

Vors.:

335, danke.

Zeugin Mü[ller]:

Im 3. Stock.

Vors.:

Das ist also dann in der Holbeinstraße?

Zeugin Mü[ller]:

Ja. Und da waren noch vier unserer Herren anwesend. Und nach dieser Detonation sind die Herren raus aus dem Zimmer. Ich bin [7710] dann auch hinterher, habe die Staubentwicklung gesehen ...

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 9.15 Uhr im Sitzungssaal.

... ging dann wieder zum Zimmer zurück. Und dann kam mein Kollege zurück und sagte, ich soll die Tür aufsperren, den Notausgang in der Holbeinstraße. Die Schlüssel befanden sich in diesem Zimmer, ich habe aufgesperrt. Und wie ich wieder an der Tür war, kam die zweite Explosion. Und dann habe ich meinen Mantel genommen und bin gegangen.

Vors.:

Wo standen Sie im Augenblick dieser zweiten Explosion, weil Sie sagten ...?

Zeugin Mü[ller]:

Unter der Türe.

Vors.:

Unter der Türe.

Zeugin Mü[ller]:

Ja, zu meinem Zimmer.

Vors.:

So daß der Türrahmen möglicherweise schon einen gewissen Schutz für Sie gebildet hat?

Zeugin Mü[ller]:

Der Türrahmen ist so breit etwa und hat Schutz geboten.

Vors.:

Der Notausgang ... Ist es richtig, wenn wir davon ausgehen, daß das diese Treppe ist, die links von diesem früher vorhandenen Schrank runterführt?

Zeugin Mü[ller]:

Ja.

Vors.:

Jetzt sind Sie also im Zimmer gewesen, es kommt zu der zweiten Detonation. Haben Sie da irgendetwas Spezielles beobachtet, wo diese Detonation stattfand?

Zeugin Mü[ller]:

Nein.

Vors.:

Haben Sie irgendwelche Einschläge von Splittern oder Trümmerstücken beobachtet?

Zeugin Mü[ller]:

Nein, das habe ich nicht gesehen.

Vors.:

Und haben Sie sich nachher an der Stelle, wo Sie möglicherweise diese Detonation vermutet haben, sich umgesehen oder sind Sie gleich weggerannt?

Zeugin Mü[ller]:

Ich bin gleich weggegangen.

Vors.:

Sind Sie später nochmals an die Stelle zurückgekommen?

Zeugin Mü[ller]:

Nein, erst am Montag.

Vors.:

Erst am Montag darauf. Haben Sie irgendwelche Schäden davongetragen?

[7711] Zeugin Mü[ller]:

Momentan habe ich sehr schlecht gehört. Es war wahrscheinlich durch den Knall. Spätere Schäden sind nicht entstanden.

Vors.:

Haben Sie, als Sie an dem Montag zurückkamen, sich nochmals vergewissert, ob nun an der Stelle, an der Sie gestanden haben, noch irgendwelche Einschläge zu sehen war, Trümmerstücke usw.?

Zeugin Mü[ller]:

Daran kann ich mich nicht entsinnen. Ich glaube aber nicht, daß etwas war.

Vors.:

Weitere Fragen an die Frau Zeugin? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Fragen nicht mehr an die Frau Zeugin. Die Herren Verteidiger? Auch nicht.

Die Zeugin Müller bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Vors.:

Herrn Bauer, bitte.

Der Zeuge Bauer erscheint um 9.17 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Bauer macht folgende Angaben zur Person:

Johann Bauer, 61 Jahre,
pensionierter Polizeibeamter, Augsburg, [Anschrift].
Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Wo waren Sie beschäftigt im Mai 1972?

Zeuge Bau[er]:

Im Mai 1972 war ich bei der Polizeidirektion Augsburg, bei der Abteilung S 3 A, das ist die Verkehrsabteilung.

Rechtsanwalt Künzel erscheint um 9.18 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Erinnern Sie sich, daß es Monat Mai 72 mal zu einem Sprengstoffanschlag in der Polizeidirektion gekommen ist?

Zeuge Bau[er]:

Jawohl, daran erinnere ich mich sehr gut.

Vors.:

Wenn Sie uns schildern wollen, was Sie damals beobachtet haben, insbesondere aber zunächstmal beginnend damit, wo Sie sich aufgehalten haben.

[7712] Zeuge Bau[er]:

Durch meine Aufgabe, die ich damals hatte, habe ich sehr viel mit dem Amt für öffentlich Ordnung, mit der[i] Straßen- und Verkehrsabteilung zusammengearbeitet, und da[j] war ich[k] an diesem bestimmten Tag gegen 12.10 - 12.15 Uhr im 2. Stock beim Herrn Schweiger, mit dem ich zusammengearbeitet hab’, um eine Baustellensache durchzusprechen. Es dürfte so ...

Vors.:

Welcher Gebäudeteil, Prinzregenten-Platz, Holbeinstraße?

Zeuge Bau[er]:

Das ist Prinzregenten-Platz.

Vors.:

Prinzregenten-Platz, danke.

Zeuge Bau[er]:

Mein Dienstzimmer befand sich in der Holbeinstraße. Und wie wir da gesprochen haben, es war ungefähr so gegen 12.10 Uhr, 12.15 Uhr, da tat es plötzlich einen sehr starken Knall, und gleichzeitig prasselte irgendetwas auf das vor dem Fenster befindliche Dach. Ich habe aufgrund dessen gleich das Zimmer unten verlassen beim Amt für öffentliche Ordnung, ging hinaus aufs Treppenhaus. Und da waren nun schon Staubwolken, die von oben runterkamen. Und ich ging dann rauf in den dritten Stock, hinten zu meiner Dienststelle. Und kurz vor meinem Dienstzimmer begegnete mir der damalige Chef der Schutzpolizei, damals noch Polizeirat Bläsing. Ich sagte zu ihm, da muß irgendwo eine Bombe losgegangen sein, denn von oben runter kommt sehr viel Staub und auch Steinbrocken, Mörtelbrocken usw. In der Zwischenzeit hatten[l] sich dann noch verschiedene Kollegen zu uns begeben, die im Gang auch rumgestanden sind. Und wie wir so diskutiert haben über die Sache, ging plötzlich nochmals eine Bombe los. Und, mehr kann[m] ich eigentlich zu der Sache gar nicht mehr sagen, es war eine Riesenstaubwolke, momentan habe ich nichts verspürt. Nach einigen Minuten ..., - wir verließen dann fluchtartig den Platz, gingen ins Zimmer rein - und nach einigen Minuten habe ich an meinem linken Fuß unten einen kleinen Schmerz verspürt, und habe nachgesehen, und habe dann ungefähr, so in der Größe, so eine Wunde am Unterschenkel. Das wäre an und für sich alles.

Vors.:

Wir wollen jetzt vor allen Dingen mal feststellen, wo Sie genau gestanden haben, als die zweite Explosion passierte. Zunächst aber die Frage, haben Sie. selbst wahrgenommen, wo diese Explosion stattfand?

Zeuge Bau[er]:

Nein, das weiß ich, das habe ich nicht[n] wahrgenommen. Das habe ich aber nachträglich erfahren oder angenommen, aber wo es ..., also wahrgenommen habe ich es nicht.

[7713] Vors.:

Was stellen Sie sich heute als den möglichen Explosionsort vor, wo ist es gewesen?

Zeuge Bau[er]:

Ja, im Gang ist ein Schrank gestanden. Und da war angeblich ein Karton drauf. Und das soll’s[o] gewesen sein.

Vors.:

Also den Schrank wollen wir mal als Ausgangspunkt nehmen. Wieweit glauben Sie, daß Sie von dem Schrank entfernt gewesen sind?

Zeuge Bau[er]:

Ja, so 5 - 6 m.

Vors.:

5 - 6 Meter, das wäre dann vor welchem Zimmer gewesen, Nummer?

Zeuge Bau[er]:

Die Zimmernummer kann ich nicht mehr sagen, Herr Vorsitzender, das weiß ich nicht mehr.

Vors.:

Und wenn Sie sich daran orientieren, daß der Gang, den Sie offenbar benützt haben, linksseitig abgegrenzt wird durch eine Mauer, hinter der sich dann die Toiletten befinden, waren Sie schon an der Mauer, hinter der die Toiletten eingebaut waren?

Zeuge Bau[er]:

Nein.

Vors.:

Näher beim Schrank?

Zeuge Bau[er]:

Näher beim Schrank, ja.

Vors.:

Jetzt, wenn Sie sich überlegen, der Schrank stand hier. Ist es richtig, daß neben dem Schrank, wenn man auf den Schrank zugeschaut hat, zur Rechten ein Fenster gewesen ist?

Zeuge Bau[er]:

Richtig, jawohl.

Vors.:

Und unter diesem Fenster muß eine Bank gestanden haben?

Zeuge Bau[er]:

Das habe ich nicht mehr[p] in Erinnerung.

Vors.:

Das wissen Sie nicht.

Zeuge Bau[er]:

Nein, das habe ich nicht mehr in Erinnerung.

Vors.:

Sind Sie noch im Bereich dieses Fensters gewesen oder weiter hinten?

Zeuge Bau[er]:

Nein, ich war weiter rechts. Wenn hier der Schrank gestanden hat, dann war das hier das Fenster, und dann hier, in dieser Richtung, bin ungefähr ich gestanden.

Vors.:

War vor Ihnen eine Mauer, kein Fenster?

Zeuge Bau[er]:

Ich bin auf der Türseite gestanden, also auf der Zimmerseite gestanden, nicht auf der Fensterseite, [q] auf der Zimmerseite gestanden.

Vors.:

Und war dort eine Türe, wo Sie gestanden haben?

Zeuge Bau[er]:

Ja, Eingangstüre zur Geschäftsstelle, die Zimmertür zur Geschäftsstelle.

Vors.:

Wenn ich Ihnen eine Zimmernummer nennen würde, würde Ihnen das auch nichts besagen wahrscheinlich?

Zeuge Bau[er]:

Nein, im Moment nicht mehr.

Vors.:

Wir wollen das anhand einer Skizze dann nachher überprüfen, wenn [7714] nicht vorher weitere Fragen sind. Herr Berichterstatter, bitte.

Richter Mai[er]:

Herr Bauer, können Sie sich noch entsinnen, welche Kollegen bei Ihnen standen?

Zeuge Bau[er]:

Der Herr Vogler und der Herr Kreisel.

Richter Mai[er]:

Wenn ich Ihnen sage, daß der Herr Kreisel gestern hier gesagt hat, er sei vor der Zimmertüre 338 gestanden, kann es dann diese Zimmertür gewesen sein?

Zeuge Bau[er]:

Das ist durchaus möglich, ja.

Richter Mai[er]:

Danke.

Vors.:

Weitere Fragen? Sehe ich nicht. Dann wollen wir Ihnen nur hier diese Skizze übergeben - Ord. 99, Bl. 125 - mit der Bitte, daß Sie sich die rechte Seite dieses Planes ansehen. Dort werden Sie feststellen, daß eine rote Bezeichnung für den Schrank vorhanden ist und Ihr Name sich in einem bestimmten Abstand davon befindet. Und Sie sollen uns erklären, ob nach Ihrer Rückerinnerung diese Einzeichnung stimmen kann.

Dem Zeugen wird die Skizze aus Ord. 99, Bl. 125 vorgelegt.

Die rote Markierung bezeichnet den Schrank. Und eine der Linien führt aufwärts zu Ihnen, da steht Ihr Name.

Zeuge Bau[er]:

Jawohl.

Vors.:

Würden Sie diese Einzeichnung bestätigen?

Zeuge Bau[er]:

Ja, das müßte richtig sein, jawohl.

Vors.:

Danke.

Der Zeuge Bauer bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Der Zeuge Eck erscheint um 9.25 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Ecke macht folgende Angaben zur Person:

Anton Eck, 58 Jahre, verheiratet[r]
Kriminalhauptmeister i. R.
Augsburg, [Anschrift].
Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

[7715] Vors.:

Wo waren Sie im Mai 1972 beschäftigt?

Zeuge Eck:

Bei dem I. Kommissariat, bei der Kriminalpolizei in Augsburg.

Vors.:

Ist das die Polizeidirektion gewesen?

Zeuge Eck:

Polizeidirektion, ja.

Vors.:

Wissen Sie noch, daß damals ein Sprengstoffanschlag auf dieses Gebäude verübt wurde?

Zeuge Eck:

Jawohl.

Vors.:

Sind Sie selbst im Stande gewesen damals Beobachtungen zu machen?

Zeuge Eck:

Ja.

Vors.:

Wenn Sie uns die im Zusammenhang schildern würden.

Zeuge Eck:

Es war 12.15 Uhr. Ich habe gerade eine Aktentasche zusammengerichtet, weil ich um 12.30 Uhr die Wochenbereitschaft, die man nehmen sollte, Freitag, Samstag, Sonntag; stehe am Schreibtisch auf einmal knallt es, das ganze Gebäude hat gewackelt. Erst haben wir gedacht, es ist schon wieder ein Düsenjäger, aber dann haben die Türen geschlottert, die Fenster und dann habe ich im Gang draußen gehört - hoppla, da ist was los - bin raus, ums Eck rum, und hab dann vorne im großen Gang gesehen, eine riesen Staubwolke. Und da ist Kommissariatsleiter gekommen - da raus - und hat gesagt, Toni, los jetzt gibt es Arbeit, schau daß Du wegkommst. Ich gehe bei ihm ins Zimmer rein, gehe durch und stehe vor meinem Aktenschrank, und will mir da was rausholen; plötzlich wieder eine Mordsexplosion. Die Tür fliegt raus, mit samt der Füllung, fliegt durch das Zimmer, vor zum Fenster, eine Schreibmaschine ist runtergefallen, Fetzen geflogen, Rauch und Dreck. Bin ich wieder rüber ins andere Zimmer und habe ... unser Mädchen ist am Boden gelegen, das Fräulein Enzenzimmer, ich sag, Enzi, los raus. Inzwischen hat nämlich Fräulein Müller, vom[s] Zimmer nebenan, den hinteren Ausgang aufgemacht; und das Mädchen raus, und dann sind wir raus. Und da haben wir einen alten Aktenschrank stehen gehabt, vor der Tür, also gegenüber von der Tür im Gang, alte Akten und so altes Zeug halt. Der ist in tausend Fetzen dagelegen, ein Loch in der Wand, und in der Decke, ein Haufen Dreck. Dann sind wir wieder ins Zimmer rein, ja, was machen wir jetzt. Und dann hat man sich zusammengesetzt und hat gesagt, so und so. Ich war dann noch ½ Stunde im Dienst, dann hat der Chef gesagt, Du gehst jetzt heim und übernimmst Deine Bereitschaft.

Vors.:

Zunächst, in welchem Zimmer sind Sie gewesen, Nummer nach, wissen Sie das heute noch?

Zeuge Eck:

Ich bin reingegangen, bei 336, und bin durch in mein Zimmer auf 337.

[7716] Vors.:

Ja, da ist offenbar eine Verbindungstüre.

Zeuge Eck:

Verbindungstüre, ja. Im Vorzimmer 337 ist der Schrank gegenübergestanden.

Vors.:

Waren Sie in dem Zimmer 337 schon wieder gewesen, bevor dieser zweite Knall erfolgte?

Zeuge Eck:

Ja, ich bin hinter der Tür am Schrank gestanden, wollte was rausholen, Schreibmaterial, und dann ist die Tür geflogen.

Vors.:

Können Sie uns etwa angeben, wielange Zeit nach dem ersten Knall, der zweite erfolgte?

Zeuge Eck:

5 - 6 Minuten, 5 - 6 Minuten dürften es gewesen sein.

Vors.:

Und wer war noch mit Ihnen im Zimmer 337?

Zeuge Eck:

War ich allein.

Vors.:

Sie waren allein.

Zeuge Eck:

Im Zimmer 336 war der Herr Adam und das Fräulich Enzenzimmer.

Vors.:

Und Sie waren also schon wieder im Zeitpunkt des Knalls in Ihrem Zimmer?

Zeuge Eck:

Ich war im Zimmer.

Vors.:

Und haben Sie nun[t], als es geknallt hat, irgendetwas bemerkt in dem Zimmer, in dem Sie standen, von Einschlägen, daß etwa Splitter durchflogen?

Zeuge Eck:

Ja, die Türe ist reingeflogen, mit samt dem Türrahmen rausgerissen, ist vorgeflogen zu den Schreibtischen und Fetzen, Rauch und Staub reingekommen.

Vors.:

Dem Schreibtisch, an dem normalerweise Sie selbst sitzen würden?

Zeuge Eck:

Nein, gegenüber, da war ja mein Kollege gewesen, der hat an dem Tag frei gehabt.

Vors.:

Sonst noch irgendwas, was Sie hereinfliegen sahen oder später feststellten, was reingeflogen ist?

Zeuge Eck:

Ja, Papierfetzen und ..., all das, was halt so im Schrank drin war; alte Akten.

Vors.:

Also vom Luftdruck. Aber Splitter oder Trümmerstücke haben Sie nicht speziell mehr feststellen können im Zimmer?

Zeuge Eck:

Ja, so Holzfetzen, Papierfetzen und so Zeug.

Vors.:

Sind Sie selbst verletzt worden dabei?

Zeuge Eck:

Verletzt nicht. Aber ich hab, man kann sagen, den ganzen Tag so ein taubes Gefühl in den Ohren gehabt. Ich bin dann heimgegangen, habe mich hingelegt, und bis abend war es wieder vorbei.

Vors.:

So daß Sie selbst keine Folgen nachträglich hatten und nicht dienstunfähig gewesen sind?

Zeuge Eck:

Nein, ich habe die Wochenendbereitschaft durchgemacht.

[7717] Vors.:

Sie sind vorher bei dem ..., vom Zimmer 336 ... Sie sind vorher auf dem Gang gewesen, bevor Sie wieder zurückkamen, nicht?

Zeuge Eck:

Auf dem Gang, ja.

Vors.:

Und auf ... Ja, von 337 sind Sie rausgegangen im Augenblick der 1. Detonation?

Zeuge Eck:

Ja.

Vors.:

Da waren Sie in unmittelbaren Bereich dieses Schrankes?

Zeuge Eck:

Des Schrankes, ja. Also, wenn ich beim Rückgehen vielleicht nicht 36 ..., sondern 37 - in mein Zimmer - hätte ich unter Umständen die ganze Ladung ins Genick reingekriegt. Aber ich bin vorher rein, und war dann praktisch im toten Winkel.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht. Bitte, Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Hol[land]:

Herr Zeuge, Sie haben vorhin Ihren Kommissariatsleiter erwähnt, und dann haben Sie in anderem Zusammenhang von einem Herrn Adam gesprochen. Darf ich davon ausgehen, daß diese beide Personen identisch sind?

Zeuge Eck:

Ja.

OStA Hol[land]:

Dankeschön, Herr Zeuge.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht. Dann bitte ich sämtliche Zeugen nach vorne zu kommen, wir wollen sie zusammen vereidigen.

Die Zeugen Hofberger, Müller, Bauer und Eck werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.31 Uhr entlassen.

Vors.:

Wir sind gleichzeitig heute überraschend schnell am Ende des Vormittagsprogrammes. Heute Mittag ...

RA Schi[ly]:

... Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ich habe hier vor mir die Stuttgarter Zeitung vom 9. März. Es befindet sich auf Seite 2 eine Meldung „Hoff wird höchstwahrscheinlich in Stuttgart erneut vernommen“ und zwar ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ...

RA Schi[ly]:

Nein, nein.

Vors.:

... darf ich folgendes sagen.

RA Schi[ly]:

Ja.

Vors.:

Ich habe dazu gerade vorhin Ausführungen gemacht, daß Herr Hoff jetzt wieder geladen ist auf den 7.4. Für weitere Auskünfte im [7718] Zusammenhang mit diesen Zeitungsartikeln stehe ich Ihnen jetzt sofort zur Verfügung ...

RA Schi[ly]:

Aber ich bitte Sie, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Das ist kein Gegenstand der Hauptverhandlung.[4]

RA Schi[ly]:

Doch, das ist Gegenstand der Hauptverhandlung. Denn wie kommt ein Sprecher des OLG dazu, hier außerhalb der Hauptverhandlung irgendwelche Mitteilungen über Zeugenladungen und ähnliches zu machen?

Vors.:

Das kann ich Ihnen ...

RA Schi[ly]:

Ist da ein Sprecher des OLG ..., ist das ein Sprecher dieses Senats oder wie hängt das zusammen?

Vors.:

Es ist der Pressereferent des Oberlandesgerichts. Ich stehe Ihnen zur Auskunft zur Verfügung in meinem Dienstzimmer ... Fortsetzung 14.00 Uhr.

RA Schi[ly]:

Nein, Herr Vorsitzender, das glaube ich ..., wenn öffentlich solche Meldungen verbreitet werden. Gut, dann machen wir es in der[u] Nachmittagssitzung. Wie Sie wollen.

Vors.:

Sie werden sich darüber irren. Über diesen Punkt spreche ich nicht in der Hauptverhandlung. Ich stehe Ihnen jetzt zur Verfügung.

RA Schi[ly]:

Ich spreche darüber in der Hauptverhandlung, wenn solche Meldungen verbreitet werden, darauf können Sie sich verlassen, Herr Vorsitzender.

Pause von 9.32 Uhr bis 14.03 Uhr

Ende Band 426

[7719] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr

Rechtsanwalt König ist nunmehr auch anwesend[v].

Rechtsanwältin Zuber und Rechtsanwälte Herzberg, Eggler und Dr. Heldmann sind nicht mehr anwesend[w].

Als Zeugen sind erschienen:
1. PHK Martin Rosskopf
Maria Hansmann
Charlotte Eirenschmalz

Vors.:

Wir können die Sitzung - wie ich sehe - fortsetzen.

Herr Rechtsanwalt Schily, das gibt auf die heute früh angeschnittene Frage eine Antwort.

Ich darf zunächst noch einen Hinweis geben: Erstmals, Herr Rechtsanwalt Eggler ist für heute Nachmittag verhindert und entschuldigt.

Der auf 30.3.1976 vorgesehene Zeuge Müller, den man damals noch nicht näher bezeichnen konnte, weil der Name nicht ganz selten ist, hat sich inzwischen herausgestellt als der Kriminalhauptmeister Hans-Joachim Müller, bei der Kriminalabteilung KK V 2 in Frankfurt. Das zur Vollständigkeit. Wir haben jetzt ...

RA Schi[ly]:

Ich möchte doch nochmal um’s Wort bitten.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich möchte jetzt zuerst die Zeugen belehren und auch vernehmen. Dann wollen wir sehen, ob noch irgend ...

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint wieder[x] um 14.04 Uhr im Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Es wird nicht lange Zeit in Anspruch nehmen. Aber ich bin gehalten, das doch mal zu klären in der Hauptverhandlung.

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt, ich möchte, wenn es also um den Punkt, den wir heute früh angeschnitten haben, geht ...

RA Schi[ly]:

Ja, genau, um den geht es.

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt, ich habe mich, obwohl Sie nicht gekommen sind, trotz meines Angebots, jetzt bemüht, Ihnen das in einer schriftlichen Aufzeichnung darzulegen.

[7720] RA Schily:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Ich möchte nicht weiter jetzt debattieren. Ich bitte Sie, daß jetzt zunächst die Zeugenvernehmung durchgeführt werden kann. Das hat ... Vorrang.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich muß darauf bestehen, daß das zur Sprache gebracht wird, denn ich bin nicht der Meinung, daß der Vorsitzende diese Dinge, also Frage der Ladung eines Zeugen und Auskünfte, die die Presse vorweg darüber gibt, daß er das in die Diskussion außerhalb der Hauptverhandlung verbannen darf.

Vors.:

Sie haben jetzt inzwischen festgestellt, Herr Rechtsanwalt, daß das ...

RA Schi[ly]:

Ich habe gar nichts festgestellt. Ich habe hier etwas auf den Tisch bekommen. Aber ich möchte Ihnen bekanntgeben - ich weiß nicht, ob Sie Leser der Stuttgarter Zeitung sind - ...

Vors.:

Ich bin Leser der Stuttgarter Zeitung. Ich habe Ihnen aus Prinzip gesagt, jetzt sind zuerst die Zeugenvernehmungen daran, und ich bitte Sie ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, nur ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich erteilte Ihnen dazu jetzt nicht das Wort.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich möchte ...

Vors.:

Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen, ...

RA Schi[ly]:

Nein, das nehme ich nicht zur Kenntnis, Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... daß ich Ihnen dazu das Wort nicht erteile.

Herr Rechtsanwalt, wenn Sie es nicht zur Kenntnis nehmen, ...

RA Schi[ly]:

Die Verteidigung hat ...

Vors.:

... dann mach ich eine Pause, damit Sie sich das überlegen können.

RA Schi[ly]:

Nein ...

Vors.:

Sie erhalten jetzt das Wort nicht.

RA Schi[ly]:

Sie brauchen jetzt keine Pause zu machen. Das dauert nämlich gar nicht lange, weil ich ...

Vors.:

Ob das dauert oder nicht. Ich habe Ihnen gesagt, es ist eine Frage des Prinzips ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, Sie können mir doch keine Vorschriften darüber machen, was ich für notwendig halte ...

Vors.:

Sie können mir keine Vorschriften machen. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein.

RA Schi[ly]:

... Sie sollen sich doch mal darüber im Klaren sein, ...

[7721] Vors.:

Ich nehme jetzt Ihre Meldung nicht entgegen.

RA Schi[ly]:

... die Verteidigung ...

Vors.:

Und Sie sind jetzt still, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Nein, ich bin jetzt nicht still, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich belehre jetzt die Zeugen über ihre Pflichten.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich bitte Sie.

Vors.:

Der Herr Rechtsanwalt hat nicht das Wort. Ich bitte Sie, wenn der Herr Rechtsanwalt Sie durch seine Zwischenreden stört, mir das bekanntzugeben.

RA Schi[ly]:

Nein, Herr Vorsitzender, dann stelle ich den Antrag

mir das Wort zu erteilen.

Vors.:

Ich darf aufrufen, die Zeugen

Herr Rosskopf,
Frau Hansmann ...

... Ich hab’s schon abgelehnt.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich darf Sie bitten, einen Antrag von mir entgegenzunehmen.

Vors.:

Was wollen Sie für einen Antrag stellen?

RA Schi[ly]:

Ich stell den Antrag

mir das Wort zu erteilen zu einer Anfrage an den Herrn Vorsitzenden.

Vors.:

Ich hab Ihnen das Wort nicht erteilen. Auch ...

RA Schi[ly]:

Ja, das haben Sie nicht. Aber ich möchte jetzt den Antrag stellen.

Vors.:

Ja dabei bleibe ich. Sie erhalten jetzt das Wort nicht.

RA Schi[ly]:

Nein, aber dann werde ich den Antrag stellen

- und ich beanstande erstmal Ihre Maßnahme[5] -

und werde die Beanstandung begründen.

Und zwar zur Begründung trage ich vor, daß in der Stuttgarter Zeitung - Ausgabe vom 9. März 1976 - ...

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt, dazu erhalten ... das ist ein Mißbrauch dessen, was Sie vorhaben wollen.

Ich werde jetzt den Senat befragen, ob die Nichtworterteilung bestätigt wird.

RA Schi[ly] (mit lauter Stimme):

Herr Vorsitzender, Sie können mir nicht vorschreiben, ob ich meine Beanstandung begründen darf oder nicht.

Vors.:

Nein, Sie haben ...

[7722] RA Schi[ly]:

Das werden Sie wohl noch zulassen.

Vors.:

Sie haben nicht ...

RA Schi[ly]:

Das dürfen Sie ja wohl noch zulassen.

Vors.:

Nein, Sie haben nicht das Wort, jetzt etwas vorzutragen im Wege der Begründung.

RA Schi[ly]:

Ich werde jetzt meine Beanstandung begründen ...

Vors.:

Ich mache jetzt eine Pause, damit Sie sich das überlegen können. In 5 Minuten sind wir wieder anwesend.

RA Schi[ly]:

... ob Sie meine --- Naja, das machen Sie, wie Sie wollen. Dann muß nach der Pause eben diskutiert werden.

Pause von 14.07 Uhr bis 14.11 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.11 Uhr sind die Angeklagten Raspe und Meinhof wieder anwesend[y].

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat beschlossen:

Die Beanstandung wird zurückgewiesen.

Der Herr Rechtsanwalt Schily erhält jetzt nicht das Wort.

Ich belehre jetzt ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es tut mir leid. Sie können nicht außerhalb der Hauptverhandlung Beschlüsse fassen, nachdem Sie noch nicht mal meine Begründung von der Beanstandung ...

Vors.:

Die Begründung. Wir wissen, um was Sie sprechen. Und ich habe Ihnen gesagt, ...

RA Schi[ly]:

Ich beanstande also jetzt und erhebe Gegenvorstellung[6]

gegen diesen Beschluß,

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt, es gibt keine Gegenvorstellung.[7]

RA Schi[ly]:

Selbstverständlich gibt es Gegenvorstellung ...

Vors.:

Sie haben jetzt nicht das Wort.

RA Schi[ly]:

Sie haben sie ja früher von der Bundesanwaltschaft auch ...

[7723] Der Vorsitzende stellt zu Protokoll fest, daß es ihm nicht möglich ist, die Verhandlung geordnet zu führen, weil Herr Rechtsanwalt Schily, trotz Belehrung darüber, daß die Zeugenvernehmung Vorrang hat und daß es Aufgabe des Vorsitzenden ist, die einzelnen Verfahrensvorgänge zeitlich festzulegen, nicht zum Schweigen zu bringen ist.

Während der Feststellung zu Protokoll spricht Rechtsanwalt Schily wie folgt dazwischen:

„Nein, Herr Vorsitzender, so gehen Sie mit der Verteidigung ... In der Form können Sie mit der Verteidigung nicht umgehen. Herr Vorsitzender, geordnet heißt, ...

Herr Vorsitzender, ich bitte darum, mir jetzt das Wort zu erteilen und bitte mir die Möglichkeit zu geben, mir eine Begründung ...“

Vors.:

Ich belehre jetzt die Zeugen. Wir haben Frau Hansmann hier noch anwesend, und außerdem Frau Eirenschmalz ist auch anwesend.

Der Zeuge E. PHK Rosskopf und die Zeuginnen Hansmann und Eirenschmalz werden gem. § 57 StPO belehrt.

Während dieser Belehrung spricht Rechtsanwalt Schily ununterbrochen laut u.a. wie folgt dazwischen:

„Herr Vorsitzender, ich muß Sie darum bitten, zunächsteinmal meine Beanstandung entgegenzunehmen und die Begründung für diese Beanstandung.

Herr Vorsitzender, ... meine Beanstandung entgegenzunehmen?

- Vorsitzender: Nein -

Herr Vorsitzender, ich werde nicht davon ablassen und nicht mir mein Recht nehmen lassen, hier eine Beanstandung vorzubringen und sie auch begründen zu dürfen.

- Vorsitzender: Es ist entschieden, es ist entschieden. -

Da kann nicht der Senat aus dem Saal gehen und eine Pause machen, und dann hier sich aus dem Saal entfernen, und auf diese Weise die Begründung zu unterbinden.

In dieser Form können wir hier nicht vorgehen ...

Der Vorsitzende stellt zu Protokoll fest, daß Herr Rechtsanwalt Schily unentwegt weiterspricht.

[7724] Ja, Sie sprechen ja auch unentwegt weiter, Herr Vorsitzender. Und Sie sind auch ...

Sie hätten die Möglichkeit ja heute Vormittag gehabt. Dann hätten Sie sich das auch sparen können. Nach ½ Stunde heute Vormittag Verhandlungsdauer war ich gern bereit, meine Ausführungen hier zu Ende zu bringen. Und wenn Sie nicht in der Lage sind, das heute Nachmittag entgegenzunehmen? Ich bin nicht bereit, etwas außerhalb der Hauptverhandlung verbannen zu lassen. In der Form können wir hier nicht vorgehen. Herr Vorsitzender, Sie glauben, wenn Sie ... in der Lage, einfach hiermit parallel eine Beweisaufnahme durchzuführen, dann sind Sie im Irrtum.

Ich bin nicht bereit, in der Form die Verhandlung fortzuführen. Ich bestehe darauf, daß mir jetzt das Wort erteilt wird. Sie müssen mir auch die Möglichkeit geben, einen Antrag auf Worterteilung ...

Herr Vorsitzender, ich erneuere meinen Antrag

mir das Wort zu erteilen,

und bitte Sie, die Möglichkeit zu geben, den Antrag auf Worterteilung zu begründen.

Herr Vorsitzender, ich weise Sie pflichtgemäß auch darauf hin, daß Sie die Verpflichtung haben, auch der Verteidigung das Wort zu erteilen ...

- Rechtsanwalt Herzberg, als amtlich bestellter Vertreter von Rechtsanwalt Schlaegel, erscheint um 14.15 Uhr wieder im Sitzungssaal. -

Herr Vorsitzender, ich bitte darum, mir das Wort zu erteilen. Wie lange wollen Sie eigentlich dieses Schauspiel noch weiter vorführen? Halten Sie das wirklich für ... im Sinne des ... belehrt worden hier, handelt? Halten Sie das wirklich für die richtige Form, hier in der Verhandlung vorzugehen.“

[7725] Der Zeuge 1. PHK Rosskopf und die Zeuginnen Hansmann und Eirenschmalz erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.

Währenddessen spricht Rechtsanwalt Schily weiterhin laut wie folgt dazwischen:

„Herr Vorsitzender, ich stelle den Antrag,

mir das Wort zu erteilen und mir die Möglichkeit zu geben auch meinen Antrag auf Worterteilung zu begründen.“

Vors.:

Dann bitte ich jetzt zunächst, daß Herr Rosskopf anwesend bleibt. Die beiden Damen bitte ich ...

Angekl. Mei[nhof]:

Aber jetzt wird das doch wirklich mal klar, daß das hier ein ganzes ..., Veranstaltung nur ein Theater ist.

Vors.:

Frau Meinhof, eine Verwarnung. Wenn Sie noch einmal dazwischenrufen und stören, wissen Sie, was die Konsequenzen sind. Ich habe Sie ausdrücklich jetzt verwarnt.

Die Zeuginnen Hansmann und Eirenschmalz verlassen um 14.16 Uhr den Sitzungssaal.

RA Schi[ly] (weiter dazwischenredend):

Herr Vorsitzender, ich stelle nochmals den Antrag,

mir das Wort zu erteilen.

Und wenn Sie den Antrag auf Worterteilung nicht positiv bescheiden, mir die Möglichkeit zu geben, meinen Antrag auf Worterteilung zu begründen.

Der Zeuge 1. PHK[z] Rosskopf macht folgende Angaben zur Person:

Martin Rosskopf, 57 Jahre alt,
verheirateter 1. Polizeihauptkommissar, Polizeidirektion Augsburg,

im übrigen verneinend.[8]

Während der Vernehmung des Zeugen 1. PHK Rosskopf zur Person spricht Rechtsanwalt Schily laut u.a. wie folgt dazwischen:

[7726] „Herr Vorsitzender, setzen Sie das einfach ..., was ich sage.

Wird das in dieser Form einfach ...

... der Verteidigung zu geben, Herr Vorsitzender.“

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Also, Herr Vorsitzender, ich bin nicht willens und in der Lage an Synchronverhandlungen teilzunehmen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ... Antrag, mir das Wort zu erteilen und ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich weise Sie jetzt ausdrücklich darauf hin, Sie hatten das Wort gehabt.

Wir vernehmen jetzt den Zeugen.

RA Schi[ly] (mit lauter Stimme):

... noch nicht mal die Möglichkeit, meinen Antrag auf Worterteilung zu begründen.

Vors.:

Wir vernehmen jetzt den Zeugen.

Ich gebe Ihnen jetzt nochmals zur Kenntnis:

Es ist ausschließlich Sache des Vorsitzenden zu bestimmen, wie die Verfahrensvorgänge einander folgen.[9]

RA Schi[ly]:

Und daß es der Verteidigung ...

Vors.:

Und jetzt erfolgt zunächst die Vernehmung des Zeugen Rosskopf.

RA Schi[ly]:

Und es ist Sache der Verteidigung, einen Antrag zu stellen auf Worterteilung und es ist Sache[aa] der Verteidigung, Herr Vorsitzender, einen solchen Antrag auch begründen zu können

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

RA Schi[ly]:

... der Begründung dadurch entziehen, daß Sie einfach aus dem Saal verlassen. Das machen Sie mit mir nicht, Herr Vorsitzender, mit mir nicht.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, ich bitte nochmals um eine ganz kurze Pause.

Vors.:

Wir werden diese Pause - ich hoffe, daß sie zur Beruhigung der Beteiligten ...

RA Schi[ly]:

... von Beruhigung, in dem Sie ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, von einem, von einem nehmen Sie jetzt bitte gleich zur Kenntnis.

RA Schi[ly]:

Ja, bitte.

Vors.:

Es wird jetzt in der Folge der Herr Zeuge vernommen.

RA Schi[ly]:

Nein, Sie werden mir die Möglichkeit ...

[7727] Vors.:

Und Sie werden nicht bestimmen, wie der Verfahrensablauf ... Ich mache eine Pause.

RA Schi[ly] (mit lauter Stimme):

Herr Vorsitzender, ich habe ein Recht zu einer Beanstandung. Ich habe auch das Recht zu einer Begründung. Das werden Sie mir nicht abschneiden.

Pause von 14.17 Uhr bis 14.25 Uhr

Vors.:

So, wir können die Sitzung fortsetzen. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, ist Ihre beiläufige Erklärung vorhin, daß zunächst die Zeugenvernehmung stattfindet, so zu verstehen, daß Herr Rechtsanwalt Schily nach der Zeugenvernehmung, wenn er dann noch das Wort ergreifen will, das Wort erhalten wird?

Vors.:

Zu diesem Punkte, ja, keine Bedenken.

RA Schi[ly]:

Es geht mir nicht um den Zeitpunkt. Wie Sie wissen, hätte ich ja das heute Vormittag leicht ausführen können, und Sie hätten das innerhalb von 10 Minuten ... Mir geht es aber darum, daß sich der Senat nicht dieser Erklärung durch Flucht entzieht ...

Vors.:

Ja, wir werden ... sie anhören.

RA Schi[ly]:

... innerhalb der Hauptverhandlung die Erklärung abgegeben werden kann, also wenn ich die ...

Vors.:

Ja, Sie bekommen das Wort dazu, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

... wenn ich die Worterteilung nach den Zeugenaussagen innerhalb der Hauptverhandlung bekomme, soll es mir recht sein.

Vors.:

Dann können wir jetzt zur Vernehmung des Zeugen kommen. Herr Zeuge ... Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Rechtsanwalt Dr. Temming befindet sich mit Vollmacht als Wahlverteidiger für Herrn Baader im Zuhörerraum und bittet durch mich auf die Verteidigerbank zugelassen zu werden.

Vors.:

Ja, es ist natürlich so, daß uns das etwas überrascht. Ist Herr Rechtsanwalt Dr. Temming inzwischen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Zugelassen.

Vors.:

... zugelassen. Ich will mal gerade sehen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Überrascht Sie die Zulassung?

Vors.:

Bitte?

RA Dr. He[ldmann]:

Überrascht Sie die Zulassung?

Vors.:

Nein, das habe ich nicht gesagt, sondern Ihr Antrag überrascht uns. Aber wir haben ihn ja hier[bb] als Referendar zunächst kennengelernt.

RA Schi[ly]:

Soll ja vorkommen ... [cc]

[7728] Vors.:

Ich will jetzt mal gerade feststellen. Es sind im Augenblick an Wahlverteidigern für Herrn Baader noch nicht mehr als die gesetzlich zulässige Zahl,[10] so daß Herr Rechtsanwalt Dr. Temming ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

... nur dann das Recht allerdings haben könnte, wenn er nicht zuvor jemand anderen verteidigt hat. Das müßte also überprüft, so daß wir jetzt nicht darüber entscheiden können. Ich bitte doch das dann für den morgigen Tag vorzusehen, und uns nach der Sitzung mit der Situation vertraut zu machen.

RA Dr. He[ldmann]:

Die Antwort ergibt sich aus der Fragestellung selbst. Da er erst jetzt als Rechtsanwalt zugelassen worden ist, hat er bislang keinen anderen verteidigen können.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wir müssen zuerst diese Rechtsfragen, die damit verbunden sind im Zusammenhang mit § 146 StPO[11] prüfen, deswegen bitte ich also um Verständnis, daß darüber erst nach der Sitzung entschieden werden kann. Wir wollen jetzt die Zeugenvernehmung durchführen.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihung, ein Hinweis noch. Sie selbst haben diese Rechtsfrage bereits geprüft, denn Herr Rechtsanwalt Dr. Temming ist einmal als amtlich bestellter Vertreter für Frau Becker hier tätig gewesen, ein anderes Mal als amtlich bestellter Vertreter für Herrn Rechtsanwalt Riedel, das heißt also mit verschiedenen Mandanten. Und die Rechtsauffassung des Senats ist klar, und die Rechtsmeinung dazu kann keine andere sein nämlich als die, daß der amtlich bestellte Vertreter[12] nicht mehr ausübt, als der Vertretene, folglich ist § 146 StPO kein Einwand gegen diesen Antrag.[13]

Ich stelle also ausdrücklich den Antrag

Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming sogleich als Wahlverteidiger von Herrn Baader hier zuzulassen.

Die Vollmacht des Angeklagten Baader an Rechtsanwalt Dr. Temming ist im Protokoll als Anlage 1 beigefügt.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis, bitte.

OStA Z[eis]:

Wir wollen ganz kurz dazu Stellung nehmen.

Ich darf insbesondere die Aufmerksamkeit des Senats auf die im Heft 6 NJW dieses Jahres veröffentlichen oberstgerichtlichen Entscheidungen[14] hinweisen. Aus diesen Entscheidungen ergibt sich ganz [7729][15] [7730] klar, daß, nachdem Herr Rechtsanwalt Dr. Temming hier schon andere Angeklagte verteidigt hat, er nicht mehr als Verteidiger des Angeklagten Baader zugelassen werden kann; § 146 StPO verbietet dies zwingend, danke.

RA Dr. He[ldmann]:

Das gilt nicht für den amtlich bestellten Vertreter,[16] weil der nicht mehr tut, als der vertretene Rechtsanwalt. Also ich stelle diesen Antrag ...

Vors.:

Sie haben schon Ausführungen gemacht, Herr Dr. Heldmann. Also es handelt sich hier um Herrn Dr. Temming, der bereits Vollmacht für Herrn Baader hat. Und Sie beantragen sofort seine Zulassung. Wir werden dann darüber entscheiden. Ich muß nochmals um Geduld bitten, auch für Sie, Herr Rosskopf. Sie werden im Zeugenzimmer am besten verständigt werden, wann die Vernehmung dann beginnen kann.

Der Senat zog sich um 14.30 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 15.07 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt.

Der Zeuge Rosskopf ist nicht mehr anwesend.

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nicht mehr anwesend[dd].

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann als Antragsteller ist allerdings nicht anwesend, aber das hindert nicht.

RA Schi[ly]:

Er ist auf der Geschäftsstelle.

Vors.:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Er ist auf Ihrer Geschäftsstelle, vielleicht kann man ihm kurz Bescheid sagen.

Vors.:

Wir können den Beschluß wohl gleich bekanntgeben.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst: ...

Angekl. M[einhof]:

Ja, warten Sie mal doch, bis Herr Heldmann da ist.

Vors.:

Frau Meinhof ...

- Die Verteidigung des Angeklagten Baader durch Rechtsanwalt Dr. Temming ist nicht zulässig. -

Angekl. M[einhof]:

Wieso ist denn Ihnen das so wichtig, daß Sie den Beschluß vorlesen, bevor Heldmann ...

[7731] Vors.:

Frau Meinhof ...,

Angekl. M[einhof]:

... Antrag gestellt hat.

Vors.:

... ich möchte Sie jetzt gebeten haben, daß Sie nicht weiter dazwischenrufen.

Gründe:

Dr. Temming war als Rechtsreferendar nacheinander zum amtlichen Vertreter von Rechtsanwalt Riedel aus Frankfurt und Rechtsanwältin Becker aus Stuttgart bestellt. Aufgrund dieser Bestellungen verteidigte er in der Hauptverhandlung vor dem Senat ab 21.8.1975 die Angeklagte Meinhof, ab 28.10.75 die Angeklagte Ensslin.

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint wieder[ee] um 15.08 Uhr im Sitzungssaal.

Nunmehr will er, nach Zulassung als Rechtsanwalt, den Angeklagten Baader verteidigen.

Das widerspricht § 146 StPO. Diese Bestimmung gilt nicht nur für den Rechtsanwalt, sondern auch für dessen Vertreter (BVerfG NJW 76, S. 231).[17] Das Bundesverfassungsgericht betont, es liege auf der Hand, daß bei gemeinschaftlicher Verteidigung, ein Interessenkonflikt auch in der Person des unterbevollmächtigten Anwalts auftreten kann. Für den ministeriell bestellten Verteidiger gilt nichts anderes.

Wenn der Senat früher eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, so hält er daran nach vom Bundesverfassungsgericht gebilligten neueren Rechtsauffassung nicht mehr fest ... -

Angekl. M[einhof]:

Ach was, nach der neueren Anweisung von Buback.[18]

Vors.:

So, Frau Meinhof, Sie haben jetzt die Gelegenheit, sich zu der Frage des möglichen Ausschlusses von Ihnen wegen wiederholter Störung zu äußern. Ich darf den Beschluß zuende verkünden. Es heißt noch die Zitatstelle - (vgl. auch[ff] Oberlandesgericht München NJW 76, S. 252[19]). -

Frau Meinhof, was wollen Sie zu der Frage des möglichen Ausschlusses sagen?

Offenbar keine Äußerung dazu.

Angekl. M[einhof]:

Moment, Moment, Moment, ich fange ja gerade erst an. Ich stelle einen Ablehnungsantrag.

Vors.:

Ja, bitte begründen Sie ihn.

[7732] Angekl. M[einhof]:

Ja, wir wollen ihn zusammen stellen und Jan kann vielleicht mal anfangen.

Richter Dr. Foth:

Wen lehnen Sie dann ab?[gg]

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich lehne, weil es ein Senatsbeschluß ist, den ganzen Senat ab, weil er erneut wie jetzt, ich weiß nicht zum wievielten Mal, schon ...

Vors.:

Bitte sprechen Sie etwas deutlicher, Herr Raspe, Sie ermöglichen es uns nicht, es zu verstehen.

Angekl. R[aspe].:

... weil er erneut, ich weiß nicht zum wievielten Mal, schon verhindert, nicht nur die Verteidigung hier zerschlägt, sondern jetzt auch sichtbar verhindert, daß rekonstruiert werden kann. Die formale Begründung, daß sich also der Senat der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichts anschließe und daß es der ..., das ist der Inhalt dessen, was Ulrike gesagt hat eben, weshalb Sie sie ausschließen wollen. Diese formale Begründung ist in dem geschlossenen System, das in den letzten Jahren die Staatschutzjustiz ..., zu dem sich die Staatsschutzjustiz entwickelt hat, völlig irrelevant, weil das Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen zu unserem Ausschluß,[20] beispielsweise, und in den Bestätigungen der Ausschlüsse der Anwälte[21] etc., längst die durch die Bundesanwaltschaft und Staatsschutz vorgehende Linie der Sondergesetzbarkeit, des Sonderrechts[22] exekutiert. Tatsache ist, daß also dieser Senat Ende Oktober, glaube ich, den Beschluß gefasst hat, daß § 146 StPO nicht gilt für amtlich bestellte Vertreter, was auch logisch ist, weil, wenn man mal innerhalb dieser Bestimmungen argumentiert, ist es jedenfalls logisch, weil natürlich ein amtlich bestellter Vertreter sich das nicht aussuchen kann, wen er vertritt. Und diesen Beschluß liquidiert also jetzt der Senat mit dem Beschluß heute, Temming nicht zuzulassen. Und was damit faktisch läuft, ist, daß Temming praktisch ausgeschlossen ist aus der Verteidigung in diesem Verfahren, denn natürlich kann er sich ja so auch nicht jetzt ..., also er ist ausgeschlossen, das ist wichtig. Er ist ausgeschlossen, ohne daß es[hh] überhaupt ein Ausschlußverfahren gab, er wird überhaupt nicht mehr zugelassen. Und das ist die neue Sorte von ... die Methode offensichtlich, die Sie jetzt gefunden haben, die der Senat gefunden hat, um zu verhindern, daß hier eine Verteidigung rekonstruiert werden kann. Und es ist nur die formale Seite deren politischer Hintergrund, des politischen Projekts, nämlich die Tatsache zu verschleiern über diese Anwendung des Sonderrechts § 146[ StPO], daß es sich in diesem Ver- [7733] fahren um ..., in diesem Verfahren gegen die RAF um ein Verfahren handelt. Und die formale Begründung, die der Senat jetzt hier entwickelt, ist schon deswegen auch inhaltlich völlig widersinnig, weil es in diesem Verfahren auch keine Interessenkollision geben wird, weil wir ein Kollektiv sind. Gleichwohl ist es natürlich so, daß es eine ganz gezielte Maßnahme ist, die also ganz eindeutig darauf zielt, daß die Verteidigung von Andreas zerschlagen werden soll bzw. nicht rekonstruiert werden darf. Und genau deswegen kommt jetzt auch dieser Beschluß. Und um das noch kurz zu sagen, dazu ... Nee, das mache ich später.

Vors.:

Frau Meinhof.

Angekl. M[einhof]:

Ich will mal sagen ...

Der Angeklagte Raspe verläßt um 15.15 Uhr den Sitzungssaal.

Angekl. M[einhof]:

... es sind drei Ausnahmegesetze auf dieses Verfahren gemacht worden. Und alle drei Verfahren ..., alle drei Ausnahmegesetze, Sondergesetze, sind in diesem Verfahren exemplarisch gebrochen worden durch eine[ii] extensive Auslegung, von der also jeder sehen kann, daß es dabei nicht mehr um irgendwie eine[jj] von Gesetzen die geht, sondern um die Exekution bestimmter oder um die[kk] Durchsetzung bestimmter Ziele, die Rationalität überhaupt nirgendwo mehr haben in irgendeiner Form, höchstens in Absurdität noch als irgendwie rechtsstaatlich behauptet zu werden. Rational und logisch ist das, was Sie hier machen, indem Sie also bei Andreas den fünften bzw. sechsten Anwalt rausfeuern. Logisch und rational ist das[ll] präzise, das Vorgehen und die Struktur eines Kriegsgerichts bzw., hier ist es vielleicht genauer zu sagen, als Polizeigerichtsverfahrens. In dem Sie natürlich ... In dem Prinzing natürlich ein Interesse daran haben muß, daß die Verteidigung sich unter gar keinen Umständen, die er zerschlagen hat, sich unter gar keinen Umständen wieder rekonstruieren kann; aus dem einfachen Grund, daß er natürlich vor der Öffentlichkeit des Verfahrens, je mehr er in diese aufgedrückte und lächerliche Beweisaufnahme reinkommt, Angst haben muß. Aber ich stelle einfach nochmal fest. Dem Andreas sind Croissant, Ströble, Groenewold ausgeschlossen worden[mm] über das Verteidigerausschlußgesetz,[23] und auf einem Weg ... und aus dem ganzen Verfahren ausgeschlossen,[24] auf dem Weg [7734] einer Interpretation, die das Gesetz irgend ... also dann[nn] nochmal, um den Fall Andreas, also um die Sache, um dieses Ziel bei Andreas alle Anwälte wegzuknallen, gebogen[oo] worden ist. Haag ist illegalisiert worden,[25] und auf diese Weise hat Andreas ihn als Anwalt verloren. Gegen Heldmann läuft inzwischen ein Ehrengerichtsverfahren,[26] und zwar läuft es in Frankfurt, bei dem Ehrengericht der Anwaltskammer, von dem Bransch, der Vorsitzender dieses Vereins, vor ein paar Monaten im Rahmen einer Rundfunkdiskussion mal gesagt hat, daß jetzt die Ehrengerichte mit Anwälten besetzt wären, die bereit sind, exekutive Funktion für die Bundesanwaltschaft zu übernehmen, im Gegensatz zu denen, die diese Funktion bisher gehabt haben, und die damit gezögert haben, den Säuberungsprozeß im Sinne des Staatsschutzes, der Anwaltschaft durchzuführen. Bei einem solchen Ehrengericht läuft also jetzt das Ehrengerichtsverfahren gegen Heldmann, das wäre der fünfte. Und Temming ist der sechste Anwalt, den Sie bei Andreas ausschließen wollen.

Der Angeklagte Baader erscheint um 15.17 Uhr im Sitzungssaal.

Und da kann man einfach kurz sagen, das Ziel hat eben mit allen diesen albernen und lächerlichen Begründungen - Bundesverfassungsgericht und so ein Scheiß - überhaupt nichts zu tun. Es hat überhaupt nur mit den polizeitaktischen Zielen, die die Bundesanwaltschaft hier verfolgt ...

Die Angeklagten Raspe und Ensslin erscheinen um 15.17 Uhr im Sitzungssaal.

... und die Herold[27] mal auf den Begriff gebracht hat, „die Zellen dicht zu machen“, was zu tun. Und es hat damit was zu tun, daß Sie das ganze Verfahren hier in den letzten drei Monaten auf Andreas zuspitzen, weil es ein polizeitaktisches Ziel natürlich in Counter-Insurgency-Auseinandersetzungen und im Anti-Guerilla-Krieg ist, die Köpfe abzuschlagen. Und das meinen wir ganz konkret, und wissen ja auch, daß es schon versucht worden ist.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen? Offensichtlich nicht.

Angekl. B[aader]:

Ja, doch ... ich krieg nur noch was.

[7735] Vors.:

Ich glaube es ist auf der Gegenseite noch ... oder wollten Sie gleich im Anschluß ausführen?

Angekl. B[aader]:

Ich möchte mich daran anschließen, ja. Denn das ist ja nun immerhin ganz eindeutig der zwölfte Anwalt, den Sie hier eliminieren aus diesem Verfahren,[28] weil er Ihnen unbequem ist, das heißt, in dem Sie ihn hier jetzt[pp] ganz konkret nicht zulassen. Sie haben das zunächst versucht in diesem Kontext, Sie und die Bundesanwaltschaft, die man da in eines setzen kann ohne weiteres, denn Sie verfolgen da ein identisches Interesse über Ehrengerichtsverfahren, bzw. bei Temming haben Sie ja bereits Disziplinarverfahren angeleiert in Frankfurt. Und nachdem die Anwaltskammer nun aus unerklärlichen Gründen, weil sie ja im Allgemeinen nach den Interessen dieses Senats und der Bundesanwaltschaft funktionert, Temming zugelassen hat, lassen Sie ihn hier nicht[qq] rein, als Anwalt. Dazu ist nochmal wichtig festzustellen, daß die Anwaltskammer Frankfurt nach der Aussage von Bransch, dem Vorsitzenden des deutschen Anwaltsvereins, umbesetzt worden ist in Bezug auf dieses Verfahren, weil das eben eine der Kammern ist, die zuständig ist für den Ausschluß der Anwälte hier. Das ist also so mal die Hintergrundkonstruktion. Bransch hat das[rr] sehr schön, sehr genau erklärt, mit was für Leuten diese Anwaltskammern besetzt werden, jetzt, um speziell in diesem Verfahren hier Anwälte, die unbequem sind, das heißt, die eine präzise Artikulation oder einen präzisen politische Begriff dessen bringen, was hier vorgeht oder auch nur einen präzisen juristischen Begriff, daß die ausgeschlossen werden müssen. Das heißt, Sie haben diese drei Methoden, Sie haben das Sondergesetz, nach dem Sie Verteidiger eliminieren können. Wo das nicht zureicht, wie z. B. bei Heldmann, also wo Sie den Anwälten nicht § 129[ StGB][29] an den Hals hängen können, weil es zeitlich nicht hinhaut, da machen Sie es über die Ehrengerichtsbarkeit, bzw. Sie machen es über dieses Nachfolgeverbot. Das ist doch ganz genau die Disposition, in der die[ss] Verteidigung sich hier bewegt. Und Sie haben nicht etwa aufgehört, sozusagen, als Sie den Eindruck haben mußten, Sie haben dieses Verfahren hier im Griff, weil Sie die Verteidigung erwürgt haben, sondern Sie machen ja weiter. Es ist ja tatsächlich so, daß hier seit vier Wochen real der Versuch läuft, Heldmanns Existenz als Anwalt zu ruinieren, und ihn ... Er ist mit einem Ehrengerichtsverfahren überzogen worden, und es finden sich ja auch bei anderen Behörden Aktenvermerke des Richters Prinzing, die für Heldmann schädlich sind. Das ist die Tatsache. Sie versuchen [7736] nach wie vor ... Sie haben drei Anwälte, die in diesem Verfahren vorbereitet waren, Aktenkenntnis hatten, eine Konzeption hatten zu diesem Verfahren, haben Sie unmittelbar vorher ausgeschlossen. Sie haben dann Anwälte nicht zugelassen. Sie versuchen Heldmann jetzt über ein Ehrengerichtsverfahren aus dem Verfahren rauszudrängen, das heißt, ein Berufsverbot zu verhängen, und Sie lassen Anwälte, die sich melden, das heißt, die hier verteidigen könnten, auch, weil sie schon eingearbeitet sind, also weil sie schon ein bestimmten Begriff der Repression haben, die auf sie zukommt, wenn sie hier verteidigen, die lassen Sie erst gar nicht rein. Das heißt, Sie haben hier in diesem Verfahren als Vorsitzender Richter das Institut der Wahlverteidigung bereits in diesem ganzen Instrumentarium liquidiert. Und deswegen wieder mal der Versuch, der lächerliche, Sie abzulehnen.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen? Herr Rechtsanwalt Linke und Herr Rechtsanwalt Grigat, bitte.

RA Gri[gat]:

Der Ablehnungsantrag des Herrn Raspe richtet sich gegen alle 5 Mitglieder des Senats. Zur Glaubhaftmachung[30] beruft er sich auf den Inhalt des soeben verkündeten Beschlusses.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Linke.

RA Li[nke]:

Der Antrag, der Frau Meinhof richtet sich gegen die einzelnen Mitglieder dieses Senats. Zur Glaubhaftmachung beruft sich Frau Meinhof

1.) soweit es [tt] den verkündeten Beschluß betrifft, auf das heutige Sitzungsprotokoll.

2.) soweit es die Behauptung trifft, daß gegen Rechtsanwalt Dr. Heldmann ein Ehrengerichtsverfahren läuft, auf das für Darmstadt zuständige Ehrengericht.

3.) soweit es die Behauptung betrifft, daß der Senat auf die Einleitung des Ehrengerichtsverfahrens Einfluß genommen habe, auf eine dienstliche Äußerung des Herrn Senatsvorsitzenden.

Vors.:

Danke. Die Bundesanwaltschaft, bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Der Vorsitzende hatte auf Beratung hin die Entscheidung verkündet. Daß damit nach inzwischem ergangenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts eine frühere Rechtssprechung des Senats aufgegeben wurde, ist ausdrücklich dargelegt und begründet worden, und stellt bei Grundsatzentscheidungen, im Instanzenzug übergeordneter Gerichte oder des Bundesverfassungsgerichts, keineswegs eine Seltenheit, sondern im Gegenteil eine Notwendigkeit[31] dar. [7737] Seither haben sich im übrigen auch andere Oberlandesgerichte in dieser Weise entschieden. Dies mag eine einschneidende Entscheidung sein für die Angeklagten. Sie muß aber hingenommen werden, weil sie dem Gesetz und der oberstgerichtlichen Rechtssprechung entspricht. Daraus kann Unparteilichkeit oder Befangenheit nicht hergeleitet werden. Die Ablehnung ist daher unbegründet. Darüberhinaus halte ich sie für unzulässig, weil hier das Mittel der Richterablehnung zur Übung geworden ist und damit zum Zwecke der Prozeßverzögerung[32] eingelegt wird.

Vors.:

Ich bitte in 10 Minuten wieder hier zusammenzukommen. Publikum wird vorsorglich zugelassen. Es wird bekanntgegeben wie es weitergeht.

(Angekl. B[aader]:

Ja, Moment, kann man denn da nicht erwidern?)[uu]

Vors.:

Herr Baader, Sie hatten das Wort, keine weiteren Begründungen.

Der Senat zog sich um 15.24 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 15.35 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt.

Die Angeklagten Baader, Raspe und Ensslin sind nicht mehr anwesend[vv].

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat beschlossen:

Die Ablehnung der Richter Dr. Prinzing, Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth, Dr. Breucker wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Der Senat hat in Anwendung von § 146 StPO entschieden, die Verteidigung des Angeklagten Baader durch Rechtsanwalt Dr. Temming sei nicht zulässig.

Die hierauf gestützte Ablehnung der Richter des Senats entbehrt - auch aus der Sicht der Angeklagten und ihrer Verteidiger - offensichtlich jeder Grundlage und kann nur der Verschleppung des Verfahrens dienen.

Nunmehr haben Sie, Frau Meinhof, Gelegenheit, sich zu äußern zu der [7738] Frage, ob Sie wegen Störungen ausgeschlossen[33] werden müssen.

RA Schi[ly]:

Ich möchte vorweg mitteilen, daß Frau Ensslin mit Rücksicht auf die jetzt entstandene Prozeßsituation dann ihrerseits dem Kollegen Dr. Temming Strafprozeßvollmacht erteilt. Ich darf sie hier überreichen, sie ist nur in handschriftlicher Form und bitte Herrn Kollegen Dr. Temming hier zur Verhandlung als Verteidiger von Frau Ensslin zuzulassen und auch ...

Rechtsanwalt Schily übergibt die Vollmacht der Angeklagten Ensslin des Rechtsanwalt Dr. Temming als Anlage zu Protokoll. Diese Vollmacht ist dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt.

Vors.:

Gut, wir werden das dann im Anschluß ... Herr Rechtsanwalt, ich gebe Ihnen sofort darauf das Wort. Ich möchte nur jetzt, daß die Reihenfolge nicht völlig durcheinander gerät.

Ich möchte dann Frau Meinhof das Wort erteilen. Wollen Sie sich äußern, Frau Meinhof?

Angekl. M[einhof]:

Ja, wieso, das ist doch Ihre Methode. Wir sind jetzt gerade 2 Tage da, dann knallen Sie uns wieder raus.

Vors.:

Sonst noch etwas?

Angekl. M[einhof]:

Nö, fällt mir nichts mehr ein.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft will offenbar sich äußern.

OStA Z[eis]:

Wir beantragen

den Ausschluß von Frau Meinhof für den Monat März dieses Jahres.

Frau Meinhof hat trotz mehrfacher Abmahnung, ohne daß ihr das Wort erteilt worden wäre, durch Zwischenrufe die Hauptverhandlung empfindlich gestört.

Die Angeklagte Ensslin erscheint wieder[ww] um 15.37 Uhr im Sitzungssaal.

OStA Z[eis]:

Es ist nicht das erste Mal, sondern wiederholt, so daß wir meinen, daß auch von einer weiteren Anwesenheit von Frau Meinhof, bei einer weiteren Anwesenheit zu befürchten ist, daß die Hauptverhandlung weiterhin empfindlich gestört werden würde.

[7739] Vors. (nach geheimer Beratung):

Nun wird der Beschluß verkündet.

Die Angeklagte Meinhof wird wegen mehrfacher nachhaltiger Störungen für die Dauer eines Monats von der Verhandlung ausgeschlossen.

Sie hat ungeachtet mehrfacher Abmahnungen am gestrigen und heutigen Sitzungstage[xx] durch Dazwischenreden und lauten Zwischenrufe, zum Teil beleidigenden Inhalts, die Verhandlung nachhaltig gestört. Im Hinblick darauf, daß die Angeklagte schon mehrfach, zum Teil auch für längere Zeit[34] ausgeschlossen werden mußte, ohne daß es etwas fruchtete, sind weitere nachhaltige Störungen zu befürchten, die den Ausschluß für Dauer eines Monats erforderlich machen. Für die Dauer ihres Ausschlusses ist die Anwesenheit von Frau Meinhof nicht unerläßlich.

Ich bitte, daß Frau Meinhof abgeführt wird.

Die Angeklagte Meinhof verläßt nicht freiwillig den Sitzungssaal.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie sind nicht mehr in der Verhandlung zugelassen, Sie müssen sich jetzt entfernen. - Ich bitte Frau Meinhof abzuführen. - Ich bitte notfalls auch unter Zwang. - Frau Meinhof, das sollte man aber vermeiden müssen, dieses Schauspiel.

Frau Ensslin, ich bitte Sie jetzt das Gespräch abzubrechen. Es wäre ja auch eine Störung, wenn Sie jetzt weiterhin dadurch, daß Sie sich mit Frau Meinhof unterhalten, den Fortgang[yy] der Verhandlung unmöglich machen.

Die Angeklagte Meinhof wird um 15.40 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie hatten bereits jetzt die Vollmacht von Frau Ensslin für Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming übergeben[zz].

RA Schi[ly]:

Ja.

Vors.:

Ich gebe Ihnen das Wort zu weiteren Ausführungen.

RA Schi[ly]:

Ja, und ich bitte ausdrücklich, da ja nun der Kollege Dr. Temming selbst betroffen ist, auch durch die Situation, ihm dazu das Wort dann zu[aaa] erteilen, falls Sie nun auch in dem Mandat von[bbb] Frau Ensslin Bedenken haben. Obwohl ja da diese Gesichtspunkte [7740][35] [7741] an sich [ccc] wohl nicht zum Tragen kommen, denn Frau Ensslin hat er ja[ddd] wohl bereits verteidigt. Insofern dürfte da ja wohl die Bedenken nicht zur Geltung kommen. Falls aber der Senat insoweit auch irgendwelche Bedenken geltend machen sollte, ...

Der Angeklagte Baader erscheint wieder um[eee] 15.41 Uhr im Sitzungssaal.

... dann würde ich bitten, daß auch der Kollege Dr. Temming als der betroffene Kollege sich dazu äußern kann.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich bin der Auffassung, daß, wenn nicht von Ihrer Seite, das heißt, von Frau Ensslins Seite, Wert auf sofortige Entscheidung gelegt wird, Herr Rechtsanwalt Dr. Temming die Gelegenheit hat, sich dazu schriftlich oder zu Protokoll hier der Geschäftsstelle zu äußern. Hier in der Hauptverhandlung diese Äußerungen jetzt für ein Mandat, über dessen Zulässigkeit hier, seitens des Gerichts, erst zu entscheiden ist[fff] sich zu äußern, ist nicht gegeben. Aber wir sind gerne bereit, um Herrn Dr. Temming die Möglichkeit sich zu äußern zu geben, die Entscheidung solange zurückzustellen, bis er zu Protokoll seine Auffassung vertreten hat[ggg] also zu Protokoll der Geschäftsstelle.

RA Schi[ly]:

Moment ... Ich bitte um eine Pause.[hhh]

Vors.:

Bitte.[iii]

Pause von 15.41 Uhr bis 15.42 Uhr.

Während dieser Pause unterhält sich Rechtsanwalt Schily mit Rechtsanwalt Dr. Temming.

RA Schi[ly]:

Also, der Kollege Dr. Temming ist der Meinung, daß er, aufgrund der Vollmacht die Notwendigkeit besteht, ihn sofort zur Verhandlung zuzulassen, und bitte insoweit dann also um eine sofortige Entscheidung.

Vors.:

Nein, also Herr Rechtsanwalt, ich kann ihn hier nicht zulassen. Wie gesagt, wir müssen ja zuerst überhaupt klären, ob dieses Mandat, das hier erteilt worden ist, vor dem Gericht vertreten werden kann. Es bestehen Bedenken ...

RA Schi[ly]:

Naja, dann ..., aber ...

Vors.:

Ich sage aber nochmals, die Gelegenheit besteht eben sich schriftlich zu äußern. In der Hauptverhandlung können wir das nicht machen.[36]

[7742] RA Schi[ly]:

Na gut, dann bitte ich um sofortige Entscheidung des Senats.

Vors.:

Ja, ich möchte dann die Bundesanwaltschaft ..., das heißt Herr Rechtsanwalt Linke hat sich gemeldet. Gilt das zum selben ...

RA Li[nke]:

Herr Vorsitzender, ich möchte zu einem anderen Thema einen Antrag stellen.

Vors.:

Dürfen wir zuerst das hier erledigen. Will sich die Bundesanwaltschaft zu diesem neuerlichen Antrag äußern? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Ganz kurz einen Satz dazu. Meines Erachtens ist die Rechtslage unverändert, weil Dr. Temming bis zu 21.8.1975 bereits die Frau[jjj] Meinhof verteidigt hat.

Vors.:

Danke. Ich bitte in 10 Minuten wieder hier anwesend zu sein.

Der Senat zog sich um 15.43 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 15.50 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt.

Der Angeklagte Raspe ist wieder anwesend[kkk].

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Der Senat hat beschlossen:

Die Verteidigung der Angeklagten Ensslin durch Rechtsanwalt Dr. Temming ist nicht zulässig.

Gründe:

Wie im soeben verkündeten Beschluß dargelegt, hat Rechtsanwalt Dr. Temming auch schon die Angeklagte Meinhof verteidigt. Wenn er nunmehr die Angeklagte Ensslin verteidigen will, so gelten hierzu die Ausführungen des zuvor verkündeten Beschlusses über die Gefahr eines Interessenkonfliktes gem. § 146 StPO. Hieran ändert nichts, daß Rechtsanwalt Dr. Temming als Rechtsreferendar früher schon die Angeklagte Ensslin verteidigt hat.

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Jetzt übernehme ich allerdings dann nur Botenfunktion, das heißt, ich übernehme also ..., überreiche dann Vollmacht von Frau Meinhof auf Herrn Kollegen Dr. Temming, als Verteidiger von Frau Meinhof zugelassen zu werden.

[7743] Rechtsanwalt Schily übergibt die Vollmacht der Angeklagten Meinhof des Rechtsanwalts Dr. Temming, die als Anlage 3 dem Protokoll beigefügt ist.

Vors.:

Ja, es ist natürlich nicht möglich, daß Sie die Interessen der Frau Meinhof hier vertreten ...

RA Schi[ly]:

Nein, nein, ich sage ja, ich habe ausdrücklich erklärt als Bote ...

Vors.:

... sonst würde ja hier eine Doppelverteidigung ...

RA Schi[ly]:

Nein, nein, ich habe ja ausdrücklich gesagt, daß ich insoweit ja nur eine Botenfunktion.

Vors.:

Gut ja, ich sehe aber keinen Anlaß, daß man dem jetzt weiter nachgeht nach dem schon Erörterten. Will sich die Bundesanwaltschaft ...

Angekl. B[aader]:

Doch, also erlauben Sie, daß ich einen Antrag stelle, dazu?

Vors.:

Nein, Sie nicht, Herr Baader ...

Angekl. B[aader]:

Das betrifft mich ...

Vors.:

... es betrifft Frau Meinhof.

Angekl. B[aader]:

Das betrifft mich unmittelbar ...

Vors.:

Es betrifft Sie nicht. Sie haben nicht das Wort.

Angekl. B[aader]:

... sie selbst kann ihre Interessen nicht wahrnehmen, denn sie wurde ausgeschlossen ...

Vors.:

Nein, Herr Baader, Herr Baader, bitte nehmen Sie jetzt folgendes zur Kenntnis ...

Angekl. B[aader]:

... und sie ist hier auch nicht verteidigt.[37]

Vors.:

... Sie laufen die Gefahr, wenn Sie hier jetzt weiter stören. Ich verwarne Sie nachdrücklich, und jeden der von Ihnen hier stellen will, hiermit nachdrücklichst, daß ich solche Zwischenrufe nicht mehr hinnehme. So läßt sich die Verhandlung nicht führen. Sie haben nicht die Möglichkeit, Frau Meinhof hier zu vertreten. Will sich die Bundesanwaltschaft zu diesem ...

Herr Rechtsanwalt Linke, bitte.

RA Dr. Temming (ruft aus dem Zuhörerraum):

Dann bitte ich jetzt sofort zugelassen werden und melde mich als Verteidiger für die Angeklagte Meinhof.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Temming, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Sie hier in Ihrer Eigenschaft als Zuhörer anwesend sind ...

RA Dr. Temming:

Nein, ich bin jetzt in der Eigenschaft als Verteidiger ...

Vors.:

Ich habe Ihnen angeboten, daß Sie die Möglichkeit haben, wenn wir nicht sofort entscheiden müssen, Ihre Meinungen zu dieser Rechtsfrage zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich abzugeben. Da aber offenbar darauf bestanden wird, daß sofort Entscheidungen [7744] getroffen werden, sind Sie nicht im Stande, sich hier zu äußern, als Zuhörer nicht. Ich muß Sie also bitten Platz zu nehmen.

RA Dr. Temming:

Ich bitte Sie lediglich darum, meine Mandatsübernahme entsprechend sich zu verhalten, mich nämlich jetzt hier sofort auf die Verteidigerbank zuzulassen.

Vors.:

Nein, ich habe Ihnen schon gesagt, daß zuerst über die Frage entschieden werden muß. Das ist die logische Folge, ob Sie auf die Verteidigerbank gehen können.

Herr Rechtsanwalt Linke, bitte.

RA Li[nke]:

Ich bin Verteidiger von Frau Meinhof und möchte dazu folgendes bemerken. Als Erstes bin ich der Auffassung, daß über den Antrag, Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming als Wahlverteidiger zuzulassen, wenn ich diese Formulierung gebrauchen darf, sofort entschieden werden muß. Zum Zweiten bitte ich bei dieser Entscheidung folgendes zu bedenken, daß Herr Rechtsanwalt Dr. Temming nach in Krafttreten des § 146 StPO in seiner jetzigen Fassung, eine Doppelverteidigung führen durfte, ist darauf zurückzuführen, daß der Senat seinerzeit keinen Anlaß gesehen hat, die amtlichen Vertretungen zweier hier tätiger Verteidiger zu beanstanden. Wenn man Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming jetzt die Übernahme einer Verteidigung untersagt, die Übernahme der Verteidigung einer Angeklagten, die er früher bereits als amtlich bestellter Vertreter verteidigt hat, dann geht man meines Erachtens über das Ziel des § 146[ StPO] hinaus. Insbesondere muß man dann letztlich feststellen, daß es auf eine Maßnahme oder eine unterlassene Maßnahme des Senats zurückzuführen ist, daß Herr Rechtsanwalt Dr. Temming in diesem Verfahren überhaupt nicht mehr auftreten darf. Und da halte ich die Verteidigung - jetzt der Angeklagten Meinhof - über Gebühr und unzulässigerweise für beschränkt, denn Herr Rechtsanwalt Dr. Temming hat es in diesem Sinne nicht zu vertreten, und vor allen Dingen hat es Frau Meinhof nicht zu vertreten, daß seinerzeit eine, gewissermaßen eine Doppelverteidigung stattgefunden hat. Ich muß also als Verteidiger von Frau Meinhof, in deren Namen beantragen

Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming als ihren Wahlverteidiger seine Funktionen wahrnehmen zu lassen.

Angekl. Ra[spe]:

Ich habe einen Antrag zu stellen.

Vors.:

Herr Raspe, jetzt erhält die Bundesanwaltschaft die Gelegenheit. Sie sind von der Angelegenheit nicht betroffen.

(Angeklagter Raspe spricht unverständlich im Hintergrund)

Angekl. Ra[spe]:

Natürlich bin ich davon betroffen.

[7745][38] [7746] Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

(Anfang unverständlich) ... bereits vorhandene Interessenwiderstreit, der durch eine Verteidigung von zwei Angeklagten besteht, kann nicht mehr aus der Welt geschaffen werden.

Ende Band 427

[7747] Dies ist eine schwer verständliche, aber eine Rechtslage, die durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geschaffen wurde.[39] Wer das letztlich zu vertreten hat, kann dahinstehen. Der Interessenkonflikt wirkt fort, die Rechtslage ist unverändert.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Linke?

RA Li[nke]:

Ich möchte den Senat, und ich überlege mir sehr genau, was ich hier formuliere, daran erinnern, daß die Angeklagte Meinhof Anspruch auf ein faires Verfahren hat. Es wäre meines Erachtens die Fairness des Verfahrens nicht mehr gewährleistet, wenn die Nichtzulassung des Herrn Rechtsanwalts Dr. Temming letztlich auf eine Maßnahme des Senats zurück-zu-führen ist, die das Bundesverfassungsgericht nachträglich quasi nicht mehr billigt. Als diese Maßnahme des Senats verstehe ich eben die frühere Zulassung der Doppelverteidigung.

Vors.:

Dankeschön. Ich bitte nur in Zukunft, alle Argumente in Zukunft so vorzutragen, daß nicht Erwiderungen stattfinden müssen. Wir haben das in den anderen Fällen bisher auch nicht zugelassen. Ich möchte mich an diese Regel möglichst auch halten. Ich bitte die Beteiligten, in 20 Minuten hier wieder anwesend zu sein. Herr Raspe, Sie haben zu dieser Angelegenheit ...

Angekl. Ra[spe]:

Ich habe einen unmittelbar dazugehörenden Antrag.

Vors.:

Sie haben jetzt keinen weiteren Antrag mehr. Wir entscheiden zunächst über den jetzt gestellten Antrag.

Angekl. Ra[spe]:

Er bezieht sich unmittelbar darauf.

Der Senat zieht[lll] sich um 15.58 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 16.05 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt:

Bundesanwalt Dr. Wunder ist nicht mehr[mmm] anwesend.

Rechtsanwalt Schnabel ist auch nicht mehr[nnn] anwesend.

Vors.:

Es ist festzustellen, daß die Bevollmächtigung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Temming durch Frau Meinhof unwirksam ist, da Frau Meinhof die nach § 137 StPO zulässige Zahl an Wahl- [7748] verteidigern[40] bereits hat. Der Senat braucht also über diese Bevollmächtigung nicht zu entscheiden.

Rechtsanwalt Schnabel erscheint wieder um[ooo] 16.05 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte nunmehr den Zeugen.

Angekl. E[nsslin]:

Ich beantrage, daß Ulrike Meinhof jetzt sofort hier zugelassen wird, weil sie selbstverständlich einen der drei ... entlassen wird.

Vors.:

Dafür gibt es keinen Anlaß.

Angekl. E[nsslin]:

Das ist die Prämisse dieser Vollmacht, die sie überreicht hat.

Vors.:

Frau Ensslin, Sie sind nicht bevollmächtigt, es ist jedenfalls nicht veranlaßt, daß Frau Meinhof jetzt, nachdem sie wegen Störung ausgeschlossen ist, wieder zugelassen werden würde.

Angekl. B[aader]:

Das ist doch keine Frage der Bevollmächtigung, Herr Prinzing. Sie haben doch selbst ursprünglich bei Ihrer ganzen Disposition dieses Verfahrens eine Blockverteidigung[41] zugelassen. Und nun haben Sie das getrennt und inzwischen sind Sondergesetze gemacht worden, das weiß man ja. Aber sie ist hier nicht verteidigt. Hier ist kein Verteidiger für sie und deswegen beantragen wir, sie hier zuzulassen, damit sie für sich selbst ...

Vors.:

Frau Meinhof wird jetzt nicht erneut zugelassen. Ich bitte, daß der Zeuge zunächst hier Platz nimmt. Herr Rechtsanwalt Linke?

Der Zeuge Rosskopf erscheint um 16.06 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Angekl. E[nsslin]:

Sie muß dann jedenfalls sofort benachrichtigt ...

RA Li[nke]:

Ich habe mich vorhin noch zu einem Antrag gemeldet, der noch nicht gestellt worden ist.

Angekl. E[nsslin]:

... damit sie sich schriftlich ...

Vors.:

Frau Ensslin, ich bitte Sie jetzt nicht zu stören. Im Augenblick hat das Wort Herr Rechtsanwalt Linke.

Die Angeklagten Baader und Ensslin verlassen um 16.07 Uhr den Sitzungssaal.

[7749] RA Li[nke]:

Herr Vorsitzender, der Senat hat vorhin Frau Meinhof für die Dauer eines Monats ausgeschlossen, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich bin der Auffassung, daß zu dieser Entscheidung Frau Meinhof kein rechtliches Gehör erhalten hat. Von der Bundesanwaltschaft war, wie das bisher üblich gewesen ist, lediglich beantragt worden, Frau Meinhof für den Rest dieses Monats auszuschließen. Die Senatsentscheidung bedeutet, daß Frau Meinhof praktisch erst nach der nächsten 10 Tage Unterbrechung wieder zur Hauptverhandlung zugelassen werden wird. Ich bin auch der Auffassung, daß mit einer derartigen Entscheidung nicht zu rechnen war. Sie entspricht erstens nicht der bisherigen Praxis des Senats, der immer wieder nur den Ausschluß für den Rest des laufenden Monats angeordnet hat. Ich bin darüberhinaus der Auffassung, daß er zweitens gegen das Übermaßverbot verstößt. Es sind von Seiten der Angeklagten um den terminus technicus zu übernehmen, Störungen massiverer Art vorgekommen, die lediglich zum Ausschluß für wenige Tage für den Rest des laufenden Monats geführt haben. Die Ordnungswidrigkeiten, die Frau Meinhof in der heutigen und vielleicht auch in der gestrigen Sitzung begangen haben mag, rechtfertigen es meines Erachtens nicht, sie länger als höchstens für die Dauer des laufenden Monats auszuschließen, wenn überhaupt. Aber das Kernproblem ist, daß Frau Meinhof zu dieser Maßnahme bisher noch kein rechtliches Gehör erhalten hat. Ich bin der Auffassung, daß dieses rechtliche Gehör nach § 33a StPO[42] nachgeholt werden muß. Ich beantrage deshalb, sie dafür nochmals zur Hauptverhandlung jetzt zuzulassen.

Vors.:

Es ist dieser Antrag neu gestellt. Wir wollen kurz darüber beraten.

(Nach geheimer Umfrage)

Der soeben gestellte Antrag wird durch Senatsbeschluß zurückgewiesen. Es muß nicht das genaue Maß im Voraus etwa zur Gewährung des rechtlichen Gehörs bekannt-gegeben werden. Es liegt im Rahmen des rechtlichen Gehörs, das Frau Meinhof hatte. Im übrigen ist es durch die verschiedenen Androhungen des Senats schon deutlich geworden, daß der Senat mit Ausschlüssen bis zu einem Monat bisher versuchte, Störungen zu [7750] begegnen, ohne daß es bisher einen Erfolg gehabt hat. Es besteht also kein Anlaß, diesem Antrag im gegenwärtigen Stadium stattzugeben.

Der Angeklagte Baader erscheint wieder um[ppp] 16.10 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Zeuge, ich hoffe, daß wir jetzt zu Ihrer Vernehmung kommen können.

Ihre Personalien bitte ich nochmals zu wiederholen.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person

Zeuge Rosskopf

Martin Rosskopf, verh., 1. Polizeihauptkommissar, 57 Jahre alt, Polizeidirektion Augsburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Rosskopf, erinnern Sie sich, das heißt, wo waren Sie beschäftigt im Mai 1972?

Zeuge Ros[skopf]:

Ich war bei der Polizeidirektion in Augsburg im 3. Stock beschäftigt. Mein eigentlicher Arbeitsraum war Zimmer 341. Zur Zeit der Detonation der zweiten Bombe war ich auf Zimmer 338.

Vors.:

Sie gehen also schon davon aus und wir können erkennen, daß Sie sich an diese Explosionen in der Polizeidirektion noch entsinnen. Bitte wollen Sie uns im Zusammenhang schildern, was Sie damals beobachtet und erlebt haben. Darf ich ... Ich muß einen Augenblick unterbrechen. Herr Raspe, was ist?

Angekl. Ra[spe]:

Ich will einen Ablehnungsantrag stellen gegen den Senat, wegen der Entscheidung eben.

Vors.:

Herr Rosskopf, es tut mir leid. Die Prozeßordnung gibt solche Möglichkeiten. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen. Es wird jetzt ein Ablehnungsantrag gestellt. Sie erfahren dann im Zeugenzimmer wieder, wie es weiter geht.

Der Zeuge Rosskopf verläßt um 16.11 Uhr den Sitzungssaal.

Angekl. Ra[spe]:

Bezieht sich auf den Beschluß eben, daß Sie Ulrike nicht zulassen 1. Daß Sie ihr also kein rechtliches Gehör [7751] geben. Und das zusätzlich noch mit dem Punkt, daß es nicht nur ein Ausschluß bis zum Ende des Monats ist und nicht nur ein Ausschluß für 4 Wochen, sondern auch noch, wie sich eben gezeigt hat, ein Ausschluß, der also dann noch zusätzlich über diese 10 Tagesfrist[43] läuft.

2. Bezieht sich die Ablehnung darauf, daß, wie sich herausgestellt hat, die Zulassung von Temming deswegen nicht entschieden worden ist mit Ihrer formalen Begründung, die Zahl von 3 sei also schon erfüllt, weil Sie den Antrag, Azzola als Pflichtverteidiger zu bestellen,[44] der seit Wochen beim Senat liegt, bisher nicht entschieden haben.

Die Angeklagte Ensslin erscheint wieder um[qqq] 16.12 Uhr im Sitzungssaal.

Angekl. Ra[spe]:

Dadurch, daß Sie es nicht entschieden haben, entsteht genau die Konstellation, daß Sie sagen können, hier seien, sie hätte bereits drei Verteidiger bestellt. Könne also keine weiteren mehr bestellen.

Bundesanwalt Dr. Wunder erscheint wieder um[rrr] 16.13 Uhr im Sitzungssaal.

Angekl. Ra[spe]:

Und zweitens ist es also auch die Konstellation, in der Sie verhindern, diese Sache jetzt sofort zu entscheiden, die Zulassung Temmings. Und das in einer Situation, nachdem Sie wegen eines Zwischenrufs vorher ausgeschlossen haben und das für 1 Monat + 10 Tage, ohne daß sie hier verteidigt ist. Das ist nicht richtig. Und deswegen liegt Ihnen da jetzt auch der Antrag vor von Ulrike, daß Sie über die Bestellung Azzolas zum Pflichtverteidiger sofort entscheiden und anschließend über die Zulassung Temmings.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen? Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ja nur sehr kurz, weil es sowieso lächerlich ist. Aber hier wird es wirklich sehr evident, was Sie machen. Sie stellen fest, sie ist nicht verteidigt. Sie schließen sie aus, d.h. Sie geben auf der einen Seite nicht die Möglichkeit, ihr selbst sich zu verteidigen in diesem Verfahren. Und Sie verhindern auch, das ist ja der Sinn Ihrer Verschleppung der [7752] Pflichtverteidigerbestellung, denn Sie wissen, daß da kein Geld ist und sich das kein Verteidiger auf die Dauer leisten kann, ohne Pflichtverteidigung.[45] Und Sie verhindern natürlich auch, daß sie hier verteidigt wird durch Anwälte ihrer Wahl, durch diese Disposition. Nackter kann es einfach nicht sein. Und das ist allerdings schon ganz richtig gesagt, vorhin, wie Wunder das ausgedrückt hat. Man löst diesen Widerspruch tatsächlich nur, indem man entweder den Angeklagten beseitigt oder den Verteidiger oder eben einfach beide. Dann haben Sie hier das richtig „normale“ Strafverfahren in Ihrem Sinn.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen? Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern? Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Die Ablehnungsgesuche sind schon deswegen zurückzuweisen, weil die Ablehnungsgründe nicht glaubhaft gemacht worden sind.[46] Im übrigen stellen die Ablehnungsgesuche einen offenbaren Rechtsmißbrauch dar. Die Angeklagten haben offenbar heute Nachmittag ihren Spaß daran gefunden, laufend Ablehnungsgesuche zu stellen und damit den geordneten Fortgang der Hauptverhandlung zu verhindern. Die von ihnen beanstandeten Maßnahmen entsprechen Recht und Gesetz. Ich beantrage deshalb, die Ablehnungsgesuche gem. § 26a Abs. I Ziffer 3 StPO wegen Prozeßverschleppung zurückzuweisen. Dankeschön.

Vors.:

Ich bitte in 10 Minuten wieder anwesend zu sein. Das Publikum wird vorsorglich zugelassen.

Angekl. B[aader]:

Zur Glaubhaftmachung ...

Der Senat zieht[sss] sich um 16.16 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 16.27 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt.

Die Angeklagten sind nicht mehr anwesend[ttt].

Oberstaatsanwalt Zeis ist nicht mehr anwesend[uuu].

Vors.:

Der Senat setzt die Sitzung fort. Er hat folgenden Beschluß gefaßt:

[7753] Die Ablehnung der Richter des Senats wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Der Senat hat die Angeklagte Meinhof nicht wieder zugelassen, weil dafür kein Anlaß bestand. Sie hatte ausreichend rechtliches Gehör. Eines Antrags der Bundesanwaltschaft über die Dauer des Ausschlusses hätte es nach dem Gesetz nicht einmal bedurft. Die Dauer selbst ist in dem Beschluß begründet. Über die Zulassung Rechtsanwalt Dr. Temmings als Verteidiger der Angeklagten Meinhof war nach § 137 Abs. I Satz 2 StPO nicht zu entscheiden, weil die Angeklagte Meinhof schon drei Wahlverteidiger hat. Über den Antrag, Professor Azzola zum Pflichtverteidiger der Angeklagten Meinhof zu bestellen, ist deshalb noch nicht entschieden, weil dieser wochenlang nicht zu erreichen war und in der vergangenen Woche ausdrücklich erklärt hat, er wolle zu dem von der Angeklagten Meinhof gestellten Antrag Stellung nehmen. Ihm diese Gelegenheit zu geben, ist angesichts der aus § 142[ StPO][47] sich ergebenden rechtlichen Bedenken geboten. Mit Befangenheit hat dies alles nichts zu tun. Das wissen auch die Angeklagten. Die Ablehnung dient offensichtlich nur der Prozeßverschleppung.

Der Zeuge Rosskopf erscheint um 16.27 Uhr wieder[vvv] im Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Zeuge, Sie waren gerade dabei, mit Ihrer Schilderung zu beginnen, was Sie damals als die Explosion passierte, erlebt und beobachtet haben. Bitte fahren Sie fort.

Zeuge Ros[skopf]:

Ich darf vielleicht wiederholen. Der erste Sprengkörper ist um 12.15 Uhr im 4. Stockwerk explodiert. Wir haben dann unser Zimmer verlassen und sind den Gang vorgegangen und sahen eine Staubwolke und sind dann wieder zurück. Als wir kurz unser Zimmer betreten hatten, explodierte der zweite Sprengkörper und zwar gegenüber dem Zimmer 337. Es sind dann die Türen reingeflogen und die Fenster und eine riesen Staubwolke ergoß sich in das Zimmer. Wir haben dann momentan nichts [7754] mehr gesehen. Und als sich der Staub verzogen hatte, haben wir festgestellt, daß vor dem Zimmer ein Trümmerhaufen war, die ganze Decke herunterkam und die Fensterscheiben und Türen auf dem Gang lagen. Der Schrank, auf dem der Sprengkörper vermutlich gelegen hat, war in Splitter aufgelöst. Soweit meine Feststellungen. Ich kann vielleicht noch dazu sagen, daß hinter mir ein Splitter in eine Tür eingeschlagen hat. Der Splitter war ungefähr nach meiner Schatzung 1 ½ cm lang und ½ cm breit. Mehr kann ich zu der Sache nicht sagen. Ich bin nicht verletzt worden.

Vors.:

Wie ist der Splitter in das Zimmer reingekommen. Ist er durch irgendwelche Öffnungen reingekommen oder durch ...

Zeuge Ros[skopf]:

Der ist durch das Türgerüst des Zimmers 338 durchgeschlagen und ist dann in der nächsten Türe, die links von dieser Türe lag, oben an der rechten oberen Ecke hangen geblieben.

Vors.:

Nur daß wir uns richtig verstehen? Türgerüst?

Ist das der Rahmen?

Zeuge Ros[skopf]:

Der Rahmen der Tür, ja.

Vors.:

Den hat es durchschlagen?

Zeuge Ros[skopf]:

Jawohl.

Vors.:

Wie breit ist dieser Rahmen?

Zeuge Ros[skopf]:

Ich schätze, ich kann nur Schätzungen angeben. Ich schätze 20 bis 25 cm.

Vors.:

Und in dieser ganzen Breite ist der Splitter durchgesaust?

Zeuge Ros[skopf]:

Der ist schräg durch etwa, wenn ich mich richtig entsinne, nach etwa 15 cm ist er schräg durch, so daß er also nicht das ganze Gerüst durchschlagen hat, sondern nur etwa die Ecke und ist dann links vor zu der Tür ...

Vors.:

Wäre es dann richtig, nach dem, was Sie geschildert haben, anzunehmen etwa, einige cm hat der Splitter noch den Rahmen passieren müssen, bevor er wieder austrat?

Zeuge Ros[skopf]:

Jawohl, ja.

Vors.:

Und können Sie uns die Zeit benennen, zwischen der 1. und der 2. Detonation.?

Zeuge Ros[skopf]:

Die erste Detonation war um 12.15 Uhr und die zweite etwa um 12.17 oder 12.18 Uhr. Ich kann mich nicht genau festlegen, aber kurz darauf.

[7755] Vors.:

Also lagen nur Minuten auseinander.

Waren Sie schon lang wieder ins Zimmer zurück-gekehrt, als die Detonation, die zweite, passierte?

Zeuge Ros[skopf]:

Ich hatte das Zimmer gerade betreten.

Vors.:

Gerade betreten?

Zeuge Ros[skopf]:

Ja.

Vors.:

Sind Sie irgendwie verletzt worden?

Zeuge Ros[skopf]:

Nein, nicht.

Der Angeklagte Raspe erscheint wieder um[www] 16.31 Uhr im Sitzungssaal

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe ... Zimmer 338 ist von Ihnen ausdrücklich erwähnt worden. Da haben Sie zwar nicht zugehört, aber Sie waren dienstlich in diesem Zimmer?

Zeuge Ros[skopf]:

Ich wollte gerade ein Diktat abgeben.

Vors.:

Sonstige Fragen an diesen Herrn Zeugen? Beim Gericht nicht. Die Herrn der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen. Die Herrn Verteidiger? Ich sehe keine Fragen.

Der Zeuge Rosskopf bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Die Zeugin Hansmann erscheint wieder um[xxx] 16.32 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Ich bitte Sie um die Angaben Ihrer Personalien.

Die Zeugin machte folgende Angaben zur Person.

Zeugin Hansmann

Maria Hansmann, 44 Jahre alt,
led. Angestellte bei der Polizeidirektion Augsburg,
wohnh. Augsburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

[7756] Der Angeklagte Raspe verläßt um 16.33 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Waren Sie auch schon im Mai 1972 in der Polizeidirektion Augsburg beschäftigt?

Zeugin Han[smann]:

War ich auch schon.

Vors.:

Haben Sie damals die Explosionen miterlebt?

Zeugin Han[smann]:

Ich hab sie miterlebt. Ich war im Zimmer 338.

Vors.:

Wollen Sie bitte schildern, was Sie damals mitbekommen haben?

Zeugin Han[smann]:

Ja, das war am 12. Mai gegen 12.15 Uhr. Da wurden wir durch einen heftigen Knall erst mal aufmerksam und einige von unseren Herrn, die gingen dann auf den Gang raus, um zu sehen, was los war. Sie stellten dann eine Rauchwolke fest. Kamen dann zurück, um uns das zu berichten und ungefähr nach drei Minuten hat es dann bei uns einen erneuten Knall getan. Das war dann unmittelbar vor unserer Bürozimmertür. Und die Türen fielen dann rein und die Fensterscheiben. Und dann wußten wir also, daß es sich um eine Bombe oder um einen Sprengstoff handeln muß.

Vors.:

Ja. Haben Sie sonstige Beobachtungen noch gemacht, z.B. über Trümmerstücke, die in der Luft herumgeflogen sind. Wohin die gingen, etwa in Ihr Zimmer?

Zeugin Han[smann]:

Ja. Es kam ein Splitter, der ging über unsere Köpfe schräg in einen anderen Türrahmen rein. Dort blieb er stecken.

Vors.:

Haben Sie selbst beobachtet, wie der Splitter ins Zimmer reingekommen ist.

Zeugin Han[smann]:

Nein, das nicht. Das haben wir erst später festgestellt.

Vors.:

Was haben Sie da festgestellt?

Zeugin Han[smann]:

Daß da sich ein Splitter im Türrahmen festgesetzt hatte.

Vors.:

Das war dann die Stelle, wo er zur Ruhe kam?

Zeugin Han[smann]:

Ja.

Vors.:

Aber wie ist er ins Zimmer eingedrungen? Durch eine Öffnung oder mußte er da irgendwie auch noch durch feste Gegenstände?

Zeugin Han[smann]:

Die Tür scheint schon durch den Knall geöffnet worden zu sein. Also die Tür zu 338 wurde durch den Knall aufge- [7757] rissen und der Splitter, das ist also ein Vorzimmer, und der Splitter blieb dann im angrenzenden Zimmer im Türrahmen.

Vors.:

Haben Sie Beobachtungen dahin gemacht, daß dieser Splitter, den Sie erwähnen, möglicherweise auch schon den Türrahmen getroffen hatte und den irgendwie durchschlagen hatte?

Zeugin Han[smann]:

Nein, nein.

Vors.:

Das haben Sie nicht beobachtet. Und wenn Sie von Fenstern sprechen, sind das die Außenfenster, die also rausgeflogen sind?

Oberstaatsanwalt Zeis erscheint wieder um[yyy] 16.35 Uhr im Sitzungssaal.

Zeugin Han[smann]:

Das waren die Außenfenster, die Scheiben. Die Splitter fielen aber ins Zimmer rein.

Vors.:

Aha.

Zeugin Han[smann]:

Die Tür ging vom Gang auf, durch den Knall, und die Fensterscheiben sind hereingefallen, ins Zimmer.

Vors.:

Sind Sie selbst verletzt worden?

Zeugin Han[smann]:

Verletzt nicht, nur übersät von kleinen Fenstersplittern.

Vors.:

Ist das richtig, daß sich in dem Zimmer sonst noch jemand aufgehalten hat?

Zeugin Han[smann]:

Ja, das stimmt.

Vors.:

Nämlich?

Zeugin Han[smann]:

Herr Rosskopf war bei mir, er wollte mir diktieren.

Vors.:

Ja. Sonstige Fragen an die Frau Zeugin? Beim Gericht nicht, wie ich sehe. Die Bundesanwaltschaft nicht. Die Herrn Verteidiger nicht.

Die Zeugin Hansmann bleibt bis zu der später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.

Die Zeugin Eirenschmalz erscheint um 16.37 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Darf ich zunächst um Ihre Personalien bitten.

[7758] Die Zeugin machte folgenden Angaben zur Person

Zeugin Eirenschmalz:

Charlotte Eirenschmalz, 48 Jahre alt, Raumpflegerin, Polizeidirektion Augsburg, wohnh. Augsburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Waren Sie auch schon im Mai 1972 tätig in der Polizeidirektion?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie damals mitbekommen, daß es zu Explosionen gekommen ist?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja.

Vors.:

Bitte, wenn Sie uns nun schildern wollen, alles was Sie damals gesehen und beobachtet haben?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Das war am 12. Mai 1972. Mein Arbeitsbeginn war um 12 Uhr und wie ich mich umgekleidet habe und bin zum Hauptgang vorgelaufen, habe ich so gerade vor dem Zimmer 337 auf dem Schrank einen kleinen Kanton entdeckt. Der war so grauschwarzmeliert. Und der Deckel war nicht ganz geschlossen. Da war ich der Annahme, das ist ein leerer Karton und ich wollte Herrn Adam schon fragen, weil dem nämlich der Schrank gehört hat, ob ich den wegwerfen darf, der leere Karton. Aber ich hab es dann wieder sein lassen und bin weiter vorgegangen und habe meinen Gang gekehrt. Und wie ich dann in der Höhe war vom Vorzimmer, vom Oberpolizeidirektor, war die erste Explosion weiter vorne, die erste Explosion.

Vors.:

Das wäre also im 4. Stockwerk?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Die ist vom 4. Stockwerk runter auf den 3. Und das war so 12.15 Uhr.

Vors.:

Also damit wir uns klar sind. Die Explosion war im 4. Stockwerk und Sie selbst waren im?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Im 3. Stockwerk. Und vielleicht ein paar Minuten später hat es dann hinten gekracht, da war die zweite Explosion. Und zufällig ist dann der Herr Adam gekommen und hat gesagt, da muß etwas auf dem Schrank gestanden sein. Da habe ich ge- [7759] sagt: „Ja Herr Adam, ich hab einen Karton gesehen.“ Da hat er gesagt: „Ja, das war sicher der Karton.“ Weil der Schrank war ja ganz kaputt.

Vors.:

Sie waren also wohl bei beiden Explosionen zum Glück ziemlich weit entfernt gewesen, durch Ihre Tätigkeit?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, zum Glück. Ich war ganz allein auf dem Gang. Da war niemand da.

Vors.:

Und wie kam es nun nach Ihrer Meinung, daß man sich für diesen Karton interessiert hat. Haben Sie selber irgend etwas gesehen, dort, wo der Schrank gewesen ist?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, den Karton halt.

Vors.:

Ja nein, ich meine, nachtäglich hat man sich ja offenbar um diesen Karton ein bißchen gekümmert. Man hat Sie danach gefragt.

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, man hat mich gefragt, wie groß der Karton war.

Vors.:

Haben Sie selbst beobachten können, warum man sich für diesen Karton interessiert hat? War z.B. der Schrank, auf dem er gestanden hat, noch vorhanden?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Der war nicht mehr vorhanden.

Vors.:

Der war nicht mehr vorhanden. Hat es den zerrissen?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Den hat’s zerrissen, ja.

Vors.:

Das haben Sie selber sehen können?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, da war ja alles kaputt.

Vors.:

Sie haben gerade gesagt, es sei ein kleiner Karton gewesen, so graumeliert, wenn ich Sie richtig verstanden habe?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Grauschwarzmeliert.

Vors.:

Können Sie die Maße etwa benennen?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Vielleicht so 30 cm lang und 15 cm breit, also ungefähr.

Vors.:

Und wie hoch?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Naja, hoch vielleicht 12 cm, also ungefähr. Genau weiß ich es nicht. Und der Deckel war nicht eigens, der war so ein Deckel zum Einschlagen. Und der war eben nicht zu. Drum habe ich angenommen, es ist ein leerer Karton.

Vors.:

Ja. Sonstige Fragen an die Frau Zeugin? Bitte Herr Berichterstatter?

Richter Ma[ier]:

Waren Sie bei der zweiten Explosion auch noch in Höhe des Direktorvorzimmers?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja.

[7760] Richter Ma[ier]:

Wissen Sie die Zimmernummer dieses Zimmers?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Vom Vorzimmer? Nein, die weiß ich gerade nicht.

Richter Ma[ier]:

Kann das 339 sein?

Zeugin Eir[enschmalz]:

339?

Richter Ma[ier]:

Ja.

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, das könnte sein.

Richter Ma[ier]:

Wissen Sie es nicht genau?

Zeugin Eir[enschmalz]:

339, ja das müßte es sein.

Richter Ma[ier]:

Ja. Dankeschön.

Vors.:

Weitere Fragen? Herr Bundesanwalt Holland?

OStA Ho[lland]:

Frau Zeugin, als die zweite Explosion erfolgte, können Sie uns sagen, wie weit Sie etwa von dieser Detonationsstelle entfernt gestanden haben?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, wie weit. Das weiß ich auch nicht. Es war halt dort das Vorzimmer.

OStA Ho[lland]:

Ja ungefähr. Wenn Sie es mal hier im Raum andeuten wollen?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Wie weit war das. Schlecht zu sagen.

OStA Ho[lland]:

Dann will ich einmal so fragen, mehr als 3 Meter?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja freilich, auf alle Fälle.

OStA Ho[lland]:

Mehr als 5 Meter?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, freilich, wie weit war das ...

OStA Ho[lland]:

Was sagten Sie?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Das weiß ich nicht genau, wie weit das ist dort.

OStA Ho[lland]:

Wenn Sie mal hier die Entfernung von sich hier zu unserer Bank als Maßstab nehmen wollen. War es da weiter oder in der Entfernung kürzer?

Die Zeugin schaut zu der Bank der Bundesanwaltschaft und erklärt:

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, das war weiter.

OStA Ho[lland]:

Doch etwas weiter. Wieviel weiter etwa? Bis zur nächsten Bankreihe?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Das weiß ich auch nicht so genau.

OStA Ho[lland]:

Können Sie nicht sagen. Dankeschön.

Vors.:

Sonstige Fragen? Bitteschön.

Richter Ma[ier]:

Frau Eirenschmalz, wo haben Sie denn Ihre Sachen aufbewahrt?

[7761] Zeugin Eir[enschmalz]:

Das ist ein Nebengang gewesen vom Hauptgang.

Richter Ma[ier]:

Im dritten Stock oder im vierten?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Im 3. Stock.

Richter Ma[ier]:

Auch im 3. Danke.

Vors.:

Keine Fragen mehr an die Frau Zeugin? Ich sehe nicht. Frau Hansmann, Sie haben eben die Frage mit verstanden mit dem Vorzimmer, nach der Nummer des Direktorvorzimmers. Können Sie es angeben?

Zeugin Han[smann]:

332.

Vors.:

Jetzt haben Sie die Nummer gehört, kann das stimmen?

Zeugin Eir[enschmalz]:

Ja, stimmt.

Vors.:

Darf ich nun, wenn keine Fragen mehr sind und keine Einwendungen erhoben werden, die Zeugen vorbitten, wir wollen sie vereidigen.

Der Zeuge EPHK[zzz] Rosskopf und die Zeuginnen Hansmann und Eirenschmalz werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 16.44 Uhr entlassen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, wir wollten Ihnen jetzt das Wort noch zu Ihren Ausführungen geben.

RA Schi[ly]:

Ja, dankeschön. Also ich habe in der gestrigen Ausgabe der Stuttgarter Zeitung auf Seite 2 einen Bericht gelesen, in dem es heißt: „Der Kronzeuge[48] im Stuttgarter Baader-Meinhof-Prozeß, Dierk Hoff,[49] wird nach Angaben des Stuttgarter Oberlandesgericht „höchstwahrscheinlich“ am 6. oder 7. April im Stammheimer Verfahren nochmals vernommen werden. Wie ein Sprecher des Oberlandesgerichts am Montag auf Anfrage betonte, wird die Nachvernehmung des 36 jährigen Metallbildners aus Frankfurt mit einigen Widersprüchen bei seiner Aussage vor rund 1 Monat begründet.“ Und dann kommt eine Zusammenfassung dessen, was also nach Meinung des DPA Berichterstatters der Herr Hoff hier bisher bekundet hat. Und es wird auch noch ein bißchen auf den Herrn Tratter[50] Bezug genommen. Die Frage, die ich an den Senat, insbesondere an den Herrn Vorsitzenden habe, wie der Sprecher des Oberlandesgerichts dazu kommt, hier Erklärungen dieser Art abzugeben, [7762] bevor in der Hauptverhandlung den Prozeßbeteiligten etwas mitgeteilt wird, über den weiteren Fortgang der Beweisaufnahme? Zumal ich als Verteidiger hier ja auch mal eine Anfrage gestellt habe an den Herrn Vorsitzenden und wie der Sprecher des Oberlandesgerichts auch ferner dazu kommt, zu erklären, daß diese Nachvernehmung in einer bestimmten Weise begründet wird. Ich habe ja von Ihnen, Herr Vorsitzender, hier zu Mittag eine schriftliche Stellungnahme bekommen ...

Vors.:

Aufklärung, nicht Stellungnahme, aber bitte ...

RA Schi[ly]:

Wie bitte?

Vors.:

Eine Aufklärung, wie das sich in den Augen des Gerichts abgespielt hat.

RA Schi[ly]:

Naja also, ich streite mich da nicht ums Wort, wie Sie das nennen wollen, obliegt selbstverständlich Ihnen selbst, also eine Mitteilung, ganz neutral ausgedrückt, eine schriftliche Mitteilung, nichtwahr, daß Sie den Herrn Pressereferenten beschieden hätten mit dem Zusatz, es sei sehr wahrscheinlich, daß Herr Hoff benötigt werde, wobei ich auch die Frage stellen möchte, inwiefern sich der Herr Vorsitzende eigentlich für berechtigt hält, gegenüber Pressereferenten des Oberlandesgerichts irgendwelche Prognosen über den Fortgang der Beweisaufnahme zu stellen. Ich glaube auch, daß das Sache hier der Gerichtsverhandlung ist und nicht Sache irgend eines Pressereferenten, darüber dann der Öffentlichkeit Mitteilung zu machen. Und ich meine, daß da die Prozeßbeteiligten und ich als Verteidiger Anlaß habe, hier vom Herrn Vorsitzender Aufklärung über diesen Vorgang zu verlangen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, an sich haben Sie Aufklärung bekommen. Das Schriftliche ist gesagt. Ich bin eigentlich erstaunt, daß Sie sich überhaupt dieses Punktes annehmen noch, nachdem ich Ihnen mitgeteilt habe, daß Sie selbst wohl die Ursache gewesen sind, für die Anfrage des DPA-Vertreters. Auf Ihren Wunsch ist hier bekannt gegeben worden, daß es im Terminsplan bereits ausgewiesen sei, daß der Zeuge Hoff eventuell vernommen werden würde. Sie haben das Wort eventuell noch erläutert haben wollen in der Sitzung. Und ich habe gesagt, wir seien grundsätzlich bereit, wenn dazu Anlaß bestünde, und ich bin überzeugt, ich kenne die Motive nicht, aber [7763] ich bin überzeugt, daß der Pressevertreter angefragt hat bei unserem Pressereferenten, der völlig korrekte Weg, ob das nun definitiv sei, daß Herr Hoff wiederkommen müsse. Und ich habe ihm dann gesagt, es sei nicht definitiv, aber es sei mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen. Und er hat sich auch nach dem Gegenstand erkundigt. Und ich habe gesagt, es handelt sich um eine Nachvernehmung im Zusammenhang mit divergierenden Aussagen zwischen Herrn Hoff und Herrn Tratter. Da glaube ich mich dazu berechtigt und ich glaube nicht, daß sich dadurch irgend jemand in seinen Rechten hier tangiert fühlen könnte. Im übrigen habe ich heute früh in Ihrer Abwesenheit noch mitgeteilt, daß die Ladung von Herrn Hoff definitiv beschlossene Sache ist.

RA Schi[ly]:

Ja, dann würde ich doch vorschlagen, in Zukunft so zu verfahren, Herr Vorsitzender, das in der Hauptverhandlung bekanntzugeben und nicht über einen Pressereferenten in der Öffentlichkeit irgend etwas bekannzugeben. Ich glaube nicht, daß es Sache des Senats ist, hier über einen Pressereferenten der Öffentlichkeit über den Fortgang der Beweisaufnahme etwas mitzuteilen und dann auch noch über die Motive. Also ich würde darauf bestehen, daß in Zukunft diese Dinge ausschließlich in der Hauptverhandlung erörtert werden. Sonst müßte sich die Verteidigung überlegen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

Vors.:

Jedenfalls, das dürfen Sie überlegen. Ich versichere Ihnen, ich werde mir in jedem Einzelfall überlegen, ob der Presse eine Auskunft über den Pressereferenten, wir selbst stehen zu keinen Auskünften zur Verfügung, gegeben werden kann oder nicht. Ich hielt es in diesem Falle für möglich. Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß es korrekt war. Wir setzen morgen früh die Sitzung fort mit der Vernehmung folgender Zeugen: Herr Jörs als erster, dann Herr Hechtl, Pielmeier, Stelzl, Huber, Nissl, Neumaier. Es werden nach meiner Auffassung dazu benötigt die Ordner 101, 107 und 108. Damit ist die Sitzung für heute abgeschlossen.

Ende der Sitzung um 16.49 Uhr

Ende von Band 428


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Auch andere Prozesshandlungen (Erklärungen und Anträge) erfolgen regelmäßig innerhalb der mündlichen Verhandlung mündlich (vgl. zur Form auch Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 337; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 124). Für manche Prozesshandlungen finden sich zudem besondere gesetzliche Regeln zum Verfahren (z.B. zu Befangenheitsanträgen in §§ 25, 26 StPO). Sind Vorgänge verfahrensrechtlich jedoch nicht geregelt und beziehen sie sich nicht unmittelbar auf die oben beschriebenen Inhalte, müssen sie nicht Gegenstand der Hauptverhandlung sein.

[5] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[6] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[7] Gegenvorstellungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn das Gericht auch befugt wäre, die eigene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben, so z.B. in den Fällen, in denen eine ordentliche Beschwerde zulässig wäre (die Abänderungsbefugnis ergibt sich für diesen Fall aus § 306 Abs. 2 StPO). Da die Beschwerde gegen Beschlüsse des OLG in erster Instanz in der Regel ausgeschlossen ist (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO), kommt auch eine Gegenvorstellung in diesen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen sollen aber für Fälle gelten, in denen eine Grundrechtsverletzung (auch in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht wird (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 296 Rn. 25) oder die Beseitigung groben prozessualen Unrechts anders nicht behoben werden kann (Allgayer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 296 Rn. 14). Diese Ausnahmen sind durchaus umstritten (ablehnend etwa Allgayer, a.a.O. Rn. 15). Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschl. v. 8.1.1959 (Az.: 1 BvR, 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 107), dass das Gericht auch im Falle eines unanfechtbaren Beschlusses des OLG auf die Möglichkeit der Gegenvorstellung hinweisen muss, wenn zuvor rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht gewährt wurde.

[8] Diese Aussage bezieht sich auf die Frage, ob der Zeuge mit den Angeklagten verwandt oder verschwägert sei, sowie die Frage nach etwaigen Vorstrafen wegen Meineids (s. bereits die entsprechenden Angaben des vorigen Zeugen, S. 7714 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[9] Der/Die Vorsitzende leitet die Hauptverhandlung (§ 238 Abs. 1 StPO). Darunter fällt auch die Entscheidung über den Gang des Verfahrens (soweit dieser nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, etwa durch §§ 243, 244 StPO), die Reihenfolge, in der den Prozessbeteiligten das Wort erteilt wird, die Entziehung des Wortes im Falle des Missbrauchs, sowie die Entscheidung, einen Antrag entgegenzunehmen (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 238 Rn. 3 f.).

[10] § 137 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“. Die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen wurde erst mit Wirkung zum 1.1.1975 durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt.

[11] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft. Ob die sog. sukzessive Verteidigung, also der zwischenzeitliche Wechsel der Mandatsbeziehung, bei dem zunächst ein/e Angeklagte/r, später nach Beendigung des Mandatsverhältnisses ein/e andere/r Angeklagte/r verteidigt wird, von dem Verbot umfasst war, war umstritten. In der Rechtsprechung wurde die Zulässigkeit der sukzessiven Verteidigung allerdings verneint (BGH, Beschl. v. 23.3.1977 - Az.: 1 BJs 55/75; StB 52/77, BGHSt 27, S. 154, 155).

[12] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu.

[13] Die Zulässigkeit des damaligen Auftretens als Vertreter für Rechtsanwältin Becker (nach voriger Stellvertretung des Rechtsanwalts Riedel) begründete der Senat mit der besonderen Stellung im Rahmen der Stellvertretung: Ein Mandatswechsel habe nicht vorgelegen, „[d]a sich das Recht des Vertreters von der Vertretenen herleitet“ (so der Vorsitzende Dr. Prinzing am 41. Verhandlungstag, S. 3161 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[14] In der genannten Ausgabe der NJW befanden sich zur Frage der sukzessiven Verteidigung die folgenden obergerichtlichen Entscheidungen: Das OLG Hamburg entschied mit Beschl. v. 24.11.1975 (Az.: 3 Ws 76/75, NJW 1976, S. 250), dass der Verteidigungswechsel zwischen zwei Angeklagten im selben Verfahren gem. § 146 StPO unzulässig sei; das OLG München entschied, dass das Verbot nach § 146 StPO auch solche Fälle umfasse, in denen zwei Mitbeschuldigte, denen die Beteiligung an derselben Tat vorgeworfen wurde, in getrennten Verfahren vertreten werden sollen, selbst wenn das Verfahren gegen eine/n Mitbeschuldigte/n schon rechtskräftig abgeschlossen sei (OLG München, Beschl. v. 28.11.1975 - Az.: 1 Ws 1304/75, NJW 1976, S. 252); s. aber auch den Beschluss des LG Memmingen, wonach ein/e Verteidiger/in des/der in erster Instanz rechtskräftig Verurteilten in der Rechtsmittelinstanz eine/n Mitangeklagte/n vertreten dürfe (LG Memmingen, Beschl. v. 5.11.1975 - Az.: Qs 81/75, NJW 1976, S. 252).

[15] Anlage 1 zum Protokoll vom 10. März 1976: Strafprozessvollmacht des Angeklagten Baader für Rechtsanwalt Dr. Temming.

[16] Zur amtlichen Bestellung s. bereits Fn. 12. Das OLG Hamburg befasste sich in seiner Entscheidung (Fn. 14) nicht mit der Thematik der Stellvertretung. In der Entscheidung des OLG München war immerhin das zweite Mandatsverhältnis eines, das in Untervollmacht für einen anderen Verteidiger ausgeübt werden sollte.

[17] Das Bundesverfassungsgericht befasste sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob eine Auslegung des § 146 StPO, nach der auch die Verteidigung mehrerer (Mit-)Beschuldigter in verschiedenen Verfahren unzulässig sei, mit Art. 12 Abs. 1 GG (freie Berufsausübung) vereinbar sei. Das Gericht bejahte dies. In diesem Beschluss machte das Gericht auch Ausführungen zur sukzessiven Verteidigung und zur Unterbevollmächtigung: „Im Falle der sog. sukzessiven gemeinschaftlichen Verteidigung, die § 146 StPO nach Auffassung der Bundesanwaltschaft ebenfalls verbietet, ist eine Interessenkollision in der Person des Verteidigers z.B. dann denkbar, wenn der frühere Mandant den späteren belastet [...]. Daß bei gemeinschaftlicher Verteidigung ein Interessenkonflikt auch in der Person des unterbevollmächtigten Anwalts auftreten kann, liegt auf der Hand“ (BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschl. v. 26.11.1975 - Az.: 2 BvR 883/75, NJW 1976, S. 231).

[18] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).

[19] Fn. 14.

[20] Das Gericht verkündete am 40. Verhandlungstag den Beschluss, dass die Verhandlung aufgrund vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten in deren Abwesenheit fortgesetzt werde. Der BGH bestätigte die Entscheidung mit Beschluss vom 22.10.1975, wies allerdings darauf hin, dass die Angeklagten nicht davon abgehalten werden dürften, freiwillig weiter an der Hauptverhandlung teilzunehmen (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 STE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234). Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde als offensichtlich unbegründet verworfen (BVerfG, Beschl. v. 21.1.1976 - Az.: 2 BvR 941/75, BVerfGE 41, S. 246).

[21] Die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Dr. Croissant gegen seinen Ausschluss von der Mitwirkung im Verfahren wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (§ 138a StPO) nahm das Bundesverfassungsgericht wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten gar nicht erst zur Entscheidung an (BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschl. v. 4.7.1975 - Az.: 2 BvR 482/75, NJW 1975, S. 2341). Gleiches gilt für die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Köncke, der - wie seine Kollegen Golzem und Spangenberg - wegen des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) ausgeschlossen wurde (BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschl. v. 13.1.1976 - Az.: 2 BvR 1001/75, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 46 f.).

[22] Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten die Verfassungsgemäßheit einiger dieser Bestimmungen: zu § 137 Abs. 1 S. 2 StPO und § 146 StPO s. BVerfG, Beschl. v. 11.3.1975 - Az.: 2 BvR 135/75 u.a., BVerfGE 39, S. 156, 162 ff.; zu § 138a StPO s. BVerfG (Vorprüfungsausschuss), Beschl. v. 4.7.1975 - Az.: BvR 482/74, NJW 1975, S. 2341; zu § 231a StPO s. BVerfG, Beschl. v. 21.1.1976 - Az.: 2 BvR 941/75, BVerfGE 41, S. 246, 249.

[23] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975, und damit noch vor Beginn der Hauptverhandlung, wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.). Die Ausschlüsse erfolgten allerdings durch den hierfür zuständigen 1. Strafsenat des OLG Stuttgart. Bereits mit Verfügung vom 3. Februar 1975 hatte aber der Vorsitzende Dr. Prinzing die Beiordnung der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele als Pflichtverteidiger von Andreas Baader aufgehoben, da nicht auszuschließen sei, „daß sie von den Bestimmungen über den Ausschluß von Verteidigern im Strafverfahren betroffen werden könnten“ (s. dazu S. 235 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).

[24] Da sich die Ausschlüsse auf die Verteidigung von Andreas Baader bezogen, legitimierten sie sich am ersten Verhandlungstag für jeweils andere Angeklagte und stellten den Antrag, zur Hauptverhandlung zugelassen zu werden. Der 2. Strafsenat war allerdings der Auffassung, die Wirkung der bereits ergangenen Ausschlussentscheidungen umfasse auch das Verbot der Mitwirkung der ausgeschlossenen Verteidiger im Hinblick auf die übrigen Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft äußerte gegen diese Rechtsauffassung erhebliche Bedenken und beantragte daher, die Verteidiger auch im Hinblick auf die anderen Angeklagten auszuschließen (Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 65 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Diesen Antrag legte der 2. Strafsenat dem zuständigen 1. Strafsenat zur Entscheidung vor. Dieser bestätigte nun die Auffassung des 2. Senates und wies den (nach dieser Ansicht überflüssigen) Antrag auf erneuten Ausschluss zurück. Die hiergegen gerichteten Beschwerden verwarf der BGH (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 StB 18/75, BGHSt 26, S. 221).

[25] Rechtsanwalt Siegfried Haag, ebenfalls dem Angeklagten Baader beigeordnet, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).

[26] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Gegen die Verteidiger/innen in den RAF-Prozessen wurden zahlreiche solcher Ehrengerichtsverfahren eingeleitet (s. dazu etwa das Interview mit von Plottnitz, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 91, 95 f.; s. auch die Dokumentation von Ehrengerichtsverfahren von Spangenberg, Kritische Justiz 1976, S. 202).

[27] Horst Herold war von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (s. die vorangestellte Vita in Bundeskriminalamt [Hrsg.], Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag, 1998, S. 15, 17).

[28] Der Ausschluss der Anwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele (Fn. 23) erfolgte durch Beschluss des zuständigen 1. Strafsenats des OLG Stuttgart. Tatsächlich durch den 2. Strafsenat des OLG Stuttgart ausgeschlossen wurden die Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg aufgrund des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO), da diese in einem Parallelverfahren vor dem LG Kaiserslautern die dort Angeklagten Grashof, Grundmann und Jünschke vertraten (der Beschluss des 2. Strafsenats ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 44 ff.; diese weite Auslegung des § 146 StPO war Anlass für einige Diskussionen, s. dazu die Kritik der Verteidigung am 43. Verhandlungstag, S. 3320 f., 3338 ff., 3354 ff. und 3394 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Rechtsanwalt von Plottnitz wurde zwar nicht vom Verfahren ausgeschlossen, allerdings wurde seine Bestellung als Pflichtverteidiger für den Angeklagten Raspe zurückgenommen (die Verfügung des Vorsitzenden Dr. Prinzing vom 7.11.1975 ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.; s. hierzu auch die auf diese Verfügung gestützte und am 43. Verhandlungstag im Namen des Angeklagten Raspe von Rechtsanwalt Mairgünther vorgetragene Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit, S. 3308 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Gleiches gilt für die der Angeklagten Ensslin beigeordnete Rechtsanwältin Becker (s. S. 3146 des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag), wobei die Gründe ihrer Entpflichtung nicht aus dem Protokoll hervorgehen. Die Bestellung des Rechtsanwalts Riedel, der der Angeklagten Meinhof beigeordnet war, wurde schließlich auf eigenen Antrag, sowie auf Antrag der Angeklagten Meinhof aufgehoben (S. 5179 des Protokolls der Hauptverhandlung, 57. Verhandlungstag). Nicht mehr auftreten konnte zudem Rechtsreferendar Dr. Temming, der ab dem 41. Verhandlungstag als amtlicher Vertreter der Wahlverteidigerin Becker an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte: Aus den Diskussionen am 43. Verhandlungstag geht hervor, dass das Landgericht Stuttgart die amtliche Bestellung als allgemeiner Vertreter von Rechtsanwältin Becker aufgehoben haben dürfte (S. 3318, 3340, 3356 des Protokolls der Hauptverhandlung). Ähnliches dürfte auch in Bezug auf den Rechtsreferendar Düx, amtl. Vertreter von Rechtsanwalt von Plottnitz, geschehen sein, wobei dies lediglich angedeutet wird (43. Verhandlungstag, S. 3340 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 43. Verhandlungstag). Zum Untertauchen des Rechtsanwalts Haag in die Illegalität s. Fn. 25.

[29] Gegen die vom Verfahren ausgeschlossenen Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurden Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB eingeleitet. Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Rechtsanwalt Dr. Croissant wurde am 16.2.1979 vom LG Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zweieinhalb Jahren, Rechtsanwalt Groenewold am 10.7.1978 vom OLG Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren auf Bewährung und Rechtsanwalt Ströbele am 24.3.1982 vom LG Berlin zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Gegen Rechtsanwalt Dr. Croissant wurde ein vierjähriges Berufsverbot verhängt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52), gegen Rechtsanwalt Groenewold ein Teilberufsverbot für Strafsachen für die Dauer von fünf Jahren, wovon zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits vier durch ein vorläufiges Berufsverbot abgegolten waren (Interview mit K. Groenewold, in Diewald-Kerkmann/Holtey [Hrsg.], Zwischen den Fronten, 2013, S. 49, 70 f.).

[30] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[31] Grundsätzlich ist es Ausdruck der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG), dass Richter/innen nicht an die Rechtsauffassungen anderer Gerichte gebunden sind (mit wenigen Ausnahmen, z.B. § 358 Abs. 1 StPO, die sich jedoch immer auf ein konkretes Verfahren beziehen, und nicht auf die von Bundesanwalt Dr. Wunder in Bezug genommenen „Grundsatzentscheidungen“). Eine solche rechtliche Bindung kann sich nur aus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergeben, wobei der Umfang der Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG durchaus umstritten ist (näher Ungern-Sternberg, in Walter/Grünewald [Hrsg.], Beck’scher Online-Kommentar BVerfGG, 9. Edition, Stand 1.7.2020, § 31 Rn. 25 ff.). In jedem Fall ist aber die Bindungswirkung inhaltlich auf die Auslegung von Verfassungsrecht beschränkt. Das Gericht kann daher zwar negativ eine bestimmte Auslegung einfachgesetzlicher Regelungen (mit Bindungswirkung) für verfassungswidrig erklären; bestätigt es jedoch die zu beurteilende Auslegung als mit dem Grundgesetz vereinbar, so folgt daraus nicht, dass dies die einzig „richtige“ Auslegung sei. Die Auslegung einfachen Rechts bleibt Aufgabe der Fachgerichte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.6.1975 - Az.: 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, S. 88, 94).

[32] Nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verwirft das Gericht die Ablehnung als unzulässig, „wenn durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.“

[33] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[34] Zu Beginn der Hauptverhandlung wurden die Angeklagten in der Regel für den restlichen Sitzungstag, ab dem 27. Verhandlungstag auch für die restliche Sitzungswoche ausgeschlossen (erstmals auf S. 2239 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Am 43. Verhandlungstag erfolgte zum ersten Mal ein Ausschluss für den restlichen Sitzungsmonat, ausgesprochen am 11.11.1975 (S. 3382 f. des Protokolls der Hauptverhandlung betr. Andreas Baader, S. 3385 betr. Jan-Carl Raspe, S. 3387 betr. Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, allesamt 43. Verhandlungstag). Der bisher längste Ausschluss wurde am 70. Verhandlungstag gegen den Angeklagten Baader ausgesprochen, der am 29. Januar 1976 bis zum Ende des Monats Februar 1976 ausgeschlossen wurde (S. 6268 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[35] Anlage 2 zum Protokoll vom 10. März 1976: Strafprozessvollmacht der Angeklagten Ensslin für Rechtsanwalt Dr. Temming.

[36] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO).

[37] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Ulrike Meinhof war zu diesem Zeitpunkt kein/e Verteidiger/in ihres Vertrauens mehr beigeordnet, nachdem die Beiordnung des Rechtsanwalts Riedel auf eigenen Antrag wieder zurückgenommen wurde (s. S. 5179 des Protokolls der Hauptverhandlung, 57. Verhandlungstag). Da den Angeklagten aber je zwei weitere Verteidiger zur Sicherung des Verfahrens (gegen ihren Willen) beigeordnet worden waren, konnte die Hauptverhandlung stets fortgesetzt werden. Die Angeklagten weigerten sich jedoch, mit den von ihnen sog. Zwangsverteidigern zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[38] Anlage 3 zum Protokoll vom 10. März 1976: Strafprozessvollmacht der Angeklagten Meinhof für Rechtsanwalt Dr. Temming.

[39] In dem in Bezug genommenen Beschluss (Fn. 17) führte das BVerfG zwar aus, es läge auf der Hand, dass ein Interessenkonflikt, der letztlich hinter dem Verbot des § 146 StPO stehe, auch in der Person des/der Unterbevollmächtigten entstehen könne. Aus der bloßen Feststellung, eine bestimmte Auslegung verstoße nicht gegen das Grundgesetzt, lässt sich allerdings nicht zwangsläufig auch die Schlussfolgerung ziehen, dass eine andere Auslegung mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Aus dem genannten Beschluss ergab sich daher in keiner Weise eine Veränderung der Rechtslage, geschweige denn eine rechtliche Bindung für den hier entscheidenden Senat (s. bereits Fn. 31). Für den Senat war er aber immerhin ein Signal, dass eine entsprechende Rechtsauffassung vor dem BVerfG Bestand haben würde.

[40] Fn. 10.

[41] Als Blockverteidigung wurde bis zur Reform des § 146 StPO (Fn. 22) zulässige gemeinsame Verteidigung mehrerer Beschuldigter bei gleicher Interessenlage bezeichnet. Diese wurde durch das Verbot der Mehrfachverteidigung unzulässig, was zur Folge hatte, dass die Verteidigung neu strukturiert werden musste (s. hierzu die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf den S. 229 ff., insbesondere S. 235 des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).

[42] § 33a Satz 1 StPO a.F. lautete: „Hat das Gericht in einem Beschluß zum Nachteil eines Beteiligten Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen er noch nicht gehört worden ist, und steht ihm gegen den Beschluß keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, so hat es, sofern der Nachteil noch besteht, von Amts wegen oder auf Antrag die Anhörung nachzuholen und auf einen Antrag zu entscheiden.“ Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 33a Satz 1 StPO bei Verletzung des rechtlichen Gehörs die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand, d.h. dass das Verfahren in die Lage zurückversetzt wird, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand.

[43] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).

[44] Die Beschränkung auf drei Verteidiger/innen gilt ausdrücklich nur für die Wahlverteidigung (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO). In den Fällen der notwendigen Verteidigung können zuvor gewählte Verteidiger/innen beantragen, als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet zu werden (zur notwendigen Verteidigung s. bereits Fn. 37). Die Beiordnung des Prof. Azzola hätte zur Folge gehabt, dass die Zahl der Wahlverteidiger/innen auf zwei gesunken wäre.

[45] Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), hat sie u.a. zur Folge, dass der/die beigeordnete Verteidiger/in einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse erhält (damals § 97 BRAGO, inzwischen ersetzt durch § 45 Abs. 3 RVG). Dies ist bei Wahlverteidiger/innen nicht der Fall, weshalb aufwendige und lang andauernde Prozesse gegen mittellose Mandant/innen mit einem Wahlmandat kaum zu bewältigen sind.

[46] Die Ablehnung ist gem. § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb einer bestimmten Frist benannt wird (zur Glaubhaftmachung s. bereits Fn. 30).

[47] § 142 StPO enthält Vorgaben über die Auswahl des/der zu bestellenden Verteidiger/in in den Fällen der notwendigen Verteidigung. Während § 138 Abs. 1 StPO für die Wahlverteidigung bereits damals ausdrücklich die Möglichkeit enthielt, Hochschullehrer/innen als Verteidiger/innen zu wählen, war dies dem Wortlaut des § 142 Abs. 1 StPO a.F. („Der zu bestellende Verteidiger wird durch den Vorsitzenden des Gerichts möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt“) nicht eindeutig zu entnehmen. Nach einer Änderung des Wortlauts durch das 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2280) war unstreitig auch die Bestellung von Hochschullehrer/innen zulässig (so auch die Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drs. 16/12098, S. 21). Nach erneuter Änderung des § 142 StPO durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) ist die Bestellung von Hochschullehrer/innen nunmehr nach § 142 Abs. 5 StPO bei Benennung durch den/die Beschuldigte/n zulässig, nicht jedoch nach § 142 Abs. 6 StPO bei eigener Auswahlentscheidung durch das Gericht (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 142 Rn. 58).

[48] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, S. 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[49] Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der später von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte, wurde als einer der Hauptbelastungszeugen ab dem 68., sowie am 98. Verhandlungstag vernommen. Die Verteidigung war der Auffassung, die Bundesanwaltschaft habe in unzulässiger Weise Einfluss auf seine Aussage genommen, etwa durch das in Aussicht stellen nicht vorgesehener Vorteile, und ihn dadurch gesetzeswidrig als Kronzeugen zu gewinnen (s. den durch Rechtsanwalt Dr. Heldmann vorgetragenen Beweisantrag, S. 7962 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 89. Verhandlungstag).

[50] Der Zeuge Alois Tratter wurde am 84. Verhandlungstag vernommen. Einige seiner Aussagen standen in einem Widerspruch zur Selbstbeschreibung des Zeugen Hoff und dessen Einbindung in die „Frankfurter Szene“, seinem Interesse am politischen Geschehen und seine Bekanntschaft mit den Angeklagten Baader und Ensslin.


[a] Maschinell eingefügt: fest

[b] Maschinell eingefügt: Hof.

[c] Maschinell eingefügt: Hof.

[d] Maschinell eingefügt: Hof.

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[gg] Maschinell eingefügt: Ri. Dr. Foth.: Wen lehnen Sie dann ab?

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[uu] Maschinell durch * eingefügt: (Angekl. B.: Ja, Moment, kann man denn da nicht erwidern?)

[vv] Maschinell durchgestrichen: anwesend durch mehr anwesend

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[xx] Handschriftlich ergänzt: Sitzungstage

[yy] Handschriftlich ersetzt: Vorgang durch Fortgang

[zz] Handschriftlich ersetzt: gegeben durch übergegeben

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[bbb] Handschriftlich ersetzt: für durch von

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[ddd] Handschriftlich eingefügt: ja

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[fff] Handschriftlich eingefügt: ist

[ggg] Handschriftlich ersetzt: vertritt durch vertreten hat

[hhh] Maschinell eingefügt: Ich bitte um eine Pause.

[iii] Maschinell eingefügt. V.: Bitte.

[jjj] Handschriftlich eingefügt: Frau

[kkk] Maschinell ersetzt: anwesend durch wieder anwesend

[lll] Handschriftlich eingefügt: zieht

[mmm] Maschinell eingefügt: mehr

[nnn] Maschinell eingefügt: mehr

[ooo] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

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[sss] Handschriftlich eingefügt: zieht

[ttt] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[uuu] Maschinell durchgestrichen: anwesend durch mehr anwesend

[vvv] Maschinell eingefügt: wieder

[www] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[xxx] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[yyy] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[zzz] Handschriftlich ergänzt: EPHK