[8574] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 1. April 1976, 9.01 Uhr
(96. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen - mit Ausnahme von OStA Holland - in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend: JOS Janetzko, JAss. Clemens.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als Verteidiger sind anwesend:
RÄe. Geulen (als Vertr. von RA Schily), Grigat, Linke, König, Herzberg (als ministeriell bestellter Vertr. v. RA. Schlaegel), Schnabel, Künzel und Dr. Augst (als amtl. best. Vertr. von RA. Eggler).
Als Zeugen sind anwesend:
John Sonntag
Heinz Döhla
Ferdinand Schlagetter
EKHK Krapp.
Vors.:
Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Die Verteidigung ist gewährleistet. Herr Rechtsanwalt Augst heute als Vertreter von Herrn Rechtsanwalt Eggler. Die Vertretung wird genehmigt. Zunächst ein Hinweis: Es wird Ihnen wahrscheinlich beim Studium der Akten aufgefallen sein, daß zu den Karlsruher Asservaten, die hier aufgebaut sind, eine Liste fehlt. Diese Asservatenliste ist dem Gericht gestern durch die Vermittlung der Bundesanwaltschaft zugegangen. Sie ist versehentlich nicht zu den Akten gelangt. Zur Erstellung der Liste und ihren Inhalt wird heute der Zeuge Mauritz, der offenbar verantwortlich zeichnet für diese Liste, als Zeuge zur Verfügung stehen. Ich habe die Liste nun hier und möchte sie zum heutigen Gebrauch gleich an alle Prozeßbeteiligten verteilen lassen. Ich bitte diese Liste unterzubringen im Ordner 69 Blatt 22/1-4.
Die Liste wird an alle anwesenden[a] Verteidiger ausgeteilt.
[8575] Vors.:
Heute früh sind anwesend die Herrn Zeugen Sonntag, Herr Döhla, Herr Schlagetter und Herr Krapp ist auch schon anwesend. Herr Mauritz ist ebenfalls geladen. Er wird sich wohl im Gebäude befinden.
Die Zeugen John Sonntag, Heinz Döhla, Ferdinand Schlagetter und EKHK Krapp werden gem. § 57 StPO[2] belehrt.
Die Zeugen sind mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]
Die Zeugen Döhla, Schlagetter und Krapp werden um 9.05 Uhr in den Abstand verwiesen.
Vors.:
Herr Sonntag, darf ich Sie gleich um die Angaben Ihrer Personalien bitten?
Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person
Zeuge Sonntag
John Horst Sonntag, verh. Kriminalhauptkommissar, 51 Jahre alt, Polizeipräsidium Karlsruhe,
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert, wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Rechtsanwalt Dr. Holoch (als amtlich bestellter Vertreter von RA Schwarz) erscheint um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.
Vors.:
Ist es richtig, Herr Sonntag, daß Sie im Anschluß an ein Sprengstoffanschlag in Karlsruhe, hängt zusammen mit dem Namen Buddenberg, bei den Ermittlungen eingesetzt waren?
Zeuge Son[ntag]:
Das ist richtig. Das war am 15.5.1972. Ich befand mich im Dienst beim Polizeipräsidium Karlsruhe als Leiter des Erkennungsdienstes[4] und bekam gegen dreivierteleins ein Anruf vom KVD[5] mit einigen Beamten des Dezernates 8 zur Klosestraße in Karlsruhe zu kommen, dort wäre auf den Wagen des Herrn Bundesrichters Buddenberg ein Sprengstoffattentat verübt worden. Die Herrn Kutter, Stier, Wiest, der Angestellte Fellhauer packten die Geräte in den Tatortwagen. Wir kamen um 13 Uhr in der Klosestraße vor dem Haus 38 an. Einige Beamte der Schutzpolizei hatten bereits Absperrmaßnahmen vorgenommen. Der Kriminaldirektor Dietmann war dort und der Herr [8576] Polizeipräsident ebenfalls. Wir wurden kurz von dem bis soweit festgestellten Sachverhalt informiert und übernahmen dann die Arbeit am Tatort, Spurensicherung, Fotografie und Tatortbefundaufnahme. Der in Frage kommende rote Volkswagen mit dem polizeilichen Kennzeichen KA-PE 890 befand sich direkt vor dem Haus Klosestraße 38, in dem Herrn Buddenberg wohnte. Die Farbe war rot, es war ein 1300 VW-Käfer, der erhebliche Beschädigungen durch Sprengstoffeinwirkungen aufwies. So war unter anderem das Metallschiebedach über den Vordersitzen ausgerissen, etwa 9 m weit weggeschleudert, lag in einem Vorgarten des Hauses gegenüber. Der Beifahrersitz war total zerfetzt, nach oben gedrückt. Der Hintersitz rechts war angesengt und nach oben gedrückt. Die Abdeckplatte des Kofferraumes war hochgerissen worden. Im Dach befanden sich mehrere Durchschläge verschiedenen Durchmessers, die von innen nach außen gingen. Die Radkappen waren weggeschleudert. Die Zierleisten waren weggeschleudert. Im Bereich von etwa 58 m nach beiden Seiten des Fahrzeuges waren Metallsplitter der verschiedenen Größen zu finden. Teile davon waren dem Sprengkörper zuzuordnen. Teilweise waren es Metallsplitter von dem Fahrzeug. Die Einwirkungen der Detonation waren auch an den Häusern links und rechts der Straße festzustellen, teilweise bis zum 5. Stock. 29 Fenster waren durch die Druckwelle eingedrückt worden. An anderen Stellen von Häusern fand man auch Splittereinwirkung in Fensterrahmen, im Mauerwerk. In einem Falle war durch ein geöffnetes Fenster ein Splitter in das Zimmer reingeflogen und hatte sich in die Wand gebohrt. Außerdem waren noch mehrere Fahrzeuge, die auf der Straße geparkt waren, beschädigt worden. Am meisten wohl dasjenige mit dem Kennzeichen KA-LX, an die Nummer kann ich mich nicht mehr erinnern. Dieses Fahrzeug stand nur einige Meter weiter auf dem Bürgersteig neben dem roten VW des Herrn Buddenberg abgestellt. Das erste, was wir machten, war, die festgestellten Spuren mit Kreide markieren. Dann verständigten wir den Stereotrupp von der Autobahnpolizei, die uns dann mit dem Stereomessgerät Aufnahmen machen sollten. Wir nummerierten die festgestellten Spuren von Hummer 1-49 und ließen sie gemäß diesen Nummern auf der Skizze, den dann später der Stereotrupp machte, eintragen. Jeder Splitter wurde für sich getrennt in einen Umschlag verpackt, mit der betreffenden Nummer versehen. Und als der Sprengstoffsachverständige des LKA Stuttgart, der Herr Pelzing, eintraf, wurden ihm diese gesammelten Spuren zur weiteren Auswertung am gleichen Tag noch übergeben.
[8577] Vors.:
Das wäre das, was Sie aus dem Gedächtnis her sagen können noch. Herr Sonntag, zunächst, Sie haben erwähnt, der Beifahrersitz völlig zerfetzt. Der Fahrersitz weniger beschädigt gewesen?
Zeuge Son[ntag]:
Der Fahrersitz war fast nicht beschädigt. Nur an der rechten Kante waren Versengungen von der Hitze.
Vors.:
Haben Sie irgendwelche Spuren am Fahrzeug selbst am Tatort festgestellt, die Ihnen Hinweise gaben, auf die Art, wie es zu einer Sprengung gekommen sein konnte?
Zeuge Son[ntag]:
Die Hauptbeschädigung am Fahrzeug befand sich unter dem Beifahrersitz, also unter dem rechten Vordersitz. Da war das Bodenblech ...
Vors.:
Gut. Es geht nicht bei der Frage um die Schlußfolgerungen, die gezogen worden sind, sondern ob Sie direkt noch Spuren gesehen haben, die irgendwie auf die Anbringung und auf die Funktion des Sprengkörpers hingewiesen hätten?
Zeuge Son[ntag]:
Ja, da war ein Kabel festzustellen, das vom Motorraum zur ... unterhalb des rechten hinteren Kotflügel führte und dann dort herunter hing.
Vors.:
Ja. Also dieses Kabel haben Sie selbst gesehen?
Zeuge Son[ntag]:
Ich habe es am Tatort nur sehen können, als ich mich auf den Boden legte und drunter schaute.
Vors.:
Hat man festgestellt, oder haben Sie selbst feststellen können, wo, in welchem Instrument etwa, innerhalb des Motorraums dieses Kabel endete?
Zeuge Son[ntag]:
Wir gingen also nicht an das Fahrzeug heran, bevor der Sprengstoffsachverständige vom LKA da war. Und der Herr Pelzing kam mit einem Kollegen, der öffnete den, übrigens nicht verschließbaren, Deckel vom Motorraum und ich stand zwar direkt dahinter, konnte aber nicht, die beiden Herrn beugten sich nach vorn, ich konnte nicht direkt reinsehen. Hörte nur, wie der Herr Pelzing sagte; „an der Zündspule“.
Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 9.12 Uhr im Sitzungssaal.
Vors.:
An der Zündspule sei das Kabel befestigt gewesen. Nun hat man, korrespondierend mit den Feststellungen am Fahrzeug auf der Straße selbst irgend etwas erkennen können?
Zeuge Son[ntag]:
Ja später, gegen 16 Uhr, wurde dann das Fahrzeug weggeschoben, auf einen Tieflader verbracht und an der Stelle, wo der Beifahrer- [8578] sitz sich befunden hatte, war etwa 15 cm von der Fahrbahn, am Fahrbahnrand, ein sogenannter Sprengtrichter von einer Tiefe von etwa 9 m und einem Durchmesser von 25 cm. Da drin befanden sich ziemlich viele Metallteile, die der Herr Pelzing dann heraus sammelte. Es waren dann, wie nachher festgestellt wurde, etwa 300 gr.
Vors.:
Sie selbst haben vorher erwähnt, daß man eine Nummerierung der einzelnen Fundstellen, wo[b] Metallsplitter gefunden worden sind, vorgenommen habe. Wir haben hier eine Skizze bei den Akten. Ich möchte sie mal Ihnen übergeben. Es handelt sich um Blatt 18-21 des Ordners 69, mit der Bitte, daß Sie nur sich diese Zahlen, die auf der Straße eingetragen sind und um das Fahrzeug herum, ansehen, um zu bestätigen, daß das möglicherweise diese Kennzeichnung der Fundstellen sind.
Dem Zeugen wird die Skizze aus Ordner 69 Blatt 18-21 vorgelegt.
Zeuge Son[ntag]:
Ja, das ist richtig. Wir haben nördlich des beschädigten Fahrzeuges angefangen zu nummerieren und sehen dann auf dem westlichen Gehweg plus 1. Da handelt es sich um Spur 1. Und dann etwas zurückgesetzt auf der anderen Seite Spur 2, 3 usw. Das sind genau die Spuren, die wir festgestellt und dann eingesammelt, verpackt und nummeriert haben.
Vors.:
Und die Stellen, an denen die Funde gemacht wurden, die waren gekennzeichnet durch Tafeln wahrscheinlich oder wie haben Sie das veranlaßt.
Zeuge Son[ntag]:
Als der Verkehrszug ankam, haben wir auch die vorher mit Kreide markierten Stellen, diese Hütchen setzen lassen, die nummerierten Hütchen.
Vors.:
So daß das festgehalten wurde für die Nachkommenden. Dankeschön.
Zeuge Son[ntag]:
Jawohl.
Vors.:
Haben Sie über den Gesamtschaden, der entstanden ist, im Zusammenhang mit diesem Attentat irgendeine Vorstellung gewonnen im Zuge der Ermittlungen oder hatten Sie nichts damit zu tun.
Zeuge Son[ntag]:
Das hatten wir an dem Tag nicht festgestellt.
Vors.:
Zu dieser Straße selbst. Handelt sich’s hier um eine reine, um eine typische Wohnstraße?
Zeuge Son[ntag]:
Das ist eine typische Wohnstraße ohne Durchgangsverkehr.
Vors.:
Ohne Durchgangsverkehr. Haben Sie zum eigentlichen Zeitpunkt der Sprengung oder der Detonation Feststellungen treffen können. Sie sagen, [8579] Sie seien 12.45 Uhr etwa alarmiert worden. Wie lange voraus war das?
Zeuge Son[ntag]:
Uns wurde mitgeteilt von Zeugen, aber auch, vom Herrn Kriminaldirektor Diekmann, 12.35 Uhr soll die Detonation gewesen sein.
Vors.:
12.35 Uhr. Ist das möglicherweise eine Zeit, ich weiß nicht, ob Sie soweit ortskundig sind, um zu sagen, daß hier geringerer oder stärkerer Verkehr herrscht, insbesondere Fußgänger würden nun interessieren?
Zeuge Son[ntag]:
Wir hatten uns damals schon am Tattag gewundert, daß niemand verletzt worden ist, außer der Frau Buddenberg. Und haben es uns damals so erklärt, daß durch die Mittagszeit wohl die meisten Leute im Haus waren und Mittag gegessen haben. Auf jeden Fall muß es um die Zeit sehr ruhig gewesen sein, sowohl im Hinblick auf Fußgängerverkehr, wie auch auf Fahrzeugverkehr.
Vors.:
Ja, die Einzelheiten, wie das Fahrzeug ausgesehen hat, haben Sie schon geschildert, soweit Sie es im Gedächtnis hatten. Insgesamt der Eindruck des Fahrzeuges. Es sind also in Ihrem Bericht, den wir hier vorliegen haben, noch zahlreiche weitere Merkmale angegeben, wie die Kotflügel ausgesehen haben usw. ... Was mit den Scheiben alles geschehen ist, mit den Scheinwerfern, überall Beschädigungen aufgewiesen. Wie würden Sie den Gesamtzustand des Fahrzeuges beschreiben, war er stark mitgenommen oder?
Zeuge Son[ntag]:
Ja, er war stark mitgenommen.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Wir wollen dem Herrn Zeugen dann noch die Fotografien vorlegen. Es ist hier insbesondere gedacht an die Lichtbilder Ordner 69 Blatt 25-42. Wenn aber vorher Fragen gestellt werden sollen, ist jetzt Gelegenheit. Herr Berichterstatter? Keine. Das Gericht hat keine Fragen.
BA Dr. W[under]:
Eine kurze Frage noch im Zusammenhang mit dem Sprengtrichter.
Vors.:
Bittesehr, Herr Dr. Wunder.
BA Dr. W[under]:
Herr Zeuge, können Sie noch kurz sagen, wie die Bodenbeschaffenheit unter dem Wagen ist, Pflastersteine, Asphalt, freier Boden?
Zeuge Son[ntag]:
Es handelt sich um Asphaltbelag.
BA Dr. W[under]:
Dankeschön. Haben Sie in diesem Trichter auch Schmauchspuren oder ähnliches, ich meine jetzt nicht die Splitter, sondern derartiges gefunden und festgestellt?
Zeuge Son[ntag]:
Diese Frage kann ich insoweit nicht beantworten, als es der Herr Pelzing vom LKA war, der diesen Sprengtrichter näher untersucht hat.
BA Dr. W[under]:
Dankeschön.
Vors.:
Bitte, Herr Bundesanwalt Widera.
[8580] Reg. Dir. W[idera]:
Herr Sonntag, habe ich Sie richtig verstanden, daß nur 49 Spuren von Ihnen festgestellt worden sind?
Zeuge Son[ntag]:
Das ist richtig. Kinder und Anwohner aus der Straße kamen etwa 1 Stunde nach Ermittlungsbeginn gelaufen und brachten uns weitere Splitter, deren Lage wir nicht mehr rekonstruieren konnten. Die wurden auch nicht nummeriert. Nummeriert haben wir nur diejenigen, die von uns am Fundort festgestellt wurden.
Reg. Dir. W[idera]:
Und was haben Sie mit den weiteren Splittern, die vom Publikum gebracht wurden, gemacht?
Zeuge Son[ntag]:
Die hat alle der Herr Pelzing vom LKA bekommen.
Reg. Dir. W[idera]:
Ist es nicht richtig, daß die in zwei gesonderten Gefäßen eingesammelt wurden und dann die Nummern 50 und 51 bekamen?
Zeuge Son[ntag]:
Das stimmt, richtig.
Reg. Dir. W[idera]:
Und dann habe ich noch gleich in diesem Zusammenhang eine weitere Frage. Wie sind denn die Splitter, die Sie gefunden haben und wo Sie auch den Fundort feststellen konnten, wie sind die bezeichnet worden? Sind die in Tüten verpackt oder und dann bezeichnet worden oder später direkt gekennzeichnet worden?
Zeuge Son[ntag]:
Nein, die sind ... jeweils auf einem Umschlag. Am Fundort hat der Beamte einen Umschlag genommen, hat draufgeschrieben: Spur Nr. 21, und hat dann den Splitter genommen und in den Umschlag getan.
Reg. Dir. W[idera]:
Und noch was. Sie haben ja zunächst vorhin geschildert, daß um jeden Splitter ein Kreis gezogen wurde, um die Stelle zu kennzeichnen. Und jeder dieser Splitter bekam ja eine Nummer. Und später sind dann Hütchen fürs Fotografieren gesetzt worden. Entsprachen die Nummern der Hütchen auch der Nummer des jeweiligen Asservats?
Zeuge Son[ntag]:
Die ersten Nummern ja. Dann reichten aber die Hütchennummern nicht mehr aus. Die gingen, glaube ich, nur von 1-10 oder 12, das weiß ich nicht mehr genau. Und da mußte dann immer wieder ab 1 angefangen werden. Da hat aber der Beamte vom Verkehr sich extra eine Aufstellung gemacht, daß das später den Nummern entsprach, wie sie auf der Skizze erschienen und wie sie auf den Umschlägen waren.
Reg. Dir. W[idera]:
Jedenfalls im Zeitpunkt des Fotografierens entsprach sich das im Wesentlichen nicht?
Zeuge Son[ntag]:
Das ist richtig.
Reg. Dir. W[idera]:
Dankeschön, Herr Vorsitzender.
Vors.:
Bitte. Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Dann können wir Ihnen jetzt die Lichtbilder übergeben.
[8581] Dem Zeugen werden die Lichtbilder aus Ordner 69 Blatt 25-54 zur Erläuterung vorgelegt.
- Der Text, der die Bilder beschreibt, ist abgedeckt -.
Die Lichtbilder aus Ordner 69 Blatt 25-54 werden gleichzeitig in Augenschein[6] genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben die Möglichkeit, am Augenschein teilzunehmen.
Zeuge Son[ntag]:
Bild 25 zeigt ...
Vors.:
Nein, das ist jetzt Blatt 25.
Zeuge Son[ntag]:
Also, es handelt sich bei dem ersten Bild, Bild 2 um die Klosestraße und zwar aufgenommen in nördlicher Richtung.
Das darunter liegende Bild 3 zeigt die gleiche Straße in südlicher Richtung, in etwa Hauptbahnhof. Das beschädigte Fahrzeug ist auf der rechten Seite geparkt.
Der Beamte, der auf Seite 26 das Bild 4 gemacht hat, ist dafür auf der gegenüberliegenden Straßenseite, zwei Stockwerke höher gestiegen und hat den Tatort aufgenommen. Wir sehen deutlich, etwa in Bildmitte, das beschädigte Fahrzeug KA-PE 890, mit der Heckscheibe, die rausgeschleudert ist, mit dem Trittbrett links, das rausgerissen ist, und dem Ablagebrett über dem Kofferraum, das hochgeschleudert worden ist.
Das darunterliegende Bild 5 zeigt die gleiche Örtlichkeit aus einem anderen Blickwinkel und gleichzeitig den Eingang zum Haus Nr. 38.
Auf Seite 27 Bild Nr. 6 die gleiche Situation. Das beschädigte Fahrzeug. Ebenfalls hier zu sehen das Verhältnis zu diesem daneben abgestellten beigefarbenen VW, der ebenfalls beschädigt wurde. Der dort auf dem Bürgersteig abgestellt ist.
Vors.:
Ja, hierzu die Frage. Ist dieses Fahrzeug dort geparkt gewesen oder wurde das durch die Kraft der Detonation in diese Stellung gebracht. Ist Ihnen das bekannt?
Zeuge Son[ntag]:
Das ist zwar durch die Detonation verschoben worden, aber die ursprüngliche Lage kann ich jetzt nicht sagen.
Vors.:
Ja, danke.
Zeuge Son[ntag]:
Während das obere Bild mit dem Weitwinkelobjektiv aufgenommen worden ist, zeigt vom selben Standpunkt des Fotografen das untere Bild eine Fotografie aufgenommen mit Normalobjektiv. Auch hier wieder deutlich sichtbar die vordere Windschutzscheibe ist draußen. Das Schiebedach fehlt und das abgerissene Trittbrett. Dann sieht man weiterhin weggeschleuderte Radkappen, eine Heckscheibe, die auf dem Boden [8582] liegt hinter dem beigefarbenen Pkw, die rausgeschlendert wurde, aber in sich nicht beschädigt ist.
Bild 8 auf Seite 28[c] zeigt keine Besonderheiten, die nicht schon erwähnt wurden. Gerade wieder aus einem anderen Blickwinkel aufgenommen. Das gleiche gilt für Bild 9.
Für Bild 10 und 11 auf Seite 29 hat sich der Fotograf wieder nach unten auf ebene Erde begeben. Er hat jetzt die beiden beschädigten Pkw’s fotografiert, um wieder die Lage zueinander zu zeigen. Und auf diesem Bild erkennt man nun auch die Heckscheibe des PE 890, die rausgeschleudert ist.
Professor Dr. Azzola erscheint um 9.25 Uhr im Sitzungssaal.
Zeuge Son[ntag]:
Das gleiche gilt für Bild 11 nur aus etwas anderem Blickwinkel.
Auf Bild 50 sehen wir am unteren ... sehen wir Splittereinschläge an der Bremstrommel. Das kann ich aus dem Kopf nicht mehr sagen, welches Rad es gewesen ist.
Vors.:
Aber jedenfalls gehört es zum Tatfahrzeug?
Zeuge Son[ntag]:
Jawohl. Bild 12 auf Blatt 31 wurde etwa vom Hauseingang des Wohnhauses, in dem Dr. Buddenberg wohnt, aufgenommen. Hier sehen wir wieder die Lage des Tatfahrzeuges und des anderen beschädigten VW’s zueinander. Eine weggeschleuderte Radkappe. Und wenn Sie jetzt etwas links von der Radkappe schauen, sehen Sie Kreidestriche um den einen Metallsplitter. Das war das, was ich vorher erwähnte, daß wir die Spuren mit Metallkreisen markiert hatten.
Das Tatfahrzeug auf Bild 13 noch einmal seitlich fotografiert. Da sehen wir auf der Haube vorne das Gummi der rausgeschleuderten Windschutzscheibe liegen. Im übrigen sieht man hier bei diesem Bild auch deutlich die Reifen sind alle platt. Das gilt für alle vier. Wir kommen jetzt in der Reihenfolge ein bißchen durcheinander, weil das eigentlich eine Ziehharmonika ist. Auf Blatt 34 Bild 46 auch wieder Splittereinwirkung an der Unterseite des Fahrzeuges.
Vors.:
Haben Sie nicht jetzt überblättert? Das würde nichts ausmachen. Ich meine, Sie könnten es ruhig in der Reihenfolge, wie die Blätter angeordnet sind, berichten. Ich mein, die Seite 32 ist noch nicht besprochen? Fehlt die?
OStA Zeis verläßt um 9.28 Uhr den Sitzungssaal.
[8583] Zeuge Son[ntag]:
30, 31 ...
Vors.:
31 war besprochen.
Zeuge Son[ntag]:
Ah jetzt, da ist eins überblättert worden.
Vors.:
Ja.
Zeuge Son[ntag]:
Auf Bild 48 sehen wir auch wieder Splittereinschläge an dem Blech der Fahrzeugunterseite. Das gleiche gilt für Bild 49.
Blatt 34 Bild 46 ...
Vors.:
Was ist mit 33? Die Seite 33 muß noch ...
Zeuge Son[ntag]:
Wieder eine Übersichtsaufnahme des Tatortes von ebener Erde in Richtung auf den beschädigten Pkw des Herrn Bundesrichters Buddenberg. Dahinter der sekundär beschädigte beigefarbene VW.
Bild 15, das gleiche von etwas näher.
Bild 46 noch einmal Splittereinschläge in das Metall an der Unterseite des Fahrzeuges. Bild 47 das gleiche. Das ist etwa in der Gegend des Fahrersitzes von unten.
Blatt 35 Bild 16 zeigt, daß die rechte Seite des beschädigten Tatfahrzeuges, wir sehen hier, daß der linke hintere Kotflügel fast ganz abgerissen ist, daß das Glas von den Scheinwerfern fehlt und daß die Druckwelle das vordere Nummernschild verbogen hat. Außerdem auch sichtbar wieder die beiden platten Reifen[d] auf der rechten Seite. Auf der gleichen Seite 35 Bild 17 das Tatfahrzeug von vorne fotografiert mit der fehlenden Windschutzscheibe. Dem Gummi davon auf der Haube liegend und die vielen Splitter auf der Haube sichtbar.
Vors.:
Ja. Soweit also jetzt die Spuren sichtbar sind, sie sind im Allgemeinen beschrieben, bedarf es keiner Wiederholung mehr. Nur wenn Sie jeweils sagen, um was sich’s beim Bild handelt und wenn Sie besondere Merkmale feststellen, die bisher nicht erwähnt worden sind, würde ich bitten, die noch aufzuführen.
Zeuge Son[ntag]:
Blatt 36 keine besonderen Bemerkungen. Blatt 37 gut sichtbar die Entfernung zwischen den beiden Fahrzeugen.
OStA Zeis erscheint um 9.31 Uhr wieder im[e] Sitzungssaal.
Zeuge Son[ntag]:
Bild 19 die Situation im Inneren des Fahrzeuges sichtbar. Diese Aufnahme auf Blatt 38 Bild 42 wurde auf der Hebebühne in der Polizeiunterkunft Gottesau gemacht. Da war ich nicht dabei. Aber hier kann man jetzt das Kabel sehen, von dem ich vorhin sagte, ich konnte es nur sehen, wenn ich mich auf den Boden legte. Bild 43 auch wieder die erheblichen Verwüstungen im Fahrzeuginneren.
[8584] Vors.:
Könnten Sie diese Beschädigung noch näher lokalisieren, wo sich die befunden hat?
Zeuge Son[ntag]:
Ja, das sind jetzt diese Aufnahmen, die in der Polizeiunterkunft Gottesau gemacht wurden nach der Tatortaufnahme. Da war ich nicht dabei. Da möchte ich jetzt nichts Genaues sagen.
Vors.:
Dann können Sie es nicht, danke.
Zeuge Son[ntag]:
Blatt 39 Bild 20 ein Blick ins Fahrzeuginnere durch das hintere linke Fenster. Sichtbar wieder die Verwüstungen im Bereich des Beifahrersitzes. Das gleiche gilt für Bild 21. Bei geöffneter Tür der Blick nach vorne. Da sehen wir den fast intakten Fahrersitz und der zerfetzte und hochgedrückte Beifahrersitz.
Auf Bild 41 Blatt 40 sieht man wieder dieses Kabel. Dazu möchte ich aber nichts Näheres sagen, weil ich hier auch nicht dabei war.
Blatt 41 Bild 22 sehen wir die gewölbte Bodenmatte, die sich über der Öffnung befindet, die in das Bodenblech beim Beifahrersitz gerissen wurde.
Bild 23 das gleiche, nur etwas näher.
Auf Blatt 42 Bild 38 ist der Sprengtrichter zu sehen, nachdem die Metallreste rausgeholt wurden. Wir haben da einen Maßstab hingelegt, damit man die Entfernung vom Bürgersteig etwas sieht ...
Bild 39 sind Einschlagstellen in einem weiteren Pkw durch Splitter verursacht.
Blatt 43 Bild 24 zeigt das Armaturenbrett unbeschädigt mit steckendem Zündschlüssel.
Bild 25 zeigt den Vorgarten des Hauses gegenüber vom Tatfahrzeug, in das das Schiebedach geschleudert wurde. Selbst aus dieser Entfernung kann man deutlich fünf Durchschläge im Metall erkennen.
Bild 36 auf Blatt 44 zeigt den Sprengtrichter, bevor er vollkommen von den Metallresten befreit wurde.
Und Bild 37 nochmal den Sprengtrichter nach Säuberung.
Auf Bild 26 Blatt 45 wird das Schiebedach mit den Durchschlägen gezeigt.
Und auf Bild 27 eine in der Zwischenzeit abmontierte Felge des Fahrzeuges LX usw., das zwei Meter weiter stand, wo ein Splitter diese Felge durchschlagen hat.
Blatt 46 Bild 34 zeigt, wie sich das darbot, als das Tatfahrzeug von seinem ursprünglichen Platz entfernt wurde. Wir sehen da den Sprengtrichter. Wir sehen eine hintere Scheibe, einen Herrenschuh und einen Schuhspanner.
[8585] Bild 35 den Sprengtrichter, als noch alles drin ist.
Blatt 47 Bild 28 wieder diese Felge mit den Beschädigungen durch Splitter.
Bild 29 das gleiche.
Auf Blatt 48 Bild 42 sehen wir die an den entsprechenden Stellen vorliegenden Beschädigungen am Reifen, der auf dieser Felge drauf war. Und das gleiche gilt für das nächste Bild 33. Und wieder die Felgen auf Blatt 49.
Das waren alle von dieser Bildmappe.
Vors.:
Die Bilder Blatt 50 - 54 besagen die Ihnen etwas, selbst wenn Sie nicht unmittelbar ...
Zeuge Son[ntag]:
Das sind die Bilder, die also vom Stereotrupp der Schutzpolizei gefertigt wurden, die jeweils die Lage der einzelnen festgestellten Splitter durch die aufgestellten Hütchen kennzeichnet.
Vors.:
So daß man hier also das, was Sie vorhin beschrieben haben, bildlich sieht auf dem oberen Bild Blatt 50.
Zeuge Son[ntag]:
Ja richtig.
Vors.:
Es zeigt sich hier, daß das eine eng bebaute Straße ist. Sind das alles Wohngebäude?
Zeuge Son[ntag]:
Das sind alles Wohngebäude.
Vors.:
Und wie breit ist die Straße, haben Sie heute noch eine Vorstellung?
Zeuge Son[ntag]:
Die Gehwege dürften etwa 1.80 m bis 1.90 m breit sein. Und die Straße etwa 5.10 m bis 5.30 m.
Vors.:
Danke. Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen?
Zusammenfassend noch die Frage. Bei den Fotografien, soweit Sie nicht ausdrücklich die Einschränkung gemacht haben, Sie selbst seien nicht dabei gewesen, als die Aufnahmen gemacht worden sind, geben diese Fotografien den Zustand wieder, wie er auch Ihrem Erinnerungsbild entspricht?
Zeuge Son[ntag]:
Ganz genau, ja.
Vors.:
Fragen? Herr Bundesanwalt Widera, bitteschön.
Reg. Dir. W[idera]:
Herr Sonntag, ist es richtig, daß sich in der Klosestraße ein Kindergarten befindet? Haben Sie die Frage nicht verstanden?
Zeuge Son[ntag]:
Ja doch. Aber da bin ich im Moment überfragt.
Reg. Dir. W[idera]:
Wissen Sie etwas darüber, ob an dem einen Ende der Klosestraße eine große Versicherung ihre Gebäude hat und zum Bahnhof hin weitere Versicherungen und ihre Angestellten in großen Gebäuden sich befinden. Und wissen Sie etwas darüber, ob diese Angestellten gerade [8586] in der Mittagszeit auch die Klosestraße insbesondere, zum Spazierengehen benutzten?
Zeuge Son[ntag]:
Da kann ich keine Auskunft darüber geben.
Reg. Dir. W[idera]:
Danke.
Vors.:
Weitere Fragen? Herr Rechtsanwalt Linke.
RA Li[nke]:
Herr Zeuge, eine Anschlußfrage und dazu bitte ich Blatt 24 aus Ordner 69 vorzulegen. Ich hätte gerne gewußt, wo diese Versicherungsgebäude stehen.
Der Zeuge gibt anhand der Skizze
O. 69 Bl. 24
am Richtertisch Erklärungen ab.
Die Verfahrensbeteiligten haben die Möglichkeit, den Ausführungen des Zeugen an der Skizze mitzuverfolgen.
Der Zeuge erklärt, daß ihm keine Versicherung in der Klosestraße bekannt ist.
Er bezeichnet die ihm bekannten Versicherungen am Friedrich-Scholl-Platz und beim Bahnhofsvorgelände.
RA Li[nke]:
Haben Sie eine Vorstellung, wieviel Entfernung Luftlinie diese Versicherungsgebäude von der Explosionsstelle entfernt[f] sind?
Zeuge Son[ntag]:
Zum Bahnhofsvorplatz Luftlinie schätzungsweise 300 m. Zum Scholl-Platz 400 m.
RA Li[nke]:
Danke.
Oberstaatsanwalt Holland erscheint um 9.40 Uhr in Sitzungssaal.
OStA Z[eis]:
Ich habe noch eine Zusatzfrage. Herr Sonntag, könnte es nicht so sein, daß die Aachner-Münchner speziell zu dem Tatort viel näher ist als 300 m, und daß diese Entfernung von 300 m etwa sich auf die KLV bezieht?
Zeuge Son[ntag]:
Darf ich einen Moment überlegen.
OStA Z[eis]:
Insbesondere Herr Sonntag, wenn ich Ihnen vorhalte, daß die Aachner-Münchner in diesem Gebäude sich befindet und das hier der Tatort ist?
Zeuge Son[ntag]:
Wenn das die Aachner-Münchner ist, dann ist die Entfernung Luftlinie 80 m.
[8587] Vors.:
Gut. Jetzt haben wir den Stadtplan ausreichend erörtert zu diesem Punkt. Weitere Fragen? Ich sehe nicht. Jetzt würden wir Sie noch bitten, Herr Sonntag. Wir haben hier Asservate aufgebaut, daß Sie sich die besichtigen und die Stücke, von denen Sie glauben, daß Sie sie wieder erkennen können, bezeichnen. Sie können sie jeweils aus den Hüllen herausnehmen. Nehmen Sie sich ruhig Zeit dazu, soweit Sie Erklärungen dazu abgeben wollen, bitte ich dieses Mikrofon, das rechts neben Ihnen steht zu benützen.
Ende von Band 479
[8588] Der Zeuge besichtigt nunmehr die vorliegenden Asservate
B 50 12/9/ 1 - 58
- mit Ausnahme von B 50 12/9/42 -.
Der Zeuge besichtigt das Asservat B 50 12/9/41[g] und erklärt:
Zeuge So[nntag]:
Das Asservat bezeichnet mit B 50/12/9/41 erkenne ich als von mir gesichert wieder. Und zwar deswegen, weil mir dies als rundgeformt von einem Durchmesser von etwa 8 mm damals auffiel.
Der Zeuge besichtigt das Asservat B 50/12/9/36 und erklärt:
Das Asservat 50/12/9/36 wird ebenfalls von mir erkannt wegen dieser Gewindelinien.
Der Zeuge besichtigt das Asservat B 50/12/9/34 und erklärt:
Ebenfalls das Beweismittel 50/12/9/34.
Vors.:
Auch Stücke, die Sie wiedererkennen, könnten, beispielsweise, weil sie Ihnen vorgeführt wurden, weil sie irgendwie auffällig gewesen wären, die Sie nicht selbst gesichert haben, könnten Sie also hier einführen. Es kommt nur auf das Wiedererkennen an.
Zeuge So[nntag]:
Es ist jetzt vier Jahre her.
Vors.:
Ja sicher, Herr Sonntag, nur das, was Sie noch im Kopfe haben, mehr können wir nicht rausholen.
Zeuge So[nntag]:
Das ist alles.
Vors.:
Das ist alles.
Der Vorsitzende deutet auf einige ausgebreitete Splitter und erklärt:
Vors.:
Sind Ihnen die damals nicht irgendwie vorgeführt worden, so daß Sie ...
Zeuge So[nntag]:
Die habe ich gesehen, bei der Sicherung, kann sie aber nicht einwandfrei wieder identifizieren.
Vors.:
Können Sie sagen, daß Ihnen solche Teile in dieser Art damals sichtbar geworden sind im Zuge der Sicherstellung der Metallsplitter?
Zeuge So[nntag]:
Ja, richtig, das stimmt.
Der Vorsitzende deutet auf weitere Splitter mit auffälligen Formen und erklärt:
Vors.:
Ich meine, da kommt es jetzt nur darauf an, ob Sie sagen können, in dieser Art sind damals Materialien mit übergeben oder sichtbar gemacht worden.
Zeuge So[nntag]:
Das ist richtig.
Vors.:
Weitere Fragen? Herr Berichterstatter, bitte.
Richter Mai[er]:
Herr Sonntag, wenn Sie vielleicht bitte die Pos. 51, 52 [8589] und 53 ansehen wollen.
Der Zeuge besichtigt das Asservat B 50 12/9 Pos. 51 und erklärt:
Zeuge So[nntag]:
Die hat mir der Kriminalhauptmeister Kutter gezeigt gehabt.
Richter Mai[er]:
Am Tatort?
Zeuge So[nntag]:
Ja.
Richter Mai[er]:
Dankeschön.
Der Zeuge besichtigt das Asservat B 50 12/9 Pos. 52 und erklärt:
Zeuge So[nntag]:
Diese ebenfalls, das ist die Nummer 52.
Der Zeuge besichtigt das Asservat B 50 12/9 Pos 53 und erklärt:
Die beiden Stücke hier ja; aber das Blechstück nicht, bei Nr. 53.
Richter Mai[er]:
Dankeschön.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.
Der Zeuge Sonntag bleibt bis zur später erfolgenden Vereidigung im Sitzungssaal.
Der Zeuge Döhla erscheint um 9.50 Uhr im Sitzungssaal.
Der Zeuge Döhla macht folgende Anhaben zur Person:
Zeuge Dö[hla]:
Heinz D ö h l a, 41 Jahre,
Kriminalhauptkommissar beim Bundeskriminalamt.Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert; wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Ist Ihnen der Sprengstoffanschlag in Karlsruhe auf ein Fahrzeug des Bundesrichters Buddenberg heute noch ein Begriff?
Zeuge Dö[hla]:
Ist mir heute noch ein Begriff, jawohl.
Vors.:
Waren Sie in die Ermittlungen eingeschaltet?
Zeuge Dö[hla]:
Ich war in die Ermittlungen eingeschaltet, nachdem das Bundeskriminalamt mit den Ermittlungen beauftragt wurde.
Vors.:
Und welche Aufgabe ist Ihnen zugefallen?
Zeuge Dö[hla]:
Mir ist die Aufgabe zugefallen, den Komplex Karlsruhe sachbearbeitend zu bearbeiten.
Vors.:
Ist dabei auch von Ihnen die Aufgabe übernommen worden, eine Skizze herzustellen vom Tatort?
Zeuge Dö[hla]:
Nein, die Skizze war bereits gefertigt. Eine Skizze von Tatort habe ich nicht gefertigt.
[8590] Dem Zeugen wird die Skizze aus
O 69 Bl. 18/21
übergeben mit der Bitte zu erklären, ob sich seine Aussage auf diese Skizze beziehe.
Zeuge Dö[hla]:
Jawohl, meine Aussage bezieht sich auf diese Skizze. Diese Skizze wurde bereits von dem Erkennungsdienst Karlsruhe zu dem Aktenbestand des Bundeskriminalamts als fertige Skizze übernommen.
Vors.:
Da Sie Sachbearbeiter gewesen sind, Frage: Haben Sie sich mit dieser Skizze näher befasst? Können Sie uns ganz kurz die einzelnen Aufzeichnungen erläutern, was Sie bedeuten sollen.
Zeuge Dö[hla]:
Ja, als ich den Komplex Karlsruhe ermittlungsmäßig und aktenmäßig von der Kripo vom Erkennungsdienst Karlsruhe übernommen habe, habe ich mich auch selbstverständlich mit der mir hier vorliegenden Skizze befasst. Zur Erläuterung kann ich sagen, daß die Skizze den Tatort Karlsruhe darstellt, mit den am Tatort zur Tatzeit geparkten Fahrzeugen und dem Totfahrzeug des Bundesrichters Buddenberg. Die Nummerierung und Kennzeichnung um das Tatfahrzeug herum stellen die einzelnen Splitter und andere Sprengsatzteile dar.
Vors.:
Welche weiteren Aufgaben hatten Sie dann noch im Rahmen der Sachbearbeitung? Ist es so zu verstehen, daß Sie die schriftlichen Unterlagen zusammenfassend bearbeiteten?
Zeuge Dö[hla]:
Ich habe nach der Übergabe der Akten von der Kripo Karlsruhe an das Bundeskriminalamt den Sprengstoffkomplex Karlsruhe ermittlungsmäßig weiterbearbeitet. Alle danach anfallenden Ermittlungen, die Bearbeitung von Spuren und ermittlungsmäßige Abklärung fiel[h] in meinem Zuständigkeitsgebiet.
Vors.:
Gibt es aus dieser Arbeit irgendwelche Besonderheiten hier zu berichten, insbesondere über Beobachtungen, die Sie gemacht haben, hinsichtlich gewisser Zusammenhänge oder sonstiger Dinge?
Zeuge Dö[hla]:
Wenn Sie mich speziell nach irgendeinem Sachverhalt fragen, würde ich jetzt aus dem globalen Zusammenhang nicht antworten können.
Vors.:
Wir hatten Sie also grundsätzlich zur Erläuterung dieser Skizze hierher gebeten. Nur die Frage noch: Ist es richtig, daß im Zusammenhang mit den nachträglichen Spuren, die verfolgt wurden, ein Porsche-Fahrzeug eine besondere Rolle spielte?
Zeuge Dö[hla]:
Das spielte zu einem späteren Zeitpunkt eine besondere Rolle.
Vors.:
Wüßten Sie heute noch das Kennzeichen?
[8591] Zeuge Dö[hla]:
Das Kennzeichen weiß ich heute noch, weil das also in diesem Sachbearbeitungskomplex eine ziemlich relevante Spur darstellte. Es war ein Konstanzer Kennzeichen „KN - CU 90“.
Vors.:
Und wissen Sie, wo dieses Fahrzeug gefunden und sichergestellt oder beobachtet worden ist, später?
Zeuge Dö[hla]:
Später hat das Fahrzeug eine Rolle gespielt bei der Festnahme der Beschuldigten Baader, Meins, Raspe im Hofeckweg, Frankfurt/Main am 1.6.1972.[7]
Vors.:
Sind zum Zusammenhang Sprengstoffanschlag Karlsruhe an den Herrn Zeugen weitere Fragen? Wir wollen den Herrn Zeugen dann noch zu den Ermittlungen im Zusammenhang mit Papiersäcken, die in der Inheidenerstraße[8] gefunden wurden, ganz kurz befragen. Das ergibt sich aus dem Ordner 79. Ich habe leider gestern[i] vergessen, den Ordner 79 zu erwähnen ausdrücklich, aber ich hatte meine Unterlagen nicht dabei gehabt.
Also nun Fragen zum Komplex Buddenberg? Herr Berichterstatter? Keine Fragen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen. Die Herren Verteidiger? Nicht ... doch, Herr Rechtsanwalt Schnabel, bitte, verzeihen Sie.
RA Schn[abel]:
Herr Zeuge, Sie haben ausgesagt, es sei die Skizze mit den aufgezeichneten Fahrzeugen zur Tatzeit. Woher wissen Sie das?
Zeuge Dö[hla]:
Die Skizze stellt die Situation dar, wie sich dem Beamten der Kripo Karlsruhe zur Feststellung des objektiven Tatbefundes geboten hat.
RA Schn[abel]:
Haben Sie die Skizze selbst gefertigt?
Zeuge Dö[hla]:
Nein, das habe ich bereits erläutert. Die Skizze habe ich nicht gefertigt, die wurde ...
RA Schn[abel]:
Wieso können Sie dann behaupten, das seien die Fahrzeuge, zur Tatzeit?
Zeuge Dö[hla]:
Ich sagte schon, die Skizze soll die Situation darstellen, wie sie sich dem aufnehmenden Beamten dargeboten hat. Und ich muß davon ausgehen, wenn das Tatfahrzeug auf dieser Skizze markiert ist, daß die darum und im näheren und weiteren Bereich geparkten Fahrzeuge die Fahrzeuge waren, die zum Zeitpunkt der Tat dort gestanden haben.
RA Schn[abel]:
Herr Zeuge, Sie haben ja jetzt selbst klargemacht, daß es sich um keine Wahrnehmung Ihrerseits handelt, erstens „soll es“, und zweitens haben Sie gesagt, Sie müßten davon ausgehen. [8592] Halten wir also fest, daß es sich lediglich um Schlußfolgerungen Ihrerseits handelt und Sie nicht selbst aus eigener Wahrnehmung sagen können, ob diese Fahrzeuge zu dem Tatzeitpunkt so oder nicht anders gestanden sind, und ob überhaupt diese Fahrzeuge vorhanden waren.
Zeuge Dö[hla]:
Ja, ja.
Vors.:
Das war also eine Erklärung nach § 257[ StPO].[9] Sie bedarf keiner weiteren Antwort. Es ist zurecht vom Herrn Verteidiger als eine Feststellung bezeichnet worden.
Zeuge Dö[hla]:
Jawohl.
Vors.:
Im übrigen ...
RA Schn[abel]:
Die nächste Frage, was den Porsche anbelangt. Haben Sie selbst irgendwelche Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem Porsche gemacht?
Zeuge Dö[hla]:
Das habe ich.
RA Schn[abel]:
Nicht dann später in Frankfurt, sondern hier in Karlsruhe.
Zeuge Dö[hla]:
In Karlsruhe bereits.
RA Schn[abel]:
Wo und wie bitte?
Zeuge Dö[hla]:
Ich muß da nochmal etwas ausholen. Zum Zeitpunkt der Ermittlungen in Karlsruhe war ich von der damaligen Dienststelle Bonn-Bad-Godesberg, die nannte sich damals noch „Sicherungsgruppe“,[10] als Angehöriger des Bundeskriminalamtes in Karlsruhe bei der damaligen AGS[11] als Ermittlungsbeamter tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe ich den Auftrag bekommen, die damals als sogenannte „Porsche-Spur“ bezeichnete Spur ermittlungsmäßig zu ... abzuklären. Die einzelne Aufgabe bestand darin, daß ich die Zeugen, Herrn Sandermann und Herrn Goldbaum, von Karlsruhe nach Wiesbaden gefahren habe, und ihnen dort an Ort und Stelle das damals beim Bundeskriminalamt befindliche Fahrzeug, nämlich den Porsche, gezeigt habe und um festzustellen, ob es sich bei dem beim Bundeskriminalamt stehenden Porsche um das Fahrzeug handelt, was am 15.5.72 morgens auf der Autobahn zwischen Karlsruhe und Frankfurt in der Höhe Heidelberg den beiden Zeugen begegnet war.
RA Schn[abel]:
So bliebe auch insofern festzustellen, daß Sie in Bezug auf den Porsche keinerlei eigene Wahrnehmungen gemacht haben, daß der Porsche zu irgendeinem Zeitpunkt im Umkreis dieses Tatbereiches Klosestraße sich befand oder überhaupt sich in Karlsruhe befand.
[8593] Zeuge Dö[hla]:
Eigene Wahrnehmungen ...
Vors.:
Darf ich darauf hinweisen, verzeihen Sie, Herr Zeuge, der Herr Zeuge hat gesagt, daß er die Ermittlungen nachher papiermäßig geführt hat. Es liegt doch in dieser Antwort wohl, Herr Rechtsanwalt, schon diese Bestätigung drin, die Sie eben vom Herrn Zeugen nochmals hören wollen. Ich glaube also, diese Frage ist beantwortet. Der Herr Zeuge war nicht am Tatort selbst.
RA Schn[abel]:
Nein, aber ich meine nach seiner ursprünglichen Zeugenaussage hörte es sich eben so an, und insofern habe ich die Frage gestellt, als hätte er irgendwelche Ermittlungen eigener Art gemacht, als wäre der Porsche dort gewesen. Denn wozu soll hier ein Zeuge vom Hörensagen[12] praktisch etwas bekunden.
Vors.:
Er ist Ermittlungsbeamter und es ist nicht so ganz selten, daß man in Strafverfahren Ermittlungsbeamte, die zusammenfassend, und sei es nur büromäßig, sich mit der Sache befassen, hört. Ich habe deswegen auch ausdrücklich betont: Vorwiegend ging es uns um die Erläuterung der Skizze. Wir selbst sind davon ausgegangen, daß die Skizze der Herr[j] Döhla selbst gemacht hatte. Das hat sich ja sofort geklärt, daß das nicht zutrifft.
RA Schn[abel]:
So daß also wir uns insofern doch einig sind, daß ...
Vors.:
Wir sind uns einig, daß der Herr Döhla ...
RA Schn[abel]:
... Nichts zu sagen hatte über die Skizze.
Vors.:
Daß er sagen konnte, so wie ich gearbeitet habe und mich mit der Skizze befasst habe, bin ich davon ausgegangen, daß die und die Eintragungen das und das bedeuten. Das konnte er sagen, mehr hat er auch nicht gesagt.
Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen im Zusammenhang mit dem Komplex Buddenberg? Sehe ich nicht.
Herr Döhla, ist Ihnen die Adresse Inheidenerstraße in Frankfurt ein Begriff?
Zeuge Dö[hla]:
Ja, das ist mir ein Begriff.
Vors.:
Hier interessieren ganz speziell Papiersäcke, die uns bereits bekannt geworden sind im Zuge der Ermittlungen, die dort gefunden worden sein sollen. Haben Sie sich der Herkunft solcher Papiersäcke, die in dieser Straße gefunden worden sein sollen, besonders angenommen?
Zeuge Dö[hla]:
Jawohl, das habe ich.
Vors.:
Und wenn ja, schildern Sie bitte den Ablauf dieser Überprüfung und das Ergebnis.
[8594] Zeuge Dö[hla]:
Ich sagte vorhin schon auf eine Frage des Herrn Verteidigers, daß ich der AGS angehörte. Und diese AGS befand sich dann inzwischen wieder in Wiesbaden. Der AGS ... in den Zuständigkeitsbereich der AGS fielen alle Ermittlungen, die sprengstoffbezogen, materialbezogen waren. So zum Beispiel auch die in der Inheidenerstraße 69 vorgefundenen teilweise zerrissenen Papiersäcke. Von der optischen Darstellung dieser Papiersäcke konnte man davon ausgehen, daß es sich dabei um Transportmittel handelt, in denen irgendwelche Chemikalien transportiert oder verpackt gewesen sein mußten. Nach Inaugenscheinnahme dieser Papiersäcke konnten wir feststellen, daß ... es handelte sich übrigens um drei Papiersäcke, die mehr oder weniger zerschlitzt waren. Auf allen dreien dieser Papiersäcke fanden wir noch Teile, das heißt Fragmente von Anschriftenaufklebern. Einer dieser Anschriftenaufkleber war noch soweit vorhanden, daß man das mit Schreibmaschine geschriebene Wörtchen „Hafen“ lesen konnte. Aufgrund dieser Tatsache konnten wir den Schluß ziehen, daß es sich eventuell um eine Sendung gehandelt haben könnte, die in Frankfurt im sogenannten „Frankfurter Osthafen“ einen Umschlagplatz ... umgeschlagen worden sein könnte. Unsere Ermittlungen führten zum Osthafen, und wir konnten feststellen, daß es tatsächlich sich bei diesen Papiersäcken um eine Sendung handelt, die im Frankfurter Osthafen eingegangen war. Aufgrund einer noch weiterhin vorhandenen Schlüsselzahl auf diesen Papiersäcken ließ sich bei der Bundesbahnauskunftssteile feststellen, daß es sich um eine Sendung von Ammoniumnitrat ungepudert handelt, 10 Sack à 50 kg. Diese Sendung wurde von der Firma INDUSTIK angeliefert für eine Firma Dr. Heinrich KALBOW in Frankfurt. Wir stellten zunächst fest, wie gesagt, daß es sich um Ammoniumnitrat handelt, und wußten zum damaligen Zeitpunkt, das heißt, jedem Ermittlungsbeamten in diesem Bereich war bekannt, daß Ammoniumnitrat eine Komponente des damals vorgefundenen Sprengstoffes war. Wir überprüften routinemäßig die Firma Dr. Heinrich KALBOW und stellten fest, daß es sich dabei um eine integre Firma handelte, die lediglich die ... das Ammoniumnitrat bezogen als Großhändler, und im Zuge eines sogenannten „Streckengeschäftes“ an die Firma Hölzle & Chelius in Frankfurt/Main, Möhrfelder Landstr., weitergegeben hat. Die Ermittlungen dort bei der Firma Hölzle & Chelius ergaben, daß die Firma Hölzle & Chelius von einem Beauftragten der [8595] Firma Merkko telefonisch beauftragt wurde, dieses Ammoniumnitrat zu beschaffen. Wie sich später herausstellte, war die Firma Merkko, die mit Sitz in der Mainzer Landstraße angegeben worden ist, nicht existent. Der ganze Sachverhalt stellte sich so dar, daß ein männlicher Anrufer sich bei der Firma Hölzle & Chelius, die sich mit Laborchemikalien befasst, mit dem Verkauf und Vertrieb von Laborchemikalien befasst, angerufen hat und sich danach erkundigt hat, ob Ammoniumnitrat in der von mir erwähnten Menge und Kaliumnitrat vorrätig sei. Bern der Firma unbekannten Anrufer wurde bestätigt, daß Kaliumnitrat zwar vorrätig, Ammoniumnitrat aber beschafft werden müßte, und es würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Der Anrufer stellte dar, daß seine Firma, nämlich Merkko in der Mainzer Landstraße, neu sei, noch kein Telefon habe, und er würde sich wieder erkundigen, wenn er einen festen Bestellauftrag erteilt hat, ob die Ware angeliefert ist. So ist man mit dem Anrufer verblieben. Seitens der Firma Hölzle & Chelius hat man zugesichert, das Ammoniumnitrat zu beschaffen, Kaliumnitrat sei vorrätig.
RA Kö[nig]:
Eine Zwischenfrage, Herr Vorsitzender, ersetzt das jetzt die Beweisaufnahme oder was tut der Zeuge gerade?
Vors.:
Der Zeuge berichtet über seine Ermittlungen, die er geführt hat und das Ergebnis, das ihm mitgeteilt worden ist.
RA Kö[nig]:
Dann wird es dem Herrn Zeugen vielleicht sicherlich auch nicht schwerfallen, das in entsprechender Form zu tun. Er stellt’s nämlich als Faktum dar, nicht als das, was ihm berichtet worden ist.
Vors.:
Ich bitte also in dieser Form, wenn Sie Beanstandungen haben, das ausdrücklich im Einzelfalle zu vermerken. Ich meine, ein Zeuge, der hier aus dem Gedächtnis einen solchen Komplex berichtet, wird natürlich in der Wortwahl nicht so kritisch sein können, wie etwa, wenn Sie eine einzelne Frage stellen oder Feststellung treffen. Es geht also darum, daß Sie in der Wortwahl möglichst zum Ausdruck bringen sollten, daß das ein Ergebnis ist, daß Sie aber selbst die Fakten natürlich nicht miterlebt haben, sondern nur das, was Sie selbst mit beobachtet haben, als Ermittlungsbeamter nachträglich. Aber lassen Sie sich in Ihrer Barstellung nicht jetzt irgendwie beeinflussen in dieser Form. Es geht nur darum, daß wir grundsätzlich feststellen möchten, daß nachher nicht wieder Fragen kommen.
[8596] Wir verstehen es nicht anders; also so wie Sie es gemeint haben, Herr Rechtsanwalt König, daß das nämlich nur ein Ermittlungsergebnis ist.
RA Kö[nig]:
Ich würde es auch gern so verstehen, Herr Vorsitzender, aber so wie es der Herr Zeuge geschildert hat, wurde das ... als festgestellte und erwiesene Tatsache. Das sind alles nur Dinge, die er wiedergibt, Gespräche, die er gehört hat, Vernehmungen, die er geführt hat. Ich meine, ich weiß, daß er das so ausdrücken will. Aber ich möchte darum bitten, daß er das auch tut; das kann kein großer Unterschied sein.
Vors.:
Nein nein, Herr Rechtsanwalt, da glaube ich, sehen Sie die Aufgabe des Ermittlungsbeamten falsch; er stellt natürlich fest durch seine Fragen. Das ist nun natürlich wieder eine Aufgabe des Gerichts, nachher zu überprüfen, ob die Feststellungen, die ein Ermittlungsbeamter glaubt, getroffen zu haben, ob die stichhaltig sind. Aber aus seiner Warte heraus ist das eine Feststellung, die er getroffen hat. In dieser Form kann er es auch berichten. Bitte fahren Sie fort.
Zeuge Dö[hla]:
Es stellte sich weiterhin so dar, daß sich der Anrufer nach einiger Zeit erkundigt hat, wieder telefonisch, bei der Firma Hölzle & Chelius, ob die Ware nun vorrätig sei. Man hat ihm das bestätigt und hat ihn darauf hingewiesen, daß er, nachdem er der Firma nicht bekannt ist, bar zahlen müsse. Er hat Barzahlung zugesichert, und kam mit einem ... angeblich mit einem das ließ sich später nicht mehr richtig rekonstruieren mit einem eigenen Fahrzeug, und holte an zwei Terminen einmal das Kaliumnitrat und einmal das Ammoniumnitrat selbst ab. Der kaufmännische Angestellte, der mit ihm sowohl die Gespräche am Telefon als auch später die Verkaufsverhandlungen führte, hieß Walter Klinger; und der Lagerverwalter, der mit diesem männlichen Abholer die ... sowohl das Kaliumnitrat als auch das Ammoniumnitrat aufgeladen hat, hieß Karl Dietz. Bei einer späteren Lichtbildvorlage haben beide, sowohl der Verwaltungsangestellte, als auch der Lagerverwalter diesen männlichen Abholer und Anrufer aufgrund einer Lichtbildvorlage identifiziert. Es handelte sich dabei um Herrn Gerhard Müller.[13]
Vors.:
Nach der Auffassung des Zeugen ...
Zeuge Dö[hla]:
Nach meiner Auffassung.
Vors.:
Ja, er glaubte, unter den Bildern die Person wiedererkannt zu haben. [8597] Und das Bild, das ihm vorgelegt worden ist, soll das gewesen sein von Herrn Müller. Immer unter der Voraussetzung, daß das Ergebnisse sind, die Sie als Ermittlungsbeamter gefunden haben, ohne selbst die Fakten nun im einzelnen weiter überprüft zu haben.
Zeuge Dö[hla]:
Nein, ich möchte hier keine Wertung der Fakten abgeben, sondern ich stelle lediglich dar, das Ergebnis, was sich mir als Ermittlungsbeamter geboten hat.
Dem Zeugen wird das Originalasservat
E 23 VI/5 Pos. 65,
dessen Ablichtung im Ordner 79 Bl. 169 enthalten ist, vorgelegt mit der Bitte zu erklären, ob er dieses Asservat kenne und was es bedeute.
Dieses Originalasservat wird in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Zeuge Dö[hla]:
Ich erkenne dieses Asservat. Und zwar handelt es sich dabei um einen Teil aus einem ... es handelt sich dabei um einen ausgeschnittenen Teil des von mir erwähnten Papiersackes mit einer Seriennummer.
Vors.:
Ist das die Seriennummer, von der Sie sagten ...
Zeuge Dö[hla]:
Nein, das ist nicht die Seriennummer. Wir glaubten zunächst daß es sich bei diesen Buchstaben-Berta + Konrad-„BK“ und der darunter befindlichen Nummer um eine ... daß sich dabei für uns eine Möglichkeit ergibt, ermittlungsmäßig an den Hersteller, beziehungsweise den Weg dieser Papiersäcke verfolgen zu können. Es stellte sich aber raus, daß bei diesen beiden Buchstaben „BK“ sich um die Firma ... um die Herstellerfirma der Papiersäcke handelt, und daß uns diese Firma, die Herstellungsfirma der Papiersäcke, ermittlungsmäßig in unserem Verfahren nicht weiterbrachte.
Vors.:
Dankeschön.
Wenn wir Ihnen hier eine Lichtbildmappe vorlegen würden, wären Sie im Stande, aus diesen Lichtbildern herauszusuchen, welches Bild sie seinerzeit ... zunächst mal die Frage ob Sie solche Bilder vorgelegt haben und auch weiter die Frage, ob Sie das Bild noch erkennen, das damals der Zeuge nach Ihrer Auffassung herausgesucht hat.
Zeuge Dö[hla]:
Wenn es sich um die gleiche Lichtbildmappe handelt, die ich [8598] damals zur Verfügung hatte ...
Vors.:
Das wissen wir eben nicht, das müssen wir erst mal ...
Zeuge Dö[hla]:
... glaube ich, in der Lage zu sein, das Bild wiederzuerkennen. Es müßte sich allerdings um die gleiche Lichtbildmappe handeln.
Dem Zeugen wird die bei den Akten befindliche Personenlichtbildmappe übergeben.
Vors.:
... die Frage, erkennen Sie schon, ob es sich um solche Bilder gehandelt hat, die Sie damals verwendeten?
Zeuge Dö[hla]:
Es sind meines Erachtens die Bilder dabei, die auch in der Lichtbildmappe waren, die ich zur Verfügung hatte. Ich muß allerdings hinzufügen, daß damals mehrere Lichtbildmappen dieser Art den Ermittlungsbeamten zur Verfügung standen, die zentral von unserer Dienststelle-Sicherungsgruppe-herausgegeben wurde. Ich bin im Moment nicht hundertprozentig in der Lage zu sagen, daß die mir vorgelegte Lichtbildmappe diejenige ist, die ich bei meinen Ermittlungen hatte.
Vors.:
Dann schauen Sie sie[k] vielleicht noch auf den Gesichtspunkt durch, ob Sie das Bild mit Sicherheit wiedererkennen oder irgendein Bild, von dem Sie sagen können, das war auch in meiner Mappe seinerzeit.
RA Schn[abel]:
Herr Vorsitzender.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Schnabel.
RA Schn[abel]:
... etwas zu beanstanden und zwar deswegen, weil der Herr Zeuge vorher selbst gesagt hat, er könnte Feststellungen nur dann treffen, wenn es sich um dieselbe Lichtbildmappe handelt. Nachdem er inzwischen festgestellt hat, daß es nicht dieselbe ist, und er ja vorher wohl die richtige Aussage gemacht hat, kann er jetzt auch keine weiteren Feststellungen mehr treffen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, die Beanstandung gut, darf ich aber zunächst noch zurückfragen, es könnte natürlich sein, unter einer solchen Vielzahl von Bildern, es ist an sich richtig, was Sie sagen, daß die Bilder gerade mitenthalten sind, die seinerzeit in seiner Sammlung auch wäre. Das wäre also die Voraussetzung, daß er zunächst erklärt, hier erkenne ich Bilder, von denen ich mit Sicherheit sagen kann, die waren in meiner Mappe. Und dann käme es erst auf die zweite Frage an. So war es gemeint, so ist es dem Herrn Zeugen gesagt. Ich habe aber den Eindruck, er findet auch nichts; dann könnten wir das abschließen.
Zeuge Dö[hla]:
Ja also ich bin der Meinung, daß ich nicht die Bilder finde, die ich damals vorgelegt habe.
[8599] Vors.:
Dann ist die Beanstandung wohl gegenstandlos.
Ja, in Ordnung. Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Es wäre vielleicht noch Ihnen ... Verzeihung ...
OStA Zeis:
Herr Vorsitzender, ich hätte zunächst noch eine Frage.
Vors.:
Darf ich vielleicht eine Urkunde noch vorlegen, die wir noch verifizieren lassen wollen, verzeihen Sie bitte, das ist vielleicht zweckmäßig, daß das noch vorausgeht, dann kann man im Zusammenhang Fragen stellen.
Dem Zeugen wird eine Ablichtung von
Bl. 183 des O. 79
zur Erläuterung vorgelegt.
Zeuge Dö[hla]:
Die Ablichtung eines Lieferscheines besagt mir etwas, und zwar dahingehend, wie ich schon erläutert habe, handelt es sich dabei um den Lieferschein der Firma Hölzle & Chelius, und zwar um die Lieferung von 500 Kg Ammoniumnitrat, die zunächst ausgestellt war auf die Firma Merkko Handelsgesellschaft, die der männliche Anrufer als seine Auftragsfirma angegeben hat. Hier handelt es sich um eine Verkaufsunterlage der Firma Hölzle & Chelius, die aufgrund meiner Ermittlungen als Beweisuntermauerung zu den Akten genommen worden ist.
Vors.:
Von wem ist Ihnen diese Urkunde übergeben worden?
Zeuge Dö[hla]:
Die Urkunde ist mir übergeben worden von dem Inhaber des Unternehmens, Herrn Danell.
Vors.:
Und Sie haben vorhin erwähnt, die beiden Herren, die als Verkäufer fungiert haben, haben die Herren diese Urkunde gesehen?
Zeuge Dö[hla]:
Die beiden haben diese Urkunde gesehen; nur der Firmeninhaber als solcher hat seine Zustimmung erklärt, Unterlagen aus seiner Firma zu unseren Akten zu nehmen.
Vors.:
Mir kommt es jetzt nur darauf an, weil das ja ein Barverkauf ist ... mit handschriftlichen Vermerken, war einer der beiden Zeugen beim Ansichtigwerden dieser Urkunde derjenige, der dann sagte: „Ich habe das geschrieben“[l], wissen Sie das?
Zeuge Dö[hla]:
Das vermag ich zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr genau zu sagen.
Vors.:
Können Sie nicht mehr sagen, dankeschön.
Wollen die Herren Verteidiger die Urkunde sehen? Es ist ein normaler Barkauflieferschein, wie üblich.
[8600] Die Ablichtung der Urkunde von Bl. 183 des O. 79 wird in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Gem. § 249 StPO[14] wird die Ablichtung der Urkunde aus O. 79 Bl. 183 verlesen.
Vors.:
Weitere Fragen? Herr Berichterstatter? Keine Fragen mehr?
Beim Gericht sehe ich nicht. Herr Bundesanwalt Zeis, bittesehr.
OStA Zeis:
Herr Döhla, Sie haben vorhin auf die Frage des Herrn Vorsitzenden gesagt, daß diesen beiden Herren aus Frankfurt, wohl Herrn Klinger und Herr Dietz, eine Lichtbildmappe vorgelegt worden ist und daß Sie ... und daß diese beiden Herren anhand dieser Lichtbildmappe Gerhard Müller als Abholer dieser Chemikalien identifiziert hätten.
Zeuge Dö[hla]:
Ja, das ist richtig.
OStA Zeis:
Hat darüber hinaus noch irgendetwas stattgefunden, mit diesen beiden Herren und mit Herrn Müller?
Zeuge Dö[hla]:
Ja natürlich hat darüber hinaus noch etwas stattgefunden, und zwar eine Gegenüberstellung.
OStA Zeis:
Wenn Sie uns vielleicht gerade im Zusammenhang schildern könnten, wann, wo?
Zeuge Dö[hla]:
Der genaue Zeitpunkt der Gegenüberstellung ist mir heute nicht mehr erinnerlich. Auf jeden Fall kann ich sagen, daß es nach dem Ablauf der Lichtbildvorlage war. Und zwar zu dem Zeitpunkt, wo Herr Gerhard Müller, der als Untersuchungsgefangener in der Strafanstalt Köln einsaß.
OStA Zeis:
Herr Döhla, könnte es sein, daß zu diesem Zeitpunkt Herr Müller auch unter JVA Bonn einsaß?
Zeuge Dö[hla]:
Ja, ich muß mich berichtigen, das könnte sein, daß das JVA Bonn war.
OStA Zeis:
Könnte es sein, daß diese Gegenüberstellung im Juli 72 stattgefunden hat?
Zeuge Dö[hla]:
Dem zeitlichen Ablauf nach möchte ich sagen, ja.
OStA Zeis:
Herr Döhla, wenn Sie uns vielleicht kurz schildern könnten, wie diese Gegenüberstellung stattgefunden hat, und was Ihnen noch in Erinnerung darüber ist, was die Zeugen dann ... an welcher Stelle zum Beispiel Herr Müller gegangen ist und was die Zeugen daraufhin Ihnen gegenüber bekundet haben?
[8601] Zeuge Dö[hla]:
Es ist eine Gegenüberstellung gewesen in der JVA und zwar mit folgendem Ablauf:
Die Zeugen Dietz ... Klinger und Dietz wurden in verschiedenen Zeitabständen, soweit mir das heute noch erinnerlich ist, zur Gegenüberstellung gebracht. Zuerst Herr Klinger, der Herr Dietz später, weil er zu diesem Zeitpunkt Urlaub hatte. Herr Klinger wurde in einen Raum gebracht, von dem er Sicht zu dem Hof der JVA hatte. Und die Gegenüberstellung lief folgendermaßen ab:
Es wurden von der Strafanstalt Untersuchungshäftlinge ausgesucht, die von Statut und Figur in etwa dem Beschuldigten Müller glichen, und im Zuge des Hofganges aus der JVA herausgeführt, und die sogenannte „Runde“ gedreht haben. Während dieses Weges konnte der Zeuge Klinger von seiner Position aus im Zimmer durch sein Fenster die Person im Hof gehen sehen, während der im Hofgang befindliche Strafgefangene nicht ... von außen nicht in das Fenster hineinsehen konnte. Mir ist heute nicht mehr genau erinnerlich, an welcher Position der Beschuldigte Müller lief, jedenfalls weiß ich noch ganz genau, als Herr Müller aus der Türe kam, und[m] sich zum vorgeschriebenen[n] Hofgang begab, gab mir Herr Klinger das vorher vereinbarte Zeichen. Und später wurde festgestellt, daß Herr Klinger sich sicher war, daß es sich bei dem Mann, der diese Runde drehte, um die Person handelte, die bei ihm das Ammoniumnitrat abgeholt hat.
<OStA Zeis:
Und wie war es mit Herrn Dietz?
Zeuge Dö[hla]:
Mit Herrn Dietz war es fast das Gleiche. Nur zu einem späteren Zeitpunkt, da, wie gesagt, Herr Dietz Urlaub hatte. Herr Dietz wurde unter den gleichen Bedingungen in das gleiche Zimmer geführt, und nahm die gleiche Position mit mehreren anderen Personen in diesem Raum ein. Und es wurden wieder ausgesuchte Strafgefangene im Zuge des Hofganges herumgeführt. Und Herr Dietz reagierte ebenfalls auf das vereinbarte Zeichen und tat kund, daß es sich bei dem im Hofgang befindlichen Mann um den[o] handelt, mit dem er die Säcke auf seinem Pkw aufladen geholfen hat.>
OStA Zeis:
Ich habe keine weiteren Fragen mehr. Herr Kollege Holland hat noch eine Frage.
Vors.:
Herr Bundesanwalt Holland.
[8602] OStA Holl[and]:
Herr Döhla, sind Sie im Verlauf Ihrer Ermittlungstätigkeit auch mal in anderen Zusammenhängen, natürlich immer im Zusammenhang oder im Gesamtzusammenhang Baader-Meinhof, einmal mit Ammoniumnitratsäcken oder mit Ammoniumnitrat befasst worden?
Zeuge Dö[hla]:
Nein.
OStA Holl[and]:
Dann darf ich Ihnen vielleicht mal das Stichwort Berlin Obentrautstraße geben.
Zeuge Dö[hla]:
Ja, in diesem Zusammenhang ist es richtig, daß ich im Komplex Obentrautstraße ebenfalls mit Ammoniumnitrat befasst war.
OStA Holl[and]:
Herr Zeuge, vielleicht können Sie aus Ihrer Erinnerung zunächst mal schildern, was Ihnen über den von Ihnen eben bezeichneten Komplex Berlin Obentrautstraße bekannt geworden ist.
Zeuge Dö[hla]:
Der Komplex Berlin Obentrautstraße wurde nicht von mir bearbeitet, sondern federführend von der zuständigen Kripo Berlin. Im Verlaufe unserer Ermittlungen und im Zuge des Informationsaustausch wurde mir jedoch als Sachbearbeiter Ammoniumnitrat und Müller bekannt, daß in Berlin, Obentrautstraße eine Garage entdeckt wurde, in der einige Chemikalien lagerten. Unter anderem informierte uns die Kripo Berlin darüber, daß dort auch Papiersäcke mit der von mir erwähnten Beschriftung Ammoniumnitrat ungepudert und mit den gleichen Nummern aufgefunden worden sind. Insofern ergab sich dann der Schluß, daß zwischen den in der Inheidenerstraße vorgefunden und den in der Oben...
Vors.:
Ja, also Schlußfolgerungen bitte ich jetzt nicht zu ziehen, es geht hier um Tatsachen, Herr Zeuge, bitte.
OStA Holl[and]:
Und Herr Zeuge, haben Sie irgendwelche Identitätsfeststellungen in diesem Zusammenhang, beispielsweise was den Lieferanten anlangen könnte, treffen können?
Zeuge Dö[hla]:
Nein, wir haben die Unterlagen von der Kripo Berlin bekommen, und unsere Kriminaltechnik hat hinsichtlich der Schreibmaschinenidentität und des Papieres eine Überprüfung vorgenommen.
OStA Holl[and]:
Ergebnis ist Ihnen davon bekannt?
[8603] Zeuge Dö[hla]:
Aus meiner Erinnerung heraus vermag ich zu sagen, daß Identität zwischen den Säcken in der Inheidener und denen in der Obentrautstraße[p] bestand, zumindest konnte man sagen, daß sowohl die in der Inheidener als auch die[q] in der Obentraut aus einer Lieferung stammen.
OStA Holl[and]:
Vielen Dank.
Vors.:
Die Herren Verteidiger ... Herr Professor Azzola, sie hatten sich gemeldet, bitteschön.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, wann hatten Sie zum letzten Mal Gelegenheit, in die Unterlagen einzusehen, zu denen Sie heute ausgesagt haben?
Zeuge Dö[hla]:
Darf ich die Frage nochmal ... darf ich nochmal um die Frage bitten, ich habe Sie nicht verstanden.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, wann hatten Sie zum letzten Mal Gelegenheit, Einblick in die Unterlagen, zu denen Sie heute ausgesagt haben, zu nehmen?
Zeuge Dö[hla]:
Da kann ich keinen genauen Zeitpunkt nennen. Zuletzt, wenn ich das also ganz pauschal umreißen soll, glaube ich, Ende 75.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, was für ein Zeichen hatten Sie denn vereinbart mit dem Zeugen Dietz?
Zeuge Dö[hla]:
Es waren noch mehrere Personen im Raum. Und es sollte auf gar keinen Fall in irgendeiner Form dargestellt werden, daß nun mein ... der mir anvertraute Zeuge nun bei einer bestimmten Wahrnehmung diese ... die anderen im Raum befindlichen Zeugen dartut. Insofern wurde vorher mit dem für die Gegenüberstellung verantwortlichen Beamten der Sicherungsgruppe und mit und dem Zeugen vereinbart, daß, wenn der Zeuge eine bestimmte Wahrnehmung macht, mir ein Zeichen gegeben werden soll, und das Zeichen war, daß er ... ich stand neben ihm, daß er mir mit dem Arm einen Anrempler oder wie Sie das immer auch bezeichnen mögen, geben soll.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, wie verstehen Sie den Satz: „Der Zeuge Dietz reagierte ebenfalls auf das vereinbarte Zeichen.“?
Zeuge Dö[hla]:
Ich hatte es bereits dargestellt ...
Prof. Dr. Azz[ola]:
Nein, nein Herr Zeuge.
Zeuge Dö[hla]:
Bitte?
Prof. Dr. Azz[ola]:
Nein, nein, Sie haben wörtlich gesagt: „Der Zeuge Dietz reagierte ebenfalls auf das vereinbarte Zeichen.“
[8604] Vors.:
Ja die Frage haben Sie gestellt. Der Zeuge war eben dabei, ein paar Worte zu sagen, um zu erläutern, um auf Ihre Frage Ihnen Antwort zu geben, Sie sagten sofort Nein. Ich würde also vorschlagen, den Herrn Zeugen antworten zu lassen. Bitte.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Jaja.
Zeuge Dö[hla]:
Ich hatte vorher erklärt, wie sich der Zeuge Klinger verhalten hat. Das gleiche wurde auch mit dem Herrn Zeugen Dietz vereinbart. Und ich wollte damit darstellen, daß der Zeuge Klinger ebenfalls wie der Zeuge ... der Zeuge Dietz ebenfalls wie der Zeuge Klinger gleich ... eine gleiche Reaktion beim Erscheinen des Beschuldigten Müller gezeigt hat.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Vorsitzender, ich bitte dem Herrn Zeugen aus dem Tonbandprotokoll ... also aus der Tonbandaufnahme die Stelle vorzuspielen.
Vors.:
Gut, wir machen jetzt eine Pause von 5 Minuten oder 10 Minuten, und wollen dann das Tonband zurückspielen bis zu der Stelle, Herr Professor, wenn Sie sich selbst bei den Urkundsbeamten überzeugen würden, daß wir die richtige Stelle finden, dann werden wir sie dem Herrn Zeugen nachher im Anschluß an die Pause vorspielen. 10 Minuten Pause.
Pause von 10.28 Uhr bis 10.41 Uhr.
Ende von Band 480.
[8605] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.41 Uhr
Vors.:
Herr Professor, ist die Stelle gefunden worden? Dann bitte ich also, um Ihre Frage vorzubereiten, die Stelle wieder ablaufen zu lassen.
Die mit < > bezeichnete Stelle der Aussage des Zeugen Döhla auf Bl. 8601 wird daraufhin allen Verfahrensbeteiligten laut vorgespielt.
Vors.:
Das war die Stelle, das genügt jetzt.
Jetzt Herr Professor, Sie haben die Stelle wiedergehört.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, Sie haben selbst Ihre Aussage nocheinmal gehört. Sie lautete wörtlich: „Herr Dietz reagierte ebenfalls auf das vereinbarte Zeichen.“
Zeuge Döh[la]:
Ja, ich muß nochmal darstellen. Ich schickte ja bereits voraus, wie es bei Herrn Klinger war; dasgleiche wurde auch mit Herrn Dietz vereinbart. Ich kann nur nocheinmal betonen, wie es sich in Wirklichkeit abgespielt hat. Es wurde Herrn Dietz vor Betreten des Raumes gesagt, wenn er eine der nun herbeigeführten Personen wiedererkennt, dann möge er mir - ich stand, genau, wie bei Herrn Klinger, neben ihm - einen Anrempler geben. Und die Sache stellte sich so dar, die Personen wurden rausgeführt, der Beschuldigte Müller erschien, und Herr Dietz gab mir[r] beim Erscheinen des Herrn Müller und beim Beobachten des Gehens des Herrn Müller einen Rempler, so daß ich merkte, daß Herr Dietz nun auf diese ..., beim Erscheinen des Herrn Müller eine entsprechende Wahrnehmung gemacht hat.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, können Sie mir noch sagen, wieviele Personen denn in diesem Raume waren, etwa?
Zeuge Döh[la]:
Nein, das vermag ich heute nicht mehr genau zu sagen. Es ... Ich habe mich, wie gesagt, konzentriert auf meine Aufgabe, und ich hatte mich um den Herrn Zeugen Klinger und Herrn Dietz zu kümmern. Ich weiß, daß der zuständige Beamte der Sicherungsgruppe, der für die Gegenüberstellung, für den Ablauf der Gegenüberstellung verantwortlich war, mit mir und den Zeugen in diesem Raum war, und es befanden sich noch weitere Personen. Die Anzahl kann ich heute nicht mehr sagen.
[8606] Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, können Sie mir zu der Funktion der anderen Personen etwas sagen?
Zeuge Döh[la]:
Ich weiß nur, daß die anderen im Raum befindlichen Personen Zeugen waren aus anderen Komplexen. Über die Funktion, es waren Zeugen aus anderen Komplexen, und wie die Wahrnehmungen oder Feststellungen waren, darüber vermag ich keine Aussage zu machen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Waren das Zeugen aus anderen BM-Komplexen?
Zeuge Döh[la]:
Das waren Zeugen aus anderen BM-Komplexen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Aus anderen was?
Zeuge Döh[la]:
Aus anderen BM-Komplexen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, Sie standen mit dem Herrn Dietz und dem Herrn Klinger auf Tuchfühlung?
Zeuge Döh[la]:
Fast auf Tuchfühlung, ja.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, dieses vereinbarte Zeichen, können Sie es ausschließen, daß es nicht in der Tat so gewesen ist, wie Sie zuerst ausgesagt haben? Daß der Herr Dietz auf das vereinbarte Zeichen reagierte?
Zeuge Döh[la]:
Ich darf nochmal bitten, daß Sie die Frage wiederholen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Der Herr Vorsitzender wird Sie Ihnen wiederholen.
Vors.:
Das täuschen Sie sich. Sie sind der Fragestellende.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Es ist so müde, dem Herrn Zeugen in Permanenz Fragen zu wiederholen.
Vors.:
Herr Professor, wenn Sie vielleicht Ihre Fragen etwas rascher aussprechen könnten, ist das Verständnis einfacher.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Nein.
Vors.:
Bitte, wiederholen Sie Ihre Frage.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, können Sie es ausschließen, anlässlich von Tuchfühlung oder im Hinblick auf die Tuchfühlung oder fast Tuchfühlung, die Sie geschildert haben, daß es nicht doch so war, wie Sie es zuerst geschildert haben, daß nämlich der Zeuge Dietz auf das vereinbarte Zeichen reagierte?
Zeuge Döh[la]:
Nein, ich habe doch extra nochmal den gesamten Verlauf wiederholt. Und nicht der Herr Dietz reagierte auf das vereinbarte Zeichen, sondern er stellte seine Wahrnehmungen fest.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Ja, wie sind Sie dazu gekommen, hier zu sagen, der Herr Dietz reagierte ebenfalls auf das vereinbarte Zeichen?
Zeuge Döh[la]:
Ja, das war wahrscheinlich in meiner Darstellung bei Ihnen mißverständlich angekommen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Nein, nein, also Herr Zeuge, über meine möglichen Mißverständnisse brauchen Sie sich den Kopf nicht zerbrechen.
[8607] Zeuge Döh[la]:
Das tue ich auch nicht.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Sie haben es doch eben getan.
Herr Zeuge, eine andere Frage.
Zeuge Döh[la]:
Ich war gezwungen, Ihnen das nochmal zu erläutern und kam nicht umhin, ein kleines Mißverständnis Ihrerseits aufzuklären.
Vors.:
Herr Zeuge, Sie haben die Frage beantwortet, mit nein. Es bedarf also nicht der Wiederholung der neuen Darstellung, wie es dazu gekommen ist. Sie sagten, nein, es sei eben nicht bei Ihnen ein Zeichen gewesen, das Sie mit den Gegenübergestellten vereinbart gehabt hätten; mehr können Sie auf die Frage ja wohl nicht beantworten.
Zeuge Döh[la]:
Nein.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, Sie haben sehr detailliert im Zusammenhang geschildert auf meine Frage, wann Sie zum letzten Mal die Unterlagen zu denjenigen Tatkomplexen, zu denen Sie heute vernommen worden sind, gesehen haben. Haben Sie gesagt, meiner Erinnerung nach, 1975, oder Ende 1975.
Zeuge Döh[la]:
Ja, richtig. Ich habe auch noch andere Aufgaben und kann mich nicht jeden Tag mit den Unterlagen des Komplexes Karlsruhe und weiterem beschäftigen.
Vors.:
Auch da ist die Antwort gegeben. Sie bleiben bei dieser schon erteilten Antwort, Ende 75?
Zeuge Döh[la]:
Ja, ich bleibe dabei.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Ich habe eine Zusatzfrage. Haben Sie dann, als Sie Ende 1975 da reingeguckt haben, das getan in Vorbereitung Ihrer hiesigen Zeugenaussage oder aus einem anderen Grund?
Zeuge Döh[la]:
In Vorbereitung meiner heutigen Zeugenaussage, ganz bestimmt nicht, denn ich wußte, bevor ich den Saal hier betrat, noch nicht, was ich gefragt werde. Und das war sicherlich ein anderer Anlaß.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Es war ein anderer Anlaß, dann habe ich keine weiteren Fragen.
Dem Zeugen wird das Originalasservat E 23 VI/5 Pos. 65, dessen Ablichtung im Ord. 79, Bl. 162/163 enthalten ist, mit der Bitte um Erklärung vorgelegt, ob ihm diese Beweisstücke etwas besagen.
Das Gericht nimmt diese Asservate in Augenschein.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
[8608] Zeuge Döh[la]:
Ja, diese Beweisstücke sagen mir etwas, und zwar handelt es sich da um die von mir anfangs dargestellten Anschriftenaufkleber, auf den in der Inheidener Straße vorgefundenen Papiersäcken.
Vors.:
Das sind also die Resturkunden, die Ihnen dann zu den weiteren Ermittlungen Anlaß gegeben haben.
Zeuge Döh[la]:
Jawohl, das ist richtig.
Vors.:
Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen?
Herr Rechtsanwalt Künzel, bitte.
RA Kü[nzel]:
Herr Zeuge, nochmal zu der Gegenüberstellung. Wissen Sie, ob die anderen Zeugen, die in diesem Raum waren, auch den Beschuldigten oder Gefangenen Müller gegenübergestellt werden sollten?
Zeuge Döh[la]:
Das weiß ich heute nicht mehr.
RA Kü[nzel]:
Wissen Sie, welche Zeichen zwischen den anderen Zeugen und den Sie begleitenden Beamten ausgemacht waren?
Zeuge Döh[la]:
Nein, das weiß ich auch nicht. Ich kümmerte mich lediglich um die mir übertragenen Aufgaben, nicht um die des anderen.
RA Kü[nzel]:
Keine Frage mehr.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.
Herr Professor Azzola, bitte.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, ist es eigentlich üblich bei Gegenüberstellungen, solche Zeichen auszumachen?
Zeuge Döh[la]:
Das ist eine Frage, die innerdienstlich und kriminaltaktische Maßnahmen umreißt, und ich brauche ... und möchte dazu keine Stellung nehmen.[15]
Vors.:
Nun, wenn Sie also in der Form befragt werden würden, ob Sie persönlich bei Gegenüberstellungen schon öfters so eine Handhabung angeordnet haben, ich glaube, das wäre kein genereller Hinweis auf die Taktik der Polizei bei solchen Dingen.
Zeuge Döh[la]:
Generell ist es nicht üblich.
Vors.:
Ich meine, jetzt geht es mir nur darum, Sie können die Frage dahin auf jeden Fall beantworten, ob Sie schon bei Gegenüberstellungen so verfahren sind; das war wohl das Interesse, das der Herr Professor hatte.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Ja.
Zeuge Döh[la]:
Nein, das war meines Wissens das erste Mal.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Zeuge, dann habe ich wirklich die Zusatzfrage. Was hat Sie dazu motiviert, von Ihrem sonst üblichen Verhalten bei Gegenüberstellungen abzuweichen?
[8609] Zeuge Döh[la]:
Die Weisung des zuständigen Beamten entgegenzunehmen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Die Weisung des zuständigen Beamten entgegenzunehmen?
Zeuge Döh[la]:
Ich sagte eingangs schon, und ich glaube auch ziemlich deutlich, daß für die Gegenüberstellung und den Ablauf der Gegenüberstellung in diesem Verfahren ein Beamter der Sicherungsgruppe Bonn zuständig war, der sowohl die Vereinbarung mit der JVA, als auch den Ablauf der Gegenüberstellung zu verantworten hatte. Und über den tatsächlichen Ablauf und die Motivation des Ablaufes war dieser Beamte zuständig. Und dessen Weisungen habe ich mich unterworfen und so verfahren, wie ich es dargestellt habe.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Gut, Herr Zeuge, Sie haben sich unterworfen. Das schließt nicht aus, Herr Zeuge, daß Sie sich etwas dabei gedacht haben, denn es wich doch von Ihrer üblichen Praxis ab ...
Zeuge Döh[la]:
Ich war ...
Prof. Dr. Azz[ola]:
... das ist eine innere Tatsache ...
OStA Z[eis]:
- Pardon -[s] Professor Azzola ist offenbar noch nicht fertig. Ich will anschließend eine Beanstandung vorbringen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Nein, ich wollte nach der inneren Tatsache[16] fragen, was dieser Zeuge, der jetzt aussagt, wohl gemeint haben könnte oder gemeint hat, als ihm im Rahmen eines Gegenüberstellungsverfahrens eine Methode anbefohlen wurde, die außerhalb des Üblichen liegt.
Vors.:
Vielleicht, Herr Professor, um jetzt die Sache zu vereinfachen, kann man die Vorfrage stellen, ob der Herr Zeuge sich, als ihm gesagt wurde, man könne es auf diese Weise kenntlich machen, daß der Zeuge ... daß der Gegenübergestellte jemand erkennt, sich etwas besonderes dabei gedacht hat.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Ja, so.
Vors.:
Haben Sie sich deswegen etwas besonders gedacht?
Zeuge Döh[la]:
Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht, und dabei ist es auch geblieben. Ich bin nicht zu der Gegenüberstellung gekommen über die Verfahrensweise der Kollegen, die dafür zuständig sind, mir Gedanken, Äußerungen oder Kritiken zu machen, sondern ich wollte nach Möglichkeit die mir gestellten Arbeiten so gut und so schnell wie möglich erledigen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Können Sie sich noch erinnern, wie der Name dessen, dem Sie sich befehlsmäßig unterworfen haben, lautet?
Zeuge Döh[la]:
Nein, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Vors.:
Ich sehe keine Fragen mehr. Können wir den Herrn Zeugen jetzt vereidigen? Ich sehe, ja.
[8610] Die Zeugen Sonntag und Döhla werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 10.55 Uhr entlassen.
RA Schn[abel]:
Herr Vorsitzender, ich möchte insbesondere an den § 250 StPO erinnern, in dem es heißt, „beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen.“
Konkret gesprochen, der Zeuge Döhla hat über weite Strecke, beginnend mit der Skizze in Karlsruhe, dann aber zumindest 80 % seiner gesamten Aussage bezüglich der Chemiesäcke lediglich Ermittlungsergebnisse von sich gegeben und keine unmittelbaren Zeugenwahrnehmungen. Sollte das Gericht beabsichtigen, diese Ermittlungsergebnisse als Beweise von Tatsachen zu werten, so wäre damit, nach meinem Dafürhalten, das Unmittelbarkeitsprinzip[17] und der § 250 StPO verletzt.
Vors.:
Danke.
Ich darf darauf hinweisen, es ist nicht ungewöhnlich ... es ist ungewöhnlich, daß man nach[t] § 250 StPO etwas sagt. Es geht nur darum, wir hatten ja Herrn Döhla heute hier, Herr Rechtsanwalt Schnabel, im Grunde genommen gilt dasselbe, was Sie zurecht auch schon bei der Verlesung von Urkunden angegeben haben. Wir müssen es eben ausnützen, wenn ein Beweismittel da ist, ihn zu allen Punkten zu fragen.
Herr Rechtsanwalt Linke, Sie wollten auch eine Erklärung abgeben, bitte.
RA Li[nke]:
Möglicherweise möchte ich eine Erklärung abgeben, Herr Vorsitzender und deshalb möchte ich vorab fragen, ob der Senat beabsichtigt, diejenigen Personen, auf die sich die Ermittlungen des Zeugen Döhla bezogen haben, insbesondere die Zeugen Dietz und Klinger, noch als Zeugen in die Hauptverhandlung zu laden und hier zu vernehmen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich kann Ihnen das im jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Das wird sich erst später zeigen, ob wir diese Beweismittel erheben müssen oder nicht.
RA Li[nke]:
Herr Vorsitzender, dann muß ich, vorsorglich eine Erklärung nach § 257 StPO abgeben.
Ich schließe an das an, was Herr Kollegen Schnabel eben gesagt hat, möchte aber meinen, daß von ihm der Satz 1 im § 250 StPO nicht mit [8611] der richtigen Betonung vorgelesen worden ist.
Ich möchte das nochmals zitieren: „Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen.“ Der zweite Satz dieser Vorschrift lautet: „Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden.“
Der Zeuge Döhla hätte uns das gleiche vermittelt, was in freier Rede vermittelt hat, wenn er einen beliebigen Schlußbericht aus der Akte vorgelesen hätte. Es ist das Ergebnis seiner Ermittlungen, die Zusammenfassung dessen, was er von Zeugen gehört hat oder gehört zu haben meint. Nun ist es selbstverständlich zulässig, daß in einer Hauptverhandlung auch sogenannte Verhörzeugen vernommen werden. Aber die Voraussetzung, unter denen das möglich, sind sehr beschränkt. Sehr deutlich wird das im KMR-Kommentar ausgeführt, und zwar in der Anmerkung 2 b zu [§ ]250[ StPO]; hier heißt es: „Die Vernehmung von Verhörpersonen kommt häufig in Betracht, wenn der Angeklagte oder ein Zeuge in der Hauptverhandlung andere Angaben macht, als in der polizeilichen Vernehmung des Vorverfahrens.“ Das heißt mit anderen Worten, Verhörpersonen sind zu vernehmen oder können vernommen werden, damit man überprüft, ob die Aussagen eines Zeugen, dieses Wahrnehmungszeugen nach § 250 StPO sich mit den Aussagen im Vorverfahren[18] decken und um evtl. Widersprüche aufklären zu können. Das heißt aber, daß der Verhörzeuge immer nur eine Art Kontrollzeuge ist, eine Art mittelbarer Zeuge, eine Art Überprüfungszeuge. In. unserem Falle haben wir die eigentlichen Zeugen, die eigene Wahrnehmungen gemacht haben z. B. Gerhard Müller erkannt haben wollen, überhaupt noch nicht gesehen, so daß eine Überprüfung von deren früheren Aussagen noch gar nicht in Betracht kommt. Ich bin also der Auffassung, daß die Bekundungen, die der Zeuge Döhla im Zusammenhang mit seinen Ermittlungen gemacht hat, kein geeignetes Beweismittel in diesem Verfahren sind; höchstens ein geeignetes Beweismittel werden können, wenn die Zeugen Dietz, Klinger u. a. in der Hauptverhandlung noch vernommen, dann kann man rückschauend überprüfen, anhand der Aussage des Zeugen Döhla, ob ihre Aussagen glaubhaft sind oder nicht.
Vors.:
Danke. Sonstige Erklärungen zu diesem Beweismittel?
Herr Professor Azzola.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Ich möchte mich ausdrücklich anschließen an die Er- [8612] klärung, die die Kollegen Schnabel und Linke gemacht haben.
Im übrigen erscheint mir, was die Glaubwürdigkeit des Zeugen Döhla betrifft, folgendes notwendig zu sein zu sagen:
1. Der Zeuge Döhla hat unmißverständlich erklärt, daß der Zeuge Dietz bei der Gegenüberstellung reagiert hat auf das vereinbarte Zeichen. Und der Zeuge Döhla hat diese klare Aussage auf Vorhalt hin zwar versucht, aus der Welt zu schaffen, dies aber nicht überzeugend ... dies ist ihm aber nicht in überzeugender Weise gelungen.
2. Sollte es überhaupt notwendig sein, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Döhla zu überprüfen, wäre neben den genannten Personen noch zu laden derjenige Beamte, der nach der Aussage des Zeugen Döhla für die Gegenüberstellung des Zeugen Dietz mit dem Herrn Müller verantwortlich gezeichnet hat, also auch diese - wenn ich mal so sagen darf - merkwürdigen Anordnungen über verabredete Zeichen gegeben haben soll.
Vors.:
Danke. Sind weitere Wortmeldungen? Ich sehe nicht.
Der Zeuge KHK Mauritz erscheint um 11.03 Uhr im Sitzungssaal.
Der Zeuge Mauritz wird gem. § 57 StPO belehrt.
Der Zeuge Mauritz erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.
Der Zeuge KHK Mauritz macht folgende Angaben zur Person:
Siegfried Mauritz, 42 Jahre alt,
Kriminalhauptkommissar beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden,mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Herr Mauritz, haben Sie mit der Asservierung der Beweisstücke im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag „Karlsruhe Buddenberg“ zu tun gehabt?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, das ist richtig, ähnlich wie in[u] einigen Fällen vorher. Hier nur mit der Ausnahme, daß ich sehr spät erst in den Besitz dieser Splitter gekommen bin und Zünderdrähte, nämlich nach den [8613] Untersuchungen bei der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin und das war im September 74.
Vors.:
Und als Ihnen dieses Material zuging, was haben Sie dann gemacht damit?
Zeuge Mau[ritz]:
Diese Splitter waren eben - das ist eine Notwendigkeit ja bei den Begutachtungen durch die BAM - waren gekennzeichnet und dann habe ich eine Asservatenliste erstellt und habe diese Nummerierungen der BAM übernommen und die Splitter dann entsprechend in Tüten noch verpackt und bezeichnet.
Vors.:
Hat dieses Material insgesamt wieder eine kennzeichnende Nummer bekommen, so wie bei den übrigen Asservaten?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, zusätzlich, weil das ja für die BAM nichts aussagte, hatten wir ja die sogenannten Komplexnummern, die von der koordinierenden Stelle in Godesberg erteilt worden waren, nämlich in diesem Fall für den Sprengstoffanschlag Karlsruhe, die Bezeichnung „B 50“. Und diese Bezeichnung habe ich eben nur noch hinzugesetzt zur ... für meine Arbeit und zur besseren Identifizierung.
Vors.:
Können Sie sagen, daß alle Teile, die in dieser Liste aufgenommen, verzeichnet sind, Ihnen vorgelegen haben, von Ihnen gesehen worden sind?
Zeuge Mau[ritz]:
Die Teile haben mir alle vorgelegen und ich kenne sie alle.
Vors.:
Diese Liste ist erst gestern in den Besitz des Gerichtes gelangt, gibt es dafür eine Erklärung?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, eine Erklärung, insoweit, als die irgendwie bei uns in unseren Unterlagen geblieben sein muß. Ich habe das[v] erst jetzt, in den letzten Tagen gemerkt, daß diese Liste sich nicht in den Sonderordnern befand, und habe das dann eben jetzt hier der Bundesanwaltschaft[w] zugleitet.
Dem Zeugen KHK Mauritz wird die Liste aus dem So.ord. 69, Bl. 22/1 - 4 mit der Bitte um Erklärung vorgelegt, ob es sich um die von ihm gefertigte Liste handelt, und ob er die Unterschrift anerkennt.
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, das ist die Liste, die von mir erstellt wurde und auch die Unterschrift stammt von mir.
Vors.:
Danke. Wenn Sie jetzt gleich sehen würden, bei der Nummer 1 steht „Beschreibung des Gegenstands - 1 Sprengkörper -“ und unter diesem Sprengkörper sind dann unzählige Gleichheitszeichen wieder. Das [8614] würde also bedeuten, daß man dort viele Sprengkörper gefunden hat. Ist das ein Verschreiben?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, das ist offensichtlich ein Schreibfehler; es handelt sich alles um Splitterteile.
Vors.:
Um Splitterteile. Ich bitte also die Herren Prozeßbeteiligten, die ja heute früh die Liste bekommen haben, das gleich zu vermerken, daß also, soweit auf der Liste, auf der ersten Seite von Sprengkörper bei der Beschreibung des Gegenstandes die Rede ist, gemeint sind: Splitter von Sprengkörpern.
Wenn Sie jetzt hier die Nr. 12/9/1 sehen[x] gibt es da irgendetwas besonderes zu erklären? Welche Nummern haben Sie jetzt hier zusätzlich hinzugesetzt?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, also ich habe ausschließlich die Nummer B 50 hinzugesetzt bei den entsprechenden Splitter.
Vors.:
Und die Nr. 12/9/1 war vorgegeben durch die Untersuchungen?
Zeuge Mau[ritz]:
Die 12/9/1 ist in Berlin bei der BAM vorgegeben worden.
Vors.:
Und nun unter Bemerkungen sieht man hier rechts, ohne Aufkleber „KP Karlsruhe“ und dann an anderer Stelle wieder, z. B. wenn man die Seite 3 ansieht „Karlsruhe Nr. 1350“ usw., was bedeuten diese Bemerkungen?
Zeuge Mau[ritz]:
Ja, diese Bemerkung bedeutet, ich habe festgestellt an der schriftlichen Unterlagen, daß bei der Tatortarbeit die Karlsruher Kollegen die einzelnen Splitter gekennzeichnet hatten. Das ist mir aber wie gesagt, zu dem Zeitpunkt, ich habe ja diese Sachen erst im September 74 bekommen, so daß ich also davon nichts wußte, was vorher geschehen ist und habe dann eben nur darauf hingewiesen, daß einige Splitter eben diese Aufkleber der Polizei Karlsruhe trugen. Und das habe ich natürlich vermerkt, wobei also offensichtlich ist, daß einige Bezeichnungen der Splitter abgegangen sind, wohl bei den Untersuchungen der BAM.
Vors.:
Danke, das war die Erläuterung der Liste.
Gemäß § 249 StPO wird das Original der Liste aus
Ord. 69, Bl. 22/1 - 4
verlesen.
Während der Verlesung verläßt Prof. Dr. Azzola um 11.09 Uhr den Sitzungssaal.
[8615] Vors.:
Nach dem Sie jetzt den Inhalt der Liste gehört haben, können Sie sich für die Vollständigkeit und[y] Richtigkeit dieser Liste verbürgen?
Zeuge Mau[ritz]:
Diese Liste ist vollständig und richtig.
Vors.:
Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen mehr. Die Herren Verteidiger? Nicht.
Der Zeuge KHK Mauritz versichert die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf seinen bereits geleisteten Eid (§ 67 StPO)[19] und wird im allseitigen Einvernehmen um 11.11 Uhr entlassen.
Der Zeuge EKHK[z] Krapp erscheint um 11.12 Uhr im Sitzungssaal.
Der Zeuge EKHK[aa] Krapp macht folgende Angaben zur Person:
Heinrich Krapp, 55 Jahre alt,
Erster Kriminalhauptkommissar beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden,mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Herr Krapp, ist es richtig, wenn wir davon ausgehen, daß Sie bei der Spurensicherung bzw. Spurenauswertung nach dem Sprengstoffanschlag in Karlsruhe - Bundesrichter Buddenberg - eingesetzt gewesen sind?
Zeuge Kr[app]:
Ja.
Vors.:
Es sind hier verschiedene Spurengruppen vielleicht von Interesse. Ich möchte gerne die Spurengruppen nennen, die das Gericht dabei im Auge haben ... gerne im Auge hätte. Nämlich zunächstmal Feststellung hinsichtlich des Fahrzeuges an dem die Detonation erfolgt sein soll, Feststellung hinsichtlich der Splitter, die sichergestellt worden sind, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Sprengkörper stehen und auf dessen Konstruktion hinweisen, die schließlich auf die ... den Zündmechanismus möglicherweise hinweisen und schließlich noch die Frage, ob irgendwelche Schmauchspuren gefunden wurden, die auch von Ihrer Seite aus eine Erläuterung [8616] zulassen. Ich würde Sie also vielleicht bitten zu beginnen mit der Spurenfeststellung am Fahrzeug selbst.
Zeuge Kr[app]:
Der PKW wurde am 16.5. zum Bundeskriminalamt nach Wiesbaden verbracht. Er wurde hier in die Garage gebracht und zwar auf die Hebebühne; zunächst wurde der Wagen mal fotografiert von allen Seiten. An Beschädigungen waren vorhanden, an der Frontseite war das Kfz-Kennzeichen abgerissen, als KA - PE 890, dann waren die Scheinwerfergläser, waren kaputt. Die Reflektoren hingen heraus, die Lampen selbst waren noch intakt. Dann war die rechte Seite, die Windschutzscheibe war total zertrümmert, dann die rechte Seite vom PKW, da war das Trittbrett, das war nach unten abgebogen. Der Kotflügel hat einige Durchschläge gehabt und zwar von unten nach oben. Dann der rechte hintere Kotflügel, der war im vorderen Bereich abgerissen, dann war hinten die[bb] rechte Rückleuchte, die war abgerissen. Die rechte hintere Scheibe, die hat gefehlt; die hintere Scheibe vom PKW, die war herausgenommen, die lag innen im Fahrzeug, desgleichen die linke hintere Scheibe. Dann das linke Trittbrett, das war ebenfalls deformiert; der linke hintere Kotflügel, der hat einige Beulen gehabt. Das Dach selbst war ein Schiebedach, es war im rechten vorderen Bereich nach oben abgebogen; die Schienen, also es sind irgendwie Sprengkörperteile oder Teile des PKW’s, die sind nach oben abgeschleudert worden. Es wurde dann der PKW ausgeräumt und zwar war der rechte Beifahrersitz, der war total zertrümmert. Die Polsterung war zum Teil angekohlt. In der Decke, also im Himmel des PKW, da waren Anhaftungen, Schmauchanhaftungen und Anhaftungen von der Polsterung und Teermassen die unten im PKW waren. Dann der hintere ... die hintere Sitzbank, die war im rechten Teil aufgerissen; die Batterie war zerstört. Dann das Bodenblech des PKW auf der rechten Seite, also unter[cc] dem Beifahrersitz, das war aufgerissen in einer Länge von etwa 60 cm und einer Breite von etwa 40 cm. Das Metall war nach innen gebogen, woraus zu schließen war, daß die Sprengwirkung[dd] von unten erfolgt ist. Dann war der Tunnel, war beschädigt.
Das sind wohl die wesentlichen Beschädigungen. Dann war Schmauch an der rechten Türe, an der Innenbekleidung, dann vom Fahrersitz die rechte Seite war zum Teil beschmaucht.
Vors.:
Sie hatten erwähnt, die Durchschläge im Bereich dieses Schiebedaches - der Schienen - hat das Dach oben sonstige Durchschläge noch aufgewiesen?
[8617] Zeuge Kr[app]:
Ja, oben im Dach waren Durchschläge, von unten nach oben, also die Kraft erfolgte von unten.
Vors.:
Das war also etwa die Beschreibung. Wir können nachher einige Lichtbilder Ihnen vorlegen, nachdem Sie ja gesagt haben, daß offenbar in Ihrer Gegenwart die Aufnahmen gemacht worden sind. Dann können Sie uns ja den Zustand anhand der Bilder bestätigen. Wir könnten dann übergeben zu den Metallsplittern die am Tatort gesichert worden sein sollen. Haben Sie hier diese Metallsplitter alle gesehen, haben Sie diese Metallsplitter in irgendeiner Weise rekonstruiert? Sonstige Dinge, die Sie praktisch aus Ihrer Fachkenntnis heraus mit solchen Splittern anstellen können, das sollten Sie uns jetzt schildern.
Sie können sich dabei, soweit es für Sie zweckmäßig erscheint, auch dieser hier vorliegenden Asservate bedienen, soweit Sie sie im einzelnen wiedererkennen, wäre also hier die Gelegenheit gegeben das gleich zu tun.
Zeuge Kr[app]:
Darf ich vielleicht noch eins ergänzen zum PKW selbst, hinten im Motorraum, da war eine Zündleitung angebracht und zwar ging die von der Zündspule, ausgehend vom Kontakt 1, also das ist jetzt diese Basch-Bezeichnung[ee], der Zündspule und zwar war hier eine Klemme angebracht, ein Stück grün isolierte Kupferlitze und da waren angedreht, eine gelbe isolierte Zündleitung. Und zwar war diese Zündleitung eingeschlossen oder hintereinander geschaltet von der Zündspule zum Verteiler und die lag hinter dem Ventilatorgehäuse und führte beim rechten Hinterrad, außerhalb vom Motorraum und dort war sie an einer Stelle nochmal zusammengedreht und im Bereich des Motorraums war diese Leitung mit schwarzer Farbe irgendwie angestrichen.
Vors.:
War die übrige Farbe der Motorteile auch schwarz, in der ähnlichen Weise?
Zeuge Kr[app]:
Ja, also es war zweifellos irgendwie zur Tarnung, war diese Leitung da angestrichen.
Vors.:
Das war Ihre Annahme; das haben Sie sich dabei gedacht.
Sonstiges noch zu den Spuren?
Zeuge Kr[app]:
Also zum PKW nicht mehr.
Vors.:
Haben Sie über den Verlauf dieser Leitung selbst noch Feststellungen treffen können oder ...? Also Sie sagten, Zündspule im Motor, wie sie dann weitergeführt war - das Kabel - ließe sich das ...?
[8618] Zeuge Kr[app]:
Von der Zündspule ging einmal, also es war eine Doppelleitung, zwei Drähte einmal zum Sprengkörper und dann die zweite Leitung, also praktisch zur elektrischen Zündung. Die Rückleitung, die ging dann zum Unterbrecher.
Vors.:
Das sind also Ihre Schlußfolgerungen. Gesehen haben Sie, im Zweifelsfall den Sprengkörper nicht mehr.
Zeuge Kr[app]:
Nein, den Sprengkörper nicht mehr.
Vors.:
Die Frage würde sonst kommen, aber die Leitungen jedenfalls haben Sie zu dieser Vorstellung gebracht, so müßte es gewesen sein?
Zeuge Kr[app]:
Ja, die hatte eine Länge von etwa 2,80 m.
Vors.:
Das war noch vorhanden, eine Länge von 2,80 m?
Zeuge Kr[app]:
Ja.
Vors.:
Dann könnten wir jetzt zur nächsten Spurengruppe, den Metallsplittern kommen. Bitte, Herr Krapp.
Die vorliegenden Asservate
B 50 12/9 Pos. 1-58
- mit Ausnahme der Position 42 -
werden in Augenschein genommen.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Zeuge Kr[app]:
Von den Metallsplittern, da wurden einmal Teile gefunden und zwar verzinkte Teile von einer Sechskantschraubkappe mit Innengewinde. Das Gewinde hat 11 Gang pro Zoll ein ... Gewinde mit einer Steigung von 55°. Dann Rohrteile mit einem Außengewinde, ebenfalls die gleiche Gewindegröße. Soll ich die Einzelteile ...?
Vors.:
Wenn Sie uns gleich demonstrieren bei Ihren Ausführungen und dabei immer die Nummer bezeichnen, die auf den Stücken zu finden ist.
Der Zeuge besichtigt die vorliegenden[ff] Asservate
B 50 12/9 Pos. 1-58
- mit Ausnahme der Pos. 42 -
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 36
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Hier ist einmal die Nr. B 50 12/9, 36, das ist ein Teil der Schraubkappe, also verzinkt. Da[gg] ist eine Originalkante noch vor- [8619] handen, also ein Teil den Schraubkappe mit dem Innengewinde, es müssen natürlich mehrere sein.
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 37
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Hier eine Spur - B 50 12/9/37 - das ist ein Außengewinde, also ein Stück von einem Rohr und zwar 1 ¼ Zoll.
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 43
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Das ist hier nochmal 12/9/43[hh], das ist ebenfalls wieder ein Teil der Schraubkappe - verzinkt -.
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 33
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Hier ist nochmal ein Teil - 12/9/33 - ebenfalls von der Schraubkappe mit Innengewinde.
Oberstaatsanwalt Holland verläßt um 11.23 Uhr den Sitzungssaal.
Zeuge Kr[app]:
Die ich jetzt rausgesucht habe, das sind die wesentliche Teile wohl von dieser Schraubkappe und diesem Rohrstück, welches an der Bombe vorhanden war. Dann waren weitere Teile da und zwar in einer Stärke zwischen etwa 3 bis etwa 4,5 mm Stärke.
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 50
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Und zwar einmal hier, besonders dieses Asservat - 12/9/50 - was von einem halbkugelförmigen oder gewölbten Körper herrührt. [8620] Und zwar befinden sich hier Druckstellen, die vom Aufschlag auf die Straßenoberfläche irgendwie herrühren.
Vors.:
- Könnten - das ist Ihre Annahme.
Zeuge Kr[app]:
Ja.
Es waren auch hier Erdproben und Gesteinsanhaftungen daran, also wodurch das zu erkennen war.
Dann sind ein Großteil von Splittern ...
Vors.:
Hat man diese Splitter, etwa gerade solche große Stücke, untersucht auf bestimmte Bearbeitungsmerkmale?
Zeuge Kr[app]:
Ja, ein Teil dieser großen Splitter mit dieser Materialstärke und zwar ist an einem Splitter - den kann ich natürlich im Moment nicht raussuchen - da befindet sich eine Schweißstelle zu der korrespondierend eine Schweißstelle hier eines runden Gegenstandes;
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 40
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Hier Asservat 12/9/40. Also eines Rundeisens von 8 mm Stärke. Das korrespondiert mit der Schweißnaht von diesem Hohlkörper oder Bombenkörper. Also es ist eine Tragevorrichtung irgendwie, die hier angeschweißt war.
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 52
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Dann sind Teile vorhanden von Magneten und zwar Permanentmagneten. Das ist einmal ein guterhaltener Magnet und zwar das Asservat 12/9/52; das ist eine Messinghülle, dann eine Stahlhülle noch einmal und innendrin ein 8kantiger Permanentmagnet.
Hier wurden Teile gefunden, also insgesamt von 3 Magneten, die irgendwie an dem Stahlkörper befestigt gewesen sind.
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 29
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Und zur Befestigung wurden Teile gefunden; das ist hier ein Teil 12/9/29 mit Bohrungen und zwar sind das Halterungen für diese Magnete. An diesen Bohrungen, da kann entweder mit einer Schraube oder mit einer Niete der Magnet befestigt gewesen sein.
[8621] Vors.:
Herr Krapp, Sie sagten, es seien erkennbar gewesen, die Teile von 3 Magneten.
Zeuge Kr[app]:
Ja.
Vors.:
Das könnte ja wohl bloß dadurch festgestellt werden, daß sich solche gleiche Stücke 3-mal wiederholt haben?
Zeuge Kr[app]:
Ja. Also jeder Magnet, der hat[ii] erstmal 3 Permanentmagnetkerne, diese achteckigen, dann je zwei Metallschalen in denen diese Magneten eingebettet sind. Es sind - ja, wieviel Schalen - also auf jeden Fall Schalenteile von 3 Magneten. Dann auch Hüllenteile, wie hier diese Messinghüllen, die ebenfalls darauf schließen lassen, daß es 3 Magnete waren.
Vors.:
Haben Sie den Draht hier irgendwo wieder unter diesen Asservaten gesehen? Sie sprachen vorhin von einem Draht, der von der Zündspule wegführte und eine Länge von 2,80 m gehabt hat.
Der Zeuge Krapp besichtigt das Asservat
B 50 12/9 Pos. 58
und erklärt:
Zeuge Kr[app]:
Ja, das sind die Drahtstücke Ass. 12/9/58.
Vors.:
Erkennen Sie diese Drähte wieder?
Zeuge Kr[app]:
Jawohl.
Vors.:
Ich meine, sie sind ja nicht sehr charakteristisch oder sind irgendwelche ...?
Zeuge Kr[app]:
Und zwar ist hier der Stecker mit dieser grün isolierten Kupferlitze. Das ist ein Originalstecker, diese Bosch-Zündspulen, dann der gelbe Draht, der hat eine Stärke von etwa 1,62 mm.
Ende Band 481
[8622] Zeuge Kr[app]:
Und die Drahtstärke selbst, es ist ein Eisendraht, verkupfert, wie er in der Sprengtechnik Verwendung findet, der hat eine Stärke von etwa 0,6 mm. Dann ist ein Stück schwarz isolierte Kupferlitze vorhanden. Ebenfalls mit einem Stecker, der ist, dazu gehört dann der Gegenstecker, der eine Kleinigkeit anders aussieht.
Vors.:
Sie haben vorhin erwähnt, daß der Draht irgendwo geschwärzt worden wäre. Läßt sich das als charakteristisches Merkmal hier noch erkennen?
Der Zeuge Krapp demonstriert am Richtertisch die Beschaffenheit des Asservats B 50 12/9/58.
Vors.:
Also das, was hier schwarz erscheint, bei dem Draht, das ist leicht ersichtlich, ist nicht die Originalfarbe, sondern eine ...
Zeuge Kr[app]:
Unten drunter gelbe Kunststoffisolation, die schwarz angestrichen ist.
Vors.:
Das läßt sich also auch beim Augenschein ohne weiteres an Abriebstellen erkennen. Danke.
Herr Krapp, ist es richtig, daß man versucht hat, aus den Splittern irgendwie zu rekonstruieren, wie dieser Sprengkörper ausgesehen haben könnte.
Zeuge Kr[app]:
Ich habe erstmal das Bodenblech selbst, das habe ich zurückgebogen im Pkw, um die maximale Ausdehnung der Hauptsprengwirkung[jj] zu ermitteln. Die Fläche ist abgezeichnet worden planimetriert worden, also es war eine Fläche von etwa 500 cm2.
Vors.:
Ich darf vielleicht die Herren Prozeßbeteiligten darauf hinweisen, daß wichtig für das Verständnis dieser Ausführungen jetzt wohl die Bildtafeln, Blatt 86 folgende sein werden. Benötigen Sie diese Bilder zu Ihren Erläuterungen?
Zeuge Kr[app]:
Nein, brauche ich eigentlich nicht. Also ich habe diese Splitter usw., die sind verglichen worden und sind lichtbildmäßig ergänzt worden, mit der Bombe Inheidenerstraße dann. Und sind auf die korrespondierenden Spuren, die sind auf diesen Lichtbildern eingezeichnet.
Die Lichtbilder aus Ordner 69, Blatt 86/87 werden vom Gericht in Augenschein genommen.
Die Prozeßbeteiligten haben Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
[8623] Dem Zeugen werden die Lichtbilder aus Ordner 69, Blatt 86/87 mit der Bitte um Erläuterung vorgelegt.
Zeuge Kr[app]:
Also die erste Untersuchung, die hat zunächst dazu geführt, daß auf jeden Fall ein Stahlkörper als Sprengkörper verwendet worden ist und zwar in halbkugelförmiger oder in gewölbter Form, an dem sich zwei Anhänger befunden haben oder zwei Rundeisenstäbe, die als Tragebügel irgendwie verwendet werden konnten. Dann die Magnetteile, die sprachen dafür, daß es auf jeden Fall ein Sprengkörper ist, der unter dem Wagen befestigt worden ist und durch die Magnetkraft haftet. Es wurde dann später in der Inheidenerstraße der Sprengkörper gefunden, der hier auf der Bildtafel abgebildet worden ist und jetzt wurden die Splitter, die am Tatort und zur Untersuchung übergeben worden sind, von Karlsruhe, verglichen. Und die sind hier gekennzeichnet, und zwar habe ich die Spuren gekennzeichnet, hier 3.1, das sind Teile und diese Schraubkappe, und von dem Stahlrohr, was oben in den Sprengkörper eingeschweißt worden ist, dann bei 3.3, das sind die Rundeisenstäbe, als Trage- oder Haltebügel, dann 3.4.1, das sind die Teile des Sprengkörpers. Auf der Abbildung Blatt 87, das sind die Magnetteile verglichen und die Halterung. Hierzu ist vielleicht zu ergänzen, es sind die Bohrungen vorhanden, dann ist die Halterung, das ist ein Flacheisen von 3 mm Stärke und 20 mm Breite. Die Kanten, die sind abgerundet, was darauf[kk] schließen läßt auf eine gewisse gleichartige Fertigung. Dann die Magnetteile, es wurde von diesem Sprengkörper Inheidenerstraße ein Magnet zerschnitten und die Teile verglichen. Auch diese Kunststoffmaterialien, die vorhanden sind, und es sind ebenfalls die gleichen. Hierzu darf ich vielleicht noch ergänzen, von meiner Dienststelle aus wurde ein solcher Magnet angekauft. Es wurden sowohl bei diesen Splittern in Karlsruhe, als auch bei dem Sprengkörper in der Inheidenerstraße, unten am Magnet, da befindet sich eine Beschriftung, also die Herstellung von diesem Hersteller, Kennzeichen, Bedeutung der Ziffern weiß ich nicht. Es sind aber sowohl bei dem Sprengkörper der Inheidenerstraße, als[ll] auch bei diesen Tatteilen von Karlsruhe entfernt worden. Wahrscheinlich damit diese Ma- [8624] gnete nicht sofort oder nicht identifiziert werden sollten.
Vors.:
Das ist jetzt eine Mutmaßung. Also Sie haben diese Feststellung getroffen.
Zeuge Kr[app]:
Ich habe hier auch einen Vergleichsmagneten dabei, der damals angekauft worden ist und das sind hier die Beschriftungen[mm] auf dieser Prägung auf der Unterseite.
Der Zeuge legt ein Vergleichsstück eines Magneten vor.
Vors.:
Ja, ist es richtig, daß die Splitter, die Sie hier gekennzeichnet haben, Bild 86 und 87, mit 3.1 folgende, daß von diesen Teilen jeweils auch, oder jedenfalls von einem Teil davon Einzelaufnahmen gemacht worden sind, zu Vergleichszwecken, dann mit derselben Bezeichnung?
Zeuge Kr[app]:
Ja. Speziell von dem Magneten ...
Das Gericht nimmt die Fotografien aus Ordner 69, Blatt 88/89 in Augenschein.
Die Prozeßbeteiligten erhalten die Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen.
Dem Zeugen werden Fotografien aus Ordner 69, Blatt 88/89 mit der Bitte um Erläuterung vorgelegt.
Zeuge Kr[app]:
Blatt 88, die Lichtbildtafel 25 a zeigt die Magnethülle: 3.6.2, dann diesen Permanentmagneten: 3.6.5, in den Schalen 3.6.3., und die Kunststoffhülle 3.6.4. Die Aufnahme 25 b zeigt dann diese Gruppe der Splitter von oben, also aus einer anderen Perspektive. Dann auf Blatt 89 Aufnahmen 25 c und d, das sind nochmals die Details, die Schalen des Permanentmagneten und die Isolationsmaterialien, die sind nochmal abgebildet.
Vors.:
Danke. Haben Sie zur Konstruktion der Zündung auch Feststellungen treffen können?
Zeuge Kr[app]:
Zur Konstruktion der Zündung, also der Stromkreis, in dem diese Zündleitung, dieses gelbisolierte Kabel angeschlossen war, die geht von der Batterie aus im Pkw über das Zündschloss, dann über die Zündspule zur, zum Verteiler. Und zwar ist es die Primärleitung, die unter einer Spannung von 12 Volt, also die Normalspannung der Autobatterie, steht. Ergänzen möchte ich noch, eingangs war die Frage, ob Rückstände von Sprengstoff festgestellt worden sind. Es wurde sowohl von den Wagenanhaftungen Schmauchanhaftungen als auch von den Splittern Untersuchungen vorgenommen, die ich na- [8625] türlich nicht gemacht habe. Aber es wurde Ammonium, Kalium, Schwefel und Nytrat Eon festgestellt.
Vors.:
Sie sehen hier noch einen intakten Metallkörper liegen.
Der Vorsitzende deutet auf das vorliegende Asservat E 23 V/5 Pos. 350
- Sprengkörper -
Vors.:
Diente er Ihnen zu Vergleichszwecken bei diesen Versuchen, die hier bei der Rekonstruktion gemacht worden sind?
Zeuge Kr[app]:
Ja, er ist auch auf diesen Lichtbildern abgebildet und mit denen ist verglichen worden.
Vors.:
Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Berichterstatter, bitte.
Richter Ma[ier]:
Herr Krapp, waren Sie auch am Tatort in Karlsruhe?
Zeuge Kr[app]:
Ja, ich bin um 17.30 Uhr bin ich eingetroffen in Karlsruhe.
Richter Ma[ier]:
Herr Krapp, haben Sie dort am Tatort schon einen Teil der Splitter gesehen, die Sie hier auf dem Tisch sehen?
Zeuge Kr[app]:
Nein, es waren also minimale Splitter, die ich noch gefunden habe, beim Abgehen dieses engeren Tatortes. Der Pkw selbst, der war von einer Polizeidienststelle in Gottesau, es war alles bereits verladen und es wurde auch am Tatort nichts mehr angesehen.
OStA Holland erscheint um 11.36 Uhr wieder[nn] im Sitzungssaal.
Richter Ma[ier]:
Danke.
Vors.:
Ich glaube, Sie haben die Frage nicht ganz richtig verstanden. Gemeint war, ob Sie von den Splittern, die hier vorhanden sind, etwas gesehen haben schon am Tatort? Nicht ob Sie sie selbst gesichert haben.
Zeuge Kr[app]:
Nein, ich habe auch dort nichts gesehen.
Vors.:
Auch nicht gesehen. Danke.
Prof. Dr. Azzola erscheint um 11.37 Uhr wieder[oo] im Sitzungssaal.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Herr Bundesanwalt Widera.
Reg. Dir. Wi[dera]:
Herr Krapp, mich interessiert noch, von wem, Person oder Behörde, Sie dann die Splitter bekommen haben?
Zeuge Kr[app]:
Die bekamen wir, also es wurde dort ein Beschluß gefaßt, wer die Untersuchungen durchführt und zwar lautet der folgendermaßen: Es soll in Verbindung mit dem Landeskrimi- [8626] nalamt Stuttgart und der Kriminalpolizei ...
Reg. Dir. Wi[dera]:
Herr Krapp, wenn ich Sie unterbrechen darf. Mich interessiert eine so umfassende Antwort nicht. Mich interessiert nur, von wem: Person oder Behörde Sie die Splitter bekommen haben?
Zeuge Kr[app]:
Es war Herr Pelzing vom LKA Stuttgart und Kuter oder Küter, oder so ähnlich heißt der, vom Erkennungsdienst Karlsruhe.
Reg. Dir. Wi[dera]:
Und nachdem Sie Ihre Untersuchung abgeschlossen hatten, wo sind, welchen Weg haben die Splitter dann genommen?
Zeuge Kr[app]:
Wer die bekommen hat?
Reg. Dir. Wi[dera]:
Ja.
Zeuge Kr[app]:
Die bekam dann diese, damals Arbeitsgruppe Sprengstoff, also heute AT beim Bundeskriminalamt, wo sie registriert worden sind und zum Teil zur Materialuntersuchungen an die BAM[pp] nach Berlin geschickt worden sind.
Reg. Dir. Wi[dera]:
Das war’s. Vielen Dank.
Vors.:
Weitere Fragen? Ich sehe nicht.
Dem Zeugen werden Lichtbilder aus Ordner 69 Blatt 67/82 zur Erläuterung vorgelegt.
Zeuge Kr[app]:
Also auf Blatt 67 Abbildung 1 zeigt den Pkw von vorne. Die Reifen, das hatte ich vorhin vergessen, die waren alle platt. Also Durchschläge von Stahlteilen.
Vors.:
Das brauchen wir eigentlich im einzelnen nicht mehr zu besprechen. Wir haben vorhin das schon durch Herrn Sonntag weitgehend erfahren. Nur wenn besondere Hinweise auf den Bildern sichtbar werden, die Sie uns geben möchten, insbesondere im Zusammenhang etwa mit Ihrer speziellen Tätigkeit als Sprengkörperspezialist.
Zeuge Kr[app]:
Also Abbildung 1 hier und Abbildung 2 zeigt den Wagen von vorne und die rechte Seite.
Vors.:
Es ist offenbar der Zustand, wie Sie den Wagen auch gesehen haben?
Zeuge Kr[app]:
Jawohl, wie er bei uns angeliefert worden ist. Dann Abbildung Blatt 68, Abbildung 3, die Rückseite mit der[qq] fehlenden Rückenbeleuchtung. Abbildung 4 die linke Seite. Dann Abbildung 5, die linke Seite, Abbildung 6 die zerstörte Windschutzscheibe und oben das zerstörte Schiebe- [8627] dach.
Vors.:
Sie sagen, das zerstörte Schiebedach. War das Schiebedach noch vorhanden?
Zeuge Kr[app]:
Ja, das war noch vorhanden.
Vors.:
Und noch befestigt am Wagen ...
Zeuge Kr[app]:
Bitte.
Vors.:
Nein, ich meine aber nicht mehr befestigt am Wagen?
Zeuge Kr[app]:
Nein, das war abgenommen, das lag im Pkw drin. Also bei der Anlieferung.
Vors.:
So daß das also nicht das Schiebedach darstellt, sondern wahrscheinlich die Rahmen, die Umgebung, die Rahmenumgebung des ehemaligen Schiebedaches.
Zeuge Kr[app]:
Ja, der Rahmen, der ist hier unten sichtbar und jetzt, ich könnte natürlich, aber ich glaube, das Dach lag drin. Es wurde ... zu dieser Aufnahme wurde es oben aufgelegt. Abbildung 7, Blatt 70, zeigt die verbogene Schiene des Schiebedaches. Dann Abbildung 8 die Durchschläge auf der Oberseite des Wagens, genauso Abbildung 7. Dann Blatt 71, Abbildung 9a und 9b, die zeigen die Beschädigung im Wagenhimmel die Beschmauchung und Anhaftung von Spuren. Dann Blatt 72, Abbildung 10 rechts die Beschmauchung der rechten Wagentüre, Innenseite. Blatt 73, da ist der Fahrersitz, der ist umgeklappt und im Hintergrund ist der zerstörte Beifahrersitz sichtbar und der zerstörte Rückensitz, [rr] Sitzbank im vorderen Bereich. Dann Blatt 74 Abbildung 11 b, da ist die zerstörte Batterie sichtbar. In dem Wagen selbst da wurden noch kleine Metallsplitter gefunden, zum Teil vom Pkw, zum Teil auch vom Sprengkörper ohne wesentliche Bedeutung. Dann Blatt 75, Abbildung 12 und 13, da wurde der Wagen hochgebockt mit der Hebebühne, das sind Aufnahmen von unten und zwar sieht man hier die Beschädigungen. Und zwar die Wölbung von unten nach oben, Abbildung ... Blatt 76, Abbildung 14 und 15. Abbildung 14, das ist der zerstörte Tunnel in Höhe der Handbremse etwa, dann das Bodenbleck auf Abbildung 15 nach oben gebogen. Hier wurde unten ein Stück weißes Papier eingelegt, damit die Spur besser erkennbar ist. Blatt 77, Abbildung 16, hier habe ich ungefähr die engere Streuung eingezeichnet von Detonations- [8628] herd unter dem Wagen bis zum Dach. Dann Abbildung 78, nachdem dieser Sprengkörper von der Inheidenerstraße verglichen worden und als artgleich festgestellt worden ist, da habe ich eine Verkleinerung anfertigen lassen, die hier eingesetzt, etwa in der Mitte des Detonationsherdes. Abbildung 17. Dann Abbildung 79, hier ist durch rote und auch, also 18a und 18b, ist durch rote Pfeile gekennzeichnet diese geschwärzte gelbisolierte Kupferleitung, mit Anschluß an der Zündspule und auch die Verteilung unten zum Verteiler. Auf Abbildung 80 sind nochmal die beiden Kontakte gekennzeichnet durch rote Pfeile. Desgleichen Blatt 81, 19 b. Blatt 82, da ist die Ausführung der Kabel unter dem rechten Hinterrad, die dann vorgeführt ist oder in Richtung eben zum Sprengkörper ging.
Vors.:
Danke. Sind weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe bei Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Nicht. Herr Rechtsanwalt Linke bitte.
RA Li[nke]:
Herr Zeuge, würden Sie nochmal das Bild 78 oder das Bild auf Blatt 78 vornehmen. Sie sagten, Sie hätten eine Verkleinerung des Sprengkörpers angefertigt und hier eingesetzt. Wie darf ich das verstehen? Ist das nur für eine Fotomontage ein verkleinerter Sprengkörper gewesen?
Zeuge Kr[app]:
Nein, das ist der Sprengkörper der Inheidenerstraße. Der wurde verkleinert aufgenommen und wurde hier eingesetzt, um etwa die Lage, also es ist weder maßstabsgerecht, er wurde auch später noch in Reproduktionen von Schaltplänen der VW-Werke ... ebenfalls nur, daß man die Lage etwa erkennen kann.
RA Li[nke]:
Also nur fotografisch verkleinert?
Zeuge Kr[app]:
Ja.
RA Li[nke]:
Danke.
Vors.:
Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Sehe ich nicht.
Der Zeuge EKHK Krapp versichert die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf seinen bereits geleisteten Eid (§ 67 StPO) und wird im allseitigen Einvernehmen um 11.45 Uhr entlassen.
Der Zeuge Schlagetter erscheint um 11.46 Uhr im Sitzungssaal.
[8629] Den Zeuge Schlagetter macht folgende Angaben zur Person:
Ferdinand Schlagetter,
53 Jahre alt,
Fotograf, Wiesbaden.Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Die Aussagegenehmigung des Zeugen Schlagetter wird als Anl. 1 zum Protokoll genommen.
Vors.:
Ist es richtig, daß Sie Fotograf sind, beim Bundeskriminalamt?
Zeuge Schl[agetter]:
Bundeskriminalamt ja.
Das Gericht nimmt die Bilder aus dem Ordner 69, Blatt 67-82 in Augenschein.
Die Prozeßbeteiligten erhalten Gelegenheit am Augenschein teilzunehmen
Dem Zeugen werden die Bilder aus dem Ordner 69, Blatt 67-82 vorgelegt.
Vors.:
Haben Sie diese Bilder hergestellt? Sie können sie in aller Ruhe sich durchsehen und feststellen, ob das Aufnahmen von Ihnen sind.
Zeuge Schl[agetter]:
Das sind alles Aufnahmen von mir.
Vors.:
Sie erkennen Sie an der Qualität? Und am Gegenstand?
Zeuge Schl[agetter]:
Ja.
Vors.:
So hat es sich Ihnen damals in Natur auch dargeboten ...
Zeuge Schl[agetter]:
Genauso.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe ringsum nicht.
Der Zeuge versichert die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf seinen bereits geleisteten Eid (§ 67 StPO) und wird im allseitigen Einvernehmen um 11.48 Uhr entlassen.
Vors.:
Es ist noch ein Originalschriftstück zu verlesen.
[8630][20] [8631] Gem. § 249 StPO wird das Original - Asservat E 34 I/5 Pos. 132, dessen Ablichtung in Ordner 69, Bl. 203, vorhanden ist, verlesen.
Das Gericht nimmt das Original Asservat E 34 I/5 Pos. 132 in Augenschein.[21]
Die Prozeßbeteiligten erhalten Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Vors.:
Wir wären dann am Ende des Vormittagsprogrammes. 14.00 Uhr Fortsetzung.
Pause von 11.51 Uhr bis 14.03 Uhr.
[8632] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr.
Als Zeugin ist anwesend:
Gerta Buddenberg
Als Sachverständiger ist anwesend:
Dr. med. Carl-Adolf Goecke
RA. Schlaegel ist nunmehr auch anwesend[ss].
RAe. Herzberg, Dr. Heldmann und Prof. Dr. Azzola sind[tt] nicht mehr anwesend[uu].
Vors.:
Ich sehe, wir können die Sitzung fortsetzen. Die Verteidigung ist gewährleistet. Wir haben heute Nachmittag Frau Buddenberg als Zeugin und Herrn Dr. med. Goecke als Sachverständigen.
Die Zeugin Gerta Buddenberg wird gem. § 57 StPO belehrt.
Der SV Dr. Goecke wird gem. [§]§ 72, 57 u. 79 StPO[22] belehrt.
Die Zeugin Buddenberg und der SV Dr. Goecke sind mit der Aufnahme ihrer Aussagen auf das Gerichtstonband einverstanden.
Vors.:
Ich glaube, es bestehen keine Bedenken, wenn der Herr Sachverständige gleich neben der Frau Zeugin anwesend bleibt? Ich sehe keine Widersprüche.
Die Zeugin Buddenberg macht folgende Angaben zur Person:
Gerta Buddenberg,
geb.[vv] [Tag].[Monat].1918,
Hausfrau,
Karlsruhe-Durlach.
Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Frau Buddenberg, ist es richtig, daß Sie die Ehegattin des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof Buddenberg sind?
Zeugin Bu[ddenberg]: Ja.
[8633] Vors.:
Es ist sicher nicht notwendig, Sie zu fragen, ob Sie sich noch an den Sprengstoffanschlag vom 15. Mai 1972 entsinnen. Wir würden Sie bitten, daß Sie uns Ihre Wahrnehmungen, Ihre Beobachtungen im Zusammenhang mit diesem Sprengstoffanschlag mitteilen. Die Folgen bezeichnen, die für Sie eingetreten sind. Ich würde vorschlagen, daß Sie vielleicht beginnen mit dem Zeitpunkt vor dem Anschlag, da Sie das Fahrzeug vor Ihrer Wohnung abgestellt haben.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Dürfte ich vielleicht auch darum bitten, daß Vorhaltungen gemacht werden, die sich auf das Protokoll beziehen, das ich abgegeben habe zu dem Anschlag. Denn immerhin sind 4 Jahre vergangen und Sie werden sicher Verständnis dafür haben, daß ich in diesen 4 Jahren alles versucht habe, um an dieses schreckliche Attentat nicht erinnert zu werden, daß ich es also praktisch zugeschüttet habe in meiner Erinnerung. Ich habe es heute erst wieder in meiner Erinnerung zurückgerufen. Es könnte lückenhaft sein. Ich würde Sie darum bitten, mir entsprechende Vorhaltungen zu machen. Ich kann natürlich auch schildern, könnte aber, wenn es sich vielleicht um Stunden um Minuten oder irgendetwas handelt, auch irren.
Vors.:
Es ist so, Frau Zeugin, wir gehen selbstverständlich davon aus, daß nach 4 Jahren das Erinnerungsbild, insbesondere, wenn man es aus guten Gründen nicht behalten möchte, weitgehend verschüttet sein kann. Zunächst muß ein Zeuge im Zusammenhang darstellen, was er weiß. Den Zusammenhang wollen wir Ihnen jetzt geben. Wir werden dann, wenn Lücken bleiben, Fragen an Sie stellen und feststellen können, ob Sie Ihre Erinnerung dann noch vertiefen können. Ich darf Sie also bitten zu beginnen, von dem Zeitpunkt an, wo Sie das Fahrzeug vor dem Anschlag geparkt haben, vor Ihrer Wohnung.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Es handelt sich also um den 15.5. Ich war morgens zu Hause. Wir hatten, wie das aus dem Protokoll hervorging, eine Reise gemacht, [ww] wir haben ein Fest gefeiert. Und ich war absolut arbeitsunlustig. Ich schrieb einen Brief an meine Tochter und war also in heiterster Stimmung. Der Wagen stand unten vor unserer Haustür, Klosestraße [Hausnummer], [8634] wie beschrieben geparkt. Und ich hatte noch Besorgungen zu machen und wollte meinen Mann vom Bundesgerichtshof abholen. Ich wurde dann gegen 11.15 Uhr angerufen. Frau Dr. Radtke rief mich an, es handelte sich um einen Termin. Und das Telefon setzte plötzlich aus. Ich mußte damit rechnen, daß eine Störung war[xx], ich meine, es fiel mir damals nicht als etwas Ungewöhnliches auf. Aber ich konnte auch gar keine Verbindung mit meinem Mann kriegen, mit niemandem. Auch im Hause niemanden anrufen, es war nicht möglich bis 12.00 Uhr etwa, das Telefon wieder in Ordnung zu kriegen. So entschloß ich mich denn, also hinunter zu gehen und mit dem Auto Besorgungen zu machen und meinen Mann abzuholen. Ich trat an das Auto heran, schloß wie üblich auf, setzte mich hinein, warf meine Taschen und was ich sonst noch bei mir hatte, ich weiß nicht mehr genau, was es war, so wie man es so macht, hinten ins Auto hinein, schlug die Tür zu und öffnete wie ich es immer zu tun pflegte, das Fenster, denn der kleine VW-Käfer, es gibt immer so eine Druckwelle, wenn man das Auto zu hat, also habe ich das Fenster leicht heruntergemacht und steckte dann den Schlüssel in die Zündung und beim Zünden ... Während ich den Schlüssel also leicht umdrehte, merkte ich einen Brandgeruch. Was ich jetzt schildere, spielte sich, möchte ich sagen, in Bruchteilen von Sekunden ab. Ich roch also im wahrsten Sinne des Wortes Lunte, war irgendwie in einer Alarmstellung durch diesen merkwürdigen Brandgeruch, denn beim VW ist ja der Tank vorne und wenn es von da stinkt, dann wird es gefährlich, also ich war irgendwie gewarnt. Und in dem Moment, wie ich das dachte, schon setzte eine Explosion ein. Ich meinte hinter mir, mit einem unheimlichen Getöse wurde ich plötzlich mit Teilen des Autos und Asche und Staub und Schmutz zugedeckt, und dann muß wohl so eine Art Filmriß bei mir eingetreten sein, denn ich kann nicht mehr sagen, wie ich aus dem Auto herausgekommen bin. Ich bin herausgekommen, das weiß ich. Aber das sind Bruchteile von Sekunden, die sich meinem Bewußtsein entziehen. Denn ich habe merkwürdigerweise auch diesen[yy] ungeheuren Detonationsknall, der noch Straßenweit gehört wurde, nichts wahrge- [8635] normen, bewußt.
RA. Dr. Heldmann erscheint wieder um[zz] 14.07 Uhr im Sitzungssaal.
Ich befand mich also, nachdem ich mich nicht entfernt habe aus dem Auto, sondern in irgendeiner Form herausgekommen bin, befand ich mich plötzlich mitten auf der Straße, daran kann ich mich erinnern. Ich kann mich daran erinnern, daß meine Stimme ganz dünn und klein klang. Daß ich um Hilfe rief und daß ich laut rief: „Dies ist ein Anschlag der Baader-Meinhof-Gruppe. Bitte benachrichtigen Sie meinen Mann, Bundesrichter Buddenberg.“ Und daß ich gar nicht begriff, warum die Leute, die dann aus dem Fenster schauten, so weiß aussahen, nicht an das Auto herangingen und mir nicht zu Hilfe eilten. Ich rief immer: „Holen Sie doch meine Sachen aus dem Auto raus.“ Also ich begriff eigentlich gar nicht, was geschehen war. Bis ich dann wohl merkte oder die Leute mich darauf aufmerksam machten, daß ich blute. Ich kann also auch nicht sagen, wo und wann ich verletzt worden bin. Es ist so wie bei Soldaten wahrscheinlich, im Kriege, die ähnliche Erlebnisse machen. Ich wurde dann also auf die Straße gelegt, hinter unser Auto und es wurde ein Arzt herbeigerufen und da sah ich überhaupt erst, was mit unserem Auto geschehen war, das ich ja, wie ich meinte, gerade noch so einigermaßen fahrmäßig, fahrtüchtig verlassen habe. Da war also alles hochgewirbelt hinten. Es war fast, also ich konnte mir das gar nicht vorstellen, daß ich da also lebend aus dieser Kiste herausgekommen war, wenn ich das so ausdrücken darf. Dann kam der Arzt und machte einen Notverband, ich hatte ... die Schwere[aaa] der[bbb] Verletzungen konnte ich natürlich gar nicht übersehen. Ich hielt das zunächst gar nicht so schlimm. Es wurde dann ein Rot-Kreuz-Auto geholt. Ich glaube auch Polizei, jedenfalls war plötzlich alles voller Menschen und ich wurde dann verbunden und wurde dann mit dem Krankenwagen in das Krankenhaus gefahren, wo ich dann sofort von Professor Mathes in ärztliche Obhut genommen wurde und zwei Stunden später operiert wurde.
Vors.:
Ich glaube, wir können das dann zusammenfassen mit den Folgen [8636] der Verletzung. Können Sie die aus der Laiensicht, der natürlich leidvolle praktische Erfahrungen macht, uns schildern, welche Verletzung Sie erlitten haben.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ich habe zwei Fleischverletzungen erlitten und zwar zwischen Schien- und Wadenbein am linken Unterschenkel, ja also zunächst die frische Verletzung sah also so aus, daß ich dachte, das Bein wäre weg. Aber Gott sei Dank war es nicht weg. Das rechte Bein hatte eine Splitterverletzung. Ich war damals natürlich auch nicht so ganz klar bei Verstand, als die Wunde versorgt wurde. Und dann habe ich noch eine Splitterverletzung am rechten Arm.
Vors.:
Wie lange mußten Sie im Krankenhaus bleiben.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ich habe vom 15. Mai bis Ende Juni in stationärer Behandlung mich[ccc] befunden im Vincentiuskrankenhaus, im neuen Vincentiuskrankenhaus. Und war anschließend noch, um wieder gehen zu lernen und rehabilitiert zu werden, in Ebersteinburg. Und dieses Krankenhaus habe ich dann Ende August verlassen.
Vors.:
Sind die Folgen, also wenn ich Sie recht verstehe, hat es sich insbesondere darum gehandelt, daß Sie Schwierigkeiten hatten, zu gehen in der Folge?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ja.
Vors.:
Das, was Sie andeuteten, hätten auch Folgen aufzeigen können, bezüglich des Gehörs?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ich habe auch Gehörschäden, es ist durch Dr. Köppel, einem Gutachter, belegt worden.
Vors.:
Sind damit Schmerzen verbunden gewesen?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Nein, das Schlimmste ist an sich die Beinschäden?
Vors.:
Ist das heute überwunden ganz?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Nein, ich habe hier einen Invalidenausweis „50 % beschädigt“.
Vors.:
Und ich meine, ich weiß nicht, ob man die Frage an Sie stellen darf. Haben Sie Aussichten, daß sich das jemals wieder ...
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ich hoffe es. Ich bin also sehr sportlich immer gewesen. Und ich möchte im eigenen Interesse und auch im Interesse meiner Familie möglichst so normal mich in mein Leben eingliedern, ich habe in all den vier Jahren es versucht. Deswegen habe ich auch versucht, zu vergessen. [8637] Ich habe[ddd] selbst, hauptsächlich selbst an mir gearbeitet, um meine Gesundheit wieder zu erlangen. Es wird mir nicht gelingen, es wird eine Beschädigung wohl bis an mein Lebensende bleiben. Aber ich kann mich zumindest wieder eingliedern. Auch was psychische Folgen anbelangt, gebe ich mir große Mühe, um auch meinem Mann das Leben nicht so schwer zu machen, mit diesem Attentat fertig zu werden.
Vors.:
Sie erwähnen nun neben den körperlichen Folgen noch die psychischen.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ja, das ist, glaube ich, verständlich.
Vors.:
Das ist verständlich. Können Sie uns diese Folgen auch noch beschreiben. Ich meine, waren die für Sie selbst beurteilbar[eee], was da für Schäden eingetreten sind? Sonst haben wir natürlich hier den ...
Zeugin Bu[ddenberg]:
Sie sind insofern für mich selbst beurteilbar, da[fff] ich [ggg] im Grunde ein sehr energischer und tatkräftiger und, wie ich meine, mutiger Mensch bin. Und ich weiß ja ganz genau, worauf die Schlaflosigkeit, Nervosität und das alles hinterher eintrat. Ich kannte ja den Grund und wußte, wo ich nun selbst ansetzen mußte.
Vors.:
Also das scheinen nervliche Belastungen gewesen sein, die sich eben dann ausdrückten in Schlaflosigkeit, Nervosität und Angst.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ja.
Vors.:
Es ist von Ihnen gesagt worden, Sie hätten schon beim Hilferuf erwähnt, daß es sich hier um einen Anschlag von Baader-Meinhof-Gruppe, wie Sie sagten, gehandelt habe. Was hat Sie zu dieser Mutmaßung gebracht. Ich meine, ich möchte es präzisieren, hat man Sie vorher schon ...
Zeugin Bu[ddenberg]:
Das kann ich genau präzisieren, mein Mann war zumindest ja auch tätig, als Ermittlungsrichter in dieser Voruntersuchung, in der Ermittlung, und man wußte, daß diese Gruppe wohl radikal war, daß sie allerdings einmal zu Attentaten schreiten würde, konnte man wohl damals nicht voraussehen.
Vors.:
Nun, meine Frage geht also konkret dahin, hatten Sie vorher irgendwelche Anzeichen bemerken können, daß so etwas bevorsteht?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Nein, überhaupt nicht. Ich habe auch, deswegen sagte ich [8638] das ja, ich hatte meinen Mann mal gefragt, ob da vielleicht man etwas befürchten müsse, daraufhin sagte er mir: „Nein, das glaube ich nicht“, denn der Richter in Deutschland gibt dem Angeschuldigten ja die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Also der Richter ist ja dazu da, um auch zu helfen.
Vors.:
Also keine verdächtigen Anzeichen vorher.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Keine Verdächtigungen. Aber an dem Morgen, an dem Montagmorgen, als wir von der Reise zurückgekommen waren, las ich diagonal die Zeitung, da habe ich so im Unterbewußtsein mitbekommen von dem Augsburger Anschlag.[23] Also mein Mann hat die Zeitung gar nicht gelesen, sonst wären wir beide wohl etwas vorsichtiger gewesen. Das muß ich wohl, aus diesem Unterbewußtsein heraus muß ich das wohl gesagt haben.
Vors.:
Daher diese Verbindung.
Zeugin Bu[ddenberg]:
Daher, denn gerechnet hatten wir mit sowas nicht. Möchte ich betonen.
Vors.:
Wenn wir die Spuren, die uns heute früh von Zeugen und Sachkennern geschildert worden sind, richtig deuten, dann müßte man annehmen, daß der Explosionsherd unter dem Beifahrersitz gelegen haben müßte. Deshalb die Frage an Sie, sind Sie, Sie und Ihr Gatte, gemeinschaftlich öfters gefahren. War das irgendeine Übung, daß der eine oder andere von Ihnen ...
Zeugin Bu[ddenberg]:
Nein, das war gar keine Übung, sondern wir fahren beide Auto und das abwechselnd. Mal fahre ich, mal fährt mein Mann.
Vors.:
Ja, das ist jetzt die Frage ...
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ich fahre öfter, da ich den Wagen also zu Einkaufszwecken benutze. Gelegentlich meinen Mann abhole. Aber es gibt da gar keine Regel.
Vors.:
Nein, ich meine so, konnte man, wenn man Ihr Fahrverhalten beobachtet, davon ausgehen, daß Sie und Ihr Gatte gleichzeitig fahren würde. Oder daß jedenfalls auf dem Fahrer- und Beifahrersitz gleichzeitig eine Person sich aufhalten würde?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Das könnte sein, da ich meinen Mann häufiger abholte und dann stieg ich natürlich ins Auto oder beziehungsweise mein Mann ging meistens morgens zu Fuß. Und wir fuhren auch [8639] manchmal gerade in der letzten Zeit zusammen. Ich hatte mehr Besorgungen zu machen und dann setzte mein Mann sich, weil ich ihn unterwegs absetzte, auf den Beifahrersitz und ich fuhr. Möglicherweise ...
Vors.:
Es geht jetzt nur um die Fakten. Also die Konstellation hat es gegeben: Sie fuhren und Ihr Gatte nahm Platz auf dem Beifahrersitz. Vielleicht noch, ist das eine häufige Angelegenheit gewesen, daß Sie so den Wagen benutzten, oder wie würden Sie das beurteilen?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Ich möchte nicht sagen, daß es die Regel war, es hat sich vielleicht gerade in den letzten Wochen rein zufällig ergeben, daß wir uns[hhh] eben in dieser Form uns in die Stadt bewegten.
Vors.:
Aus Ihrer Aussage konnte der Eindruck erstehen, daß das Fahrzeug am 15.5., das ist das Datum, an dem der Anschlag passiert ist, auch erst geparkt worden ist vor dem Hause. Trifft das zu?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Nein, der Wagen wurde abends geparkt. Wir hatten gar keine Garage. Wir parkten den Wagen vor dem Hause.
Vors.:
So daß also der Wagen unbenützt stehen blieb, vom Vorabend bis zum Geschehen selbst?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Das ist richtig, ja.
Vors.:
Weitere Fragen an die Frau Zeugin? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Widera, bitte.
Reg. Dir. Wi[dera]:
Frau Buddenberg, mich interessiert, ob Sie uns sagen können, ob in der Klosestraße ein Kindergarten ist und ob es richtig ist, daß die überwiegende Anzahl der Kinder mittags gegen 12.00 Uhr diesen[iii] Kindergarten, wenn es ihn gibt, verläßt? Und auch in Richtung Ihrer Wohnung über die Klosestraße nach Hause geht?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Es gibt einen Kindergarten in der Klosestraße und es ist ganz richtig, daß diese Kinder gegen 12.00 Uhr von ihren Müttern abgeholt werden und in Richtung Bahnhof nach Hause gehen.
Reg. Dir. Wi[dera]:
Dann noch eins, in Ergänzung dessen, was der Herr Vorsitzende eben gefragt hat. Vor dem 15. Mai 1972 ist Ihr Gatte vielleicht öfter mal mit dem Wagen morgens zum Dienst gefahren?
Zeugin Bu[ddenberg]:
Das kann ich Ihnen leider nicht mehr sagen, weiß ich nicht.
[8640] Reg. Dir. Wi[dera]:
Danke.
Vors.:
Die Herren Verteidiger? Ich sehe keine Fragen. Wird zu Fragen der Vereidigung irgendeine Anregung, ein Wunsch, ein Antrag gestellt. Bitte Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Wir wünschen die Vereidigung,[24] Herr Vorsitzender.
Vors.: (nach geheimer Umfrage)
Der Senat hat beschlossen:
Die Zeugin wird vereidigt.
Die Zeugin Buddenberg wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 14.22 Uhr entlassen.
Der Sachverständige Dr. Goecke macht folgende Angaben zur Person:
Carl-Adolf Goecke,
60 Jahre alt,
Arzt,
Karlsruhe.Mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.
Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Wir haben gerade von dem Sprengstoffanschlag gesprochen, der Ihnen sicher auch ein Begriff ist. Ist es richtig, daß Sie behandelnder Arzt damals von Frau Buddenberg gewesen sind?
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Ja, ich war es eigentlich schon lange Jahre vor dem Attentat, also schon solange die Familie Buddenberg in Karlsruhe wohnt.
Vors.:
Nun haben wir gehört, daß Frau Buddenberg zunächst einen Krankenhausaufenthalt durchmachen mußte. Wir können also davon ausgehen, daß Sie mit der Behandlung erst einsetzten nach dieser Entlassung aus dem Krankenhaus?
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Ja.
Vors.:
Könnten Sie heute noch sagen, wann das genau gewesen ist?
Sie können gerne Ihre Unterlagen dazu verwenden?
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Wenn ich meine Unterlagen dazu verwenden darf.
Ende des Bandes 482.
[8641] Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Also sie befand sich im neuen Vincentiuskrankenhaus vom 15.5. bis zum 24.6.72. Und kam dann sechs Tage später nach Ebersteinburg, das war vom 30.6. bis 19.8.72. Wiederum ein Krankenhaus. In der Zwischenzeit habe ich sie gesehen und besucht. Ich habe sogar mitgeholfen, diese Nachbehandlung in Ebersteinburg einzuleiten.
Vors.:
Ja, das würde also bedeuten, daß Frau Buddenberg zwischen dem 24. und dem 30. in Ihrer Behandlung gewesen sein müßte.
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Ja, zum Beispiel das war 72, am 4.4. und am 29.6., da war sie ja wieder zurück. Sie war also, ach nee, das war 15.5 bis 24.6. ... Dann bin ich nach meiner Kartei erst wieder tätig geworden am 31.8.72. Da war also Frau Buddenberg aus Ebersteinburg zurück. Aber ich habe inzwischen, darüber liegen keine Aufzeichnungen vor, vielleicht erinnert sich Frau Buddenberg noch selbst daran, ich habe[jjj] sie im Krankenhaus schon besucht, noch im Vinzensiuskrankenhaus, also in dem ersten Krankenhaus, wo sie lag. Wir hatten dann bei der Gelegenheit und auch vor der Entlassung und auch nach der Entlassung darüber gesprochen, daß sich eine Behandlung unter stationären Bedingungen zur Rehabilitation in Ebersteinburg anschließen sollte. Also insofern bin ich da schon tätig geworden.
Vors.:
Gut, also wir wissen jedenfalls, daß Sie vor dem 30.6., den zweiten Krankenhausaufenthalt, sich vom Zustand Ihrer Patientin überzeugen konnten. Nun knüpfen Sie ja wahrscheinlich bei so einer Behandlung mit an an die Befunde, die Kollegen von Ihnen schon vorher erhoben hatten. Und so wollten wir Sie jetzt bitten, daß Sie uns vielleicht mitteilen, welche ursprünglichen Verletzungen und welche vorausgegangenen, Ihrer Behandlung vorausgegangenen ärztlichen Befunde zur Debatte standen, als Sie mit der Nachbehandlung einsetzten?
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Es war so, daß also bei der Entlassung aus dem Erstkrankenhaus, nämlich aus dem neuen Vinzensiuskrankenhaus, die Wunden noch frisch waren, im wesentlichen aber die Operationswunden verheilt waren. Ich kann Ihnen nur[kkk] nicht mehr genau sagen, ob wir es zuhause noch verbunden haben, das habe ich mir nicht aufgeschrieben. Es geht aber aus dem [8642] Krankenhausbericht hervor. Wenn ich ihn vielleicht, ja also die Fäden waren gezogen, die Wunden waren frisch verheilt, bei der Entlassung aus dem Erstkrankenhaus.
Vors.:
Könnten Sie uns sagen, welche Verletzungen Ihnen damals ja als Voraussetzung dann für Ihre weitere Behandlung mitgeteilt worden sind?
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Ja, am rechten Unterschenkel an der Rückseite bestand eine etwa 1 cm lange Weichteilverletzung. Am linken Unterschenkel, Innenseite, sah man eine etwa 6-mal 3 cm, ein etwa 6-mal 3 cm großen Weichteildefekt. Etwa 1 cm tief. Die Beweglichkeit war frei. Am rechten Oberarm fand sich eine etwa 1 cm lange Wunde. Knochenverletzungen waren röntgenologisch nicht nachweisbar. Aber metalldichte Fremdkörpersplitter finden sich insgesamt 4. 2 in den Weichteilen des rechten Unterschenkels, 1 in den Weichteilen des linken Unterschenkels und einer im Bereich der oberen Armhälfte, Oberarmhälfte rechts, der oberen Oberarmhälfte rechts.
Vors.:
Ja danke. Und welche Folgen haben Sie nun selbst, sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht bei Ihrer Behandlung noch feststellen können.
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Na also zunächst Schmerzen. Starke Schmerzen vor allen Dingen in dem schwerer verletzten linken Unterschenkel, aber auch natürlich noch in dem rechten Unterschenkel, [lll] mit starker Gehbehinderung. Dann aber mir schien damals vorrangig das psychische Trauma. Ich fand Frau Buddenberg völlig verändert. Depressiv, ängstlich, sie war nicht mehr die, die sie früher war.
Vors.:
Haben Sie infolge Ihrer Behandlung dann feststellen können, daß sich das behoben hat und insbesondere können Sie uns die Frage beantworten, wie die Aussichten sind für eine restlose Genesung, soweit Sie das als Arzt in Gegenwart der Patientin verantworten können. Wenn Sie das nicht könnten, müßten Sie uns das sagen?
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Sie meinen also, wie die Aussichten, bis wann, oder Sie wollen ungefähr einen Zeitpunkt haben, wo nach meiner Auffassung nach diese Folgen ganz behoben sind?
Vors.:
Sie haben uns geschildert, welche Verletzungen sie erfahren haben. Sie haben gesagt, welche Beobachtungen Sie selbst gemacht haben, das psychische Trauma sei sogar im Vorder- [8643] grund gestanden für Sie und die Frage geht jetzt dahin, oh während Ihrer Behandlung eine Besserung eingetreten ist, bis zu welchem Grade? Bis zum heutigen Zeitpunkt gerichtet und wie Sie dann natürlich die Zukunftsaussichten betrachten?
Sachverst. Dr. Goe[cke]:
Ja, es ist also fortlaufend sicher eine ...
Vors.:
Entschuldigung, ich sehe gerade eine Wortmeldung. Geht es um das Verfahren, Herr Rechtsanwalt?
RA Li[nke]:
Es geht um das Verfahren.
Hoher Senat, namens der Angeklagten Ulrike Meinhof wird Herr Dr. Goecke als Sachverständiger abgelehnt.
Ich berufe mich dazu auf die Paragraphen 74, 24, 22 Nr. 4 der Strafprozeßordnung. Danach kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, aus denen ein Richter abgelehnt werden kann. Ein Richter kann abgelehnt werden sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit. Nach § 22 Nr. 4[ StPO] ist ein Richter kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, wenn er unter anderem als Anwalt des Verletzten tätig geworden ist. Wie wir aus den Aussagen einerseits der Zeugin Buddenberg, als auch aus den Angaben des Herrn Sachverständigen erfahren haben, war er als Arzt, als Vertrauensarzt, wenn Sie so wollen, der Verletzten tätig. Ich bin deshalb der Auffassung, daß er entsprechend § 22 Nr. 4[ StPO] kraft Gesetzes hier nicht Sachverständiger sein kann, sondern allenfalls als Sachverständiger Zeuge[25] vernommen werden darf. So ist auch auf der Verteidigerbank hier insgesamt zunächst die Terminsmitteilung, also die Ladung des Herrn Dr. Goecke verstanden worden. Zur Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes berufe ich mich auf die Angaben des Herrn Sachverständigen, die in der heutigen Sitzungsniederschrift enthalten sind.
Vors.:
Weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag, seitens der Herren Verteidiger? Ich sehe nicht. Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern?
BA Dr. Wu[nder]:
Rein vorsorglich möchte ich bitten, daß die Vernehmung des Arztes als Zeugen, als sachverständigen Zeugen weitergeführt wird und vorsorglich beantrage ich:
Herrn Dr. Rüdiger, der ebenfalls Frau Buddenberg seinerzeit untersucht hat, dann als Sachverständigen zu vernehmen,
[8644] falls das Gericht zu der Auffassung kommen sollte, daß der hier anwesende Arzt als Sachverständiger nicht vernommen werden kann.
Vors.:
Wären bei diesem Herrn Dr. Rüdiger nicht dieselben Voraussetzungen gegeben, die jetzt die Verteidigung zu diesen Bedenken veranlassen?
BA Dr. Wu[nder]:
Soweit ich unterrichtet bin, sind diese Voraussetzungen nicht vorhanden, in der Person des Dr. Rüdiger.
Vors.:
Wir werden uns die Sache überlegen. Ich bitte in einer Viertelstunde wieder hier im Saale anwesend zu sein.
Pause von 14.33 bis 14.52 Uhr.
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung:
Prof. Dr. Azzola ist wieder anwesend[mmm].
Der Angekl. Raspe ist nunmehr auch anwesend[nnn].
Vors.:
Wir können die Sitzung fortsetzen. Zunächst möchte ich das jetzt bekanntgeben, was augenblicklich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.
Der Senat sieht von einer Entscheidung über den Befangenheitsantrag gegen Herrn Dr. Goecke ab.
Der vom Herrn Verteidiger Linke in Entsprechung von § 22 Nr. 4 der Strafprozeßordnung geltend gemachte absolute Ablehnungsgrund trifft zwar nicht zu. Jedoch geben die Bedenken der Verteidigung angesichts der hier zutage getretenen langjährigen ärztlichen Vertrauensstellung des Herrn Dr. Goecke dem Senat Anlaß, seine Vernehmung auf die Aussage eines sachkundigen Zeugen zu beschränken.
Wobei ich ausdrücklich Ihnen sagen möchte, Herr Dr. Goecke, daß das natürlich nichts mit einem objektiv gegebenen Mißtrauen gegen Ihre Unvoreingenommenheit zu tun hat. Jedoch ist bei solchen Anträgen eben auch auf die subjektive Auffassung eines Angeklagten Rücksicht zu nehmen.
(nach Zwischenruf des Angeklagten Raspe) Ich möchte geschwind das noch hier abschließen, Herr Raspe, Sie kommen dann gleich zu Wort.
Sie sind also jetzt hier als Zeuge, zwar als sachkundiger Zeuge gehört worden. Sie haben ja die Belehrung, die Frau Buddenberg als Zeugin gegeben worden ist, hinsichtlich der Wahrheitspflicht mit- [8645] gehört. Haben Sie die auch mitverstanden. Sie galt ja [ooo] entsprechend für Sie.
Zeuge Dr. Goe[cke]:
Ja, ich habe sie verstanden.
Vors.:
Gibt es nun, wenn ich Ihnen mitteile, daß Sie also unter den Pflichten eines Zeugen gestanden haben und stehen, irgendeinen Grund oder irgendeinen Anlaß, daß Sie von den bisherigen Angaben etwas nicht mehr wiederholen könnten, beziehungsweise zu ändern hätten?
Zeuge Dr. Goe[cke]:
Nein, ich sehe keinen Grund.
Vors.:
Sind an den Herrn Zeugen weitere Fragen? Ich sehe beim Gericht keine. Bei der Bundesanwaltschaft? Nicht. Die Herren Verteidiger? Auch nicht. Dann würde ich gerne Herrn Dr. Goecke vereidigen.
Der Zeuge Dr. Goecke wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 14.55 Uhr entlassen.
Vors.:
Herr Raspe Sie haben sich zu Wort gemeldet, um was geht es?
Angekl. Ra[spe]:
Ich habe einen Ablehnungsantrag gegen Sie.
Vors.:
Gegen mich.
Angekl. Ra[spe]:
Und zwar aufgrund der Tatsache lehne ich Sie ab ...
- Ich weiß nicht zum wievielten Mal jetzt schon. Aber es ist offensichtlich notwendig, daß jedenfalls immer wieder öffentlich zu machen, weil Sie das auch immer wieder tun. -
Aufgrund der Tatsache, daß Sie verhindern, daß ich verteidigt werde.
Sie haben Rechtsanwältin Bahr-Jendges, obwohl sie also sich hier legitimiert hat, für mich nicht zugelassen. Die Zulassung rausgeschoben, mit der ...
Vors.:
Könnten Sie etwas lauter sprechen oder ...
Angekl. Ra[spe]:
... die Zulassung rausgeschoben, mit der formalen Begründung, da müßte also erst noch überprüft werden, ob also mit diesem Sonderparagraphen 146[ StPO],[26] ob der sich nicht, also das ist genau der Zweck der Sache, ob Sie den nicht so drehen, schieben und biegen können, daß es dann, wie es dann auch sein wird, endgültig so ist, daß sie nicht zuge- [8646] lassen wird. Das heißt, daß der Zustand, der also hier seit Wochen herrscht, in dem Punkt, und daß die ganze Linie ohnehin, die Sie in dieser Beziehung drauf haben, daß der so bleibt, wie er ist, beziehungsweise noch forciert wird, nämlich der, daß wir hier nicht verteidigt werden. Und daß jede Rekonstruktion einer Verteidigung verhindert werden muß. Das ist genau das, was sich in dieser Maßnahme abbildet. Es hat den klaren und offensichtlichen Zweck, und Sie machen das, seit dieses ganze Verfahren läuft, seit dieser Senat überhaupt zuständig ist, wird das gemacht, die Verteidigung zu zerstören und jede denkbare Rekonstruktion der Verteidigung zu verhindern. Als Staatsschutzrichter und in dieser Funktion, in der Sie also diese Lächerlichkeit des normalen Strafverfahrens hier garantieren sollen, verhindern Sie, daß eine Verteidigung existiert. Müssen Sie das verhindern, und darauf sind sämtliche Maßnahmen gerichtet. Sie haben 12 Anwälte ausgeschlossen,[27] kriminalisiert,[28] die Kriminalisierung gedeckt, die Diskriminierung gedeckt, bedroht, nicht zugelassen, zuletzt bei[ppp] Temming.[29] Jetzt das allerneueste bei Bahr. Und das sind die Maßnahmen, mit denen Sie hier auf der Linie der Bundesanwaltschaft und des Staates, eben die, mit denen Sie hier die Linie der Bundesanwaltschaft und des Staatsschutz, deren Anweisungen exekutieren, durchführen, durchsetzen. Sie haben Plottnitz ausgeschlossen, darüber, daß Sie ihn entpflichtet haben, auf Antrag der Bundesanwaltschaft.[30] Und diese Entpflichtung ist natürlich sofort verbunden[qqq] worden mit einem lancierten Ehrengerichtsverfahren,[31] nachdem die Bundesanwaltschaft erreicht hat, daß die Ehrengerichtskammern speziell für diese Sachen so besetzt[rrr] sind, daß dann auch der Zweck der Sache da rauskommt. Und über die Entpflichtung haben Sie ihn aus der Verteidigung rausgedrückt. Sie haben damals[sss] die Verteidigung unmöglich gemacht. Und jetzt halten Sie den Zustand aufrecht, indem ich nicht verteidigt bin. Und das, wie gesagt seit Wochen. Und das ist also ein Grund, Sie abzulehnen, weil die Befangenheit also, die wirklich offensichtlich ist. Obwohl es sowieso nur eine Groteske ist, der Begriff. Aber angesichts dessen, was [8647] hier überhaupt nur an Begriffen zur Verfügung steht, auf dieser Ebene, die justiziellen, das[ttt] uns ansonsten überhaupt nicht interessiert, das ist genau das, was Sie machen, und genau[uuu] das, was sich in Ihrer Maßnahme abbildet, zeigt, sichtbar wird. Und der Kern der ganzen Sache ist der, daß Sie nochmal dieses fadenscheinige Argument [§ ]146[ StPO], nachdem das sowieso schon ein Sondergesetz ist, offensichtlich Ihre, Sie also noch auf Anweisung warten, wie Sie dieses Sondergesetz diesmal zurechtbiegen sollen. Damit also das Gleiche rauskommt, was Sie also, ich glaube, zum 14-mal gemacht haben oder machen.
Vors.:
Weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag? Herr Rechtsanwalt Schlaegel bitte.
RA Schl[aegel]:
... gestatten, daß ich den Antrag um das Mittel[vvv] der Glaubhaftmachung[32] ergänze, nämlich Protokoll und dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters.
Vors.:
Will sich die Bundesanwaltschaft dazu äußern? ... Herr Professor Azzola, Entschuldigung. Ich glaube, wir wollten die Verteidigung dann ganz abschließen. Entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie übersehen gehabt.
Prof. Dr. Az[zola]:
Herr Dr. Prinzing, ich weiß nicht, vielleicht äußert sich die Bundesanwaltschaft erst zu diesem Antrag. Ich habe im Namen der Frau Meinhof zu erklären, daß Frau Meinhof,
den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit auch ablehnt.
Vors.:
Bitte ...
Prof. Dr. Az[zola]:
Ich habe für Frau Meinhof zu erklären ...
Vors.:
Ja, das haben wir verstanden. Nein, aber Sie haben ...
Prof. Dr. Az[zola]:
... daß auch Sie den Vorsitzenden Richter[www] Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt.
Vors.:
Aus diesen Gründen?
Prof. Dr. Az[zola]:
Nein, aus anderen. Vielleicht trennt man das, oder soll die Bundesanwaltschaft getrennt Stellung nehmen?
Vors.:
Ich würde sagen, alle Ablehnungsgründe sollten jetzt vorgetragen werden, so daß sie dann auch einheitlich beurteilt werden können, seitens der Stellungnahme.
Prof. Dr. Az[zola]:
Ich persönlich möchte, bevor ich auf die Gründe der Frau Meinhof eingehe, bitten, daß Frau Meinhof zugelassen wird,[33] um diesen Antrag selbst vorzutragen und selbst [8648] zu begründen. Weil meine Person involviert ist.
Vors.: (nach geheimer Umfrage)
Ja, es ist formal schwierig, Herr Professor, wir müßten jetzt zunächst mal dann wohl über das Ablehnungsgesuch entscheiden, des Herrn Raspe, und feststellen, ob der Senat überhaupt komplett ist,[34] um über den Antrag zu entscheiden, den Sie im Augenblick gestellt haben. Deswegen muß man es doch trennen.
Prof. Dr. Az[zola]:
Das waren meine Bedenken auch schon vorhin.
Vors.:
Dann stellen Sie also Ihren gestellten Antrag im Augenblick zurück ...
Prof. Dr. Az[zola]:
Jawohl.[xxx]
Vors.:
... und wir wollen dann doch die Bundesanwaltschaft bitten, daß sie sich jetzt zum Antrag des Herrn Raspe äußert. Bitte.
OStA Ze[is]:
Soweit der Antrag des Angeklagten Raspe hier drüben überhaupt akustisch zu verstehen war, bestand er wieder zum großen Teil nur aus Polemik. Der sachliche Gehalt war wohl der, daß der Angeklagte Raspe deswegen, weil Sie, Herr Vorsitzender die Frau Bahr-Jendges nicht als Verteidigerin bestellt haben, wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt.
Vors.:
Verzeihen Sie, Herr Bundesanwalt, ich glaube, es ist fast notwendig, um Ihnen überhaupt die Möglichkeit zu geben, sachgerecht Stellung zu nehmen, darauf hinweisen, es ist keine Entscheidung ergangen, bislang. Frau Bahr-Jendges hat geschrieben, ob sie ein Verteidigergespräch mit Herrn Raspe führen könne. Ich habe Sie dann befragt, ob Sie nicht in Hamburg verteidigt habe, im Müller-Möller-Prozeß.[35] Und ich weise vorsorglich auf § 146[ StPO] hin.[36] Sie hat mir daraufhin geantwortet, warum sie diese Bedenken nicht sehe. Ich habe ihr geantwortet, warum die Bedenken trotzdem bestünden und die Frage daran geknüpft, ob weiterhin der Besuchsantrag aufrechterhalten bleibe. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort bekommen. Es ist also nicht richtig, daß bis jetzt eine Entscheidung ergangen wäre.
OStA Ze[is]:
Darf ich noch eine Frage stellen. Hat Frau Bahr-Jendges die Frau Möller, wie ich vermute, in Hamburg verteidigt?
Vors.:
Sie hat sie verteidigt. Sie hat den Pflichtverteidigerauftrag übernommen, ich glaube, in der Mitte des Jahres 75 und dann bis zum Ende durchgeführt. Das Verfahren befindet sich jetzt in der Revisionsinstanz.[37]
[8649] OStA Ze[is]:
Ihre Erklärung, Herr Vorsitzender, vereinfacht die Stellungnahme noch weiter. Es ist ganz klar, daß, wenn Frau Bahr-Jendges in Hamburg Frau Möller verteidigt hat, Frau Möller, die wegen Mitgliedschaft in eben derselben kriminellen Vereinigung zu der[yyy] auch die Angeklagten nach der Anklage zu zählen sind, daß dann § 146[ StPO] zwingend verbietet, eine Verteidigung, auch das, was eventuell vorausgeht, nämlich Besuche zwecks Besprechungen, ob eine Verteidigung übernommen werden kann, ist dann[zzz] nicht zulässig. Das weiß auch der Angeklagte Raspe ganz genau. Wenn er dennoch hier erneut den Ablehnungsantrag stellt, dann nur deswegen, um den Prozeß zu verschleppen. Die Bundesanwaltschaft beantragt deshalb, den Antrag gem. [§ ]26 Abs. 1 Ziff. 3 StPO[38] als unzulässig zu verwerfen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Für Herrn Baader folgender Hinweis: Diese Rechtsauffassung mag ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, es ist nicht ersichtlich, wieso Sie im Augenblick betroffen wären. Es handelt sich in der Tat nur um einen Besuchsantrag bei Herrn Raspe. Im übrigen Erwiderungen, in Sachen ... Erwiderungen sei es zur Stellungnahme der Bundesanwaltschaft, das ist wohl inzwischen klar geworden, hier handelt es sich nur um eine Rechtsauffassung, wäre nur möglich, wenn neue Tatsachen eingeführt worden wären, das ist nicht der Fall.
RA Dr. He[ldmann]:
Aus dem Wortlaut der Diskussion mag sich ergeben, ob sich Herr Baader diesem Antrag anstellt oder eigenen Antrag stellt.
Vors.:
Das ist wieder etwas anderes. Aber ich glaube, den Antrag kann er wohl nicht verfolgen. Ich meine, er kann es natürlich, wenn Sie meinen.
RA Dr. He[ldmann]:
Dann darf ich daran erinnern, daß der Bundesanwalt offenbar vergessen hat, daß genau diese Frage der Senat positiv präjudiziert[aaaa] hat, in der Sache Verteidigung der Angeklagten Ensslin und Schubert[39] durch Rechtsanwalt Schily. Wobei das Verfahren Schubert sich ebenfalls wie hier in der Revisionsinstanz befindet.
Vors.:
Ich bitte, wieder in 15 Minuten hier anwesend zu sein. Es [8650] wird dann bekanntgegeben, wie es weitergeht.
Pause von 15.06 Uhr bis 15.21 Uhr.
Prof. Dr. Azzola ist nicht mehr anwesend[bbbb].
Vors.:
Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:
Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing wird einstimmig als unzulässig verworfen.
Gründe: Der Angeklagte Raspe lehnt den Richter ab, weil er [cccc] bis jetzt das[dddd] von der Rechtsanwältin Bahr-Jendges beantragte Besuchsgesuch nicht beschieden, sondern sie auf die aus § 146 StPO folgenden Bedenken hingewiesen hat. Der Hinweis auf diese Bedenken beruht auf rechtlichen Erwägungen. Der für die Erteilung einer Besuchserlaubnis zuständige Vorsitzende ist gehalten, auf die Einhaltung der Bestimmung des § 146 StPO zu achten. Mit Befangenheit hat das schlechterdings nichts zu tun. Das weiß auch der Angeklagte. Die für die Ablehnung vorgetragenen Gründe decken daher einmal mehr keine Befangenheit des abgelehnten Richters auf. Die Ablehnung dient allein der Prozeßverschleppung.
Ich stelle zu meiner Verwunderung fest, daß Herr Professor Azzola nicht anwesend ist. Wir haben 15 Minuten Pause und dann Fortsetzung bekanntgegeben gehabt. Es besteht kein Grund, die Verhandlung fortzusetzen. Herr Raspe.
Angekl. Ra[spe]:
Ich habe eine Frage.
Vors.:
Bitte.
Angekl. Ra[spe]:
Ja ich wollte mal wissen, wie Sie entschieden haben in der Frage der Vertretung von Plottnitz durch Düx?
Vors.:
Das ist dem Senat überhaupt nur in Form einer Anfrage bis jetzt zugegangen, wurde dann auch telefonisch beantwortet. Eine Entscheidung in diesem Punkt ist genauso wenig ergangen, wie in der Sache mit Frau Bahr-Jendges, bloß daß hier schon schriftliche Unterlagen vorliegen. In diesem Falle überhaupt keine. Es gibt also keinen Grund, diese Frage zu beantworten. Wir sind am Ende des heutigen Sitzungstages ... Bitte, Herr Rechtsanwalt König.
RA Kö[nig]:
Es trifft zwar zu, daß Herr Professor Azzola nicht anwesend ist, aber ich glaube, der Antrag ist bereits ge- [8651] stellt, Frau Meinhof zuzulassen.
Vors.:
Er ist zurückgestellt worden, Herr Rechtsanwalt König, und es ist natürlich so, ein Antrag kann, muß nicht in der Hauptverhandlung gestellt werden. Es ist dazu jederzeit möglich, den auch schriftlich zu Protokoll der Geschäftsstelle usw. dem Gericht vorzutragen.[40]
RA Kö[nig]:
Ja, es war aber doch kein grundsätzlicher Antrag, sie überhaupt zuzulassen, sondern, wenn ich das richtig erahnt habe, gesagt hat, daß es ja noch nicht zur Begründung, dann sollte das wohl dazu dienen, daß Frau Meinhof selbst einen Ablehnungsantrag stellen möchte, den sie auch selbst begründen wollte.
Vors.:
Aber wenn die Voraussetzung für die Stellung eines Antrags nicht die Hauptverhandlung ist, dann bedarf es auch nicht der[eeee] Anwesenheit von Frau Meinhof, und ich darf ausdrücklich darauf hinweisen, das kann Herr Professor Azzola vortragen innerhalb der Hauptverhandlung. Aber wenn die Hauptverhandlung nicht mehr fortdauert und er nicht anwesend ist, dann ist kein Grund, die Verhandlung nicht jetzt abzubrechen. Fortsetzung am kommenden Dienstag um 9.00 Uhr, mit der Vernehmung von insgesamt 3 Zeugen.
Ende der Sitzung um 15.25 Uhr.
Ende des Bandes 483.
[1] Ulrike Meinhof wurde am 86. Verhandlungstag wegen ordnungswidrigen Benehmens nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO für die Dauer von einem Monat von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (S. 7739 des Protokolls der Hauptverhandlung, 86. Verhandlungstag). Die anderen Angeklagten hätten an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Die Strafprozessordnung sieht grundsätzlich eine Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).
[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[4] Beamt/innen des Erkennungsdienstes nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr. Ihnen obliegt sowohl die Spurensuche und -sicherung an Tatorten als auch die Auswertung. Daneben führen sie auch sogenannte erkennungsdienstliche Maßnahmen bei Beschuldigten (oder andere Personen) vor, etwa durch das Anfertigen von Lichtbildern oder die Abnahme von Fingerabdrücken.
[5] Mit KvD wird der/die ranghöchste im Dienst befindliche Kriminalbeamt/in bezeichnet („Kriminalbeamter vom Dienst“).
[6] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).
[7] Am 1.6.1972 wurden die Angeklagten Andreas Baader und Jan-Carl Raspe, sowie der frühere Mitangeschuldigte Holger Meins nach einem Schusswechsel in Frankfurt a.M. verhaftet. Dieser Vorgang war ab dem 43. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.
[8] In der Inheidener Straße in Frankfurt a.M. befand sich eine Wohnung, die u.a. für die Herstellung von Sprengstoff verwendet wurde. Die Wohnung und die darin aufgefundenen Gegenstände waren ab dem 91. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.
[9] § 257 Abs. 2 StPO enthält beweismittelbezogene Erklärungsrechte der Verteidigung sowie der Staatsanwaltschaft, allerdings grundsätzlich erst im Anschluss an die jeweilige Beweiserhebung („Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach jeder Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären“).
[10] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen eingerichtet, die die RAF betrafen (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).
[11] Die Arbeitsgruppe Sprengstoff (AGS) des BKA war für die Sicherung der sprengstoffbezogenen Sachbeweise im Themenkomplex RAF zuständig (so der Abteilungspräsident a.D. Scheicher in seinem Vortrag „Rote Armee Fraktion [RAF]. Die Herausforderung für das Bundeskriminalamt als Zentrale Ermittlungsbehörde“ vom 17. Juni 2011, S. 6 des Manuskripts, abrufbar unter https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/DasBKA/Historie/05_STVeranstaltungRedeScheicher.pdf?__blob=publicationFile&v=1; zuletzt abgerufen am: 27.9.2021; s. auch die Schilderung des Zeugen Döhla am 96. Verhandlungstag, S. 8594 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[12] § 250 Satz 1 StPO bestimmt: „Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen.“ Hieraus folgt aber nicht, dass die Vernehmung sog. „Zeug/innen vom Hörensagen“ unzulässig ist, da auch diese ihre eigenen Wahrnehmungen, nämlich in der Regel das Gespräch mit dem/der unmittelbaren Zeug/in, bekunden können (BGH, Urt. v. 1.8.1962 - Az.: 3 StR 28/62, BGHSt 17, S. 382). In diesem Sinne können sie unmittelbare Zeug/innen für Indizien sein. Dieser eingeschränkte Beweiswert ist allerdings in der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) zu berücksichtigen (Ott, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 261 Rn. 99).
[13] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).
[14] Urkunden werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 StPO; heute ebenfalls möglich: Einführung im Selbstleseverfahren, § 249 Abs. 2 StPO). Ein Beweisstück kann Gegenstand sowohl des Augenscheins-, als auch des Urkundenbeweises sein. Beide Beweisarten zielen auf unterschiedliche Erkenntnisse. Während mittels Inaugenscheinnahme Merkmale wie das Vorhandensein an sich, die äußere Beschaffenheit o.ä. festgestellt werden können, dient der Urkundenbeweis der Kenntnisnahme des (durch Schriftzeichen verkörperten) Inhalts einer Erklärung (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 249 Rn. 7).
[15] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.
[16] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2).
[17] Der Grundsatz, dass stets das weniger mittelbare Beweismittel in die Hauptverhandlung einzuführen ist (sog. materieller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914) ist in der StPO nicht vorgesehen. Lediglich einzelne Vorschriften greifen diese Vorgabe auf. So normiert § 250 Satz 2 StPO für Zeug/innen und Sachverständige den Vorrang des Personalbeweises vor dem Sachbeweis. Innerhalb des Personalbeweises gibt es jedoch kein Verbot, auch mittelbare Zeug/innen zu vernehmen, solange sie ihre eigenen Wahrnehmungen bekunden. Diese können die zu beweisende Tatsache auch mittelbar betreffen (s. bereits Fn. 12). Die Erforderlichkeit der Vernehmung unmittelbarer Zeug/innen dürfte sich aber in der Regel aus der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) ergeben (s. auch BGH, Beschl. v. 17.10.1983 - Az.: GSSt 1/83, BGHSt 32, S. 115, 123).
[18] Das Vorverfahren bezeichnet das Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft bis zur Erhebung der öffentlichen Klage nach § 170 Abs. 1 StPO (Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 5 ff.).
[19] § 67 StPO ermöglicht das Berufen auf einen früheren Eid, wenn Zeug/innen im selben Hauptverfahren erneut vernommen werden.
[20] Anlage 1 zum Protokoll vom 1.4.76: Aussagegenehmigung für den Angestellten im BKA Schlagetter.
[21] Ein Beweisstück kann Gegenstand sowohl des Augenscheins-, als auch des Urkundenbeweises sein. Beide Beweisarten zielen auf unterschiedliche Erkenntnisse. Während mittels Inaugenscheinnahme Merkmale wie das Vorhandensein an sich, die äußere Beschaffenheit o.ä. festgestellt werden können, dient der Urkundenbeweis der Kenntnisnahme des (durch Schriftzeichen verkörperten) Inhalts einer Erklärung (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 249 Rn. 7).
[22] § 72 StPO erklärt die Vorschriften über Zeug/innen auch für Sachverständige anwendbar, solange keine abweichende Regelung für Sachverständige besteht. § 58 Abs. 2 StPO erklärt zwar die Gegenüberstellung für zulässig, bezieht sich allerdings explizit nur auf das Vorverfahren. Auch in der Hauptverhandlung kann das Gericht sie aber nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen seiner Aufklärungspflicht anordnen (Maier, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 58 Rn. 28; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 58 Rn. 8).
[23] Am 12. Mai 1972 detonierten drei Sprengkörper in der Polizeidirektion Augsburg. Mehrere Personen wurden hierbei verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 6 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 85. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.
[24] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sah § 59 StPO a.F. die Vereidigung von Zeug/innen noch als Regelfall vor, wenn nicht ein Vereidigungsverbot (§ 60 StPO a.F.) vorlag. Nach § 61 StPO a.F. konnte das Gericht zudem in Ausnahmefällen von der Vereidigung absehen. Diese Möglichkeit bestand auch bei Zeug/innen, die als Verletzte der Straftat galten (§ 61 Nr. 2 StPO a.F.). Dahinter stand die Erwägung, dass Verletzte oftmals gegen Beschuldigte voreingenommen sein könnten (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 61 Anm. 5). Durch die Ausnahmemöglichkeit sollte verhindert werden, dass Verletzte durch diese vorbelastete Beziehung zur beschuldigten Person einem höheren Risiko des strafbaren Meineids ausgesetzt werden. Stand eine hierdurch beeinflusste unwahre Aussage allerdings nicht zu befürchten, so war die Vereidigung in der Regel durchzuführen (Kohlhaas, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 61 Anm. 1 lit. b cc).
[25] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2). Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; s. zur Abgrenzung Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).
[26] Während bis zum 31.12.1974 die sog. Blockverteidigung - die kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenlage - zulässig war, wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.
[27] Noch vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die früheren Verteidiger Baaders, die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele durch den 1. Strafsenat des OLG Stuttgart wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (§ 138a StPO) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff.). Darüber hinaus wurden die Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg wegen des Verbots der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) durch den 2. Strafsenat ausgeschlossen, da diese in einem Parallelverfahren vor dem LG Kaiserslautern die dort Angeklagten Grashof, Grundmann und Jünschke vertraten (OLG Stuttgart, Beschl. vom 4.11.1975 - Az.: 2 StE 1/74, NJW 1976, S. 157; s. dazu auch die Kritik der Verteidigung am 43. Verhandlungstag, S. 3320 f., 3338 ff., 3354 ff. und 3394 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Nicht mehr auftreten konnte zudem Rechtsreferendar Dr. Temming, der ab dem 41. Verhandlungstag als amtlicher Vertreter der Wahlverteidigerin Becker an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte: Aus den Diskussionen am 43. Verhandlungstag geht hervor, dass das Landgericht Stuttgart die amtliche Bestellung als allgemeiner Vertreter von Rechtsanwältin Becker aufgehoben haben dürfte (S. 3318, 3340, 3356 des Protokolls der Hauptverhandlung). Ähnliches dürfte auch in Bezug auf den Rechtsreferendar Düx, amtl. Vertreter von Rechtsanwalt von Plottnitz, geschehen sein, wobei dies lediglich angedeutet wird (43. Verhandlungstag, S. 3340 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 43. Verhandlungstag). Nachdem Dr. Temming später als inzwischen zugelassener Rechtsanwalt auftrat, wurde er nacheinander für die Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof wegen Verstoßes gegen § 146 StPO nicht zugelassen (s. dazu Fn. 29). Rechtsanwalt von Plottnitz wurde zwar nicht vom Verfahren ausgeschlossen, allerdings wurde seine Bestellung als Pflichtverteidiger für den Angeklagten Raspe zurückgenommen (die Verfügung vom 7.11.1975 ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.; s. hierzu auch die auf diese Verfügung gestützte und am 43. Verhandlungstag im Namen des Angeklagten Raspe von Rechtsanwalt Mairgünther vorgetragene Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit, S. 3308 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Gleiches gilt für die der Angeklagten Ensslin beigeordnete Rechtsanwältin Becker (s. S. 3146 des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag), wobei die Gründe ihrer Entpflichtung nicht aus dem Protokoll hervorgehen. Die Bestellung des Rechtsanwalts Riedel, der der Angeklagten Meinhof beigeordnet war, wurde schließlich auf eigenen Antrag, sowie auf Antrag der Angeklagten Meinhof aufgehoben (S. 5179 des Protokolls der Hauptverhandlung, 57. Verhandlungstag).
[28] Gegen die vom Verfahren ausgeschlossenen Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurden Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Rechtsanwalt Siegfried Haag wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).
[29] Rechtsanwalt Dr. Temming, der bereits als Rechtsreferendar im Wege der amtlichen Stellvertretung zunächst für Rechtsanwalt Riedel, später für Rechtsanwältin Becker, die Angeklagten Meinhof und Ensslin vertreten hatte, legitimierte sich am 86. Verhandlungstag als Wahlverteidiger für den Angeklagten Baader. Der Senat ließ ihn mit Hinweis auf das Verbot der Mehrfachverteidigung, das nach Senatsauffassung auch die sog. sukzessive Verteidigung umfasse, nicht zu. Hatte der Senat beim vorigen Wechsel der Stellvertretung noch argumentiert, ein von § 146 StPO verbotener Mandatswechsel habe nicht vorgelegen, „[d]a sich das Recht des Vertreters von der Vertretenen herleitet“ (so der Vorsitzende Dr. Prinzing am 41. Verhandlungstag, S. 3161 des Protokolls der Hauptverhandlung), änderte er nun im Hinblick auf eine zuvor ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seine Rechtsauffassung. Als sich Rechtsanwalt Dr. Temming nach der Versagung der Zulassung für die von ihm bereits zuvor verteidigte Angeklagte Ensslin legitimierte, lehnte der Senat die Zulassung erneut mit Verweis auf das Verbot der ab, da Dr. Temming im Wege der Stellvertretung ebenfalls die Angeklagte Meinhof vertreten habe (S. 7739 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die anschließend beantragte Zulassung als Wahlverteidiger der Angeklagten Meinhof wurde mit Hinweis auf die bereits erreichte maximale Anzahl von drei Wahlverteidiger/innen (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO) abgelehnt (S. 7743 ff. des Protokolls, 86. Verhandlungstag). Mit Beschluß vom 22.3.1976 lehnte der 2. Strafsenat des OLG Stuttgart schließlich - nach vorheriger Reduzierung der Wahlverteidiger/innen der Angeklagten Meinhof - auch die Vertretung der Angeklagten Meinhof durch Rechtsanwalt Dr. Temming wegen Verstoßes gegen § 146 StPO ab (s. dazu die Ausführungen des Rechtsanwalts Oberwinder am 91. Verhandlungstag, S. 8054 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[30] Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) war ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, dass demnächst ein/e andere/r Verteidiger/in gewählt wird und diese/r die Wahl annimmt (§ 143 StPO a.F.; heute: § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO). Überwiegend wurde aber angenommen, dass die Zurücknahme der Bestellung auch über diesen Fall hinaus aus einem wichtigen Grund zulässig ist (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 244). Als wichtiger Grund wurde auch die grobe Pflichtverletzung nach voriger Abmahnung gesehen; bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s. auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter fällt nun auch der Fall der groben Pflichtverletzung (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).
[31] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).
[32] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).
[33] Die Angeklagte Meinhof wurde am 86. Verhandlungstag wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung für die Dauer eines Monats ausgeschlossen (Fn. 1). Die Verhandlung in Abwesenheit der nach § 177 GVG wegen fortgesetzter Störung ausgeschlossenen Angeklagten ist gem. § 231b StPO möglich, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange zu befürchten ist, daß ihre Anwesenheit den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde. Zu Beginn der Hauptverhandlung wurden die Angeklagten in der Regel für den restlichen Sitzungstag, ab dem 27. Verhandlungstag auch für die restliche Sitzungswoche ausgeschlossen (erstmals auf S. 2239 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Am 43. Verhandlungstag erfolgte zum ersten Mal ein Ausschluss für den restlichen Sitzungsmonat (ausgesprochen am 11. des Monats, S. 3382 f. des Protokolls der Hauptverhandlung betr. Andreas Baader, S. 3385 betr. Jan-Carl Raspe, S. 3387 betr. Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, allesamt 43. Verhandlungstag). Am 70. Verhandlungstag wurde der Angeklagte Baader vom 29. Januar 1976 bis zum Ende des Monats Februar 1976 von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (S. 6268 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[34] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).
[35] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).
[36] Die Neuregelung des § 146 StPO wurde nach ihrem Inkrafttreten durch die Rechtsprechung - nicht zuletzt durch den 2. Strafsenat des OLG Stuttgart - gleich in mehrfacher Hinsicht weit ausgelegt. So wurde das Verbot der Mehrfachverteidigung auch auf Beschuldigte in anderen Verfahren ausgedehnt (s. dazu den in diesem Verfahren ergangenen Beschluss des OLG Stuttgart v. 4.11.1975 - Az.: 2 StE 1/74, NJW 1776, S. 157; so kurz darauf auch BGH, Beschl. v. 27.2.1976 - 1 BJs 25/75, StB 8/76, BGHSt 26, S. 291, 293 f.); auch die sog. sukzessive Mehrfachverteidigung nach Beendigung eines Mandatsverhältnisses wurde untersagt (OLG München, Beschl. v. 28.11.1975 - Az.: 1 Ws 1304/75, NJW 1976, S. 252, 253 f.; später bestätigt durch BGH, Beschl. v. 23.3.1977 - Az.: 1 BJs 55/75; StB 52/77, BGHSt 27, S. 154, 155 f.). Da die umstrittenen Auslegungen auch auf den nicht eindeutigen Wortlaut des § 146 StPO zurückzuführen waren, wurde die Vorschrift durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) neugefasst. Der heutige Wortlaut umfasst explizit auch das Verbot, Beschuldigte in Parallelverfahren zu verteidigen, wenn sie wegen derselben Tat beschuldigt sind (s. zur Neuregelung auch Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1161, 1163; Nestler-Tremel, NStZ 1988, S. 103 f.), nicht jedoch das Verbot der sukzessiven Verteidigung (BGH, Beschl. v. 15.1.2003 - Az.: 5 StR 251/02, BGHSt 48, S. 170, 173; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015, Rn. 124; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 146 Rn. 18 ff.).
[37] Die Revision ist ein Rechtsmittel gegen Urteile, mit welchem Rechtsfehler, d.h. die Nicht- oder Falschanwendung einer Rechtsnorm, gerügt werden können (§ 337 StPO). In der Regel muss zudem dargelegt werden, dass das Urteil gerade auf diesem Rechtsfehler beruht („relative Revisionsgründe“), dass also nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei korrekter Anwendung der Rechtsnorm eine andere Entscheidung ergangen wäre (Gericke, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 337 Rn. 33 ff.). Anders ist dies bei den in § 338 StPO enthaltenen absoluten Revisionsgründen. Die dort genannten Fehler sind so schwerwiegend, dass das Urteil stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist. Eine erfolgreiche Revision hat die (ggf. auch Teil-) Aufhebung des Urteils zur Folge (§ 353 StPO). Die Sache wird in der Regel, wenn nicht sie nicht ausnahmsweise zur Entscheidung reif ist (§ 354 Abs. 1 bis 1 lit. b StPO), an das erkennende Gericht, allerdings an eine andere Abteilung, eine andere Kammer oder einen anderen Senat zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).
[38] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.
[39] Die Ärztin Ingrid Schubert war Mitglied der RAF und u.a. am 14. Mai 1970 an der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft beteiligt. Sie wurde zusammen mit Irene Goergens, Horst Mahler, Brigitte Asdonk und Monika Berberich im Oktober 1970 in einer Berliner Wohnung verhaftet. Das Verfahren gegen Schubert, Goergens und Mahler vor dem Landgericht Berlin war einer der ersten Prozesse gegen Mitglieder der RAF. Schubert wurde im Mai 1972 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Jahren, später mit Urteil vom 28.6.1974 unter Einbeziehung dieser Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 13 Jahren verurteilt. Sie nahm sich am 12. November 1977 in ihrer Gefängniszelle das Leben (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 157; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 71 ff., 328; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 38, 93; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47).
[40] Ablehnungen können auch außerhalb der Hauptverhandlung vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden (§ 26 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz StPO).
[a] Handschriftlich ergänzt: anwesenden
[b] Handschriftlich eingefügt: wo
[c] Handschriftlich ersetzt: 29 durch 28
[d] Handschriftlich ersetzt: Plattenmeisen durch platten Reifen
[e] Maschinell ersetzt: im durch wieder im
[f] Handschriftlich ergänzt: entfernt
[g] Handschriftlich ersetzt: 42 durch 41
[h] Maschinell ersetzt: fehlt durch fiel
[i] Maschinell eingefügt: gestern
[j] Maschinell eingefügt: Herr
[k] Maschinell eingefügt: sie
[l] Maschinell ergänzt: geschrieben
[m] Handschriftlich ersetzt: um durch und
[n] Handschriftlich ersetzt: der vorschreibenen durch zum vorgeschriebenen
[o] Maschinell eingefügt: um den
[p] Maschinell ergänzt: Obertrautstraße
[q] Maschinell eingefügt: die
[r] Maschinell eingefügt: gab mir
[s] Maschinell eingefügt: - Pardon -
[t] Handschriftlich eingefügt: nach
[u] Handschriftlich eingefügt: in
[v] Handschriftlich ersetzt: es durch das
[w] Handschriftlich ergänzt: Bundesanwaltschaft
[x] Handschriftlich eingefügt: sehen
[y] Maschinell ersetzt: der durch und
[z] Handschriftlich ersetzt: EKHE durch EKHK
[aa] Handschriftlich ersetzt: EKHE durch EKHK
[bb] Handschriftlich ersetzt: das durch die
[cc] Handschriftlich ersetzt: hinter durch unter
[dd] Handschriftlich ergänzt: Sprengwirkung
[ee] Handschriftlich ersetzt: Text unleserlich durch Basch-
[ff] Maschinell eingefügt: vorliegenden
[gg] Handschriftlich durchgestrichen: Das
[hh] Handschriftlich ersetzt: 42 durch 43
[ii] Maschinell eingefügt: hat
[jj] Maschinell ersetzt: Halbsprengwirkung durch Hauptsprengwirkung
[kk] Handschriftlich ersetzt: daraus durch darauf
[ll] Maschinell durchgestrichen: also
[mm] Handschriftlich ergänzt: Beschriftungen
[nn] Maschinell eingefügt: wieder
[oo] Maschinell eingefügt: wieder
[pp] Handschriftlich ersetzt: Bank durch BAM
[qq] Handschriftlich ersetzt: dem durch der
[rr] Handschriftlich durchgestrichen: wird,
[ss] Maschinell ersetzt: anwesend durch nunmehr auch anwesend
[tt] Maschinell ersetzt: ist durch sind
[uu] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend
[vv] Handschriftlich eingefügt: geb.
[ww] Maschinell durchgestrichen: eine
[xx] Handschriftlich ersetzt: da durch war
[yy] Handschriftlich ergänzt: diesen
[zz] Maschinell ersetzt: um durch wieder um
[aaa] Handschriftlich durchgestrichen: Schwereren
[bbb] Handschriftlich eingefügt: der
[ccc] Maschinell eingefügt: mich
[ddd] Maschinell eingefügt: habe
[eee] Handschriftlich ergänzt: beurteilbar
[fff] Maschinell eingefügt: da
[ggg] Maschinell durchgestrichen: bin
[hhh] Maschinell ersetzt: ich durch wir uns
[iii] Handschriftlich ersetzt: dieses durch diesen
[jjj] Maschinell eingefügt: habe
[kkk] Handschriftlich ersetzt: nun durch nur
[lll] Maschinell durchgestrichen: aber auch natürlich
[mmm] Maschinell ersetzt: anwesend durch wieder anwesend
[nnn] Maschinell ersetzt: anwesend durch nunmehr auch anwesend
[ooo] Handschriftlich durchgestrichen: in
[ppp] Handschriftlich ersetzt: der durch bei
[qqq] Handschriftlich durchgestrichen: unverbunden
[rrr] Handschriftlich ersetzt: gesetzt durch besetzt
[sss] Maschinell ersetzt: bei uns durch damals
[ttt] Handschriftlich ersetzt: ja durch das
[uuu] Maschinell ersetzt: nur durch genau
[vvv] Maschinell ersetzt: es mit durch das Mittel
[www] Maschinell eingefügt: Richter
[xxx] Maschinell eingefügt: Prof.Dr.Az.: Jawohl.
[yyy] Maschinell ersetzt: sie durch zu der
[zzz] Maschinell ersetzt: er durch dann
[aaaa] Maschinell ersetzt: präliziert durch präjudiziert
[bbbb] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend
[cccc] Maschinell durchgestrichen: es
[dddd] Handschriftlich ergänzt: das
[eeee] Handschriftlich ersetzt: die durch der