155. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 21. Oktober 1976 um 9.04 Uhr



[12130] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 21. Oktober 1976 um 9.04 Uhr

(155. Verhandlungstag)

Das Gericht erscheint in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Vertreter der Bundesanwaltschaft ist Reg. Dir. Widera anwesend.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. O. Sekr. Janetzko, Just. Ass. Clemens.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Pfaff (als Vertreter von RA Dr. Heldmann), Künzel, Schnabel, Herzberg (als ministeriell bestallter Vertreter von RA Schlaegel) und Grigat.

Als Zeugen sind erschienen: Gabriele Klement und Hugo Zott

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Die Verteidigung ist gewährleistet. Herr Rechtsanwalt Herzberg anstelle von Herrn Rechtsanwalt Schlaegel bis 10.00 Uhr. Dann wird eine Ablösung erfolgen mit Herrn Rechtsanwalt Schlaegel. Herr Rechtsanwalt Pfaff für Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann. Herr Rechtsanwalt Schwarz ist entschuldigt.

Ich gehe davon aus, daß die Akten, die die Verteidigung kürzlich bewegt haben, - es handelt sich um die neuerlichen[a] Vernehmungsprotokolle des Zeugen Müller vom September 1976 - sind uns von der Bundesanwaltschaft zugänglich gemacht worden. Sie werden im Augenblick abgelichtet. Wir wollen also sehen, daß jeder der Anwesenden ein Exemplar bekommt.

(siehe Aktennotiz vom 21.10.1976, die dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt ist).

Heute früh haben wir als Zeugen an sich vorgesehen Frau Roll. [12131] Die Ladung ist nicht zustande gekommen. Hier ist noch der Konsul bemüht, den Kontakt aufzunehmen, da Frau Roll in ihrer italienischen Unterkunft nicht ohne weiteres erreicht werden kann, sondern nur zu bestimmten Zeiten. Wir haben dann für heute Nachmittag Herrn Wader geladen. Ob Herr Wader kommt, ist noch nicht ganz sicher und zwar deswegen, weil sein Verteidiger sich gestern gemeldet hat und möglicherweise in einer näheren Begründung darauf hinweisen wird, daß sich Herr Wader auf § 55[ StPO][2] in vollem Umfange berufen möchte. Ob das geschieht oder nicht, ist noch völlig offen. Ich habe dem Herrn Rechtsanwalt empfohlen, Herrn Wader auf alle Fälle hierher zu schicken. Es wird sich aber zeigen, wie sich die Dinge da entwickeln.

Bundesanwalt Dr. Wunder und OStA Holland erscheinen um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

So sind also heute früh nur anwesend die Zeugin Klement und Herr Zott.

Die Zeugen Zott und Klement werden gemäß § 57 StPO[3] belehrt.

Die Zeugen Zott und Klement erklären sich mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[4]

Der Zeuge Zott wird um 9.07 Uhr in Abstand verwiesen.

Vors.:

Zunächst darf ich um Ihre Personalien bitten.

Die Zeugin Klement machte folgende Angaben zur Person:

Gabriele Klement, geb. [Tag].[Monat].1947

wohnhaft. Kaiserslautern, [Anschrift],

Stadtangestellte,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Sie sind auf Antrag der Verteidigung als Zeugin hier geladen, und zwar handelt es sich darum, es wird Ihnen bekannt sein, daß es am 22.12.1971 in Kaiserslautern zu einem Banküberfall gekommen ist. Es handelte sich um die Bayerische Hypotheken- [12132][5] [12133] und Wechselbank in Kaiserslautern.

Rechtsanwalt Dr. Augst (als Vertreter von RA Eggler) erscheint um 9.08 Uhr im Sitzungssaal.

- Die Vertretung ist genehmigt -

Vors.:

Im Zusammenhang damit scheint Ihnen, das ist die erste Frage, ob das richtig ist, ein roter VW-Bus aufgefallen zu sein. Und jetzt dreht es sich darum, daß Sie uns über die Person, die diesen VW-Bus gefahren habe[b], Auskünfte geben. Ob Sie eine Beschreibung abgeben können. Ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechtes war? Das ist das, was die Verteidigung und wir, die wir Sie geladen haben, von Ihnen erfragen wollen.[6]

Zeugin Kle[ment]:

Das ist natürlich heute sehr schwierig, muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Ich kann nur noch aus der Erinnerung sagen, daß es eine männliche Person war, keine weibliche.

Vors.:

Worauf stützen Sie diese Erinnerung?

Zeugin Kle[ment]:

Ja, das ist gar nicht so leicht. Also ich kann mich noch erinnern, daß es[c] eben jemand war mit dunklen Haaren. Also die Haare waren dunkel, nicht hell.

Vors.:

Nun, es gibt Männer und Frauen mit dunklen Haaren. Das würde kein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal sein.

Zeugin Kle[ment]:

Sicher, sicher, das ist richtig. Also wirklich, ich kann nur sagen, wirklich, daß es eine männliche Person war.

Vors.:

Sicher. Sie haben die volle Überzeugung, daß es ein Mann ist, der am Steuer dieses roten VW-Busses gesessen hat. Und wir versuchen jetzt noch zu klären, welche Einzelheiten Sie vor Augen haben, die Ihnen diesen Schluß oder dieses Urteil erlauben. Also Sie erwähnten dunkle Haare. Vielleicht wenn Sie sich jetzt mal die Länge der Haare, die Art der Frisur klarmachen?

Zeugin Kle[ment]:

Was ich noch weiß, mittellang die Haare. Also nicht ganz so kurz, und ein bißchen[d] übers Ohr, so[e] ein bißchen. Ja, wenn ich sagen kann, vielleicht[f] die Haare ein bißchen, dichte Haare eben, ziemlich dicht, [g] so ein bißchen buschig. Und dann auch, ja wenn ich höchstens sagen kann, also das weiß ich noch aus der Erinnerung, es war einfach ein männliches Gesicht, und die Augenbrauen waren eigentlich ziemlich dicht.

[12134] Vors.:

Ja, Sie haben also das Gesicht gesehen?

Zeugin Kle[ment]:

Ja.

Vors.:

In der Draufsicht oder nur im Profil?

Zeugin Kle[ment]:

Wissen Sie, der Wagen kam so auf unser Haus zu, und dann ist ja die Kurve. Also ich kann schon sagen, ich hab für Sekunden voll, und dann an der Seite wohl, aber dann nicht mehr darauf geachtet. Es war nicht so sehr lange, was ich sah. Ein paar Sekunden schon. Also, daran kann ich mich erinnern.

Vors.:

Aus welcher Entfernung haben Sie die Person beobachten können?

Zeugin Kle[ment]:

Ungefähr 2 Meter. Ich kann es nur noch schätzen, ich weiß es nicht mehr genau.

Vors.:

Und Sie sind vollsichtig, also Sie können ohne Brille und ohne Schwierigkeiten ...

Zeugin Kle[ment]:

Ja, es war wirklich nicht sehr weit. Also ich stand ja so quasi vor dem Haus auf dem Bürgersteig; und da ist dann, na der Bürgersteig ist wirklich nicht sehr weit entfernt gewesen. Vielleicht war es auch nur 1.50 m, also ich weiß nicht mehr genau, wie weit entfernt.

Vors.:

Haben Sie in dem Gesicht irgendetwas gesehen, was man nun ganz charakteristisch für Männer normalerweise ansehen kann, z.B. Bart?

Zeugin Kle[ment]:

Nein.[h] Da kann ich mich wirklich nicht mehr daran erinnern. Das kann ich nicht sagen.

Vors.:

Das können Sie nicht sagen. Wenn ich Sie jetzt so frage, ich meine, im Grunde genommen sind es nur Bewertungen, ein[i] Urteil. Würden Sie sagen, Sie sind sich ganz sicher, daß das ein Männerkopf war, insgesamt, oder würden Sie nur sagen, der Gesamteindruck, den Sie bekommen haben, ließ in Ihnen eben die Überzeugung entstehen ...

Zeugin Kle[ment]:

Ja, also[j] meiner Überzeugung nach war es ein Männerkopf.

Vors.:

Sonstige Fragen an die Frau Zeugin? Die Herren der Bundesanwaltschaft? Bei den Herrn Kollegen sehe ich nicht. Herr Bundesanwalt Holland bitte?

OStA Ho[lland]:

Frau Zeugin, wenn Sie noch einmal versuchen wollten, sich noch einmal an das Gesicht zurück zu erinnern. Können Sie sagen, ob dieses Gesicht ein mehr schmales Gesicht war oder ein mehr breitflächiges Gesicht oder mehr in der Mitte liegend, vom Gesichtsumfang her gesehen?

[12135] Zeugin Kle[ment]:

Aus der Erinnerung kann ich sagen, daß es mehr schmal eigentlich war, nicht so breit.

OStA Ho[lland]:

Dankeschön.

Vors.:

Die Herrn Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Pfaff? Keine Frage. Wir wollen doch warten, bis der nächste Zeuge gehört ist, ob sich irgendeine Frage noch an Sie ergeben sollte. Würden Sie hier bitte an dem nächsten Tisch Platz nehmen. Wir danken Ihnen sehr.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender,[k] in diesem speziellen Fall wäre ich dafür dankbar, wenn die Zeugin in [l] Abstand verwiesen würde.

Vors.:

Nichts dagegen.

Die Zeugin Klement verläßt daraufhin um 9.13 Uhr den Sitzungssaal.

Der Zeuge Zott erscheint um 9.14 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Zunächst bitte ich Sie um Ihre Personalien.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:

Hugo Zott, 26 Jahre alt,

wohnh. Kaiserslautern, [Anschrift],

Friseurmeister,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert: wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Zott, erinnern Sie sich noch daran, daß es im Dezember 1971 zu einem Überfall auf die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank in Kaiserslautern gekommen ist?

Zeuge Zott:

Ja.[m]

Vors.:

Das genaue Datum soll der 22.12.1971 gewesen sein.

Zeuge Zott:

Das weiß ich nicht mehr[n] ganz genau.

Vors.:

Wissen Sie nicht mehr. Im Zusammenhang mit diesem Überfall soll ein VW-Bus aufgefallen sein. Könnten Sie heute noch die Farbe angeben?

Zeuge Zott:

Ja, die war rot.

Vors.:

Ein roter VW-Bus, um den dreht es sich. Und speziell dreht es sich jetzt um die Person, die diesen Wagen gefahren hat. Können Sie uns diese Person beschreiben. Können Sie uns sagen, was Sie beobachtet haben, ob das sich um[o] einen Mann oder um eine Frau gehandelt hat und dergleichen?

[12136] Zeuge Zott:

Ja, das war so. Ich würde sagen, es muß nicht unbedingt eine Frau gewesen sein. Nur als Mann. Das[p] gibt es praktisch gar nicht, daß ein Mann so eine Figur hat, ja. War also sehr schlank, und die Haare waren schwarz gewellt, und ich würde sagen schulterlang. Der Kopf war auffallend klein; und ich würd sagen, die Haare waren so überdimensional, daß sie normalerweise gar nicht dazu passen, ja. Also ich will jetzt nicht sagen, daß es unbedingt eine Perücke war; aber die Haare waren in[q] der Fülle nach zu viel im Verhältnis zu dem kleinen Kopf, ja.

Vors.:

Ja wenn ich Ihre Aussage richtig verstehe [r], dann tendieren Sie dazu, daß es eine Frau gewesen sein könnte oder ist das falsch verstanden?

Zeuge Zott:

Also das war, das muß man vorausschicken. Ich hab mich an dem Tag verschlafen; und ich gehe über die Straße; und vorher höre ich schon Schüsse, seh aber nix, und geh dann vom Bürgersteig runter auf die Straße. Und dann sehe ich, wie eine Person, und das war eben die Person, dann vermutlich von der Beifahrerseite auf die Fahrerseite rutscht, und sich irgendwie nicht wohl fühlt. Ich dachte aber, weil das Verkehrsschild in der entgegengesetzten Richtung verbogen war. Also die Einbahnstraße geht so hoch, und das Schild war so umgebogen. Es ist irgendwie kaum möglich. Ich wußte nicht, daß der VW-Bus zurückgestoßen war. Ich dachte, das ist irgendjemand, der an das Schild da gefahren ist, und hab mich nicht weiter darum gekümmert, weil die Schüsse konnte ich nicht irgendwie definieren, wo die herkamen. Dann ging ich weiter, und dann kam eben der Herr Schoner, der Polizist kam dann hinter dem Auto hervor und war, so wie ich gesehen hab, hat er eben zurückgeschossen und war getroffen, so wie ich sehen konnte. Und da wollte er in die Bank rein.

Vors.:

Gut, Sie schildern jetzt die Umstände, die Ihre Aufmerksamkeit erweckt haben. Haben Sie denn dann[s] überhaupt noch Gelegenheit gehabt, die Person, die im Wagen saß, genau zu beobachten?

Zeuge Zott:

Ja das war so, die Person, die hat mich angesehen. Die müßte also mich gesehen haben.

Vors.:

Aus welcher Distanz haben Sie die Person beobachtet?

Zeuge Zott:

Oh, das kann ich schlecht ... 8 Meter ungefähr.

[12137] Vors.:

8 m schätzen Sie.

Zeuge Zott:

Ja, so ungefähr.

Vors.:

Und haben Sie die betreffende Person von vorne gesehen oder nur von der Seite?

Zeuge Zott:

Mehr von der Seite, von der linken Seite.

Vors.:

Haben Sie noch volle Augenstärke?

Zeuge Zott:

Ja, bestimmt.

Vors.:

Ja nun Herr Zott, wenn ich Sie jetzt frage, war das ein Mann oder eine Frau ...

Zeuge Zott:

Ja, es ist möglich, das kann ich jetzt wirklich nicht genau definieren. Es war also für mich im Moment eine urkomische Gestalt. So sieht weder ein Mann noch eine Frau aus.

War irgendwie kostümiert.

Vors.:

Aber eines von beiden wird es wohl gewesen sein.

Zeuge Zott:

Ja, ja, also ich würd sagen, eher eine Frau. Aber genau sagen kann ich es ja auch nicht.

Vors.:

Sie haben vorhin auf die Figur abgehoben. Wenn Sie also jetzt sich nochmals das Gesamtbild vor Augen halten, wie Sie es damals gesehen haben, und wie Sie es heute noch in der[t] Erinnerung haben, dann findet man vielleicht anhand der Gesichtsform, wie auch der Figur, möglicherweise auch, weil die Person sonst Attribute hatte, die an sich nur Frauen zugeschrieben werden, ich weiß es nicht, ob Sie sowas erkannt haben?

Zeuge Zott:

Nein, also die weibliche Figur war also nicht unbedingt auszumachen. Also Proportionen war also, wenn überhaupt, dann nur andeutungsweise zu erkennen.

Vors.:

Also da war nichts Charakteristisches zu beobachten[u] ...

Zeuge Zott:

Es ging auch zu schnell, weil ich mich gar nicht so ... Wie gesagt, ich hab verschlafen, und geh da weiter. Ich wollte mich eigentlich da gar nicht so darum kümmern.

Vors.:

Ja, Sie bleiben eigentlich unentschieden; aber es scheint doch mein erster Eindruck richtig zu sein, tendenziell meinen Sie, es sei eher eine Frau gewesen ...

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, diese Deutung ist wohl nicht möglich.

RA Pfaff:

Die beanstande ich auch, Herr Vorsitzender, das können Sie in der Beweiswürdigung vornehmen.

Vors.:

Ja, darf ich, meine Herren, bevor Sie sich darüber irgendwie erregen, darauf hinweisen, das ist ein Vorhalt. Und ich muß ja wissen, wie der Zeuge sich darauf verhält.

[12138] RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, auch[v] diesen Vorhalt beanstande ich [w], nachdem nämlich der Herr Zeuge einleitend gesagt hat, daß es eine sehr merkwürdige Liaison[x] (Person)?[y] war. Es muß nicht unbedingt eine Frau gewesen sein.

Vors.:

Ja, das ist ja genau das, was ich jetzt als Verständnis, so, wie ich es mitbekommen habe, ihm vorhalten möchte. Er hat ausdrücklich gesagt, eher. Aber bitte, ich bin gerne bereit, jetzt nochmals zu sagen: Herr Zott, es kommt darauf an, daß Sie uns erklären, welchen Eindruck Sie hatten, und welches Geschlecht nach Ihrer Meinung der Fahrer oder die Person, die den Wagen gefahren hat, gehabt hat. Und wenn Sie sich nicht entscheiden können zwischen beidem, dann daß Sie vielleicht versuchen zu sagen, wohin Sie eher tendieren. Um das nochmals ganz klar herauszustellen.

Zeuge Zott:

Also genau entscheiden kann ich mich wirklich nicht mehr; und es ist auch zu lange her. Und es ging auch zu schnell.

Vors.:

Gut, das wissen wir. Sie können [z] nicht genau beschreiben. Können Sie sich überhaupt nicht entscheiden, ob Mann oder Frau?

Zeuge Zott:

Nein, echt[aa] nicht. Also ich würde eher zur Frau tendieren; aber beschwören kann ich das wirklich nicht.

Vors.:

Sie können natürlich beschwören, wenn Sie eher zur Frau tendieren, daß Sie das tun. Aber Sie können nicht bestätigen, daß es so ist. Das haben wir so verstanden.

ZeugeZott.:

Ja.[bb]

Vors.:

Das ist ganz klar.

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?

Die Herren der Bundesanwaltschaft? Sehe ich nicht. Die Herrn Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Schnabel?

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, wenn Sie schon tendieren, weshalb tendieren Sie?

Zeuge Zott:

Ja die Figur, die war mir für eine Frau eher geeignet als für einen Mann. Und die war sehr zierlich, die Figur, ja, also sehr schmal und der Kopf, wie ich schon sagte, was ich so sehen konnte, sehr klein.

RA Schn[abel]:

Herr Zeuge, wie Sie selbst gesagt haben, um es mal beim Wort zu nennen[cc], sekundäre Geschlechtsmerkmale konnten Sie nicht ausmachen, ...

Zeuge Zott:

Ja, genau.[dd]

RA Schn[abel]:

... eben. Und weshalb tendieren Sie dann aufgrund einer Figur mehr zu einer Frau als zu einem Mann? [12139] Wo sind denn, abgesehen von diesen sekundären Geschlechtsmerkmalen noch Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu erkennen. Glauben Sie nicht etwa, daß es schlanke Männer und dicke Frauen gibt und umgekehrt. Also das sind doch keine Anhaltspunkte.

Zeuge Zott:

Ja. Aber die Frau, also die Person, um sie noch einmal zu beschreiben, die war sehr ... ungefähr so groß wie ich, ungefähr 1,70 m, ja.

RA Schn[abel]:

Und Sie sind auch ein Mann mit 1,70 m.

Zeuge Zott:

Ja, ja. Aber es ist so, ich halte es für unwahrscheinlich, daß ein Mann, es sei denn ein sehr junger Mann, eben ... aber die langen Haare, die haben mich eben eher glauben lassen, daß es eine Frau ist. Und dann der kleine Kopf.

RA Schn[abel]:

Ja bitte Herr Zeuge, Sie deuten doch gerade an, eher ein junger Mann. Das ist doch wohl eine Lebenserfahrung, und die werden Sie als Friseur wahrscheinlich noch mehr machen als wir, daß gerade junge Männer eher lange Haare zu tragen pflegen.

Zeuge Zott:

Ja. Ich geh davon aus, ich weiß ja nicht, ob die Haare echt waren, ja. Weil der Kopf nicht im Verhältnis zu der Frisur stand. Also sie waren eigentlich zu viel Haar im Verhältnis zu dem kleinen Kopf.

RA Schn[abel]:

Aber gerade, Herr Zeuge, wenn dann die nicht im Verhältnis stehen, Haare und Kopf, dann ist das doch wieder kein Indiz, daß es das eine oder das andere gewesen sein muß. Oder sehen Sie das anders?

RA Geulen (als Vertreter von RA Schily)[ee] erscheint um 9.24 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge Zott:

Nein, ich sag ja auch nicht, daß es so gewesen sein muß. Nur ich sag, wenn, dann würde ich eher sagen eine Frau. Aber genau festlegen kann ich mich nun wirklich nicht. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, als wäre es eine Frau. Natürlich gibt es auch Männer, die ...

RA Schn[abel]:

Eben.

Vors.:

Sonstige Fragen, Herr Rechtsanwalt Pfaff?

RA Pf[aff]:

Herr Zeuge, wie können Sie beurteilen, daß die Person etwa 1,70 m war?

[12140] Zeuge Zott:

Ja die war, als sie, wie ich schon sagte, von der Fahrerseite auf die ... von der Beifahrerseite auf die Fahrerseite rüberwechselte, konnte ich es so ungefähr abschätzen. Also ich sah auf jeden Fall, daß sie bestimmt nicht sehr viel grösser ist. Aber ganz genau kann ich es natürlich nicht sagen.

RA Pf[aff]:

Hat Sie also den Platz außerhalb des Busses gewechselt?

Zeuge Zott:

Nein, nein, innerhalb.

RA Pf[aff]:

Innerhalb. Sie ist von der Beifahrerseite auf die Fahrerseite rübergerutscht; und dabei haben Sie festgestellt, daß sie 1,70 m ist?

Zeuge Zott:

Ja, die war so etwas höher, ... die ist dann so, wahrscheinlich so rübergerutscht.

RA Pfa[ff]:

Herr Zeuge, für wie groß würden Sie mich etwa halten?

Zeuge Zott:

Ich würde sagen 1,75 m ja.

RA Pf[aff]:

Das ist äußerst unzutreffend, ich hab außergewöhnlich lange Beine und einen kurzen Oberkörper. Ich hab keine weiteren Fragen.

Vors.:

Sind sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht. Ich bitte die Zeugin Klement. Gegen die Vereidigung der beiden Zeugen wird nichts eingewendet werden?

Die Zeugin Klement erscheint wieder um 9.27 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeugen Zott und Klement werden einzeln vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.27 Uhr entlassen.

Vors.:

Ja, jetzt, wie gesagt, sollte Frau Roll vernommen werden. Das ist nicht zustande gekommen. Ich darf bitten, wenn Anträge gestellt werden sollen, dann jetzt die Gelegenheit dazu zu benützten.

Herr Rechtsanwalt Pfaff?

RA Pf[aff]:

Ich wollte nur sagen, die Anträge, die sich möglicherweise aus den soeben vorgelegten Protokollen ergeben, können natürlich nicht jetzt gestellt werden.

Vors.:

Die, die aus den Protokollen folgen, ist selbstverständlich, darüber haben wir schon gesprochen. Sind sonst keine Anträge ersichtlich?

RA Geu[len]:

Ja doch, ich möchte zunächst bitten, nochmal über den Antrag hinsichtlich der Vernehmung von Frau Roll zu entscheiden. Wir hatten ja beantragt, Frau Roll konsularisch zu vernehmen.[7]

[12141] Vors.:

Darf ich da fragen, Herr Rechtsanwalt Geulen, legen Sie darauf Wert, bzw. bleiben Sie dabei, daß Frau Roll nur konsularisch vernommen werden soll?

RA Geu[len]:

Die ganze Sache hat ja eine Vorgeschichte, die darin besteht, daß Frau Roll schon mal hierher geladen war, d.h. wir hatten schon - mal beantragt, daß Frau Roll hier vernommen werden soll. Sie ist damals nicht erschienen, weil sie wohl in Triest oder in Italien irgendwo in einer Ausbildung sich befindet [ff] oder in einem Arbeitsverhältnis. Und daraufhin hatten wir beantragt die konsularische Vernehmung. Und[gg] im Hinblick darauf, daß, [hh] soweit wir wissen, nichts anderes, ob dieses Ausbildungsverhältnis noch fortbesteht, hatten wir die konsularische Vernehmung auch wieder beantragt, um die möglichst zügige Durchführung dieser Vernehmung zu gewährleisten.

Vors.:

Gut. Aber das Hierher-kommen wäre wohl der zügigste Weg.

RA Geu[len]:

Ja, wenn das möglich wäre, natürlich. Aber wenn Sie nicht erscheint, dann würde ich bitten, über diesen Antrag nochmal zu entscheiden.

Vors.:

Sicher[ii], da müssen wir aber zuerst jetzt mal abwarten, wie es sich ergibt, ob Frau Roll erreichbar war oder nicht. Sie ist jedenfalls nach den Feststellungen, die wir treffen konnten, montags und dienstags nicht erreichbar. Es bestanden Chancen, gestern und [jj] möglicherweise auch heute[kk]. Wir werden sicher im Lauf des Tages noch Bescheid bekommen.

RA Geu[len]:

Also wenn die Möglichkeit bestünde, sie hier zu vernehmen, wäre das natürlich günstiger. Das ist [ll] ganz klar. Es gibt weitere Anträge zu stellen. Wenn Sie aber wollen, daß die[mm] heute morgen gestellt werden, dann würde ich bitten, die Verhandlung kurz zu unterbrechen, damit ich mit Herrn Pfaff darüber noch kurz reden kann. Es würden 10 oder 15 Minuten dazu ausreichen. Sonst würde ich sie heute Nachmittag stellen.

Vors.:

Nein, es wäre uns lieb, wir können dann die Zeit benützen. Es ist ja ganz geschickt; es ist [nn] kein weiteres Vormittagsprogramm mehr vorhanden. Herr Wader ist erst auf 14 Uhr geladen. Es ist also Gelegenheit gegeben, einerseits die neugelieferten Akten durchzusehen, andererseits für uns dann die Anträge anzuhören. Wir machen also eine Viertelstunde Pause bis dreiviertelzehn.

Pause von 9.30 Uhr bis 10.02 Uhr

Ende von Band 718

[12142] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.02 Uhr.

RA Herzberg ist nicht mehr anwesend.

Vors.:

Herr RA Geulen, Sie haben Anträge angekündigt. Bitte schön.

RA Geu[len]:

Ich hab die Anträge nicht schriftlich; bitte also, das mitzuschneiden, da es nicht möglich war, das schriftlich zu machen.

Es wird beantragt,

Frau Collin, Frau Gerhard und Frau Chrapa,

ladungsfähige Anschrift:

zu erlangen über das LG Kaiserslautern,

als Zeugen zu vernehmen.

Die Zeuginnen werden bekunden, daß auszuschließen ist, daß die Zeugin Carmen Roll, wie der Zeuge Gerhard Müller behauptet,[8] Fahrerin des VW-Busses war, der bei dem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971 als Fluchtfahrzeug benutzt worden ist.

Vors.:

Verzeihung, Herr RA Geulen.

Anhand der Akten, die wir heute bekommen haben aus Kaiserslautern, d. h., die also zu dem Verfahren[9] gehören, ist zu entnehmen, daß Müller mitgeteilt hat: Ihm habe Frau Roll das erzählt.

Ist das Beweisthema in diesem Sinne zu verstehen? Weil Sie sagen: Wie er behauptet hat, sie sei es gewesen.

Er hat ja jedenfalls nach den Unterlagen, die hier uns jetzt zugegangen sind, die wir ja dazu benützen wollen für diese Beweisanträge, mitgeteilt, das habe ihm Frau Roll erzählt, allerdings die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß Frau Roll mit ihm in einem Vertrauensverhältnis gestanden hätte, wohl keine Unwahrheiten gesagt hätte. Aber die Beweisbehauptung so, wie Sie sie aufstellen, er habe gesagt, sie sei es gewesen, klingt so, als habe er das aus eigener Beobachtung bekundet. Das scheint nach diesen Unterlagen aber nicht richtig zu sein.

Wie darf man’s nun verstehen?

[12143] RA Geu[len]:

Ja das Beweisthema ist so zu verstehen, daß das, was in dem Beweisantrag angegeben ist, im Widerspruch zu den Aussagen des Zeugen Müller steht, und zwar zu den Angaben, die er vor allem hier in der Hauptverhandlung gemacht hat, nämlich der Angabe, daß Frau Roll Fahrerin dieses Fahrzeugs gewesen ist. Ich möchte anregen, daß ich die weiteren Beweisanträge noch vortrage.

Vors.:

Ja nun, wir sollten natürlich bei solchen Beweisanträgen, um diese Dinge genau abzugrenzen, uns klar darüber sein, was Sie meinen:

Haben Sie Kenntnisse davon, daß Müller irgendwo, an irgendeiner Stelle eigene Kenntnisse in dieser Richtung bekundet hat? Oder ist es so gewesen, daß er auch, wenn er außerhalb der hier vorliegenden Vernehmung Angaben gemacht haben soll, zu diesem Punkt erwähnte: Das, was er mitteile, beruhe auf Mitteilung seitens der Frau Roll?

Das ist ja ein Unterschied.

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, der Antrag ist der gleiche Antrag wie der im Inhalt, natürlich in den Personen unterschiedlich wie der hinsichtlich der Frau Klement, die wir heute Morgen gehört haben und ist in gleicher Weise auch als Beweisantrag zu verstehen.

Vors.:

Um das dreht sich’s nicht; sondern Sie sagten ja, wie der Zeuge Müller behauptet - das solle widerlegt werden.

RA Geu[len]:

Ja.

Vors.:

Aber der Zeuge Müller behauptet, und das müßte eben, wenn der Beweisantrag nach den jetzt vorliegenden Unterlagen dem angepaßt wird, lauten:

Wie der Zeuge Müller behauptet, von Frau Roll erfahren zu haben ... Das ist doch ein Unterschied, und ich meine, wir müssen uns nun, nachdem wir Kenntnis von den Vorgängen haben, die Vernehmung auf Ihren Antrag hinzugezogen haben, uns in der Tat auch an den Inhalt solcher Vernehmungen halten und nicht Beweisbehauptungen aufstellen, die nun schon wieder im Widerspruch stehen zu dem, was man hier lesen kann.

RA Geu[len]:

Der Antrag ist der gleiche, der hinsichtlich der Frau Klement gestellt worden ist und bezieht sich auf Aussagen von Herrn Müller; ich müßte natürlich die Stelle ... ich könnte die [12144] Stelle natürlich nochmals genau nachsehen in der Aussage von Herrn Müller, die Herr Müller hierzu gemacht hat; aber im Augenblick soll es bei dieser Benennung des Beweisthemas bleiben.

Vors.:

Darf ich Ihnen im Augenblick - das scheint doch nicht ein[oo] so unwichtiger Punkt zu sein - den Hinweis geben - Sie haben die Akten vor sich liegen?

RA Geu[len]:

Die Akten, die wir heute Vormittag bekommen haben?

Vors.:

Ja.

RA Geu[len]:

Ich hab natürlich in den 25 Minuten, die wir Zeit hatten, ...

Vors.:

Deswegen helfe ich.

Im übrigen - auch hier müssen wir drauf hinweisen:

Herr RA Dr. Heldmann war gestern oder vorgestern bereits im Besitz dieser Akten ...

RA Geu[len]:

Ja das ist mir nicht bekannt.

Vors.:

... eines Teils davon. Er hat sie ja hier dem Herrn Zeugen Stellmacher vorgelegt.

RA Pfaff:

Er war gestern nicht im Besitz dieses Aktenbündels, das wir heute auf den Tisch bekommen haben.

Vors.:

Er hat dem Herrn Zeugen Stellmacher zur Identifizierung fünf Blatt vorgelegt und die bezogen sich auf diesen Vorgang, soweit wir gesehen haben. Er ist ja deswegen auch noch gefragt worden.

Ich darf Sie auf Bl. 9 verweisen, um das gleich hier vielleicht zu bereinigen. Auf Bl. 9 in der Mitte heißt es:

„In dieser Zeit hatte ich mit Carmen Roll mehrere persönliche Gespräche. In meinen Angaben darüber möchte ich vorausschicken, daß zwischen mir und Carmen Roll ein absolutes Vertrauensverhältnis bestand. Wir kannten uns schon sehr lange ...“

- wird nun begründet im einzelnen -

„Über den Banküberfall in Kaiserslautern erzählte sie mir von sich aus folgendes: Sie sei ...“

- und nun kommen die Schilderungen, die Frau Roll gegeben haben [12145] soll; und wenn man nun hier diese Vernehmungen zugrunde legt - den neuen Beweisanträgen - und das geschieht ja offensichtlich, dann meine ich, sollte man die Beweisthemen auch sauber formulieren, nämlich das, wie gesagt, die Behauptung des Herrn Müller, Frau Roll habe ihm das erzählt.

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, zunächst mal zu diesen Akten, die wir heute Vormittag vorgelegt bekommen haben - ob Herr Heldmann die vorher schon gehabt hat, das weiß ich nicht; ich bezweifle es auch, aber es ist mir nicht bekannt - kann ich im Augenblick einfach nicht Stellung nehmen. Ich hatte in den 25 Minuten bisher keine Zeit, diesen Aktenumfang von immerhin 60 Blatt[pp] zu lesen und das ist auch sicherlich nicht zuzumuten. Im Gegenteil: Ich werde gleich nochmals den Antrag wiederholen, der schon mal gestellt worden ist bzw. auf die Entscheidung dieses Antrages hinweisen und darum bitten, die Hauptverhandlung so lange zu unterbrechen, bis allen Prozeßbeteiligten [qq] Gelegenheit gegeben ist, diese Akten zu studieren. Ich kann also im Augenblick nicht dazu Stellung nehmen, weil ich die Akten noch nicht kenne; und wenn ich jetzt grade einige Zeilen mir hier anschaue, bin ich auch nicht besser dazu in der Lage und das ist auch nicht zumutbar und auch prozeßrechtlich vorgesehen.

Vors.:

Ich bin der Überzeugung, Herr RA Geulen, daß die Beweisbehauptungen, die Sie aufstellen, aufgrund von Informationen nur zustande gekommen sein können, die sich stützen auf diese Vernehmungsprotokolle. Zumindest müßten Ihnen also, selbst wenn Sie die Akten nicht gehabt haben, doch die Informationen gesagt haben, daß bisher jedenfalls, nach dem, was wir dem Protokoll entnehmen können, Müller hier kein eigenes Wissen wiedergeben will, so, wie es hier klingt, sondern Erzählungswissen.

RA Geu[len]:

Ja mir ist nicht verständlich, wieso Sie diese Äußerung machen. Es ist doch ganz gleichgültig, woher die Verteidigung die Informationen bekommt, auf die sie ihre Beweisanträge stützt. Wir sind doch nicht verpflichtet, das Ihnen vorzutragen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist sehr schwer, mit Ihnen zu reden. Ich glaube, daß das Gericht ein Recht darauf hat, daß Beweisbehauptungen so aufgestellt werden, wie sie sich verantworten lassen anhand der Grundlagen, die gegeben sind - das sind hier die Vernehmungen. [12146] Die Vernehmungen können nur die Informationen gewesen sein, die zu den jetzigen Anträgen führen.

Jetzt bitte ich Sie aber, stellen Sie Ihre Anträge; ich würde Sie nur bitten, also in dieser Richtung darauf zu achten, daß die Beweisbehauptungen wirklich den gegebenen Unterlagen angepaßt werden.

RA Geu[len]:

Also erst mal:

Unter gegebenen Unterlagen kann man natürlich nur solche Unterlagen verstehen, in die man Zeit gehabt hat, reinzusehen - das gilt für diese Unterlagen nicht, das möchte ich festhalten; und 2. möchte ich festhalten, daß der gleiche Antrag - nur mit verschiedenen Personen, was ja zulässig und sogar geboten ist - schon einmal gestellt worden ist und auch vom Gericht beschieden worden ist, nämlich dergestalt, daß die Zeugin Klement geladen worden ist. Ob sich aus diesen Unterlagen, die wir nun heute vor 25 Minuten bekommen haben, etwas anderes ergibt, wird natürlich zu prüfen sein. Aber das kann ich im Augenblick nicht sagen, und dazu bin ich auch nicht verpflichtet.

Den zweiten Antrag, den ich stellen möchte bzw. den vierten, ist folgender:

Es wird beantragt,

die Richter am LG Berlin Bernhard, Dr. Dietrich und Herrn Seidler

- zu laden über das LG Berlin, Turmstr. 91, 1 Berlin 21 -

sowie den Ersten Staatsanwalt Weber

- zu laden über die gleiche Anschrift -

als Zeugen zu vernehmen.

Die Zeugen werden bekunden:

1. daß Herr Hans Eckart Wader in der Hauptverhandlung im sog. Asdonkprozeß[10] entgegen den Angaben des Zeugen Müller wörtlich bekundet hat: „Ich bin weder im November 1970 noch davor mit Frau Meinhof zusammengetroffen, um ihr den Ankauf von Waffen zu vermitteln. Ich habe mich nie mit dem Verkauf von Waffen beschäftigt. Eine Person namens Meinhof kenne ich nicht.“;

2. werden diese Zeugen bekunden, daß der Zeuge diese Angaben glaubwürdig gemacht hat.

[12147] Es wird ferner beantragt,

den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Berlin, Herrn Jericke

- zu laden über das Kammergericht Berlin, 1 Berlin 12, Witzlebenstr. 4 - 5 -

als Zeugen zu vernehmen.

Der Zeuge wird bekunden, daß:

1. Herr Hans Eckart Wader in der Hauptverhandlung im sog. Mahler-Prozeß[11] entgegen den Angaben des Zeugen Müller bekundet hat, daß er Frau Meinhof und Herrn Ruhland nicht kennt und beide nie gesehen hat;

2. wird der Zeuge bekunden, daß der Zeuge Wader diese Angaben glaubwürdig gemacht hat.

Ich habe noch einen weiteren Antrag zu stellen.

Es wird ferner beantragt,

die gesamten Ermittlungsakten, aus denen nach Angaben des Zeugen Stellmacher sich Kenntnisse über die Angaben des Zeugen Müller ergeben, beizuziehen und den Prozeßbeteiligten und der Verteidigung zugänglich zu machen.

Das sind meine Anträge.

Vors.:

Sonstige Anträge?

Herr RA Pfaff, bitte schön.

RA Pfaff:

Namens des Angeklagten Baader beantrage ich:

1. zu laden Herrn Martin Buchhorn, Am Staaden 11, 66 Saarbrücken,

zum Beweis der Tatsache, daß die von der Verteidigung als Zeugin bereits benannte Bonny Sörensen weiß, daß der Zeuge Dierk Hoff Sprengkörper in Kenntnis ihres Verwendungszwecks für den Anschlag auf das US-Hauptquartier in Frankfurt a.M. hergestellt und ausgeliefert hat;

2. beantrage ich, zu vernehmen:

Herrn Klaus Jünschke, z.Zt. JVA Zweibrücken, zum Beweis der Tatsache, daß der Zeuge Gerhard Müller am 11.5.1972 eigenhändig einen Sprengkörper im US-Hauptquartier in Frankfurt a.M. deponiert hat, und zwar denjenigen, dessen Verwendung er dem Angeklagten Raspe zugeschrieben hat.

[12148] Vors.:

Weitere Anträge?

Nein, seh ich nicht.

Dann ist noch der Beschluß bekanntzugeben:

Die Wahrunterstellung,[12] die der Senat durch Beschluß vom 28.9.1976 hinsichtlich des in das Wissen des Zeugen Schwarz gestellten Beweisthemas getroffen hat, wird

zurückgenommen.

Der Grund ist folgender, damit die Herren Verteidiger hier Zusammenhänge sehen:

Wir haben zu diesem Thema - es geht ja um die Erhebung der Zahlkartenabschnitte bei der Fa. Walter in Kiel im Zusammenhang mit dem Einkauf von Chemikalien - haben wir[rr] inzwischen den unmittelbar tätigen Zeugen Sörensen gehört und zusätzlich den Sachverständigen Hecker. Innenminister Schwarz dürfte - in sein Wissen werden ja auch Kenntnisse über diesen Vorgang gestellt - wenn überhaupt, wahrscheinlich über Herrn Sörensen, durch Berichte und dergleichen unterrichtet worden sein. Deswegen die Frage:

Legt die Verteidigung überhaupt Wert auf diesen Zeugen? Herr RA Geulen, mit Ihnen habe ich, glaube ich, die Frage schon mal besprochen. Nachdem Herr Sörensen unmittelbar die Erhebung bestätigt hat, die Frage:

Brauchen wir hier noch den Zeugen Schwarz?

RA Pfaff:

Ich bestehe darauf.

Vors.:

Dann weise ich drauf hin, daß der Senat Schritte einleiten könnte, möglicherweise, die darauf hinzielen, daß der Zeuge gem. § 256 StPO[13] gehört werden und hier in den Prozeß eingeführt wird.

Das ist das, was heute früh zu sagen ist.

Will sich jemand zu den gestellten Beweisanträgen noch äußern, Stellung nehmen?

Herr B. Anwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Noch nicht. Sobald wie möglich.

Vors.:

Dann sind wir also ...

RA Geu[len]:

Eine Bitte noch:

Mir ist jetzt nicht bekannt, wie Sie weiter mit der Zeugin Roll verfahren wollen. Aber ich hätte die Bitte, wenn Sie die [12149] konsularische Vernehmung beschließen, den Termin dieser Vernehmung mit den Prozeßbeteiligten abzustimmen und möglichst auf einen der normalen Verhandlungstage zu legen, zumal ja in der nächsten Woche wohl sowieso nur ein Verhandlungstag vorgesehen war.

Vors.:

Ich kann den nicht abstimmen. Sie wissen: Wenn wir konsularische Vernehmung veranlassen würden, dann ist das Sache des Konsuls, wann er die Vernehmung durchführt. Da hat das Gericht keinen Einfluß darauf. Selbstverständlich wäre es möglich, ihm die Wünsche der Beteiligten mitzuteilen, ...

RA Geu[len]:

... zumindest insofern Einfluß, als natürlich nicht zum gleichen Zeitpunkt Hauptverhandlung stattfinden kann; und vielleicht können Sie das irgendwie abstimmen.

Aber das war nur eine Anregung, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Das geschieht selbstverständlich; das muß ja sein, ohnedies. Herr RA Geulen, ich würde ganz kurz noch ein Gespräch gern mit Ihnen führen - das ist gleich erledigt, eine Minute. Es geht hier nur um den Antrag wegen der Protokollierung während der Plädoyers der B. Anwaltschaft.

Wir sind damit am Ende des Vormittagsprogramms.

Fortsetzung: 14.00 Uhr.

Pause von 10.16 Uhr bis 14.03 Uhr.

Ende von Band 719

[12150] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.03 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Holoch (als Vertreter von RA Schwarz) ist nunmehr auch anwesend.

Rechtsanwalt Schlaegel ist nunmehr auch anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Zunächst der Hinweis, Frau Roll ist in Triest erreicht worden; sie wurde auch angesprochen auf das[ss] Anliegen des Senats. Sie wird sich jetzt mit ihrem dortigen[tt] Rechtsanwalt besprechen und wir hoffen dann, bis morgen Bescheid zu bekommen.

Ich sehe Herr Rechtsanwalt Dr. Holoch für Herrn Rechtsanwalt Schwarz.

Sodann ist jetzt an sich vorgeladen gewesen, Herr Wader als Zeuge. Es ist durch Eilpost folgendes Schreiben zugegangen:

Der Vorsitzende verliest nunmehr das Schreiben der Rechtsanwälte Mader und Mayer vom 20. Oktober 1976 nebst den beigefügten Anlagen.

Von dem beigefügten Beschluß des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 28. September 1976 wird jedoch nur die mit é û gekennzeichnete Stelle verlesen. (siehe Anl. 3 zum Protokoll).

Ablichtungen dieses Schreibens einschließlich der Anlagen werden als Anlagen 2 - 4 zu Protokoll genommen.

Es erhebt sich nun die Frage, inwieweit § 55[ StPO] hier der Eignung dieses Beweismittels entgegensteht. Die Prozeßbeteiligten sind in dem Zusammenhang noch auf die Erkenntnisse hinzuweisen, die diese Überprüfung zusätzlich ermöglichen, die sich bereits aus unseren Akten ergeben. Aus der heute den Beteiligten zugegangenen Akte, die für das Verfahren Kaiserslautern zusammengestellt worden ist, Vernehmungen betreffend den Zeugen Müller, geht ja hervor, daß Herr Müller angegeben hat, er habe sich mit, zusammen mit Ulrike Meinhof, mit Wader in einer Wohnung in der Nähe Karlsruhes getroffen und er bezeichnete die Wohnungsinhaber unter anderem auch dadurch, daß die Hausfrau eine Frau Dr. Bertsch gewesen sei. Aus unseren Akten Ord. 33, Bl. 280 ff. geht unter [12151] anderem hervor, daß Herr Wader bei der Polizei darüber berichtet hat, daß er Anfang Juli 71 im Stadtteil Hamburg-Poppenbüttel, Heegbarg 13, eine Wohnung angemietet habe, die er dann einem Frl. Hella Utesch überlassen hätte. Dieses Frl. Utesch habe er Ende Juni 71 in Karlsruhe kennengelernt und er erwähnt dann dabei auch - das ist Bl. 282 des Ord. 33 -: „Ich hatte ihr“ - also Frl. Utesch - „auch eine Anschrift in Karlsruhe übergeben, wo ich auch erreichbar sei. Das war Dr. med. Rosemarie Bertsch, Karlsruhe-Forchheim, Frühlingsstraße 68.“ Und das ist, wie durch Überprüfung, das hat gestern der Zeuge Stellmacher bekundet, genau die Wohnung, in der nach den Angaben des Zeugen Müller die Begegnung stattgefunden haben soll. Insofern kommt zusätzlich der Ansicht des vorgesehenen Zeugen, daß ihm § 55[ StPO] zur Verfügung stehen könnte, Bedeutung zu.

So bitte ich also, Sie können es sich noch ein paar Minuten überlegen, was geschehen soll mit dem Zeugen, ob auf ihn verzichtet wird, d. h. ob der Antrag auf[uu] seine Vernehmung zurückgenommen wird.

Um da eine gewisse Überlegungsfrist einzuräumen, können wir noch folgenden Hinweis geben. Wir haben wegen der heute früh gestellten Beweisanträge uns Gedanken gemacht. Zunächst geht es um den Beweisantrag Frau Collin, Frau Gehrhardt und Frau Chrapa zu hören.

Frau Gehrhardt ist verstorben, das ergibt sich schon aus unseren Akten; das ist der Ordner 43, Bl. 124/3 enthält die Sterbeurkunde für diese Zeugin. Sie ist seit 1973 tot. Es wird wohl anzunehmen sein, daß die Zeugin gemeint ist, denn es ist sonst keine Frau Gehrhardt ersichtlich, die sich zu diesem Beweisthema geäußert hat bisher. Hier wird wohl eine Vorladung nicht mehr beantragt bleiben.

Was nun Frau Collin anlangt und Frau Chrapa, so ist folgendes zu bemerken - und das wird den Herrn Verteidiger deswegen mitgeteilt, um nochmals Überlegungen anzuregen, ob es auf diese Zeuginnen ankommt. Frau Chrapa ist vernommen worden 1971, einen Tag nach diesem Banküberfall unter anderem auch zu der Person, die den VW-Bus, den bekannten, gefahren hat. Und hierzu soll sie aussagen und dabei lautet es - Ord. 43, Bl. 82 - folgendermaßen: „Während ich den Vorfall beobachtete, konnte ich auch die Person hinter dem Steuer des VW-Busses sehen. So wie ich [12152-12153][14] [12154][15] [12155][16] [12156] es festgestellt habe, handelte es sich bei dem Fahrer des VW-Busses um eine Frau, denn die Person hatte langes, dunkles, glattes bis auf die Schulter fallendes Haar. Das Gesicht war schmal und die Person trug eine Brille. Ich kann mich allerdings nicht festlegen, ob es eine normale Brille oder eine Sonnenbrille war.“- Über die Bekleidung keine Angaben -. „Ich habe ihr nur ins Gesicht gesehen.“

Sie hat dann, später bei Bildvorlagen, das ergibt sich aus Bl. 85 dieses Ordners, angegeben: „Ich habe mir die Bilder angesehen. Ich finde, daß die Fahrerin (oder Fahrer) des VW-Busses die meiste Ähnlichkeit mit dem Bild Nr. 2 hatte.“ Bild Nr. 2 war die Abbildung von Frau Meinhof.

Sie sagt dann aber weiter: „Ich kann mich aber nicht festlegen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß der Fahrer ein Mann mit langen Haaren gewesen sein kann.“

Es wurde dann eine Gegenüberstellung durchgeführt und zwar mit dem in Kaiserslautern angeklagten Manfred Grashof. Und hier gibt nun Frau Chrapa an: „Beim ersten Durchgang habe ich keine der gegenübergestellten Personen wiedererkannt. Beim zweiten Durchgang glaube ich die Person wiedererkannt zu haben, die vor der Bank als Fahrer im Fahrzeug saß. Ich kann dies nicht mit Sicherheit sagen, ich möchte es auch nicht beschwören. Wenn die Person jetzt bei der Gegenüberstellung lange Haare getragen hätte und eine Brille, so könnte ich darüber genauere Angaben machen. Ich glaube, daß die Person Nr. 5 mit diesem Fahrer identisch gewesen sein könnte.“ Nr. 5 war Manfred Grashof. Es sei also unter diesen, gewiß vorläufigen, Ergebnissen, es könnte ja sein, daß die Zeuginnen[vv] irgendetwas anderes in der Zwischenzeit wissen, aber das war also die frischeste Erinnerung dieser Zeuginnen, doch nochmals der Verteidigung anheim gegeben, zu überlegen, ob es auf diese Zeuginnen wirklich ankommt.

Bei der Zeugin Collin verliefen die Dinge, wie sich ebenfalls aus Ord. 43 ergibt, folgendermaßen. Sie schildert auch, was sie beobachtet hat und sagt: „Den Fahrer des Wagens kann ich wie folgt beschreiben:“ - es kommt dann eine Beschreibung „schmales, langes Gesicht, dunkelblondes, ungepflegtes, langes Haar, bis in den Nacken, struppeliges Haar, Koteletten habe der Mann getragen bis zum Bart (Kinn) ...“

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, ich habe jetzt doch Bedenken dagegen, [12157] daß Sie diese Ermittlungsergebnisse hier vorlesen. Es sind ja Zeugenbeweise beantragt und nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz[17] sollen schon dann die Zeugen selbst gehört werden. Ich finde es zwar sinnvoll, daß Sie sich Gedanken darüber machen, ob die Verteidigung vielleicht Anträge, die sie gestellt hat, zurücknimmt z. B. bei einer verstorbenen Zeugin wird das selbstverständlich der Fall sein. Aber im übrigen möchte ich doch dem widersprechen, daß Sie hier nun die polizeilichen Ermittlungsergebnisse und Aussagen dieser Zeugen vorlesen, die wir ja noch hören wollen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das ist ein Freibeweis[18] darüber, ob wir Zeuginnen benötigen und ich möchte Ihnen das anheim geben. Damit wird überhaupt nicht gewürdigt, was Zeugen möglicherweise, wenn Sie auf den Anträgen beharren würden, aussagen und wie das zu werten wäre. Natürlich müsste dann aus dem Vorhalte gemacht werden. Es soll Ihnen nur die Überlegung ermöglichen, jetzt, wir müssen dann eine Pause einlegen, ob Sie auf diesen Zeugen beharren und nur zu[ww] diesem Zwecke. Die Verlesung ist zulässig nach § 251 Abs. 3 StPO.[19]

RA Geu[len]:

Ja, dann würde ich bitten, höchstens die Belegstellen anzugeben, die wir aber, aus unseren Akten hier, die wir aber selber auch haben, davon können Sie ausgehen, und wir werden dann darüber nachdenken und nicht die einzelnen Aussagen zu verlesen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, wie wir das nun einführen, um Ihnen die Überlegung zu geben, ist tatsächlich eine Sache, die hier vom Senat entschieden werden wird. Im übrigen, ich kann davon ausgehen, daß nicht jeder der hier anwesenden Prozeßbeteiligten imstande ist, jetzt sofort diese Akten sich herbeizuholen und das mit zu überprüfen.

RA Geu[len]:

Also wenn Sie die ...

Vors.:

Ich meine, Sie haben ja auch die Akten verwertet, denn das zeigt sich allein daraus, daß Sie eine verstorbene Zeugin, die schon seit drei Jahren tot ist, benannt haben. Das ist nicht der geringste Vorwurf, sondern das ergibt sich eben auch aus dem Aktenstudium.

Wir können die Dinge vereinfachen; ich habe Ihnen das gesagt, schauen Sie sich jetzt noch, wenn Sie die Akten parat haben, den Ord. 43, Bl. 322/97 bzw. 96 an. Hier ist eine Gegenüber- [12158] Stellung durchgeführt worden, der Zeugin Collin wiederum mit Manfred Grashof. Und sie sagt dann, sie glaube, bei diesem Durchgang die Nr. 1, und im 2. Durchgang ...

RA Geu[len]:

Ich möchte doch jetzt förmlich beanstanden,[20] Herr Vorsitzender.

Vors.: (nach geheimer Beratung)

Der Senat hat beschlossen

Die Bekanntgabe in der eben geschehenen Form durch Verlesen, auszugsweises Verlesen aus den[xx] Akten ist zulässig.

Also, sie glaube, im 1. Durchgang die Nr. 1, im 2. die Nr. 6 erkannt zu haben, als die Person, die sie im Fahrzeug bei diesem Banküberfall gesehen habe. Sie könne dies aber nicht mit Sicherheit bekunden, da sie kurzsichtig sei. Und sie benennt die Nr. 1 und 2, und die Überprüfung ergibt, daß es sich hier um völlig fremde Polizeibeamte handelt, die also nichts mit Manfred Grashof, dem Gegenübergestellten zu tun haben. Ich möchte also unter diesem Umständen - bei Frau Gehrhardt, glaube ich[yy] ergibt sichs zwangsläufig - der Verteidigung doch nochmals zu überlegen geben, ob auf der Benennung dieser beiden Zeuginnen, Frau Collin und Frau Chrapa, beharrt wird. So daß wir nachher in der Pause Sie bitten, darüber sich zu beraten und uns vielleicht dann anschließend Bescheid zu geben. Es dreht sich jetzt also einerseits darum[zz], was mit Herrn Wader geschehen soll, außerdem mit den Zeuginnen Collin und Chrapa.

Dann darf ich weiter bekanntgeben: dem Beweisantrag Martin Buchhorn wird stattgegeben. Er ist geladen auf den nächsten Dienstag um 9.00 Uhr, das ist der 26.10. Über die übrigen Beweisanträge wird noch eine Entscheidung ergehen.

Will nun jemand im Zusammenhang mit dem soeben Bekanntgegebenen und den Herrn Verteidigern als Überlegungsmaterial Benannten Äußerungen abgeben, sofort im Saal Stellung nehmen zu den Beweisanträgen? Die Bundesanwaltschaft hat angekündigt, sie will evtl. Stellung nehmen. Soll das geschehen? Wenn nicht, dann würde ich jetzt die Pause einlegen zur Überprüfung. Herr Rechtsanwalt Grigat, bitte.

RA Gri[gat]:

Wir wollen uns für Herrn Raspe dem Beweisantrag auf Vernehmung des Herrn Jünschke anschließen, und zwar daß es der Zeuge Müller war, der die Bombe in Frankfurt[21] gelegt hat und nicht der Angeklagte Raspe.

[12159] Vors.:

Sonstige Anträge seitens der Herrn Verteidiger, Anschlüsse und dergleichen? Sehe ich im Augenblick nicht.

Dann kann ich die Bundesanwaltschaft zur Stellungnahme bitten. Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich gebe folgende Stellungnahme ab.

1. Auf die Zeugen, welche die angeblichen Unrichtigkeiten in der Aussage Müllers bezüglich der Kaiserslauterner Vorgänge beweisen sollen, kann es meines Erachtens nicht ankommen, weil Müller hier nur Zeuge vom Hörensagen ist. Darauf ist schon deutlich in der Sitzung heute hingewiesen worden. Eine Beweiserhebung insoweit wäre für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.

Den von Herrn Rechtsanwalt Pfaff gestellten Anträgen wollen wir nicht entgegentreten. Doch haben wir bezüglich Jünschke erhebliche Bedenken, ob insoweit nicht eine Ablehnung wegen Prozeßverschleppung[22] in Betracht zu ziehen ist; wir geben das zumindest zu erwägen. Jünschke war zweimal hier in diesem Gerichtssaal, aber jetzt erst wird etwas behauptet, wonach Jünschke unseres Erachtens zumindest bei seiner zweiten Vernehmung hätte gefragt werden können. Im übrigen wollen wir nicht verhehlen, daß man Jünschke, nach seinem Verhalten hier im Gerichtssaal[23] wohl kaum für einen Glauben verdienenden Zeugen halten darf. Das ist aber eher eine zusätzlich als eine ausschlaggebende Überlegung.

3. Soweit die von dem Kriminalbeamten Stellmacher gefertigten Vernehmungen verfügbar sind, haben wir sie vorgelegt. Weiteres ist uns nicht bekannt. Würde mehr benötigt werden, müsste das zunächst einmal konkretisiert werden.

Und 4.: Hinsichtlich der Probleme um den Zeugen, um Herrn Wader, dazu möchten wir heute keine Stellungnahme abgeben, sondern die uns zunächst noch vorbehalten.

Vors.:

Danke.

Sollen weitere Erklärungen abgegeben werden? Wenn nicht, dann machen wir jetzt eine Pause.

Wie lange werden Sie voraussichtlich benötigen?

Ich meine, ich habe hier das Material zusammengestellt. Sie können sich gerne dieses Ordners bedienen.

RA Geu[len]:

Uns reichen 10 Minuten.

Vors.:

Ja, wir werden uns dann um ¾ wiedertreffen. Wenn Sie sich diesen Ordner zu Ihren Beratungen zuziehen wollen, er steht [12160] Ihnen zur Verfügung. Dort sind auch, weil die Ordner 43 in zwei Teile aufgeteilt sind, die Gegenüberstellungsakten, allerdings nicht vollständig, drin enthalten. Sie könnten sich natürlich genauso gut dort hinten dieser Akten bedienen.

14.43 Uhr Fortsetzung.

Pause von 14.22 Uhr bis 14.47 Uhr

Vors.:

Wir können fortsetzen.

Sind die Herren Verteidiger zu Entschließungen gelangt?

Herr Rechtsanwalt Geulen.

RA Geu[len]:

Der Antrag, Frau Gehrhardt als Zeugin zu vernehmen, wird zurückgenommen, nachdem das Gericht mitgeteilt hat, daß die Zeugin oder die beabsichtigte Zeugin in der Zwischenzeit verstorben ist.

Der Antrag, Herrn Wader als Zeugen zu vernehmen, wird auch zurückgenommen, nachdem Herr Wader dem Gericht mitgeteilt hat, daß er beabsichtige, die Aussage zu verweigern nach § 55[ StPO].

Vors.:

Sonstige Erklärungen?

Bitte, Herr Rechtsanwalt Pfaff.

RA Pf[aff]:

Ich möchte den Bedenken des Herrn Bundesanwalts Wunder entgegentreten wegen möglicher Verschleppungsabsicht hinsichtlich des Beweisantrages Jünschke. Die Bedenken sind in tatsächlicher Hinsicht völlig unbegründet. Herr Bundesanwalt Wunder hat auch keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, aus denen eine solche Verschleppungsabsicht hervorgehen könne. Im übrigen käme aber auch eine Ablehnung dieses Beweisantrags aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Die Bundesanwaltschaft selbst geht ja offenbar davon aus, daß der Beweisantrag sachdienlich ist, andernfalls hätte sie ja dem Antrag entgegentreten müssen. Schon in diesem Falle kann ein Beweisantrag nicht mehr wegen Absicht der Verschleppung, läge sie vor, abgelehnt werden. Hinzu kommt noch, daß die Ablehnung wegen Verschleppungsabsicht nur dann in Frage kommt, wenn dies ausschließlich, wenn dies der einzige Zweck ist, aus dem der Beweisantrag gestellt worden ist. Das ist gar nicht der Fall. Ich meine, daß also das [12161] Gericht diese Bedenken gleich wieder verschütten kann, wenn sie aufgekommen sind.

Vors.:

Uns würde noch interessieren, da sich ja Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann diesen Anträgen auch angeschlossen hat - und Sie heute früh auch -, ob Sie mit diesen Rücknahmen, die Herr Rechtsanwalt Geulen eben erklärt hat, auch einig sind?

RA Pf[aff]:

Bin ich einverstanden, ja.

Vors.:

Danke.

Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender, einen ganz kurzen Hinweis noch, und zwar darf die Bundesanwaltschaft darauf hinweisen, daß sie selbst und zwar bereits in ihrer Anklageschrift darauf hingewiesen hat daß Frau Gehrhardt verstorben ist. Und zwar war dies im Zusammenhang mit dem Tatkomplex „Banküberfall in Kaiserslautern“, und zwar genauer gesagt, in der Anmerkung 546 des Beweismittelverzeichnisses.

Vors.:

Der Antrag hat sich ja inzwischen durch Rücknahme auch erledigt. Soll sonst heute noch etwas erklärt werden von irgendeinem der Herrn Prozeßbeteiligten?

Dann geht es also am kommenden Dienstag, 9.00 Uhr, mit der Vernehmung des Zeugen Buchhorn auf jeden Fall weiter.

Sollten noch weitere Zeugen oder Beweismittel zu diesem Dienstag dann zur Verfügung stehen, die[aaa] hier eingeführt werden sollen, dann werden wir versuchen, die Herren Verteidiger rechtzeitig davon zu unterrichten. In allen Fällen bitte ich auf Dienstag sich darauf einzustellen, daß die hier genannten Beweispersonen unter Umständen noch rasch geladen werden müssen; Ihnen sind ja die Beweisthemen bekannt, so daß es dann keiner längeren Unterbrechung bedürfte, um die Zeugen dann tatsächlich zu hören.

RA Geu[len]:

Darf ich noch fragen, ob es im übrigen dabei bleibt, daß nächste Woche nur Dienstag verhandelt werden sollte, wie Sie angekündigt hatten oder ob unter Umständen doch weiter verhandelt wird an anderen Tagen noch?

Vors.:

Voraussichtlich bleibt es dabei. Man kann sich wohl überwiegend darauf einstellen. Wenn natürlich sich am Dienstag irgendeine Situation ergeben sollte, die uns zwänge, den Mittwoch noch zu nützen, dann wäre das immerhin möglich. Aber so, wie es jetzt [12162] aussieht, bleibt es wohl beim Dienstag. Das ist natürlich auch noch der Gesichtspunkt, den ich schon vorher bei der letzten Ankündigung gemeldet habe. Wenn etwa Herr Buchhorn uns angeben würde, ich stehe erst am Mittwoch zur Verfügung, weil ich zur Zeit verreist bin und erst Mittwoch kann, dann müssten wir eben notgedrungen auf Mittwoch verschieben. Also insofern behalte ich den Mittwoch als Sitzungstag vor, aber grundsätzlich soll es am Dienstag weitergehen und daß der alleinige Sitzungstag in der nächsten Woche bleiben.

Damit sind wir am Ende des heutigen Programms.

Ende der Hauptverhandlung um 14.52 Uhr

Ende Band 720


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 – Az.: 2 StE 7/01 – 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 – Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[3] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[4] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[5] Anlage 1 zum Protokoll vom 21.10.1976: Aktennotiz vom 21.10.76 (Übergabe weiterer Vernehmungsprotokolle des Zeugen Gerhard Müller aus dem Zeitraum 13.9.-4.10.1976).

[6] In Bezug auf die Person, die den VW-Bus während des Banküberfalls in Kaiserslautern gefahren sein soll, versuchte die Verteidigung erstens zu beweisen, dass der Zeuge Müller Carmen Roll als Fahrerin angegeben habe und zweitens, dass diese Aussage falsch sei (s. dazu etwa den Beweisantrag sowie die ergänzenden Erläuterungen des RA Geulen vom 155. Verhandlungstag, S. 12141 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; zu den Angaben des Zeugen Müller s. insbes. die Aussage des Vernehmungsbeamten Stellmacher am 154. Verhandlungstag, S. 12045 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Nachweis, dass der Zeuge Gerhard Müller auch bereits bei anderer Gelegenheit falsche Angaben gemacht habe, versuchte die Verteidigung, die Glaubwürdigkeit des Zeugen, der die Angeklagten ganz erheblich belastete, zu erschüttern.

[7] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. In diesem Fall kann die Vernehmung durch Konsularbeamt/innen durchgeführt werden. Die konsularische Vernehmung ist in § 15 Konsulargesetz (KonsG) geregelt. Die Vernehmungen und Vereidigungen und die über sie aufgenommenen Niederschriften stehen dabei gem. § 15 Abs. 4 KonsG Vernehmungen und Vereidigungen sowie den darüber aufgenommenen Niederschriften inländischer Gerichte und Behörden gleich, sodass diese nach Maßgabe des § 251 Abs. 1 StPO a.F. (heute: Abs. 2) in die Hauptverhandlung eingeführt werden können (vgl. dazu Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 251 Rn. 33).

[8] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Zu der Angabe, Carmen Roll sei Fahrerin des VW-Busses gewesen, s. bereits Fn. 6.

[9] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Hauptverhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde, sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; dem Angeklagten Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322; s. zu den Tatvorwürfen und späteren Verurteilungen auch DER SPIEGEL, Ausgabe 24/77 vom 6.6.1977, S. 104).

[10] Die Soziologiestudentin Brigitte Asdonk gehörte zur ersten Generation der RAF. Im Sommer 1970 reiste sie mit anderen RAF-Mitgliedern zur paramilitärischen Ausbildung nach Jordanien. Zusammen mit Horst Mahler, Ingrid Schubert, Monika Berberich und Irene Goergens wurde sie allerdings bereits im Oktober 1970 in einer konspirativen Wohnung in der Berliner Knesebeckstraße verhaftet. Die Hauptverhandlung gegen sie und fünf weitere RAF-Mitglieder (Monika Berberich, Irene Goergens, Ingrid Schubert, Hans-Jürgen Bäcker und Eric Gusdat) begann am 24. November 1972 vor dem LG Berlin und galt zu diesem Zeitpunkt mit über 300 vorgesehenen Zeug/innen und fast 80 geplanten Verhandlungstagen als einer der „umfangreichsten und wahrscheinlich auch längsten Prozesse der deutschen Justizgeschichte“ (zitiert nach Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz: Prozesse gegen weibliche Mitglieder der RAF und der Bewegung 2. Juni, 2009, S. 83). Mit Urteil vom 28.6.1974 wurde Asdonk zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, a.a.O., S. 83 ff., 167 f.).

[11] Bereits im Februar 1973 wurde Rechtsanwalt und RAF-Mitglied Horst Mahler vom Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. In einem weiteren Verfahren wurde er für seine Beteiligung an der Baader-Befreiung am 14. Mai 1970 im November 1974 vom LG Berlin unter Einbeziehung der früheren Haftstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff., 384.).

[12] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.

[13] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO).

[14] Anlage 2 zum Protokoll vom 21.10.1976: Mitteilung des über die Inanspruchnahme des § 55 StPO durch den Zeugen Wader.

[15] Anlage 3 zum Protokoll vom 21.10.1976: Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (Ermittlungsverfahren gegen H. Wader).

[16] Anlage 4 zum Protokoll vom 21.10.1976: dpa-Meldung betr. H. Wader (aus der „Neuen Westfälischen“ vom 20.10.1976).

[17] Der Unmittelbarkeitsgrundsatz findet seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO, wonach das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 914). Der materielle Unmittelbarkeitsgrundsatz – der unbedingte Vorrang des weniger mittelbaren Beweismittels – ist in der StPO nicht uneingeschränkt vorgesehen. Für Zeug/innen und Sachverständige normiert § 250 StPO aber den Vorrang des Personalbeweises: „Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.“ Die §§ 251 ff. StPO enthalten aber Ausnahmen von diesem Verlesungsverbot.

[18] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Einschränkungen ergeben sich im Freibeweis weder aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, noch aus dem Prinzip der Mündlichkeit (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 16).

[19] § 251 Abs. 3 StPO enthält eine Ausnahme von dem Verlesungsverbot aus § 250 Satz 2 StPO (s. bereits Fn. 17). In der damals gültigen Fassung lautete er: „Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Vernehmungsniederschriften, Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke auch sonst verlesen werden.“ Seit dem 1.1.2018 bezieht sich die Vorschrift auf „Protokolle und Urkunden“, womit jedoch keine inhaltliche Änderung bezweckt war; die sprachliche Neufassung sollte vielmehr auch elektronische Dokumente umfassen und Überflüssiges streichen (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 236/15, S. 59, 63).

[20] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[21] Am 11. Mai 1972 detonierten im sog. I.G.-Farben-Hochhaus, dem Hauptquartier des 5. US-Corps, in Frankfurt a.M. 3 Sprengkörper. Dabei wurde eine Person getötet und eine andere in nahe Lebensgefahr gebracht; weitere Personen wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977, 2 StE 1/74, S. 1 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 65. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[22] Grundsätzlich haben die Verfahrensbeteiligten bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Beweisanträge, die zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt werden, konnten allerdings nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. abgelehnt werden. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung wurde mit Wirkung zum 13.12.2019 durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl. I, S. 2121) aufgehoben, was allerdings nicht zur Folge hat, dass derartige Anträge nun ungehindert gestellt werden könnten; vielmehr sieht § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO vor, dass ein solcher Antrag nun gar nicht mehr durch förmlichen Beschluss abgelehnt werden muss. Zudem wurde mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I, S. 3202) mit Wirkung zum 24.8.2017 die Möglichkeit geschaffen, Beweisanträge, die nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist gestellt werden, erst im Urteil zu bescheiden (§ 244 Abs. 6, Satz 2-5 StPO). Hierdurch sollte der Umgang mit verfahrensverzögernden Beweisanträgen vereinfacht werden (s. die Begründung in BR-Drs. 796/16, S. 34).

[23] RAF Mitglied Klaus Jünschke wurde an den Verhandlungstagen 131 und 139 als Zeuge vernommen. Am 131. Verhandlungstag sprang er mit den Worten „Wart’ ich komm“ und „Für Ulrike, du Schwein“ über den Richtertisch auf den Vorsitzenden Dr. Prinzing zu und fiel mit diesem zu Boden, bevor er überwältigt werden konnte (S. 10957 des Protokolls der Hauptverhandlung, 131. Verhandlungstag).


[a] Handschriftlich ersetzt: Text unleserlich durch neuerlichen

[b] Handschriftlich durchgestrichen: haben

[c] Maschinell eingefügt: es

[d] Maschinell eingefügt: ein bißchen

[e] Maschinell eingefügt: so

[f] Maschinell eingefügt: vielleicht

[g] Handschriftlich durchgestrichen: Richtig

[h] Maschinell eingefügt: Nein.

[i] Handschriftlich ersetzt: im durch ein

[j] Maschinell eingefügt: also

[k] Maschinell eingefügt: Herr Vorsitzender,

[l] Handschriftlich durchgestrichen: den

[m] Maschinell eingefügt: Zg. Zott: Ja.

[n] Maschinell ersetzt: noch durch nicht mehr

[o] Maschinell eingefügt: um

[p] Maschinell eingefügt: Das

[q] Maschinell eingefügt: in

[r] Maschinell durgestrichen: habe

[s] Handschriftlich ersetzt: dann denn durch denn dann

[t] Maschinell eingefügt: der

[u] Maschinell ersetzt: erkennen durch beobachten

[v] Maschinell eingefügt: auch

[w] Maschinell durchgestrichen: auch

[x] Maschinell ersetzt: ... durch Liaison

[y] Handschriftlich eingefügt: (Person)?

[z] Maschinell durchgestrichen: vielleicht versuchen zu sagen

[aa] Maschinell ersetzt: wirklich durch echt

[bb] Maschinell eingefügt: Zg.Zott: Ja.

[cc] Maschinell ersetzt: nehmen durch nennen

[dd] Maschinell eingefügt: Zg.Zott: Ja, genau.

[ee] Maschinell eingefügt: (als Vertreter von RA Schily)

[ff] Maschinell durchgestrichen: und

[gg] Maschinell eingefügt: Und

[hh] Maschinell durchgestrichen: die

[ii] Maschinell ersetzt: Bitte durch Sicher

[jj] Handschriftlich durchgestrichen: heute

[kk] Maschinell eingefügt: auch heute

[ll] Handschriftlich durchgestrichen: doch

[mm] Handschriftlich ersetzt: sie durch die

[nn] Handschriftlich durchgestrichen: ja

[oo] Maschinell eingefügt: ein

[pp] Handschriftlich eingefügt: 60 Blatt

[qq] Maschinell durchgestrichen: die

[rr] Maschinell eingefügt: haben wir

[ss] Maschinell eingefügt: angesprochen auf das

[tt] Maschinell eingefügt: dortigen

[uu] Maschinell eingefügt: auf

[vv] Maschinell ergänzt: Zeuginnen

[ww] Maschinell eingefügt: zu

[xx] Maschinell eingefügt: den

[yy] Maschinell eingefügt: ich

[zz] Handschriftlich eingefügt: darum,

[aaa] Handschriftlich ersetzt: und durch die