160. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 10. November 1976 um 9.03 Uhr



[12326] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 10. November 1976 um 9.03 Uhr

(160. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens

Just. Ass. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Weidenhammer, Dr. Augst (als Vertreter von RA Eggler), Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.

Die Vertretung von RA Eggler durch RA Dr. Augst ist genehmigt.

Als Zeuge ist erschienen:

Karl-Heinz Ruhland

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Bevor wir zur Vernehmung des Zeugen Herrn Ruhland kommen, ein kurzer Hinweis: Die Akten, die uns übergeben worden sind, Protokolle Kaiserslautern[2] und 3 ARP,[3] werden in einem neuen Sonderordner Nr. 128 zusammengefasst und befinden sich da bei den Akten. Der gestern übergebene Teil aus diesen „Unbekanntakten“ 1 BJs 7/76[4] wird angeheftet bei dem Ordner 127 - das sind die Vernehmungen Müller - so daß alles seinen geordneten Platz hat.

Nun hat gestern die Verteidigung beantragt, hinsichtlich dieser Akten noch eine Ergänzung vorzunehmen.

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, ist da schon irgendeine Klärung erfolgt?

BA Dr. Wu[nder]:

Nein, Herr Vorsitzender, die Klärung ist noch nicht [12327] erfolgt. Ich kann nur nochmal wiederholen, um welche Komplexe es bei den fehlenden oder noch ausstehenden Stücken geht. Das ist kurz zusammengefasst folgendes: Einmal um einige angemietete Wohnungen, um Angaben zu einigen Sympathisanten, um Angaben Müllers zu zwei Diebstahlsversuchen, und einen Diebstahl von einem Kraftfahrzeug in Hamburg, und letztlich zwei Blätter, die noch den 249, zu dem letzten freigegebenen Blatt nachgeheftet sind, um Jünschke.

Falls der Senat diese Stücke für das Verfahren für bedeutungsvoll hält und benötigt, dann bitte ich, darüber zu befinden. Die Bundesanwaltschaft wird dann sehr wahrscheinlich diese Stücke auch zur Verfügung stellen.

Vors.:

Also der Senat an [a] sich nicht; aber die Verteidigung hat die Ergänzung beantragt, ich glaube es war Herr Rechtsanwalt Schily, der jetzt leider Ihre Ausführungen nicht gehört hat.

RA Schily erscheint um 9.06 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Es ist gerade um die Frage gegangen, Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben den Antrag auf Ergänzung dieser gestern übergebenen „Unbekanntaktenteile“ gebeten, und Herr Bundesanwalt Dr. Wunder hat im Augenblick erläutert, um welche Teile - nochmals erläutert -, um welche Teile es sich dabei handelt. Und der Senat - von sich aus - sieht an sich keinen Anlass, diese Ergänzung zu betreiben. Wenn aber die Verteidigung gleichwohl, einfach um eine Kontrolle zu haben, die Ergänzung wünscht, so wird der Senat sich dem anschließen und die Bundesanwaltschaft entsprechend bitten. Wir können es vielleicht so machen, daß Ihnen diese Teile nochmals - außerhalb der Hauptverhandlung - benannt werden können, die gerade angegeben worden sind. Sie müssten sich also nicht sofort entscheiden. Oder legen Sie einfach generell Wert auf diesen kompletten Teil?

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, das ist eine Akte, ich glaube, es geht doch jetzt um 1 BJs 7/76 ...

Vors.:

Um diese Zwischenblätter, die noch gefehlt haben ...

RA Schi[ly]:

Ja, nicht nur die Zwischenblätter, um die vollständige Akte, die ja, wie[b] wir inzwischen durch die Zeugen wissen, eine zwar „Ermittlungsakte gegen Unbekannt“ heißt, die aber Vorgänge zum Gegenstand hat, die unmittelbar das hiesige Ermittlungsverfahren oder Strafverfahren betreffen.

[12328] Vors.:

Verzeihen Sie, Herr Rechtsanwalt, wenn Sie also auf diesem Antrag, obwohl Sie jetzt die Erläuterungen nicht[c] gehört haben, einfach beharren wollen - das ist Ihr Recht -, dann wird dann[d] der Senat selbstverständlich die Bundesanwaltschaft entsprechend bitten.

RA Schi[ly]:

Ich meine, in welcher Form das geschieht, ist ja, ob das außerhalb ...

Vors.:

Also Sie wollen die Ergänzung haben, die beantragte?

RA Schi[ly]:

Ich will die Ergänzung haben.

Vors.:

Dann darf ich die Bundesanwaltschaft bitten, doch die Ergänzung möglichst bald vorzunehmen, so, daß wir vielleicht vor dem nächsten Termin noch imstande sind, den Herrn Verteidigern diese Teile zugänglich zu machen, so daß, da ja Anträge möglicherweise daran knüpfen, die am nächsten Dienstag bekanntgegeben werden können. Ich glaube, damit können wir uns Herrn Ruhland zuwenden.

Der Zeuge Ruhland wird gemäß § 57 StPO[5] belehrt.

Der Zeuge Ruhland erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[6]

Der Zeuge Ruhland wird nunmehr gemäß § 55 StPO[7] belehrt.

Der Zeuge Ruhland macht folgende Angaben zur Person:

Karl-Heinz Ruhland, 38 Jahre alt,

Autoschlosser, Zustellungsadresse RA Becher in Köln,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Ruhland, ich habe Ihren Herrn Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Ladung das Beweisthema mitteilen lassen. Ist Ihnen das Beweisthema bekannt geworden?

Zeuge Ruh[land]:

Ja.

Vors.:

Dann darf ich es zusammenfassen dahin: Die Verteidigung beantragt Sie zu hören, weil sie in Ihr Wissen stellt, daß Sie während Ihrer Vernehmungen durch Versprechungen, durch Ver- [12329] günstigungen - also Versprechungen im Hinblick auf die Art, wie Sie verfolgt werden würden, welcher Delikte Sie angeklagt werden würden - Versprechungen hinsichtlich der Strafhöhe, Versprechungen hinsichtlich evtl. vorzeitiger Entlassungen, außerdem durch Vergünstigungen, etwa Einladungen zum Essen und Biertrinken, schließlich durch Geldzuwendungen, die Ihnen schon während der Haft zum Teil zugegangen seien, veranlasst worden seien, aussagebereit zu sein. Und außerdem stellt die Verteidigung in Ihr Wissen, daß Sie nach Haftentlassung monatlich eine Art Rente in Höhe von etwa 1000,-- DM bekommen hätten.

Das ist das Beweisthema. Sie können sich nunmehr ohne weitere Fragen im Zusammenhang dazu äußern, ob Ihnen solche Versprechungen gemacht worden sind, ob Ihnen Vergünstigungen angekündigt worden sind und ob Sie tatsächlich solche Vergünstigungen haben.

Zeuge Ruh[land]:

Anknüpfend daran möchte ich eine Erklärung abgeben, Herr Vorsitzender, dafür im Zusammenhang bitte.

Vors.:

Bitte.

Zeuge Ruh[land]:

Anknüpfend an die Belehrung über das Recht zur Verweigerung der Aussage gemäß § 55 StPO möchte ich folgende Erklärung abgeben: Ich habe mich bisher bei allen meinen Vernehmungen[8] vor den Ermittlungsrichtern und vor [e] Gericht bemüht, nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit zu sagen. Ich habe bei meinen Aussagen nie bewusst die Unwahrheit gesagt, bin auch heute noch der Auffassung, daß alles, was ich gesagt habe, richtig ist. Ich mag nach meiner Verhaftung zunächst, während der ersten polizeilichen Vernehmungen mit dem einen oder anderen zurückgehalten haben. Kurze Zeit später, zumindest seitdem ich anwaltlich beraten wurde, habe ich mich entschlossen, den vollen Sachverhalt auszusagen und nur das anzugeben, was der Wahrheit entspricht.

Vors.:

Herr Ruhland, ein Zeuge soll natürlich - wir haben zwar Ausnahmen gemacht, auch bei anderen Zeugen, die Erklärungen hier verlesen haben, ohne einzugreifen - aber ein Zeuge sollte uns natürlich zunächst - mal mitteilen, welche Absichten er verfolgt. Sie sind an sich zu Aussagen da, nicht um Erklärungen zu verlesen.

Zeuge Ruh[land]:

Ist hinten[f] anschließend, daß ich[g] die Aussage verweiger’ praktisch; aber das hängt alles damit zusammen.

[12330] Vors.:

Sie wollen also jetzt eine Begründung abgeben dafür, daß Sie keine Angaben machen wollen. Ist das richtig?

Zeuge Ruh[land]:

Ja.

Vors.:

Gut, das wollen wir ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, das halte ich ... Also entweder[h] erklärt der Zeuge hier, er will von einem generellen Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Das wäre ja[i] die Frage, ob er das hat, oder[j] er nur ein Auskunftsverweigerungsrecht hat nach § 55[ StPO] auf bestimmte Fragen. Das muß der Senat prüfen. Ich kenne alle die Entscheidungen mit dem weitgehenden, also sich zu einem Aussageverweigerungsrecht sozusagen[k] entwickelnden Auskunftsverweigerungsrecht,[9] darüber müsste man hier reden. Aber ich glaube nicht, daß also hier generelle Erklärungen von Herrn Ruhland abzugeben sind.

Vors.:

Es scheint, Herr Rechtsanwalt, so muß man es bis jetzt verstehen, daß Herr Ruhland begründen will, warum er von dem Recht des § 55[ StPO], wenn ich es recht verstehe - Sie verwenden das Wort Aussageverweigerung, das heißt also wohl umfassend - Gebrauch machen will. An sich geht ja § 55[ StPO] nur dahin, daß Sie auf einzelne, bestimmte Fragen die Auskunft verweigern können. Darf ich fragen, ist diese Erklärung noch längeren Inhalts?

Zeuge Ruh[land]:

Es ist 1 ½ Seiten lang, Herr Vorsitzender.

RA Schi[ly]:

Ja, ich, Herr Vorsitzender, ich halte das nur nicht für richtig, daß der Zeuge dann quasi substantiell etwas über sein früheres Aussageverhalten sagt, das ist doch nicht seine Aufgabe hier. Er kann sagen, mit Rücksicht auf die Gefahr, daß ich mich strafgerichtlicher Verfolgung aussetze, ...

Vors.:

Es ist verstanden, Herr Rechtsanwalt, das ist klar. Nicht wahr, Herr Ruhland, Sie müssen hier unterscheiden: Wenn Sie praktisch durch eine Erklärung schon eine Aussage machen, dann müsste ich Sie bitten, die Aussage ohne schriftliche Vorlage zu machen und uns das aus, als Beantwortung einer Frage etwa dann mitzuteilen. Wenn Sie allerdings eine Begründung vortragen wollen, die nun nicht eine Aussage auf die durch die Beweisthemen angerissen Fragen anlangt, sondern nur mitteilt, warum Sie glauben, von § 55[ StPO] umfassend Gebrauch machen zu können, dann ist das zulässig. Aber Sie haben nun begonnen: „Ich habe immer die Wahrheit gesagt“ usw. und sofort. Verstehen Sie, das hat mit dem § 55[ StPO] selbst nichts zu tun. Das, was Sie also uns hier jetzt vortragen können und dürfen, [12331] auch anhand notfalls dieser vorbereiteten Erklärung, kann sich nur auf die Begründung beziehen, warum Sie umfassend Gebrauch machen wollen von § 55[ StPO]; soweit ist es zulässig.

Zeuge Ruh[land]:

Ja, das kommt alles da raus.

Vors.:

Bitte. Bloß nicht inhaltliche Aussagen machen, ob Sie die Wahrheit gesagt haben oder nicht; das interessiert in dem Zusammenhang nun nicht unmittelbar.

Zeuge Ruh[land]:

Ja, es ist aber alles damit maßgebend ...

Vors.:

Wir wollen’s mal sehen, Ihre Begründung weiterhören.

Zeuge Ruh[land]:

Kurze Zeit später, zumindest seitdem ich anwaltlich beraten wurde, habe ich mich entschlossen, den vollen Sachverhalt auszusagen und nur das anzugeben, was der Wahrheit entspricht. Ich habe alle Aussagen freiwillig gemacht und bin durch keinerlei Versprechungen dazu bewogen worden ...

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Meine Herren ... Herr Ruhland, Sie sehen, es gibt schon wieder Beanstandungen.

Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[nabel]:

Herr Vorsitzender, ich spreche auch im Namen vom Kollegen Schwarz, wie ich gerade souffliert bekam noch. Wir sind beide der Meinung, daß es einfach nicht angängig ist, daß hier vorbereitete Erklärungen verlesen werden. Es ist auch in früheren Verfahrensstadien das ja nicht üblich gewesen, zumindest nicht vorbereitete Erklärungen dessen Inhalts, die hier der Herr Ruhland vorzutragen gewillt ist.

Zeuge Ruh[land]:

Dann bitte ich das Gericht darüber einen Beschluß zu fassen; anders mache ich nichts. Entweder meine Erklärung ...

Vors.:

Wir werden Ihnen jetzt die Gründe, wir werden die Gründe erfragen, warum Sie von § 55[ StPO] glauben Gebrauch machen zu können. Es geht uns nur darum, verstehen Sie, Herr Ruhland, Ihr Recht von § 55[ StPO] Gebrauch zu machen ist schon angedeutet worden, soweit Sie glauben sich strafgerichtlicher Verfolgung auszusetzen. Und jetzt sollten Sie uns begründen, warum Sie glauben, daß Sie insgesamt, durch jede Aussage, die Sie hier machen, durch jede Beantwortung in die Gefahr zu geraten, strafrechtlich verfolgt zu werden oder in Ihren bereits anhängigen Strafverfahren, aufgrund dieser Anzeigen, strafrechtliche Nachteile zu erleiden.

Und wenn Sie können, wäre es natürlich besser, das nicht vor- [12332] zulesen. Ich darf allerdings darauf hinweisen: Wir hatten vorbereitete Erklärungen bisher hinnehmen müssen, auch von anderen Zeugen. Es ist also nicht ganz so, Herr Rechtsanwalt Schnabel, daß das bisher noch nie der Fall gewesen ist. Und wir haben es immer, auch aus Gründen der Unerfahrenheit mancher Zeugen, selbst aber auch bei dem erfahrenen Rechtsreferendar Pohle, hingenommen, daß hier vorgelesen worden ist.

Zeuge Ruh[land]:

Dazu darf ich sagen: Ich hatte vor, mit meinem Rechtsanwalt hier zu erscheinen; der hatte aber andere Termine. Deshalb hatten wir die Erklärung vorbereitet.

Vors.:

Herr Ruhland, wenn Sie es uns vielleicht vortragen können. Also Sie sind gegenwärtig angezeigt, Sie hätten in verschiedenen Verfahren - wir haben die Anzeige extra beigezogen, es dreht sich wohl um das Mahler-Verfahren,[10] um das Asdonk-Verfahren,[11] um das Jansen-Verfahren[12] - dort hätten Sie widersprüchliche Aussagen gemacht und falsche Aussagen gemacht; und inwiefern befürchten Sie nun, durch Ihre heutige Aussage ...

Rechtsanwalt Dr. Heldmann erscheint um 9.18 Uhr im Sitzungssaal.

Zeuge Ruh[land]:

Ich lese dann den letzten Abschnitt vor.

Obwohl ich mich bei allen meinen Aussagen nach besten Wissen und Gewissen bemüht habe, die Wahrheit zu sagen, ist gegen mich bei der Staatsanwaltschaft in Berlin Anzeige wegen Meineid und vorsätzlicher Falschaussage erstattet worden, die unter anderen[l] basiert auf der Konstruktion künstlicher Widersprüche in nebensächlichen Punkten meiner Aussage. Ich befürchte, daß eine erneute Aussage zur Sache in Befolgung mangelnder Erinnerung, insbesondere in nebensächlichen Punkten, wieder Anlass sein könnte, durch die Konstruktion gekünstelter Widersprüche den Vorwurf falscher Aussagen gegen mich zu erheben. Ich habe jedenfalls die Überzeugung gewonnen, daß eine erneute Aussage mich aus den erwähnten Gründen in die Gefahr bringen könnte, daß weitere Vorwürfe wegen angeblicher Falschaussage gemacht würden. Ich verweigere deshalb die Aussage gemäß § 55 StPO.

Vors.:

Will sich zu diesen Ausführungen des Herrn Zeugen jemand äußern? Die Herren Verteidiger?

Herr Rechtsanwalt Schily.

Also ich glaube das, was jetzt zuletzt vorgetragen worden ist, war eine Begründung, die sich ausschließlich auf § 55[ StPO] bezogen [12333] hat und war auch zulässig in dieser Form vorzutragen.

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ja, ich glaube, daß doch zu prüfen sein wird, ob bei jeder Frage ein solches Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Also es müsste ja, es kann ja nicht davon ausgegangen werden, daß zu allen Fragen, es müsste dann der Zeuge jeweils prüfen, ob nun eine Berührung mit früheren Aussagen zwangsläufig ist, soweit das auch nur im Entferntesten möglich ist. Selbstverständlich würde ich dem Zeugen die Berufung auf den § 55[ StPO] einräumen; aber ich glaube, daß man doch bei, daß nur jeweils bei jeder Fragen prüfen kann. Ich meine, daß der Senat also eine generelle, ein generelles Zubilligen eines Auskunftsverweigerungsrechts auf § 55[ StPO] kaum vertreten kann.

Vors.:

Darf ich hier die Frage an Sie richten. Sie sind ja sicher über die Strafanzeigen unterrichtet, ...

RA Schi[ly]:

Ja.

Vors.:

... die erstattet worden sind, und ich glaube, Sie waren auch bei ...[m]

RA Schi[ly]:

Aber ich habe sie jetzt nicht vorliegen, aber ...

Vors.:

Wir haben sie hier vorliegen. Ich habe es gestern früh bekanntgegeben, daß wir die Bundesanwaltschaft gebeten haben, diese Strafanzeigen dem Senat mitzuteilen. Es handelt sich, wie wir inzwischen wissen, ja um dieses Komitee, und dann hat inzwischen wohl Rechtsanwalt Wächtler, der Verteidiger des Herrn Pohle, sich dieser Strafanzeige angeschlossen. Sind weitere Strafanzeigen im Gange oder ist Ihnen darüber nichts bekannt?

RA Schi[ly]:

Also darüber ist mir nichts bekannt, aber ...

Vors.:

Nichts bekannt, also ...

RA Schi[ly]:

... ich kann das aber nicht ausschließen; also das will ich ausdrücklich sagen.

Vors.:

Nicht wahr, bloß weil wir ja anhand dieser Anzeigen den strafrechtlichen Vorwurf abgrenzen und daran dann wieder messen müssen, ob tatsächlich die Gefahr besteht.

RA Schi[ly]:

Ja.

Vors.:

Das ist diese Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft in Berlin, die Herr Mahler und verschiedene Komitee-Mitglieder unterzeichnet haben. Ist das richtig?

RA Schi[ly]:

Ja, ja, das ist richtig.

Vors.:

Sind sonstige Ausführungen zu machen? Wir müssen eben - ich habe ja gestern darauf hingewiesen, daß man sich einen Eindruck ver- [12334] schaffen könnte auf der Geschäftsstelle, vom Inhalt dieser Anzeigen - Wir müssen natürlich jetzt mal anhand dieser Anzeige das überprüfen [n], was der Herr Zeuge gerade vorgetragen hat, und darüber eine Entscheidung treffen.

Will sich sonst noch jemand ...

OStA Z[eis]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... vielleicht Herr Bundesanwalt Zeis. Wollen wir es zusammenfassen, wenn die Verteidiger sich noch äußern wollten[o], daß man das zusammenkommen lässt und sich dann die Bundesanwaltschaft äußert oder wollten Sie sofort erwidern?

OStA Z[eis]:

Nein, ich stelle anheim, mir ist es gleichgültig.

Vors.:

Will sich jemand der Herrn Verteidiger noch irgendwie dazu äußern?

Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Herr Vorsitzender, wenn ich den Kernsatz richtig verstanden habe, den Herr Ruhland hier gesprochen hat, dann hat er Bedenken eine Auskunft deswegen zu geben, weil er sich unter Umständen verstricken könnte in Widersprüche zwischen alten Auskünften und neuen Auskünften, die er jetzt zu geben hätte. Und ich glaube nicht, daß das der entscheidende Kernsatz eines § 55[ StPO] ist. Das hätte nämlich die Konsequenz, daß kein Zeuge mehrfach vor Gericht aussagen könnte, denn diese Gefahr ist ja bei jedem Zeugen vorhanden, der nicht ein elektronisch gesteuertes Gedächtnis hat. Es ist also zweifellos so, daß dann jeder sagen könnte, wenn er zum zweiten Mal vor Gericht geladen wird: Ich berufe mich jetzt auf § 55[ StPO], denn es besteht die Möglichkeit, daß ich mich nicht mehr daran erinnern kann, was ich das letzte Mal gesagt habe. Wenn ich jetzt aber etwas anderes sage, dann wäre die Möglichkeit vorhanden, daß eine Strafanzeige gegen mich kommt, also § 55[ StPO]. Das ist aber sicher nicht Sinn und Zweck des § 55[ StPO].

Zum Zweiten ist es ja wohl nicht entscheidend hinsichtlich des § 55[ StPO], wenn an den Herrn Ruhland die Frage gestellt wird, ob ihm irgendwelche Versprechungen gemacht wurden. Das hat ja damit dann wieder nichts zu tun.

Vors.:

Insofern sind Sie vielleicht nicht ganz unterrichtet darüber, daß Gegenstand dieser Strafanzeige auch dieses Thema geworden ist, daß Herr Ruhland dazu falsche Aussagen gemacht haben soll in seinen früheren Verfahren, gerade bezüglich der Punkte Versprechung. Es ist also schon berührt durch diese Fragen. Bitte.

[12335] RA Schi[ly]:

Ich muß dazu noch fairerweise[p] sagen, daß in der Tat also[q] Aussagen, die ja von Herrn Ruhland gemacht worden sind zu eben diesem Punkt; und soweit natürlich der Zeuge die Befürchtung hat, daß, wenn er heute eine Frage wahrheitsgemäß beantwortet, er zugeben müsste, daß er früher eine Falschaussage gemacht hat, und insofern sich der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzt, hat er zweifellos das Auskunftsverweigerungsrecht, das würde ich schon, hier muß man wohl fairerweise sagen. Nur ist die Frage, ob alle Fragen, die da in Betracht zu ziehen sind, ob die eben, ich meine, ich habe heute auch nicht mehr die Übersicht - ich müsste es also dem Zeugen überlassen, die Prüfung - ich habe auch nicht mehr die Übersicht, das sage ich ganz offen, über alle Aussagen von Herrn Ruhland, der ja auch in anderen Verfahren, in denen ich nicht als Verteidiger tätig war, Aussagen gemacht hat. Aber ich glaube, man muß schon unterscheiden, ob es ein Thema war, was bereits Gegenstand einer früheren Zeugenbefragung war; danach würde ich es begrenzen.

Vors.:

Ist es richtig, daß die Anzeige so aufgebaut ist, daß - ich habe ja die drei Namen der Prozesse genannt Mahler, Asdonk und Jansen, - daß innerhalb der in diesen jeweiligen Prozessen gemachten Aussagen zum selben Thema Widersprüche auftauchen, und daß darauf sich doch die Anzeige gründet ...

RA Schi[ly]:

Unter anderem, unter anderem ...

Vors.:

... unter anderem, ja.

RA Schi[ly]:

... aber auch auf andere Zeugen und[r] Widersprüche zu anderen Zeugenaussagen.

Vors.:

Das würde also bedeuten, daß möglicherweise heute eine Aussage auf jeden Fall in irgendwelche Widersprüche geraten müsste.

RA Schi[ly]:

Wenn man also der These folgt, daß das Widersprüche sind, dann würde ...

Vors.:

Ja, ich sage das ...

RA Schi[ly]:

... würde er sozusagen zwangsläufig heute in die Lage kommen, sich selber belasten zu müssen. Und das kann man einem[s] [t] Zeugen in der Tat dann nicht zumuten.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Z[eis]:

Es geht nicht darum - jedenfalls habe ich den Zeugen Ruhland so verstanden - daß er deswegen heute keine Aussagen machen will, weil er befürchtet, sich mit früheren Aussagen in Widerspruch zu setzen - wenn es tatsächlich so wäre, Herr Rechtsanwalt [12336] Schnabel, dann würde ich Ihnen Recht geben -, sondern es geht darum, daß der Zeuge sagt: Ich will heute keine Aussagen machen, weil ich befürchten muß, die gegen mich erstatteten Strafanzeigen noch dadurch möglicherweise zu fördern.

Und wenn ich richtig unterrichtet bin - Herr Rechtsanwalt Schily müsste es ja noch besser wissen, als unmittelbarer Beteiligter -, war doch auch schon in dem Mahler-Verfahren mit einem Punkt, ob dem Zeugen Ruhland Versprechungen gemacht worden sind. Wenn das beispielsweise der Fall wäre, dann würde insoweit dem Zeugen heute sicherlich ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55[ StPO] zustehen. Im übrigen will ich hier nur noch mal wiederholen, was dem Senat sicherlich bekannt ist, daß der Bundesgerichtshof im 10. Band auf[u] Seite 105 ff. entschieden hat, daß, wenn die Gefahr in vielen Punkten begründet ist - und so scheint es mir der Fall zu sein -, unter Umständen die ganze Aussage verweigert werden kann. Dankeschön.

RA Schi[ly]:

Nur weil ich da unmittelbar angesprochen worden bin.

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

Das ist richtig, das, was Herr Bundesanwalt ...

Vors.:

Sie hatten ja auf die Entscheidung auch schon hingewiesen gehabt.

RA Schi[ly]:

... Zeis ... Die Entscheidung habe ich zitiert; nein, hinsichtlich des Sachverhalts. Natürlich ist auch Gegenstand der Befragung im Mahler-Verfahren die Frage gewesen, ob dem Zeugen bestimmte Versprechungen oder Zusagen gemacht worden sind. Also auch das ist bereits im Mahler-Verfahren, meiner Erinnerung nach, gefragt worden.

Vors.:

Darf ich vielleicht, um das Gespräch dahin abzurunden, aus der Anzeige - Herr Ruhland, Sie werden dagegen nichts haben, es muß mit den Beteiligten erörtert werden - angeben, was zum Gegenstand der Anzeige unter anderem gemacht worden ist. Erstensmal Versprechungen vorzeitiger Entlassung für den Fall, daß er Mahler belaste.

2. Ein Arbeitsverhältnis sei versprochen worden, und zwar bei der Sicherungsgruppe.[13]

3. Statt einer[v] viel längeren Strafzeit, nur beschränkte Strafzeit von wenigen Jahren.

Statt Mordanklage, Totschlagsanklage.[14] Das wird also mehrfach durch Zeugen ja auch, die hier aufgeführt werden, soll das [12337] dann belegt werden.

Dann Lebensmittel, Radiovergünstigungen ...

RA Schi[ly]:

Geldzuwendungen auch.

Vors.:

Ich gehe es mal gerade ganz durch; ich habe es da unterstrichen, weil man ja gefasst sein musste, daß so was hier erörtert werden müsste.

Es sei ihm von vornherein gesagt worden, ein bestimmter, ein Schuß auf einen Polizisten würde gar nicht zum Gegenstand einer Anzeige gemacht, den er abgegeben haben soll. Dann nochmals Lebensmittel, Lebensmitteltüten, Zigaretten, dann Vorwurf, Aussage „normaler Einkauf“ sei falsch gewesen. Vorwurf wegen angeblich bezahlter Arzthonorare und Unterhaltsrente, um das mal in dieses Stichwort zu bringen. Und schließlich noch ein Betrugsvorwurf im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Verdienstausfall. Das ist der Inhalt der Anzeige des Komitees; und an diesem Inhalt müssen wir natürlich das heutige Beweisthema messen, das ist klar. Sind sonstige Äußerungen zu machen?

Ich sehe nicht. Dann wollen wir über die Sache beraten.

Ich würde sagen, daß wir uns hier um 10.15 Uhr wieder treffen, oder 10.30 Uhr.

10.30 Uhr Fortsetzung.

Pause von 9.30 Uhr bis 11.43 Uhr

Ende Band 731

[12338] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.43 Uhr.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen. Es ist folgende Verfügung bekanntzugeben:

Der Zeuge darf die Auskunft auf Fragen zu den im Beweisantrag vom 2.11.1976 enthaltenen Beweisbehauptungen umfassend verweigern.

Gründe: Der Zeuge ist in zahlreichen Verfahren zu vielfältigen Beweisthemen aus dem Fragenkreis „RAF“ vernommen worden, u.a. auch zu den im Beweisantrag aufgeführten Behauptungen. Hierbei ist es zu beeideten und unbeeideten Aussagen gekommen, die Anlass für Strafanzeigen wegen Meineids und Falschaussage geworden sind; das Ermittlungsverfahren ist bei der Staatsanwaltschaft Berlin anhängig. Im Hinblick auf dieses Verfahren verweigert der Zeuge unter Berufung auf § 55 StPO umfassend die Auskunft.

Die Verweigerung ist berechtigt. Für den Zeugen besteht im Hinblick auf die ungewöhnliche Häufigkeit und den Umfang seiner gerichtlichen Vernehmungen sowie wegen des langen Zeitraums, über den sich die Vernehmungen erstreckten, die Gefahr, daß er durch die heutige Aussage jedenfalls in einzelnen Punkten in Widerspruch mit früheren Aussagen geraten und dadurch den Verdacht, früher falsch ausgesagt zu haben, erhärten könnte. Wie konkret diese Gefahr ist, zeigen nicht nur das anhängige Ermittlungsverfahren, sondern auch die Feststellungen in verschiedenen - in der Anzeige zitierten - Gerichtsurteilen, die von Widersprüchen in den Aussagen des Zeugen ausgehen. Auch in dem Ermittlungsverfahren geht es um in der Strafanzeige aufgeführte Angaben des Zeugen, die jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand widersprüchlich sein können; dabei wird gerade auf Aussagen abgehoben, die die hier maßgeblichen Beweisbehauptungen betreffen. Soweit frühere Angaben tatsächlich unvereinbar sind, muss der Zeuge daher in besonderem Maße befürchten, mit der heutigen Aussage in Widerspruch zu einer früheren Version zu geraten. Der schon erwähnte große Umfang und die Verflechtung der Aussagen des Zeugen bringen es mit sich, dass die Beurteilung, ob [12339] eine einzelne Antwort, wenn auch nur mittelbar die Gefahr der Falschaussage nach sich ziehen könnte, nicht zuverlässig zu treffen wäre. Deshalb ist sein Verweigerungsrecht umfassend (vgl. BGHSt 10, 105).

Die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung entfällt auch nicht deshalb, weil der Zeuge im Vorspruch zu seiner Verweigerung betont hat, immer um wahrheitsgetreue Angaben bemüht gewesen zu sein. Abgesehen davon, daß er selbst die Möglichkeit von Widersprüchen in Einzelpunkten erwähnt, ist diese Erklärung aus dem Bedürfnis des Zeugen zu verstehen, den gegen ihn erhobenen Vorwürfen entgegenzutreten.

- - -

Nun ist noch die Frage zu stellen, ob außerhalb der Beweisbehauptungen, die ja durch den Beweisantrag eingegrenzt sind, Fragen an den Herrn Zeugen gestellt werden sollen? Ich sehe von keiner Seite. Es ist nicht beabsichtigt, den Herrn Zeugen zu vereidigen. Kein Antrag?

Der Zeuge Ruhland bleibt unvereidigt wegen Tatbeteiligung nach § 60 Ziff. 2 StPO[15] und wird im allseitigen Einvernehmen um 11.47 Uhr entlassen.

Vors.:

Ich darf nun, bevor ich bitte, daß weitere Anträge - soweit sie gestellt werden können, Sie haben es ja gestern schon angekündigt - hier vorgetragen werden, mitteilen, daß Herr RA Kopp die Verteidigung von Herrn Baader niedergelegt hat, also aus dem Verteidigerverzeichnis zu streichen ist.

RA Schi[ly]:

Ich habe ja gestern bereits angekündigt, den Antrag betreffend Frau Mordhorst. Ich habe ihn hier schriftlich vorliegen und werde ihn überreichen.

[12340] RA Schily verliest nunmehr den aus Anl. 1 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben wurde und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.

Vors.:

Danke. Sind weitere Anträge schon soweit vorbereitet, daß sie mitgeteilt werden können. Herr RA Schily, ich darf nochmals daran erinnern: Wir wären sehr dankbar, wenn im Laufe dieser Woche schriftlich noch vorgemeldet würde, was vielleicht zur Ausfüllung des Beweisprogramms am kommenden Dienstag reichen würde.

RA Schily:

Ich hatte Ihnen ja gestern gesagt, falls es sich also durchführen läßt, dann würde ich Ihnen vielleicht per Post, aber das könnte frühestens Freitag sein, das schon vorwegübermitteln, dann könnte man ja vielleicht schon kurzfristig disponieren für die nächste Woche.

Vors.:

Ich müßte dann eben die Herrn Verteidiger kurzfristig benachrichtigen lassen, über das, was an Beweisthemen noch dazukommt für den[w] Dienstag. Jedenfalls haben wir jetzt im Augenblick für Dienstag nur Zeugen Kahl. Darf ich die Bundesanwaltschaft fragen, ob Ihnen die Adresse von Frau Mordhorst bekannt, möglicherweise aber auch, ob sie Ihnen später zugänglich ist?

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, das kann ich jetzt im Augenblick wirklich nicht sagen. Uns hier ist sie nicht bekannt; ob sie der Behörde bekannt ist, weiß ich nicht. Ich kann dazu[x] keine Erklärung abgeben.

Vors.:

Nun darf ich sagen, aus der Erfahrung bei der Ladung von Frau Roll muß ich die Befürchtung hegen, daß nach der Freilassung von Frau Mordhorst ihre Adresse gewisse Schwierigkeiten bereitet. Das heißt also, Herr RA Schily, ich würde die Antwort, die gerade gegeben worden ist, bitten dahin zu verstehen, daß Sie sich tatsächlich von sich aus auch um die Adresse bemühen müssen[y], denn ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, diese Erklärung verstehe ich überhaupt nicht. Welche Vergleiche ziehen Sie denn zu Frau Roll ... welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Verhalten von Frau Roll zu Frau Mordhorst?

[12341] Vors.:

Doch nicht aus dem Verhalten, sondern Frau Roll ...

RA Schi[ly]:

Ja doch, Sie haben doch das Beispiel erwähnt. Sie haben doch gesagt, aus unseren Erfahrungen mit Frau Roll, bei der Ladung von Frau Roll ...

Vors.:

Bei der Ladung von Frau Roll ... Lassen Sie mich doch die Antwort geben, bevor Sie jetzt weiter fortfahren. Ich weiß nicht, was Sie daran schon wiederfinden. Frau Roll konnte nicht festgestellt werden. Es bestand nur die Möglichkeit, sie an einem bestimmten Arbeitsplatz zu erreichen. Im übrigen wurde vom Konsulatsbeamten mitgeteilt, sie lebe wohl in einer Kommune, die aber der Anschrift nach nicht bekannt sei. Und diese Erfahrungen, daß nämlich jemand, der unten in Mailand von Ihnen nicht benannt werden kann, vielleicht auch unter ähnlichen Verhältnissen leben könnte, die führt mich dazu, Sie darauf hinzuweisen, Sie sollen sich ihrerseits auch um die Adresse bemühen. Im übrigen ...

RA Schi[ly]:

Aber Herr Vorsitzender, ich verstehe gar nicht, wie Sie überhaupt auf die Assoziation kommen, daß Frau Mordhorst unter ähnlichen Verhältnissen leben könnte, und es ist mir vollkommen unbegreiflich. Ich meine[z] es sollen ja auch bei anderen Zeugen ...

Vors.:

Herr RA, darf ich fragen, warum Sie die Adresse nicht ...

RA Schi[ly]:

... irgendwelche Ladungen mal nicht angebracht worden sein; oder[aa] es gibt Zeugen, wie wir heute zum Beispiel erlebt haben, der nur über einen Anwalt geladen werden kann. Ich weiß nicht, und da konnte die Anschrift offenbar auch über die Bundesanwaltschaft dann festgestellt werden. Es ist mir unbegreiflich, daß Sie jetzt eine solche Assoziation herstellen zu Frau Roll. Soll das schon wieder eine Vorausbewertung sein ...

Vors.:

Herr Rechtanwalt,[bb] allein aus der Tatsache ... Ich darf Sie jetzt bitten ...

RA Schi[ly]:

Nein, [cc] darf ich jetzt aussprechen. Diese Beanstandung ist schon deshalb ernst zu nehmen, Herr Vorsitzender, weil Sie ja hier durch Gerichtsbeschluß eine Beweiswürdigung antizipiert haben, bei Frau Roll; und ich muß doch für meine Mandantin ernste Besorgnisse geltend machen, daß Sie hier schon wieder so[dd] eine Parallelität [ee] ...

Vors.:

Herr RA ...

RA Schi[ly]:

... offenbar im Kopf haben. Und da möchte ich Sie doch sehr[ff] dringend bitten, das aufzuklären ...

[12342-12343][16] [12344] Vors.:

Ja, ich kläre es auf.

RA Schi[ly]:

... wie solche Assoziationen zustande kommen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, aus der Erfahrung der Ladung ...

RA Schi[ly]:

Herr Foth, Sie können gerne auch das Wort nehmen, wenn Sie da Ihren Kopf schütteln.

Richter Dr. Fo[th]:

Keineswegs.

Vors.:

Herr RA Schily, bitte, das Wort erteile ich im Gerichtssaal, nicht Sie. Ich darf jetzt aber darauf hinweisen. Die Assoziation ergibt sich schlicht und einfach aus der Tatsache, daß eine Ladung in Mailand durchzuführen ist, daß wir früher nach Frau Mordhorst gesucht haben, die Adresse nicht erfahren konnten, sondern uns mitgeteilt worden ist, selbst der Versuch sie zu verhaften, wenn ich es noch recht in Erinnerung habe, sei fehlgeschlagen. Diese Verbindung in Verbindung mit der Tatsache, daß bis heute die Wohnadresse von Frau Barz nicht zu ermitteln war, auch ...

RA. Schi.:

Von Frau Barz?

Vors.:

Von Frau Roll, in Verbindung damit, die hat dazu geführt, daß ich gebeten habe, wenn Sie etwa Hinweise hätten, daß hier eine Adresse auch ähnlich unter schwierigen Ermittlungsbedingungen nur festzustellen wäre, vorhanden ist, daß Sie dann sich Ihrerseits darum bemühen. Sie wissen ganz genau, daß ein RA nicht ständig Beweisanträge stellen kann unter Benennung anderer Stellen, die die Adressen mitteilen. Zum Beweisantrag gehört nicht nur die Beweisperson, sondern auch ihre ladungsfähige Anschrift.[17] Dieser Hinweis war also gerechtfertigt, und …[gg]

RA Schi[ly]:

Nein, das ist ein großer Irrtum, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Wenn ich ...[hh] Nach den Erfahrungen, die wir bereits beim Versuch, Frau Mordhorst ausfindig zu machen, gemacht haben ...

RA Schi[ly]:

... davon ausgehen kann[ii], daß der Bundesanwaltschaft die Adresse bekannt ist, dann kann ich selbstverständlich eine Zeugin benennen und auf die Kenntnisse der Bundesanwaltschaft hinweisen; das dürfte doch wohl selbstverständlich sein. Im übrigen wüßte ich nicht, daß ich ständig Beweisanträge stelle, in denen ich die ladungsfähige Anschrift nicht mit ... ich würde sehr gern mal wissen, woher Sie die Bewertung [12345] eines ständigen, von ständigen Beweisanträgen ohne ladungsfähige Anschriften.

Vors.:

Überprüfen Sie bitte Ihre Beweisanträge, wie oft ...

RA Schi[ly]:

Ja, die kenne ich sehr gut, meine Beweisanträge.

Vors.:

... es heißt: Zu laden über die Bundesanwaltschaft. Sie werden wahrscheinlich einige an der Zahl in dieser Richtung vorfinden. Nun, ich glaube, wenn wir sonst nichts mehr vorzutragen haben hier, könnten wir den Sitzungstag abschließen. Keine Anträge mehr.

Fortsetzung, Dienstag, 9.00 Uhr, mit der Vernehmung des Zeugen Kahl.

Ende der Hauptverhandlung um 11.55 Uhr.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Der Zeuge Gerhard Müller sagte nach der Aussage in Stuttgart-Stammheim auch im Parallelverfahren vor dem LG Kaiserslautern als Zeuge aus. Dort fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern waren für dieses Verfahren offenbar weitere Vernehmungen mit dem Zeugen Müller durchgeführt worden: entsprechende Protokolle wurden den Prozessbeteiligten am 157. Verhandlungstag übergeben (vgl. S. 122215 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[3] In der Akte 3 ARP 74/75 I befanden sich Vernehmungsprotokolle mit Angaben des Zeugen Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, wurde zuletzt der Bundesanwaltschaft anvertraut (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 158. Verhandlungstag gab die Bundesanwaltschaft schließlich nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[4] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt weitere Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Verfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde. Nachdem bereits ein Teil der Akte übergeben worden war, beantragte Rechtsanwalt Schily am 159. Verhandlungstag, die noch fehlenden Seiten beizuziehen (S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[5] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[6] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[7] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[8] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Rechtsanwalt Heinrich Hannover bezeichnete ihn auch als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[9] Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 – Az.: 2 StE 7/01 – 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 – Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[10] Bereits im Februar 1973 wurde Rechtsanwalt und RAF-Mitglied Horst Mahler vom Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. In einem weiteren Verfahren wurde er für seine Beteiligung an der Baader-Befreiung am 14. Mai 1970 im November 1974 vom LG Berlin unter Einbeziehung der früheren Haftstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 14 Jahren verurteilt. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff., 384; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[11] Die Soziologiestudentin Brigitte Asdonk gehörte zur ersten Generation der RAF. Im Sommer 1970 reiste sie mit anderen RAF-Mitgliedern zur paramilitärischen Ausbildung nach Jordanien. Zusammen mit Horst Mahler, Ingrid Schubert, Monika Berberich und Irene Goergens wurde sie allerdings bereits im Oktober 1970 in einer konspirativen Wohnung in der Berliner Knesebeckstraße verhaftet. Die Hauptverhandlung gegen sie und fünf weitere RAF-Mitglieder (Monika Berberich, Irene Goergens, Ingrid Schubert, Hans-Jürgen Bäcker und Eric Gusdat) begann am 24. November 1972 vor dem LG Berlin und galt zu diesem Zeitpunkt mit über 300 vorgesehenen Zeug/innen und fast 80 geplanten Verhandlungstagen als einer der „umfangreichsten und wahrscheinlich auch längsten Prozesse der deutschen Justizgeschichte“ (zitiert nach Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz: Prozesse gegen weibliche Mitglieder der RAF und der Bewegung 2. Juni, 2009, S. 83). Mit Urteil vom 28.6.1974 wurde Asdonk zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, a.a.O., S. 83 ff., 167 f.).

[12] Heinrich Jansen war ein frühes Mitglied der RAF. Nach der militärischen Ausbildung im Nahen Osten war er mit Meinhof und Ruhland u.a. verantwortlich für die Beschaffung von Waffen, Geld und Pässen. Darüber hinaus nahm er an den Berliner Banküberfällen vom 29. September 1970 teil. Im Dezember desselben Jahres wurde Jansen nach einem gescheiterten Autodiebstahl verhaftet. Da er sich seiner Festnahme durch Schüsse auf zwei Polizeibeamte entziehen wollte, wurde er 1973 vom LG Berlin wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 254 ff., 274 f.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 218).

[13] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[14] Der Straftatbestand des Mordes (§ 211 StGB) – d.h. die vorsätzliche Tötung einer anderen Person bei gleichzeitigem Vorliegen eines sog. Mordmerkmals (bestimmte besonders verwerfliche Beweggründe, Tatmodalitäten etc.) – sieht zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe vor, während für die vorsätzliche Tötung ohne das Hinzutreten solcher Merkmale (Totschlag, § 212 Abs. 1 StGB) ein Strafrahmen von 5 bis 15 Jahren Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB) vorgesehen ist.

[15] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war die Vereidigung von Zeug/innen nach § 59 f. StPO a.F. grundsätzlich vorgeschrieben. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, darunter bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Außerdem hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.

[16] Anlage 1 zum Protokoll vom 10.11.1976: Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Susanne Mordhorst-Stasi als Zeugin.

[17] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 – Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 – Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt. Ist der/die Antragsteller/in nicht in der Lage, eine ladungsfähige Anschrift anzugeben, so kann ausnahmsweise auch die Angabe weiterer Anhaltspunkte genügen, wenn diese eine hinreichende Individualisierung ermöglichen; die Rechtsprechung scheint hier in den letzten Jahren zunehmend strenge Maßstäbe anzulegen (s. hierzu Trüg/Habetha, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl 2016, § 244 Rn. 15 ff.).


[a] Handschriftlich durchgestrichen: undfür

[b] Maschinell eingefügt: ja, wie

[c] Maschinell eingefügt: nicht

[d] Handschriftlich ersetzt: das durch dann

[e] Handschriftlich durchgestrichen: dem

[f] Maschinell ersetzt: ... durch Ist hinten

[g] Maschinell eingefügt: daß ich

[h] Maschinell eingefügt: Also entweder

[i] Maschinell eingefügt: ja

[j] Maschinell eingefügt: oder

[k] Maschinell ersetzt: zu einen durch sozusagen

[l] Maschinell ersetzt: ... durch die unter anderen

[m] Maschinell ersetzt: ... durch Sie waren auch bei ...

[n] Handschriftlich durchgestrichen: lassen

[o] Handschriftlich ergänzt: wollten

[p] Maschinell ersetzt: erklärender Weise durch fairerweise

[q] Maschinell eingefügt: also

[r] Maschinell eingefügt: und

[s] Maschinell ersetzt: dem durch einem

[t] Handschriftlich durchgestrichen: Herrn

[u] Maschinell eingefügt: auf

[v] Maschinell ergänzt: einer

[w] Maschinell eingefügt: den

[x] Maschinell ersetzt: ... durch Ich kann dazu

[y] Maschinell eingefügt: müssen

[z] Maschinell ersetzt: ... durch Ich meine

[aa] Maschinell eingefügt: oder

[bb] Maschinell eingefügt: Herr Rechtsanwalt,

[cc] Handschriftlich durchgestrichen: da

[dd] Maschinell eingefügt: so

[ee] Handschriftlich durchgestrichen: machen

[ff] Maschinell ersetzt: hier durch sehr

[gg] Maschinell eingefügt: gerechtfertigt, und ...

[hh] Maschinell eingefügt: Wenn ich ...

[ii] Maschinell eingefügt: kann