161. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 16. November 1976 um 9.02 Uhr.



[12346] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 16. November 1976 um 9.02 Uhr.

(161. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamten sind anwesend:

Just. Ass. Clemens, Just. Ass. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen Rechtsanwälte Pfaff (als Vertreter für RA Dr. Heldmann), Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Der Zeuge ist noch nicht erschienen. Wir haben heute früh nur einen einzigen Zeugen. Das Beweisprogramm ließ sich nicht weiter vervollständigen. Wir wollen mal sehen, der Zeuge, der aus Berlin anreisen muß, kommt möglicherweise mit dem Flugzeug, und könnte sich dadurch etwas verspäten. Auch Herr Rechtsanwalt Geulen, der wahrscheinlich dann dieselbe Maschine benutzt, hat eine Verspätung von 15 - 20 Minuten angekündigt. Durch ein gestern schon mit dem[a] Büro Schily geführtes Gespräch, und das ist erneut jetzt bestätigt worden, ist voraus angemeldet worden, daß noch Beweisanträge heute gestellt werden würden von Herrn Rechtsanwalt Schily bzw. Herrn Rechtsanwalt Geulen.

Wir wollen dann jetzt zunächst die Zeit dazu benützen, um einige Dinge bekannt zu geben: Das Deutsche Generalkonsulat in Mailand, das wir angegangen haben wegen der Adresse von Frau Mordhorst, hat mitgeteilt, daß sie unter einer bestimmten Anschrift dort bekannt ist, daß man ihr zu dieser Anschrift geschrieben habe mit der Anfrage, ob sie bereit sei, nach Stuttgart zu reisen, wobei ihr die verschiedenen, sich aus dem Gesetz ergebenden Bedingungen mitgeteilt worden seien. Sie hat sich bis jetzt noch nicht geäußert. Da müssen wir wohl noch [12347] einen Zeitraum zuwarten, ob eine Antwort eingeht.

Dann haben wir auf den Antrag des Herrn Rechtsanwalts Weidenhammer, Herrn Bundesminister der Justiz Dr. Vogel zu vernehmen, folgendes Schreiben an den Minister gerichtet:

Der Vorsitzende verliest das Schreiben an den Bundesminister der Justiz Dr. Vogel vom 11. November 1976. Eine Ablichtung dieses Schreibens, sowie eine Ablichtung der 1. Seite des Beweisantrags von RA Weidenhammer vom 9.11.1976 werden als Anlage 1 dem Protokoll beigefügt.

Vors.:

Zu dieser Beweisbehauptung soll sich zunächst mal der Herr Bundesminister schriftlich erklären.[2]

Sodann sind von der Bundesanwaltschaft entsprechend der Bitte des Senats die Lücken aus dem Vorgang 1 BJs 7/76,[3] die in der letzten Sitzung noch nicht gefüllt waren, ausgefüllt worden, d.h., wir können jetzt die restlichen Blätter dieses Vorganges an die Herrn Verteidiger übergeben. Soweit ich unterrichtet bin, ist die Bundesanwaltschaft inzwischen auch in der Lage, zu dem Rest der Akten 3 ARP[4] etwas mitzuteilen. Bittesehr.

BA Dr. W[under]:

Ich überreiche; dann nunmehr noch dem Senat, diejenigen Blätter aus der Akte 3 ARP 74/75, die nicht von dem zweiten Erlaß des Bundesministers der Justiz vom 9. November 1976 nach § 96[ StPO][5] erfaßt sind, so daß damit, dann dem Gericht, und nach Ablichtung und Verteilung den Herrn Verteidigern, aus dieser Akte alle diejenigen Seiten übergeben sind, auf denen sich Vernehmungen des Zeugen Müller[6], Gedächtnisprotokolle oder Vermerke über Gespräche mit Müller befinden.

BA Dr. Wunder übergibt dem Gericht nunmehr Ablichtungen folgender Schriftstücke aus der Akte 3 ARP 74/75 I:

1) Bl. 4-6 (3 Blätter vom 26.2.75)

2) Bl. 12/13 (2 Blätter vom 13.3.75)

3) Bl. 16 (1 Schreiben vom 3.4.75)

Die übergebenen Schriftstücke werden im Sonderordner 128 abgelegt.

[12348-12350][7] [12351] Vors.:

Also, wie gesagt, der Rest aus dieser „Unbekanntakte“ 1 BJs 7/76 und die restlichen Blätter aus 3 ARP, soweit sie freigegeben worden sind.

Den anwesenden Verteidigern werden nunmehr Ablichtungen folgender Schriftstücke vorgelegt:

1. Niederschriften über die Vernehmung des Zeugen Müller 1 BJs 7/76 Bl. 208-217, 228-245, Anlage 14 und Bl. 250-251. (Die Niederschriften werden in SO 127 abgelegt).

2. Die soeben von Bundesanwalt Dr. Wunder übergebenen Schriftstücke aus der Akte 3 ARP 74/75 I.

Vors.:

Ich stelle allerdings jetzt schon fest, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, wir hatten ja seinerzeit bei einem kurzen Überfliegen wohl eine Zahl von etwa 16-18 Blättern festgestellt, die noch nachzuliefern wären aufgrund des Freigabevermerks. Hier handelt es sich sicher nicht um so viele.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, ich kann dazu gleich folgendes erklären: Es ist natürlich richtig, daß noch 10 Blatt und natürlich auch, wenn ich das sagen darf, der Aktendeckel nicht mit abgelichtet worden sind und nicht mit übergeben werden. Dabei aber handelt es sich nicht um solche Seiten, auf denen sich, wie vorhin gesagt, solche Vernehmungen, Protokolle oder Vermerke befinden. Mit dem Aktenstück 3 ARP soll ja doch die Glaubwürdigkeit des Zeugen Müller überprüft werden. Wenn sich dann aber auf einigen Seiten, die nichts anderes als Anschreiben oder Versendungsschreiben darstellen, nichts derartiges ergibt, so wäre es unserer Auffassung doch unsinnig, nochmal insgesamt mal 20 oder mal 25, d.h. also wiederum 200 oder 250 Blatt zu fotokopieren. Letztlich ist es unserer Auffassung nach hier alles tatsächlich eine Kostenfrage. Sollte von irgendeiner Seite aber dennoch Wert darauf gelegt werden, daß auch diese Seiten vorgelegt werden, so müßten wir insoweit einem Beweisantrag entgegensehen.

Vors.:

Ja, hierzu haben[b] natürlich die Herrn Verteidiger Gelegenheit, sich zu erklären. Also wenn ich es richtig verstehe, handelt es sich hier um Seiten, die reine Formalien, Übersendungen und dergleichen enthalten ...

[12352] BA Dr. W[under]:

Jawohl.

Vors.:

... und nichts materiell beitragen könnten zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen.

BA Dr. W[under]:

Ich darf es versichern, nicht im Entferntesten etwas Derartiges enthalten.

Vors.:

Dann muß ich die Herrn Verteidiger bitten, sich anhand dieser Erklärung zu überlegen, ob Sie Ihrerseits Wert darauf legen, diese Aktenteile auch zumindest einzusehen, oder ob Ihnen diese Erklärung genügt. Wir sehen dann entsprechenden Anträgen gegebenenfalls entgegen. Es ist noch darauf hinzuweisen, daß Herr Baader ein Schreiben an uns gerichtet hat: „Allen Anwälten außer Heldmann (Pflichtverteidiger)[8], Oberwinder und Chotjewitz habe ich das Mandat in diesem Verfahren entzogen.“ Soweit ich aber sehe, bedeutet das nur, Herr Rechtsanwalt Pfaff, Sie sind ja da in erster Linie davon berührt, daß das, was Herr Rechtsanwalt Kopp bereits getan hat, nämlich sein Mandat niedergelegt, nun auch von Seiten des Herrn Baader bestätigt wird. Denn die beiden anderen Wahlverteidiger[9] Oberwinder und Chotjewitz bleiben ja bestehen, so daß es sich also nur auf Herrn Kopp bezieht. Ich verstehe also den Sinn dieses Schreibens nicht so ganz. Es stammt vom 11.11.76. Wir werden es zu den Verteidigerunterlagen zu nehmen haben. Aber sachlich ergibt sich daraus nichts.

Ist der Herr Zeuge inzwischen eingetroffen?

Nicht erschienen.

Nun zunächst die Frage, können jetzt schon irgendwelche Anträge gestellt werden? Herr Rechtsanwalt Pfaff.

RA Pfaff:

Nein, ich hatte jetzt zunächst eine Frage an Herrn Bundesanwalt Wunder im Zusammenhang mit diesen Akten.

Vors.:

Bitte.

RA Pfaff:

Mir ist nicht ganz klargeworden der Unterschied zwischen den Teilen der Akte 3 ARP, die nun nach wie vor mit dem Nichtfreigabevermerk versehen sind, und den Teilen, die Sie als belanglos bezeichnet haben, Herr Bundesanwalt. Können Sie das vielleicht noch einmal klarstellen bzw. können Sie sagen, welche Teile der Akten sind nach wie vor nicht freigegeben? Kann ich mich da beziehen auf das Fern- [12353] schreiben vom 9.11. Ist das der Inhalt?

BA Dr. W[under]:

Haben Sie es vorliegen?

RA Pfaff:

Ja. Also handelt es sich um 12 Seiten ...

BA Dr. W[under]:

Wir gehen davon aus, daß also die Seiten 1, 2, 3, 4 Abs. 3, 12/1, 14, 15, 18, 19, 21, 25 und 45 nicht freigegeben werden können. Denn die sind von dem Vermerk nach § 96[ StPO] des Ministeriums vom 9.11. ja gesperrt.

RA Pfaff:

Nun, ob sie freigegeben werden können, das ist noch eine andere Frage. Auf jeden Fall: Sind nicht freigegeben.

BA Dr. W[under]:

Herr Rechtsanwalt, von uns aus. Wenn Sie andere Wege noch beschreiten, das wäre dann natürlich abzuwarten. Das ist klar.

RA Pfaff:

Ich zweifle nicht, daß die Erklärung, die Herr Bundesanwalt Dr. Wunder in Bezug auf die übrigen, bisher uns nicht vorliegenden Teile der Akte abgegeben hat, korrekt ist, und ich bin also einverstanden, wenn diese Aktenteile auf der Geschäftsstelle zur Einsicht offen liegen.

Vors.:

Ich habe richtig verstanden, auf der Geschäftsstelle zur Einsicht offenliegen und nicht fotokopiert werden. Wir haben sie also gegenwärtig nicht. Auch uns sind sie nicht mitgeteilt worden. Das wäre also die Anregung, daß man die zur Einsicht auf der Geschäftsstelle deponiert.

BA Dr. W[under]:

Nur, Herr Rechtsanwalt, wir haben diese Stücke nicht hier, die sind in Karlsruhe. Wir werden da einen Weg überlegen.

RA Pfaff:

Das dürfte ja keine Schwierigkeit bieten.

Vors.:

Sonstige Erklärungen, Anträge ...

RA Pfaff:

Ich habe noch eine Frage. Sie sprachen Bedingungen an, unter denen das Deutsche Generalkonsulat eine Anreise hier ins Auge gefaßt hat von Frau Mordhorst. Welche Bedingungen sind das? Oder können Sie das Schreiben verlesen?

Vors.:

Wir haben kein Schreiben. Es ist ein Aktenvermerk über einen Telefonanruf. Ich kann den vortragen, den hat unsere Geschäftsstellenbeamtin aufgenommen.

Der Vorsitzende verliest den Aktenvermerk vom 15.11.1976, der als Anlage 2 dem Protokoll beigefügt wird - in Ablichtung:

[12354] Vors.:

Die Bedingungen sind diejenigen, die das Gesetz, d.h. also das Auslieferungsabkommen, deutsch-italienische Auslieferungsabkommen, beinhaltet; dazu gehört der Hinweis etwa auf die Möglichkeit des freien Geleites[10] und dergleichen. Das war damit gemeint.

Sonst im Augenblick keine Erklärung. Dann mache ich folgenden Vorschlag. Wir müssen jetzt versuchen zu klären, ob der Zeuge Kahl diesmal abgeflogen ist. Wir sind heute beim dritten Anlauf, um den Herrn Zeugen hier vernehmen zu können. Er ist zweimal bis jetzt nicht erschienen. - Er ist anwesend?

Dann kann Herr Kahl gleich gebeten werden.

Rechtsanwalt Künzel verläßt um 9.14 Uhr den Sitzungssaal.

Der Zeuge Kahl erscheint um 9.15 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Kahl wird gem. § 57 StPO[11] belehrt.

Während der Belehrung des Zeugen Kahl:

Rechtsanwalt Geulen (als Vertreter von Rechtsanwalt Schily) erscheint um 9.15 Uhr im Sitzungssaal.

Der Zeuge Kahl ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[12]

Vors.:

Dann darf ich zunächst um Ihre Personalien bitten.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:

Werner Kahl, 43 Jahre alt,

Journalist, wohnh. z.Zt. Hamburg,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Kahl, die Verteidigung hat beantragt Sie zu hören, und zwar zum Beweis folgender Beweisbehauptung: Daß sich Ingeborg Barz[13] zwischen Weihnachten und Neujahr 1973/74 in einem Hotel in Belfast in Nordirland aufgehalten habe. Offenbar, das ist die Vorfrage, geht die Verteidigung davon aus, und meine Frage ist, [12355][14] [12356] ob sie das mit Recht tut, daß Sie sich als Journalist um diese Frage gekümmert haben?

Zeuge Kahl:

Ja.

Vors.:

Ist das richtig?

Zeuge Kahl:

Das ist richtig.

Vors.:

Können Sie zu dieser Behauptung, die hier aufgestellt worden ist, also Aufenthalt in einem Hotel in Belfast in Nordirland, Weihnachten und Neujahr 73/74, etwas angeben?

Zeuge Kahl:

Uns ist bei den Recherchen über das Schicksal von Frau Barz in dieser Zeit vor der Veröffentlichung eine Nachricht zugegangen, daß sie sich in diesem Zeitraum angeblich in Belfast aufgehalten haben soll; und wir haben diese Nachricht für wert befunden, sie zu drucken.

Vors.:

Haben Sie selbst die Richtigkeit dieser Nachricht überprüfen können?

Zeuge Kahl:

Wir haben das über Korrespondenten in Irland versucht, und was im Zusammenhang mit noch damit[c] zusammenhängenden Bemühungen, diese Nachricht zu erhärten, dann festgestellt worden ist, ist in dem Bericht geschrieben worden.

Rechtsanwalt Künzel erscheint um 9.19 Uhr im Sitzungssaal wieder.

Vors.:

Offenbar ist die Verteidigung im Besitz dieses Berichtes. Mir ist er jetzt nicht geläufig. Vielleicht könnten Sie uns die Umstände noch aus dem Gedächtnis benennen, die Sie selbst bei Recherchen erfahren haben und die geeignet wären, diese Behauptung zu erhärten?

Zeuge Kahl:

Also ich kann das im einzelnen nicht sagen, weil ich nicht allein an den Recherchen beteiligt gewesen bin, das zusammengefaßt habe und mich ... diese Einzelheiten nicht wiedergeben kann.

Vors.:

Vielleicht kann ich, obwohl jetzt mehr nach Ihren Eindrücken gefragt ist, die Frage so formulieren:[d] Haben nach Ihrem Gesamtergebnis der Recherchen diese Meldungen eine gewisse Wahrscheinlichkeit, eine hohe Wahrscheinlichkeit oder gar eine Sicherheit für sich?

Zeuge Kahl:

Für uns hatten sie eine gewisse, eine gewisse Wahrscheinlichkeit, wobei wir bei der Überlegung, diese Nachricht zu veröffentlichen, davon ausgegangen sind, daß es nach einem [12357] Zeitraum seit dem Verschwinden von, glaube ich, eineinhalb oder zwei Jahren die erste Nachricht war, daß sie möglicherweise sich dort aufhält.

Vors.:

Haben Sie in der Folgezeit noch irgendwelche Versuche unternommen, zu klären, ob an diesen Nachrichten tatsächlich etwas ist?

Zeuge Kahl:

Wir haben immer wieder, wo sich die Möglichkeit bot, im In- und Ausland versucht, auch festzustellen, wie ihr Schicksal geworden ist, verlaufen ist, aber nichts mehr darüber erfahren.

Vors.:

Kann man sagen, daß Ihre Recherchen bisher auch zu keinem sicheren Ergebnis geführt haben?

Zeuge Kahl:

Sie haben zu keinem sicheren Ergebnis geführt. Es ist auch damals, wenn ich mich recht erinnere, nicht von uns behauptet worden, daß sie sich tatsächlich am Leben befindet und in Irland aufhält, sondern lediglich wiedergegeben worden.

Vors.:

Haben Sie irgendjemand im Zuge dieser Ermittlungen kennengelernt, der angegeben hat, persönlichen Kontakt zu Frau Barz noch gehabt zu haben?

Zeuge Kahl:

Nein.

Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Keine Fragen mehr. Die Herren Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Pfaff, bitteschön.

RA Pfaff:

Herr Zeuge, welcher Art ist die Nachricht, auf die Sie damals Ihre Meldung gestützt haben?

Zeuge Kahl:

Das ist eine Nachricht, die in der Redaktion auf Anfragen im In- und Ausland bei Korrespondenten eingegangen ist, daß sich angeblich in Irland eine Spur von Frau Barz gefunden habe.

RA Pfaff:

Worauf stützte sich die Nachricht?

Zeuge Kahl:

Das sagte ich eben. Die ist aufgrund von Recherchen der Redaktion eingegangen.

RA Pfaff:

In dem Bericht der „Welt“ vom 29.4.1975 heißt es, daß diese Annahme, Frau Barz habe sich zwischen Weihnachten und Neujahr 73/74 in einem Hotel in Belfast aufgehalten, auf einen vertraulichen Bericht der Polizei aus Nordirland stützt. Ist Ihnen davon etwas bekannt?

Zeuge Kahl:

Das gehört mit zu den Recherchen, die wir auch bei Korrespondenten in Nordirland angestellt haben und die wir [12358] gebeten haben, bei den zuständigen Behörden nachzufragen.

RA Pfaff:

Also ist die letzte Quelle, die sich momentan feststellen läßt, ein vertraulicher Polizeibericht. Kann man so sagen?

Zeuge Kahl:

Ich hab Sie eben nicht verstanden.

RA Pfaff:

Ist die letzte Quelle, die sich feststellen läßt, momentan ein vertraulicher Polizeibericht?

Zeuge Kahl:

Ob das die letzte Quelle ist, kann ich nicht sagen.

RA Pfaff:

Nein, ich sagte ja, die sich momentan für uns jetzt hier feststellen läßt?

Zeuge Kahl:

Dieser Bericht ist sehr konzentriert nachher im Druck erschienen, so daß die anderen Recherchen darin nicht zum Ausdruck kommen.

RA Pfaff:

Das hab ich nicht verstanden.

Zeuge Kahl:

Einfacher gesagt, u.a. stützt sich die Wiedergabe des Berichtes auf eine uns übermittelte Angabe aus Kreisen der Polizeibehörden in Nordirland, die wir aber nicht selbst überprüfen konnten.

RA Pfaff:

Handelte es sich um nordirische Polizeibehörden oder handelte es sich um andere Polizeibehörden in Nordirland?

Zeuge Kahl:

Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, ob es sich um nordirische, irische oder britische Polizei oder andere Polizeibehörden handelt. Das ist mir nicht bekannt.

RA Pfaff:

Ich muß nochmal nachfragen. Wenn Sie es schon beantwortet haben sollten, dann sagen Sie das. Handelte es sich um einen vertraulichen Polizeibericht oder lag der Polizei ein vertraulicher Bericht vor, der kein Behördenbericht ist?

Zeuge Kahl:

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das weiß ich nicht.

RA Pfaff:

Dann möchte ich Sie noch einmal zitieren. Sie sind ja Verfasser des Artikels vom 29.4.1975, da heißt es: „Stützt die Polizei auf einen vertraulichen Bericht aus Nordirland.“ Können Sie jetzt, das ist meine Frage, angeben, woher dieser vertrauliche Bericht kommt, wer ihn verfaßt hat?

Zeuge Kahl:

Nein, das kann ich nicht. Weil ich den Urheber des Berichtes nicht kenne.

RA Pfaff:

Können Sie die Polizeibehörde angeben, die diese Nachricht dann bestätigt oder verbreitet hat? Welche Polizeibehörde war das?

[12359] Zeuge Kahl:

Nein, das kann ich auch nicht angeben, sonst hätte ich es in dem Bericht sicherlich getan.

RA Pfaff:

Wie kommen Sie dann dazu, das zu schreiben?

Zeuge Kahl:

Ich sagte doch, daß hier eine Reihe von Recherchen angestellt worden sind und dieser Bericht eine komprimierte Wiedergabe der ganzen Bemühungen, die ja über etwa 2 Jahre gelaufen sind, darstellt.

RA Pfaff:

Können Sie angeben, wer die Recherchen betrieben hat?

Zeuge Kahl:

Das kann ich im Moment nicht sagen. Das ist eine Reihe von praktisch aller in Europa beteiligter, arbeitender Korrespondenten.

RA Pfaff:

Ich hab zunächst keine Fragen mehr.

Vors.:

Keine Fragen mehr. Herr Rechtsanwalt Geulen, bitte?

RA Geu[len]:

Herr[e] Zeuge, die Recherchen, die in Irland selbst gemacht worden sind, sind die von irischen Mitarbeitern oder von Mitgliedern Ihrer deutschen Redaktion oder deutschen Mitarbeitern gemacht worden. Ich meine die Recherchen in Irland selbst, am Ort. Ich hatte das doch richtig verstanden, daß da selbst auch recherchiert worden ist oder ...

Zeuge Kahl:

Da sind auch Anfragen an Mitarbeiter, die für die Zeitung arbeiten, hinausgegangen.

RA Geu[len]:

Mitarbeiter in Irland?

Zeuge Kahl:

Ja.

RA Geu[len]:

Können Sie mal einige Namen nennen oder ...?

Zeuge Kahl:

Nein.

RA Geu[len]:

Wissen Sie nicht welche Mitarbeiter?

Zeuge Kahl:

Nein, das kann ich nicht.

RA Geu[len]:

Sie wissen es nicht oder?

Zeuge Kahl:

Ich will es nicht.

Vors.:

Das heißt also, Sie berufen sich insoweit auf Ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Journalist, § 53 Ziffer 5[ StPO[15]] ist das wohl.

RA Geu[len]:

Noch eine weitere Frage. War Inhalt der Recherchen, die Sie auf den Tisch bekamen, die Sie also nicht selber gemacht haben, dieses, daß einzelne Personen oder eine Person Frau Barz selbst gesehen hat oder war das eine mehr mittelbare Information?

Zeuge Kahl:

Nein, das war offensichtlich eine mittelbare Information.

RA Geu[len]:

Und welchen konkreten Inhalt hatte sie. Daß sie gesehen [12360] worden ist oder etwa daß ihr Name in einem Hotelbuch gestanden hat oder ...

Zeuge Kahl:

Nein, wenn ich mich recht erinnere, daß man von Spuren ausgegangen ist, die Sie angeblich hinterlassen hat.

RA Geu[len]:

Können Sie konkret noch sagen, welche Spuren das waren?

Zeuge Kahl:

Nein.

RA Geu[len]:

Wissen Sie es nicht oder wollen Sie das Zeugnis verweigern?

Zeuge Kahl:

Ich möchte dazu auch keine Aussagen jetzt[f] im einzelnen machen.

RA Geu[len]:

Weil Sie das Zeugnis verweigern möchten?

Zeuge Kahl:

Ja.

RA Geu[len]:

Ja, ich hab dann keine Fragen mehr.

Vors.:

Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen? Ich sehe nicht.

Der Zeuge Kahl wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.29 Uhr entlassen.

Vors.:

Es ist soeben ein Fernschreiben eingegangen, das uns Adressen mitteilt von möglicherweise erst noch jetzt zu benennenden Zeugen. Das ist gestern auch eine Frucht des Gespräches mit dem Büro Schily gewesen. Ich nehme an, Sie können jetzt Beweisantrage stellen, Herr Rechtsanwalt Geulen.

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, wenn ich die obligatorischen 10 Minuten um Unterbrechung bitten könnte, damit ich mich mit Herrn Kollegen Pfaff noch kurz besprechen könnte.

Vors.:

Ja, treffen wir uns um dreiviertelzehn Uhr wieder.

Pause von 9.29 Uhr bis 9.47 Uhr

Ende von Band 733

[12361] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.47 Uhr

Vors.:

Ich glaube, Herr Rechtsanwalt Geulen, Sie haben das Wort.

RA Geu[len]:

Ich habe die Beweisanträge schriftlich vorliegen, so daß nicht mitgeschnitten werden muß.

Rechtsanwalt Geulen verliest nunmehr den aus Anlage 3 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und in Ablichtung dem Protokoll beigefügt ist.

Rechtsanwalt Geulen verliest nunmehr den aus Anlage 4 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag bis zu der mit ] bezeichneten Stelle auf Seite 2 des Antrags, der anschließend übergeben und in Ablichtung dem Protokoll beigefügt ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Geulen, verzeihen Sie bitte. Wir haben ja, ich habe es Ihnen angekündigt, ein Fernschreiben bekommen, weil ich mich gestern an die Bundesanwaltschaft gewandt habe, mit der Bitte zu klären, ob die Zeugen greifbar sind. Ich kann Ihnen die Adressen dieser genannten Herren benennen, dann könnten Sie den Antrag gleich komplettieren; wir hatten alle fünf. Wir machen gerne dazu eine Pause.

RA Geu[len]:

Ich müßte jetzt natürlich nachprüfen, ich habe die Akte nicht bei mir, ...

Vors.:

Also ich darf nochmals wiederholen, Sie ...

RA Geu[len]:

... ob das identische Beweisthemen sind.

Vors.:

... Sie haben jetzt den Antrag gestellt bezüglich Herrn Smura und Goldbach und ...

RA Geu[len]:

Ja, wobei die Beweisthemen etwas unterschiedlich sind.

Vors.:

Das ist klar, das ergibt sich ja aus der Anzeige. Dann kommt, Herrn Büsgen haben wir hier, der ist ebenfalls in der JVA Werl, dann haben wir Herrn Welter, JVA Bonn, und schließlich Herrn Leyrer; das war wohl der fünfte, den Sie genannt haben.

RA Geu[len]:

Ja, Herr Behr dann noch und Herr Büsgen ...

Vors.:

Büsgen, ja, das sagte ich, Büsgen.

RA Geu[len]:

Den hatten Sie. Und Herr Behr noch, Wilfried Behr.

Vors.:

Behr habe ich nicht. Nun, das könnten wir natürlich noch klären, ob wir die Adresse rauskriegen, da sollte uns das Beweisthema benannt werden.

Wir wollen also sehen, daß wir das möglichst komplett haben, um [12362] die Zeugen auf einen Tag dann laden zu können. Also ich würde Sie bitten, noch die Beweisanträge jetzt zu formulieren bezüglich Herrn Büsgen, Herrn Leyrer und Herrn Welter, auch bezüglich Herrn Behr. Dann wollen wir mal sehen, ob wir was mit der Anschrift machen können. Da werden wir Ihnen dann behilflich sein, obwohl es natürlich an sich Ihre Sache wäre. Das nächste: mir hat Herr Rechtsanwalt Schily noch mitgeteilt, daß der Antrag gestellt werden würde, Frau Michaelsen, jetzt wohl Frau Fisch, als Zeugin zu hören. Hier ist das Beweisthema noch nicht benannt.

RA Geu[len]:

Ja.

Vors.:

Das müßte auch noch geschehen. Haben Sie den Antrag etwa schon ...?

RA Geu[len]:

Nein, ich kann dazu nur sagen, also auch zu diesen Zeugen und zu Frau Fisch, daß das Beweisthema, daß wir uns bemühen, das Beweisthema zu formulieren. Es war ja auch hier das Problem mit den Adressen, und daß wir auf jeden Fall im Laufe der Woche, das wäre auch bei diesen Zeugen so, so daß Sie es schon für die nächste Woche dann terminieren könnten ...

Vors.:

Also, Herr Rechtsanwalt Geulen, ich bitte jetzt wirklich ...

RA Geu[len]:

... das vorlegen können.

Vors.:

... verzeihen Sie. Ich bitte wirklich um Verständnis. Ich habe mich sowieso gewundert, ich habe gestern angerufen und erfahre das mit Frau Michaelsen. Frau Michaelsen konnte mühelos - wie ich gehört habe, war sie sogar bei der Vernehmung des Zeugen Ruhland im Saal anwesend - konnte mühelos im Anschluß daran benannt werden, man wußte ja, wie sich Herr Ruhland verhalten hat, zumindest am nächsten Tag. Wir hätten dann Frau Michaelsen heute gehabt. Wir wissen, daß zu sämtlichen Zeugen das Beweisthema aus der Anzeige feststeht. Sie haben jetzt bezüglich Herrn Goldbach und Herrn Smura nichts anderes getan, als das, was in der Anzeige steht, als Beweisbehauptung aufzustellen. Warum soll sich das bei Herrn Büsgen, die genauso, und Herrn Welter und Herrn Leyrer, die genauso in dieser Anzeige stehen - auch Herr Behr - warum soll es sich da nicht ebenso verwirklichen lassen, wenn wir Ihnen jetzt, wegen mir, eine Stunde dazu Zeit geben, so daß wir dann die Gelegenheit haben, nicht am nächsten Dienstag oder Mittwoch, wenn wir die Zeugen haben, von Ihnen neue Anträge hören zu müssen und wieder eine Woche verloren zu haben?

[12363][16] [12364-12365][17] [12366] RA Geu[len]:

Nein, das ist ganz selbstverständlich, das Beweisthema ist ja hier mittelbar angegeben, das ist das Beweisthema aus der Strafanzeige, so daß das also überhaupt keine Schwierigkeit ist.

Vors.:

Eben.

RA Geu[len]:

Ich habe nur zum Beispiel einfach die Strafanzeige jetzt nicht vor mir liegen ...

Vors.:

Ich leihe sie Ihnen, ich ...

RA Geu[len]:

Ja, also, wenn wir vielleicht eine Stunde unterbrechen können, kann ich zusagen, daß ich versuchen werde, das zu formulieren. Ich muß auch ...

Vors.:

Auch bezüglich Frau Michaelsen.

RA Geu[len]:

Ja, das kann ich Ihnen jetzt nicht zusagen. Ich muß auch mit dem Büro rücksprechen, weil ich die Akten, wie gesagt, natürlich nicht bei mir habe.

Vors.:

Mir wurde von Herrn Rechtsanwalt Schily gesagt, Frau Michaelsen zum selben Beweisthema wie Herr Ruhland. Das würde doch vielleicht für Sie ein Anhaltspunkt sein. Ich gebe Ihnen auch, wenn Sie es nicht da haben, den Beweisantrag Ruhland. Sie brauchen ja bloß die Beweisbehauptung zu übertragen; wenn dann der Senat, wenn dem stattgegeben wird (der Ladung der Zeugen) und der Zeuge ist da, können Sie ja alles andere, was Sie möglicherweise noch auf dem Herzen haben gegenüber dem Zeugen, auch noch befragen. Aber bitte, jetzt doch nicht vier weitere Zeugen schon für die nächste Woche ankündigen, die wir dann erst in der übernächsten Woche hören könnten, sondern wir wollen doch wirklich mal auch, hoffe ich, unter Mitarbeit der Verteidigung möglichst rasch zu kommen.

RA Geu[len]:

Ich glaube, Herr Vorsitzender, daß diese Anträge hier überhaupt nicht schneller gestellt werden konnten, als jetzt ...

Vors.:

Doch! Frau Michaelsen ...

RA Geu[len]:

Der Zeuge Ruhland ist erst letzte Woche vernommen worden und jetzt ist der nächste Verhandlungstag.

Vors.:

Wo ist Frau Michaelsen heute, der Antrag?

RA Geu[len]:

Aber, aber, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Das hat Herr Rechtsanwalt Schily mir gestern gesagt, und Sie kommen heute ohne Antrag Michaelsen.

RA Geu[len]:

Ich würde dann vorschlagen, daß wir nach Ihrem Vorschlag verfahren und für eine Stunde oder vielleicht bis 10.30 Uhr unterbrechen.

[12367] Vors.:

Gut. Wenn ich Sie bitten darf, dann gebe ich Ihnen die notwendigen Unterlagen, Strafanzeige, notfalls Antrag Ruhland, wenn Sie es nicht dabeihaben.

RA Geu[len]:

Ja, gut, danke.

Vors.:

11.00 Uhr Fortsetzung.

Pause von 9.54 Uhr bis 11.18 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist Rechtsanwalt Künzel nicht mehr anwesend.

Vors.:

Wir sind wieder komplett.

Herr Rechtsanwalt Künzel hat sich entschuldigt für die Fortsetzung der Sitzung.

Herr Rechtsanwalt Geulen, bitte.

RA Geu[len]:

Ich stelle folgende Beweisanträge:

Herrn Wilfried Behr als Zeugen zu vernehmen

- die Anschrift liegt gegenwärtig noch nicht vor, wie bekannt ist. -

Der Zeuge wird bekunden, daß der Zeuge Ruhland[18] ihm gegenüber erklärt hat:

a) es gehe ihm darum, seinen Kopf zu retten, da er sonst 10 - 15 Jahre bekommt, wenn er nicht aussagt, daß er andernfalls nur 3 Jahre bekommen werde;

b) daß ein Schuß, den er auf einen Polizeibeamten abgegeben und diesen getroffen hat, aufgrund seiner Aussagefreundlichkeit nicht angeklagt wird;

c) daß er - der Zeuge Ruhland - unwahre Angaben gemacht hat;

d) daß man ihm versichert habe, wenn er aussagt, komme er nach 3 Jahren raus.

- - -

Vors.:

Verzeihen Sie bitte, Herr Rechtsanwalt. Ich verfolge das anhand des Textes der Anzeige mit. Hier lese ich einen Satz: „Ruhland erzählte mir nicht, daß er unwahre Angaben gemacht hat.“ Ich weiß nicht, ob Sie den Text hier vielleicht falsch zur Kenntnis genommen haben. Es steht also hier in der eigenen Anzeige.

RA Geu[len]:

Was heißt in der eigenen Anzeige?

[12368] Vors.:

Nun ...

RA Geu[len]:

Ich habe die Anzeige nicht gestellt.

Vors.:

... des Herrn Rechtsanwalt Schily, den Sie vertreten.

RA Geu[len]:

Es ist mir nicht bekannt, daß Herr Rechtsanwalt Schily diese[g] Anzeige gestellt hat. Er hat sie eingereicht, aber nicht als seine Anzeige.

Vors.:

Aber er ist doch Mitunterzeichner oder täuschen wir uns?

RA Geu[len]:

Das kann ich jetzt nicht bestätigen.

Vors.:

Sie haben unsere Originalunterlagen, da werden Sie ...

RA Geu[len]:

Ja.

Vors.:

Der zweite Name, glaube ich, ist der von Herrn Rechtsanwalt Schily. Ich möchte jetzt bloß nicht, da wir ja wohl uns darüber im klaren waren, daß sich Ihre Beweisbehauptungen an die Anzeige anschließen, daß ein Irrtum sich einschleicht. Wenn Sie nun ganz bewußt gegen den Text der Anzeige Anträge stellen wollen, dann wäre das zwar auffällig, aber wir müßten es mal hinnehmen. Sie dürfen es tun.

RA Geu[len]:

Ich stelle jetzt die weiteren Anträge und schaue dann danach nochmal in die Anzeige rein.

Vors.:

Bitte, Seite 4.

RA Geu[len]:

Es wird weiter beantragt,

Herrn Hermann Büsgen, zu laden in der JVA Werl, als Zeugen zu vernehmen.

Der Zeuge wird bekunden, daß der Zeuge Ruhland ihm gesagt hat,

a) daß er mit der Sicherungsgruppe Bonn[19] zusammenarbeitet;

b) daß er von der Sicherungsgruppe Bonn mit Lebensmitteln versorgt worden ist;

c) daß er - der Zeuge Ruhland - keine konkreten Angaben machen kann und nur aussage, wonach er gefragt wird, ob es falsch ist oder nicht.

- - -

Vors.:

Ich darf in dem Zusammenhang gleichfalls auf die Seite 4 hinweisen. Hier ist die Rede in der Anzeige: „Von der Sicherungsgruppe bekam[h] er 2 Tüten mit Lebensmitteln.“ Ist das gemeint mit dem Begriff, daß er mit Lebensmitteln versorgt worden ist?

RA Geu[len]:

Herr Vorsitzender, ich weiß nicht, ob das sinnvoll ist, [12369] daß Sie jetzt an jedes Beweisthema anschließen die Frage, ob das nun mit der Zeugenvernehmung dieses Zeugen in der oder mit dem Text der Anzeige übereinstimmt oder mit der Zeugenvernehmung dieses Zeugen in dem Mahler-Verfahren.[20] Ich kann Ihnen aber ansonsten sagen, daß das in der Tat damit gemeint ist.

Vors.:

Die zwei Tüten. Also ich darf sagen, ich halte es für sinnvoll, denn Ihnen liegt ja auch kein anderer Anhaltspunkt vor für diese Beweisbehauptung, die Sie aufstellen, als diese Anzeige. Darüber sind wir uns ja wohl einig. Also ist es doch sehr sinnvoll, daß wir uns an den Text halten.

Bitte.

RA Geu[len]:

Ja, ich lasse es aber jetzt bei diesem Text.

Ich stelle einen weiteren Beweisantrag,

Herrn Helmut Leyrer, Altea/Spanien, Calle Sose Peres, Alicante, als Zeugen zu vernehmen.

Der Zeuge wird bekunden, daß der Zeuge Ruhland ihm gesagt hat:

a) Die Bundesanwaltschaft habe ihm erklärt, er werde 10 - 12 Jahre bekommen, und wenn er mitspiele nur 3 Jahre;

b) die Bundesanwaltschaft habe von ihm verlangt, daß er Aussagen macht;

c) ihm seien Schriftstücke gegeben worden, damit er wisse, was er im Termin zu sagen hat;

d) ihm könne nicht viel passieren, wenn er nach 3 Jahren herauskommt, da sich die Bundesanwaltschaft und die Sicherungsgruppe Bonn um ihn kümmern werden.

- - -

Ich stelle weiter den Beweisantrag, Herrn Peter Welter ...

Vors.:

Darf ich zu Herrn Leyrer fragen; Sie nannten die Ihnen ja von uns mitgeteilte spanische Adresse. Die Erwägung liegt hier nahe, ob nicht eine Verlesung gem. § 251 Abs. 1 - wohl Nr. 4 - StPO[21] in Betracht käme.

Wir haben hier ein richterliches Protokoll vorliegen, in dem diese Aussagen, die Sie im Augenblick aufgeführt haben, enthalten sind.

Wie stellen Sie sich zu dieser Frage?

[12370] Ich meine, wir könnten damit eine Ladung eines Zeugen aus dem Ausland, die Feststellung, ob er dort überhaupt noch unter der Adresse lebt, auch die Schwierigkeiten und finanzielle Seite bei der Zeugenladung aus dieser Entfernung wesentlich vereinfachen, und inhaltlich wäre also das über dieses richterliche Protokoll möglicherweise einzuführen.

Wie stehen Sie dazu?

RA Geu[len]:

Ja, wir hatten ja eben schon kurz darüber geredet:

Die StPO sieht den Unmittelbarkeitsgrundsatz vor nach § 250[ StPO].[22] Jeder Zeuge ist zunächst zu hören; Ausnahmen sind nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig, die hier nach unserer Meinung nicht vorliegen - das müßte auch erst festgestellt werden, etwa, wenn er unerreichbar ist -, so daß also der Antrag gestellt wird,

den Zeugen, der bei dieser Adresse, die ich von Ihnen bekommen hab, sich aufhalten soll, dort zu laden und in der Hauptverhandlung zu vernehmen.

Vors.:

Das ist eine etwas verkürzte Auslegung. Es heißt im § 251 StPO: daß die Vernehmung ersetzt werden darf bei richterlichen Protokollen - 4. -, wenn u. a. der Verteidiger damit einverstanden ist.

Das ist, ja einer der Ausnahmefälle. Sie müßten also mir z. B. Ihr Einverständnis erklären, und schon sähe die Sache anders aus.

RA Geu[len]:

Ja. Der Sinn des Unmittelbarkeitsgrundsatzes liegt ja gerade darin, daß der Zeuge selbst befragt werden kann, was natürlich bei einer Vernehmung ... Verlesung von Protokollen nicht zulässig ist, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Der § 251 StPO gilt also für Sie nicht?

RA Geu[len]:

Natürlich gilt er. Aber vielleicht einigen wir uns darauf: Wir stimmen dem nicht zu; wir widersprechen dem. Der Grund ist ganz klar: Der Zeuge muß in der Hauptverhandlung vernommen werden, und wenn Sie meinen, anders verfahren zu können, dann müssen Sie das selbst verantworten.

[12371] Vors.:

Herr RA Geulen, ich habe Ihnen angedeutet, und ich muß das hier nun auch in der Öffentlichkeit wiederholen:

Wenn natürlich ein Zeuge, dessen Bekundungen in einem Protokoll enthalten sind, das hier wieder praktisch mit Beweisbehauptungen zitiert wird, durch Verlesen eingeführt werden kann, und man legt nun unbedingt Wert darauf, obwohl diese ganzen Bekundungen auf diese Weise einzuführen sind, ihn aus dem Ausland herzuholen, dann könnte der Verdacht aufkommen, daß hier noch über den Unmittelbarkeitsgrundsatz hinaus Gedanken im Spiele sind, die mit gewissen Schwierigkeiten zusammenhängen.

RA Geu[len] (dazwischenredend):

Ach, Herr Vorsitzender, es ist wirklich unerträglich, die Weise, wie Sie versuchen, diese Ausnahmebestimmung hier anzuwenden. Dann brauchten wir z. B. auch Herrn Müller jetzt nicht mehr zu vernehmen beispielsweise, weil er in Kaiserslautern verhört worden ist. Dann können wir auch da das Protokoll verlesen.

Der Sinn ist doch, daß man an den Zeugen Fragen stellt, auch von Seiten des Gerichtes - das sieht die StPO vor, und das andere ist eine Ausnahmevorschrift. Und wenn Sie meinen, daß da weitere ... was sollen denn für weitere Gründe vorliegen, die wir dran interessiert wären, den Zeugen nun aus dem Ausland herzuholen?

Vors.:

Ja der Grund ist der, daß die Ladung im Ausland mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein könnte, und die kann man umgehen; und ich habe bis jetzt in jedem Verfahren - ich bin mindestens lange genug in dem Metier tätig, um zu wissen, daß man normalerweise mit Verteidigern über die Frage des Einverständnisses in solchen Fällen mühelos reden kann.

RA Geu[len]:

Ja, wir können mühelos darüber reden, aber wir kommen zu einem unterschiedlichen Ergebnis.

Vors.:

Sie sind nicht mit einverstanden; Sie wollen, daß er hier geladen werden soll?

RA Geu[len]:

Ja, wie es die StPO vorsieht.

[12372] Vors.:

Nein, die StPO sieht das nicht vor, genau gegen diese Behauptung wehre ich mich[i].

RA Geu[len] (dazwischenredend):

Die StPO sieht in § 250[ StPO] vor, daß der Zeuge hier gehört und befragt wird, auch von Ihnen.

Vors.:

Sie gibt Ihnen die Möglichkeit aus praktikablen Gründen, die hier jedem einleuchten könnten, meine ich, drauf Ihr Einverständnis zu erklären. Sie tun’s nicht; wir haben’s zur Kenntnis zu nehmen. Es gibt insgesamt eben dann ein Bild, das ich Ihnen schon angedeutet habe.

Bitte, fahren Sie fort.

RA Geu[len]:

Daß Sie’s nicht lassen können, immer Ihre Bemerkungen an solche Feststellungen anzuknüpfen, das möcht ich mal feststellen.

Ich stelle jetzt weiter den Antrag,

Herrn Peter Welter, zu laden über die JVA Bonn, als Zeugen zu vernehmen.

Der Zeuge wird bekunden, daß der Zeuge Ruhland ihm gesagt hat:

a) daß Herr Mahler bei dem Banküberfall in Berlin nicht dabeigewesen sei;

b) daß der Zeuge Ruhland weiter gesagt hat - wörtlich -:

„Du kannst Dir nicht vorstellen, wie geil die auf Mahler sind.“

Ich hab dann noch einen weiteren Antrag:

Frau Mascha Fisch, zu laden über Herrn Karl-Heinz Ruhland, dieser zu laden bzw. bei einer Anschrift, die der B. Anwaltschaft in Karlsruhe bekannt ist.

Die Zeugin wird bekunden, daß der Zeuge Ruhland ihr gesagt hat, er sei während seiner Vernehmung durch Beamte des BKAs, insbesondere auch durch den Beamten Wolff, [12373] mehrfach zum Essen und zum Biertrinken eingeladen worden. Ihm sei zugesagt worden, beim BKA oder bei der Sicherungsgruppe Bonn als Kraftfahrer eingestellt zu werden; diese Einstellung sei nur wegen seiner Vorstrafen gescheitert.

Die Zeugin wird ferner bekunden,

daß dem Zeugen Ruhland als Kronzeugen[23] wie auch dem Kronzeugen Müller für seine Aussagebereitschaft versprochen wurde, er werde nach Verbüßung der Hälfte der gegen ihn verhängten Strafe aus der Haft entlassen, und gegen ihn würden andere Verfahren, insbesondere solche wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes, nicht durchgeführt werden.

Die Zeugin wird ferner bekunden,

daß dem Zeugen Ruhland für seine Aussagebereitschaft noch während der Haftzeit Geldzahlungen in Höhe von ca. 100,-- DM bezahlt und Nahrungs- und Genußmittel in größerer Menge beschafft worden sind.

Die Zeugin wird schließlich bekunden,

daß dem Zeugen Ruhland nach seiner Haftentlassung aus demselben Grunde monatlich mindestens 1.000,-- DM über seinen Rechtsanwalt sowie Arztrechnungen in Höhe von 1.000,-- DM gezahlt worden sind.

Das sind die Beweisanträge. Und ich würde gern noch etwas sagen zu der Akte 3 ARP, zu dem, was heute morgen, nachdem, was mir Herr Kollege Pfaff berichtet hat, als ich leider noch nicht hier war, von der B. Anwaltschaft gesagt worden ist.

[12374] Zum einen:

Von unserer Seite wird Wert darauf gelegt, daß die Akte 3 ARP - das ist ja schon mehrfach Gegenstand von Kontroversen hier gewesen - in vollem Umfang vorgelegt wird. Das gilt auch für solche Bestandteile dieser Akte, die nach Meinung der B. Anwaltschaft mit diesem Verfahren nichts zu tun haben. Der Grund dafür ist klar. Es gibt wenig Grund, anzunehmen, daß diese ... oder es gibt Grund, daran zu zweifeln, möcht ich mich ausdrücken, daß das wirklich der Fall ist, nachdem diese Akte so spät vorgelegt worden ist.

Das zweite ist:

Es sind heute hier weitere Akten der Vernehmung von Herrn Müller vom Juni d. J. vorgelegt worden. Ich bin darüber sehr verwundert, um es bescheiden auszudrücken, daß die Vernehmungsakten aus dem März und April wohl damals vorgelegt worden sind, daß nunmehr im Oktober vorgelegt worden sind Vernehmungsakten vom September, und daß wir jetzt im November Vernehmungsakten vom Juni vorgelegt bekommen - mir ist nicht bekannt, ob hierfür eine Begründung vorgelegt worden ist; aber ich meine, Herr Vorsitzender, wenn Sie immer solche Andeutungen über mögliche Schlüsse und Prozeßverschleppungsbemerkungen meinen machen zu sollen, daß das im Hinblick auf dieses späte Vorlegen dieser Akten angebracht ist. Ich möchte ferner sagen, daß von unserer Seite noch in dieser Woche ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung[24] vor dem Verwaltungsgericht Köln beantragt wird darauf, [12375] daß die noch nicht vorliegenden Teile der Akte 3 ARP 74/75 vorgelegt werden. Er würde sich zunächst mal noch nicht auf die Teile beziehen, die nach den Angaben von Herrn Wunder, wie sie Herr Pfaff mir mitgeteilt hat, wegen ... die unter Umständen ja wohl an der Geschäftsstelle ausgelegt werden sollen, wenn ich das richtig verstanden habe; sondern es bezieht sich zunächst auf die, deren Vorlage [j] nach § 96 StPO verweigert worden ist, übrigens auch auf die Teile, wo die Seitenzahlen, wie ich das eben gesehen hab, wo die Seiten selber vorgelegt worden sind, aber bestimmte Sätze oder Absätze oder Worte aus diesen Seiten im Hinblick auf § 96 StPO eliminiert worden sind.

Und ich möchte ferner ankündigen, daß die Berufung bzw. die Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Köln im Anordnungsverfahren - beide am gleichen Tag ergangen - in Sachen Ensslin gegen Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Aussagegenehmigung von Herrn Buback,[25] daß hiergegen rechtzeitig natürlich diese beiden Rechtsmittel eingelegt worden sind,[26] und daß wir eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, natürlich nur insofern unsere Mandantin davon beschwert ist von dieser Entscheidung, auch in nächster Zeit erwarten. Die Beschwerung, die ja Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist, liegt darin, daß von unserer Seite hier ein Verpflichtungsantrag bzw. ein Verpflichtungsurteil begehrt worden ist, während das Gericht ein Bescheidungsurteil und einen Bescheidungsbeschluß im Anordnungsverfahren gewährt hat.[27] Das ist [12376] zwar relativ weitgehend, und die Genehmigung, die dann schließlich erteilt worden ist, hat ja in der Tat auch einen größeren Teil des von uns ursprünglich Beantragten beinhaltet, aber eben nicht den vollständigen Teil, z. B. nicht den Teil, der sich bezog auf Gespräche zwischen Herrn Buback und der B. Regierung. Insofern liegt also eine Beschwer vor, so daß hier Rechtsmittel eingelegt worden sind, und darüber wird entschieden.

Ich wollte das nur zur Information mitteilen, weil ich annahm, daß das Sie interessiert.

Vors.:

Will sich jemand - es sind ja hier wieder Vorwürfe im Zusammenhang mit den Akten erhoben worden - dazu äußern? Will sich jemand zu den Beweisanträgen selbst noch äußern? Ich gebe gerne Gelegenheit.

OStA Zeis:

Vielleicht kurz zu den Beweisanträgen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte schön.

OStA Zeis:

Die gegenwärtige gesetzliche Regelung läßt ja nicht zu, aus der Art und Weise, wie ein Beweisantrag gestellt wird, auf dessen Qualität Rückschlüsse zu ziehen. Deswegen in aller Kürze hier folgendes:

Die B. Anwaltschaft will formell den gestellten Beweisanträgen, mit Ausnahme des Zeugen Leyrer, nicht entgegentreten. Wir bitten aber den Senat, in besonderem Maße zu erwägen, ob nicht hier, was die benannten Zeugen angeht, mit Ausnahme der Zeugin Fisch, der Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppung[28] Platz greifen könnte. Ich will das kurz begründen:

[12377] Die hier benannten Zeugen haben ja[k] schon in verschiedenen Prozessen gegen die RAF eine[l] erhebliche oder auch unerhebliche - wie wir meinen - Rolle gespielt. Das heißt im Klartext: Schon mindestens seit Dezember 1972 ist bekannt, daß diese Zeugen - Leyrer, Smura, Goldmann usw. - diese Aussage machen. Im Mai d. J. wurde deshalb auch eine Strafanzeige gegen den Zeugen Ruhland erstattet. Wieso man diese Zeugen erst heute als Beweismittel präsentiert, darüber kann man sich seine Gedanken machen.

Im übrigen bitte ich, zu erwägen, ob hier diese Zeugen nicht wegen Bedeutungslosigkeit ihrer Aussage nicht gehört werden müssen.

Mir ist nicht bekannt, daß der Zeuge Ruhland hier die in diesem Verfahren Angeklagten Baader, Raspe und Ensslin in irgendwelcher Weise belastet hätte.[29] Infolgedessen, jedenfalls mangels näherer Begründung durch Herrn RA Geulen, auch etwas schwer verständlich, wieso diese Zeugen hier zur Wahrheitsfindung beitragen könnten.

Als drittes noch bitte ich zu erwägen, ob nicht bei einem Teil der Zeugen die in ihr Wissen gestellten Behauptungen als wahr unterstellt werden können.[30]

Zum Zeugen Leyrer ein kurzer Hinweis: Nach § 251 Abs. 1 Ziff. 3 StPO kann eine Einvernahme des Zeugen auch durch dessen Verlesung seiner richterlichen Aussage ersetzt werden, wenn dem Zeugen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann. Wir bitten den Senat, entsprechend dieser Vorschrift zu verfahren.

Danke schön.

[12378] Vors.:

Bitte schön.

Herr Bundesanwalt.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, vielleicht noch zu dem, was Herr RA Geulen am Schluß noch erklärt hat:

Die nachgereichten Seiten aus der Akte 1 BJs 7/76 sind von uns so vorgelegt worden, wie sie sich im Originalvorgang befinden, wie sie dort eingeheftet worden sind. Ich kann selbstverständlich nicht ausschließen, daß ein Schriftstück oder einige mit einem späteren Datum einmal vor den anderen eingeheftet worden sind. Jedenfalls der Vorgang ist insoweit komplett jetzt übergeben worden.

Nun zur ARP-Akte:

Wenn von der Verteidigung auch die zehn Anschreiben aus dieser Akte zur Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Müller - und nur insoweit dürfte ja doch ein Verlangen bestehen - dienen sollen und nicht nur eingesehen, sondern auch übergeben werden sollen, dann bitte ich insoweit um einen Beweisantrag, und dann würde ich das Gericht bitten, auch hierüber zu entscheiden. Heute früh waren wir, glaube ich, so verblieben, Herr RA Pfaff, daß Sie die Bitte ausgesprochen haben, daß Ihnen diese Seiten zur Einsichtnahme vorgelegt werden sollen, und ich hatte erklärt, warum wir uns auf ein Quantum von Ablichtungen beschränkt haben, und[m] nicht unnötig Hunderte von Seiten hier durch die Ablichtungsmaschine ziehen wollen.

Ich danke Ihnen.

[12379] Vors.:

Also ich glaube, daß der heute früh gemachte Vorschlag, den Herr RA Pfaff ja angeregt hat, durchaus vernünftig gewesen ist. Will sich sonst noch jemand zu den Äußerungen der Bundesanwaltschaft äußern?

RA Pfaff:

Sie brauchen mich nicht gegen Herrn Kollegen Geulen zu Hilfe zu nehmen.

2. Warum diese Beweisanträge heute erst gestellt werden, das ist durchaus einleuchtend; wenn der sprudelnde Quell der B. Anwaltschaft - ich meine Herrn Ruhland - ganz überraschend hier versiegt ist in der letzten Verhandlung ... am letzten Verhandlungstag, dann darf man sich nicht wundern, wenn an dieses Versiegen nun plötzlich weitere Beweisanträge gestellt werden, die vielleicht von der Sache her schon hätten früher gestellt werden können; aber es war in der Tat überraschend, daß es plötzlich opportun erscheint, Herrn Ruhland nicht mehr ... oder daß es vielleicht Herrn Ruhland nicht mehr opportun erschien, hier auszusagen.

Und drittens:

Sie sprachen vorhin von einem Bild, das sich hier ergibt, Herr Vorsitzender. Sie haben in diesem Prozeß tatsächlich die Tendenz gehabt, diesen § 250 StPO auszuschalten, und am gravierendsten hat sich das gezeigt, daß die Gutachter Professoren Müller, Schröder, Rasch, Mende hier in der Verhandlung ihr Gutachten[31] nicht erstattet haben.[32] Also ich meine, daß dieses Bild, das sich ergibt, auf Sie zurückschlägt und daß es keinen Anhaltspunkt gibt, dem Kollegen Geulen hier einen Vorwurf zu machen.

[12380] Vors.:

Sie haben sich also jetzt[n] verteidigt für Herrn Geulen.

RA Pfaff[o]:

Ja, das hab ich gemacht.

Vors.:

Ich habe drauf hingewiesen, daß der § 251 StPO - um den handelt sich’s - existiert und daß er Ausnahmen zuläßt bei bestimmten richterlichen Protokollen - das ist geschehen. Ich wollte nur sehen, ob die Verteidigung evtl. bereit wäre, sich aufgrund der Ziff. 4 zu einem Einverständnis zu erklären. Das ist abgelehnt worden. Wir müssen dann weitersehen, was in dieser Richtung geschieht.

Ich habe also nun nur noch darauf hinzuweisen, daß wir am kommenden

Dienstag, 23.11.

mit der Vernehmung des Zeugen

BA Dr. Krüger

um 9.00 Uhr fortfahren.

Ich bitte sämtliche Prozeßbeteiligten, sich drauf einzustellen, daß dann am

Mittwoch, 24.11.

eventuell

Donnerstag, 25.11.

die Vernehmung der Zeugen, die heute beantragt worden sind, sein kann. Es ist noch nicht sicher; der Senat muß über die Beweisanträge abschließend noch befinden. Ich weise aber drauf hin: Sollten wir die Zeugen laden, so nimmt der Senat möglicherweise auch noch in das Beweisprogramm auf:

die Zeugen

Zimniak und Wolf.

Herr Wolf ist ja direkt angesprochen; und Herr Zimniak - bereits in der Anklage als Zeuge aufgeführt - war wohl der Polizeibeamte, der die Vernehmung des Zeugen Ruhland vorwiegend in der Hand gehabt hat.

Es wäre also am kommenden Mittwoch und Donnerstag möglicherweise - vorbehaltlich der erst ergehenden Entscheidung - mit den Zeugen

Welter, Büsgen, Smura , Goldbach, Leyrer, Behr, Frau Fisch, Zimniak und Wolf

zu rechnen. Ich bitte alle Beteiligten, sich darauf einzurichten.

[12381] Herr BA Zeis, Sie wollten noch eine Erklärung machen.

OStA Zeis:

Herr Vorsitzender, ich wollte bloß die Sachakten in der Ermittlungssache Lutz Schulenburg, deren Beiziehung die Herren Verteidiger beantragt haben und um deren Beschaffung Sie uns gebeten hatte, hier in der Sitzung übergeben.

OStA Zeis übergibt dem Gericht 2 Band Ermittlungsakten gegen Lutz Schulenburg

- Az.: 141 Js 1246/74 -.

StA b. LG Hamburg - Bl. 1 - 379-.

Vors.:

Ich bedanke mich sehr.

Ich gebe also den Herrn Verteidigern bekannt, daß diese Akten auf der Geschäftsstelle zur Einsicht aufliegen.

Damit, glaube ich, sind wir am Ende des heutigen Sitzungsprogramms. Dann Unterbrechung bis zum kommenden Dienstag.

Ende der Hauptverhandlung um 11.41 Uhr.

Ende von Band 734.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 250 Satz 2 StPO enthält zwar den Grundsatz der persönlichen Vernehmung, wonach die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden darf. Die §§ 251 ff. StPO enthalten aber Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 a) StPO).

[3] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Verfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde. Nachdem bereits ein Teil der Akte übergeben worden war, beantragte Rechtsanwalt Schily am 159. Verhandlungstag, die noch fehlenden Seiten beizuziehen (S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 160. Verhandlungstag).

[4] In der Akte 3 ARP 74/75 I befanden sich weitere Vernehmungsprotokolle mit Angaben des Zeugen Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, wurde später der Bundesanwaltschaft anvertraut (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 158. Verhandlungstag gab die Bundesanwaltschaft schließlich nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.).

[5] Ein Sperrvermerk kann nach § 96 StPO durch die oberste Dienstbehörde angebracht werden, wenn „das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“ (§ 96 StPO a.F.; entspricht heute § 96 Satz 1 StPO). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[6] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung u.a. durch den Nachweis von Widersprüchen in seinen verschiedenen Angaben die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern.

[7] Anlage 1 zum Protokoll vom 16. November 1976: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Prinzing an den Bundesminister der Justiz Dr. Vogel vom 11.11.1976.

[8] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen bestellt werden. Nach zwischenzeitlichen Entpflichtungen traf das zu diesem Zeitpunkt noch auf die Rechtsanwälte Dr. Heldmann (für den Angeklagten Baader) und Schily (für die Angeklagte Ensslin) zu.

[9] § 137 Abs. 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen“.

[10] Art. 25 Abs. 2 des Vertrages zwischen Deutschland und Italien über die Auslieferung und die sonstige Rechtshilfe in Strafsachen vom 18. Februar 1943 lautete: „Ein Zeuge oder Sachverständiger, der auf eine durch die Behörde des ersuchten Teils ihm zugestellte Ladung vor den Behörden des ersuchenden Teils erscheint, darf, ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit, weder wegen irgendeiner Art von Beteiligung, Hehlerei oder Begünstigung bei der den Gegenstand der Verfolgung bildenden oder einer anderen vor seiner Ausreise aus dem Gebiete des ersuchten Teils begangenen Straftat einer Untersuchung, Strafverfolgung oder Strafvollstreckung unterworfen noch aus einem sonstigen, vorher eingetretenen Rechtsgrund in seiner persönlichen Freiheit beschränkt werden. Diese Verbote entfallen, wenn die geladene Person innerhalb einer Woche nach dem Tage, an dem sie entlassen worden ist und die Ausreise möglich gewesen wäre, das Gebiet des ersuchenden Teils nicht verlassen hat“ (RGBl. 1943 II, S. 73, 81).

[11] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[12] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[13] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[14] Anlage 2 zum Protokoll vom 16. November 1976: Aktenvermerk vom 15.11.1976 über ein Telefonat mit dem Deutschen Generalkonsulat in Mailand betr. die Zeugin Mordhorst.

[15] § 53 StPO enthält das Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige bestimmter Berufsgruppen zur Wahrung des Berufsgeheimnisses. Darunter fallen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO auch bestimmte Personen aus dem Presse- und Rundfunkbereich.

[16] Anlage 3 zum Protokoll vom 16.11.1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Herrn Smura als Zeugen.

[17] Anlage 4 zum Protokoll vom 16.11.1976: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Herrn Goldbach als Zeugen.

[18] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Rechtsanwalt Heinrich Hannover bezeichnete ihn auch als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[19] Die Sicherungsgruppe ist eine Abteilung des Bundeskriminalamtes. Die SoKo B/M (Sonderkommission Baader/Meinhof) wurde 1971 als Teil der Sicherungsgruppe für Ermittlungen betreffend die RAF eingerichtet (Klaus, Sie nannten mich Familienbulle, 2008, S. 23).

[20] Bereits im Februar 1973 wurde Rechtsanwalt und RAF-Mitglied Horst Mahler vom Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. In einem weiteren Verfahren wurde er für seine Beteiligung an der Baader-Befreiung am 14. Mai 1970 im November 1974 vom LG Berlin unter Einbeziehung der früheren Haftstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 14 Jahren verurteilt. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff., 384; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[21] § 251 Abs. 1 Nr. 4 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO) ermöglicht die Ersetzung einer Zeugenaussage durch Verlesung der Niederschrift einer früheren richterlichen Vernehmung, wenn Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Angeklagte einverstanden sind.

[22] Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, grundsätzlich nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden Die §§ 251 ff. StPO enthalten aber enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. So ist die Verlesung der Niederschrift über eine frühere richterliche Vernehmung etwa nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) zulässig, wenn dem Erscheinen des/der Zeug/in für eine längere Zeit nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihm/ihr das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Aussage nicht zugemutet werden kann.

[23] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, S. 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[24] Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 123 VwGO) kann grundsätzlich nur eine vorläufige Entscheidung erreicht werden; eine endgültige Entscheidung erfolgt erst in dem Verfahren der Hauptsache. Daher ist es im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in der Regel nicht möglich, eine Entscheidung zu erreichen, die die Hauptsache unwiderruflich vorwegnehmen würde. Eine solche endgültige Vorwegnahme ist allerdings in Ausnahmefällen zulässig, wenn die Hauptsache nach einem strengen Maßstab erkennbar Erfolg haben wird, eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirkt werden kann und dem/der Antragssteller/in hieraus unzumutbare Nachteile entstehen würden (BVerwG, Beschl. v. 13.8.1999 – Az.: 2 VR 1/99, BVerwGE 109, S. 258, 262 f.).

[25] Die Aussagegenehmigung für den GBA Buback wurde zunächst in vollem Umfang abgelehnt. Daraufhin erhob Rechtsanwalt Schily für die Angeklagte Ensslin Klage auf Erteilung einer Aussagegenehmigung vor dem VG Köln sowie einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Das VG Köln erachtete die pauschale Versagung der Aussagegenehmigung für rechtswidrig und verpflichtete den Bundesminister der Justiz, die Klägerin Gudrun Ensslin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (s. das Urteil und den Beschluss des VG Köln vom 15.9.1976 in Anlage 1 a des Protokolls vom 28. September 1976, zu Blatt 11698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 148. Verhandlungstag).

[26] Gegen Urteile des Verwaltungsgerichtes sind die Rechtsmittel der Berufung (§§ 124 ff. VwGO) und der Revision (§§ 132 ff. VwGO) statthaft. Gegen die einstweilige Anordnung oder eine den Antrag zurückweisende Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO).

[27] Ist die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts (hier: die Aussagegenehmigung) rechtswidrig, und wird der/die Kläger/in dadurch in seinen/ihren Rechten verletzt, sieht § 113 Abs. 4 VwGO a.F. (heute: Abs. 5) zwei mögliche Urteile vor: Das sog. Vornahmeurteil (§ 113 Abs. 4 Satz 1 StPO a.F.) verpflichtet die Verwaltungsbehörde unmittelbar zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Sache spruchreif ist, d.h. die Sache durch das Gericht selbst entschieden werden kann und kein weiterer Entscheidungsspielraum der Behörde besteht. Andernfalls ergeht ein sog. Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO a.F.), das die Verwaltungsbehörde verpflichtet, den/die Kläger/in unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

[28] Grundsätzlich haben die Verfahrensbeteiligten bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Beweisanträge, die zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt werden, konnten allerdings nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. abgelehnt werden. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung wurde mit Wirkung zum 13.12.2019 durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl. I, S. 2121) aufgehoben was allerdings nicht zur Folge hat, dass derartige Anträge nun ungehindert gestellt werden könnten; vielmehr sieht § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO nun vor, dass ein solcher Antrag nicht mehr durch förmlichen Beschluss abgelehnt werden muss. Zudem wurde mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I, S. 3202) die Möglichkeit geschaffen, Beweisanträge, die nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist gestellt werden, erst im Urteil zu bescheiden (§ 244 Abs. 6, Satz 2-5 StPO). Hierdurch sollte der Umgang mit verfahrensverzögernden Beweisanträgen vereinfacht werden (s. die Begründung in BR-Drs. 796/16, S. 34).

[29] Karl-Heinz Ruhland sollte am 160. Verhandlungstag als Zeuge vernommen werden. Er berief sich jedoch umfassend auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO. Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 – Az.: 2 StE 7/01 – 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 – Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[30] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.

[31] Da die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten wurde, beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten. Zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag (S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe. Die Gutachten sind im Protokoll nicht enthalten. Auszüge finden sich in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 207 ff., sowie Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 117 ff. Dem lässt sich entnehmen, dass die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder von einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit von drei Stunden pro Tag ausgingen, wobei kürzere Pausen nicht mit einzubeziehen seien (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 208). Zur Behandlungsmöglichkeit führte der Sachverständige Prof. Dr. Rasch aus: „[D]ie Durchführung einer Behandlung dürfte während der Dauer der Hauptverhandlung und bei Beibehaltung der jetzt gegebenen Haftbedingungen nicht möglich sein“ (so die Wiedergabe des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 3112 des Protokolls der Hauptverhandlung, 39. Verhandlungstag). Am 40. Verhandlungstag verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing schließlich den Senatsbeschluss, wonach die Hauptverhandlung aufgrund der vorsätzlich und schuldhaft selbst herbeigeführten Verhandlungsfähigkeit gem. § 231a StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. bereits Fn. 1).

[32] Das Verlesungsverbot des § 250 Satz 2 StPO für den Beweis von Tatsachen, die auf der Wahrnehmung einer Person beruhen, bezieht sich grundsätzlich auch auf Sachverständige (BGH, Urt. v. 30.10.1968 - Az.: 4 StR 281/68, BGHSt 22, S. 268, 270; Diemer, in Hannich [Hrsg], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 250 Rn. 7). Allerdings ist § 250 StPO eine Vorschrift des sog. Strengbeweisverfahrens (auch „förmliche Beweisaufnahme“), das in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt ist und Anwendung findet zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Es zeichnet sich u.a. durch eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel (Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, Urkundenbeweis und Inaugenscheinnahme) aus. Die Verhandlungsfähigkeit als Prozessvoraussetzung ist hingegen im Freibeweisverfahren zu beurteilen. Im Unterschied zum Strengbeweis ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Einschränkungen ergeben sich im Freibeweis weder aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz noch aus dem Prinzip der Mündlichkeit (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 16).


[a] Handschriftlich ersetzt: im durch mit dem

[b] Handschriftlich ersetzt: hatten durch haben

[c] Maschinell eingefügt: damit

[d] Maschinell eingefügt: so formulieren die Frage durch die Frage so formulieren:

[e] Maschinell eingefügt: Herr

[f] Maschinell eingefügt: jetzt

[g] Maschinell ersetzt: eine durch diese

[h] Maschinell ergänzt: bekam

[i] Maschinell ersetzt: ... durch gegen diese Behauptung wehre ich mich

[j] Maschinell durchgestrichen: auf

[k] Maschinell ersetzt: wir durch ja

[l] Maschinell eingefügt: eine

[m] Handschriftlich ersetzt: um durch und

[n] Maschinell ersetzt: ja grade selbst durch sich also jetzt

[o] Maschinell ersetzt: Geu. durch Pfaff