[13295] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 2. Februar 1977 um 10.02 Uhr
(176. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
Just. Ass. Clemens
Just. Ass. Scholze.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Dr. Augst (als Vertreter von RA Eggler), Künzel, Schnabel, Schwarz, Herzberg (als ministeriell bestallter Vertreter von RA Schlaegel) und Grigat.
Vors.:
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Die Verteidigung ist gewährleistet. Für Herrn Rechtsanwalt Eggler ist Herr Rechtsanwalt Augst erschienen; die Vertretung wird genehmigt.
Warum Herr Rechtsanwalt Schily nicht da ist, ist nicht bekannt.
Für Herrn Rechtsanwalt Schlaegel, Herr Rechtsanwalt Herzberg.
Der Senat hatte den heutigen Verhandlungstag Herrn Rechtsanwalt Schily für die etwaige Ladung[2] des Herrn Petersen zur Verfügung gestellt. Herr Schily hat diese Gelegenheit nicht wahrgenommen. Er hat in einem Schriftsatz erklärt warum nicht, nämlich, weil Herr Opitz - ebenfalls Polizeibeamter aus Hamburg - erkrankt sei und es unzweckmäßig sei - nach Auffassung von Rechtsanwalt Schily -, Herrn Petersen ohne Herrn Opitz zu laden, da sich möglicherweise aus der Vernehmung des anderen Vorhalte für den einen und umgekehrt ergeben könnten. Wir haben also heute keinen Zeugen. Der ...
OStA Z[eis]:
Herr Vorsitzender, ...
[13296] Vors.:
Bitte.
OStA Z[eis]:
... ich möchte in dem Zusammenhang einen Antrag stellen.
Vors.:
Ja, wenn ...
OStA Z[eis]:
Ich kann es auch gern zurückstellen; ich möchte es nur ankündigen.
Vors.:
Ja, ich wollte das noch bekanntgeben. Der Zeuge Mordhorst ist nach einer Auskunft vom 31. Januar immer noch nicht[a] vernehmungsfähig[b] - auch nicht am Krankenbett -; möglicherweise wird in der nächsten Woche eine ärztliche Auskunft ergehen können, die günstiger ist. Jedenfalls hat der Senat zunächst die kommissarische Vernehmung[3] des Zeugen Mordhorst mal angeordnet, damit keine Zeit verlorengeht, und hat das Amtsgericht Hamburg um die Vernehmung dieses Zeugen ersucht.
Wir haben ferner aufgrund des Beweisantrages diesen Vermerk aus den[c] Verwaltungsvorgängen, welche dem Verwaltungsrechtstreit Ensslin gegen Bundesrepublik Deutschland[4] beigefügt sind, zugezogen. Ich beabsichtige, diesen Vermerk, soweit beantragt, vorzulesen nach § 249[ StPO];[5] sind irgendwelche Einwendungen oder Bemerkungen? Ich sehe nicht.
Gemäß § 249 StPO wird aus der dem Protokoll als Anl. 1 beigefügten beglaubigten Ablichtung eines Vermerks in den Akten des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen Az.: I B 1590/76 die mit éû gekennzeichnete Stelle (Bl. 13298 d. Prot.) verlesen.
Soweit die Verlesung. Es folgen noch einige Sätze, die hier nicht verlesen werden sollen. Es kommt dann: „2. Schreiben:“ Da findet sich dann der Entwurf bzw. der Durchschlag eines Schreibens an Herrn Rechtsanwalt Schily, welcher von Herrn Dr. Corves wohl unterschrieben ist.
Es folgt dann noch ein Punkt: „3. Schreiben:“ Das ist nicht abgelichtet; und es heißt weiter: „Beglaubigt, Münster (Westfalen), den 28. Jan. 1976, Verwaltungsgerichtsangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle“; die Unterschrift selbst ist kaum lesbar. Außerdem das Dienstsiegel: „Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen I. Senat“.
Im Zusammenhang mit dieser Verlesung dann, ist folgender
Beschluß zu verkünden:
[13297-13299][6] [13300] Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, Herrn Dr. Corves und Herrn Generalbundesanwalt Buback als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe:
Die Zeugen sollen bekunden, daß sich Herr Generalbundesanwalt Buback in der Weise geäußert hat, wie es in dem soeben verlesenen Vermerk vom 2.7.76 niedergelegt ist. Die Behauptung wird so behandelt, als wäre die behauptete Tatsache wahr (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).[7]
Der Gerichtswachtmeister übergibt eine Aktennotiz vom 2.2.77 dem Gericht.
Diese wird als Anlage 2 zu Protokoll genommen.
Ich erhalte soeben den Vermerk zugereicht:
„Notiz vom 2.2.77, 10.05 Uhr. Das Rechtsanwaltsbüro Schily teilte mit, daß Herr Rechtsanwalt Schily die Maschine verpaßt habe. Er bittet um Mitteilung, ob heute nachmittag Sitzung ist, dann könnte er mit der Maschine um 11.55 Uhr noch fliegen“. Von der Geschäftsstelle hier aufgenommen. Das wäre an sich schon das Ende des für heute vorgesehenen Programmes.
Es ist dann noch zu erwägen, daß auf nächsten Dienstag Herr Bundesanwalt Kaul als Zeuge geladen werden kann; kann von der Bundesanwaltschaft irgendwelche Auskunft gegeben werden, ob die Aussagegenehmigung[8] schon vorliegt?
BA Dr. Wu[nder]:
Herr Vorsitzender, es ist mir in Aussicht gestellt worden, daß dann, wenn Herr Kaul vom Urlaub zurück ist, auch eine Aussagegenehmigung vorliegen wird.
Vors.:
Und das wäre Ende dieser Woche?
BA Dr. Wu[nder]:
Beginn der nächsten Woche.
Vors.:
Beginn der nächsten Woche.
BA Dr. Wu[nder]:
Ja.
Vors.:
So daß wir auf Dienstag die Ladung vorsehen können.
BA Dr. Wu[nder]:
Ja.
Vors.:
Danke.
Der nächste Punkt ist dann sozusagen Verschiedenes, nämlich, werden irgendwelche Anträge gestellt? Herr Bundesanwalt Zeis, Sie hatten sich schon gemeldet.
OStA Z[eis]:
Herr Vorsitzender, ich möchte sowohl einen Antrag stellen, als auch zu der Tatsache, daß der Zeuge Petersen heute wiederum [13301] nicht präsentiert worden ist, Stellung nehmen.
Zuerst mein Antrag:
Die Bundesanwaltschaft beantragt,
Rechtsanwalt Schily keinen neuen Termin zur Präsentierung der Zeugen Opitz und Petersen zur Verfügung zu stellen.
2. Sollten diese Zeugen dennoch präsentiert werden, deren Vernehmung gem. § 245 StPO wegen Prozeßverschleppung zurückzuweisen.[9]
Zur Begründung dieses Antrags darf ich auf folgendes hinweisen:
Um das ganze Ausmaß dessen, was in der Hauptverhandlung hier zur Zeit vor sich geht, ermessen zu können, dieses Verhalten der Verteidigung im Zusammenhang mit der Präsentierung der Zeugen Opitz und Petersen, wie wir meinen, ein einprägsames und zugleich entlarvendes Beispiel für das, was die Verteidigung in diesem Verfahrensabschnitt mit Nachdruck betreibt, nämlich Prozeßverschleppung.
Zunächst wurde der Verteidigung der 31.12.76 zur Vernehmung dieser Zeugen zur Verfügung gestellt; als es dann für diesen Termin Schwierigkeiten wegen der Aussagegenehmigung gab - bezeichnenderweise hat Rechtsanwalt Schily in diesem Zusammenhang gegenüber dem damit befaßten Kriminalrat Heinze in Hamburg erklärt, die Entscheidung darüber eile nicht besonders -, wurde als nächster Termin der 10. Januar zur Verfügung gestellt. Die Zeugen waren auch anwesend, die Prozeßsituation an diesem Tage zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr auch so, daß die Zeugen noch an diesem Tage, jedenfalls aber dem darauffolgenden Tage hätten vernommen werden können. Was machte Rechtsanwalt Schily, er entließ die Zeugen und lehnte es kategorisch ab, sie - was leicht möglich gewesen wäre - am nächsten Tag, also dem 11. Januar zu präsentieren. Und wieder wurde Rechtsanwalt Schily ein Termin freigehalten, um die Zeugen stellen zu können, nämlich der 25. Januar. Und als alle Prozeßbeteiligten sich auf die Vernehmung dieser Zeugen an diesem Tag eingestellt hatten, fiel Rechtsanwalt Schily eine neue Variante ein, wie man mit der angeblichen Präsentierung der Zeugen Opitz und Petersen [13302][10] [13303] weiter den Prozeß verzögern könnte. Nun sollte plötzlich erst über den Antrag vom 14. Dezember vergangenen Jahres entschieden werden, daß nämlich die Vernehmung von diesem Tage sachdienlich[11] gewesen sei. Und das, obwohl Rechtsanwalt Schily ganz genau bekannt war, daß über diesen Antrag erst nach Abschluß der Beweisaufnahme entschieden werden konnte. Und wieder wird Rechtsanwalt Schily ein weiterer Sitzungstag zur Verfügung gestellt, um nun endlich die Zeugen zu präsentieren, nämlich der heutige. Und wer wiederum die Zeugen nicht lädt, ist Rechtsanwalt Schily, diesmal mit der Scheinbegründung, weil[d] der Zeuge Opitz erkrankt sei und möglicherweise nach der Aussage des Zeugen Petersen dieser dem Zeugen Opitz gegenübergestellt werden müsse[e], komme nur eine Ladung beider Zeugen in Betracht. Daß diese Begründung auch wieder nur ein Scheinargument ist, ergibt sich schon daraus, daß erst nach Vernehmung der beiden Zeugen überhaupt die Frage, ob eine Gegenüberstellung erforderlich sein könnte, sich stellt und[f] dann vom pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts abhängt.
Das weiß aber auch Herr Rechtsanwalt Schily; aber wenn man den Prozeß verzögern will, ist einem offenbar jedes Mittel recht. Und daß Rechtsanwalt Schily den Prozeß verschleppen, ja sogar platzenlassen will, ergibt sich auch noch aus einem anderen Zusammenhang. Als es[g] an jenem denkwürdigen 20. Januar Rechtsanwalt Schily vereint mit den[h] Rechtsanwälten Heldmann und Weidenhammer, gelungen war, ihren 85. Beweisantrag erfolgreich zu stellen, Ablehnungsantrag erfolgreich zu stellen,[12] ließ Rechtsanwalt Schily wissen, mit der Ablösung des Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing nur ein Nahziel erreicht zu haben; Endziel bleibe nach wie vor das Scheitern dieses Verfahrens.
Vors.:
Herr Bundesanwalt Zeis, diese Äußerung ist mir aus der Hauptverhandlung nicht bekannt.
OStA Z[eis]:
Ich sagte auch: „... ließ Rechtsanwalt Schily wissen“. Ich habe nicht behauptet, Herr Vorsitzender, daß diese Äußerung in der Hauptverhandlung gefallen sei.
Vors.:
Dann wollen wir doch diese nicht überprüfbare Äußerung am besten außer Betracht lassen. Wir müßten es ja irgendwie verifizieren, nicht?
[13304] OStA Z[eis]:
Herr Vorsitzender, ich glaube doch, daß diese - meine Äußerung - soviel Wahrheitsgehalt hat, wie die[i] des Herrn Rechtsanwalt Schily, wenn er stereotyp behauptet bei seinen[j] Ablehnungsgesuchen, die er stellt, daß seine Mandantin morgens davon Kenntnis erlangt habe und das versichere er[k] anwaltschaftlich. Ich kann hier auch als Staatsanwalt versichern, daß diese Äußerung gefallen ist, allerdings nicht in diesem Sitzungssaal. Ich komme aber zum Ende und darf noch einen Satz sagen.
Und unter dieser Prozeßmaxime des Herrn Rechtsanwalts muß sein heutiges Verhalten, aber auch sein zukünftiges Verhalten gesehen werden.
Vors.:
Ja, über die Frage, ob nach § 245[ StPO] irgendwelche Entscheidungen wegen Verschleppung zu treffen sind, wird natürlich erst zu entscheiden sein, wenn eine nochmalige Präsentation vorkommt, unter Berücksichtigung sämtlicher dann gegebenen Umstände. Ich muß allerdings, Herr Bundesanwalt Zeis, was nun den Vorfall vom 10.1.77 anlangt, da ist etwas zu verbessern. In der Tat ist der Senat, wenn ich es recht im Kopf habe, am 10.1.77 mit einem unerledigten Ablehnungsantrag aus der Sitzung gegangen und die Fortsetzung die war, wenn ich mich recht entsinne, dann erst am darauffolgenden Donnerstag, also nicht am kommenden Tag, sondern erst 2 Tage später.
OStA Z[eis]:
Ich kann es gerne nachprüfen.
Vors.:
So daß möglicherweise also hier die Präsentation in der Tat gewisse Ungewißheiten mit sich hatte.
OStA Z[eis]:
Herr Vorsitzender, wenn ich noch bemerken darf ...?
Vors.:
Das nur zu diesem Punkte, rein tatsächlich.
OStA Z[eis]:
Ja, ich meine mich aber nicht zu täuschen, denn ich erinnere mich mit Sicherheit daran jetzt, daß der damalige Herr[l] Vorsitzender Richter, Herrn Rechtsanwalt Schily gefragt habe, ob dann am nächsten Tage die Zeugen vernommen werden sollten. Und Herr Rechtsanwalt Schily antwortete: Nein.
Vors.:
Diese Äußerung ist gefallen; nur haben wir am nächsten Tag eben tatsächlich nicht verhandelt. Also das ist ...
OStA Z[eis]:
Ja, aber erst im Hinblick darauf, daß Herr Rechtsanwalt Schily es kategorisch abgelehnt hat, am nächsten Tag mit der Vernehmung der Zeugen zu beginnen. Aber wie gesagt, [13305] ich kann es gerne nachprüfen.
Vors.:
Das weiß ich nicht, weil ich die neue Terminsverfügung - weil abgelehnt - nicht irgendwie zu verantworten und beeinflußt habe, nicht.
Sind Sie am Ende Ihrer Erklärung?
OStA Z[eis]:
Ja.
Vors.:
Ja, dann ist hier nichts mehr zu tun heute, wenn sonstige Wortmeldungen geäußert werden? Nicht.
Dann setzen wir fort am Dienstag, den 8. Februar 77, 9.00 Uhr. Alle Beteiligten mögen sich darauf einrichten, daß Herr Bundesanwalt Kaul als Zeuge vernommen wird.
Alle Beteiligten mögen sich bitte auch darauf einrichten, daß möglicherweise am Mittwoch fortgesetzt werden kann, möglicherweise auch am Donnerstag, das läßt sich jetzt noch nicht absehen, aber also die Fortsetzung der Verhandlung auf jeden Fall am Dienstag, 8. Februar 77, 9.00 Uhr.
BA Dr. Wu[nder]:
Eine Frage, Herr Vorsitzender.
Vors.:
Bitte sehr.
BA Dr. Wu[nder]:
Ist inzwischen ein Beweisantrag bezüglich Bundesanwalt Krüger eingegangen von Herrn Rechtsanwalt Schily?
Vors.:
Ist nicht eingegangen, nein. Herr Rechtsanwalt Schily hatte mich gestern noch angerufen und hatte erwähnt, er überlege es sich’s also jetzt wirklich, ob er einen Beweisantrag Krüger stellen wolle. Und ich wollte ihn heute früh darauf ansprechen, ob nun, anders als vergangene Woche die Zeit reif sei; aber, wie gesagt, ich habe keinen Gesprächspartner im Augenblick.
BA Dr. Wu[nder]:
Ja, wir wollen nur wissen, wieviel Herren von der Bundesanwaltschaft wann bereitgestellt werden müssen für das Verfahren, deswegen erkundige ich mich; denn offenbar geht der Kreis ja jetzt noch weiter.
Vors.:
Auch diese Frage kann ich leider nicht beantworten.
BA Dr. Wu[nder]:
Ich weiß es, danke.
Vors.:
Damit ist die Sitzung geschlossen.
Ende des 176. Verhandlungstags um 10.17 Uhr
Ende Band 785
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).
[3] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann.
[4] Rechtsanwalt Schily hatte für die Angeklagte Ensslin vor dem VG Köln Klage auf Erteilung einer zuvor versagten Aussagegenehmigungen für den Generalbundesanwalt Buback erhoben; zudem hatte er einen entsprechenden Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (§ 123 VwGO) gestellt. Zum Antrag auf einstweilige Anordnung s. Anlage 2 zum Protokoll vom 31. August 1976 (S. 11426 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 141. Verhandlungstag). Das VG Köln erachtete die pauschale Versagung der Aussagegenehmigung für rechtswidrig und verpflichtete den Bundesminister der Justiz, die Klägerin Gudrun Ensslin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (s. das Urteil und den Beschluss des VG Köln vom 15.9.1976 in Anlage 1 a des Protokolls vom 28. September 1976, zu Blatt 11698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 148. Verhandlungstag).
[5] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).
[6] Anlage 1 zum Protokoll vom 2. Februar 1977: Beglaubigte Ablichtung eines Vermerks aus den Akten des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 1977.
[7] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.
[8] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.
[9] Für „präsente Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wurde (s. bereits Fn. 2).
[10] Anlage 2 zum Protokoll vom 2. Februar 1977: Aktennotiz vom 2.2.1977.
[11] Eine Person, die unmittelbar durch eine/n Angeklagten bzw. die Verteidigung geladen wird, ist nur dann zum Erscheinen verpflichtet, wenn die gesetzliche Entschädigung durch Hinterlegung bei der Geschäftsstelle oder durch Barzahlung gesichert wird (§ 220 Abs. 2 StPO). Ergibt sich in der Hauptverhandlung, dass die Vernehmung zur Aufklärung sachdienlich war, so ordnet das Gericht auf Antrag die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse an (§ 220 Abs. 3 StPO).
[12] Die schließlich erfolgreiche Ablehnung stützte sich auf ein Telefonat, das der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing mit dem von den Angeklagten als Zwangsverteidiger bezeichneten Rechtsanwalt Künzel im Zusammenhang mit einem von diesem gestellten Ablehnungsgesuch (S. 13171 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 172. Verhandlungstag) geführt hatte. Dem war bereits eine Reihe von Ablehnungsgesuchen aufgrund einer Protokollweitergabe an den RiBGH Mayer vorausgegangen (s. zu diesem Vorgang den Ablehnungsantrag des Rechtsanwalts Schily in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.1.1977, S. 13135 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 171. Verhandlungstag). Der stattgebende Senatsbeschluss vom 20.1.1977 wurde damit begründet, dass „aus Sicht der Angeklagten die Befürchtung nicht unbegründet“ sei, „Dr. Prinzing messe [...] derartigen Anträgen [Anm. d. Verf.: Anträgen seitens der Vertrauensverteidigung] eine geringere Bedeutung bei, als ihnen sonst zukäme“ (der Beschluss ist abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 20.1.1977, S. 13261 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[a] Maschinell eingefügt: nicht
[b] Maschinell durchgestrichen: vernehmungsunfähig
[c] Maschinell eingefügt: Vermerk aus den
[d] Maschinell ersetzt: daß durch weil
[e] Handschriftlich durchgestrichen: müsste
[f] Maschinell eingefügt: und
[g] Maschinell eingefügt: es
[h] Maschinell eingefügt: den
[i] Handschriftlich durchgestrichen: diese
[j] Maschinell ersetzt: solchen durch seinen
[k] Maschinell eingefügt: er
[l] Maschinell eingefügt: Herr