178. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 10. Februar 1977 um 10.00 Uhr



[13376] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 10. Februar 1977 um 10.00 Uhr

(178. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens

Just. Ass. Scholze.

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind erschienen, Rechtsanwälte Schily, Weidenhammer, Dr. Augst (als Vertreter von RA Eggler) Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel und Grigat.

Als Zeuge ist anwesend:

Helmut Mordhorst

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

RA Wei[denhammer]:

Ein unaufschiebbarer Antrag, bitte.

Vors.:

Augenblick, Augenblick, Herr Rechtsanwalt.

Zunächst will ich die Anwesenheit feststellen.

Die Verteidigung ist gewährleistet.

Für Herrn Rechtsanwalt Eggler kommt Herr Rechtsanwalt Augst; die Vertretung wird genehmigt.

Herr Rechtsanwalt Weidenhammer, bitte.

RA Wei[denhammer]:

Für den Angeklagten Raspe

lehne ich den Vorsitz führenden Richter Dr. Foth wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Zur Gründung wird vorgetragen,

daß im Rahmen einer Besuchsablehnung gegenüber Herrn Speitel, der meinen Mandanten besuchen wollte, vom abgelehnten Richter [13377] unter anderem für die Ablehnung darauf Bezug genommen worden ist: „Es sei nicht offensichtlich, daß eine Gefährdung“ usw., nämlich durch den Besuch nicht zu befürchten sei.

Zur Glaubhaftmachung:[2] Dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters. Aus der Versagung des Besuchs mit der Begründung: „Es sei nicht offensichtlich, daß eine Gefährdung“ usw. nicht zu befürchten sei, die in sich recht unklar und keinerlei konkrete Hinweise enthält, gibt der abgelehnte Richter gegenüber dem Angeklagten zu erkennen, daß er ihm Besuche in der Haftanstalt einem dem Sinn und Zweck der Untersuchungshaftvollzugsordnung[3] entsprechenden, in einer dieser Art und Weise entsprechenden Sinne nicht gewährleisten will, sondern Isolationsmaßnahmen fortsetzt.

Zur Glaubhaftmachung nehme ich Bezug auf die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters.

Zur Rechtzeitigkeit:[4] Das Schreiben betreffend die Versagung der Besuchserlaubnis des Herrn Speitel vom 2. Febr. 1977 ist mir vor einigen wenigen Minuten zugegangen.

... anwaltliche Versicherung.

Vors.:

Besten Dank.

Will Stellung genommen werden? Niemand. Ich sehe keine.

Wir werden in ¼ Stunde bekanntgeben, wie es weitergeht.

Das Publikum ist vorsorglich zugelassen.

Der Zeuge kann solang in Abstand gehen.

Also 10.20 Uhr bitte ich wieder hier zu sein.

Pause von 10.04 Uhr bis 10.27 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist der Zeuge Helmut Mordhorst nicht mehr anwesend.

Vors.:

Es wird folgender Beschluß verkündet:

Die Ablehnung des Vorsitzenden wird einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 14. März 1973[5] wird die Erteilung und Ablehnung von Be- [13378] suchserlaubnissen so gehandhabt, wie dies auch jetzt im Fall Volker Speitel geschehen ist. Gerade bei Volker Speitel wurde mit gleicher Begründung schon am 8.7.76 und am 13.1.77 ein Antrag auf Besuchserlaubnis abgelehnt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte ausgeführt, daß, abgesehen von Angehörigen, Besuche generell zurückgewiesen[a] werden dürfen, sofern nicht im Einzelfall eine Gefährdung des Haftzwecks ersichtlich nicht zu befürchten sei. Ein Grund, hieraus eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters herzuleiten, ist schlechterdings nicht ersichtlich, auch nicht - bei verständiger Würdigung - aus der Sicht des Angeklagten Raspe und seines Verteidigers. Mit dem Ablehnungsantrag soll offensichtlich nur das Verfahren verschleppt werden (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO).[6]

- - -

Der Zeuge Helmut Mordhorst erscheint um 10.29 Uhr wieder im Sitzungssaal.

Der Zeuge Mordhorst wird gemäß § 57 StPO[7] belehrt.

Der Zeuge Helmut Mordhorst erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[8]

Der Zeuge Helmut Mordhorst macht folgende Angaben zur Person:

Helmut Mordhorst, geb. [Tag].[Monat].1914 in Blankenese, Beruf: Kapitän,

wohnhaft in Hamburg 55,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Mordhorst, ich werde Ihnen am besten mal vorhalten, damit Sie wissen, worüber Sie reden sollen, zu welchen Themen Sie benannt sind und vernommen werden sollen. Und Sie können dann im Zusammenhang schildern, was Sie zu diesen Themen wissen. Falls Sie also wegen Ihres Gesundheitszustandes - das will ich noch sagen - Herr Mordhorst, irgend- [13379] eine Pause oder dergleichen benötigen, Sie waren ja wohl schwer krank, dann melden Sie sich bitte.

Zeuge Mordh[orst]:

Ja, danke.

Vors.:

Also hier wird in Ihr Wissen gestellt, daß Ihre Tochter Susanne Mordhorst-Stasi[9] zu keinem Zeitpunkt Vollmitglied der Roten-Armee-Fraktion gewesen sei; daß Ihre Tochter sich nicht im Zusammenhang mit einer geplanten Entführung des Verlegers Holtzbrinck in Stuttgart aufgehalten habe; daß Ihre Tochter nicht die Aufgabe gehabt und ausgeführt habe, Holtzbrinck durch Observation abzuklären; daß Ihre Tochter keinen Koffer mit 30 000,-- DM aus Banküberfällen bei Verwandten deponiert habe; und daß Ihre Tochter keine Blankorezepte zur Verfügung gehabt und darauf Schlafmittel und Allergiemedikamente für den Zeugen Gerhard Müller besorgt habe.

Ist Ihnen das so ungefähr im Gedächtnis jetzt haftengeblieben?

Zeuge Mordh[orst]:

Ja.

Vors.:

Ich kann es Ihnen gerne im Einzelnen dann noch vorhalten. Also zunächst ...

RA Schi[ly]:

Ich glaube aus formellen Gründen ist vielleicht eine Belehrung nach [§ ]55[ StPO][10] erforderlich.

Vors.:

Ich wollte den Zeugen erst fragen, ob das seine Tochter sei Susanne[b] Stasi.

RA Schi[ly]:

Ah so, gut, ja.

Vors.:

Es ist also hier, Herr Mordhorst immer wieder von Ihrer Tochter Susanne Mordhorst-Stasi die Rede.

Zeuge Mordh[orst]:

Ja.

Vors.:

Die erste Frage lautet: Ist das Ihre Tochter ...?

Zeuge Mordh[orst]:

Jawohl.

Vors.:

... Susanne Mordhorst-Stasi?

Zeuge Mordh[orst]:

Ja.

Vors.:

Gut, das ist Ihre Tochter.

Der Zeuge Helmut Mordhorst wird nunmehr nach § 55 StPO belehrt.

Dann, Herr Mordhorst, wenn Sie bitte beginnen würden, Ihr Wissen über die Ihnen vorgehaltenen Themen darzustellen. Also zunächst war die Frage, ob Ihre Tochter irgendwann [13380] Vollmitglied der Roten-Armee-Fraktion gewesen ist?

Zeuge Mordh[orst]:

Also soviel ich weiß, und meine Tochter kenne - und sie hat ja die ganze Zeit, wo sie studiert hat, bei mir gewohnt [c] - ist sie nicht Mitglied gewesen; und nach ihrer eigenen Aussage ist sie auch nicht Mitglied einer solchen Vereinigung gewesen.

Vors.:

Sie kommen schon[d] darauf zu sprechen, ich wollte das an sich erst am Schluß fragen, aber weil Sie schon drauf kommen. Sie sagen eben, soviel Sie wissen, einmal aus der Beobachtung, daß Ihre Tochter doch wesentlich zuhause in Ihrer, also beobachtbaren Umgebung war - so habe ich Sie verstanden - und auch nach den[e] Angaben Ihrer Tochter.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

Daher beziehen Sie Ihr Wissen.

Zeuge Mor[dhorst]:

Daher beziehe ich ...

Vors.:

Ja. Und die weitere Frage: Haben Sie Ihre Tochter extra gefragt, ich meine, wurde mal darüber gesprochen?

Zeuge Mor[dhorst]:

Jawohl.

Vors.:

Haben Sie gefragt: „Bist[f] Du dabei“ ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

... oder schließen Sie es nur aus dem Stillschweigen?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, natürlich wurde dieser ganze Prozeß auch zuhause erörtert, ja. Und da hat meine Tochter immer behauptet, also mit solchen Methoden würde sie sich nie irgendwie identifizieren.

Vors.:

So daß Sie aus diesen Angaben und Ihren Beobachtungen schließen, daß sie zu keinem Zeitpunkt Vollmitglied der Roten-Armee-Fraktion gewesen ist?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

Die nächste Frage gleich: Wissen Sie etwas, ob Ihre Frau Tochter sich im Zusammenhang mit einer geplanten Entführung eines Verlegers namens Holtzbrinck in Stuttgart aufgehalten hat?

Zeuge Mord[horst]:

Nein, das hat sie ganz gewiß nicht.

Vors.:

Hat sie ganz gewiß nicht. Ich meine, war nun Ihre Tochter ständig zuhause oder war sie mal wegen des Studiums vielleicht, es war irgendwann mal vom Studium die Rede?

Zeuge Mor[dhorst]:

Darf ich mal eben erzählen, wie ich überhaupt darauf gekommen bin?

Vors.:

Bitte sehr.

[13381] Zeuge Mor[dhorst]:

Und zwar am 2. Juni 1972 erhielt ich nachmittags einen Anruf von der Kriminalpolizei in Hamburg, daß meine Tochter Susanne Mordhorst in Heilbronn aufgegriffen worden sei. Und ich wurde dann gefragt, ob ich eine Tochter Susanne hätte, jawohl; wann geboren, ich habe ihnen die Daten gesagt, ja, und darauf fragte der Kriminalbeamte, wo ist Ihre Tochter? Ich sage in Hamburg, die studiert hier. Dann sagt er, dann wissen Sie gar nicht, daß Sie in Heilbronn ist? Nein, sage ich, das weiß ich nicht. Ja, sagt er, dann muß ich Ihnen sagen, Ihre Tochter ist in Heilbronn aufgegriffen worden und dort verhört worden, und hat sich mit ihrem Pass ausgewiesen. Und wir sind gebeten worden, die Angaben, die sie dort gemacht hat, zu überprüfen. Und die Angaben stimmen ja; ich sage, weswegen ist aufgegriffen worden? Das kann ich Ihnen nicht sagen, das darf ich Ihnen nicht sagen; ich bin nur beauftragt, die Angaben, die eine angebliche Susanne Mordhorst dort in Heilbronn gemacht hat, zu überprüfen.

Aber dann ist das[g] in Ordnung. Damit war dieses Telefongespräch erledigt. Und dann habe ich mich[h] mit meiner Frau besprochen, ich habe ihr das erzählt, und da hat meine Frau sofort in Heilbronn zurückgerufen; sie hat sich die Nummer von der Kriminalpolizei geben lassen. Da war ein sehr freundlicher Beamter der sagte: Hätten Sie fünf Minuten eher angerufen, dann hätten Sie mit Ihrer Tochter sprechen können. Wir haben sie gerade wieder freigelassen und Ihre Tochter sagte - so der Kriminalbeamte -, sie würde abends noch wieder nach Hamburg zurückfahren.

Das ließ uns dann keine Ruhe, Und wir haben [i] bei einer Freundin von meiner Tochter in Hamburg, wo sie auch manchmal übernachtete[j], wenn das mit den Vorlesungen so hinkam, daß sie nachmittags Vorlesungen hatte und am nächsten Tag, ob die etwas wüsste, weswegen sie nach Heilbronn gefahren war. Und da war meine Tochter selbst am Telefon, also das war ungefähr 2 Stunden später; in zwei Stunden kann sie nicht von Heilbronn nach Hamburg gekommen sein. Und meine Tochter hat uns dann erklärt, sie wäre nie in Heilbronn gewesen und sie wäre auch nie, sie wüsste noch nicht, wo Heilbronn läge. Und da[k] hat meine Frau gesagt: Aber die Person dort hat sich doch[l] mit deinem [13382] Paß ausgewiesen. Darauf sagte meine Tochter: Momentmal; und dann hat sie ihre ganze Wohnung durchsucht, und der Paß war weg; da sagt sie: Mir ist der Paß gestohlen worden. Und[m] das haben wir noch sofort der Kriminalpolizei gemeldet.

Vors.:

Ist der Paß irgendwann mal wieder aufgetaucht?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, der ist nicht wieder[n] aufgetaucht.

Vors.:

Der wäre also seither verschwunden.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja. Seitdem hat meine Tochter nur ihren Personalausweis. Der Paß ist und blieb verschwunden.

Vors.:

Das war jetzt eine zusammenhängende Schilderung.

Nun, ich will Sie noch im Einzelnen jetzt fragen zu diesen noch restlichen Punkten hier - die eine Frage ist ja schon fast beantwortet -: Ob ihre Tochter die Aufgabe hatte und ausführte, diesen Herrn Holtzbrinck durch Observation aufzuklären, ihn abzuklären, Entschuldigung, nicht aufzuklären.

Zeuge Mor[dhorst]:

Von diesem ... habe ich überhaupt erst gehört, durch die Zeitungsmeldung, nach dem meine Tochter am 2. November in Mailand verhaftet worden war.

Vors.:

Ach so, letzten Jahres war das, das war 76.

Zeuge Mor[dhorst]:

76.

Vors.:

Jetzt, da ist also [o] dieser ganze Zeitraum dazwischen. Das andere spielte sich ja schon 72 ab, [p] wie Sie sagten.

Zeuge Mor[dhorst]:

72.

Vors.:

Gut. Dann noch die weitere Frage, ob Sie etwas davon wissen, daß Ihre Frau Tochter einen Koffer mit 30.000.-- DM aus Banküberfällen bei Verwandten deponiert habe.

Zeuge Mor[dhorst]:

Wir haben gar keine Verwandten ...

Vors.:

Sie haben keine Verwandten.

Zeuge Mor[dhorst]:

... hier in dieser Gegend.

Vors.:

Na also hier oder wo anders?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, nein, auch nicht, ganz gewiß nicht.

Vors.:

Ja, also das keine, ich meine, irgendwelche Verwandten haben Sie vielleicht schon irgendwo, nicht?

Zeuge Mor[dhorst]:

Darf ich noch etwas da hinzufügen?

Vors.:

Bitte sehr.

Zeuge Mor[dhorst]:

Einige Tage später kam aus Stuttgart ... -

Vors.:

Damit wir den Zeitraum, einige Tage später ...

[13383] Zeuge Mor[dhorst]:

Also 1972.

Vors.:

... 72, nach dieser Heilbronn-Geschichte.

Zeuge Mor[dhorst]:

Nach dieser Heilbronn-Geschichte, ja, - kam ein Schreiben von einer Wohnbaugesellschaft, daß Frl. Susanne Mordhorst in Stuttgart eine Wohnung gemietet hätte, eine Eigentumswohnung, und der Betrag für diese Wohnung wäre 2 mal überwiesen worden. Wohin sie das Geld zurückschicken sollten. Den Brief habe ich meiner Tochter gegeben, und sie hat sich dann einen Rechtsanwalt genommen und hat zurückgeschrieben, also das wäre sie nicht. Sie ist nie in Stuttgart gewesen. Und dann kam auch nochmal ein Anruf von einen Hotelpension in Heilbronn, da stünden noch Koffer mit dem, auf den Namen Susanne Mordhorst, die würden nicht wieder abgeholt. Und daraufhin habe ich gesagt, diese Koffer sollten sie zur Kriminalpolizei hinbringen[q]; das wären nicht die Koffer meiner Tochter.

Vors.:

Und schließlich noch die Frage, ob Sie irgend etwas davon wüßten, daß Ihre Tochter Blanko-Rezepte zur Verfügung gehabt habe und ob sie auf solche Blanko-Rezepte, falls sie solche gehabt hätte, Schlafmittel und Allergiemedikamente für den Herrn Müller besorgt habe.

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, ganz gewiß nicht.

Vors.:

Da wissen Sie auch nichts von.

Darf ich fragen, was studiert Ihre Tochter?

Zeuge Mor[dhorst]:

Psychologie, Philologie und Soziologie.

Vors.:

Also kein Fach, wo man für gewöhnlich Rezepte zur Verfügung hat.

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein.

Vors.:

Gut. Ich will Ihnen jetzt, Herr Mordhorst, einen Artikel vorlesen, der im „Spiegel“ kam, unterschrieben, „Helmut Mordhorst“.

Zeuge Mor[dhorst]:

Jawohl, der ist von mir.

Vors.:

Und zwar im „Spiegel“ Nr. 53 vom 27.12.76. Da stand folgendes abgedruckt. Wenn Sie mir bitte sorgfältig zuhören, [r] damit Sie mir am Schluß sagen können, ob das wörtlich das ist, was Sie geschrieben haben. Wenn Sie mitlesen wollen, dann könnte ich Ihnen ein Exemplar vorlegen, dann könnten Sie sich vergewissern.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, ich kenne den Artikel, und den habe ich zusammen mit meinem Rechtsanwalt aufgesetzt.

[13384] Vors.:

Wenn Sie’s [s] nicht benötigen, dann macht es nichts; nur falls Sie Zweifel hätten.

RA Schi[ly]:

Nur der Klarstellunghalber: Es war[t] ein Leserbrief, nicht?

Vors.:

Ja, Leserbrief.

Zeuge Mor[dhorst]:

Leserbrief.

Vors.:

Ja, also Artikel, also es steht ja nicht Leserbrief drüber, nicht.

Dem Zeugen wird eine Ablichtung seines im „Spiegel“ Nr. 53 vom 27.12.76 erschienen Leserbriefs vorgelegt.

Vors.:

Da heißt es also unter der Überschrift „Paß mißbraucht“ - auf Seite 9 dieser genannten Ausgabe ist das - „(Nr. 46 aus 1976 ‚Panorama‘). Sie berichten unter „Ehe auf italienisch“ über die Verhaftung der mutmaßlichen ‚RAF-Angehörigen‘ Susanne Mordhorst und sprechen in diesem Zusammenhang von einer möglichen ‚konfliktträchtigen Neuauflage eines Auflieferungsspektakels à la Rolf Pohle‘.[11] Dazu bemerke ich folgendes: Susanne Mordhorst-Stasi ist meine Tochter. Sie ist nach Abschluß ihres Studiums in Deutschland im Herbst 1974 zur weiteren Ausbildung nach Italien gegangen, und hat dort im Oktober dieses Jahres geheiratet. Sie ist mit der gesuchten mutmaßlichen RAF-Angehörigen Susanne Mordhorst nicht identisch. Zu ihrer Verhaftung ist es[u] nur deshalb gekommen, weil der ihr entwendete Reisepaß offensichtlich von RAF-Angehörigen mißbraucht wurde. Nach dem meiner Tochter im Jahre 1972 der Paß abhandengekommen war, hat sich eine fremde Person mit dem Paß meiner Tochter bei einer Überprüfung durch die Kriminalpolizei ausgewiesen. Diese Person hatte auf dem Namen meiner Tochter auch eine Wohnung angemietet, und in einem Hotel Koffer unter dem Namen meiner Tochter hinterlassen. Diese Person ist mit meiner Tochter nachweislich nicht identisch. Die Verhaftung meiner Tochter, über die Sie berichten, wurde dadurch ausgelöst, daß im Baader-Meinhof-Prozeß der Zeuge Gerhard Müller[12] eine Person mit dem Namen Susanne Mordhorst belastete, bei der es sich entweder nur um dieselbe Person handeln kann, die seinerzeit schon den Paß meiner Tochter mißbraucht hat oder um eine andere Person, die sich des Paßes [13385] meiner Tochter bedient hat. Hamburg, Helmut Mordhorst.“

Ist das von Ihnen geschrieben und so abgedruckt, wie Sie es geschrieben haben?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, ja.

Vors.:

Und gibt das auch Ihren derzeitigen Wissensstand und Kenntnisstand wieder?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

Kann man davon ausgehen, daß das auch heute noch so von Ihnen geschrieben werden könnte, wie Sie es damals geschrieben haben?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

Insbesondere nochmal auf dieses Telefongespräch zurückgehend, das damals alsbald nach dem Anruf, der von[v] Ihrer Frau bei der Kriminalpolizei in Heilbronn geführt wurde, mit der Freundin Ihrer Tochter, wo Sie möglicherweise sie vermuteten. Können Sie mit einiger Sicherheit sagen, daß es etwa 2 Stunden später war?

Zeuge Mor[dhorst]:

Also ich will mich nicht auf 2, es können auch 3 Stunden gewesen sein.

Vors.:

Wir müssen es ja irgendwie eingrenzen, nicht. Sie sagten ja, es sei ein Zeitraum gewesen, der es eigentlich nicht möglich mache, daß man in dieser Zeit von Heilbronn nach Hamburg gelangen könne.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

Wie wollen Sie es zeitlich, wollen Sie es noch irgendwie näher eingrenzen oder weiter eingrenzen oder ...? Ich will Sie ja auch nicht auf eine Zeitansage festlegen, die nicht stimmt.

Zeuge Mor[dhorst]:

Darf ich mal eben ...?

Vors.:

Bitte sehr.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ich habe damals Notizen gemacht.

Vors.:

Ja, schauen Sie nach dort.

Zeuge Mor[dhorst]:

2. Juni. Der Anruf von[w] der Kriminalpolizei in Hamburg kam um 18.15 Uhr. Und kurz nach 19.00 Uhr hat meine Frau in Heilbronn zurückgerufen bei der Kriminalpolizei, da war sie entlassen. Und das war kurz nach 21.00 Uhr - ja, kurz nach 21.00 Uhr -, daß wir telefonisch hier in Hamburg mit unserer Tochter gesprochen haben.

Vors.:

Ja. Und der Grund Ihres Anrufes bei der Freundin war welcher?

[13386] Zeuge Mor[dhorst]:

Wir wollten wissen, ob meine Tochter überhaupt nach Heilbronn gefahren war und aus welchen Gründen, ja? Denn es kam uns komisch vor, weil sie uns nichts davon gesagt hatte.

Vors.:

Sie studierte an sich in Hamburg, habe ich Ihren Worten entnommen.

Zeuge Mor[dhorst]:

Sie studierte[x] in Hamburg, ja.

Vors.:

Und[y] Sie waren erstaunt, was Ihre Tochter plötzlich in Heilbronn zu suchen hätte ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, ja.

Vors.:

... und waren im Zweifel, ob sie das auch sei, und deswegen haben Sie bei der Freundin angerufen.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, vor allem ... Zunächst mal, wenn die Kriminalpolizei sagt, wir haben sie aufgegriffen und sie hat sich mit einem Paß ausgewiesen, nimmt man ja an, daß das stimmt, ja?

Vors.:

Ja.

Zeuge Mor[dhorst]:

Und da stellte meine Tochter dann fest, auf diesen Anruf hin, von meiner Frau, daß ihr Paß nicht mehr in Ihrem Schreibtisch lag oder wo sie ihn dort aufbewahrte.

Vors.:

Als sie dann wieder zu Hause war und nachsuchte.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

Ja, gut. Ich habe im Augenblick keine Fragen.

Sind noch Fragen?

Bitte sehr.

Richter Mai[er]:

Herr Mordhorst, wie sieht Ihre Tochter aus? Ist sie groß oder klein?

Zeuge Mor[dhorst]:

Sie ist also ziemlich groß, etwas kleiner als ich, sagen wir 1,75 m, blonde Haare, schlank.

Richter Mai[er]:

Dunkle Haare?

Zeuge Mor[dhorst]:

Blond.

Richter Mai[er]:

Blonde Haare.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Evtl. auch dunkelblond?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, nein, hellblonde.

Richter Mai[er]:

Blond, ausgesprochen blond. Schlank?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Die Stirne hoch, niedrig?

Zeuge Mor[dhorst]:

Normal.

Richter Mai[er]:

Normal würden Sie sagen.

[13387] Richter Mai[er]:

Nase, Mund?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, ich ...

Richter Mai[er]:

Entschuldigen Sie, wenn ich so frage, Herr Mordhorst, aber es geht hier ja evtl. um eine Person ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, wenn ich das gewußt hätte, hätte ich ein Bild von ihr mitgebracht. Ich hätte auch ein Bild von meiner Frau mitbringen können, das ist genau dasselbe ...

Richter Mai[er]:

Da können Sie nichts ...

Vors.:

Ich habe nicht verstanden. Sie haben kein Bild mitgebracht oder ein Bild mitgebracht?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, ich habe ...

Vors.:

Keines, ja.

Zeuge Mor[dhorst]:

Leider nicht.

Richter Mai[er]:

Brillenträgerin?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Nicht. Dankeschön.

Vors.:

Bitte sehr.

Richter Dr. Breu[cker]:

Herr Mordhorst, hat Ihre Tochter in der Zeit, über die Sie eben berichtet haben, bei Ihnen gewohnt und auch fortlaufend in Ihrer Wohnung übernachtet?

Zeuge Mor[dhorst]:

Also nicht fortlaufend. Sie hat, also ihr ständiger Wohnsitz war bei mir zu Hause, aber sie hatte manchmal übernachtet bei einer Studienkollegin in Hamburg, die eine Studentenwohnung in Hamburg bei der Universität hatte, und mit der sie auch zusammengearbeitet hat.

Richter Dr. Breu[cker]:

Sie sagten vorhin, nachdem ein Herr aus Stuttgart gekommen sei und drauf hingewiesen habe, daß zweimal für eine Wohnung bezahlt worden sei, habe sich Ihre Tochter ... -

Zeuge Mor[dhorst]:

Augenblick, das war schriftlich.

Richter Dr. Breu[cker]:

Schriftlich, ja.

Zeuge Mor[dhorst]:

Also schriftlich ...

Richter Dr. Breu[cker]:

Richtig. - daraufhin habe sich Ihre Tochter an einen Rechtsanwalt gewandt. Wissen Sie ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Weil ich Ihr geraten habe, es könnten ja auch Forderungen kommen um also, daß sie noch was bezahlen müsste.

Richter Dr. Breu[cker]:

Wissen Sie den Namen dieses Rechtsanwalts?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, das kann ich Ihnen leider nicht sagen.

Richter Dr. Breu[cker]:

Danke.

[13388] Vors.:

Sonstige Fragen? Die Bundesanwaltschaft. Bitte sehr, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Zeuge, ich habe eine Frage. Wie waren die Kontakte Ihrer Tochter zu ihrer Familie während des Studiums? Hat sie ihre Familie, also Sie und Ihre Frau besucht? In welchen Abständen, sind Telefongespräche geführt worden?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, sie hat ja meistens bei uns gewohnt; sie war in der Familie.

BA Dr. Wu[nder]:

Meistens, können Sie das vielleicht jetzt ein bißchen [z] präzisieren. War sie ganze Wochen weg?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein.

BA Dr. Wu[nder]:

War sie in der Woche häufig bei Ihnen?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, also ...

BA Dr. Wu[nder]:

Das möchte ich etwas[aa] genauer wissen, Herr Mordhorst, wenn Sie sich das vielleicht nochmal überlegen.

Zeuge Mor[dhorst]:

Also manchmal, je nach ihren Vorlesungsplänen ja, war sie halbewochenweise oder auch vier, fünf Tage in der Woche bei uns. Manchmal blieb sie 2, 3 Tage bei ihrer Freundin in Hamburg.

BA Dr. Wu[nder]:

Können Sie sagen, Herr Zeuge, von wann ab Ihre Tochter zu dieser Freundin gezogen ist, in welchem Jahr das etwa war, wo sie also die ständige Hausgemeinschaft mit ihrer Familie aufgegeben hat?

Zeuge Mor[dhorst]:

Das muß im Laufe des Jahres 72 gewesen sein.

BA Dr. Wu[nder]:

72.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

BA Dr. Wu[nder]:

Lebte Ihre Tochter in einer Wohngemeinschaft?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein.

BA Dr. Wu[nder]:

Nicht. Wissen Sie, ob Ihre Tochter während der Zeit Ihres Studiums Studienfahrten unternommen hat?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, also ...

BA Dr. Wu[nder]:

Sei es innerhalb der Bundesrepublik, sei es außerhalb der Bundesrepublik.

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, nein, hat sie nicht.

BA Dr. Wu[nder]:

Kam Ihre Tochter mit Freunden oder Freundinnen zu Ihnen in die Wohnung? Das heißt, kennen Sie, außer dieser einen Freundin, ihren Bekanntenkreis?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

[13389] BA Dr. Wu[nder]:

Wieviel Personen kennen Sie etwa aus dem Bekanntenkreis?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, sie hat manchmal Studiumkolleginnen mitgebracht, Studienkollegen, manchmal ... sie hat wahrscheinlich auch einen Freund gehabt während dieser Zeit.

BA Dr. Wu[nder]:

Das interessiert nicht näher[bb]. Gut, Dankeschön.

Vors.:

Sonstige Fragen?

OStA Z[eis]:

Ich habe noch ein paar Fragen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ja, bitte.

OStA Z[eis]:

Herr Mordhorst, ist die Verteidigung an Sie herangetreten, damit sie Sie als Zeugen benennen kann, oder haben Sie sich der Verteidigung als Zeugen angeboten?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, ich weiß noch gar nicht mal ganz[cc] wie ich zu dieser Ehre komme, hier heute auszusagen. Ich kriegte ja, während ich im Krankenhaus war, einen Anruf, ob ich hier aussagen könnte. Ich weiß nicht, auf welche Veranlassung oder auf wessen Veranlassung hin das geschehen ist.

OStA Z[eis]:

Eine weitere Frage. Haben Sie diese Leserzuschrift an den „Spiegel“ aus eigener Veranlassung geschrieben?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Habe ich Sie vorhin da richtig verstanden, daß Ihr Rechtsanwalt Ihnen behilflich gewesen sei, bei der Abfassung dieser Leserzuschrift?

Zeuge Mor[dhorst]:

Jawohl. Ich habe mir auf die Nachricht von der Verhaftung meiner Tochter, habe ich mich an einen Rechtsbeistand gewandt, und, um nun auszuloten, was zu unternehmen ist, damit dieser Verdacht von meiner Tochter genommen wird; denn die Zeitungen schrieben ja alle, als wenn das eine ausgemachte Sache wäre, daß sie zu dieser Gruppe „RAF“ und, wie heißt die andere noch, Baader-Meinhof-Gruppe gehört.

OStA Z[eis]:

Ist Ihnen noch erinnerlich, Herr Mordhorst, wann genau Sie an den „Spiegel“ geschrieben haben, das Datum? Veröffentlicht wurde es erst in der Nummer 53. Und der Artikel, auf den Sie sich beziehen, lag ja einige Wochen zuvor, das war, glaube ich, die Nr. 46.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, und mit meinem Rechtsanwalt zusammen hatte ich darum gebeten, eine Richtigstellung zu bringen, und worauf uns der „Spiegel“, der Redakteur zurückschrieb[dd], zu einer Richtigstellung wären sie nicht verpflichtet. [13390] Aber sie böten uns an in Form eines Leserbriefes darauf, dazu Stellung zu nehmen.

OStA Z[eis]:

Darf ich fragen, wer dieser Anwalt ist?

Zeuge Mor[dhorst]:

Jawohl, das ist Herr Hans-Helmut Segelken in der Fa. Segelken & Suchopal (phon.) in Hamburg.

OStA Z[eis]:

In Hamburg. Herr Mordhorst, in dieser Leserzuschrift befindet sich unter anderem dieser Satz: „Diese Person ist mit meiner Tochter nachweislich nicht identisch.“

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Darf ich fragen, wie Sie so apodiktisch hier sagen können „nachweislich“?

Zeuge Mor[dhorst]:

Weil nach dieser Heilbronner-Geschichte vom Juni 72 ist noch später ein[ee] Fahndungsbeamter aus Heilbronn hier in Hamburg gewesen, und hat mit meiner Tochter selbst gesprochen; und der hat zugegeben, daß meine Tochter, die er in Hamburg gesprochen hat, nicht identisch ist mit der Person, die er in Heilbronn vernommen hat am 2. Juni.

OStA Z[eis]:

Wem gegenüber hat er das zugegeben? Ihnen? Waren Sie da dabei?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, ich war nicht dabei, ich war unterwegs, meiner Tochter gegenüber.

OStA Z[eis]:

Und das hat Ihnen Ihre ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Und der war zusammen da mit einem Kriminalbeamten aus Hamburg.

OStA Z[eis]:

Und das hat[ff] Ihnen wiederum Ihre Tochter dann mitgeteilt?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Jetzt doch nochmal die präzise Frage, Herr Mordhorst: Können Sie ausschließen, daß Ihre Tochter Frühjahr, Spätfrühjahr 72 einmal sich einmal in Stuttgart aufgehalten hat?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, das kann ich mit 90 % Sicherheit ausschließen. Also ich habe die Wege meiner Tochter nun nicht im Einzelnen verfolgt, ich habe sie nicht beschattet. Eine 24-jährige - damals war sie 24 Jahre alt - Studentin, da kann ich nicht, lauf ich nicht dauernd hinterher und frag: Wo bist Du gewesen.

OStA Z[eis]:

War Ihre Tochter sehr überrascht, als sie den Verlust des Paßes feststellte?

[13391] Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Hat sie irgend etwas unternommen, um wieder in den Besitz dieses Paßes zu kommen?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja also ich hatte ihr geraten, einen Rechtsanwalt zu nehmen und daß auf juristischem Wege alle Schritte zu unternehmen, den Paß als verloren zu melden. Wo das nun gemacht wird, weiß ich nicht.

OStA Z[eis]:

Ist Ihre Tochter Ihrem Rat gefolgt?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Das wissen Sie sicher?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Das wissen Sie sicher. Haben Sie mit Ihrer Tochter noch zur Zeit Kontakt, brieflich, mündlich?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Haben Sie mit Ihrer Tochter über die heutige Vernehmung gesprochen?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, sie rief am Montag an. Und ich habe ihr gesagt, daß ich für heute hierhergebeten worden wäre, auszusagen.

OStA Z[eis]:

Haben Sie sonst noch etwas mit Ihrer Tochter gesprochen mit Ausnahme, also ich meine jetzt private Dinge, sondern in Bezug auf die heutige Vernehmung?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, sie fragte mich nur: Wie kommst Du dazu dort auszusagen, Du hast doch mit der ganzen Sache gar nichts zu tun an und für sich. Aber ich sage; Ich möchte Dir helfen, daß Du jedenfalls wieder uns, nach Deutschland zurückkommen kannst, um[gg] uns jedenfalls zu besuchen; was ja im Augenblick noch gar nicht möglich ist, solange dieser Verdacht gegen sie weiterbesteht.

OStA Z[eis]:

Wissen Sie, ob sich ihre Tochter mal an die Bundesanwaltschaft gewandt hat, um dieses Mißverständnis aufzuklären?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ich habe nur von ihr gehört, daß sie sich dort einen Rechtsanwalt genommen hat.

OStA Z[eis]:

Wo?

Zeuge Mor[dhorst]:

In ...

OStA Z[eis]:

In Italien?

Zeuge Mor[dhorst]:

In Mailand.

OStA Z[eis]:

Herr Mordhorst, Sie haben vorhin doch, glaube ich, [13392] so ein Notizbuch vorgezogen ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

... aus dem Sie irgend etwas festgestellt haben.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

OStA Z[eis]:

Darf ich fragen, wann Sie diese Eintragungen gemacht haben? Um 19.00 Uhr handelte es sich, glaube ich.

Zeuge Mor[dhorst]:

Also ich bin seit 1953 als Lotse tätig, ja. Und dort schreibe ich mir immer die - also das ist mein Lotsenbuch, ja, - die Schiffe, die ich gelotst habe, rein und raus und die Zeiten, und auch dann eben besondere private Dinge. Und dieser Anruf von der Kriminalpolizei war ja etwas besonderes; deswegen hatte ich das da mit reingeschrieben.

OStA Z[eis]:

Gut, ich habe vorläufig keine Fragen mehr, danke.

Vors.:

Sonstige Fragen?

OStA H[olland]:

... Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte.

OStA H[olland]:

Herr Mordhorst, Sie haben vorhin als Berufsbezeichnung Kapitän angegeben, soeben haben Sie das näher eingegrenzt und haben gesagt, Sie sind als Lotse derzeit tätig. Ich darf, Herr Mordhorst, ich darf Sie fragen: Waren Sie in den letzten Jahren ständig zu Hause oder waren Sie auf längere Zeit unterwegs?

Zeuge Mor[dhorst]:

Was bezeichnen Sie als längere Zeit? Also als ...

OStA Ho[lland]:

Vielleicht einen Monat?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, nein solange nicht. Also ...

OStA Ho[lland]:

Ich darf mal anders fragen, Herr Mordhorst.

Seit wann genau arbeiten Sie als Lotse?

Zeuge Mor[dhorst]:

Seit 1953

OStA Ho[lland]:

Seit 53.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja.

Vors.:

Ja vielleicht, Herr Mordhorst, Sie könnten vielleicht sagen, was Sie für ein Lotse sind? Es gibt ja Hafenlotsen, es gibt ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Elblotse.

Vors.:

... Elblotse. Die Hafenlotsen sind vielleicht etwas kürzer unterwegs als ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, ja ...

Vors.:

... als die Lotsen, die bis zum Feuerschiff fahren, nicht. Vielleicht könnten Sie das erklären. Sie sind Elblotse, ja?

[13393] Zeuge Mor[dhorst]:

Ich bin Elblotse; und unsere Reisen, die dauern 24 Stunden, manchmal dauern sie länger, wenn kein Platz für das Schiff da ist, dann müssen wir ankern. Dann kann es auch mal sein, daß ich 1, 2 Tage von zu Hause weg bin.

OStA Ho[lland]:

Herr Mordhorst, dann habe ich noch eine Frage. Und zwar, Herr Mordhorst, ist Ihnen etwas bekannt und zwar ganz allgemein über politische Betätigungen Ihrer Tochter in den vergangenen Jahren?

Zeuge Mor[dhorst]:

Also sie hat sich politisch sehr engagiert; ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich halte ...

Zeuge Mor[dhorst]:

... sie war auch an der Universität beim AStA tätig.

RA Schi[ly]:

... die Frage für unzulässig.

Herr Vorsitzender, ich bitte - Herr Mordhorst, eine Sekunde bitte - ich halte die Frage für unzulässig.

Vors.:

Ja, warum tun Sie das?

RA Schi[ly]:

Na, ich glaube nicht, daß es Sinn der Zeugenbefragung ist, einen Vater über die politische Betätigung seiner Tochter auszufragen, ob sie Parteimitglied ist oder nicht usw. Ich finde das ist wirklich, gehört wohl nicht mehr zur Sache. Ich meine, ich habe mir das sehr geduldig angehört, was die Herren Bundesanwälte hier zu fragen haben; aber ich finde, das geht doch ein bißchen, einen Schritt zu weit.

Vors.:

Ja, nun ich bin der Auffassung auch, daß die Frage, jedenfalls in dieser Allgemeinheit, wohl bedenklich erscheint. Ich meine „politische Betätigung“, das umfaßt ja ein sehr weites Spektrum, Herr Bundesanwalt.

OStA Ho[lland]:

Herr Vorsitzender, ich wäre noch zur Eingrenzung ...

Vors.:

Es gibt da Dinge, die mit diesem Prozeß sicher nichts zu tun haben; es gibt auch welche, die möglicherweise mit diesem Verfahren etwas zu tun haben könnten. Ich meine, Sie können ja mal versuchen, die Frage einzugrenzen. Wir können es dann ...

OStA Ho[lland]:

Herr Vorsitzender, es geht mir allein darum zu überprüfen, inwieweit der Zeuge tatsächlich über den privaten Bereich seiner Tochter orientiert war.

Und dient der Vorbereitung; der Überprüfung dieser Dinge dient meine Frage.

Vors.:

Nur scheint mir die Frage, so, wie sie gestellt ist, zu allgemein zu sein.

[13394] OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender, wenn ich die Frage präziser stelle, dann wirft man mir unter Umständen eine Suggestivfrageweise vor.

Vors.:

Ach keinesfalls. Ich meine, Sie könnten doch z. B. fragen, Sie könnten doch z. B. fragen: Ist Ihnen bekannt, daß Ihre Tochter sich in einem Sinne betätigt hat, der in irgendeine bestimmte Richtung geht oder dergleichen, nicht.

RA Schi[ly]:

Ich würde allerdings dann vorschlagen, das Wort „ob“ zu verwenden im Nebensatz.

Vors.:

„Ob“, habe ich etwas anderes gesagt?

RA Schi[ly]:

Ja, Sie haben „daß“ verwendet.

Vors.:

Ja, also dann ersetze ich das „daß“ durch ein „ob“.

Sie müssten es wohl ein bißchen konkretisieren. Ich meine, „politische Betätigung“, das ist vieles, nicht? Es kann ja Gemeinderat gewesen sein, was weiß ich.

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender ich darf an[hh] die Antwort von Herrn Mordhorst anknüpfen und darf ihn fragen, ob sich seine Tochter in irgendeiner Weise über den eigentlichen Studienbereich hinaus an der Universität besonders engagiert hat.

Vors.:

Das geht mir auch zu weit. Das „besonders engagiert“, das ist wiederum ...

Zeuge Mor[dhorst]:

Ich weiß, daß sie ...

RA Schi[ly]:

Herr Mordhorst ...

Zeuge Mor[dhorst]:

... daß sie im Studentenausschuß ...

RA Schi[ly]:

Herr Mordhorst, die Frage ist ja bisher noch gar nicht zugelassen.

Ich beanstande die Frage auch.

Vors.:

„Sich besonders engagiert hat“, das könnte auch sein, daß sie sich, was weiß ich, im Institut für Leibesübungen oder dergleichen ...

OStA Hol[land]:

Ich wüßte nicht, warum das ... wäre.

Vors.:

Ja, ich meine, Sie sollten es, es wäre möglich, die Frage noch weiter einzugrenzen, so daß sie völlig unbedenklich ist. Denn wir wollen nicht allgemein einer möglichen politischen Betätigung nachspüren, sondern wir wollen, wenn überhaupt politische Betätigung, dann nur nachprüfen, soweit sie sich einigermaßen zielstrebig zu dem hier behandelten Thema zubewegt.

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender, unter den Umständen verzichte ich auf meine Frage. Die Widersprüche und Beanstandungen [13395] durch Herrn Rechtsanwalt Schily besagen genug.

Vors.:

Nun gut, dann will ich vielleicht fragen. Ich meine, der Punkt ist nicht ganz uninteressant.

Herr Mordhorst, wissen Sie, haben Sie irgendwelche Kenntnisse, wie sich die sogenannte „RAF“, als deren Mitglied ja irgend jemand mal Ihre Tochter wohl bezeichnet hat, wie die sich so in allgemeinen politischen Dingen stellt[ii] oder was die für Ansichten vertritt? Haben Sie darüber Kenntnisse?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, also keine fundierten Kenntnisse, daß ich nun genau sagen könnte, was sie ...

Vors.:

Wenn Sie da Kenntnisse hätten, dann hätte ich Sie gefragt, ob da möglicherweise ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

... jetzt horchen Sie doch mal zu ...

RA Schi[ly]:

Nein.

Vors.:

... lassen Sie mich das mal fragen.

... dann hätte ich Sie gefragt, ob eine Übereinstimmung der Tätigkeiten Ihrer Tochter mit diesen Auffassungen und Tätigkeiten bestünde? Das ist eine Frage, die ich nun für zulässig halte, weil sie eingrenzt ist.

Zeuge Mor[dhorst]:

Also ...

Vors.:

Wenn Sie da was dazu sagen könnten.

Zeuge Mor[dhorst]:

Ich könnte sagen, daß ich dazu nicht aussagen[jj] will. Aber soweit ich mit meiner Tochter darüber gesprochen habe, hat sie sich in dieser Richtung nicht betätigt.

Vors.:

Ja. Haben Sie mit Ihrer Tochter überhaupt Gespräche geführt über solche Dinge?

Zeuge Mor[dhorst]:

Ja, oh ja.

Vors.:

Sie meinen, da sei eine Übereinstimmung dieser Dinge, wobei die Übereinstimmung natürlich nur soweit gehen kann, als Sie überhaupt wissen, was die „RAF“ also da will und vertritt. Haben Sie nicht festgestellt oder festgestellt oder[kk] wie würden Sie sich äußern?

Zeuge Mor[dhorst]:

Also, soweit ich sie richtig verstanden habe: Diese Art Betätigung hat meine Tochter als nicht adäquat abgelehnt, wie sie durch die „RAF“ z. B. praktiziert wurde, ja?

[13396] Vors.:

Ja. Wobei Sie jetzt unter Betätigung speziell was verstehen?

Zeuge Mor[dhorst]:

Also politische Betätigung, Terroraktionen und Geiselnahmen, Banküberfälle; das lehnt sie grundsätzlich ab.

Vors.:

Gut, ich glaube wir sind, jetzt habe ich die Frage so gestellt, wie sie meines Erachtens zulässig ist.

Sind sonst noch Fragen zu stellen?

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Herr Mordhorst, ich habe zunächst mal zwei Fragen.

Sind Sie einmal in dem Ermittlungsverfahren, das ja gegen Ihre Frau Tochter noch läuft, mal als Zeuge vernommen worden?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Von der Kripo oder von der Bundesanwaltschaft?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, nein.

RA Schi[ly]:

Hat man Sie mal angesprochen seitens der Strafverfolgungsbehörden, daß Sie doch eine Zeugenaussage machen sollten?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Auch nicht.

Auch nicht nach Veröffentlichung dieses Leserbriefes?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein.

RA Schi[ly]:

Ich weiß nicht, Herr Vorsitzender, ob Sie gestatten. Ich meine, ich habe hier eine Ablichtung eines Artikels in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 10.11.76 über den Fall Mordhorst - und da ist ein Foto, nicht sehr gut erkennbar - ob ich das mal vorhalten darf. Ich knöpfe da an sich an die Frage von dem Herrn Beisitzer Maier an.

Vors.:

Keine Einwendungen.

Rechtsanwalt Schily übergibt eine Ablichtung eines Artikels aus den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 10.11.1976, über welchem sich 2 Bilder befinden, dem Gericht.

[13397] Diese Ablichtung wird den Zeugen mit der Bitte um Erklärung vorgelegt, ob eines der beiden Bilder seine Tochter darstelle.

Der Zeuge deutet auf das linke Bild und erklärt:

Dies könnte sie sein.

Das rechte Bild ist sie mit Sicherheit nicht.

Das Gericht nimmt daraufhin die 2 von Rechtsanwalt Schily übergebenen Bilder, welche sich über dem Artikel in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 10.11.1976 befinden, in Augenschein.[13]

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.

Eine Fotokopie dieser von Rechtsanwalt Schily vorgelegten Ablichtung wird als Anlage 1 zu Protokoll genommen.

RA Schi[ly]:

Eine Frage habe ich noch.

Vors.:

Bitte.

RA Schi[ly]:

Wissen Sie noch den Namen dieses Beamten, der seinerzeit mit Ihrer Frau Tochter gesprochen hat oder hat Ihre Tochter Ihnen den Namen nicht gesagt, aus Heilbronn?

Zeuge Mor[dhorst]:

Nein, ich war zu dem Zeitpunkt auch nicht da - ich war unterwegs, das war während meiner Abwesenheit. Aber der Vernehmungsbeamte aus Heilbronn, der hieß Zieger oder Ziegler.

RA Schi[ly]:

Zieger oder Ziegler, danke.

Zeuge Mor[dhorst]:

Den Namen entsinne ich noch.

RA Schi[ly]:

Ja ich bedanke mich, Herr Mordhorst.

Der Zeuge Helmut Mordhorst wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 11.12 Uhr entlassen.

[13398][14] [13399] RA Schi[ly]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Bitte sehr.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich verzichte darauf, eine längere Erklärung nach § 257[ StPO][15] abzugeben, weil ich der Meinung bin, daß die Aussage des Zeugen Mordhorst für sich selbst spricht. Ich möchte aber nicht versäumen, auf die Bemerkung von Herrn Bundesanwalt Holland einzugehen, der hier so eine Absage seiner Fragen in der Form vorgenommen hat, daß er sagt: Der Widerspruch des Verteidigers Schily gegen unzulässige Fragen spreche für sich selbst. Das ist eine Form der Argumentation, die wir zwar von der Bundesanwaltschaft gewohnt sind, die aber gleichwohl eindrucksvoll rechtlich unzulässig ist. Aber offenbar ist der Bundesanwaltschaft daran gelegen, derartige Eindrücke immer wieder zu erneuern.

Im Übrigen stelle ich den Antrag oder wiederhole den Antrag vom 8. November 1976

auf Vernehmung von Frau Susanne Stasi-Mordhorst

zu dem dort am 8. November mitgeteilten Beweisthema.

Ich meine, daß spätestens mit der Aussage des Zeugen Mordhorst sich diese Notwendigkeit dieser Vernehmung ergeben hat und daß auch die seinerzeit geltend gemachten Gründe einer solchen Vernehmung nicht entgegenstehen.

Ferner stelle ich den Antrag zu dem gleichen Beweisthema,

die Ermittlungsakten der Bundesanwaltschaft beizuziehen und zugleich festzustellen, wer der sachbearbeitende Bundesanwalt bei der Bundesanwaltschaft ist für dieses Ermittlungsverfahren, damit notfalls auch dieser als Zeuge zu diesem Sachverhalt vernommen werden kann.

Ferner stelle ich den Antrag,

den Kriminalbeamten Zieger oder Ziegler, zu laden über die Kriminalpolizei in Heilbronn, zu vernehmen

zum Beweise dafür,

daß nach den Feststellungen der Kriminalpolizei in Heil- [13400] bronn Frau Susanne Mordhorst-Stasi sich nicht im Jahre 1972 in Heilbronn aufgehalten hat.

Ich behalte mir vor, noch weitere Beweisanträge in dem gleichen Zusammenhang zu stellen. Das werd’ ich nach Prüfung der heutigen Aussage von Herrn Mordhorst unter Einbeziehung der mir vorliegenden Unterlagen noch zu bedenken haben, welche weiteren Anträge zu stellen sind.

Vors.:

Haben Sie, Herr Rechtsanwalt, Anhaltspunkte, daß Frau Mordhorst-Stasi jetzt bereit wäre, nach Deutschland zu einer Zeugenvernehmung zu kommen? Das ist nur eine ergänzende Frage zu Ihrem ersten Beweisantrag.

RA Schi[ly]:

Ich kann darüber keine Aussagen machen. Ich kann hier freimütig sagen, daß ich weder mit Frau Stasi-Mordhorst korrespondiert noch mit ihr gesprochen habe. Aber ich glaube auch, daß es darauf letzten Endes nicht ankommt. Selbst wenn Frau Stasi-Mordhorst nur bereit ist, in Italien auszusagen, meine ich, daß die Angaben, mindestens die Angaben von Herrn Mordhorst hier heute Veranlassung geben, von den Möglichkeiten[16] Gebrauch zu machen, Frau Mordhorst in Italien zu vernehmen. Und das Gericht sollte doch davon absehen, vielleicht Schwierigkeiten, die mit einer solchen Vernehmung verbunden sind rein technischer Natur, hier zum Anlaß zu nehmen, einen solchen wichtigen Beweisantrag abzulehnen. Immerhin ist es ja auch möglich gewesen, in Triest in einem anderen Fall[17] eine solche kommissarische Vernehmung vorzunehmen. Ich wüßte nicht, warum hier in dem Fall Stasi-Mordhorst andere Gesichtspunkte ...

Vors.:

Ja wenn Sie es nicht wissen, dann will ich Sie, Herr Rechtsanwalt, insofern aufklären. Der Unterschied ist eben, daß diese kommissarische Vernehmung in Triest eine konsularische war. Ja, und Frau Mordhorst-Stasi als Italienerin kann konsularisch nicht vernommen werden.[18] Doppeltstaatler können konsularisch nicht vernommen werden. Also so sind[ll] meine Rechtskenntnis.

RA Schi[ly]:

Ja, ich werde es nochmal nachprüfen, aber ich bin der Meinung, daß es durchaus geht. Bei Doppelstaatlern wird zu- [13401] mindest dann zu prüfen sein, ob es nur darum geht, daß also Frau Mordhorst dann vielleicht freiwillig[mm] dort erscheint auf dem Konsulat oder ob also schon von den konsularischen Aufgaben her es unzulässig wäre. Das weiß ich nicht, ob Sie das geprüft haben. Im übrigen meine ich aber ...

Vors.:

Ja, nun, weil Sie den Vergleich mit Triest heranzogen.

RA Schi[ly]:

Wenn es also nur darum gehen sollte, daß in dem einen Fall vielleicht ein italienischer Richter oder wer immer eine Vernehmung vornehmen sollte und im anderen Falle der Konsularbeamte die technischen Schwierigkeiten vielleicht doch in beiden Fällen überwindbar sind, dann sollte man auch solche technischen Schwierigkeiten nicht zum Anlaß nehmen, diesem Beweisantrag entgegenzutreten.

Vors.:

Ja. Sonstige Erklärungen zu dieser Vernehmung?

BA Dr. W[under]:

Ja, eine Erklärung nach § 257[ StPO].

Vors.:

Ja, bitte.

BA Dr. W[under]:

Die Aussage des Zeugen Mordhorst weist meiner Auffassung nach in den entscheidenden Funkten Lücken auf, vor allen was die Kontakte zu seiner Tochter und sein Wissen über ihre Lebensweise in den entscheidenden Zeiträumen, betrifft. Die Bundesanwaltschaft wird deshalb prüfen, ob sie einen Beweisantrag oder einen Eventualantrag auf Vernehmung weiterer Zeugen stellen wird, die diese Aussage des Zeugen Müller und außerdem die Tatsache bestätigen wird, daß sich Susanne Mordhorst ab Sommer 1968 in einer Wohngemeinschaft außerhalb ihrer Familie aufgehalten hat. Danke.

Vors.:

Bitte sehr. Sonstige Erklärungen sehe ich nicht.

Wollen Sie zu den Beweisanträgen auch irgendwelche Stellungnahme abgeben?

BA Dr. W[under]:

Nein, im Augenblick nicht.

Vors.:

Dann fahren wir in der Verhandlung fort. Und zwar hatte ich in der letzten Hauptverhandlung bekanntgegeben, daß Herr Rechtsanwalt Schily gebeten hatte, die Einleitungsverfügung der Akte 3 ARP 74/75 I[19] beizuziehen. Ich hatte daraufhin an den Herrn Generalbundesanwalt einen Brief geschrieben, [13402] er möge doch bitte unter Bezugnahme auf die Aussagen des Herrn Dr. Krüger, wo von Einleitungsverfügungen nicht die Rede war, die Anordnung, diese ARP-Akten anzulegen, hierher senden. Wenn eine schriftliche Anordnung, diese Akten anzulegen, vorhanden ist, bitte ich um deren Überlassung, andernfalls um Nachricht. Herr Dr. Krüger war sich ja nicht völlig[nn] sicher am Schluß, ob das schriftlich oder mündlich geschehen war. Daraufhin hat jetzt der Herr Generalbundesanwalt einen Brief ans Gericht geschrieben, daß diese Vorgänge nach und nach entstanden seien; und die Akte sei am 9. Juni 1975 aufgrund mündlicher Anordnung in das Register eingetragen worden unter diesem Aktenzeichen. Ich beabsichtigte, dieses Schreiben nach § 256[ StPO][20] als behördliche Erklärung zu verlesen. Soll hierzu irgend etwas bemerkt werden?

RA Schi[ly]:

Ja ich würde vorschlagen, daß Sie uns erst mal eine Kopie dieses Schreibens zugänglich machen, daß wir dann uns dazu äußern können und daß die Verlesung in diesem Falle dann, möglicherweise trete ich dem nicht entgegen, daß ich vielleicht kurz mal das Schreiben lesen darf.

Vors.:

Dann werde ich folgenden Weg beschreiten. Ich werde das Schreiben zunächst informatorisch verlesen, also nicht nach § 256[ StPO], sondern informatorisch.

RA Schi[ly]:

Also dann halte ich meinen Widerspruch nicht aufrecht, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Ich halte den Widerspruch nicht aufrecht. Dann verlesen Sie es formell.

Vors.:

Dann verlese ich es nach § 256[ StPO]. Es ist also nicht allzu lang.

Gem. § 256 StPO wird das Schreiben des Generalbundesanwalts vom 9. Februar 1977 verlesen.

Eine Ablichtung dieses Schreibens wird als Anlage 2 zu Protokoll genommen.

RA Schi[ly]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Bitte sehr.

RA Schi[ly]:

Dann stelle ich den Antrag, den Vermerk, in dem die mündliche Anordnung über die Anlegung dieser Akte [13403][21] [13404] festgehalten worden ist, beizuziehen.

Zur Begründung dieses Antrages darf ich ausführen, daß ich der Meinung bin, daß eine mündliche Anordnung über die Anlegung einer so geheimnisvollen Akte wohl sicherlich in irgendeiner Vermerksform niedergeschrieben worden ist, und nicht einfach so nur mal über’s Telefon oder persönlich mitgeteilt wird. Also das dürfte der üblichen Aktenführung entsprechen. Vielleicht gibt es [oo] auch sogar[pp] eine Aktenordnung, die das vorsieht, das weiß ich jetzt aus dem Kopf nicht; und ich beantrage, diesen Aktenvermerk, der über diese mündliche Anordnung niedergelegt ist, beizuziehen.

Im übrigen stelle ich ferner den Antrag - wobei ich den Begriff Einleitungsverfügung als untechnisch verstanden wissen will -, den entsprechenden Aktenvorgang der Akte 1 BJs 7/76[22] beizuziehen, das heißt also die Einleitungsverfügung betreffend die Akte 1 BJs 7/76.

Vors.:

Ja Herr Rechtsanwalt, Sie sind sicher auch in der Lage darzulegen, was nun diese Einleitungsverfügungen[qq] für unser Verfahren ergeben sollen. Ich sehe im Augenblick die Sachbezogenheit noch nicht so richtig.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, es ist ja doch von der Verteidigung mehrfach vorgetragen worden, daß es eine eigentümliche Verfahrensweise war, erst einmal diese Akte 3 ARP, dann den Abschluß des Verfahrens gegen Herrn Müller abzuwarten und dann schließlich in einer Ermittlungsakte gegen Unbekannt, die nach einer Zeugenaussage nichts anderes enthält, als die Aussage des Zeugen Müller, nichts anderes, nun diese Aussage sozusagen nochmal in einer neuen Form zu strukturieren und zu protokollieren. Und da dürfte es doch für die Beurteilung des Zustandekommens dieses Protokolls, auch mit Rücksicht auf Widersprüche zu den Angaben des Zeugen Gerhard Müller in der Akte 3 ARP von Interesse sein, wie diese Akte 1 BJs 7/76 einst zustande gekommen ist.

Vors.:

Also auch auf die Akte ARP bezog sich meine Bitte.

RA Schi[ly]:

Auch auf die Akte 3 ARP?

Vors.:

Es bezog sich auf beide Akten.

[13405] RA Schi[ly]:

Ach das hätte ich gedacht, daß Ihnen das, nachdem Sie selber dieses Schreiben an Herrn Generalbundesanwalt Buback, daß Ihnen das eigentlich schon verständlich gewesen sei, daß wir dafür uns interessieren.

Vors.:

Daß Sie[rr] sich dafür interessierten[ss], [tt] das habe ich Ihrem Schreiben entnommen.

RA Schi[ly]:

Nein, daß Sie, Sie, das Gericht sich[uu] dafür interessieren. Aber offenbar ist das nicht der Fall. Dann führe ich dazu aus, ich will mich nicht allzusehr wiederholen, daß diese Akte 3 ARP, das Schicksal dieser Akte 3 ARP nach meinen bescheidenen Kenntnissen der Rechtsgeschichte wohl ein einmaliger Vorgang sein dürfte. Jedenfalls kenne ich keine Vergleichsbeispiele, die etwa geeignet wären, es sei denn, daß mich jemand der Prozeßbeteiligten aufklärt, daß es auch ähnliche Vorgänge gegeben hat.

Vors.:

Nun, wir wollen nicht so tief in die Rechtsgeschichte einsteigen, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Ich wollt ja gar nicht tief einsteigen, wenn Sie mir gestatten. Ein einmaliger Vorgang. Eine Akte wird vor Beginn der Hauptverhandlung angelegt, mit Angaben eines sogenannten Kronzeugen.[23] Und sie erblickt das Licht des Tages erst nach den Plädoyers der Bundesanwaltschaft[24] in diesem Verfahren als Folge, nicht etwa der Bereitschaft der Bundesanwaltschaft, diese Akte vorzulegen, sondern der Tatsache, daß das Verwaltungsgericht Köln es vermocht hat, für[vv] Herrn Generalbundesanwalt Buback eine sehr weitgehende Aussagegenehmigung[25] herbeizuführen.[26] Ich will die Stationen, die ich in verschiedenen früheren Hauptverhandlungstagen hier schon dargestellt habe, nicht noch einmal wiederum herausstellen. Aber daß für die Beurteilung dieser Vorgänge es von herausragendem Interesse ist zu erfahren, wie ist denn überhaupt schließlich eine Überwachungs- und Beobachtungsakte, ein Begriff, auf den der Herr Bundesanwalt Dr. Krüger wohl das Monopol hat, denn Herr Bundesanwalt Kaul kannte diesen Begriff nicht - das finde ich auch sehr interessant -, wie eine solche Beobachtungs- und Überwachungsakte angelegt worden ist, das dürfte doch von einem herausragenden Interesse sein. [13406] Und das Gericht sollte nicht diese besondere Reserve an den Tag legen, und sich so von der Verteidigung in dem Punkt unterscheiden, daß es nun prononciert ein Desinteresse an diesen Vorgängen bemerkbar werden läßt; denn daraus müßten ja nun wiederum bestimmte Rückschlüsse auf die Haltung des Gerichts in diesem Verfahren gezogen werden. Und das ist vielleicht, in dem Punkt jedenfalls, vermeidbar.

Vors.:

Nun, ich weiß nicht, woraus Sie ein prononciertes Desinteresse schließen. Ich hab’ ja Sie gefragt und Ihnen geduldig zugehört. Mir ist es also nicht ersichtlich. Aktenbeiziehungsanträge sind nun mal zu begründen. Das hat mit einem prononcierten Desinteresse nichts zu tun.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, das will ich gern begründen.

Vors.:

Nein, nein. Ich meine nur, der Ausdruck ist mir nicht ganz verständlich.

RA Schi[ly]:

Doch, doch. Herr Vorsitzender, wenn es Ihnen nicht verständlich ist, will ich Ihr Verständnis gerne aufbessern.

Vors.:

Bitte sehr.

RA Schi[ly]:

Es gibt ja mitunter auch ein Gericht, das Akten von Amts wegen beizieht,[27] und dem allein der Antrag schon oder eine Anregung genügen würde, um solche Akten beizuziehen. Das ist hier nicht geschehen. Und nachdem Sie mir noch einmal vorgehalten haben, es bezöge sich Ihr Wunsch nach einer Begründung auch auf die Einleitung, auf den Vermerk über die Anlegung der Akte 3 ARP, nach Beiziehung dieses Vermerks, da meine ich, war der Ausdruck prononciertes Desinteresse vielleicht doch ganz angebracht. Und das zu Ihrem Verständnis, warum ich dieses Wort prononciertes Desinteresse gebraucht habe.

Vors.:

Besten Dank für Ihre Erläuterung. Dann folgendes: In der letzten Hauptverhandlung war ja ein Vertagungsantrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann gestellt worden, weil er keine Ladung oder Terminsnachricht erhalten hatte. Da auch die heutige Hauptverhandlung es bestätigt, daß Herr Dr. Heldmann wohl nicht die Absicht hat, ständig hierzusein, wollte ich ihn über unseren Beschluß hinaus, der ja in seiner Abwesenheit erging das letzte Mal, über die Handhabung des Senats [13407] noch besonders unterrichten, und habe ihm deshalb einen Brief geschrieben.

Da es nun in diesem Verfahren außer Herrn Dr. Heldmann noch mehr Verteidiger gibt, die in der Hauptverhandlung nicht ständig da sind, bei denen also gleiche Probleme auftauchen können, halte ich das, was ich Herrn Dr. Heldmann geschrieben habe, für allgemein beachtlich, und will deshalb den Brief hier in der Hauptverhandlung vorlesen.

Der Vorsitzende verliest das Schreiben vom 9. Februar 1977 an Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

Eine Ablichtung dieses Schreibens wird als Anlage 3 zu Protokoll genommen.

Ich will noch hinzufügen, daß es ja nicht selten vorkam und möglicherweise wieder vorkommen wird, daß wir bis spät abends verhandelten und am nächsten Tag fortsetzten. Hier wäre es schon gar nicht möglich, und daraus ergibt sich schon, daß das nicht sein kann, nun abends um 8 Uhr vielleicht noch bei allen Verteidigern herumzutelefonieren und zu versuchen, ihnen zu sagen, daß es am nächsten Morgen um 9 Uhr weitergeht.

Die allgemeinen Sitzungstage sind ja ohnedies schon bekanntgegeben worden.

Dann habe ich zu verkünden[ww], einmal den

Beschluss:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, die Akten weiterer Strafverfahren gegen den als Zeugen vernommenen Gerhard Müller beizuziehen,

wird abgelehnt.

Gründe:

Der Ermittlungsantrag gibt auch unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zu umfassender Aufklärung keinen Anlaß, Akten beizuziehen. Der Antrag geht auf eine [13408][28] [13409] Mitteilung den Staatsanwaltschaft Stuttgart zurück, außer einem dort anhängigen Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage (das wohl auf eine Strafanzeige von RA Schily zurückgeht) seien gegen Herrn Müller „weitere Strafverfahren“ (ohne Bezeichnung von deren Gegenstand) anhängig. Der Antragsteller meint, die Beiziehung dieser Akten sei für die Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Herrn Müller von Bedeutung. Indes ist es keineswegs so, daß jedes Strafverfahren die Glaubwürdigkeit des davon Betroffenen berührte (vgl. auch § 68a StPO[29]). Der Antragsteller hat nichts vorgetragen, was einen Zusammenhang erkennen ließe, und auch der Senat hat hierfür keinen Anhalt.

Übrigens hat der Senat zur Glaubwürdigkeit des Zeugen Gerhard Müller schon umfangreichen Beweis erhoben, insbesondere zahlreiche Zeugen vernommen.

- - -[xx]

Und ein weiterer Beschluß:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger zu sämtlichen Fragen zu vernehmen, deren Beantwortung der Zeuge unter Berufung auf das Fehlen einer entsprechenden Aussagegenehmigung abgelehnt hat (Sitzungsniederschrift vom 23.11.1976 Bl. 12382 ff.), und die für diese Vernehmung erforderliche Aussagegenehmigung des Generalbundesanwalts einzuholen, wird abgelehnt.

Gründe:

Ein Beweisantrag im Sinne von § 244 StPO[30] liegt schon deshalb nicht vor, weil lediglich von Fragen die Rede ist, die in der Hauptverhandlung schon gestellt, mangels Aussagegenehmigung (§ 54 StPO)[31] aber nicht beantwortet wurden. Das Schwergewicht des Antrags liegt daher in dem Begehren, die für diese zu wiederholenden Fragen erforderliche Aussagegenehmigung einzuholen. Doch sieht der Senat keinen Anlaß, diesem Begehren zu folgen, auch nicht als Anregung für eine die umfassende Aufklärung fördernde Maßnahme.

[13410] Denn Voraussetzung ist, daß der Antragsteller die von ihm beabsichtigten Fragen klar und unzweideutig formuliert. Der Senat kann ihm diese Aufgabe dadurch, daß er die Tonbandniederschrift aus der Hauptverhandlung durchsieht und eine Zusammenstellung der nicht beantworteten Fragen zu fertigen versucht, nicht abnehmen. Auch die ungefähre Kenntnis des Senats von einem Schreiben des Antragstellers an Herrn Generalbundesanwalt Buback, in dem es ebenfalls um eine zusätzliche Aussagegenehmigung für Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger geht, hilft nicht weiter. Der Antragsteller hat dieses Schreiben in seiner Antragstellung nicht erwähnt, also offenbar bewußt nicht in Bezug genommen.

Der Antragsteller hatte einen Antrag gleichen Inhalts schon in der Hauptverhandlung vom 23.11.76 gestellt, hatte dann aber, auf entsprechenden Vorhalt des Vorsitzenden, eine beschleunigte Konkretisierung der von ihm gewünschten Fragen angekündigt mit dem Bemerken, das werde ihm nicht allzu schwer fallen. Auch jetzt wieder weist der Antragsteller darauf hin, es sei unschwer aus den Protokoll zu erkennen, welche Fragen das seien. Daß er gleichwohl in den vergangenen 2 ½ Monaten keinen konkreten Antrag gestellt hat, ist erstaunlich.

Das sind die Beschlußverkündungen. Insbesondere im Hinblick auf diesen letzten Beschluß und im Hinblick auf Ihre Äußerungen während der letzten Sitzung, Herr Rechtsanwalt Schily, frage ich Sie und stelle Ihnen zur Verfügung die kommende Zeit jetzt, einen etwa beabsichtigten Beweisantrag hinsichtlich der Vernehmung von Herrn Dr. Krüger jetzt zu stellen. Wir sind auch gerne bereit, eine entsprechende Pause einzulegen. Es ist ja noch früh am Tage, falls Sie einen beabsichtigen.

Das ist selbstverständlich Ihr ...

RA Schi[ly]:

Dann würde ich vorschlagen eine Pause bis ¼ nach 12 Uhr.

Vors.:

Gut. Dann wird die Sitzung 12.15 Uhr ...

RA Schi[ly]:

Darf ich nur eine Frage noch vorweg stellen, damit ich es nachher nicht vergesse. Liegt das Schreiben von Herrn Präsidenten Herold inzwischen vor?

[13411] Vors.:

Das ist richtig, gut, daß Sie mich daran erinnern. Dieses Schreiben liegt noch nicht vor.

RA Schi[ly]:

Und dann darf ich noch mitteilen, ich habe mich nochmals in Verbindung gesetzt, bzw. mein Büro mit der Kriminalpolizei in Hamburg und es wurde mir mitgeteilt, daß also Herr Opitz leider immer noch krank sei. Ich werd aber Ende dieser Woche mich nochmals mit in Verbindung setzen und falls sich nun überhaupt keine absehbare Zeit sehe, wann der Herr Opitz wieder ... dann müßte ich also notfalls eben doch Herrn Petersen alleine laden.

Vors.:

Ja, das steht Ihnen selbstverständlich frei.

Gut, wir unterbrechen bis 12.15 Uhr.

Pause von 11.38 Uhr - 12.16 Uhr

Ende von Band 790

[13412] Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist RA Weidenhammer nicht mehr anwesend.

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Schi[ly]:

Dann stelle ich den Antrag,

Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger als Zeugen zu vernehmen.

Der Zeuge wird bekunden, daß die, daß das Bekanntwerden der inzwischen freigegebenen Teile der Akte 3 ARP 74/75 auch nach dem Informationsstand der Bundesanwaltschaft im Jahre 1975 nicht geeignet war, die Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden; daß die Zurückhaltung dieser Akten auch nicht aus diesem Grunde erfolgt ist, sondern, daß diese Aktenteile in Vollzug einer dem Zeugen Gerhard Müller erteilten Zusage, die Akten würden, wenn überhaupt, frühestens nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens gegen den Zeugen Gerhard Müller[32] dem Gericht vorgelegt werden, zurückgehalten worden sind. Zu diesem ersten Beweisthema darf ich auf die Protokollstelle in der Vernehmung von Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger 12416 Bezug nehmen, in der er einer entsprechenden Frage sich auf die fehlende Aussagegenehmigung berufen hat.

Dann wird der Zeuge Dr. Krüger bekunden, daß auch die bisher nicht[yy] freigegebenen Teile der Akte 3 ARP 74/75 nichts enthalten, was die Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden könnte, sondern daß auch diese Aktenteile zurückgehalten werden, in Vollzug der mit dem Zeugen, einer mit dem Zeugen Gerhard Müller getroffenen Absprache bzw. Zusage - Absprache - ich korrigiere, Zusage, einer dem Zeugen Müller erteilten Zusage.

Ferner wird der Zeuge Dr. Krüger bekunden, daß er nach Absprache innerhalb der Bundesanwaltschaft selbst bei dem Bundesjustizministerium den Antrag gestellt hat, den im Januar 1976 erteilten Sperrvermerk herbeizuführen.

Außerdem wird der Zeuge bekunden, daß der Sperrvermerk des Bundesjustizministeriums aus dem Jahre 1976 ausschließlich dazu diente, die unzulässige Zusage, die dem Zeugen Gerhard Müller erteilt worden ist, nicht bekannt werden zu lassen, [13413] und daß mit dem Sperrvermerk einerseits und den Zurückhaltung der Akten vor Erteilung dieses Sperrvermerks bewusst in Kauf genommen worden ist, daß die Verfolgung bestimmter, von dem Zeugen Gerhard Müller begangener Straftaten unterbleibt oder wenigstens erschwert wird; unter anderem auch, daß dem Hamburger Landgericht, unter anderem auch in dem seinerzeit vor dem Hamburger Landgericht anhängigen Strafverfahren gegen Gerhard Müller die Aufklärungsmöglichkeiten bezüglich strafbaren Verhaltens von Herrn Müller eingeschränkt, wesentlich eingeschränkt werden.

Dann wird der Zeuge Dr. Krüger ganz allgemein bekunden, daß die Bundesanwaltschaft bzw. die Bundesregierung, unter Berücksichtigung der dem Zeugen Müller gegebenen Zusagen, sich die Entscheidung über die Freigabe der Akten 3 ARP 74/75 nach eigenem Gutdünken vorbehalten haben. Ich verweise insoweit auf die Protokollstelle 12453.

Ferner wird der Zeuge bekunden, daß die Bundesanwaltschaft aufgrund der geführten, daß der Bundesanwaltschaft aufgrund der geführten Ermittlungen bekannt ist, daß die auf die Hauptbahnhöfe in Hamburg, Bremen und Nürnberg verübten Sprengstoffanschläge[33] nicht von Personen ausgeführt worden sind, die der Roten-Armee-Fraktion zuzurechnen sind; daß die Bundesanwaltschaft gleichwohl in der Öffentlichkeit den Eindruck bestehen ließ, diese Anschläge gingen auf das Konto der Roten-Armee-Fraktion.

Ferner wird der Zeuge bekunden, daß ein Teil der dem Gericht vorliegenden Akten, einschließlich von Vorgängen, die zeitweise mit dem Stempel VS-vertraulich[34] versehen waren, und einschließlich von Vorgängen aus der Akte 3 ARP 74/75 Herrn Zimmermann vom ZDF zur Auswertung übergeben worden sind. und zwar soweit es sich um Vorgänge aus[zz] der Akte 3 ARP handelt, insbesondere bereits zu einem Zeitpunkt, in dem diese Akten den Prozeßbeteiligten, na sagen wir genauer, dem Gericht und den Verteidigern nicht vorlagen.

Dann wird der Zeuge - und das bezieht sich auf die Protokollstelle 12473 - wird der Zeuge bekunden, daß im Auftrag der Bundesanwaltschaft die im Februar 1975 geführten Gespräche, Vernehmungen und Überwachungen von Presseinterviews mit dem Zeugen Gerhard Müller vorgenommen worden sind; und zwar [13414] insbesondere auch im Bezug auf die Ermittlungen in dem vorliegenden Verfahren, und daß die Bundesanwaltschaft aber bewußt diese Akten den Prozeßbeteiligten bis zu dem bekannten Zeitpunkt vorenthalten hat.

Ich darf zu diesem Beweisantrag noch hinzufügen: Ich habe in diesem Beweisantrag nicht alle Fragen aufgenommen, auf die Herr Bundesanwalt Dr. Krüger die Antwort nicht gegeben hat unter Berufung auf eine fehlende Aussagegenehmigung. Ich werde aber den Hinweis des Herrn Vorsitzenden aufnehmen, der vermißt, daß ich dieses Schreiben nicht dem Gericht zur Kenntnis gegeben habe an den Herrn Generalbundesanwalt Buback, in dem ich um Erteilung der Aussagegenehmigung gebeten hatte. Ich werde noch versuchen heute zu veranlassen, daß Ihnen das Schreiben, daß das heute an Sie in Ablichtung abgesandt wird, so daß Sie es morgen in Händen hätten. Und ich würde bitten, daß die Aussage, der Antrag, falls also dem Beweisantrag stattgegeben wird, der Antrag auf Erteilung der Aussagegenehmigung entsprechend weitgefaßt ist, wie es in meinem Schreiben vorgesehen ist, da ja manche Fragen mehr so zur Nachprüfung des Inhalts einer Aussage notwendig sind und nicht in die Form eines Beweisantrags gekleidet werden können; das ist ja sehr häufig bei solchen Beweisanträgen, daß nicht alle Einzelheiten, alle Einzelfragen in dem Beweisantrag hineinkommen können. Also das würde ich bitten, damit nicht nun wiederum eine nochmalige Ladung, möglicherweise in Form des § 220[ StPO] oder [§ ]245[ StPO] in Betracht kommt.[35]

Vors.:

Wir werden das selbstverständlich prüfen. Nur, normalerweise bezieht sich die Aussagegenehmigung oder der Antrag, eine solche zu erteilen, naturgemäß auf den gestellten Beweisantrag. Wenn die Aussagegenehmigung weiter sein soll, steht dem wohl nichts im Wege, den Beweisantrag entsprechend zu formulieren.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich meine, daß man ja nicht alle Fragen vorformulieren kann. Und die Fragen, die zu stellen sind, stehen natürlich in Bezug auf die Beweisthemen. Ich meine nur daß die Aussagegenehmigung dann [13415] nicht so eingegrenzt sein soll, daß praktisch wiederum diese ... vielleicht schauen Sie sich mal das Schreiben von mir an, und Sie können es ja notfalls etwas umformulieren. Aber nur als Anhaltspunkt, daß das nicht zu eng auf eine einzelne Frage bezogen ist, sondern eine generelle Befragung zu den dort genannten Beweisthemen ermöglicht. Darum geht es mir.

Vors.:

Nun, das letzte Mal hatte der Zeuge Krüger, wenn ich es recht mich entsinne, eben eine Aussagegenehmigung, die voll inhaltlich dem gestellten Beweisantrag entsprach. Und niemand weiß natürlich besser - ich habe es das letzte Mal schon gesagt -, was er den Zeugen fragen will, als der, der den Zeugen herbeigeschafft haben will, und das sind natürlich Sie, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Also ich meine, das ist ...

Vors.:

Nicht, das ist für das Gericht dann immer eine schwierige Sache ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich bin auch ...

Vors.:

... wir wissen ja nicht ...

RA Schi[ly]:

... gern nochmal bereit, das ...

Vors.:

... in welcher Richtung Sie dann etwa über den Beweisantrag hinausgehen wollen ...

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich bin auch gern bereit, obwohl ...

Vors.:

Wir würden ja dann unsere Gefühle über Ihre ... noch hinaustransponieren.

RA Schi[ly]:

Wie bitte?

Vors.:

Wir würden also dann eigentlich eine Willensentscheidung treffen, die zunächst die Ihre sein sollte.

RA Schi[ly]:

Ich bin also wirklich gern auch nochmal bereit, also wie gesagt, das sind eigentlich auch gar nicht so furchtbar viele Fragen; die kommen ja im wesentlichen schon hier in dem Hauptverhandlungsprotokoll vor. Aber wenn Sie also nochmal die Zusammenstellung wünschen, bitteschön, also wenn es sein muß, bin ich auch dazu bereit. Nur ich glaube, daß in dem Schreiben an den Herrn Generalbundesanwalt Buback an sich der Fragenkreis angesprochen ist, der hier dazu geführt hat, daß Herr Bundesanwalt Dr. Krüger jeweils gesagt hat: Ich kann die Frage nicht beantworten, weil ich keine Aussagegenehmigung habe. Und es müsste doch möglich sein, daß eine Aussagegenehmigung in dieser Form [13416] erteilt wird, daß der Fragenkreis sozusagen eröffnet wird.

Vors.:

Gut, wir wissen Bescheid, wie Sie es meinen.

Sonstige Wortmeldungen oder Anträge?

Soll Stellung genommen werden? Bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Nur eine kurze Stellungnahme.

Der heute von Herrn Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag entspricht in der Hauptsache den Punkten 4, 6 und vor allem 1, der in seinem Schreiben an die Bundesanwaltschaft vom 23.12.76 genannt sind. Dieses Schreiben habe ich bereits in der letzten Sitzung zum Gegenstand meiner Stellungnahme gemacht. Darauf beziehe ich mich voll inhaltlich. Sine weitere evtl. ergänzende Stellungnahme möchte ich mir aber noch[aaa] vorbehalten.

Vors.:

Danke.

RA Schi[ly]:

Darf ich nur fragen,[bbb] Herr Dr. Wunder, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, wenn Sie das Schreiben nun gerade vor sich haben, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dem Gericht eine Kopie überlassen könnten, dann spare ich mir nämlich das ...

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Rechtsanwalt, ich habe es leider nicht hier in der Sitzung. Tut mir leid; ich habe es vorhin selbst danach gesucht.

Vors.:

Dann wird die Sitzung fortgesetzt, am Donnerstag, 17.2.77, 9.00 Uhr. Das Sitzungsprogramm kann jetzt noch nicht festgelegt werden. Die Beteiligten werden gebeten, sich darauf einzustellen, daß die heute beantragten Beweispersonen vernommen werden; sichereres kann jetzt[ccc] im Augenblick noch[ddd] nicht[eee] gesagt werden.

Ende Band 791.

[13417] RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, darf ich eine Bitte äußern?

Vors.:

Bitte sehr.

RA Schi[ly]:

Sie kennen die Diskussionen mit Ihrem Herrn Vorgänger. Sie wissen, daß meine Maschine um frühestens 8.30 Uhr in, die erste Maschine in Stuttgart eintrifft. Es ist für mich wirklich eine besondere Erschwernis, wenn ich einen Abend vorher anreisen muß. Ich habe gesehen, daß heute eine Möglichkeit bestand, eine Sitzung um 10.00 Uhr beginnen zu lassen und ...

Vors.:

Weil der Zeuge von Hamburg anreisen musste.

RA Schi[ly]:

... ja eben, und wenn das möglich ist für[fff] einen Zeugen, dann meine ich, sollte das auch möglich sein für einen auswärtigen Verteidiger. Wie gesagt, es geht mir um eine halbe Stunde Zeitabstand, das wäre nämlich statt 9.00 Uhr 9.30 Uhr. Mitunter schaffe ich es unter großer Beeilung schon bis 9.15 Uhr, aber eine frühere Zeit, wenn ich keinen Hubschrauber zur Verfügung habe, ist wirklich nicht erreichbar. Und ich meine, das Gericht sollte doch an dem Punkt vielleicht einmal versuchen, auch einem Verteidiger das gleiche Entgegenkommen zu bewilligen, wie einem Zeugen.

Vors.:

Nun, wir haben ja vor Beginn der Hauptverhandlung, Herr Rechtsanwalt Schily, wurde schon bekanntgegeben, wie das Gericht die Sitzungen abzuhalten gedenkt.

RA Schi[ly]:

Ich habe auch vor der Sitzung bereits einmal einen solchen Wunsch geäußert.

Vors.:

Ja.

RA Schi[ly]:

Den Wunsch habe ich mehrfach in der Sitzung geäußert.

Vors.:

Sie haben den Wunsch mehrfach geäußert. Und es wurde Ihnen mehrfach die Antwort zuteil, daß das Gericht um 9.00 Uhr anfange und ...

RA Schi[ly]:

Dann darf ich mal ... Darf ich mal die Frage stellen, warum eigentlich es für einen Zeugen möglich ist, den Sitzungsbeginn auf 10.00 Uhr zu verlegen[ggg], während es für einen Verteidiger nicht möglich ist. Darf ich den Unterschied mal kennenlernen?

Vors.:

Sicher. Ich nehme an, daß Sie den Unterschied zwischen einem Verteidiger und einem Zeugen kennen, daß ich

[13418] RA Schi[ly]:

Der ist mir bekannt, der ist mir bekannt, ja.

Vors.:

... Ihnen den nicht darlegen muß. Ein Zeuge ist natürlich dem Verfahren weit weniger attachiert, als das ein Verteidiger ist.

RA Schi[ly]:

Das ist sicherlich richtig, ja.

Vors.:

Wenn ein Zeuge an 178 Sitzungstagen kommen müßte, ich weiß nicht, wie wir dann entscheiden würden; ich kann hierzu sonst nichts sagen. Also es bleibt dabei, am kommenden Donnerstag, 17.2.77, 9.00 Uhr.

RA Schi[ly]:

Ich bedanke mich ausdrücklich, Herr Vorsitzender.

Ende des 178. Verhandlungstags um 12.36 Uhr

Ende Band 792


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[3] Die Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) enthält Verwaltungsvorschriften des Bundes über die Ausgestaltung der Untersuchungshaft. Dabei handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz, sondern um eine Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, die sich an die Leitungen der Haftanstalten richtet. Für Gerichte ist sie nicht bindend (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1963 – Az.: 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, S. 288, 294). Sie hat mittlerweile an Bedeutung verloren, seit durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.8.2006 die Gesetzgebungskompetenz für die Untersuchungshaft den Ländern übertragen wurde und diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch gemacht haben. Dabei bei angeordneter Untersuchungshaft mangels rechtkräftiger Verurteilung weiterhin die Unschuldsvermutung greift, ist die Anordnung von Untersuchungshaft als Ausnahmeregelung an strenge Voraussetzungen geknüpft und muss stets mit dem Zweck der Sicherung des Strafverfahrens abgewogen werden (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 – Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 435 ff., 448). Nr. 1 UVollzO a.F. lautete: „Die Untersuchungshaft dient dem Zweck, den Beschuldigten während des Strafverfahrens sicher zu verwahren sowie den Gefahren der Verdunklung und Wiederholung entgegenzuwirken, soweit diese Grund der Anordnung waren (§ 112 Abs. 2 bis 4 StPO)“ (Abs. 1). „Dem Untersuchungsgefangenen dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck, den die Haft im Einzelfall hat, oder die Ordnung der Vollzugsanstalt erfordert (§ 119 Abs. 3 StPO)“ (Abs. 2).

[4] Die Ablehnung von Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 – Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22. 11. 2006 – Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[5] Mit Beschluss vom 12.6.1972 ordnete der Ermittlungsrichter verschiedene haftbezogene Beschränkungen u.a. für Andreas Baader und Ulrike Meinhof an, darunter die Beschränkung von Besuch auf Angehörige. Nachdem der BGH die hiergegen gerichteten Beschwerden als unbegründet verworfen hatte, erhoben Baader und Meinhof Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht wies diese mit Beschluss vom 14.3.1973 als unbegründet zurück: „Die Anordnung einer über eine einzelne Maßnahme hinausgehenden generellen Beschränkung des Besuchs- und Briefverkehrs von Untersuchungsgefangenen nach § 119 Abs. 3 StPO ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, wenn und soweit eine reale Gefährdung der dort bezeichneten öffentlichen Interessen nicht jeweils durch Einzelmaßnahmen hinreichend abgewehrt werden kann. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet jedoch, Ausnahmen von der generellen Beschränkung zu gestatten, wenn im konkreten Fall eine reale Gefährdung des Haftzweckes oder der Ordnung in der Anstalt ersichtlich nicht zu befürchten ist“ (amtl. Leitsatz). Der BGH stützte seine Entscheidung u.a. auch eine erhöhte Verdunklungs- und Fluchtgefahr. Die Folgerung, dass der Zweck der Untersuchungshaft, nämlich Flucht- und Verdunkelungsversuche zu verhindern, nur durch eine generelle Beschränkung des Besuchsverkehrs gewährleistet werden könne, begegne laut BVerfG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, solange Raum für eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls bleibe (BVerfG, Beschl. v. 14.03.1973 – Az.: 2 BvR 621/72, BVerfGE 34, S. 384, 396 f.).

[6] Die Ablehnung ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[7] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[8] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[9] Susanne Mordhorst arbeitete bei der italienischen Zeitschrift „Controinformazione“, die dem Umfeld der italienischen Terrorgruppe Rote Brigaden zugerechnet wird. Mordhorst spielte als Kontaktperson eine wichtige Rolle bei der Kommunikation und Organisation zwischen den deutschen und italienischen Sektionen des Internationalen Komitees zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa (IVK). Als Mordhorst 1976 als mutmaßliches RAF-Mitglied eine Verhaftung in Italien und die Auslieferung in die Bundesrepublik drohten, heiratete sie kurz vorher den italienischen Staatsbürger Michele Stasi und entging damit einer Auslieferung (Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 189, 393 ff.).

[10] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Hierüber sind sie zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO).

[11] Rolf Pohle war ein linker Aktivist aus München. 1969 wurde er aufgrund seiner Teilnahme an den Osterunruhen nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke zu 15 Monaten Haft (ohne Bewährung) verurteilt, jedoch im Rahmen der „Brandt-Amnestie“ wieder freigelassen. Nachdem ihm aufgrund seiner Vorstrafe jedoch die Zweite Juristische Staatsprüfung verwehrt blieb, bewegte er sich ab 1970/71 im Umfeld der militanten Münchner Formation „Tupamaros München“. Am 18. Dezember 1971 wurde er verhaftet, als er versuchte, mit einem gefälschten Ausweis Waffen zu erwerben und im März 1974 wegen illegalen Waffenbesitzes und aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zur RAF wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe in Höhe von fast sechseinhalb Jahren verurteilt. Er gehörte zu denjenigen Insass/innen, die 1975 durch die Lorenz-Entführung in den Südjemen ausgeflogen wurden. Er verließ den Jemen aber und ging nach Griechenland, wo er 1976 verhaftet wurde. Zunächst lehnten griechische Behörden und Gerichte eine Überstellung in die Bundesrepublik ab. Pohles Auslieferung wurde zum Skandal, als sich viele Unterstützer/innen in Griechenland mit Parolen wie „Übergebt Pohle nicht den Nazis!“ mobilisierten und der Fall vor dem obersten Gericht für Zivil- und Strafsachen (Areopag) verhandelt wurde. Letztlich wurde Pohle im Oktober 1976 ausgeliefert und in die JVA Straubing verlegt. Pohle bestritt bis zu seinem Tod seine Mitgliedschaft in der RAF und wird von der aktuellen Forschung eher der im Entstehen befindlichen Bewegung 2. Juni zugerechnet (Danyluk, Blues der Städte, 2019, S. 513 f.; Hocks, in Kiesow/Simon [Hrsg.], Vorzimmer des Rechts, 2006, S. 129 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 761 Anm. 56; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 388 f.).

[12] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte u.a. durch den Nachweis, Müller habe auch in anderen Zusammenhängen falsche Angaben gemacht, die Glaubwürdigkeit des Zeugen im Hinblick auf die erhebliche Belastung der Angeklagten zu erschüttern.

[13] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 – Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).

[14] Anlage 1 zum Protokoll vom 10. Februar 1977: Ablichtung eines Zeitungsartikels aus den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 10.11.1976.

[15] Der Verteidigung ist auf Verlangen – ebenso wie der Staatsanwaltschaft – nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

[16] § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch eine/n ersuchte/n oder beauftragte/n Richter/in, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Während der/die „beauftragte“ Richter/in dem mit der Sache befassten Spruchkörper angehört und von diesem mit einer bestimmten Prozesshandlung betraut wird, gehört der/die „ersuchte“ Richter/in dem an sich zuständigen Spruchkörper gerade nicht an, sondern wird für diesen im Wege der Rechtshilfe tätig (vgl. §§ 361 Abs. 1, 362 Abs. 1 ZPO). Letzteres kann insbesondere erforderlich werden, wenn sich Zeug/innen im Ausland aufhalten und der Aufenthaltsstaat einer Vernehmung durch beauftragte Richter/innen nicht zustimmt; in diesem Fall kann die Vernehmung durch Richter/innen des Aufenthaltsstaates im Wege der Rechtshilfe erfolgen (Arnoldi, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 223 Rn. 17 ff.). Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

[17] In Triest wurde die Zeugin Carmen Roll konsularisch vernommen. Das Vernehmungsprotokoll wurde anschließend in der Hauptverhandlung verlesen (s. den Verlesungsbeschluss auf S. 11483 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 142. Verhandlungstag; das Protokoll befindet sich in Anlage 9 vom selben Verhandlungstag, S. 11486 ff. des Protokolls). Die konsularische Vernehmung ist in § 15 Konsulargesetz (KonsG) geregelt. Die Vernehmungen und Vereidigungen und die über sie aufgenommenen Niederschriften stehen dabei gem. § 15 Abs. 4 KonsG Vernehmungen und Vereidigungen sowie den darüber aufgenommenen Niederschriften inländischer Gerichte und Behörden gleich, sodass diese nach Maßgabe des § 251 Abs. 1 StPO a.F. (heute: Abs. 2) in die Hauptverhandlung eingeführt werden können (vgl. dazu Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 251 Rn. 33).

[18] Zwar ist die Strafverfolgungstätigkeit eines Staates grundsätzlich auf sein eigenes Staatsgebiet beschränkt. Die Vernehmung von Zeug/innen durch eine konsularische Vertretung der Bundesrepublik im Ausland ist aber als innerstaatliche Rechtshilfe einzuordnen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 210). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus der Aufgabe von Konsularbeamt/innen zur Vernehmung und Vereidigung von Zeuge/innen, dass sie auch fremde Staatsangehörige vernehmen dürfen, wenn dies nach dem Recht des Empfangsstaates – hier also Italien – zulässig ist (BGH, Urt. v. 25.10.1983 – Az.: 5 StR 736/82, NStZ 1984, S. 128, 129).

[19] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des Belastungszeugen und ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO („Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).

[20] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO).

[21] Anlage 2 zum Protokoll vom 10. Februar 1977: Schreiben des Generalbundesanwalts Buback vom 9.2.1977.

[22] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt weitere Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Verfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde. Nachdem bereits ein Teil der Akte übergeben worden war, beantragte Rechtsanwalt Schily am 159. Verhandlungstag, die noch fehlenden Seiten beizuziehen (S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung). Diese konnten schließlich nach Herausgabe durch die Bundesanwaltschaft am 161. Verhandlungstag an die übrigen Prozessbeteiligten verteilt werden (s. S. 12347 des Protokolls der Hauptverhandlung). Da die Vernehmungen aber fortgeführt wurden, entstanden anschließend noch weitere Aktenbestandteile, deren Beiziehung Rechtsanwalt Schily am 168. Verhandlungstag beantragte (S. 13065 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[23] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).

[24] Der frühere Vorsitzende Dr. Prinzing hatte die Beweisaufnahme bereits am Ende des 148. Verhandlungstages geschlossen (S. 11767 des Protokolls der Hauptverhandlung) und die Bundesanwaltschaft ab dem 149. Verhandlungstag plädiert. Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt jedoch ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.).

[25] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[26] Die Aussagegenehmigung für den GBA Buback wurde zunächst in vollem Umfang abgelehnt. Daraufhin erhob Rechtsanwalt Schily für die Angeklagte Ensslin Klage auf Erteilung einer Aussagegenehmigung vor dem VG Köln sowie einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Das VG Köln erachtete die pauschale Versagung der Aussagegenehmigung für rechtswidrig und verpflichtete den Bundesminister der Justiz, die Klägerin Gudrun Ensslin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (s. das Urteil und den Beschluss des VG Köln vom 15.9.1976 in Anlage 1 a des Protokolls vom 28. September 1976, zu Blatt 11698 des Protokolls der Hauptverhandlung, 148. Verhandlungstag).

[27] Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO). Damit trifft die Aufklärungspflicht das Gericht unabhängig von Anträgen der Verfahrensbeteiligten.

[28] Anlage 3 zum Protokoll vom 10. Februar 1977: Schreiben des Vorsitzenden Dr. Foth an Rechtsanwalt Dr. Heldmann vom 9. Februar 1977.

[29] Fragen nach Tatsachen, die Zeug/innen oder ihren Angehörigen zur Unehre gereichen können, sollen nur gestellt werden, wenn es unerlässlich ist (§ 68a Abs. 1 StPO). Explizite Einschränkungen für die Offenbarung von Ermittlungsverfahren gibt es nicht. § 68a Abs. 2 StPO sieht aber vor, dass Zeug/innen nur nach Vorstrafen gefragt werden sollen, wenn dies dazu dient, bestimmte Vereidigungsverbote zu begründen, oder um die Glaubwürdigkeit zu beurteilen. In den Kommentierungen wird hierbei insbesondere auf Verurteilungen wegen Delikten mit einem Täuschungselement Bezug genommen: neben Aussagedelikten etwa Verurteilungen wegen Betrugs, Untreue und falscher Verdächtigung. Eine Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit sollen auch Taten derselben Art, wie sie dem/der Beschuldigten vorgeworfen werden, haben (s. zum damaligen Zeitpunkt Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 33. Aufl. 1977, § 68a Rn. 3; Meyer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 23. Aufl. 1976, § 68a Rn. 5).

[30] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 – Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 – Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.

[31] Fn. 25.

[32] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Insbesondere der Freispruch Müllers in Bezug auf die Tötung Schmids sorgte im Stammheimer Verfahren für Aufregung. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden sei (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).

[33] Am 6. Dezember 1974 kam es zu einer Explosion im Bremer Hauptbahnhof, bei der sechs Menschen schwer verletzt wurden. Während des folgenden Jahres explodierten auch in Hamburg, Köln und Nürnberg Bomben in Bahnhöfen. Tageszeitungen wie BILD und die Welt erkannten darin Aktionen der radikalen Linken. Die RAF und andere Gruppen hingegen distanzierten sich ausdrücklich von „Aktionen gegen das Volk“. Die Anschlagsserie blieb unaufgeklärt (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 189 f., S. 194).

[34] Verschlusssachen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SÜG „im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform“. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 SÜG wird eine Verschlusssache in den Geheimhaltungsgrad „VS-VERTRAULICH“ eingestuft, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines der Länder schädlich sein kann. Bis zur Einführung des SÜG, das am 29.4.1994 in Kraft getreten ist und für den Bund gilt (die SÜGs der Länder decken sich in weiten Teilen mit dem Bundes-SÜG), fanden sich die entsprechenden Regelungen in Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder (vgl. dazu die Gesetzesbegründung zum SÜG, BT-Drs. 12/4891, S. 1).

[35] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).


[a] Maschinell ersetzt: abgewiesen durch zurückgewiesen

[b] Maschinell ersetzt: ... durch Susanne

[c] Handschriftlich durchgestrichen: hat

[d] Maschinell eingefügt: schon

[e] Maschinell eingefügt: den

[f] Handschriftlich ersetzt: bis durch Bist

[g] Maschinell ersetzt: dann durch das

[h] Maschinell eingefügt: mich

[i] Handschriftlich durchgestrichen: dann

[j] Handschriftlich ergänzt: übernachtete

[k] Maschinell eingefügt: da

[l] Maschinell eingefügt: doch

[m] Maschinell eingefügt: Und

[n] Maschinell ersetzt: mehr durch wieder

[o] Handschriftlich durchgestrichen: bereits

[p] Maschinell durchgestrichen: diese Sachen

[q] Maschinell ergänzt: hinbringen

[r] Handschriftlich durchgestrichen: und

[s] Handschriftlich durchgestrichen: ihn

[t] Maschinell eingefügt: Nur der Klarstellunghalber: Es war

[u] Maschinell eingefügt: es

[v] Handschriftlich eingefügt: von

[w] Maschinell eingefügt: von

[x] Handschriftlich ergänzt: studierte

[y] Maschinell eingefügt: Und

[z] Handschriftlich durchgestrichen: besser

[aa] Maschinell ersetzt: ein bißchen durch etwas

[bb] Maschinell eingefügt: näher

[cc] Maschinell eingefügt: ganz

[dd] Handschriftlich ersetzt: zurückschickt durch zurückschrieb

[ee] Maschinell eingefügt: ein

[ff] Maschinell eingefügt: hat

[gg] Maschinell eingefügt: um

[hh] Maschinell ersetzt: ... durch Herr Vorsitzender, ich darf an

[ii] Handschriftlich durchgestrichen: gestellt

[jj] Maschinell ergänzt: aussagen

[kk] Maschinell eingefügt: oder

[ll] Handschriftlich ersetzt: ist durch sind

[mm] Maschinell ersetzt: freilich durch freiwillig

[nn] Maschinell eingefügt: völlig

[oo] Maschinell durchgestrichen: da

[pp] Maschinell eingefügt: sogar

[qq] Maschinell ergänzt: Einleitungsverfügungen

[rr] Maschinell ersetzt: Hat er durch Daß Sie

[ss] Maschinell ergänzt: interessierten

[tt] Handschriftlich durchgestrichen: und

[uu] Maschinell eingefügt: sich

[vv] Maschinell eingefügt: für

[ww] Handschriftlich durchgestrichen: verkündigen

[xx] Handschriftlich eingefügt: - - -

[yy] Maschinell eingefügt: nicht

[zz] Maschinell eingefügt: aus

[aaa] Maschinell eingefügt: noch

[bbb] Maschinell eingefügt: Darf ich nur fragen,

[ccc] Maschinell eingefügt: jetzt

[ddd] Maschinell eingefügt: noch

[eee] Maschinell durchgestrichen: nichts

[fff] Maschinell eingefügt: für

[ggg] Maschinell ergänzt: verlegen