[13419] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 17. Febr. 1977, 9.01 Uhr
(179. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko
Just. Ass. Clemens.
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als deren Verteidiger sind erschienen,
Rechtsanwälte: Eggler, Schnabel, Schwarz, Weidenhammer, Schlaegel und Grigat.
Vors.:
Die Sitzung wird fortgesetzt. Die Verteidigung ist gewährleistet. Herr RA Künzel fehlt, ich weiß nicht, warum[a] Herr RA Schily fehlt, auch von ihm liegt keine Erklärung vor.
Es sind einige Gerichtsbeschlüsse zu verkünden. Zunächst der
Beschluss
Der von RA Schily wiederholt gestellte Antrag, Frau Susanne Mordhorst-Stasi als Zeugin zu vernehmen, wird ebenso abgelehnt wie der Antrag, die Ermittlungsakten der Bundesanwaltschaft (zu ergänzen: gegen Frau Mordhorst-Stasi) beizuziehen.
Gründe:
I. RA. Schily hat die Vernehmung von Frau Mordhorst-Stasi am 10.11.1976 beantragt (TN 12340, 12342), der Senat hat den Antrag am 24.11.1976 abgelehnt (TN 12647). Der Senat hält seine Auffassung aufrecht. Zwar hat der am 10.2.1977 als Zeuge vernommene Vater Mordhorst Mitgliedschaft und Mitwirkung seiner Tochter bei der „RAF“ nach seinem Wissensstand verneint, hat aber angegeben, selbstverständlich habe er seiner damals 24 Jahre alten, studierenden Tochter nicht nachspioniert und sie nicht stän- [13420] dig im Blickfeld gehabt. Sie habe auch immer wieder auswärts übernachtet (wie auch er selbst in seiner Tätigkeit als Elblotse des öfteren von zuhause abwesend gewesen sei). Deshalb hat sich an den Erwägungen, die der Senat im Beschluss vom 24.11.1976 angestellt hat, nichts entscheidendes geändert. Der Haftbefehl gegen Frau Mordhorst-Stasi besteht nach wie vor, und sie wird, solange er besteht, nach Angaben ihres Vaters nicht in die Bundesrepublik kommen. Der Senat hatte Frau Mordhorst seinerzeit auf Art. 25 Abs. 2 des Deutsch-Italienischen-Rechtshilfevertrages[2] hingewiesen; an die Stelle dieser Bestimmung ist - mit etwa gleichem Inhalt - Art. 12 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen[3] getreten.
II. Der Senat hält nicht für geboten, aufs Geratewohl die Ermittlungsakten gegen Frau Mordhorst beizuziehen. Irgendwelche näheren Hinweise, welche Beweismittel in diesen Akten zu finden sein könnten und was eine Beweiserhebung ergeben könnte, gibt der Antragsteller nicht. Soweit auf den sachbearbeitenden Bundesanwalt hingewiesen wird, so auch dies nur als auf eine allgemeine Auskunftsperson. Bei der Entscheidung kann zum einen nicht unberücksichtigt bleiben, daß Frau Mordhorst hier nicht angeklagt ist, vielmehr nur im Zusammenhang mit der Erörterung des „Ensslin-Kassibers“[4] von Herrn Müller[5] erwähnt wurde, also ohne unmittelbaren Bezug auf das hier angeklagte Verhalten; es könnte lediglich die allgemeine Glaubwürdigkeit von Herrn Müller berührt werden. Zum anderen ließ Vater Mordhorst als Zeuge die Möglichkeit offen, eine andere Person könnte sich des Ausweises seiner Tochter bedient und sich für diese ausgegeben haben.
- - -[b]
Während der Verkündung des Beschlusses:
RA Künzel erscheint um 9.04 Uhr im Sitzungssaal.
Ein weiterer
Beschluss
Der von RA Schily gestellte Antrag, den Kriminalbeamten Zieger oder Ziegler aus Heilbronn als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
[13421] Gründe:
Der als Zeuge benannte Kriminalbeamte soll bekunden, dass nach den Feststellungen der Kriminalpolizei in Heilbronn Frau Susanne Mordhorst sich nicht im Jahre 1972 in Heilbronn aufgehalten hat. Die Behauptung wird so behandelt, als wäre die behauptete Tatsache wahr (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).[6]
Übrigens hat nach den Akten 1 BJs 7/76 Gerhard Müller, was die angeblich geplante Entführung des Verlegers Holtzbrink im Jahre 1972 angeht, nicht Frau Mordhorst, sondern Frau Luther in Verbindung mit Heilbronn gebracht.
- - -[c]
Ein weiterer
Beschluss
Der von RA Schily gestellte Antrag, Herrn Bundesanwalt Dr. Krüger - erneut - als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe
Ob, bejahendenfalls von wem, auf die Hauptbahnhöfe in Hamburg, Bremen und München Sprengstoffanschläge ausgeführt worden sind,[7] ist für das anhängige Verfahren ebenso ohne Bedeutung wie die Frage, ob die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit solchen Anschlägen irgendwelche Eindrücke in der Öffentlichkeit bestehen ließ.
Ob ein Mitarbeiter des ZDF Vorgänge aus der Akte 3 ARP 74/75 I erhielt, gleich zu welchem Zeitpunkt, berührt das anhängige Verfahren nicht und ist gleichfalls ohne Bedeutung.
Im übrigen dient der Beweisantrag offenbar dem Zweck, darzutun, bei Vernehmung des Zeugen Gerhard Müller seien verbotene Vernehmungsmittel im Sinne von § 136a StPO[8] verwendet worden. Insoweit gilt Freibeweis.[9] Der Senat hält unter Beachtung der Aufklärungspflicht nicht für geboten, Herrn Dr. Krüger nochmals als Zeugen zu hören. Er ist am 23.11.76 als Zeuge ausführlich vernommen worden; er hatte zu allen Beweisthemen, die Rechtsanwalt Schily in seinem Beweisantrag benannt hatte, Aussagegenehmigung.[10] Auch die Frage, ob Herrn Müller Zusagen in Bezug auf die Verwendung seiner [13422] Angaben gemacht wurden, wurde erörtert. Zu den gleichen oder ähnlichen Fragen sind übrigens auch schon zahlreiche Zeugen gehört worden. Die von RA Schily jetzt aufgestellten Beweisbehauptungen beschäftigen sich fast durchweg damit, was alles in Vollzug oder aufgrund einer erteilten Zusage geschehen sei, setzen also eine Zusage voraus oder erhalten einen Zusammenhang mit dem anhängigen Verfahren nur durch eine Zusage. Dr. Krüger hat aber ausgesagt, ihm sei von irgendwelchen Zusagen nichts bekannt. Fragen, die auf einer erteilten Zusage aufbauen, sind daher sinnvoll nicht an ihn zu stellen.
Möglicherweise - der Antragsteller hat hierzu nichts ausgeführt - sollen die jetzt genannten Beweisfragen auch dazu dienen, die allgemeine Glaubwürdigkeit des Zeugen Gerhard Müller zu überprüfen.
Indes kann das nicht dadurch geschehen, daß Herr Dr. Krüger ein Werturteil darüber abgibt, ob das Bekanntwerden der Akte 3 ARP 74/75 I[11] tatsächlich geeignet war, dem Wohle des Bundes Nachteile zu bereiten (warum der Antragsteller die Formulierung wählt ... „die Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“, ist unklar; die Erklärung des Bundesministers der Justiz vom 23.1.76 enthält diese Formulierung - entsprechend § 96 StPO[12] - nicht). Das ist kein Zeugenwissen. Zudem ist die Frage, für sich betrachtet für das Verfahren ohne Bedeutung. Ein Zusammenhang mit dem Verfahren wird erst dadurch hergestellt, daß der Antragsteller die schon erwähnte Zusage behauptet. Hierzu ist Herr Dr. Krüger aber - siehe oben - schon vernommen worden.
Ebenso (ohne Bedeutung) verhält es sich mit dem Zustandekommen des „Sperrvermerks“ (Erklärung des Bundesministers der Justiz vom 23.1.76) und der Verwendung der Akten 3 ARP 74/75 I. Nur durch die Behauptung der Zusage wird eine Verbindung zum anhängigen Verfahren hergestellt; hierzu ist Dr. Krüger vernommen worden. Zu der Verwendung der Akte 3 ARP 74/75 I im Verfahren vor dem Landgericht Hamburg[13] sagte Dr. Krüger aus, zu dieser Zeit hätten die Akten dem Sperrvermerk aus § 96 StPO unterlegen, und weiter, sie [13423] seien als geheim eingestuft gewesen. Damit war beantwortet, daß sie dem Landgericht Hamburg nicht zur Verfügung standen. Schließlich war auch die Frage, ob Schilderungen, die Gerhard Müller in der Akte 3 ARP 74/75 I gegeben hatte, in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren von Bedeutung hätten sein können, schon Gegenstand der Erörterung mit dem Zeugen Dr. Krüger.
Auch die Frage, wann die Akte 3 ARP 74/75 I freizugeben sei, hängt unlösbar mit der schon beantworteten Frage etwaiger Zusagen zusammen (übrigens liegt nahe, daß die Behörde, die Vertrauensschutz anordnet, und diejenige, welche die Erklärung nach § 96 StPO abgibt, diese Maßnahmen jeweils auch wieder rückgängig macht).
Bei der Behauptung, es seien die im Februar 1975 geführten Gespräche, Vernehmungen und Überwachungen von Presseinterviews im Auftrag der Bundesanwaltschaft vorgenommen worden, ist zum einen nicht ersichtlich, inwiefern dies für das anhängige Verfahren von Bedeutung sein könnte, zum andern ist Herrn Dr. Krüger diese Frage schon gestellt worden, er hat sie beantwortet.
Daß die Akte 3 ARP 74/75 I von der Bundesanwaltschaft dem Gericht und damit den anderen Verfahrensbeteiligten am 5.11.76 und - in Ergänzung - am 16.11.76 vorgelegt worden ist, ist erwiesen; es ist dies in der Hauptverhandlung geschehen.
Soweit der Antrag dahingeht, schon bei der früheren Vernehmung von Dr. Krüger gestellte und mangels Aussagegenehmigung nicht beantwortete Fragen erneut zu stellen und hierzu auf eine Erweiterung der damals - entsprechend dem damaligen Beweisantrag ohne Einschränkung - erteilten Aussagegenehmigung hinzuwirken, gibt auch der Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht keinen Anlaß, entsprechende Schritte zu unternehmen.
- - -
Es ist weiter bekanntzugeben, daß ein Schreiben des Präsidenten des Bundeskriminalamts Herrn Dr. Herold eingegangen ist. Es ist beabsichtigt, dieses Schreiben zu verlesen. Will hierzu irgendwelche Stellungnahme abgegeben werden? Ich [13424] sehe nicht. Dann ordne ich die Verlesung des Schreibens des Präs.[d] des Bundeskriminalamts Herrn Dr. Herold vom 11.2.77 an und zwar zum einen soweit es sich um den Bereich des § 136a[ StPO] handelt, im[e] Wege[f] des Freibeweises, im übrigen gem. § 256[ StPO],[14] weil es sich hier um die Erklärung einer öffentlichen Behörde handelt.
In Ausführung der Anordnung wird das Schreiben des Präsidenten des Bundeskriminalamts Dr. Herold vom[g] 11.2.77 verlesen.
Eine Ablichtung dieses Schreibens wird als Anl. 1 zum Protokoll genommen.
Es erhebt sich nach Verlesung dieses Schreibens die Frage, ob Herr Dr. Herold noch zusätzlich persönlich hier als Zeuge gehört werden soll oder nicht. Auch hierzu bitte ich, falls gewünscht, um Meinungsäußerungen? Ich sehe nicht. Dann wird sich der Senat kurz zurückziehen und darüber beschließen, wie es sich mit einer etwaigen Ladung von Herrn Dr. Herold verhält. Ich bitte im Saale zu bleiben.
Pause von 9.15 Uhr bis 9.17 Uhr.
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.17 Uhr ist RA Schily nunmehr auch anwesend.
Vors.:
Bann wird folgender Beschluß verkündet:
Beschluss:
Der von RA Schily gestellte Antrag, den Präsidenten des Bundeskriminalamts, Herrn Dr. Herold, als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe:
Herr Dr. Herold hat als Präsident des Bundeskriminalamts eine Erklärung für diese Behörde abgegeben. Sie ist in der Hauptverhandlung verlesen worden, einesteils im Freibeweis (zu Fragen, die § 136a StPO berühren), zum anderen gem. § 256 StPO.
Soweit die von RA Schily am 20.1.77 gestellten Beweisanträge und dementsprechend das Antwortschreiben von Herrn Dr. Herold sich damit befassen, ob bei dem Zeugen Gerhard Müller verbotene Vernehmungsmittel im Sinne von [13425][15] [13426] § 136a StPO benutzt wurden, gilt Freibeweis. Der Senat hat unter Berücksichtigung von § 244 Abs. 2 StPO[16] geprüft, ob hierbei die Verlesung dieses Schreibens ausreicht oder ob die Vernehmung von Herrn Dr. Herold in der Hauptverhandlung geboten ist. Der Senat hält die Verlesung für ausreichend. Es ist nicht zu erkennen, daß die Vernehmung bessere Aufklärung schaffen könnte. Übrigens ist eine Reihe von Angehörigen des Bundeskriminalamts, die an Vernehmungen von Herrn Müller selbst beteiligt waren, in der Hauptverhandlung schon vernommen worden.
Ob „durch gezielte Indiskretionen aus zurückgehaltenen Akten bestimmte Presseveröffentlichungen zur psychologischen Beeinflussung der Bevölkerung herbeigeführt worden sind“ ist für das anhängige Verfahren ebensowenig von Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO)[17] wie die Frage, ob, gegebenenfalls zu welchem Zweck mit Herrn Zimmermann ein Beratervertrag abgeschlossen wurde und ihm Unterlagen aus den Ermittlungsakten, seien es auch als „VS-Vertraulich“ gekennzeichnete, überlassen wurden. Weder zur Schuld noch gegebenenfalls zur Straffrage besteht hier irgendein Zusammenhang.
Soweit die Beweisbehauptungen Einfluß auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Gerhard Müller haben könnten, beruht die Anordnung der Verlesung auf § 256 StPO. Um das Zeugnis einer öffentlichen Behörde im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich auch dann, wenn über Wahrnehmungen berichtet wird, die ein Angehöriger der Behörde in amtlicher Eigenschaft als deren Repräsentant - nicht nur bei Gelegenheit amtlichen Tätigwerden - gemacht hat (Reichsgericht in Strafsachen 9, 88, 91 ff; Gollwitzer bei Löwe-Rosenberg 23. Aufl., 20 zu § 256 StPO[18]).
Das ist hier der Fall. Soweit Herr Dr. Herold bekannt gibt, was er über den Fall Barz[19] weiß, gibt er wieder, was er in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundeskriminalamts aus Berichten erfahren hat; er bestätigt hier die Beweisbehauptung. Soweit Herr Dr. Herold erklärt, keine Kenntnisse zu haben, hätte er solche Kenntnisse - falls er über sie verfügte - in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundeskriminalamts erlangt. Daß er keine Kennt- [13427] nisse hat, kann die Behörde amtlich erklären.
Mit der Verlesung erübrigt sich die Vernehmung von Dr. Herold. Nach Auffassung des Senats gebietet auch die Pflicht zu umfassender Aufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO[h]) keine Ladung. Es ist nicht ersichtlich, daß durch eine Vernehmung mehr zur Wahrheitsfindung beigetragen werden könnte als so (vgl. Gollwitzer bei Löwe-Rosenberg 23. Aufl., 53 zu § 256 StPO[20]).
- - -
Der Senat hatte auf Antrag, auf Ermittlungsantrag von Herrn RA Schily nochmals an Herrn Generalbundesanwalt Buback geschrieben wegen der „Einleitungsverfügungen“ der Akten 3 ARP 74/75 I und der Akte 1 BJs 7/76.[21] Herr Generalbundesanwalt Buback hat hierauf geantwortet - ich will es zunächst informatorisch bekanntgeben, was er geantwortet hat. Er schreibt hier:
Der Vorsitzende verliest das Schreiben des Generalbundesanwalts vom 15. Febr. 77 nebst beil. Anlage.
Eine Ablichtung dieses Schreibens mit Anlage wird als Anl. 2 zum Protokoll genommen.
Wie gesagt, das ist eine informatorische Verlesung. Der Senat kann sich auf den 1. Blick nicht recht vorstellen, was diese hier soeben vorgetragenen Dinge zur Wahrheitsfindung und zur Aufklärung beitragen könnten. Es ist Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Ich sehe keine Wortmeldungen. Dann wird der Senat noch formell über diesen Antrag befinden, diese „Einleitungsverfügungen“ zuzuziehen und dementsprechend in die Verhandlung einzuführen. Auch hierzu eine kurze Pause. Ich bitte im Saale zu bleiben.
Pause von 9.24 Uhr bis 9.28 Uhr.
Vors.:
Folgender Beschluß wird verkündet:
Beschluß
Der Antrag, die „Einleitungsverfügungen“ der Akten 3 ARP 74/75 I und 1 BJs 7/76 beizuziehen, wird als Beweisermittlungsantrag[22] behandelt, der durch die Einholung einer Äußerung des Generalbundesanwalts nebst beigefügter Ab- [13428-13429][23] [13430] lichtung eines Aktenvermerks zu der Akte 1 BJs 7/76 erledigt ist.
Damit sind wir am Ende der Beweisaufnahme, soweit es sich um vorliegende Dinge handelt. Ich frage, ob noch irgendwelche Anträge hierzu gestellt werden?
RA Schi[ly]:
Ich habe folgenden Beweisantrag noch zu stellen, darf aber gleichzeitig mit Rücksicht auf die Entscheidung des Senats, den Herrn Präsidenten des Bundeskriminalamtes nicht entsprechend dem gestellten Beweisantrag zu vernehmen, ankündigen - ich glaube, ich habe das schon in einer früheren Sitzung getan -, daß ich nunmehr den Herrn Präsidenten des Bundeskriminalamtes unmittelbar laden[24] werde. Bei dieser Gelegenheit kann ich auch noch einmal bekanntgeben, daß ich mich erneut nach dem Gesundheitszustand von Herrn Opitz erkundigt habe und mir mitgeteilt wurde, Herr Opitz sei nach wie vor erkrankt. Leider hat aber die zuständige Stelle mir keine Auskunft darüber erteilt, wie, welche Erwartung hinsichtlich einer Besserung des Gesundheitszustandes möglich sind. In dem Beweisantrag, den ich zu stellen habe, der hat folgenden Wortlaut:
RA Schily verliest nunmehr den aus Anl. 3 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll als Anl. 3 beigefügt wird.
Vors.:
Wir werden uns über diesen Beweisantrag Gedanken machen. Werden sonst noch irgendwelche Anträge gestellt? Ich sehe nicht. Pause bis 9.45 Uhr.
Pause von 9.31 Uhr bis 10.02 Uhr.
Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.02 Uhr ist RA Weidenhammer nicht mehr anwesend.
Vors.:
Es wird folgender Beschluß verkündet:
Beschluß
Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, Herrn Kriminalobermeister Thiele als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antragsteller hat bereits in der Hauptverhandlung vom 21.9.76 (TN 11624) folgenden Antrag gestellt: Es wird bean- [13431] tragt, Frau Beatrix Stammer sowie Herrn KOM Thiele, zu laden über den Polizeipräsidenten in Berlin, als Zeugen zu vernehmen. Die Zeugen werden bekunden, daß die Kriminalpolizei bei einer Hausdurchsuchung am 29. Juni 1976 nach Ingeborg Barz gefahndet und daß[i] die Fingerabdrücke der Personen, die in der durchsuchten Wohnung angetroffen wurden, [j] von der Kriminalpolizei mit den Fingerabdrücken von Ingeborg Barz verglichen worden sind, um festzustellen, ob einer der in der Wohnung anwesenden Personen Ingeborg Barz ist.
Daraufhin hat der Senat am 22.9.76 folgenden Beschluß gefaßt: „Der von RA Schily gestellte Antrag, Frau Beatrix Stammer sowie Herrn KOM Thiele als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt, weil die in das Wissen der Zeugen gestellten Beweisbehauptungen so behandelt werden, als wären die behaupteten Tatsachen wahr (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).“
Sofern mit dem heute gestellten Antrag überhaupt weitere Erkenntnisse des Zeugen Thiele den Prozeßbeteiligten vermittelt werden sollen, handelt es sich um einen Beweisermittlungsantrag, der allenfalls dazu dient, Hinweise auf in der Hauptverhandlung möglicherweise verwertbare Beweismittel zu geben. Dem nachzugehen besteht unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht kein Anlaß, um so weniger, als zu der Frage, ob Lebenszeichen von Frau Barz in den letzten Jahren vorhanden sind, schon eine Reihe von Zeugen vernommen worden sind. Die Frage, ob Frau Barz lebt, berührt übrigens nur die allgemeine Glaubwürdigkeit des Zeugen Müller, der hierüber Angaben vom Hörensagen gemacht hat. Auch zur Glaubwürdigkeit von Herrn Müller sind schon zahlreiche Zeugen vernommen worden.
- - -
Während der Verkündung des Beschlusses:
RA Weidenhammer erscheint wieder um 10.02 Uhr im Sitzungssaal.
Damit sind die vorliegenden Beweisanträge erneut erledigt. Es wird die Frage gestellt, ob weitere Anträge gestellt werden?
[13432][25] [13433] RA Schi[ly]:
Jawohl. Ich beantrage ferner,
Herrn Rudolf Wust, zu laden über die Adresse 4421 Großheseppe/Ems, [Anschrift], als Zeugen zu vernehmen.
Der Zeuge wird bekunden, daß er die angeblich getötete Ingeborg Barz noch Ende 1973 und Anfang 1974 lebend gesehen hat. Auch durch diese Bekundung des Zeugen Wust wird die Behauptung des Zeugen Gerhard Müller. Ingeborg Barz sei getötet worden, widerlegt.
Ferner beantrage ich,
die Mutter der Zeugin Susanne Stasi-Mordhorst, Frau Mordhorst, zu laden über die gleiche Adresse wie der Zeuge Mordhorst in Hamburg, als Zeugin zu vernehmen
und zwar zu dem gleichen Beweisthema, zu dem Herr Mordhorst benannt worden ist.
Vors.:
Nur eine Frage, Herr RA: Warum stellen Sie die Anträge erst jetzt, wenn ich fragen darf? Gesetzt den Fall, wir hätten beschlossen, den Herrn Thiele zu laden, hätten Sie [k] den Antrag dann[l] noch gestellt heute oder hätten Sie sich den aufgehoben?
RA Schi[ly]:
Dann hätte ich die Anträge auch noch gestellt.
Vors.:
Gut, danke. Sind sonstige Anträge zu stellen? Falls Sie noch mehr im Portefeuille haben, Herr RA, bitte ich, das jetzt zu tun.
RA Schi[ly]:
Ich habe hier noch einen weiteren Antrag schriftlich vorliegen. Aber ich möchte ihn eigentlich erst nach der Entscheidung des Senats stellen.
Vors.:
Wir werden uns zurückziehen, ½ Stunde.
Pause von 10.07 Uhr bis 10.39 Uhr.
Ende des Bandes 793.
[13434] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.39 Uhr.
Vors.:
Der Senat hat sich noch nicht entschieden, ob die beantragten Zeugen zur Hauptverhandlung geladen werden oder nicht. Alle Beteiligten müssen sich sowohl auf das Positive, wie auf das Negative einstellen, wenn wir nächsten Mittwoch, den 23.2.77, 9 Uhr fortsetzen. Ich will, bevor ich die Verhandlung schließe, trotzdem nochmal ...
RA Wei[denhammer]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Bitte sehr?
RA Wei[denhammer]:
Ich habe eben mit meinem Mandanten gesprochen, und darf für ihn und auch für mich weitere Anträge, etwas umfangreichere, ankündigen; das nur für die geplante Terminierung in den nächsten Wochen.
Vors.:
Bitte sehr, wir setzen um 12 Uhr fort. Sie haben Gelegenheit, die Anträge bis dahin vorzubereiten.
RA Wei[denhammer]:
Dankeschön. Ich werde mich bemühen, ja. Im übrigen ist mir bekanntgeworden, wie ich aus einem Zeitungsausschnitt entnehme, den mir mein Mandant übermittelt hat, daß die Propagandaabteilung des Staatsschutzes wieder einmal die Omnipotenz der Angeklagten über alles stellt ...
Vors.:
Was soll das werden, Herr Rechtsanwalt?
RA Wei[denhammer]:
Ja ich wollte ... Ich komme schon zur Sache.
Vors.:
Bringen Sie immer erst den Antragstenor, dann weiß ich, was es geben soll, und ob es zur Hauptverhandlung gehört.
RA Wei[denhammer]:
Ja es ist hier die Rede von elektronischen Bauteilen ...
Vors.:
Ja bitte, wenn Sie jetzt bitte den Antrag formulieren würden, Herr Weidenhammer, dann weiß ich, um was es geht.
RA Wei[denhammer]:
Ich möchte nur vorausschicken, damit man weiß, um was es geht.
Vors.:
Ja Sie können ...
RA Wei[denhammer]:
Daß die Gefangenen das Recht haben, insbesondere mein Mandant in Bezug auf seine Person klarzustellen, daß er nicht diese Omnipotenz entwickelt ...
Vors.:
Ja, Sie kennen ja das Pressegesetz. Es gibt die Möglichkeit[m], [13435] eine Gegendarstellung abzugeben. Wir sind hier aber nicht der Pressesenat. Sie werden verstehen ...
RA Wei[denhammer]:
Ich hab da meine Erfahrungen, Herr Vorsitzender. Nur bitte ich Wert auf die Feststellung, daß es sich hier um einen Kocher handelt, einen elektrischen und keineswegs um elektronische Bauteile ...
Vors.:
Ja Sie wollten doch den Antrag stellen, Herr Rechtsanwalt Weidenhammer.
RA Wei[denhammer]:
Anstatt eines Antrags bitte ich eine Erklärung zu Protokoll geben zu dürfen ...
Vors.:
Nein, ich weiß nicht ... Wir haben ja keinen Zeugen vernommen.
RA Wei[denhammer]:
... und zwar eine Prozeßerklärung [§ ]257[ StPO].
Vors.:
Wozu Herr Rechtsanwalt?
RA Wei[denhammer]:
Zur Frage der Person des Angeklagten Raspe, dem durch die ...
Vors.:
Nein, nein, jetzt warten Sie mal. Also jetzt wollen wir erst mal den [§ ]257[ StPO] aufschlagen. Sie haben ihn ja auch vor sich. Und wenn Sie den aufschlagen, dann werden Sie sich überzeugen, daß da drinne steht, es geht hier um Stellungnahmen zu durchgeführten Beweiserhebungen. Da heißt es: „Nach der Vernehmung eines jeden Zeugen, Sachverständigen oder Mitangeklagten sowie nach der Verlesung eines jeden Schriftstücks soll der Angeklagte gefragt werden, ob er dazu etwas zu erklären hat. Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.“. Jetzt wurden Sie mir bitte die Beweiserhebung nennen, an welche sich Ihre Erklärung anschließen soll,[26] Herr Rechtsanwalt?
RA Wei[denhammer]:
Ich stelle die Erklärung vorübergehend zurück. Ich möchte nur in der Hauptverhandlung klargestellt wissen, daß hier nicht alle Märchenerzählungen des Staatsschutzes kritiklos übernommen werden.
Vors.:
Wir glauben nicht an Märchen, Herr Rechtsanwalt.
Herr Rechtsanwalt Schily, Sie hatten sich gemeldet?
RA Schi[ly]:
Auch dieser Antrag liegt schriftlich vor, allerdings nur hinsichtlich des Beweisthemas und des Zeugen, der benannt wird; und ich werde dann die Begründung noch etwas ins [13436] Protokoll diktieren, also ins Protokoll erklären.
Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Rechtsanwalt Schily verliest nunmehr den aus Anlage 4 des Sitzungsprotokolls ersichtlichen Antrag, der anschließend übergeben und dem Protokoll in Ablichtung beigefügt wird.
Zur Begründung dieses Antrages darf ich ausführen, daß ja Gegenstand dieser Beweisaufnahme unter anderem die Frage ist, welche Vernehmungsmethoden seitens der Staatsschutzbehörden, also insbesondere auch des Bundeskriminalamtes bei der Gewinnung von sog. Kronzeugen[27] angewendet werden. Und insofern spielt die Frage, ob bei dem Zeugen Mayer solche Vernehmungsmethoden angewendet werden, indirekt, obwohl der Zeuge Mayer für dieses Verfahren an sich nicht in Betracht kommt, eine Rolle. Es spielt insbesondere auch eine Rolle bei der Beurteilung der zu dieser Frage bisher vernommenen Zeugen, insbesondere der Herrn Generalbundesanwalt Buback, Dr. Krüger und Kaul; aber auch von weiteren Vernehmungsbeamten des Bundeskriminalamtes.
Vors.:
Danke sehr. Weitere Anträge? Sie hatten ja noch Anträge angekündigt, Herr Rechtsanwalt Weidenhammer. Ich hatte ja schon darauf hingewiesen, Sie erhalten selbstverständlich die Zeit, diese Anträge, die Sie beabsichtigen, mit Ihrem Herrn Mandanten noch zu besprechen. Wir werden um 12 Uhr die Verhandlung fortsetzen; dann können Sie die Anträge anbringen.
RA Schi[ly]:
Darf ich noch etwas Formales sagen?
Vors.:
Bitte sehr, Herr Rechtsanwalt Schily.
RA Schi[ly]:
Versehentlich hat mein Büro unterlassen, von diesem Antrag eine Kopie zu fertigen; aber das wird ja sowieso Bestandteil des Protokolls.
Vors.:
Wollen Sie selber noch eine davon?
RA Schi[ly]:
Da wäre ich Ihnen dankbar. Leider hat mein Büro das unterlassen ...
Vors.:
Ja wir werden sogleich eine Fotokopie ...
RA Schi[ly]:
Da wäre ich Ihnen dankbar.
Vors.:
Selbstverständlich, das sind keine Schwierigkeiten.
[13437] Also 12 Uhr Fortsetzung.
Pause von 10.51 Uhr bis 12.03 Uhr.
Vors.:
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Herr Rechtsanwalt Weidenhammer, bitte?
RA Wei[denhammer]:
Ich muß Ihnen mitteilen, daß die notwendige Aufklärung zur Stellung des angekündigten Beweisantrags nicht möglich gewesen ist, weil noch umfangreiche Sachaufklärungen zu treffen sind. Ich kann den Antrag also jetzt nicht stellen, noch nicht stellen.
Vors.:
Ja, Sie hatten dergleichen vorhin schon auf der Geschäftsstelle geäußert. Ich hatte Ihnen gesagt: Ich bin gern in der Lage, die Sitzung erst um 14 Uhr, 15 Uhr, ja auch um 16 Uhr fortzusetzen, Und muß Ihnen anheimstellen, ob nicht diese Zeit wenigstens genügen sollte, sich über die Anträge schlüssig zu werden. Immerhin ist doch zu bedenken, daß wir nahezu eine Woche Prozeßpause hatten, und auch diese Prozeßpause konnte ja zu Überlegungen, Nachforschungen und dergleichen benutzt werden. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß ein wichtiges Gebot der Strafrechtspflege die straffe Durchführung von Strafverfahren ist. Das steht auch in der Menschenrechtskonvention,[28] die ja hier schon öfters genannt wurde. Und in diesem vorgerückten Stadium des Verfahrens ist es natürlich von besonderer Wichtigkeit, weshalb ich doch auf eine tunliche Konzentration der zu stellenden Anträge drängen muß. Deswegen nochmals an Sie das Angebot, Herr Rechtsanwalt: Wir sind um 16 Uhr bereit, Ihre Anträge entgegen zu nehmen, oder auch um 17 Uhr. Da soll es uns nicht darauf ankommen.
RA Wei[denhammer]:
Mit dieser Zeit werde ich nicht hinkommen, weil ich da zunächst im Büro in Frankfurt nachsehen müßte und noch Vorbereitungen zu treffen hätte. Im übrigen darf ich Sie daran erinnern, daß - wie[n] ich das auch schriftlich bereits vorgetragen habe - Verteidigergespräche nicht ungehindert und uneingeschränkt möglich sind, noch nicht einmal fernmündlich. Daran hat sich also bis zum heutigen Tage nichts geändert.
Vors.:
Ja nun, heute ist ja Prozeßtag. Die Angeklagten sind möglicher- [13438-13440][29] [13441] weise im Hause, so daß das ja kein Argument sein dürfte. Sie werden gerne auch ein Telefon des Hauses benutzen dürfen, wenn Sie mit Ihrem Büro umfangreichere Rückfragen durchführen sollten. Wir werden Ihnen alle Hilfsmittel anbieten, um das tun zu können. Sie müssen also nicht vor irgendeinem Telefonhäuschen stehen und Münzen einwerfen ...
RA Wei[denhammer]:
Wie bereits geschehen in der Vergangenheit; daran darf ich auch an dieser Stelle erinnern ...
Vors.:
Ist das geschehen, daß Sie darauf angewiesen waren?
RA Wei[denhammer]:
Nicht heute, aber in der Vergangenheit mehrfach ...
Vors.:
Also dann trifft es sich ja gut, daß ich darauf komme.
Also bitte, in diesem Hause sind hinreichend Telefone. Sie dürfen sich dieser Telefone bedienen. Also kurz und gut die letzte Frage an Sie, Herr Rechtsanwalt Weidenhammer: Sind Sie unter diesen Umständen bereit - zur Verfügungstellung von Kommunikationsmitteln, Weiterführung der Verhandlung um 17 Uhr - sind Sie unter diesen Umständen bereit, die angekündigten Anträge heute noch zu stellen?
RA Wei[denhammer]:
Nach meiner Einschätzung ist das nicht möglich.
Vors.:
Gut, das ist freilich Ihre Entscheidung letztlich. Dann wenn sonst keine Anträge ...
BA Dr. W[under]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Bitte sehr?
BA Dr. W[under]:
... ganz kurz würde ich Stellung nehmen zu den vorhin abgegebenen Beweisanträgen. Und zwar den Beweisanträgen auf Vernehmung der Zeugen Mayer und Frau Mordhorst tritt die Bundesanwaltschaft entgegen. Was der Zeuge Mayer bekunden soll, ist unserer Auffassung nach für dieses Verfahren ohne jegliche Bedeutung, denn selbst wenn sich der hier geschilderte Vorgang in etwa so zugetragen haben sollte, gibt es keinen Anlaß, dies auf die Vernehmung des Zeugen[o] Müller, und darauf läuft es wohl hinaus, zu transferieren. Die Mutter von Susanne Mordhorst ist unserer Auffassung nach ein ungeeignetes Beweismittel für die Behauptung, daß Susanne Mordhorst nicht Vollmitglieder der RAF gewesen sei; denn derartige Eigenschaften werden erfahrungsgemäß selbst Verwandten gegenüber nicht offengelegt. Im übrigen hat der Vater von Susanne Mordhorst hier bereits bekundet, daß er nicht über [13442] jeden Schritt seiner Tochter aussagen könne.
Danke.
Vors.:
Sonst noch irgendwelche Antragsstellungen oder dergleichen? Ich sehe nicht. Dann Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, 23. Februar 1977, 9 Uhr. Die Beteiligten werden gebeten, sich darauf einzurichten, daß die benannten Zeugen möglicherweise an diesem Tage gehört werden.
Ende des 179. Verhandlungstages um 12.08 Uhr
Ende von Band 794
[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Art. 25 Abs. 2 des Vertrages zwischen Deutschland und Italien über die Auslieferung und die sonstige Rechtshilfe in Strafsachen vom 18. Februar 1943 lautete: „Ein Zeuge oder Sachverständiger, der auf eine durch die Behörde des ersuchten Teils ihm zugestellte Ladung vor den Behörden des ersuchenden Teils erscheint, darf, ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit, weder wegen irgendeiner Art von Beteiligung, Hehlerei oder Begünstigung bei der den Gegenstand der Verfolgung bildenden oder einer anderen vor seiner Ausreise aus dem Gebiete des ersuchten Teils begangenen Straftat einer Untersuchung, Strafverfolgung oder Strafvollstreckung unterworfen noch aus einem sonstigen, vorher eingetretenen Rechtsgrund in seiner persönlichen Freiheit beschränkt werden. Diese Verbote entfallen, wenn die geladene Person innerhalb einer Woche nach dem Tage, an dem sie entlassen worden ist und die Ausreise möglich gewesen wäre, das Gebiet des ersuchenden Teils nicht verlassen hat.“ (RGBl. 1943 II, S. 73, 81)
[3] Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (BGBl. 1964 II, S. 1386) trat in der Bundesrepublik am 1. Januar 1977 in Kraft (BGBl. 1976 II, S. 1799). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Rechtshilfeverkehr über zwischenstaatliche Vereinbarungen geregelt. Das Übereinkommen gilt bis heute, ergänzt durch zwei Zusatzprotokolle (1978 und 2001), fort. Es enthält unter anderem Regelung zum Umgang mit Rechtshilfeersuchen, Zustellungen, Erscheinen von Zeug/innen und Sachverständigen, Überstellungen und das Verfahren der Rechtshilfe. Art. 12 Abs. 1 des Übereinkommens enthält ebenfalls eine Regelung zum sog. freien Geleit für Zeug/innen und Sachverständige.
[4] Gemeint ist das bei der Festnahme von Ulrike Meinhof gefundene und offenbar von Gudrun Ensslin stammende Schreiben, in welchem sich Schilderungen konkreter Geschehnisse im Zusammenhang mit Ensslins Verhaftung befanden (das Schreiben wird am 59. Verhandlungstag thematisiert, S. 5396 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; Auszüge finden sich im Urteil auf S. 152). Da es nur wenige Tage nach der Verhaftung Ensslins außerhalb der Haftanstalt aufgefunden wurde, wurde schnell der Verdacht geäußert, Rechtsanwalt Schily habe diesen Kassiber im Rahmen eines Anwaltsbesuches illegal aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt. Sichere Beweise hierfür gab es allerdings nicht (s. hierzu Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 65 ff.).
[5] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Die Verteidigung versuchte u.a. durch den Nachweis, Müller habe auch bereits bei anderer Gelegenheit falsche Angaben gemacht, seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern.
[6] § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. (heute: § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO) ermöglicht die Wahrunterstellung für erhebliche Tatsachen, die zur Entlastung der Angeklagten bewiesen werden sollen.
[7] Am 6. Dezember 1974 kam es zu einer Explosion im Bremer Hauptbahnhof, bei der sechs Menschen schwer verletzt wurden. Während des folgenden Jahres explodierten auch in Hamburg, Köln und Nürnberg Bomben in Bahnhöfen. Tageszeitungen wie BILD und die Welt erkannten darin Aktionen der radikalen Linken. Die RAF und andere Gruppen hingegen distanzierten sich ausdrücklich von „Aktionen gegen das Volk“. Die Anschlagsserie blieb unaufgeklärt (Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat, 2008, S. 189 f., S. 194).
[8] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.
[9] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 136a StPO wurde zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohl überwiegend das Freibeweisverfahren (auch für die Tatsacheninstanz) für ausreichend angesehen (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166; s. etwa Sarstedt, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 136a Anm. 8). Die Rechtsprechung vertritt diesen Standpunkt weiterhin (BGH, Urt. v. 21.7.1994 – Az.: 1 StR 83/94, NJW 1994, S. 2904, 2905; BGH, Urt. v. 21.7.1998 – Az.: 5 StR 302/97, BGHSt 44, S. 129, 132; siehe auch Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136a Rn. 32). Im Schrifttum mehren sich aber die Stimmen, die die teilweise oder sogar vollständige Anwendung des Strengbeweises fordern (für eine vollständige Anwendung des Strengbeweises s. Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 77; für eine Anwendung des Strengbeweises in den Fällen, in denen die Aussage letztlich für die Straf- oder Schuldfrage verwertet werden soll s. Schuhr, in Knauer/Kudlich/Schneier [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 136a Rn. 99).
[10] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.
[11] Die auch als „Geheimakte“ bezeichnete Akte „3 ARP 74/75 I“ enthielt Aussagen des Belastungszeugen und ehemaligen RAF-Mitglieds Gerhard Müller. Für diese Akte hatte der damalige Bundesjustizminister Vogel zunächst eine umfassende Sperrerklärung nach § 96 StPO (Fn. 12) abgegeben. Die Verteidigung bemühte sich lange darum, Einblick in die Akte zu erhalten. Nachdem die Prüfung und Entscheidung darüber, die Sperrerklärung wieder aufzuheben, der Bundesanwaltschaft anvertraut wurde (s. die Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Prinzing am 157. Verhandlungstag, S. 12215 des Protokolls der Hauptverhandlung), gab diese schließlich am 158. Verhandlungstag nach erneuter Prüfung einen Großteil der Akte heraus (S. 12262 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Vorgängen und Vermutungen rund um diese Akte auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 368 ff.). Am 159. Verhandlungstag wurde ein Schreiben des Bundesjustizministers bekanntgegeben, in welchem die letzten noch geheimhaltungsbedürftigen Passagen konkretisiert wurden (s. Anlage 2 zum Protokoll vom 9.11.1976, S. 12306 des Protokolls der Hauptverhandlung, 159. Verhandlungstag).
[12] Ein Sperrvermerk kann nach § 96 StPO durch die oberste Dienstbehörde angebracht werden, wenn „das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“ (§ 96 StPO a.F.; entspricht heute § 96 Satz 1 StPO).
[13] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Insbesondere der Freispruch Müllers in Bezug auf die Tötung Schmids sorgte im Stammheimer Verfahren für Aufregung. Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die umfassende Aussage Müllers durch das Versprechen diverser ungesetzlicher Vorteile unzulässig beeinflusst worden sei (s. hierzu etwa die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag; s. zu den Vorwürfen der Verteidigung auch Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 305 ff.).
[14] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Die §§ 251 ff. StPO enthalten enge Ausnahmen von diesem Grundsatz. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO). Die Vorgaben der §§ 244 ff. StPO gelten nur im sog. Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“). Sie finden Anwendung zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe.
[15] Anlage 1 zum Protokoll vom 17. Februar 1977: Schreiben des Präsidenten des Bundeskriminalamts Dr. Herold vom 11. Februar 1977.
[16] Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO).
[17] § 244 Abs. 3 bis 6 StPO enthalten die abschließenden Gründe, aus denen Beweisanträge abgelehnt werden können. Für Anträge auf Zeugenvernehmung ist insbes. Abs. 3 relevant. Abgelehnt werden können entsprechende Anträge u.a., wenn die zu beweisende Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon bewiesen ist.
[18] Dort heißt es: „Zeugnis einer öffentlichen Behörde ist jede Bescheinigung, die [...] über eine zufolge der Mitteilung eines Dritten an die Behörde oder der unmittelbaren Wahrnehmung eines Beamten amtlich festgestellte Tatsachen erteilt wird [...]. Doch ist es nicht ausgeschlossen, daß das Zeugnis sonstige Wahrnehmungen wiedergibt, die ein Beamter innerhalb seines amtlichen Wirkungskreises als Repräsentant seiner Behörde – und nicht nur bei Gelegenheit amtlichen Tätigwerdens – gemacht hat“ (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 3, 23. Aufl., 6. Lieferung November 1976, § 256 Rn. 20).
[19] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[20] Dort heißt es: „Ist die Verlesung einer Erklärung oder eines Attests nach § 256 zulässig, dann darf Gericht den Beweisantrag auf persönliche Vernehmung des Ausstellers der Erklärung oder des Attests ablehnen, sofern nicht besondere Umstände dies nach § 242 Abs. 2 [Anm. d. Verf.: gemeint sein dürfte § 244 Abs. 2 StPO, die gerichtliche Aufklärungspflicht] geboten erscheinen lassen“ (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 23. Aufl., 6. Lieferung November 1976, § 256 Rn. 20).
[21] Die Akte 1 BJs 7/76 enthielt Protokolle über Vernehmungen des Zeugen Müller in einem Verfahren, das offiziell gegen „Unbekannt“ geführt wurde. Nachdem bereits ein Teil der Akte übergeben worden war, beantragte Rechtsanwalt Schily am 159. Verhandlungstag, die noch fehlenden Seiten beizuziehen (S. 12307 f. des Protokolls der Hauptverhandlung). Diese konnten schließlich nach Herausgabe durch die Bundesanwaltschaft am 161. Verhandlungstag an die übrigen Prozessbeteiligten verteilt werden (s. S. 12347 des Protokolls der Hauptverhandlung). Da die Vernehmungen fortgeführt wurden, entstanden anschließend noch weitere Aktenbestandteile, deren Beiziehung Rechtsanwalt Schily am 168. Verhandlungstag beantragte (S. 13065 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[22] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 – Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 – Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 – Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein Beweisermittlungsantrag liegt hingegen vor, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da § 244 Abs. 3-6 StPO begrenzte und abschließende Ablehnungsgründe für Beweisanträge enthält. Liegt keiner dieser Ablehnungsgründe vor, ist dem Beweisantrag zu entsprechen. Beweisermittlungsanträge berücksichtigt das Gericht hingegen nur nach § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht, die Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags ist nicht auf die Gründe des § 244 Abs. 3-6 StPO beschränkt.
[23] Anlage 2 zum Protokoll vom 17. Februar 1977: Schreiben des Generalbundesanwalts Buback vom 15. Februar 1977 nebst Anlage.
[24] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).
[25] Anlage 3 zum Protokoll vom 17. Februar 1977: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung des KOM Thiele als Zeugen.
[26] § 257a StPO a.F. enthielt noch ein zeitlich und inhaltlich unbeschränktes Erklärungsrecht der Verteidigung sowie der Staatsanwaltschaft. Mit der Streichung des § 257a StPO zum 1.1.1975 durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde zugleich § 257 Abs. 2 StPO eingeführt, wodurch Erklärungen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft auf ein vorangegangenes Beweismittel beschränkt wurden („sich dazu zu erklären“).
[27] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).
[28] Art. 6 EMRK enthält das Recht auf ein faires Verfahren. Dazu gehört u.a. der Anspruch, dass eine Strafanklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird (Abs. 1 Satz 1). Hierdurch soll erreicht werden, dass das Strafverfahren ohne vermeidbare Verzögerungen durchgeführt wird, damit Angeklagte den belastenden Auswirkungen eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens nicht unnötig lang ausgesetzt werden. Befindet sich eine Person in Untersuchungshaft, erlangt der Beschleunigungsgrundsatz eine noch größere Bedeutung (Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, Art. 6 EMRK Rn. 361 f.).
[29] Anlage 4 zum Protokoll vom 17. Februar 1977: Beweisantrag des Rechtsanwalts Schily auf Vernehmung von Herrn Mayer als Zeugen.
[a] Maschinell eingefügt: ich weiß nicht, warum.
[b] Handschriftlich eingefügt: - - -
[c] Handschriftlich eingefügt: - - -
[d] Handschriftlich eingefügt: des Präs.
[e] Maschinell eingefügt: im
[f] Handschriftlich ersetzt: wegen durch Wege
[g] Maschinell eingefügt: vom
[h] Maschinell eingefügt: StPO
[i] Maschinell eingefügt: daß
[j] Handschriftlich durchgestrichen: und daß
[k] Handschriftlich durchgestrichen: dann
[l] Maschinell eingefügt: dann
[m] Handschriftlich durchgestrichen: Möglichkeiten
[n] Maschinell eingefügt: - wie
[o] Maschinell eingefügt: des Zeugen