180. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 23. Februar 1977 um 9.02 Uhr



[13443] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 23. Februar 1977 um 9.02 Uhr

(180. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von OStA Zeis - erscheinen in derselben Besetzung wie am 175. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens

Just. Ass. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als deren Verteidiger sind anwesend, Rechtsanwälte Dr. Augst (als Vertr. von RA Eggler), Künzel, Schnabel, Schwarz, Herzberg (als ministeriell bestellter Vertr. von RA Schlaegel).

Als Zeuge ist anwesend:

Rudolf Wüst

- vorgeführt aus Strafhaft,

VA Lingen, Außenstelle Großheseppe -.

Vors.:

Die Sitzung wird fortgesetzt.

Die Verteidigung ist gewährleistet.

Rechtsanwalt Grigat wird von Rechtsanwalt Maixner vertreten; der ist aber im Augenblick auch noch nicht da, wie ich bemerke.

Herr Augst vertritt Herrn RA Eggler. Die Vertretung wird genehmigt.[a] Herr Rechtsanwalt Schily ist nicht anwesend, hat auch nicht erklärt, warum nicht.

Es ist zur heutigen Verhandlung als Zeuge geladen, Herr Rudolf Wüst.

Der Zeuge Wüst wird gem. § 57 StPO[2] belehrt.

Der Zeuge Wüst erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[3]

[13444] Der Zeuge Wüst macht folgende Angaben zur Person:

Rudolf Wüst, geb. [Tag].[Monat].1947,

Kfz-Mechaniker, zur Zeit Vollzugsanstalt Lingen, Außenabteilung Großheseppe,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert.

Wegen Eidesdelikten nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Wüst, Sie sind als Zeuge benannt worden dafür, daß Sie die Frau Ingeborg Barz noch Ende 1973 und Anfang 1974 lebend gesehen hätten.[4]

Der Zeuge Wüst wird gemäß § 55 StPO[5] belehrt.

Ja, Herr Wüst, wenn Sie sich dann gerade zu diesem Beweisthema im Zusammenhang bitte äußern würden. Sie hätten also Frau Ingeborg Barz Ende 73 Anfang 74 gesehen, bitte.

Zeuge Wüst:

Ja, ich hatte die Ingeborg das erstemal seit ... Ich hatte die Ingeborg das letztemal gesehen, das war Ende 72 bzw. im März 72. Da hatte sie mich in der JVA Tegel, wo ich damals in Berlin einsaß, nochmal besucht; und da verloren wir uns dann aus den Augen. Und das erstemal war es dann[b] im September 73, wo ich sie wiedergesehen hatte durch Zufall.

Vors.:

Da haben Sie sie wiedergesehen. Wo haben Sie sie wiedergesehen?

Zeuge Wüst:

Es war Irland drüben, im Windsor-Hotel.

Vors.:

In Irland. Wo genau?

Zeuge Wüst:

Nord-Irland, es ist in der Nähe ... das ist in Hollywood, das ist zwei Meilen von Belfast.

Vors.:

2 Meilen von Belfast.

Gut, könnten Sie schildern, unter welchen Umständen Sie Frau Barz ...?

Zeuge Wüst:

Ja, das war ... wo wir uns ... also wo wir uns durch Zufall gesehen hatten, das war in dem Pub, das gehörte zu dem Hotel dazu; und wie gesagt, das war ein[c] reines zufälliges Zusammentreffen. Wir hatten uns erst über belanglose Dinge unterhalten, und dann ... es ging dann noch um einen englischen Paß. Und wir hatten dieses Thema dann[d] nicht weiter erläutert; es war bloß[e] nur so ein kurzen Zusammentreffen. Wir haben uns am nächsten Tag nochmal gesehen, das war [13445] im Seahouse; das ist so ein kleines Lokal in Hollywood. Und, ja und dann hatten wir uns dann nochmal getroffen, das war in London am Flughafen, im Heathrow Airport.

Vors.:

London Flughafen; wann war das?

Zeuge Wüst:

Bitte?

Vors.:

Wann war das?

Zeuge Wüst:

Das war auch im September, etwa 14 Tage später ungefähr.

Vors.:

Auch noch im September.

Zeuge Wüst:

Also Ende September hat sich das alles so, von Mitte bis Ende September hatte sich das alles abgespielt.

Vors.:

73 hatten Sie gesagt?

Zeuge Wüst:

73 war das, ja. Das war bloß ein kurzes Gespräch. Und dann hatte ich sie das letztemal getroffen, das war Februar/März; also da kann ich mich jetzt nicht mehr richtig festlegen. Ich hatte das auch damals vor 14 Tagen, wo der Herr Höpner da war, vom BKA, hatte ich schon mal gesagt: Ich kann mich da nimmer genau festlegen, war es Ende Februar oder Anfang März, seit ich sie nochmal getroffen ... Ich weiß auch nicht mehr genau, wo es jetzt war. War das in München, Hildesheim oder Hamburg. Aber daß ich sie getroffen hatte, das stimmte.

Vors.:

Sie scheinen ein weitgereister Herr zu sein, Herr Wüst, einmal in Irland, dann in München oder Hamburg - das ja auch nicht unmittelbar benachbart liegt - ...

Zeuge Wüst:

Nun ja, ich bin überall so durch die Gegend kutschiert.

Vors.:

Ja. Darf ich fragen, ohne in Ihre Intimitäten dringen zu wollen, was Sie da nun immer treiben, wenn Sie herumreisen?

Zeuge Wüst:

Ja, ich hatte, z.B. Irland hatte ich zu tun mit der Fa. Krupp, Wilhelmshaven. Und da hatte ich immer Leute rübergebracht.

Vors.:

Waren Sie beruflich tätig, in Ihrem Beruf oder?

Zeuge Wüst:

Teils teils, beruflich privat, nicht.

Vors.:

Ja nun, wenn Sie Leute rübergebracht haben von der Fa. Krupp, sagten Sie, glaube ich - ...

Zeuge Wüst:

Ja, Fa. Krupp, Wilhelmshaven.

Vors.:

Ja, - dann nehme ich an, daß das eine berufliche Tätigkeit war, in etwa.

[13446] Zeuge Wüst:

Ja, das war eine berufliche Tätigkeit; aber es kam mehr oder weniger wegen meinen Sprachkenntnissen und so, nicht. Und das waren alles so vom Emsland und Ostfriesland so Leute, nicht. Die standen bei Krupp unter Vertrag, und die mußten da drüben rübergebracht werden, betreut werden, auch finanziell und so weiter und so fort.

Vors.:

Wurden die zur Montage dort oder was war das?

Zeuge Wüst:

Die waren drüben zur Montage. Und ich hatte für die bloß den Papierkram und alles erledigt.

Vors.:

Und wie, woher rührt nun Ihre Bekanntschaft mit Frau Barz?

Zeuge Wüst:

Die rührt von Berlin her, von 1970. Ich befand mich damals in Haft, wurde da verurteilt zu 18 Monaten. Und da hatte ich sie das erstemal kennengelernt, als ich den ersten Urlaub aus der Haftanstalt hatte in Tegel, das war im Mai 70, Mai oder Juni 70, nicht wahr. Und da kam ich damals in die Kreise „Schwarze Hilfe“[6] und Westberlin da rein, hatte da bei denen auch gewohnt. War eine längere Zeit mit Ingeborg zusammen, so ungefähr ½ Jahr, weil ich ging ja dann nicht mehr zurück in die Haftanstalt.

Vors.:

Sie gingen nicht zurück?

Zeuge Wüst:

Nein, ich hatte damals Urlaub. Ich ging da nicht mehr zurück in die Haftanstalt.

Vors.:

Sie haben den Urlaub überschritten, wollen wir mal so sagen.

Zeuge Wüst:

Habe ich den Urlaub überzogen, das war damals so meine Einstellung. Und ich da war da selber nicht mit mir im Reinen und im Klaren, nicht. Ich war dann mit Ingeborg unterwegs; war mit ihr zusammen, teils ein bißchen unterwegs in Deutschland. Und damals war, solange ich mit ihr zusammen war, wußte ich ja nichts von irgendwelchen kriminellen Handlungen oder was, nicht. Es wurde, wir hatten zwar die Themen da öfter durchdiskutiert, und ... aber ich weiß nicht, man kann es nennen wie man will, es war einfach nicht mehr meine Einstellung dann.

Vors.:

Ja, ich meine gerade in der Zeit, als Sie also jetzt sagten, Sie hätten sich ein halbes Jahr lang etwa mit Frau Barz da in der Gegend seien Sie herumgereist. Was haben Sie da getrieben? Haben Sie da auch irgendeine Arbeit gehabt oder hatten Sie da mit der Arbeit Schwierigkeiten, weil Sie ja ...?

[13447] Zeuge Wüst:

Ja, ich hatte da zur Zeit keine Arbeit, ich hatte da gelebt, Geld war da. Wo das, aus welchen Quellen das stammte, das kann ich mit ruhigem Gewissen also sagen, daß ich das nicht weiß, nicht. Aber ...

Vors.:

Sie wissen es nicht. Ja irgendwo müssen Sie es ja herbekommen haben, das Geld.

Zeuge Wüst:

Ich hatte das mit Ingeborg so gehabt; sie hatte immer Geld zur Verfügung.

Vors.:

Also Frau Barz, die hatte Geld zur Verfügung, und Sie haben sich da weiter keine Gedanken gemacht, wo das herkommt?

Zeuge Wüst:

Eigentlich war mir das mehr oder weniger egal.

Vors.:

Auf diese Weise kam also Ihre Bekanntschaft zustande. Und Sie sagten ja: Frau Barz habe Sie dann mal in Tegel besucht. War das dann erst später, wurden Sie dann wieder festgenommen oder wie ...?

Zeuge Wüst:

Ja, das war 72, war das dann nochmal.

Vors.:

Das war dann im März 72, hatten Sie vorhin gesagt.

Zeuge Wüst:

März 72, ja.

Vors.:

Waren Sie dann wieder inhaftiert?

Zeuge Wüst:

Ja, ich war wieder inhaftiert.

Vors.:

Sie waren wieder inhaftiert.

Zeuge Wüst:

Ja.

Vors.:

Und da[f] hat Frau Barz Sie dann besucht, in der Haft besucht.

Zeuge Wüst:

Hat sie mich nochmal besucht, ja.

Vors.:

Und ...

Zeuge Wüst:

Da sagte sie mir auch, daß es dann besser wäre, wenn wir so unsere Verbindung abbrechen würden - auch schriftlich - es wäre besser für sie und wäre besser für mich. Ich hatte dagegen keine Einwände. Ich mußte noch 7 Monate, so was, mußte ich noch zu Ende bringen.

Vors.:

Hat Frau Barz zu dieser Zeit irgend etwas zu Ihnen gesagt, was[g] sie so treibt, wie sie ihre Tage verbringt?

Zeuge Wüst:

Ja, ich wußte wohl, was im Busch war und so ...

Vors.:

Ja, dann lassen Sie es raus, aus[h] dem[i] Busch.

Zeuge Wüst:

Das war ja damals in Berlin so gang und gäbe, so kleine Techtelmechtel zu haben mit der Polizei, und so oder Funkstreifenwagen aufzumachen oder auszuplündern. Davon wußte ich zwar, nicht?; aber ich hatte nie jemand dabei gesehen oder war selber mit dabei, nicht. Und ich wußte auch mehr oder weniger, was ihre Einstellungen anbetraf und so, nicht?

[13448] Vors.:

Hat Frau Barz etwas gesagt, ob sie sich zu jener Zeit ständig oder wenigstens überwiegend in Berlin aufhielt oder hat sie was gesagt, daß sie möglicherweise auch im Bundesgebiet zwischendurch war, und wenn ja, wo?

Zeuge Wüst:

Ja, ich war mit ihr ziemlich oft ...

Vors.:

Nein, ich meine jetzt gerade die Zeit März 72, als sie Besuch, als dieser Besuch in Tegel stattfand.

Zeuge Wüst:

Damals war sie also überwiegend in Berlin und in - Moment, wo war das schnell - in Wolfsburg, also hatte sie ja Verbindungen zu der Kommune 3,[7] glaube ich, hatte sie noch.

Vors.:

Wolfsburg?

Zeuge Wüst:

Ja.

Vors.:

Ist sonst irgendwo in, noch mehr im Westen, daß sie da war. Hat sie da irgendwas gesagt?

Zeuge Wüst:

Nein, eigentlich nicht.

Vors.:

Eigentlich nicht.

Zeuge Wüst:

Nicht daß ich wüßte.

Vors.:

Und hat Frau Barz sich irgendwie über, darüber geäußert, wie sie sich ihre Zukunft vorstellte oder hat sie irgendwas gesagt, was sie macht, und wie sie sich jetzt in nächster Zeit verhalten wird?

Zeuge Wüst:

Ja, wie soll ich das ausdrücken. Sie war teils, war sie sehr begeistert, teils war ihr das alles auch nicht recht und so. Und sie hat ...

Vors.:

Kann ich unter „das alles“ verstehen, was Sie vorhin als Techtelmechtel mit der Polizei bezeichneten, oder kommt da noch was dazu?

Zeuge Wüst:

Ja, so ihre ganze Einstellung, wie das überhaupt weitergehen sollte[j], der ganze Aufbau. Damals war ja das alles so im Aufbau mehr oder weniger so begriffen, nicht, oder zum Teil schon ...

Vors.:

Nun, Sie drücken sich sehr zurückhaltend aus. Was war im Aufbau, nicht, im Aufbau ist vieles. Es werden ständig ...

Zeuge Wüst:

Ja, ich meine also so die Gewalttätigkeit, wie das da so ans Tageslicht kam, z. B. irgendwie[k] so[l] Banküberfälle oder, wie soll ich das ausdrücken, irgendwie so Anschläge oder Bombenanschläge usw. und so fort. Ich wußte, daß ihr das selber[m] persönlich nicht recht war.

Vors.:

Hatten Sie denn, wußten Sie, oder vermuteten Sie, oder wie auch immer, daß Frau Barz an diesen Dingen beteiligt war?

[13449] Zeuge Wüst:

Das wußte ich; aber ich wußte, ich weiß nicht, wie soll ich Ihnen das richtig ausdrücken. Ich war lange Zeit mit ihr zusammen und so, nicht. Und ich wußte ja einiges, daß da irgendwas lief, das wo nicht sein sollte. Mir persönlich ging es sowieso gegen den Strich. Ich war da nirgends bei, nicht? Weil ich mir sagte, was soll ich da eine Bombe legen, für was ...

Vors.:

Soll ich Ihre Aussage dahin verstehen, daß Sie sagen: Sie wußten so allgemein, daß also Frau Barz in Kreisen verkehrt, die sich also mit Banküberfällen und dergleichen befaßten oder ... bitte berichtigen Sie mich, wenn ich es falsch verstanden habe.

Zeuge Wüst:

Ja, ich wußte z.B. von einem Banküberfall in Berlin - ich weiß es nicht, ich glaube 71, nein Moment 71 oder Ende, Ende 71 oder Anfang 72 - wo sie angeblich mit daran beteiligt gewesen sein sollte, nicht, so wie ich das von ihren Reden da rausbekommen habe. Und es war, ich war ja, ich meine, ich bin ja auch kein Dummer, am Überlegen, woher das Geld, das mußte ja auch irgendwo herkommen ...

Vors.:

Ich meine, man interessiert sich, Sie sagten ja, Sie seien mit Frau Barz längere Zeit zusammengewesen. Es ist ja nicht alltäglich, daß also dann der Mitmensch, mit dem man sich da befaßt, an solchen Dingen befaßt ist, nicht? Ich könnte mir denken, daß Sie sich schon näher dafür interessiert haben, ob nun Frau Barz sich an Banküberfällen oder sonstigen Dingen befaßte. Ich meine, Sie mußten ja möglicherweise sich auch Gedanken machen für Ihre Existenz. Ich meine, wenn man sich mit jemand durch die Gegend begibt ...

Zeuge Wüst:

Das ist ...

Vors.:

... von dem man weiß oder vermutet, er hat einen Banküberfall hinter sich, benimmt man sich vielleicht etwas anders, als wenn man eine völlig reine Weste hat.

Zeuge Wüst:

Nein, das will ich nicht sagen. Aber ich muß eines hinzufügen; sie war so, sie ging auch von der Voraussetzung aus, sie sagte mir auch wortwörtlich: Was ich nicht weiß, das macht mich nicht heiß. Und damit hat sie ja recht gehabt. Also Sie ...

Vors.:

Aber so ein bißchen was wußten Sie nun doch?

Zeuge Wüst:

... kannte meine Einstellung. Sie kannte meine Ein- [13450] stellung und sie wußte auch, daß ich das nicht billige oder was, nicht? Ich meine, ich bin zwar sonst kein Heiliger; aber für so etwas bin ich nun doch nicht zu haben. Und wir haben das immer so gehalten, das war ihre Welt und meine Welt, was soll das, nicht? Sie wußte, daß mir das nicht recht war.

Vors.:

So lange der Rubel rollt, braucht man nicht nachzufragen.

Zeuge Wüst:

Ich meine, ich war damals auf der Flucht; ich wollte da nicht mehr rein und ...

Vors.:

Ja. Gut, das war also dieser Besuch März 72. Und dann sagten Sie, also 1973 hätten Sie Frau Barz da in diesem Pub von diesem Hotel wieder in Irland getroffen, ein Stück weit von Belfast. Sie waren also da, Sie waren inzwischen wieder auf freiem Fuße?

Zeuge Wüst:

Ja, ja, ich war inzwischen wieder auf freiem Fuß, ja.

Vors.:

Und nun was erzählte nun Frau Barz, wie sie nach Irland komme?

Zeuge Wüst:

Sie erzählte mir, also wir haben uns da drin getroffen und dann erstmal so belanglose Dinge; wir haben uns also belanglose Dinge erzählt und dann, ja, ist ganz klar, ich fragte sie: Wie sieht es denn nun aus, sage ich. Du stehst ja immer noch auf der Liste - wie man sich so unterhält, nicht? Sage ich: Du stehst ja noch immer auf der Liste - sage ich - wie schaffst Du das. Ja, sagt sie, gute Beziehungen und vor allen Dingen raushalten, meinte sie. Und damit nahm ich ja nun, weil ich sagte noch wortwörtlich zu ihr: Wieso, sage ich, hast Du denn mit dem ganzen Laden jetzt nichts mehr zu tun oder was, sage ich, hast Du es Dir doch überlegt? Dann sagte sie wortwörtlich zu mir: Schon lange nicht mehr.

Vors.:

Bitte?

Zeuge Wüst:

Dann sagte sie wortwörtlich zu mir: Schon lange nicht mehr.

Vors.:

Ja nun, ich meine, es gibt ja ruhigere Gegenden in der Welt, wenn man also den Verfolgungen entgehen will, gibt es ruhigere Gegenden vielleicht, als Irland ausgerechnet.

Zeuge Wüst:

Ja, das will ich nicht mal sagen; es ist eigentlich [13451] sehr ruhig da drüben.

Vors.:

Ist es ruhig? Ja, dann ist es gut.

Zeuge Wüst:

Ja, ich habe mich immer wohl gefühlt, solange ich drüben war, echt, bestimmt.

Vors.:

Und Frau Barz sagt, also sie habe sich: Sie habe mit solchen Dingen nichts mehr zu tun?

Zeuge Wüst:

Nein, sie sagte mir wortwörtlich: Sie hätte mit ... damit [n] schon lange nichts mehr im Sinne.

Vors.:

Und warum war sie dann überhaupt dort? Was sagte sie da?

Zeuge Wüst:

Zu mir sagte sie, sie wollte ja nur einen Paß haben; sie hätte jemand besucht hier, sie hätte Bekannte besucht hier; sie hat mir aber nicht gesagt, wen. Ich kann ja da[o] nicht nachfragen, wen usw. und so fort; ich wollte das auch gar nicht, ich wollte da nicht[p] mehr wissen. Weil ich habe ihr das sowieso nicht abgenommen, daß sie damit nichts mehr zu tun hatte, weil sie hatte in ihrer Handtasche, hatte sie noch eine spanische „Astra“ drin. Vielleicht zum Selbstschutz oder was weiß ich.

Vors.:

Eine „Astra“, das[q] ist eine Pistole, ja.

Zeuge Wüst:

Ja, eine spanische, 9 mm, nicht?

Vors.:

Ja. Also, wie gesagt, das ist die Frage - sie haben Sie noch nicht genau beantwortet; warum nun Frau Barz da urplötzlich in Irland auftauchte? Haben Sie nicht zu ihr gesagt ...

Zeuge Wüst:

Ja, soviel ich weiß, war sie, so wie sie mir gesagt hat, wäre sie ja schon öfter drüben gewesen. Aber was sie da getan hat[r] und gemacht hat, das weiß ich natürlich auch nicht.

Vors.:

Hat sie irgend etwas gesagt, sie wolle sich irgendwelchen Nachstellungen entziehen oder ...?

Zeuge Wüst:

Ja, gesagt hat sie da nichts; ich meine, das habe ich angenommen, weil sie ja[s] in Deutschland noch[t] [u] gesucht wurde.

Vors.:

Ja. Das war also diese Begegnung, wie Sie sagen, im September 73. Und dann, sagten Sie ja, im Frühjahr 74, Februar oder März hätten Sie sie nochmals getroffen, sei es in München, sei es in Hamburg. Wie ...

Zeuge Wüst:

Ich glaube eher, das war in Hamburg. Das müßte ja in meinen Aussagen bei der Kripo in München 74, müßte das ja genau noch drin stehen.

Vors.:

Ja, ich kenne also keine Aussagen von Ihnen, außer das, [13452] was Sie jetzt sagen.

Zeuge Wüst:

Was ich damals 74 bei der Kripo ausgesagt habe, in München, nicht? Aber ich glaube, ich glaub, das war Hamburg; ich kann mich da ...

Vors.:

Sie meinen, [v] es sei in Hamburg gewesen.

Zeuge Wüst:

Ja.

Vors.:

Nun gut. Und wo haben Sie da Frau Barz getroffen?

Zeuge Wüst:

Das war im Bahnhof.

Vors.:

Am Bahnhof in Hamburg. Und wie kamen Sie da, was hatten Sie zu tun dort?

Zeuge Wüst:

Ich war da drin, ich habe da gewartet auf den Zug. Und es ist ja[w] deswegen, weswegen ich mich nicht richtig mehr festlegen kann, wo das nun war, ob das [x] München, Hildesheim und Hamburg war. Ich weiß es echt nicht mehr.

Vors.:

Sie haben auf einen Zug gewartet?

Zeuge Wüst:

Ich bin derzeit so oft durch die Gegend so kreuz und quer durch Deutschland gereist, also ...

Vors.:

Ja, waren Sie da wieder beruflich unterwegs oder war es eine Privatreise oder haben Sie noch eine[y] Erinnerung ...?

Zeuge Wüst:

Privat, mehr oder weniger, war ich unterwegs, nicht?

Vors.:

Vielleicht wollten Sie nach München fahren, und deswegen verwechseln Sie es, Zielort und Abfahrtsort.

Zeuge Wüst:

Nein, ich war also in[z] der Zeit sowieso ziemlich viel unterwegs, in Skandinavien und so.

Vors.:

Als was?

Zeuge Wüst:

Auch in Skandinavien und so ...

Vors.:

Was haben Sie denn getrieben, also, wenn ich fragen darf. Immer wird die Fa. Krupp Ihnen diese weiten Reisen auch nicht finanziert haben.

Zeuge Wüst:

Was ich alles getrieben habe? Man kann sagen, das war alles am Rande der Legalitäten; nichts ungesetzliches, also das ist inzwischen alles schon[aa] geprüft worden. Geschäftlich ...

Vors.:

Gut, nun solange es noch am Rande ist, da geht es noch; aber wenn es, es kann natürlich auch überm Rande drüber gewesen sein. Aber bitte, ich habe Sie belehrt nach [§ ]55[ StPO], Sie brauchen sich also nicht zu belasten, wenn Sie glauben ...

Zeuge Wüst:

Ich habe nichts zu verheimlichen ...

Vors.:

Sie haben nichts zu verheimlichen.

[13453] Zeuge Wüst:

... das kann jeder wissen.

Vors.:

Sehr schön, ja, dann sagen Sie mal, was Sie da getrieben haben. Am Rande der Legalität, das kann falsch parken sein, es gibt aber auch noch ganz andere Dinge.

Zeuge Wüst:

Ich hatte damals, zu dem Zeitpunkt, mit einem Kollegen von mir, hatten wir eine Agentur eröffnet, eine Künstlertalentnachwuchs-Agentur.

Vors.:

Bitte, eine?

Zeuge Wüst:

Eine Künstlertalentnachwuchs-Agentur hatten wir da eröffnet.

Vors.:

Aha, sehr schön.

Zeuge Wüst:

Naja, das haben wir in sämtlichen Zeitungen im In- und Ausland inseriert, und es lief auch ganz prima, nicht.

Vors.:

Ja, hatten Sie, reisten Sie da allein oder hatten Sie also noch einen, so als Impresario, wenn ich Sie recht verstehe?

Zeuge Wüst:

Meistens allein oder in Begleitung von einem Mädchen, oder mit der ich gerade zusammen war, nicht.

Vors.:

Und da kam also Frau Barz des Weges oder wie spielte sich das ab?

Zeuge Wüst:

Ich habe sie durch Zufall, ich habe erstmal hingeguckt und bin erstmal vorbeigelaufen, und dann[bb] kam mir das: Die kennst Du irgendwo her, nicht, weil sie hatte ihre Haare so verändert. Ich gehe hin, und da saß sie dann am Tisch; und da war noch eine weibliche Person dabei. Ja, ganz kurz unterhalten, das waren keine 5 Minuten waren das. Und da sagte sie schon, ihr Zug, sie muß weg; ich weiß nicht, vielleicht hat sie mir auch nicht getraut oder was, weiß ich nicht.

Vors.:

Haben Sie sie gefragt, sie sei doch da erst einige Zeit vorher in Irland gewesen und jetzt sei sie wieder in der Bundesrepublik. Haben Sie sie gefragt, warum sie jetzt wieder in der Bundesrepublik sei oder was sie so[cc] treibe?

Zeuge Wüst:

Ich habe mich ganz kurz mit ihr unterhalten; ich sage: Was machste hier und[dd] so. Ach, sagt sie, mir gehts gut, habe keine Sorgen und nichts auszustehen, meinte sie. Ja und dann, ich sage ja, kaum 5 Minuten, da war sie schon wieder weg.

Vors.:

Auch in 5 Minuten kann man allerhand besprechen; so kurz [13454] sind die gar nicht.

Zeuge Wüst:

Ja, mein Gott, das war mehr oder weniger alles privat und belanglos; was sollte ich mich erkundigen, was sie in Deutschland macht; es geht mich ja nichts mehr an. Das ist ja ihr Butterbrot, nicht meines.

Vors.:

Ist es unter weitgereisten Leuten, zu denen ich Sie zähle ...

Zeuge Wüst:

Bitte?

Vors.:

Ist es unter weitgereisten Leuten, zu denen ich Sie zähle, eben gewöhnlich, daß man sich heute in Belfast trifft und morgen in Hamburg und übermorgen ...

Zeuge Wüst:

Das war Zufall; dafür kann ich ja auch nichts.

Vors.:

Ja aber trotzdem, könnten Sie sich ja vielleicht interessiert haben und gesagt haben: Du warst doch oder Sie waren doch, wie auch immer, da in Belfast, und jetzt bist Du wieder hier.

Zeuge Wüst:

Ich kann ja zwei und zwei zusammenrechnen[ee]. Und was soll ich sie da lang fragen, wenn ich es im Grunde genommen doch weiß. Ich weiß, sie wird gesucht hier in Deutschland; sie ist mal da drüben, sie ist mal da. Was soll ich da lang fragen: Was machste da oder ... was wird sie wohl machen: Sie wird halt gucken, daß sie nicht erwischt wird, wahrscheinlich.

Vors.:

Also auch hier die Devise: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß ...

Zeuge Wüst:

So ist es.

Vors.:

... so wie Sie es vorhin ausgedrückt haben.

Und das war Ihr letztes Zusammentreffen mit Frau Barz ...

Zeuge Wüst:

Das war unser letztes Zusammentreffen, richtig, ja.

Vors.:

... oder haben Sie seither noch irgend etwas ... Ja, dann noch eine Frage, Herr Wüst. Darf ich Sie fragen, warum sitzen[ff] Sie zur jetzigen Zeit in Untersuchungshaft [gg]?

Zeuge Wüst:

Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit[hh] mit Urkundenfälschung, Führerschein.

Vors.:

Führerscheinsache.

Zeuge Wüst:

Da bin ich immer angeeckt.

Vors.:

Sind Sie auch schon[ii] wegen Betruges vorbestraft?

Zeuge Wüst:

Wegen Betruges, da muß ich mal überlegen; doch ja, 1500.-- DM Geldstrafe. Das weiß ich aber nicht, war das Betrug oder Unterschlagung.

[13455] Vors.:

Betrug oder Unterschlagung, ja.

Das wäre die einzige, diese 1500.-- DM Geldstrafe wegen Betruges[jj]. Sonst keine Betrugsvorstrafe, nicht?

Zeuge Wüst:

Nein, nein.

Vors.:

Ja nun, wegen Fahrens ohne Führerschein wird man üblicherweise nicht so gleich festgenommen.

Zeuge Wüst:

Das habe ich auch gedacht, das war, ich wurde da in Schwelm verurteilt, in Wuppertal; und ich dachte, ja nun, was kann da schon passieren. Haste schon 5 mal Fahren ohne Führerschein, und jedesmal Geldstrafe bekommen - die habe ich ja immer bezahlt -. Dann komme ich da hin, habe 2 mal Fahren ohne Führerschein und einmal mit einem falschen amerikanischen Führerschein, dann hauen die mir 14 Monate hin.

Vors.:

Ja sitzen Sie denn in Strafhaft jetzt zur Zeit?

Zeuge Wüst:

Ja freilich.

Vors.:

Ach, Sie sitzen in Strafhaft, nicht in U-Haft.[8]

Zeuge Wüst:

Ja. Und in München hatten die da Gesamtstrafezusammenzug[9] gemacht - in München letztes Jahr im Mai -. Da hatte ich 4 mal Fahren ohne Führerschein und dreimal Urkundenfälschung wegen Führerschein; da bekam ich 16 Monate Gesamtstrafezusammenzug[kk]; also[ll] praktisch 2 Monate, und für das andere Ding[mm] 14 Monate.

Vors.:

Naja, wenn man’s natürlich zu oft treibt, dann addiert es sich schon.

Sie führten, Sie sagten vorhin: In Tegel - wenn ich Sie recht verstanden habe - hätten Sie, glaube ich, eine Strafe von 18 Monaten.

Zeuge Wüst:

18 Monate, ja.

Vors.:

Was war das?

Zeuge Wüst:

Das war schwerer Raub.

Vors.:

Das war schwerer Raub, ja.

Zeuge Wüst:

Das war das einzige Ding da ...

Vors.:

Noch eine Frage: Sie sind sich sicher, daß die Person, mit der Sie also Kontakt hatten, und[nn] die Sie dann immer wieder trafen, daß das Frau Ingeborg Barz war?

Zeuge Wüst:

Ja, 100 prozentig, da laß[oo] ich mir den Kopf dafür abhacken.

Vors.:

Bitte?

Zeuge Wüst:

100 prozentig; da lasse ich mir den Kopf dafür [13456] abhacken.

Vors.:

Das machen wir nicht.

Zeuge Wüst:

Wenn man lange Zeit mit einem Menschen zusammen ist, wird, man doch den Menschen wiedererkennen.

Vors.:

Wissen Sie den Geburtstag von Frau Barz?

Zeuge Wüst:

Nein, kann ich jetzt nicht aus dem Gedächtnis sagen.

Vors.:

Den Jahrgang so etwa?

Zeuge Wüst:

Den Jahrgang meinen Sie? Moment, 49, glaube ich.

Vors.:

Ja, sie soll Jahrgang 48 sein ...

Zeuge Wüst:

48 ... weiß ich nicht genau.

Vors.:

Wie groß würden Sie Frau Barz einschätzen?

Zeuge Wüst:

Ingeborg? Wie groß ist die, 172, kann man sagen, 1.70 m, 1.72 m.

Vors.:

1.72 m. Ja nun, also ist sie wirklich so groß?

Zeuge Wüst:

Auch vielleicht ein bißchen kleiner, wie ich, so 1,70 m oder so in dem Raum.

Vors.:

Wie groß sind Sie?

Zeuge Wüst:

Ich bin 1.74 m.

Vors.:

1.74 m, ja. Wir werden es ja nachher noch sehen, wenn Sie aufstehen.

Wie würden Sie ihre Haarfarbe bezeichnen?

Zeuge Wüst:

Damals hatte sie sie blond, lange Haare. Und ich habe sie zweimal verschiedentlich mit Haarfarben gesehen; einmal hatte sie sie ein bißchen[pp] kürzer, bis über die Ohren, weil sie so große Ohren hatte.

Vors.:

Ja, dann habe ich zunächst mal keine Fragen mehr. Bitte sehr.

Richter Mai[er]:

Herr Wüst, Sie sprachen vorher von Bombenanschlägen. Was für Bombenanschläge meinten Sie damit?

Zeuge Wüst:

Ja, da war allgemein die Rede davon, so die ganze Sache, wie die da aufgebaut wurde. Da wurde ja darüber geredet von Bombenanschlägen auf Polizeireviere, und Bombenanschläge an Gericht.

Richter Mai[er]:

Ja haben damals schon Bombenanschläge stattgefunden, mit denen Sie die Frau Barz in Verbindung gebracht haben?

Zeuge Wüst:

Ja, also die Ingeborg hatte ich damit nicht in Verbindung gebracht, aber andere Leute. Ich meine, damals 71 z. B., das[qq] war eine große Lappalie, kann man mehr oder weniger sagen; es ging da mal so ein Funkstreifenwagen hoch oder da ging mal so ein ...

[13457] Richter Mai[er]:

Solche Dinge meinten Sie?

Zeuge Wüst:

Solche Dinge meinte ich.

Richter Mai[er]:

Sie sagten, Sie haben sie in Irland getroffen. Ist diese Reise nach Irland in Ihrem Paß eingetragen worden?

Zeuge Wüst:

In meinem?

Richter Mai[er]:

Ja.

Zeuge Wüst:

Ja, selbstverständlich.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

Vors.:

Sonst noch Fragen?

Bitte.

Richter Dr. Breu[cker]:

Herr Wüst, wie kam es zu Ihrer Zeugenvernehmung hier? Ist man an Sie herangetreten oder haben Sie sich irgendwo gemeldet?

Zeuge Wüst:

Ich hatte mich im November, ich hatte im Oktober Urlaub von der[rr] JVA in Lingen. Und als ich wieder in der JVA war, bekam ich eine Zeitung in die Hand. Und da las ich drin von der Anklage, die der Müller gegenüber dem Andreas, also dem Andreas Baader vorwarf, daß die Ingeborg angeblich, daß er die Ingeborg angeblich Mitte 73, soweit ich mich da[ss] erinnern kann, getötet haben sollte. Und das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und da las ich auch das[tt] von der Aussage der Inga Hochstein. Und dann habe ich der Inga Hochstein geschrieben, daß das auf Wahrheit beruht, und daß das von mir keine Einmischung ist, sondern daß ich das damals 74 ja schon bei Kripo München ausgesagt hätte. Dann hatte ich auch noch zu der Bundesstaatsanwaltschaft geschrieben. Und die schickten mir dann einen Mann vom Bundeskriminalamt Bad-Godesberg, einen Herr Höpner. Ja, und dem hatte ich alles dann so erzählt, wie ich es 74 ausgesagt hatte, schon mal[uu] bei der Polizei, daß ich sie noch gesehen hatte 73 und[vv] 74; da komme ich jetzt wieder[ww] hinter[xx], nicht. Weil wir haben oben wenig Informationen und wenig gängige Tageszeitungen, fast überhaupt nicht.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft? Haben Sie[yy] noch Fragen?

BA Dr. Wu[nder]:

Nur ein paar wenige Fragen. Herr Zeuge, mir geht es zunächst mal um die zeitliche Eingrenzung jenes Besuches, den Frau Barz bei Ihnen um die Wende 72/73 gemacht haben soll, in Tegel, wenn ich recht verstanden habe?

Zeuge Wüst:

In Tegel, ja.

[13458] BA Dr. Wu[nder]:

Wie lange, d. h. von wann bis wann waren Sie damals in Haft, können Sie mir das sagen?

Zeuge Wüst:

Ich war vom 31. Oktober 70, am[zz] Februar 71 hatte ich, war ich 6 Monate in[aaa] Untersuchungshaft, Februar 71 hatte ich anschließend den Haupttermin. Im Mai, Mai oder Juni ging ich das erstemal in Urlaub, 71.

BA Dr. Wu[nder]:

Gut danke.

Eine weitere Frage. Wie oft bzw. wie lange jeweils waren Sie in Nord-Irland gewesen?

Zeuge Wüst:

Ja, ich war öfter drüben. In meinem Urlaub war ich auch drüben.

BA Dr. Wu[nder]:

Ja. Sagen Sie mir das mal bitte mit Jahr und Monat.

Zeuge Wüst:

Augenblick. Das erstemal war ich drüben 68; das zweite Mal war ich drüben 69; dann war ich 70 drüben. Nein Moment, 69, da war ich erstmal 4 Monate in Süd-Amerika. Und wo ich da rüberkam, war Mitte 70, war ich nochmal drüben.

BA Dr. Wu[nder]:

Jeweils von dieser einen Firma aus ...?

Zeuge Wüst:

Nein, da war ich auch so privat drüben, weil ich hatte drüben, ich war drüben da mit einem ganz feinen Mädchen zusammen, nicht. Wir wollten da heiraten; und sie ist dann ums Leben gekommen.

BA Dr. Wu[nder]:

Das waren alle Reisen?

Zeuge Wüst:

Ja, sind jetzt im Urlaub war ich noch drüben, letztes Jahr 76.

BA Dr. Wu[nder]:

Ja, gut, Dankeschön. Ich habe zunächst keine Frage, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Hol[land]:

Ich habe ein paar Fragen noch, Herr Vorsitzender. Und zwar, Herr Wüst. Ich habe vorhin akustisch nicht mitbekommen für welche Firma - Sie haben damals oder Sie haben vorhin von Montagearbeiten gesprochen - für welche Firma Sie damals zeitweise in Irland waren?

Zeuge Wüst:

Ja [bbb], das war also, die Firma, für die ich drüben war, das war Hermann Kühr in Ihrhove; das ging über Krupp, Wilhelmshaven.

OStA Hol[land]:

Und können Sie noch nach Ort und Straße den Firmensitz näher bezeichnen?

Zeuge Wüst:

Ja selbstverständlich. Das war Fa. Hermann Kühr, Industrie- und [ccc] Stahlmontagen, Ihrhove, das ist bei Leer oben.

[13459] OStA Ho[lland]:

Und Straße wissen Sie nicht?

Zeuge Wüst:

Da gibt es keine Straße.

OStA Ho[lland]:

Dann eine weitere Frage noch, Herr Zeuge. Sagen Sie, waren Sie einmal mit der Ingeborg Barz verlobt?

Zeuge Wüst:

Ja, das kann ... verlobt, ich bin da so, ich gebe für das Wort nicht recht viel ...

OStA Ho[lland]:

Bitte?

Zeuge Wüst:

... das ist so ein gängiger Gebrauch.

OStA Ho[lland]:

Ja gewiß ein gängiger Gebrauch, die Verlobung ist auch eine gängige Einrichtung. Aber ...

Zeuge Wüst:

Naja, verlobt ...

OStA Ho[lland]:

... sagen wir mal Verlobung, Sie können mich da korrigieren, Herr Wüst. Ein Verlöbnis besteht dann, wenn man sich gegenseitig das Versprechen gibt zu heiraten.

Zeuge Wüst:

Ja also, weiß nicht, über das bin ich hinaus.

OStA Ho[lland]:

Darüber sind Sie hinaus, Dankeschön.

Dann im Anschluß daran noch eine Frage. Haben Sie, Herr Wüst, in Schreiben an Dienststellen einmal behauptet, Sie seien mit Ingeborg Barz verlobt gewesen?

Zeuge Wüst:

Wie gesagt: Ich nehme das nicht so genau, wenn ich ...

OStA Ho[lland]:

Nein ...

Zeuge Wüst:

Ja, ja.

OStA Ho[lland]:

... jetzt die Frage nicht, ob Sie es so genau nehmen, sondern ob Sie es einmal in Schreiben an Dienststellen behauptet haben?

Zeuge Wüst:

Ja richtig, ja, ja.

OStA Ho[lland]:

Und aus welchem Grund? Ich meine, wenn Sie es nicht so genau ...

Zeuge Wüst:

Ja, ich finde, ob ich jetzt sage, ich bin längere Zeit mit jemand bekannt oder ich bin mit ihm verlobt ...

OStA Ho[lland]:

Das ist für Sie dasselbe.

Zeuge Wüst:

... ich finde da keinen Unterschied.

OStA Ho[lland]:

Dankeschön, dann keine Fragen mehr.

Vors.:

Die Herren Verteidiger?

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, eine Anregung, ich wollte den Fragen nicht vorgreifen. Sollten dem Zeugen nicht vielleicht einige Lichtbilder vorgelegt werden, bei denen er die Möglichkeit hat, einige auszusortieren. Es soll lediglich eine Anregung sein.

Vors.:

Ja, das könnte man machen. Wir werden vielleicht eine Pause machen. Ich entsinne mich, daß ich sogar schon [13460] Fahndungsplakate gesehen habe, wo einschlägige Bilder drauf sind.

Gut, wir werden es uns mal überlegen kurz.

Sind zunächst noch Fragen? Bitte, Herr Rechtsanwalt Künzel.

RA Kün[zel]:

Herr Zeuge, Sie haben vorhin von Akten gesprochen, von Vernehmungen haben Sie gesprochen, in denen Sie bereits Ihre Begegnungen mit der Frau Barz geschildert hätten. War diese Begegnung, diese Vernehmung anläßlich einer Vernehmung in einer Anzeigesache gegen Sie oder sind Sie extra zur ...?

Zeuge Wüst:

Ich bin da extra hingegangen, das war 74 war das.

RA Kün[zel]:

Da sind Sie eigens zur Polizei hin und haben diese Begegnungen[ddd] mit Frau Barz ...

Zeuge Wüst:

Ja, wir kamen da auf’s Gespräch und zwar mit der einen Kripo, ich weiß nicht, ist sie Hauptmeisterin, Seitz heißt sie. Und wir kommen da so auf’s Gespräch. Und da sagte ich: Ja, also die kenne, und die wußte das auch von mir; die hatten sich damals ja ziemlich reichlich mit mir beschäftigt. Und da sagte ich noch: Ich habe sie sowieso erst seit Kurzem gesehen, das war 74. Ja, und so kamen wir da ins Gespräch. Und ich habe mich dann dazu geäußert, und habe die Aussage auch gemacht, nicht wahr, warum sollte ich nicht.

RA Kün[zel]:

Ist über diese Aussage ein Protokoll gefertigt worden?

Zeuge Wüst:

Ja, es ist ein 7 Seiten langes Protokoll gemacht worden. Und es wurde ja, also das hatte der auch letzte Woche mit bei, der vom Bundeskriminalamt. Da kam eine fernschriftliche Abschrift von München nach Bad-Godesberg; und die brachte der mit nach Heseppe.

RA Kün[zel]:

Und daß diese Vernehmung in München war, das wissen Sie sicher, nicht Hamburg? Ich meine Sie ...

Zeuge Wüst:

Nein, die war in München.

RA Kün[zel]:

War in München, Dankeschön.

Zeuge Wüst:

74 in München ist von der Kripo da aufgenommen worden.

Vors.:

Ja also was die Vernehmung letzte Woche anlangt, da kann ich insoweit Aufklärung geben. Wir hatten angeordnet, daß zunächst mal abgeklärt wird, bevor wir über den Beweisantrag entscheiden, was und ob Herr Wüst etwas davon weiß, das beruht also darauf.

[13461] Sonst noch Fragen?

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schnabel.

RA Schn[abel]:

Wenn ich nochmal auf die Vernehmung in der letzten Woche zu sprechen kommen dürfte. Sie sagten, es sei ein Beamter gekommen und hätte ein Protokoll mitgebracht. Wie ist diese Vernehmung damals vonstatten gegangen, letzte Woche?

Zeuge Wüst:

Letzte Woche kam ein Beamter von Bad-Godesberg und der ...

RA Schn[abel]:

Entschuldigung, nur eine Zwischenfrage. Hat der Beamte sich namentlich vorgestellt, und wissen Sie den Namen noch?

Zeuge Wüst:

Ja, das war ein gewisser Herr Höpner vom Bundeskriminalamt Bad-Godesberg, habe ich auch die Telefonnummer hier.

RA Schn[abel]:

Ja, ja, bitte.

Zeuge Wüst:

Wollen Sie sie haben?

RA Schn[abel]:

Nein, nein, danke, danke.

Und wie ging das dann vonstatten?

Zeuge Wüst:

Ja, er kam in die Anstalt und fragte mich, ob ich mich dazu äußern wollte, weil ich hatte das ja angeboten.

RA Schn[abel]:

Ja wozu, wozu, wenn Sie das vielleicht etwas genauer jetzt[eee] schildern würden?

Zeuge Wüst:

Ja wozu. Es ging um die Ingeborg Barz, ob die noch gesehen wurde oder nicht. Und dann sagte ich ihm: Was soll ich dazu noch mehr sagen; ich hatte das damals 74 bei der Kripo München schon ausgesagt. Dann sagte er: Ja, das wissen wir, ich habe die Abschriften dabei. Dann hatte er fernschriftliche Abschriften bei, von der Kriminalpolizei München. Das war alles.

RA Schn[abel]:

Haben Sie dann Ihre Aussagen gemacht oder er Ihnen die vorgehalten von München?

Zeuge [Wüst]:

Nein, von München hat er[fff] mir gar nichts vorgehalten. Ich wußte bloß, daß er die Aussagen von München irgendwie eingesehen hatte oder dabeihatte, nicht wahr, weil ich das gesehen hab. Und dann habe ich ihm das nochmal so erzählt, wie ich es damals ausgesagt hatte, nicht, 74.

RA Schn[abel]:

Hat er Ihnen irgendwelche Vorhalte aus den Münchner Akten gemacht?

Zeuge Wüst:

Nein, gar nichts.

[13462] RA Schn[abel]:

Nicht, danke.

Vors.:

Sonst noch Fragen an den Herrn Zeugen?

Dann werden wir uns kurz zurückziehen.

Fortsetzung: 9.45 Uhr.

Pause von 9.40 Uhr bis 9.46 Uhr

Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung ist Rechtsanwalt Schily nunmehr auch anwesend.

Vors.:

Wir fahren in der Vernehmung des Herrn Zeugen fort.

Dem Zeugen werden aus der zu den Akten gehörenden Lichtbildmappe einige Lichtbilder mit der Bitte vorgelegt, die Bildnummer anzugeben, von der er glaubt, daß das Bild Ingeborg Barz darstellt.

Der Zeuge erklärt, daß die Bildnummer 132 Ingeborg Barz darstelle.

Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, das vom Zeugen herausgesuchte Bild Nr. 132 zu besichtigen.

Der Vorsitzende gibt bekannt, daß es sich nach den Akten bei dem Bild Nr. 132 um Frau Ingeborg Barz handeln solle.

Sind sonst noch Fragen an den Zeugen Wüst zu stellen? Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Herr Wüst, sind Sie zu dieser Frage, ob Sie einmal Frau Barz gesehen haben, schon früher einmal vernommen worden?

Vors.:

Die Frage ist beantwortet, Herr Rechtsanwalt.

RA Schi[ly]:

Darf ich fragen von wem?

Zeuge Wüst:

Das war 74 von der Kripo München.

RA Schi[ly]:

Können Sie noch sagen den Namen?

Zeuge Wüst:

Das war eine weibliche Kripobeamtin Seitz, und wie der Mann heißt, das weiß ich nicht mehr.

OStA Hol[land]:

Herr Vorsitzender, ich darf gerade darauf hinweisen: Sämtliche dieser Fragen sind bereits beantwortet.

Vors.:

Den Namen habe ich nicht so mitbekommen; das muß ich gestehen.

OStA Hol[land]:

[ggg] ... Seitz ...

Vors.:

Ist ... gut, dann war die Frage also überflüssig.

[13463] Sonst noch Fragen?

RA Schi[ly]:

In welchem Verfahren sind Sie da vernommen worden?

Zeuge Wüst:

Das war an sich kein Verfahren, es ging so um meine Person eigentlich.

RA Schi[ly]:

Um Ihre Person.

Zeuge Wüst:

Ja. Das Verfahren, ich wurde damals irrtümlicherweise verhaftet. Und, naja, die Kripo München, die hat sich da schon ein paar mal mit mir beschäftigt gehabt; ja, und so hat sich das ergeben.

RA Schi[ly]:

Dankeschön, dann habe ich keine weiteren Fragen.

Vors.:

Keine weiteren Fragen.

Herr Wüst, Sie können das, was Sie ausgesagt haben, beschwören?

Zeuge Wüst:

Ja.

Der Zeuge wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.51 Uhr entlassen und aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Vors.:

Dann war letzte Woche der Beweisantrag gestellt worden ... Bitte, wenn Sie eine Erklärung abgeben wollen, bitte.

RA Schi[ly]:

Ja. Nein, einen Antrag möchte ich stellen.

Vors.:

Einen Antrag wollen Sie stellen, gut.

RA Schi[ly]:

Ich möchte den Antrag stellen oder stelle den Antrag

das Protokoll über die frühere Vernehmung des Zeugen Wüst beizuziehen,

wobei ich jetzt aus der letzten Bemerkung des Herrn Zeugen folgere, daß er möglicherweise auch noch zusätzlich von einem BKA-Beamten vernommen worden ist, und dann in diesem Falle beantrage ich

auch das Protokoll beizuziehen dieser Vorvernehmung.

Vors.:

Danke.

Dann war letzte Woche der Antrag gestellt worden, Frau Mordhorst zu vernehmen. Frau Mordhorst wurde daraufhin verständigt, zunächst telefonisch voraus verständigt, dann auch schriftlich geladen, daß sie heute um 9.00 Uhr [13464] als Zeugin erscheinen solle. Sie erklärte daraufhin, zunächst, sie wolle nicht[hhh] aussagen und von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Sie wurde dann darüber belehrt, sie habe kein Aussageverweigerungsrecht, sondern ein Auskunftsverweigerungsrecht auf einzelne Fragen;[10] das werde dann in der Hauptverhandlung zu klären sein. Worauf sie sagte: Sie werde[iii] auf keinen Fall in der Hauptverhandlung erscheinen, sie werde sich das von einem Arzt bescheinigen lassen. Das ärztliche Zeugnis werde sie abschicken, sobald sie die Ladung in den Händen habe. Sie wurde dann nochmals darauf aufmerksam gemacht, sie solle doch kommen, man müsse gegebenenfalls den Amtsarzt einschalten; und es werde sich dann in der Hauptverhandlung klären, ob und wieweit ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe. Aber sie erklärte: Sie bleibe dabei, sie werde nicht als Zeugin aussagen, sie werde das ärztliche Zeugnis schicken; über ihre Krankheit mache sie am Telefon keine näheren Angaben. Nun sie wurde, wie gesagt, letzte Woche noch durch Eilboten schriftlich geladen. Und jetzt liegt ein Schreiben von ihr vor, vom 20. 2., das ich informatorisch vorlese. Sie schreibt hier: „Aus gesundheitlichen Gründen ist es mir nicht möglich nach Stammheim zu kommen; ich bitte mein Fernbleiben zu entschuldigen. Gleichzeitig stelle ich hiermit den Antrag an den Herrn Rechtsanwalt Schily, auf mich als Zeugen zu verzichten (nach telefonischer Ankündigung von Frau Benz wollte Herr RA Schily mich als Zeuge vernehmen). Hochachtungsvoll Frau Mordhorst“.

Ein ärztliches Zeugnis liegt nicht bei, so daß wir jetzt vor der Frage stehen, wie wir verfahren. Frau Mordhorst fehlt an sich unentschuldigt. Wir müßten also daran denken, gegen sie ein Ordnungsgeld oder dergleichen evtl. zu verhängen,[11] es sei denn der Beweisantrag werde zurückgenommen.

RA Schi[ly]:

Nein.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie sehen keinen Anlaß den Beweisantrag zurückzunehmen. Ja, dann werden wir darüber befinden, ob gegen die Zeugin irgendwelche Maßnahmen zu [13465] ergreifen sind.

Ich kann gleich die Bundesanwaltschaft fragen:

Wird irgendein Antrag gestellt?

BA Dr. Wu[nder]:

Wir stellen keinen Antrag.

Vors.:

Sie stellen keinen Antrag.

Ende Band 795

[13466] Vors.:

Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, nur weil Sie jetzt über Frage der Beweisanträge usw. sprechen. Ich hatte Ihnen ja bereits schriftlich mitgeteilt, daß ich für die kommende Woche, auf Dienstag, die Zeugen Opitz und Petersen unmittelbar geladen[12] habe ...

Vors.:

Telefonisch haben wir es, glaube ich, erfahren.

RA Schi[ly]:

Nein, ich glaube, ich habe es Ihnen auch geschrieben.

Vors.:

Wir haben es wohl nur telefonisch erfahren.

RA Schi[ly]:

Dann hab’ ich es Ihnen vorab telefonisch mitteilen lassen. Ich hab’s Ihnen aber auch geschrieben.

Die Ladung beruht darauf, daß mir der Herr Haase, das ist der Vertreter von Herrn Heinze bei der Kriminalpolizei in Hamburg, mitgeteilt hat, daß der Herr Opitz gesundheitlich in der kommenden Woche nach Auskunft des Arztes so wieder hergestellt sein wird, daß er einer Ladung hierher folgen kann, und anschließend würde er wohl einen Rekonvaleszenzurlaub antreten. Also er sagte: Die Woche - nach ärztlicher Auskunft - vom 28. wohl bis 3./4. März würde in Betracht kommen. Aufgrund dieser Mitteilung habe ich die Ladung veranlaßt.

Vors.:

Auf wann genau haben Sie die Zeugen geladen?

RA Schi[ly]:

Auf Dienstag, 10.00 Uhr.

Vors.:

Also Dienstag, das ist der 1. März 77, 10.00 Uhr.

Dann ist zunächst der Beschluß noch zu verkünden:

Beschluß:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, Herrn Roland Oskar Mayer als Zeugen zu vernehmen, wird abgelehnt.

Gründe:

Der benannte Zeuge soll bekunden können, daß zwei Beamte des Bundeskriminalamts, die ebenso wie der Zeuge mit dem anhängigen Verfahren erkennbar nichts zu tun haben, mit möglicherweise verbotenen Vernehmungsmethoden versucht [13467] haben, Aussagen des Zeugen herbeizuführen; insbesondere sollen Vorteile für den in Haft befindlichen Zeugen in Aussicht gestellt, andererseits mögliche weitere Belastungen angedeutet worden sein. Dies soll Rückschlüsse darauf zulassen, daß auch in dem anhängigen Verfahren Zeugen mit solchen Methoden vernommen worden sind, und ferner die Zeugenaussagen von Angehörigen der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts zu diesem Punkte, also auch deren Glaubwürdigkeit, beleuchten.

Ob verbotene Vernehmungsmittel im Sinne des § 136a StPO[13] angewendet worden sind, wird im Rahmen der Aufklärungspflicht durch Freibeweis[14] geklärt. Die Pflicht zu umfassender Aufklärung gebietet die Vernehmung des Zeugen Mayer nicht. Ob Zeugen wie Gerhard Müller und Dierk Hoff[15] - sie hat der Antragsteller offenbar im Auge - unter Verletzung des § 136a StPO vernommen worden sind, ist durch die Vernehmung dieser und zahlreicher weiterer Zeugen schon umfassend überprüft worden. Die Beweisaufnahme darüber gibt dem Senat keinen Anlaß, weiter in dieser Richtung zu forschen. Die Bekundungen des benannten Zeugen Mayer besagten allenfalls, wie ihm gegenüber verfahren worden ist; über Methoden, die in dem anhängigen Verfahren angewendet worden sind, gäben sie unmittelbar nichts her. Sie eröffneten nur die gedankliche Möglichkeit, auch hier könnte so verfahren worden sein. Dem stünden dann die Aussagen einer ganzen Reihe von Vernehmungsbeamten gegenüber, die unmittelbaren Aufschluß darüber geben können, wie die Vernehmung etwa der Zeugen Müller und Hoff tatsächlich gehandhabt worden ist.

Soweit die allgemeine Glaubwürdigkeit von Angehörigen der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts überprüft werden soll, gilt Strengbeweis.[16] Die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, sind jedoch für das anhängige Verfahren ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).[17] Aus dem möglicherweise fehlsamen Verhalten einzelner Angehöriger des Bundeskriminalamts gegenüber einem Beschuldigten, der ebenso wie seine Vernehmungsbeamten mit dem anhängigen [13468] Verfahren nichts zu tun hat, zieht der Senat keine Rückschlüsse darauf, daß die in diesem Verfahren tätig gewordenen Beamten in gleicher Weise evtl. gegen Amts- und Rechtspflichten verstoßen haben, oder daß beim Bundeskriminalamt, einer sehr großen Behörde, eine bestimmte rechtswidrige Praxis besteht, die es nahelegte, daß auch in diesem Verfahren so gehandelt worden ist. Der Senat muß im Rahmen seiner tatrichterlichen Beurteilung vom Antragsteller gewünschte, wenn auch gedanklich mögliche Schlußfolgerungen aus - zudem entfernten - Hilfstatsachen nicht ziehen, auch wenn diese erwiesen wären. Auf dieser Grundlage erübrigt sich eine Beweiserhebung über die angeblichen Vernehmungsmethoden bei dem Zeugen Mayer (vgl. BGH v. 23.8.1963 - 2 StR 266/63[18]; v. 29.7.1959 - 1 StR 567/59[19]).

- - -

Es ist des weiteren noch bekanntzugeben:

Wir haben gerade einen Schriftsatz erhalten, von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann, da heißt es:

Der Vorsitzende verliest das dem Protokoll als Anlage 1 beigefügte Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Heldmann vom 21. Februar 1977, ohne das[jjj] ärztliche[kkk] Attest der Dr. med. Brigitte Soeder.

Soll zu diesem Antrag auf Unterbrechung Stellung genommen werden?

OStA Ho[lland]:

Herr Vorsitzender, mich interessiert nur der Name des Arztes.

Vors.:

Dr. med. Brigitte Soeder.

OStA Ho[lland]:

Aus Darmstadt?

Vors.:

Aus Darmstadt, ja.

Sonst keine Stellungnahmen gewünscht? Ich sehe nicht. Dann werden wir uns jetzt zurückziehen und über das beraten, was soeben erörtert worden ist.

[13469] BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, darf ich. höflichst noch daran erinnern, daß die Bundesanwaltschaft kürzlich bezüglich der Herren Opitz und Petersen auch einen Antrag gestellt hat.

Vors.:

Jawohl, ich entsinne mich.

Wir setzen fort: 10.30 Uhr.

Pause von 10.02 Uhr bis 10.31 Uhr

Vors.:

Es kann fortgesetzt werden.

Es sind folgende Beschlüsse zu verkünden:

Beschluß:

Der von Rechtsanwalt Schily gestellte Antrag, Protokolle über frühere Vernehmungen des Zeugen Wüst beizuziehen,

wird abgelehnt.

Gründe:

Ein Beweisthema ist nicht angegeben. Aus Gründen der Aufklärungspflicht ist die Beiziehung nicht geboten. Der Zeuge ist in der Hauptverhandlung ausgiebig vernommen worden.

- - -

Dann ein Beschluß:

Der Zeugin[lll] G. Mordhorst werden - wegen unentschuldigten Ausbleibens - die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein

Ordnungsgeld von DM 200,--,

ersatzweise 4 Tage Ordnungshaft

auferlegt.

Die allgemeine Angabe: „Aus gesundheitlichen Gründen“ ist keine Entschuldigung. Ein ärztliches Zeugnis liegt nicht vor.

- - -

[13470-13471][20] [13472] Dann noch der Beschluß:

Der von Rechtsanwalt Dr. Heldmann gestellte Antrag, die Hauptverhandlung für 30 Tage zu unterbrechen,

wird abgelehnt.

Gründe:

Die Verteidigung ist ebenso gewährleistet wie an zahlreichen vorausgegangenen Sitzungstagen, an denen Herr Dr. Heldmann ebenfalls nicht anwesend war.[21]

- - -

Ich bedauere, daß Herr Rechtsanwalt Weidenhammer heute nicht da ist. Er hatte letzten Donnerstag Beweisanträge angekündigt. Ich hatte ihm seinerzeit angeboten, bis nachmittags 17.00 Uhr zu warten, um diese Anträge zu stellen. Er hatte es nicht getan unter Hinweis darauf, er müsse in seinem Büro noch nachschauen. Inzwischen ist also nahezu eine Woche vergangen; aber Herr Rechtsanwalt Weidenhammer ist leider nicht anwesend, so daß also auch keine Anträge gestellt werden können. Auch schriftlich ist von ihm nichts eingegangen. Dies nur als Feststellung.

Wir werden dann die Hauptverhandlung am

Dienstag, 1. März 1977, 10.00 Uhr fortsetzen.

Voraussichtlich wird auf diesen Zeitpunkt Frau Mordhorst nochmals geladen werden. Außerdem hat Herr Rechtsanwalt Schily Gelegenheit, an diesem Tag die Zeugen Opitz und Petersen zu präsentieren.

Falls von der Verteidigung gewünscht wird, noch weitere Zeugen unmittelbar zu laden, so wird empfohlen, das auch zu diesem Zeitpunkt zu tun.

Wenn die Beweisaufnahme einmal geschlossen ist, so ist es fraglich, ob die Gestellung unmittelbar geladener Zeugen dazu verpflichtet, sie nochmals zu eröffnen.[22]

Bitte, Herr Rechtsanwalt.

[13473] RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, vielleicht darf ich dazu noch bekanntgeben, daß ich an den Herrn Bundesinnenminister geschrieben habe, wegen Erteilung einer Aussagegenehmigung[23] für Herrn BKA-Präsidenten Herold. Ich hoffe, daß darüber eine relativ schnelle Entscheidung ergeht. Und falls die Aussagegenehmigung erteilt wird, würde ich für die kommende Woche auch noch Herrn BKA-Präsidenten Herold unmittelbar laden. Allerdings halte ich es nicht für sinnvoll, daß ich ihn lade, ohne Gewißheit mir darüber verschafft zu haben, ob eine Aussagegenehmigung erteilt wird.

Vors.:

Nun, dann wissen wir es. Ich meine, wir können ja nur die Zeugen vernehmen, die hier sind.

Dann wissen wir Bescheid. Sie hatten’s ja neulich schon angekündigt, Sie würden das in’s Auge fassen.

Dann setzen wir also fort am

Dienstag, 1. März 1977, 10.00 Uhr.

Ende des 180. Verhandlungstages um 10.35 Uhr.

Ende des Bandes 796.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 – Az.: 1 StE 1/74 – StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 – Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 – Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[4] Ingeborg Barz war ein frühes Mitglied der RAF. Zuvor war sie Teil der Hilfsorganisation Schwarze Hilfe und bildete u.a. gemeinsam mit Angela Luther, Inge Viett, Verena Becker und Waltraud Siepert eine feministische Gruppe namens Die schwarze Braut. Über Barz’ Position in der RAF ist nicht viel bekannt. 1971 soll sie beim Überfall auf eine Bank in Kaiserslautern mitgewirkt haben. Von der Verhaftungswelle 1972 war Barz nicht betroffen, gilt aber wie Angela Luther seitdem als verschwunden. Über ihren Verbleib existieren nur Spekulationen. Unter anderem stand der Verdacht im Raum, dass sie als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt und von Baader erschossen worden sei (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 37 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S 299, 820). Die Verteidigung versuchte zu beweisen, dass die Behauptung, Baader habe Barz erschossen, von Gerhard Müller aufgestellt worden sei, um Baader wahrheitswidrig zu belasten (s. den Beweisantrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 142. Verhandlungstag, S. 11467 des Protokolls der Hauptverhandlung). Durch den Beweis der Unwahrheit dieser Tatsache sollte die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Müller insgesamt erschüttert werden (s. dazu etwa die Diskussion um den am 147.Verhandlungstag gestellten Beweisantrag, S. 11684 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu den Angaben, die Müller über in diesem Zusammenhang gemacht haben soll, s. auch die Ausführungen des Vernehmungsbeamten KHK Opitz am 152. Verhandlungstag (S. 11855 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[5] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

[6] Die Schwarze Hilfe ist als Gefangenenhilfsorganisation bekannt geworden, die sich 1971 in Berlin gebildet hatte und später auch RAF-Häftlinge betreute. Anders als die Rote Hilfe verstand sie sich als Organisation für alle Gefangenen, nicht nur für die politischen. Zu Beginn leistete die Schwarze Hilfe allgemeine Fürsorge für sozial benachteiligte Personen. Im Laufe ihres Bestehens entwickelten Mitglieder der Schwarzen Hilfe auch radikalere Ziele und Aktionsformen, die in kleinere Anschläge mündeten. Diese wurden teils auch gemeinsam mit den Tupamaros West-Berlin begangen, zu denen es personelle Überschneidungen gab. Aus den Tupamaros und der Schwarzen Hilfe ging schließlich die Bewegung 2. Juni hervor (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 31 ff., 45; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 546 f.).

[7] Die Kommune 3 entstand 1970 in Wolfsburg um die VW-Arbeiterin, Anarchistin und Feministin Ilse Schwipper. Der Kommune wurden wenig später mehrere Brandanschläge in Wolfsburg zur Last gelegt. Schwipper, die nach Heiraten auch die Nachnamen Bongartz und Jandt trug, stand u.a. im Kontakt mit den Mitgliedern der Bewegung 2. Juni Inge Viett und Ralf Reinders (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, 2010, S. 112; Schneider-Bönninger/Neteler, in Stölzl [Hrsg.], Die Wolfsburg-Saga, 3. Aufl. 2009, S. 218 ff.).

[8] Für den Vollzug von Untersuchungshaft und Strafhaft gelten unterschiedliche Vorschriften (Untersuchungshaft: zum damaligen Zeitpunkt § 119 Abs. 3 StPO a.F. i.V.m. der Untersuchungshaftvollzugsordnung; heute: Landesgesetze; Strafhaft: damals noch geregelt durch die Dienst- und Vollzugsordnung von 1961, die durch das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht als ausreichende Rechtsgrundlage angesehen wurde [BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 – Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1]; ab dem 1.1.1977 daher: Strafvollzugsgesetz; seit der Föderalismusreform 2006 zu einem großen Teil ersetzt durch Landesgesetze). Im Unterschied zur Strafhaft gibt es bei der Untersuchungshaft gerade noch kein rechtskräftiges Urteil, sodass weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Aus diesem Grund ist die Anordnung von Untersuchungshaft als Ausnahmeregelung an strenge Voraussetzungen geknüpft und muss stets mit dem Zweck der Sicherung des Strafverfahrens abgewogen werden (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 – Az.: 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342, 347; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 425 ff.).

[9] Hat eine Person mehrere Straftaten begangen, wird bei gleichzeitiger Aburteilung auf eine Gesamtstrafe erkannt (§ 53 Abs. 1 StGB). Unter bestimmten Umständen ermöglicht § 55 StGB auch die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe. Die früher ausgeurteilte Strafe wird dann im neuen Verfahren in die Bildung der Gesamtstrafe einbezogen, was sich positiv auf das Gesamtstrafmaß auswirkt: Nach § 54 Abs. 2 StGB darf die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen.

[10] Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 – Az.: 2 StE 7/01 – 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 – Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[11] § 51 StPO enthält die Folgen des Ausbleibens von Zeug/innen. Wurden sie ordnungsgemäß geladen, so werden ihnen die durch das Ausbleiben entstandenen Kosten auferlegt; zudem wird ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt. Wird das Ausbleiben genügend entschuldigt, so unterbleiben diese Anordnungen oder werden wieder aufgehoben (Abs. 2). Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes sind somit die ordnungsgemäße Ladung sowie die fehlende Entschuldigung.

[12] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).

[13] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[14] Das Freibeweisverfahren findet Anwendung zum Beweis von Tatsachen, die nicht die Straf- oder Schuldfrage, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, betreffen. Im Unterschied zum dort anzuwendenden Strengbeweisverfahren ist das Gericht im Freibeweisverfahren nicht auf die Wahl bestimmter Beweismittel beschränkt, sondern kann grundsätzlich alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen; auch an die im Strengbeweisverfahren vorgeschriebene Form ist es nicht gebunden (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166). Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 136a StPO wurde zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohl überwiegend das Freibeweisverfahren (auch für die Tatsacheninstanz) für ausreichend angesehen (BGH, Urt. v. 28.6.1961 – Az.: 2 StR 154/61, BGHSt 16, S. 164, 166; s. etwa Sarstedt, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 136a Anm. 8). Die Rechtsprechung vertritt diesen Standpunkt weiterhin (BGH, Urt. v. 21.7.1994 – Az.: 1 StR 83/94, NJW 1994, S. 2904, 2905; BGH, Urt. v. 21.7.1998 – Az.: 5 StR 302/97, BGHSt 44, S. 129, 132; siehe auch Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 136a Rn. 32). Im Schrifttum mehren sich aber die Stimmen, die die teilweise oder sogar vollständige Anwendung des Strengbeweises fordern (für eine vollständige Anwendung des Strengbeweises s. Gleß, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 4/1, 27. Aufl. 2019, § 136a Rn. 77; für eine Anwendung des Strengbeweises in den Fällen, in denen die Aussage letztlich für die Straf- oder Schuldfrage verwertet werden soll s. Schuhr, in Knauer/Kudlich/Schneier [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 136a Rn. 99).

[15] Gerhard Müller war ein ehemaliges Mitglied der RAF und einer der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Er wurde ab dem 124. Verhandlungstag als Zeuge vernommen. Auch durch die Aussagen des Zeugen Dierk Hoff, der in seiner Werkstatt einige der von der RAF verwendeten Sprengkörperhüllen hergestellt hatte und ab dem 68. Verhandlungstag, sowie am 98. Verhandlungstag als Zeuge vernommen wurde, wurden insbesondere die Angeklagten Raspe und Baader belastet. Die Verteidigung versuchte, eine unzulässige Beeinflussung der Strafverfolgungsbehörden auf beide Zeugen zu beweisen (s. betr. Hoff den Antrag, den Generalbundesanwalt Buback als Zeuge zu vernehmen, S. 7962 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 89. Verhandlungstag; betr. Müller s. insbesondere die Beweisanträge in den Anlagen 4 bis 19 zum Protokoll zum 20.7.1976, S. 10643 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 128. Verhandlungstag).

[16] Das Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“) ist in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt. Es findet Anwendung zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe, und zeichnet sich u.a. durch eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel (Zeug/innen, Sachverständige, Urkunden, Augenschein) aus. Die Tatsachen müssen zudem Eingang in die Hauptverhandlung gefunden haben (§ 261 StPO) und grundsätzlich mündlich vorgetragen und erörtert worden sein (sog. Mündlichkeitsprinzip, s. dazu Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 261 Rn. 7).

[17] § 244 Abs. 3 bis 6 StPO enthalten die abschließenden Gründe, aus denen Beweisanträge abgelehnt werden können. Für Anträge auf Zeugenvernehmung ist insbes. Abs. 3 relevant. Abgelehnt werden können entsprechende Anträge u.a., wenn die zu beweisende Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung (oder schon bewiesen) ist.

[18] In diesem Urteil führte der BGH zur Beurteilung der Erheblichkeit einer Beweistatsache aus: „Der Angeklagte hatte keine unmittelbar erhebliche Tatsache unter Beweis gestellt vielmehr konnte das Beweisthema nur mittelbar Bedeutung für die richterliche Überzeugung haben. Da der Schluß von der behaupteten Tatsache auf unmittelbar erhebliche Umstände nicht zwingend, sondern nur möglich, allenfalls wahrscheinlich war, hatte der Tatrichter über die Frage der tatsächlichen Erheblichkeit in freier Beweiswürdigung zu entscheiden [...]. Es ist zwar dem Richter untersagt, auf Grund schon erhobener Beweise anzunehmen, daß die beantragte Beweiserhebung ihr Ziel nicht erreichen werde; er ist aber nicht gehalten, aus Beweisbehauptungen die vom Antragsteller gewünschten Schlüsse zu ziehen“ (BGH, Urt. v. 23.8.1963 – Az: 2 StR 266/63, Rn. 7).

[19] Der BGH führte darin aus, dass das Tatgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen beurteilt, ob eine Hilfstatsache geeignet ist, die Entscheidung zu beeinflussen. Ist dem Gericht von vornherein klar, dass es der zu beweisenden Tatsache auch im Falle ihres Beweises keine Bedeutung zumessen wird, wäre die Beweisaufnahme zwecklos; die Entscheidung, den Beweisantrag abzulehnen, weil die Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, ist dann nur angreifbar, wenn sie im Widerspruch „zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen“ steht (BGH, Urt. v. 24.11.1959 – Az.: 1 StR 567/59, Rn. 12).

[20] Anlage 1 zum Protokoll vom 23. Februar 1977: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Unterbrechung der Hauptverhandlung für 30 Tage.

[21] Den Angeklagten waren neben ihren Vertrauensverteidiger/innen je zwei weitere Pflichtverteidiger (gegen ihren Willen) zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden. Auch bei Abwesenheit der Vertrauensverteidigung konnte die Hauptverhandlung daher trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) stets weitergeführt werden. Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch diese von den Angeklagten sog. Zwangsverteidiger auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Heute gibt es für diese Form der Sicherungsverteidigung in § 144 StPO eine gesetzliche Grundlage (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 [BGBl. I, S. 2128]).

[22] Auch nach Schließung der Beweisaufnahme bleibt grundsätzlich ein Wiedereintritt möglich. Die Verfahrensbeteiligten haben bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht, Beweisanträge zu stellen, das Gericht ist zur Entgegennahme verpflichtet (BGH, Urt. v. 3.8.1966 – Az.: 2 StR 242/66, BGHSt 21, S. 118, 123). Der Wiedereintritt wird – auch konkludent – angenommen, sobald Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können; dies sind insbesondere Prozesshandlungen, die in den Bereich der Beweisaufnahme fallen, aber auch wenn sonst der Wille des Gerichts erkennbar wird, es wolle mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortführen. Dies kann bereits bei der Erörterung von Anträgen der Fall sein (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – Az.: 3 StR 469/18, NStZ 2019, S. 426 f. m.w.N.). Beweisanträge, die zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt werden, konnten allerdings nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. abgelehnt werden. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung wurde mit Wirkung zum 13.12.2019 durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl. I, S. 2121) aufgehoben, was allerdings nicht zur Folge hat, dass derartige Anträge nun ungehindert gestellt werden könnten; vielmehr sieht § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO vor, dass ein solcher Antrag nun gar nicht mehr durch förmlichen Beschluss abgelehnt werden muss. Zudem wurde mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I, S. 3202) die Möglichkeit geschaffen, Beweisanträge, die nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist gestellt werden, erst im Urteil zu bescheiden (§ 244 Abs. 6, Satz 2-5 StPO). Hierdurch sollte der Umgang mit verfahrensverzögernden Beweisanträgen vereinfacht werden (s. die Begründung in BR-Drs. 796/16, S. 34).

[23] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.


[a] Maschinell eingefügt: genehmigt.

[b] Maschinell eingefügt: dann

[c] Maschinell eingefügt: ein

[d] Maschinell eingefügt: dann

[e] Maschinell eingefügt: bloß

[f] Maschinell eingefügt: da

[g] Maschinell eingefügt: was

[h] Handschriftlich eingefügt: aus

[i] Handschriftlich ersetzt: den durch dem

[j] Handschriftlich ergänzt: sollte

[k] Maschinell eingefügt: irgendwie

[l] Handschriftlich durchgestrichen: solche

[m] Maschinell eingefügt: selber

[n] Handschriftlich durchgestrichen: bis jetzt

[o] Maschinell eingefügt: da

[p] Maschinell eingefügt: da nicht

[q] Maschinell eingefügt: das

[r] Maschinell eingefügt: hat

[s] Maschinell eingefügt: sie ja

[t] Handschriftlich ersetzt: nach durch noch

[u] Handschriftlich durchgestrichen: ihr

[v] Maschinell durchgestrichen: Hamburg

[w] Maschinell eingefügt: ja

[x] Maschinell durchgestrichten: zwischen

[y] Maschinell ersetzt: in durch eine

[z] Maschinell eingefügt: also in

[aa] Maschinell eingefügt: schon

[bb] Maschinell eingefügt: dann

[cc] Maschinell eingefügt: so

[dd] Maschinell eingefügt: und

[ee] Maschinell ersetzt: zusammenzählen durch zusammenrechnen

[ff] Maschinell eingefügt: sitzen

[gg] Handschriftlich durchgestrichen: sind

[hh] Maschinell ersetzt: ... durch in Tateinheit

[ii] Maschinell ersetzt: also durch auch schon

[jj] Maschinell eingefügt: wegen Betruges

[kk] Maschinell ersetzt: Gesamtstrafe zusammen durch Gesamtsstrafezusammenzug

[ll] Maschinell ersetzt: waren das durch also

[mm] Maschinell eingefügt: Ding

[nn] Maschinell eingefügt: und

[oo] Maschinell ersetzt: könnte durch da laß

[pp] Maschinell eingefügt: ein bißchen

[qq] Maschinell eingefügt: das

[rr] Maschinell eingefügt: der

[ss] Maschinell eingefügt: da

[tt] Maschinell eingefügt: das

[uu] Maschinell ersetzt: damals durch schon mal

[vv] Maschinell eingefügt: und

[ww] Maschinell eingefügt: wieder

[xx] Handschriftlich durchgestrichen: dahinter

[yy] Maschinell ersetzt: Sind durch Haben Sie

[zz] Maschinell ersetzt: und durch am

[aaa] Maschinell eingefügt: in

[bbb] Handschriftlich durchgestrichen: also

[ccc] Handschriftlich durchgestrichen: in Glüh

[ddd] Maschinell ergänzt: Begegnungen

[eee] Maschinell eingefügt: jetzt

[fff] Handschriftlich durchgestrichen: der

[ggg] Handschriftlich durchgestrichen: Das ist

[hhh] Handschriftlich durchgestrichen: nichts

[iii] Maschinell ersetzt: wäre durch werde

[jjj] Handschriftlich ersetzt: dem durch das

[kkk] Handschriftlich durchgestrichen: ärztlichen

[lll] Handschriftlich ersetzt: Zeugen durch Zeugin