[269] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 11. Juni 1975, 9.05 Uhr
(4. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte waren anwesend:
Just. Sekr. Janetzko, Just. Ass. z. A. Clemens.
Sämtliche Angeklagte mit Ihren Verteidigern wie am 1. Verhandlungstag außer RA Eggler, (wie am 1. Verhandlungstag) waren anwesend.
Als weiterer Verteidiger des Angeklagten Baader war Herr Rechtsanwalt Dr.[a] Heldmann anwesend.
Rechtsanwalt Dr.[b] Heldmann übergibt Vollmacht des Angeklagten Baader, die als Anlage 1 dem Protokoll beigefügt ist.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort. Im Augenblick nicht in der Besetzung des Vortages. Ich sehe ein neues Gesicht. Ich nehme an, Herr Rechtsanwalt Heldmann. Wir begrüßen Sie hier als neuen Verteidiger. Es liegt uns zwar keine Vollmacht vor, ich[c] möchte aber annehmen, daß wir die sofort bekommen. Sie kann ja auch notfalls mündlich zu Protokoll erklärt werden.
Die Vollmacht ist erteilt. Herr Rechtsanwalt Eggler wird eine Stunde später kommen, er hat sich entschuldigt. Zunächst Herr Rechtsanwalt von Plottnitz. Sie haben gestern gebeten, daß der morgige Tag nicht durchgeführt werden solle. Dieser Bitte kann nicht entsprochen werden. Sie wissen seit dem 4. Februar 1975, daß wir beabsichtigen, am Donnerstag jeder Woche zu verhandeln. Am 11.4.1975 wurde der genaue Terminplan erlassen, indem der morgige Tag als Sitzungstag verzeichnet ist. Das Berufsverbotsverfahren gegen Herrn Rechtsanwalt Groenewold wurde am 16.5.1975 in Gang gebracht, d. h. es ist also wesentlich später als unser Termin. Dort ist[d] der 12. als Termin benannt worden und nun ist es eben so: Sie können nicht auf zwei [270][1] [271] Hochzeiten tanzen und unser Verfahren geht hier vor, mit dem früheren Termin. Wir gehen also davon aus, daß Sie hier Ihrer Pflicht als Pflichtverteidiger des Vertrauens[2] nachkommen. Herr Rechtsanwalt Groenewold konnte Sie nicht beanspruchen, da Sie ja durch diesen Termin hier verhindert waren.
Damit könnten wir dann mit der Vernehmung zur Person[3] beginnen.
RA H[eldmann]:
Wenn Sie erlauben, möchte ich zur Verteidigungssituation von Herrn Baader, meines Mandanten, eine Erklärung abgeben. Herr Baader ist seit dem Beginn dieser Hauptverhandlung ohne Verteidigung.[4] Den Einwand, er sei durch zwei Pflichtverteidiger hinreichend verteidigt, diesen Einwand kann der Angeklagte selbst, können die Verteidiger, kann auch ich nicht akzeptieren.[5] Er geht für jedermann offensichtlich an der Sache vorbei. Jene Anwälte sind oktroyierte Anwälte. Sie sind zur Verteidigung nicht in der Lage, weil Sie das Vertrauen ihres Mandanten nicht besitzen und folglich jegliche Möglichkeit der Kommunikation - Ausgangsgrundlage für eine Verteidigung - fehlt. Wo sie eine Funktion haben sollten, wäre es die, reiner Prozeßbeobachter, jedenfalls nicht der Verteidiger, und daß Prozeßbeobachter eben von jener Justiz hierhergesetzt, die es hier zu kontrollieren gelte. Es kann keine Frage sein, unter rechtlichen Gesichtspunkten jedenfalls nicht, daß hier der Angeklagte den Anspruch hat, den Rechtsanspruch hat, auf den Verteidiger sein Wahl, auf den Verteidiger seines Vertrauens. Die Grundlagen dafür finden wir in der Strafprozeßordnung [§§ ]137, 138.[6] Wir finden sie besonders stark ausgedrückt in der Bundesrechtsanwalt-Ordnung, wo es heißt, jedermann hat das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl vertreten zu lassen. Und insbesondere erinnere ich abermals, an die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrem Artikel 6 Absatz 3 Ziffer 10[7], wo noch einmal mit verbindlicher Kraft für das Recht in der Bundesrepublik und mit der Besonderheit, daß jene Völkerrechtskonvention einfachem auch etwa[e] späterem innerstaatlichem Gesetzesrecht vorgeht,[8] Rechtsgeltung hat. Und auch dort ist ein Postulat, zu welchem die Rechtsordnung [272] in der Bundesrepublik Kraft internationalen Vertrages verpflichtet ist, nämlich jedem Beschuldigten, jedem Angeklagten den Anwalt seiner Wahl, d.h. den Anwalt seines Vertrauens zukommen zu lassen.
Zweitens. Ich erinnere dazu an die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich in der Fülle von Urteilen von Oberlandesgerichten zu den Fragen der Verteidigerrechte seit Jahrzehnten wiederspiegelt, wofür ich mit Ihrer Erlaubnis eine wesentliche Entscheidung in einem Kernsatz zitiere, nämlich: „Der Verteidiger, so aus Bundesgerichtshof-Urteil vom 25.6.1965, veröffentlicht in der NJW 65,21 65, der Verteidiger kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn er den Sachverhalt ausreichend kennt, wenn er darüber unterrichtet ist, wie sich der Angeklagte zur Anklage verhält, und wenn er ein klares Bild über die Möglichkeiten gewonnen hat, die für eine sachgemäße Verteidigung bestehen.“ Damit ist die Aufgabe der Justiz, Verteidigung zuzulassen und auch den Modus, die Modalitäten wie Verteidigung zuzulassen sei, exakt höchstrichterlich und rechtsverbindlich umschrieben.
Drittens. Es gibt mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung, die insbesondere kulminiert in [f] einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im 13. Band auf der Seite 190[9]. Wo nämlich eben diese Ermessensfrage, Verteidiger zuzulassen und ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten zu geben, weit herausgeholt wird, aus etwa dem Ermessen des Vorsitzenden in einem Strafprozeß und geradezu[g] auf[h] verfassungsrechtlichen Rang erhoben wird. Es geht um das Grundrecht des rechtlichen Gehörs, und so heißt es[i] in jener hier zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das rechtliche Gehör ist dann verletzt, wenn die Ablehnung etwa eines Vertagungsantrags zur Vorbereitungen des Verteidigers, diese Verteidigung beeinträchtigte. Ich verweise Sie ferner auf die wesentlichen Kommentierungen des Großkommentars zum Grundgesetz von Maunz-Dürig, die hier, wären sie nicht bereits durch die vorher zitierte Entscheidung des Bundesverfassungs- [273] gerichts praktisch zur absoluten Rechtsnorm erhoben, aber doch weitergehend ausführlicher das sagen, worum es mir in diesem Moment geht, nämlich aus Maunz-Dürig, Randziffer 70 zu Artikel 103: Zu beachten ist, daß die Entscheidungen über die Fristbemessung, Vertagung und Terminverlegung, die nach dem Prozeßrecht Ermessungentscheidungen sind, nunmehr eine rechtliche Umwertung erfahren. Soweit es um die Garantie des rechtlichen Gehörs geht, haben die Gerichte nicht mehr nach pflichtgemäßem Ermessen über diese Anträge zu entscheiden, sondern müssen aufgrund des Artikels 103 Absatz 1 des Grundgesetzes[10] einem solchen begründeten Antrag stattgeben.
Viertens. Um[j] einem etwa zu erwartenden, [k] schon spurenweise angeklungenen Einwand zu begegnen: Herr Baader hat weder verursacht, noch gar verschuldet, daß ihm die getrennten Staatsgewalten in vereinter Aktion nun schließlich innerhalb von 30 Tagen vor dem Beginn der Hauptverhandlung, seine Verteidiger entzogen haben. Der Gesetzgeber mit seiner gezielten Lex RAF[11] die Bundesanwaltschaft mit ihren fein terminierten Anträgen[12] zur Verteidigerausschließung, die dazu geführt hat, daß Herr Baader zum Beginn dieser Hauptverhandlung, jedenfalls bis heute, Verteidigungslos dasteht und stand. Und die Justiz, so meine ich, in Verkennung der Unschuldsvermutung, die nicht nur etwa Gesetzesrang aus der Europäischen Menschenrechtskonvention hat, sondern die Verfassungsrang hat, wie wir den Entscheidungen[l] des Bundesverfassungsgerichts aus den Bänden 22 und 25 ablesen können, Verfassungsrang nämlich aus dem Rechtsstaatsprinzip.[13] Unschuldsvermutung ist Verfassungsprinzip, ist Grundrecht für den Beschuldigten, ist Grundrecht für den Angeklagten. Hier aber hat die Justiz den Verdacht gegen die Angeklagten, wo es nämlich um die Verteidigerausschließung gegangen ist, als[m] erwiesene und rechtskräftig festgestellte Tat schon behandelt und so aus diesem Verdacht weiteren Verdacht zu schöpfen, mit dem Ergebnis, einer angeblichen Tatbeteiligung von Anwälten und mit dem prozessualen Ergebnis, daß zumindest der Angeklagte Baader verteidigungslos ist in diesem Prozeß. Solche Methode, nämlich Teilhaberschaft an [274] einer Verdächtigung, dem Verdächtigten nun ebenso mit den Rechtsfolgen einer Überführung zu belegen, zu Lasten seiner Verteidigung, zum Ende seiner Verteidigung hin, solche Methode meine ich, ersparte eigentlich Strafverfahren. Warum denn nicht den Strafprozeß gleich ohne Verteidiger - in der Folge wahrscheinlich auch ohne Angeklagten - aus dem Beratungszimmer herausführen.
Fünftens. Ich habe dem Hörensagen nach von dem unglaublichen Einwand erfahren, Herr Baader habe sich, er hätte den Rechtsanspruch auf den Verteidiger seines Vertrauens verwirkt. Ich kann nicht sehen, aus welcher Rechtsquelle solche Rechtsanschauungen, sei sie wirklich ernsthaft geäußert worden, kommen sollten. Sie bedeutete aber, gäbe es sie, und sollte sie etwa eingewendet werden, bedeutet sie die Reduzierungen eines justiziellen Verfahrens auf die blanke Adoption einer öffentlichen Vorverurteilung. Und sie wäre im übrigen, wäre sie, sollte dieser Einwand ernsthaft gegen meinen Antrag geltend gemacht werden, wohl nur als[n] eine außergesetzliche[o] Prozeßstrafe zu würdigen.
Sechstens. Sollte meinem Antrag, den ich aus dem vorangesagten ableiten werde, nämlich dieses Verfahren auf 10 Tage auszusetzen, daß mir als heute neuem Verteidiger des Herrn Baader die Möglichkeit gegeben wird, die notwendigen Mandantengespräche zum Zwecke dieser Verteidigung zu führen und mir einen Überblick zu verschaffen, über den Prozeßstoff überhaupt, d.h. meinen Antrag auf Aussetzung dieser Verhandlung auf 10 Tage. Sollte etwa diesem Antrag der Zeitplan des Gerichts, - ich habe volles Verständnis, wenn ich die Fülle des Materials hinter Ihnen sehe, daß Sie an Zeitpläne denken, - sollte diesem Antrag dies[p] entgegengehalten werden, dann verweise ich Sie aber abermals insbesondere auf Ihre, des Senats, prozessuale Fürsorgepflicht für den Angeklagten, wofür ich mit Ihrer Erlaubnis abermals eine[q] grundsätzliche[r] Bundesgerichtshofsentscheidung[s] in einem Kernsatz zitiere. Nämlich das Urteil vom 25.6.65 in NJW 65, 21, 64: „Die Fürsorgepflicht des Gerichts kann, [275] trotz gegenteiliger Erklärungen des bestellten Pflichtverteidigers, nämlich der Erklärung, er schaffte es schon, eine Aussetzung der Hauptverhandlung gebieten, sonst ist der Angeklagte in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt.“ Ende dieses Zitats.
Zweitens. Sollte mir der Zeitplan des Gerichts, sollte der meinem Antrag entgegengehalten werden, dann erlaube ich mir, den Senat daran zu erinnern, daß auf einen unzulässigen Antrag der Bundesanwaltschaft hin, dieses Verfahren immerhin für 14 Tage unterbrochen wurde[t] dort nicht zur Forderung dieses Verfahrens, jedenfalls nicht im Interesse der Verteidigung. Und schließlich sollte mir der Zeitplan des Gerichts gegen diesen Antrag entgegengehalten[u] werden, dann erinnere ich das Gericht abermals an Verfassungsrecht, wie es authentisch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts interpretiert ist, nämlich so schon in der Entscheidung im 16. Band auf Seite 217, wo ausdrücklich wörtlich gesagt ist: Der Beschuldigte hat den Anspruch darauf, von einem Anwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden. Einen Anspruch, den das Bundesverfassungsgericht aus dem Rechtsstaatsprinzip unserer Verfassung herleitet. Und schließlich, diese fast noch druckfrische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8.10.1974 die bisher lediglich, soweit ich weiß, in NJW 75 auf Seite 103 veröffentlicht worden ist. Wo das Bundesverfassungsgericht spricht, von dem für jedermann wörtlich an sich selbstverständlichen Recht auf den Rechtsanwalt seiner Wahl und das Bundesverfassungsgericht der in dieser Entscheidung, wie schon in frühere, ausdrücklich abhebt, daß das Rechtsstaatsprinzip unserer Verfassung gebiete, gerade im Strafverfahren Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung zu garantieren. Darum auch Anwalt des Vertrauens, Verteidiger seiner Wahl. Und daraus rechtfertigt sich, von der Sache her, wie von der derzeitigen Rechtslage in der Bundesrepublik her mein Antrag, dieses Verfahren zur Vorbereitung des Verteidigerverhältnisses zwischen Herrn Baader und mir, d.h. zur Vorbereitung meiner Verteidigung von Herrn Baader für 10 Tage auszusetzen, damit zumindest die erforderlichen [276] Mandantengespräche möglich sein werden, die nicht etwa in den Mittagspausen geschehen können. Die auch nicht in einem 45 Minuten Gespräch, wie es mir vorgestern gewährt worden war, geführt werden können und deretwegen man mich auch bitte nicht verweisen möchte, auf die etwa sitzungsfreien Tage. Ich kann meinen Standort nicht von heut auf morgen nach Stammheim verlegen. Ich betreibe in Darmstadt eine Rechtsanwaltspraxis, d.h. also, ich kann nicht während dreier Verhandlungstage in[v] der Woche, zwei Tage in der Woche notwendige Verteidigergespräche mit Herrn Baader führen. Ich bitte also, über diesen Antrag zu entscheiden, und ich bitte dabei insbesondere, die verfassungsrechtliche Begründung für diesen Antrag zu beachten.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, liegt dieser Antrag bzw. die Begründung schriftlich vor. Sie haben sehr viel zitiert, das wäre uns natürlich lieb, wenn wir mit diesem Material gleich arbeiten könnten.
RA H[eldmann]:
Ich habe ihn nicht schriftlich formuliert. Aber ich [w] wäre in der Lage, es Ihnen handschriftlich zu geben, zumindest in den wesentlichen Stellen, für die ich, obergerichtliche oder verfassungsgerichtliche Judikatur zitiert habe.
Vors.:
Es sind alle Zitate, wie ich eben höre, mitgeschrieben worden. Was uns dann unklar ist, läßt sich ja dem Protokoll dann entnehmen.
Ich gehe davon aus, die Bundesanwaltschaft will Stellung nehmen. Beabsichtigen Sie, sich[x] diesen Antrag länger zu überlegen, den Sie stellen wollen bzw. Ihre Stellungnahme.
BA Dr. W[under]:
Herr Vorsitzender, wir können zu dem Antrag Stellung nehmen; nachdem eine ganze Reihe von Zitaten erfolgt ist, wollen wir[y] uns weitere Ausführungen vorbehalten. Wenn ich kurz Stellung nehmen darf, Herr Baader ist nach Ansicht der Bundesanwaltschaft ausreichend verteidigt. Ich sage das hier zum wiederholten Male in diesem Sitzungssaal. Wir [277] beharren ohne Einschränkung auf diesem unseren Standpunkt, der bestehenden ausreichenden Verteidigung. Der Neueintritt eines Verteidigers, der noch mehrmals in diesem Verfahren erfolgen konnte, kann nicht zur weiteren Verzögerung des Verfahrens führen. Ich möchte nur auf die hier maßgebliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.7.73, 4 StR 61/73[14] hinweisen. Weitere Ausführungen darf ich, wie gesagt, vorbehalten.
Vors.:
Was muß man mit dem Vorbehalt verstehen oder verbinden.
Wir wollen ja jetzt uns zurückziehen und beraten. Wollen Sie dann, bevor die Entscheidung verkündet wird, nochmals etwas sagen, dann müßten wir erneut darüber befinden.
BA Dr. W[under]:
Nein, Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft ist vorsichtig und möchte aufgrund der Vorwürfe gestern von Herrn Rechtsanwalt Schily den Senat nicht um eine Pause bitten. Falls der Senat es aber für zweckmäßig hält, daß die Bundesanwaltschaft auch zu den Rechtsausführungen Stellung nimmt, dann nehmen wir gerne die Pause, wenn sie dann vom Herrn Vorsitzenden angeordnet wird, entgegen.
Vors.:
Danke.
Herr Rechtsanwalt Schily.
RA Sch[ily]:
Daß keine Mißverständnisse entstehen, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder. Ich habe überhaupt nichts dagegen, und ich finde es durchaus entsprechend den prozessualen Gepflogenheiten, wenn Sie um eine Pause nachsuchen. Sie werden sich erinnern, daß wir in keiner Weise das kritisiert haben, daß Ihnen eine Pause gewährt worden ist, am ersten Verhandlungstag. Nur das eine, und das darf ich wiederholen, daß vielleicht auch die Verteidigung das Recht hat, in einer bestimmten prozessualen Situation eine Pause in Anspruch zu nehmen. Das war der Sinn meiner Ausführung gestern.
[278] BA Dr. W[under]:
... ausgeführt, daß wir keine Sonderrechte beanspruchen.
Es steht beim Senat.
Vors.:
Es ist, glaube ich, gestern genug darüber geredet worden, warum sich die Pausengebung so verteilt hat. Das lag an der Antragstellung und nicht daran, daß das Gericht irgend jemand den Vorzug gäbe, wenn er die Pause benötigte.
Herr Rechtsanwalt, wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie doch die grundlegenden Ideen, insbesondere die Formulierung des genauen Antrags, Sie haben es höflich in die Form einer Bitte gekleidet, uns zukommen ließen. Wir werden jetzt eine Pause einlegen, wie lang die dauern wird, können wir noch nicht sagen, wir müssen uns natürlich mit diesen Fragen eingehend befassen. Ich würde aber vor Halbelf keine Chancen sehen, daß sich das Gericht hier wieder einfindet. Ich bitte also um Halbelf hier zu sein.
Die Angeklagten sind abzuführen. Ich bitte Sie, Ihnen die Möglichkeit zu geben, untereinander sprechen zu können. Es gibt aber keine Gemeinschaftsberatung im Augenblick mit sämtlichen Herren Anwälten. Wenn Anwaltsgespräche geführt werden sollen, dann prozeßordnungsgemäß einzelne Anwälte, mit ihren einzelnen Mandanten. [15]
RA H[eldmann]:
Herr Vorsitzender, ich habe einen Satz, wenn Sie erlauben zu reden, auf die Entgegnung des Herrn Bundesanwalts. Sein Einwand, dieser Angeklagte könne ja in der Folge dieses Prozeßablaufs noch wiederholt sich neue Wahlverteidiger heranziehen, ist reine Spekulation. Ich habe gerade versucht, Ihnen in Erinnerung zu rufen, wie ohne eigenes Zutun, Herr Baader sämtliche seiner Verteidiger losgeworden ist. Hier geht es lediglich um den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des Angeklagten, den Verteidiger seines Vertrauens in einem solchen Prozeß zu haben, dem läßt sich nicht mit der Spekulation begegnen, die hier offensichtlich prozessuale und verfassungsrechtliche Grundrechte suspendieren soll: Er könnte ja einmal wieder!
[279] Vors.:
Gut. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Herr Vorsitzender, ich möchte nur mit einem Satz Stellung nehmen, zu dem Antrag, den der Kollege Heldmann gestellt hat. Angesichts der gestrigen ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich habe es gestern schon angedeutet, daß wir langsam an die Beachtung des § 257[ StPO] denken müssen. Der [§ ]257[ StPO] läßt Erklärungen nach Beginn der Beweisaufnahme, im Anschluß an Beweiserhebungen, zu.[16] Er ist ausdrücklich neu gefaßt.[17] Sie haben die Möglichkeit, im jetzigen Verfahrensstadium, Anträge zu stellen und zwar zunächst den Antrag und dann die Begründung zu geben. Aber wir sind nicht mehr weiter bereit, ständig Erklärungen entgegenzunehmen. Dieses Entgegenkommen ist kein Recht von Ihnen.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Herr Vorsitzender, ...
Vors.:
Wollen Sie einen Antrag stellen?
RA v[on ]P[lottnitz]:
Ich stelle zunächst mal einen Antrag, nämlich ich schließe mich dem Antrag des Kollegen Heldmann an ...
Vors.:
Verteidigen Sie den Herrn Baader.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Für den Herrn Raspe. Im übrigen ist es so, Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Was hat das mit Herrn Raspe zu tun?
RA v[on ]P[lottnitz]:
Herr Vorsitzender, früher war es einmal so, in der guten alten Zeit, wenn ein Verfahrensbeteiligter, hier als der Verteidiger des Herrn Baaders, einen Antrag gestellt hat, dann ergab der Vorsitzende den übrigen Verfahrensbeteiligten, auch wenn es Verteidiger waren, Gelegenheit zur Stellungnahme zu so einem Antrag. Das nannte sich seinerzeit rechtliches Gehör. Ich weiß nicht, ob das völlig abgeschafft ist.
[280] Vors.:
Sind Sie betroffen von dem Antrag?
RA v[on ]P[lottnitz]:
Natürlich bin ich betroffen von dem Antrag, wenn ein Antrag gestellt wird, 10 Tage auszusetzen.
Vors.:
Widerspricht das Ihren Interessen.
RA v[on] P[lottnitz]:
Entschuldigung, es berührt meine Verteidigungsinteressen.
Vors.:
In welcher Form?
RA v[on ]P[lottnitz]:
Weil natürlich die Aussetzung des Verfahrens auf 10 Tage, die Situation von Herrn Raspe in diesem Verfahren berührt.
Vors.:
Es würde sofort dazu[z] führen, daß sie morgen frei hätten.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Daß ich was?
Vors.:
Daß Sie morgen frei hätten, was Sie doch wünschen.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Richtig. Deswegen kann ich aber trotzdem Stellung nehmen, zu dem Antrag. Gerade deswegen. Sie können doch nicht auf der einen Seite sagen, wir sind hier daran gehindert, durch die gesetzliche Situation eine Blockverteidigung zu praktizieren und auf der anderen Seite uns daran hindern, Stellung zu nehmen zu Anträgen von Mitverteidigern.
Vors.:
Ich bin der Auffassung, daß Sie Stellung nehmen können, wenn Sie berechtigten Anlaß haben, irgend etwas gegen einen derartigen Vortrag, wie er eben gehalten worden ist, vorzubringen. Aber es ist keine Stellungnahme, wenn Sie, was ich nicht voraus unterstellen kann, nur irgend etwas Zusätzliches bestätigen wollen, was gesagt worden ist. Also bedarf es dazu doch keines rechtlichen Gehörs.
[281] RA v[on ]P[lottnitz]:
Herr Vorsitzender, dennoch stelle ich jetzt den Antrag für den Herrn Raspe, das Verfahren für 10 Tage auszusetzen, beziehe mich wegen der Begründung auf das was gesagt worden ist von dem Kollegen Heldmann und ergänze die Begründung ...
Vors.:
Hat Herr Raspe einen neuen Verteidiger?
RA v[on ]P[lottnitz]:
Nein.
Vors.:
Warum können Sie sich dann auf die Begründung beziehen?
RA v[on ]P[lottnitz]:
Also Herr Vorsitzender, das müßte doch klar sein, daß ich Herrn Raspe verteidige, daß Herr Raspe keinen neuen Verteidiger hat, das würde man ja hier sehen.
Vors.:
Aber so verhalten Sie sich, als solle er einen neuen bekommen.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Also wollen Sie mir das Wort jetzt entziehen, soweit ich diesen Antrag stelle und begründe?
Vors.:
Ich wollte Ihnen nur auf die Sprünge helfen, daß die Bezugnahme auf die Begründung des Herrn Rechtsanwalt Heldmann Ihnen nichts nützt.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Herr Vorsitzender, auf die Sprünge würde ich mir also von Ihnen gewiß nicht helfen lassen. Ich will wissen, ob ich jetzt diesen Antrag stellen und begründen kann, oder ob der Senat beabsichtigt, mir das zu verbieten.
Vors.:
Bitte begründen Sie.
RA v[on ]P[lottnitz]:
Ich wollte nur, es ist ganz kurz, ich wäre längst fertig gewesen, wenns diese Debatte nicht wieder gegeben hätte. Ich sehe angesichts der bestimmten Äußerungen [282] im gestrigen Sitzungstag die Gefahr, daß diesem Antrag entgegengehalten wird, das was hier die Beschleunigung genannt worden ist. Gestern war einmal von der Beschleunigung im Artikel 6 der Menschenrechtskonvention auch die Rede.[18] Und gestern gabs ja auch die Formulierung, wonach der Prozeßzweck ein zügiges Verfahren im Sinne der Menschenrechtskonvention sei. Diese Formulierung ist von Ihnen gefallen. Dazu nur ein Satz. Prozeßzweck ist natürlich nicht ein zügiges Verfahren, Prozeßzweck eines jeden Strafprozeß ist die Wahrheitsfindung. Und die setzt nun in der Tat eine adäquate Verteidigung voraus. Und unter diesem Gesichtspunkt kann also nicht entgegengehalten werden, die Notwendigkeit der Beschleunigung dieses Verfahrens.
Vors.:
Rechtliches Gehör auch für die Bundesanwaltschaft? Wollen Sie zu dieser Stellungnahme der Begründung auch etwas ausführen.
BA Dr. W[under]:
Ich gebe zu diesen Ausführungen keine Erklärung ab.
Vors.:
Sonstige Erklärungen bzw. Stellungnahmen gewünscht.
Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.
RA Sch[ily]:
Ich halte den Gesichtspunkt, den der Kollege von Plottnitz hier vorgetragen hat, durchaus für sehr beachtlich. Und aus diesem Grunde stelle ich auch den Antrag für Frau Ensslin, auf 10 Tage Aussetzung. Eben gerade aus der Erwägung, daß nicht etwa entgegengehalten wird, ja das Interesse anderer Angeklagten an der zügigen Durchführung des Verfahrens steht dem entgegen. Sicherlich besteht auch ein Interesse an zügiger Durchführung. Das wollen wir gar nicht verkennen. Nur ist die Abwägung, eben was ist wichtiger, eine intakte Verteidigung, oder eben 10 Tage Frist. Und da finde ich ist ja das Rechtsgut einer intakten Verteidigung wesentlicher höherrangig. Im übrigen möchte ich doch einmal darauf aufmerksam machen: Ich weiß nicht, ob das dem Senat eigentlich noch selbst [283] auffällt, daß immer dann, wenn es zum Nachteil der Angeklagten gereicht, dann wird also von der einheitlichen Verteidigung doch noch gesprochen, und wenn es umgekehrt zum Vorteil einmal vielleicht sein könnte, oder zur Wahrnehmung der Rechte, dann wiederum achtet man sehr genau auf die säuberliche Trennung. Vielleicht sollte da doch der Senat versuchen, ein gewisses Gleichgewicht wiederherzustellen. Im übrigen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ich wollte; das zwar nur ein akustischer Fehler vielleicht, mir bei der eintretenden Sitzungspause jetzt ... die Angeklagten können dann in einem Raum zusammen[aa] sich aufhalten?
Vors.:
Wenn Verteidigergespräche geführt werden sollen, allerdings prozeßordnungsgemäß Anwalt zum [bb] einzelnen Mandanten.
RA Sch[ily]:
Aber die Angeklagten untereinander in einem Raum.
Vors.:
Keine Bedenken dagegen. Allerdings ist uns gestern zu Ohren gekommen, daß das dazu benützt wird, daß den Angeklagten aus der Kantine Kaffee, Kuchen usw. geliefert wird.
Frau Rechtsanwältin Becker, Sie haben glaube ich diese Ordonnanzdienste zu leisten gehabt, oder geleistet.
Darf ich das hören.
Soweit ich höre, war Frau Rechtsanwältin Becker beauftragt, das zu besorgen in der Kantine.
RA Sch[ily]:
Wie soll ich den Ausdruck „Ordonnanz“ in diesem Fall verstehen.
Vors.:
Das ist eine Unterstützung, eine Hilfeleistung ...
RA Sch[ily]:
Einer kriminellen Vereinigung.
Vors.:
Ordonnanz ist derjenige der serviert, oder wie Sie das bezeichnen wollen. Der Begriff ist doch in der deutschen Sprache klar.
Nun ich wollte nur gesagt haben, wir sind beileibe nicht [284] ein Gericht, das kein Verständnis hätte, daß Rechtsanwälte ihren Mandanten etwas Gutes zugute kommen lassen wollen, während der Verhandlungspause. Es ist aber leider nicht möglich in dieser Form. Die Verpflegung, die Häftlingen gewährt wird, ist allgemein, bei allen Untersuchungshäftlingen, über die Haftanstalt zu leisten. Sämtliche Pakete was an Verpflegung zusätzlich kommt, läuft über die Haftanstalt. Wir können also diese direkte Verpflegungslinie nicht weiterhin dulden. Und wir müssen natürlich auch die Gefahr einkalkulieren, daß eine solche Handhabung einen Anreiz bieten könnte, dann jeweils, wenn das Bedürfnis nach Kaffeegenuß besteht, eine Pause zu beantragen, und das wollen wir vermieden haben.
RA R[iedel]:
Dazu noch ein Wort.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Riedel.
RA R[iedel]:
Jeder der Verfahrensbeteiligten hier, nutzt natürlich die Pause, um seine Kräfte für einen weiteren Fortgang der Hauptverhandlung nach Möglichkeit wiederherzustellen, zu stärken, nichtwahr.
Es ist einfach unzumutbar für die Gefangenen, die Verhandlungspausen zuzubringen, in dafür vorgesehenen Zellen, die, da wird noch was dazu zu sagen sein, die ohnehin einem Zustand entsprechen, der auch nicht menschenwürdig genannt werden kann. Es ist weiterhin völlig unzumutbar, zu sagen, daß etwa das Bedürfnis, Kaffee zu trinken oder dergleichen, daß dem nicht nachgekommen werden kann. Entweder sorgt das Gericht dafür, seiner Fürsorgepflicht entsprechend, daß auch die Gefangenen, während den Verhandlungspausen die Möglichkeit haben, sich zu stärken oder aber, sind wir als Verteidiger gehalten, das zu tun, was wir eben in dieser Richtung tun können. Und wenn Sie uns da natürlich die Möglichkeiten abschneiden, kann das natürlich auch Folgen haben, die sich in der Hauptverhandlung auswirken. Ganz klar.
[285] Vors.:
Als Erstes[cc] ist zu sagen: Wir haben deswegen ja bislang den Angeklagten Gelegenheit gegeben, sich in den Pausen gemeinschaftlich zu besprechen. Das soll natürlich auch der Entspannung dienen. Daran sind wir durchaus interessiert. Im übrigen, das Gericht selbst beansprucht in den Pausen diese Stärkungen nicht. Im Gegenteil, es hat in den Pausen ständig Arbeit zu verrichten. Ist, wie ich annehme, auch recht angespannt und ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie ausgerechnet uns erzählen wollen, daß es unzumutbar wäre, eine Pause zuzubringen, einfach durch schlichtes Zuwarten oder Sprechen. Sie haben doch die Pause in der Mittagszeit, wo die üblichen Stärkungen eingenommen werden. Aber es hat’s noch in keinem Prozeß, soweit ich’s jedenfalls kenne, bisher gegeben, daß die Pausen dazu benutzt und geradezu das als Rechtszustand erklärt wird, daß man nun hier Kaffee und Kuchen serviert.
Herr Rechtsanwalt, sind Sie am Ende Ihrer Argumentation. Herr Baader will zu diesem Punkt offenbar noch etwas sagen.
RA R[iedel]:
Er wird an anderer Stelle unter Umständen nochmal dazu etwas zu sagen haben.
Vors.:
Überlegen Sie sich die Sache, in welcher Form das geregelt werden kann. Aber so, wie bisher, daß wir also einfach von der Kantine eine direkte Verpflegungslinie in die Zellen schaffen, das geht nicht.
Herr Baader haben Sie ...
Angekl. B[aader]:
So, daß ich einfach reinreite in die plumpe Polemik, die Sie ja wirklich jeden Tag abziehen. Die Tatsache ist einfach die, daß keiner der Gefangenen, die hier sitzt, weniger als 15 kg Untergewicht hat. Das würde ich an Ihrer Stelle einmal bedenken. Darüber sind Sie informiert. Das ist die Situation. Und die Situation ist die, daß auch unser gesundheitlicher Zustand schlecht ist, daß wir ab und zu einmal Kaffee brauchen, weil wir einen sehr schlechten Kreislauf haben. Daß Sie davon anfangen müssen, von Ordonnanz- [286] diensten zu quatschen, wenn ein Anwalt in die Zelle da unten, ein Stück Kuchen mitbringt und eine Tasse Kaffee. Naja, das spricht, das ist ja nur bezeichnend für das was, Sie hier überhaupt machen.
Vors.:
Die Bezeichnung stammt daher, daß Vorbestellungen und dergleichen und Besorgungen gemacht worden sind. Im übrigen selbstverständlich wird das Gericht jeder dieser Maßnahmen zustimmen, sofern der Arzt Ihnen bescheinigt, daß es zu Ihrer Gesunderhaltung und zu Ihrem Durchstehen dieses Prozesses erforderlich ist. Sie können sich also an den Gefängnisarzt wenden, daß er Ihnen eine entsprechende Bescheinigung gibt.
Wir werden jetzt die Pause antreten.
Herr Bubeck, bitte.
Herr Bu[beck]:
Sie werden doch einzeln untergebracht, die Gefangenen?
Vors.:
Nein, wir wollen Ihnen die Gelegenheit geben, daß sie sich zusammen unterhalten können unter Aufsicht.
Und wenn Gespräche durchgeführt werden mit Verteidigern, ohne Aufsicht einzeln in den Zellen. So ist das gedacht. Die Pause dauert jetzt bis dreivierte Elf.
Ende von Band 11
Das Gericht zog sich um 9.40 Uhr zur Beratung zurück.
In der Beratungspause wurde von Rechtsanwalt Heldmann ein handschriftlicher Antrag vom 11.6.1975 übergeben. Dieser ist dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt.
[287-288][19] [289] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.15 Uhr.
Rechtsanwalt Eggler war inzwischen erschienen.
Vors.:
Bitte Platz zu nehmen.
Wir setzen die Sitzung fort. Die Bundesanwaltschaft hat vorhin Vorbehalte gemacht, bezüglich ihrer Stellungnahme.
Wird von dem Vorbehalt Gebrauch gemacht ... Ergänzung abgeben. Bitte.
StA H[olland]:
Die Ergänzung lautet:
1. Zum Antrag des Rechtsanwalts Heldmann auf Aussetzung der Hauptverhandlung wiederholt die Bundesanwaltschaft ihren Antrag auf Ablehnung.
2. Die Anträge der Rechtsanwälte v[on ]P[lottnitz] und Sch[ily] sind unzulässig.
Zu 1.): Der Angeklagte Baader hat keinen Anspruch auf Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Vorbereitung der Verteidigung des Rechtsanwalts Heldmann. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 145 Abs. 3[ StPO][20], noch aus § 228 Abs. 2[ StPO[21]], noch aus § 265 Abs. 4 der Strafprozeßordnung[22]. Der Angeklagte Baader ist durch die beiden bestellten Pflichtverteidiger RAe. Schnabel und Schwarz ausreichend verteidigt. Der Vorsitzende des erkennenden Gerichts hat in der gestrigen Hauptverhandlung zur Begründung der Entscheidung über die beantragte Entpflichtung der 8 Pflichtverteidiger ausführlich dargelegt, daß der Angeklagte Baader vor der Hauptverhandlung ausreichend Zeit hatte, schon vor und auch nach dem Ausschluß seiner früheren Wahlverteidiger sowie nach dem Untertauchen und der Flucht des Pflichtverteidigers seiner Wahl, weitere Rechtsanwälte seiner Wahl zu beauftragen.[23] Bereits mit Verfügung vom 3. Februar 1965, 1975 Entschuldigung, hat der Vorsitzende den Angeklagten Baader auf die Gefahr hingewiesen, daß seine Wahlverteidiger ausgeschlossen werden könnten.[24] Das mußte für den Angeklagten deshalb ein deutlicher Hinweis sein, weil er ja am besten beurteilen konnte, in wieweit sich diese, seine früheren Verteidiger, durch Unter- [290] stützung der kriminellen Tätigkeit der Bande ausschlußwürdig verhalten haben. Es stellt deshalb eine Verdrehung der Tatsachen[dd] dar, wenn behauptet wird, der Angeklagte Baader habe den Ausschluß seiner Wahlverteidiger nicht einmal mitverursacht. Das Gegenteil ist der Fall. Er hat ihn sogar mit-verschuldet. Spätestens nach dem vorläufigen Ausschluß des Rechtsanwalts Dr. Croissant am 12. März 1975 hätte der Angeklagte Baader den Hinweis des Vorsitzenden ernst nehmen müssen. Statt dessen hat er auch nach[ee] dem endgültigen Ausschluß des RA. Dr. Croissant am 22. April 1975 und des Rechtsanwalts Groenewold am 2. Mai 1975 nicht in der gebotenen Weise reagiert. Er hat sich vielmehr nach Absprache mit dem Mitangeklagten Raspe darauf beschränkt, am 4. April 1975 Rechtsanwalt Ströbele zu seinem Verteidiger zu bestellen, obwohl er gewußt hat, daß gegen diesen Rechtsanwalt dieselben Ausschlußgründe wie[ff] gegen die bereits erwähnten RAe. vorlagen. Auch durch das spätestens am 14. Mai 1975 bekanntgewordene Untertauchen des steckbrieflich gesuchten RA Haag hat sich der Angeklagte nicht veranlaßt gesehen, sich nach einem neuen Wahlverteidiger seines Vertrauens umzusehen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Angeklagte Baader die Tatsachen auf den Kopf stellt, wenn er behauptet, RA. Haag sei durch die Bundesanwaltschaft kriminalisiert und zum Untertauchen gezwungen worden. Frivoler geht es wohl kaum mehr. Auch nach der Verhaftung des Rechtsanwalts Haag hat der Angeklagte Baader bis zur Hauptverhandlung am 5. Juni 1975 sich jedenfalls nicht ernsthaft um einen neuen Verteidiger bemüht. Offenbar ist es die Maxime dieses Angeklagten, als angeblich nichtverteidigter Angeklagter aufzutreten, um jetzt auch dieses Verfahren mit allen Mitteln zu verzögern, wenn nicht gar unmöglich zu machen. Es kann deshalb keine Rede davon sein, der Angeklagte habe seinen Anspruch auf einen Verteidiger seines Vertrauens verwirkt. Vielmehr nimmt [gg] die verspätete Wahl eines neuen Verteidigers ihm[hh] lediglich das Recht, deshalb jetzt eine Hauptunterbrechung der Hauptverhandlung zu erzwingen. Aus den von Rechtsanwalt Heldmann herangezogenen Entscheidungen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Diese Ent- [291] scheidungen haben vielmehr immer nur den Fall im Auge, daß der einzige Verteidiger eines Angeklagten ausgefallen ist, oder daß ein noch vorhandener Verteidiger behauptet, auf Grund vorheriger Absprache werde die Verteidigung arbeitsteilig geführt. Zu 2.): Die Anträge der Rechtsanwälte von Plottnitz und Schily sind unzulässig, weil die behauptete nicht ausreichende Verteidigung des Angeklagten Baader die Interessen der Mandanten dieser Rechtsanwälte nicht berührt. Dankeschön.
Vors.:
Ich danke auch. Die Herren Verteidiger des Vertrauens haben die Möglichkeit zu erwidern. Bitte sehr. Bitte das Mikrophon für Herrn Rechtsanwalt Heldmann (RA H.)
RA H[eldmann]:
Dankeschön.
Die Tatsachendarstellung, die der Herr Bundesanwalt gegeben hat, geht ja wohl an den tatsächlichen Gegebenheiten ganz entschieden vorbei. Mag sein, daß das Verschwinden des Kollegen Haag am 14. 5. noch immer durch einen dubiosen Haftbefehl des Bundesgerichtshofs bedroht worden ist, am 14. 5. stattgefunden haben mag. Jedoch hat Herr Baader das ja nicht am 14. 5. erfahren, sondern Herr Baader hat es einen Tag vor der Verhandlung, als er nämlich endlich die Möglichkeit hatte, damals verteidigerlos, mit einem Anwalt aus der Reihe der Vertrauensanwälte zu sprechen. Da hat er es erfahren. Baader war, seitdem sein letzter Wahlverteidiger aus der Verteidigung herausgeschossen war, ohne Verteidiger, aber, und darauf kommt es hier an und das haben sie unberücksichtigt gelassen, ohne Kommunikation nach außen. Wie eigentlich hätte er sich einen neuen Wahlverteidiger suchen und bestellen sollen. Das heißt also, Baader hatte keine andere faktische Möglichkeit, als er sie genutzt hat, sobald sie ihm gegeben war, nämlich nach seiner Besprechung mit dem[ii] Kollegen Schily, den neuen Wahlverteidiger zu finden und den neuen Wahlverteidiger zu sich zu bitten, um danach zu entscheiden, ob diese neue Verteidigerwahl möglich ist. Infolgedessen trifft das, was die Bundesanwaltschaft erwidert hat, den Tatsachengehalt gerade nicht.
[292] Vors.:
Weitere Erklärungen bitte.
Ich sehe nicht. Wir haben hier noch einige neue Gesichtspunkte bekommen, auch aus der Erwiderung. Wir müssen ganz kurz uns nochmals zurückziehen, unsere Entscheidung beraten. Es wird voraussichtlich nicht sehr lange dauern, die Angeklagten können deshalb im Saale verbleiben.
- Das Gericht zog sich um 11.25 Uhr erneut zur Beratung zurück.
Nach Wiedereintritt um 11.30 Uhr wurde folgendes verkündet: -
Vors.:
Der Senat hat folgendes beschlossen:
Die Anträge, die Verhandlung auf 10 Tage zu unterbrechen, werden abgelehnt.
Der Senat verkennt nicht, daß die vorgetragene Argumentation eindrucksvoll klingt. Sie geht aber an der Sache vorbei. Es geht hier überhaupt nicht um das Recht auf den Anwalt des Vertrauens bzw. um die Verkürzung dieses Rechtes, denn dieses Recht wird weder vom Senat noch sonst irgendwo bestritten und in keiner Weise angezweifelt. Dieses Recht ist auch Herrn Baader nicht streitig gemacht worden. Es ist aber selbstverständlich, daß sich dieses Recht auf den Anwalt des Vertrauens nur auf solche Anwälte beziehen kann, die nach der geltenden Rechtsordnung imstande sind, in einem Verfahren auch aufzutreten. Der Senat hat die Ausschlußgesetze nicht erlassen. Sie sind Hinderungsgründe. Das muß der Senat als geltendes Recht hinnehmen. Der Senat konnte und kann auch Herrn Baader, und nur darum geht es, nicht zwingen, sich rechtzeitig nach einem in seinen Augen geeigneten Anwalt umzusehen, als es sich nämlich schon früh abzeichnete, daß das Verbleiben seiner bisherigen Verteidiger Dr. Croissant und Groenewold nicht mehr gesichert war. Es muß wiederholt werden, was gestern gesagt worden ist, was eben auch in der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft ausgeführt wurde, daß bereits die Verfügung vom 3. Februar 1975 diese Möglichkeit sehr deutlich ankündigte. Es ist damals nicht nur gesagt worden, daß die Verteidiger von Herrn Baader, Dr. Croissant und Groenewold, von Ausschlußvorschriften [293] betroffen werden könnten, sondern auch schon auf Rechtsanwalt Ströbele hingewiesen worden, der damals Herrn Baader noch nicht verteidigt hat. Herr Dr. Croissant wurde schon am 12. März dieses Jahres vorläufig und am 22. April endgültig ausgeschlossen. Schon ab diesem Zeitpunkt hatte Herr Baader sich auf die Notwendigkeit, nach Ersatz umzuschauen, besinnen können. Wie gesagt, es ist eine Möglichkeit für ihn, auf die das Gericht nicht den geringsten Einfluß hat. Er konnte sich auf den Standpunkt zunächst stellen, ich kann abwarten was nun hinsichtlich der übrigen Anwälte, die schon in der Verfügung benannt worden waren, geschieht. Das mußte er selbst verantworten.
Angekl. B[aader]:
Das ist doch falsch.
Wozu denn, es war doch noch Haag da.
Vors.:
Das mußte er selbst verantworten, er ist in dieser Beziehung seinen eigenen Entschlüssen gefolgt. Das hat nicht der Senat in der Hand. Dringlich war es auf jeden Fall, sich mit diesen Gedanken, ob Ersatz notwendig sein würde, zu befassen, denn es stand schon seit dem 4. Februar fest, daß der Termin dieses Prozesses am, (verbessert sich) der Beginn dieses Prozesses am 21. Mai sein sollte. Es folgte dann die Entscheidung bezüglich Herrn RA. Groenwold. Er wurde am 27.3. vorläufig und am 2. Mai endgültig ausgeschlossen, und auch von diesen Zeitpunkten an gerechnet wären noch weit mehr als die jetzt beantragten 10 Tage verblieben, [jj] um Vorkehrungen zu Besprechungen mit einem oder neuen, mehreren neuen, Verteidigern zu treffen. Wir haben nach jeder dieser Maßnahmen den Angeklagten gemeinsame Besprechungen bewilligt. Ausdrücklich mit dem Ziel, daß sie sich darüber unterhalten können, welche Folgerungen zu ziehen seien aus den Ausschließungsverfahren. RA. Ströbele meldete sich mit Schreiben vom 4. April dieses Jahres, eingegangen am 12. April, als Verteidiger von Herrn Baader. Zu diesem Zeitpunkt lag schon der auch Herrn Baader zugestellte Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 20.1.1975 vor, in dem gesagt wurde, verschiedene Umstände sprächen deutlich dafür, daß sich RA. Ströbele, [294] Zitat: „in die die kriminelle Vereinigung als Mitglied eingefügt hat“. Es handelte sich immerhin um den 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, der hier seine Meinung geäußert hat, die in all diesen Verfahren, mit denen wir es hier zu tun haben, von besonderer Bedeutung ist.[25] Dieser Beschluß, der Inhalt dieses Beschlusses, der Hinweis auf den Verdacht der Mitgliedschaft in Verbindung mit dem Hinweis der durch die Verfügung vom 3.2. gegeben war, hätte, was nun die Bestellung des Herrn RA. Ströbele als Verteidiger von Herrn Baader anlangte, doch zu früheren Vorkehrungen Anlaß geben sollen. Aber wie gesagt, das ist keine Beurteilung, die der Senat zu treffen hat. Er sagt nichts „müssen“, denn das ist die freie Entscheidung Herrn Baaders. Im übrigen ist auf diesen Beschluß des Bundesgerichtshofs in einem weiteren Schreiben vom 11. März an Herrn RA. v[on ]P[lottnitz] ausdrücklich hingewiesen worden, das sei am Rande vermerkt. Wir haben natürlich keinen Hinweis darauf, ob Herr RA. v[on ]P[lottnitz] diesen Hinweis dann an Herrn Baader weitergegeben hat. Er war ja damals nicht Verteidiger von Herrn Baader und ist es auch heute nicht. Aber er verteidigt Herrn Raspe und soweit die Angeklagten hier die Möglichkeit haben, sich über Verteidigerfragen zu beraten, wäre auch die Gelegenheit gegeben gewesen, unter Umständen, daß Herr Baader diesen zusätzlichen Hinweis [kk] über Herrn Raspe bekommen hätte. Insgesamt jedenfalls war es unschwer abzusehen, daß RA. Ströbele schließlich doch noch von einem Ausschlußverfahren betroffen werden konnte. Tatsächlich ist dann der Antrag ... (Darf ich die Herren Verteidiger bitten. Wir pflegen uns ja auch nicht, wenn sie ihre Anträge begründen, hier am Richtertisch zu unterhalten. Ich wäre ihnen dankbar, wenn sie dieselbe Form einhielten.) Tatsächlich ist der Antrag gegen Herrn RA. Ströbele am 16.4. eingegangen. Der Ausschluß ist am 13.5.1975 erfolgt und in diesem Zeitpunkt war auch der letzte der gewählten[ll] Verteidiger Herr Rechtsanwalt Haag, schon untergetaucht. [295] Nach dem Vortrag von Frau RA’in B[ecker] ist das Schreiben, mit der er, mit der RA. Haag sein Verschwinden erklärte, im Büro am 10.5. eingegangen.
RA’in B[ecker]:
Das war ein Irrtum, das war ein Lesefehler von Herrn v[on ]P[lottnitz] am 1. Tag. Das Büro, (verbessert sich) das Schreiben ist am 13. bei uns im Büro eingegangen.
Vors.:
Gut, am 13. ... Wir haben eben gesagt, am 13.5.1975 sei der Ausschluß erfolgt. Das deckt sich dann also mit dem Tag dieses Schreibens. Das Schreiben allerdings ist mit [mm] dem Datum, soviel wir gesehen haben, 10. Mai versehen, oder abgestempelt. Wir können das im einzelnen noch überprüfen. Jedenfalls, der Senat hat keinen Grund zu zweifeln, daß Herrn Baader, dessen Kommunikation in dieser Richtung nicht beschränkt ist, insbesondere nicht im Hinblick darauf, daß er ein Radiogerät ...
Angekl. B[aader]:
Das ist hier nicht auszuhalten, diese Scheiße, verdammt noch mal.
Vors.:
Herr Baader ...
Angekl. B[aader]:
(unverständlich)
Vors.:
Herr Baader, nehmen Sie, Herr Baader nehmen Sie bitte Platz. Hören Sie. Herr Baader, im Augenblick haben Sie nicht das Wort. Jetzt im Augenblick begründe ich das. Sie haben nachher Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Auch, wenn Sie wünschen, in dieser derben Form. Das stört in gar keiner Weise, aber im Augenblick können Sie es nicht tun. Jetzt hören Sie noch zu Ende zu, was zu sagen ist.
Der Senat hat keinen Zweifel, insbesondere auch im Hinblick darauf, daß Herr Baader zu diesem Zeitpunkt über ein Radiogerät verfügte, daß er das Untertauchen von Herrn RA. Haag früher erfahren hat, als soeben hier gesagt worden ist, nämlich erst angeblich am 20.5. Mit der Kenntnis dessen, daß [296] sämtliche Verteidiger des Vertrauens für Herrn Baader nicht mehr greifbar waren, war klar, daß höchste Eisenbahn geboten war, um Vorkehrungen zu treffen. Es ist aber seither schon wieder nahezu ein Monat verstrichen. Betrachtet man diesen Zeitablauf, so wird klar, daß Herr Baader nicht gehindert war, frühzeitiger nach einem Verteidiger seines Vertrauens umzusehen, als das jetzt geschehen ist, daß weit mehr Zeit, als die jetzt beantragten 10 Tage verblieben wären, wenn er rechtzeitig Vorkehrungen getroffen hätte, und es ist nicht richtig, wenn hier gesagt wird, Herr Baader habe, bevor er nicht mit Herrn Rechtsanwalt Schily Rücksprache nehmen konnte[nn], keine Gelegenheit gehabt, sich nach einem Anwalt umzusehen. Er hatte weder Schreib- noch Besuchsverbot, das heißt, er konnte jederzeit geeignete Anwälte, die ihm geeignet erschienen, von sich aus anschreiben. Wir sind selbstverständlich nicht imstande zu erkennen, welche Vorschläge etwa das Gericht Herrn Baader hatte machen sollen. Er hat sich an mich mit der Bitte gewandt, ihm Vorschläge zu machen, wie er nach[oo] einem Verteidiger sich umsehen könnte. Ich habe ihm damals schon gesagt, der richtige Weg ist, daß er Leute, Anwälte, die er für vertrauenswürdig, von seiner Sicht, hält, am besten anschreiben und um Besuche bitten solle. Diese Auffassung, die der Senat hier vertritt hat[pp], das hat die Bundesanwaltschaft hier soeben zu Recht betont, überhaupt nichts gemein mit dem Begriff der Verwirkung. Dieser Begriff ist auch vom[qq] Senat zu keiner Zeit verwendet worden. Wir wissen nicht, wer mit diesem Begriff operiert haben soll.
Im übrigen aber hat das Gericht auch nach der Rechtsprechung, die hier zitiert worden ist, nur dann die Pflicht zu vertagen, wenn dies erforderlich ist, um eine geordnete Verteidigung zu gewährleisten. Der Senat hat schon wiederholt, besonders erst gestern, betont, daß hier die geordnete Verteidigung gewährleistet ist. Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung [rr], die hier vom Bundesverfassungsgericht zitiert worden ist. In dieser [297] Rechtsprechung ist anerkannt, daß der Angeklagte in der Regel den Anspruch auf den Verteidiger des Vertrauens hat, aber eben, so Bundesverfassungsgericht 9 Seite 36, eben nur in der Regel, nicht aber unter allen Umständen[26]. Und auch das ist gestern schon gesagt worden, denn wäre das anders, so wäre damit der Hebel gegeben, mit dem sich mit dem Grundsatz des Verteidigers des Vertrauens jedes Verfahren aus den Angeln heben ließe. Es bleibt bei Umständen, wie sie hier gegeben sind, nichts anderes übrig, als daß sich der Verteidiger im Laufe des weiteren Verfahrens in das Notwendige einarbeitet, was den bisherigen Gang der Hauptverhandlung anlangt. Wir sind selbstverständlich gerne bereit, dem Verteidiger ein volles Exemplar des bisherigen Protokolls zukommen zu lassen. Bei den Angeklagten Ensslin und Raspe sind keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Vertagung gegeben. Insoweit bedurfte es keines großen Eingehens. In der Tat sind diese Anträge aus den Gründen, die die Bundesanwaltschaft geltend gemacht hat, unzulässig. Das war die Begründung dieser Entscheidung. Herr Baader, Sie wollten sich ... Ich darf Sie aber nochmals darauf hinweisen, daß die Vorschrift des § 257[ StPO] an sich nur Anträge und Begründungen im jetzigen Verfahrensstadium kennt. Betrachten Sie es also als Entgegenkommen, wenn Sie eine Erklärung abgeben.
Angekl. B[aader]:
Dann werden Sie aber vermutlich wieder das Mikrophon ausdrehen lassen. Na ja, wenn Sie schon nicht Herr des Verfahrens sind, Herr der Mikrophone sind Sie jedenfalls. Das ist uns schon klar. Also zunächst mal, ich würde sagen, an der Tatsachendarstellung, die Sie hier gebracht haben, ist wirklich nichts richtig. Das ist das unglaublich Verwirrende, daß überhaupt nichts daran stimmt. Also daß wir überhaupt den ganzen Ablauf nicht erkennen können. Zunächst mal hatte ich keinerlei Möglichkeit, zwischen dem Ausschluß von Ströbele und dem Tag unmittelbar vor der Hauptverhandlung, irgendeine Art von Kontakt aufzunehmen, mit irgendeinem Verteidiger. Die Möglichkeit [298] bestand nicht. Ich habe das versucht, ich habe deswegen noch mit Ihnen telefoniert, und ich hatte auch absolut keine Vorstellung, wie ich einen Verteidiger finden sollte, ohne mit den Verteidigern, die schon im Zusammenhang, also in diesem Verfahren drin sind, zu sprechen, weil ich darüber einfach nicht informiert bin. Ich kann ja nicht einen beliebigen Anwalt nur aus der Rechtsanwaltsordnung raussuchen, der mich dann gar nicht verteidigen will. Das war eine Bedingung. Und Sie, Sie stellen das einfach, wie Sie die zeitlichen Abläufe durcheinanderbringen, das heißt, wie Sie, wie Sie das darstellen, es ist einfach konkret falsch, es gab keine Möglichkeit. Es sind nacheinander alle drei, also die drei Wahlverteidiger, ausgeschlossen worden und zwar, wie Buback[27] gesagt hat, es gibt da ein Zitat: „Zum taktisch günstigsten Zeitpunkt“.
Vors.:
Entschuldigung, was ist mit den Mikrophonen los. Das ist schlecht verständlich, kann man das besser ... Herr Baader, Sie müssen den gleichen Abstand möglichst einhalten, sonst gibt es Schwierigkeiten.
Angekl. B[aader]:
Ja. Wie Buback gesagt hat, sind sie zum taktisch günstigsten Zeitpunkt ausgeschlossen worden, die Verteidiger, und dafür können Sie mich aber kaum verantwortlich machen. Der taktisch günstigste Zeitpunkt sollte mit Sicherheit bedeuten, oder bedeutete in diesem Zusammenhang, unmittelbar vor der Hauptverhandlung, um die Vorbereitung auf dieses Verfahren, das 2 Jahre dauern soll, und die drei Jahre in Anspruch genommen hat, oder wie es sich über 3 Jahre erstrecken konnte, zu[ss] zerschlagen, das sind die Tatsachen. Und wenn also die Bundesanwaltschaft jetzt feststellt, daß die Anträge, für die sie die Dispositionen[tt] erst geschaffen hat, im Verlauf dieses Verfahrens, bis hin zur Gesetzgebung, gleich als Gerichtsentscheidung zu verstehen sind. Na ja dann drückt sich daran[uu] eigentlich auch nur der eigentliche Entscheidungsablauf aus. Denn es ist doch immerhin, es ist doch immerhin eine Tatsache, daß ich nicht annehmen konnte, oder ich konnte es vielleicht annehmen, weil das grundsätzlich so ist in diesem Verfahren, daß die Bundesanwaltschaft entscheidet, bevor überhaupt noch [299] Gerichtsbeschlüsse das[vv] sozusagen propagandistisch absichern. Aber ich konnte doch nicht annehmen, daß die absurden Anträge von den Anwaltsausschlüssen mit dem zusammengeramschten Material, das wirklich, also das wirklich keiner Überprüfung standhält, was ohne weiteres, wenn sich die Gelegenheit ergibt, für uns ganz leicht auseinanderzupflücken ist. Bei den Ausschließungsgründen, die Croissant betreffen, würde mit Sicherheit, also, die da genannt worden sind, würde mit Sicherheit nur ein einziger übrigbleiben, nämlich das Spiegel-Interview und der ist ja soviel, soviel man weiß, auch umstritten. Also jedenfalls konnte ich nicht annehmen, daß dieser [ww] hatte ich zunächst nicht davon auszugehen, daß die Anträge der Bundesanwaltschaft Erfolg haben würden. Sie verlangen aber von mir, daß ich sozusagen in dem Moment, in dem die Bundesanwaltschaft den Antrag stellt, [xx] die Verteidiger auszuschließen, [yy] ich schon nach dem Nächsten umsehe. Das ist natürlich, (verbessert sich) das ist bei der, das ist bei der, bei den Schwierigkeiten überhaupt einen Verteidiger zu finden der in diesem Vert... Verfahren verteidigen kann und will und der die Verfolgungen, die an diesem Verfahren hängen, bereit ist, auf sich zu nehmen, ist das vollkommen unmöglich. Sie müssen, na ja geschenkt.
Vors.:
Herr Baader, wir hatten bereits über dieses Telefongespräch gesprochen, darauf brauchen wir jetzt nicht mehr einzugehen.
Bloß eines ist ...
Angekl. B[aader]:
Moment ...
Vors.:
Nein, nein, Herr Baader, bitte, das Mikrophon ist abgestellt. Herr Baader, man hört Sie nicht. Es hat keinen Wert im Augenblick. Sie haben die Ausschlüsse von Herrn Croissant und Herrn Groenewold im vorläufigen Stadium bereits im Marz dieses Jahres erlebt. Die weiteren Maßnahmen sind im April und Anfang Mai erfolgt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre die Möglichkeit gewesen. Wir werfen es Ihnen nicht vor, es ist ja Ihre Sache gewesen, sich mit Herrn, mit [300] Herrn ... Herr Baader, Herr Baader, Sie machen eine schlechte Figur, wenn Sie sich ständig so ungeordnet benehmen. Das fällt auf Sie zurück, auf sonst niemanden.
Angekl. B[aader]:
Fällt dem Vors. mehrmals ins Wort. Text unverständlich.
Vors.:
Ich drehe Ihnen keinen Strom ab, sondern ich verhindere, daß Sie mich ständig unterbrechen. Sie hatten also die Möglichkeit, spätestens in diesem Zeitpunkt mit den noch vorhandenen Anwälten, Herrn RA. Ströbele und Haag, den Versuch zu unternehmen, für den Fall, daß auch Herrn Rechtsanwalt Ströbele noch irgend etwas geschehen sollte, dann einzugreifen. Bitte.
Angekl. B[aader]:
Aber das ist doch wichtig. Sie sagen also grundsätzlich, wenn man, wenn hier ein Mandatsverhältnis zustande kommt, dann ist eine wesentliche Funktion dieses Mandatsverhältnisses, dafür Vorsorge zu tragen, falls es von der Bundesanwaltschaft zerschlagen wird, daß dann gewissermaßen wieder weitere Mandatsverhältnisse sich schon in Vorbereitung befinden, die dann die Bundesanwaltschaft natürlich wieder zerschlagen kann. Das ist doch vollkommen absurd, was sie hier bringen.
Vors.:
Gut, Herr Baader, wir können uns über diesen Punkt nicht verständigen.
Angekl. B[aader]:
Die Tatsache ist, daß ein Verteidiger nach dem anderen ausgeschossen worden ist. Und wir können ja also sagen, jetzt, als die, als die Ausschlüsse von Verteidigern angefangen haben, da ..., ich verstehe das Ganze nicht. Das Ganze ist keine rationale Argumentation.
Vors.:
Gut, es wird nicht mehr viel Sinn haben, daß wir vor der Mittagspause noch ... Herr Rechtsanwalt Heldmann, bitte sehr.
RA H[eldmann]:
Ich habe Sie nicht unterbrechen wollen.
[301] Vors.:
Nein, ich wollte jetzt gerade sagen, wir werden vor der Mittagspause doch zu nichts Entscheidendem mehr kommen können. Ich wollte jetzt in die Mittagspause eintreten, aber wenn Sie noch irgend etwas ausführen oder Anträge stellen wollen, bitte.
RA H[eldmann]:
Ich möchte Sie bitten, mir den vollen Wortlaut Ihres hier verkündeten und begründeten Beschlusses möglichst, schnellst möglichst, zu geben, weil ich beabsichtige, beim Bundesverfassungsgericht anzufragen, ob eine derart absolute Mißachtung von Verteidigerrechten mit dem Restbestand unserer Verfassung vereinbar sei.
Vors.:
Das heißt, Sie wollen eine Verfassungsbeschwerde[28] einlegen.
RA H[eldmann]:
So ist es.
Vors.:
So ist es einfacher formuliert.
RA H[eldmann]:
Gegen diesen Beschluß, ja.
Vors.:
Das steht Ihnen zu.
RA H[eldmann]:
2. Möchte ich noch vor dem Eintritt in die Mittagspause beantragen, die Nachmittagssitzung ausfallen zu lassen, damit ich mit Herrn Baader Gelegenheit habe, zu besprechen, ob ich unter derartigen Umständen überhaupt noch, oder nennen wir es deutlicher, bei solchen Unzumutbarkeiten gegenüber der Verteidigung, überhaupt in der Lage sein werde, ihn hier noch weiter als Verteidiger zu begleiten.
3. Erscheint[zz] mir sehr wesentlich, daß in jedem Falle, und das ist[aaa] meine Bitte an den Senat, meine Bitte an die Bundesanwaltschaft, alsbald Anklageschrift, alsbald Anklageschrift mit Anlagen sowie Eröffnungsbeschluß und bisherige Verhandlungsprotokolle zur Verfügung gestellt werden. Und
4. schließlich erscheint mir eines unerträglich, nämlich, daß die Angeklagten hier gefesselt herein- und herausgeführt werden. Ich beantrage [302] bei Ihnen, daß die Fesselung der Angeklagten unterbleibt.
Es verletzt die Würde des Gerichts, wenn dieses Gericht Prozeßparteien gefesselt, wie wilde Tiere, öffentlich hier dem Publikum vorführen läßt.
Es verletzt, darüber bedarf es kaum noch einer Erörterung, die Menschenwürde dieser bisher unverurteilten und damit verfassungsrechtlich als unschuldig geltenden Personen. Was hier geschieht, Angeklagte in einem Prozeß, der ohnehin in einer Festung stattfindet, gefesselt herein- und herauszuführen, unterschreitet bei weitem den internationalen Minimumstandard für die Behandlung von Angeklagten. Und wenn Ihnen vielleicht das zu denken geben könnte, als ich für Amnesty International in Persien bei Verfahren war, die für ihre brutale Rechts- und Menschenverachtung in der ganzen Welt berüchtigt sind, habe ich eines jedenfalls nicht gesehen, daß die dort angeklagten Gefangenen gefesselt gewesen wären, gefesselt vor den Augen der Öffentlichkeit, gefesselt innerhalb des Gerichtsgebäudes, sondern ich habe gesehen, daß sie ungefesselt und frei sich bewegen konnten im Militärtribunal in Teheran. Und habe gesehen, daß sie miteinander und mit ihren Anwälten ohne Aufsicht haben in Verhandlungspausen korrespondieren, kommunizieren können. Ich bitte doch das Gericht, das noch einmal zu überdenken und insbesondere vielleicht der Erwägung stattzugeben, daß nicht nur die Würde des Gerichts hier auf dem Spiel steht, durch einen solchen Brutalismus, nicht nur die Menschenwürde dieser Angeklagten, sondern auch der internationale Minimumstandard durch ein deutsches Obergericht hier öffentlich vor der internationalen Öffentlichkeit brutal unterschritten wird.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, mir hat kürzlich eine Formulierung Eindruck gemacht, die Herr RA. Sch[ily] gebraucht hat. Sie lautete: Die Bundesanwaltschaft habe sich mit ihrer Argumentation sehr hoch angesiedelt. Das gilt in diesem Fall sehr für Sie. Die Auffassung des Gerichts war, daß die Angeklagten im Saale nicht zu fesseln seien. Es ist selbstverständlich, daß [303] bei den Vorführungen die Möglichkeit zu schließen, Handschließe das heißt, das ist keine Fesselung, das ist die Handschließe, das ist die einfachste Handhabung, möglich ist. Wir sind davon ausgegangen, daß das vor dem Betreten des Gerichtssaals gelöst wird. Wir werden dieser Frage nachgehen, wie sich das machen läßt. Daß wir hier uns in irgendeiner Form in der Würde des Gerichts, von der sie sprechen, diesen Begriff haben wir noch nie gebraucht, hier verletzt fühlen könnten durch die bisherige Handhabung der Vorführung, das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Aber wir werden Ihrer Bitte entsprechen, das nochmals mit den Vorführbeamten absprechen. Damit treten wir ... Augenblick, wir müssen ja noch ganz kurz über Ihren Antrag, heute mittag nicht weiter zu verhandeln, damit Sie besprechen können, uns hier unterhalten.
BA Dr. W[under]:
Herr Vorsitzender, die Bundesanwaltschaft möchte gelegentlich auch Stellung nehmen.
Vors.:
Verzeihen Sie bitte, das ist untergegangen.
BA Dr. W[under]:
Dem Vertagungsantrag des Herrn RA. H[eldmann] widerspreche ich. Die Sache ist entschieden. Falls Herrn RA. H[eldmann] mit einer gewissen Verkürzung der Hauptverhandlung am Nachmittag entgegengekommen werden kann, so werden wir dagegen keine Bedenken geltend machen. Wegen der erbetenen Aktenstücke muß ich seine Bitte leider verneinen. Ich muß ihn an die Herrn ausgeschlossenen Kollegen verweisen, die die[bbb] ganzen Aktenstücke im Besitz haben, auch die Sonderordner, die nicht mehr vorhanden sind. Zur Frage der Fesselung: Ich möchte hier dem Senat nicht vorgreifen und ihm durchaus den Spielraum gewähren lassen, der offenbar besteht. Aber aus Sicherheitsgründen ist die Fesselung bis zum Betreten des Gerichtssaales erforderlich.
RA Sch[ily]:
Herr[ccc] BA. Dr. W[under] Sie wollen Herrn Kollegen Heldmann, der übrigens nicht Feldmann, sondern Heldmann, vielleicht ist das[ddd] mal ganz [304] wichtig auch fürs Protokoll ...
Vors.:
Herr RA Sch[ily] darf ich jetzt dazwischenrein nochmal feststellen, daß § 257[ StPO] Ihnen doch nicht zu jeder Zeit die Gelegenheit gibt, das Wort zu ergreifen. Zumindest müßten Sie die Höflichkeit besitzen, sich zu melden ...
RA Sch[ily]:
... durch meine Gestik einigermaßen deutlich geworden. Ich hatte nur die Bitte, ob ich das akustisch richtig verstanden habe, ob Herr BA. Dr. W[under] Herrn Kollegen H[eldmann] auch eine Anklageschrift verweigern will.
BA Dr. W[under]:
Herr RA. Sch[ily], wir haben keine Überstücke mehr. Das heißt nicht, daß sie ihm verweigert wird. Jedenfalls die Bundesanwaltschaft kann sie ihm nicht zur Verfügung stellen. Ich bin im übrigen auf die[eee] weitere Bitte, die mit Sicherheit kommen wird, auf die Zurverfügungstellung der Sonderordner, bereits eingegangen. Hier sind auch keine Exemplare mehr vorhanden, und da gibt es eben leider keinen anderen Weg, als Herrn RA. H[eldmann] jetzt schon an die übrigen Kollegen zu verweisen, und ich glaube sicher, die werden ihm hier unter die Arme greifen.
Vors.:
Herr RA. H[eldmann] bitte. Darf ich Ihnen vielleicht, damit es abgekürzt[fff] wird, sagen, ich werde selbstverständlich beim Gericht nachsehen, ob sich noch übrige Stücke dort befinden. Wird es der Fall sein, bekommen Sie Ihr Exemplar der Anklage möglichst rasch.
RA H[eldmann]:
Schönen Dank. Nur liegt ja offen, daß ich gegen die ausgeschlossenen Kollegen keinen Anspruch habe, daß sie mir ihre Erinnerungen an diese Erlebnisse hier nun übereignen. Das habe ich sicher nicht. Folglich, könnte ich die begehrten Aktenstücke nicht bekommen, wäre mein nächster Antrag ganz folgerichtig, Antrag auf Akteneinsicht.
Vors.:
Sicherlich, nur meinen wir, da ja die Kollegen, die hier nicht [305] mehr tätig sein können, auch das Interesse haben müssen, daß ihre früheren Mandanten wirksam verteidigt werden, daß sie keinen Grund haben würden, Ihnen zu verweigern, wenn Sie mit der Bitte kämen, die Akten zu erhalten. Es handelt sich um komplette Aktensätze mit etwa 150 bis [ggg] wir haben es nie gezählt, 160 Leitz-Ordnern. Das läßt sich nicht so schnell nachholen. Da müßten dann die Kollegen doch wohl auf Ihre Bitte hin, so stelle ich mir das vor, einspringen.
RA H[eldmann]:
Herr V., Sie übersehen, daß diese Ausschließungsbeschlüsse ja noch nicht rechtskräftig[29] sind.
Vors.:
In einem Fall zumindest.
RA H[eldmann]:
Hinsichtlich des Angeklagten Baader für Herr Croissant, ja. Aber hinsichtlich der anderen. Dieses sumerische Verfahren des 1. Senats mit seinem Beschluß vom 3.6., das liegt in[hhh] der Beschwerde nun mehr dem Bundesgerichtshof vor.
Vors.:
Gewiß.
RA H[eldmann]:
Das heißt also, nach aller Voraussicht wird man auch damit rechnen können, daß diese Kollegen eines Tages wieder hier sitzen werden.
BA Dr. W[under]:
Herr V., die Sonderordner sind den Herrn Verteidigern nicht zum Spaß übergeben worden, sondern zur Verteidigung. Wenn die Herren also nicht verteidigen können, zumindest im Augenblick nicht, meine ich, ist mehr, ist es nicht mehr als recht und billig, daß sie für den Angeklagten, den sie zu verteidigen haben oder hatten, auch dem anderen Herrn Verteidiger jetzt zur Verfügung stellen.
Vors.:
Ja, also ich glaube, das ist richtig. Man müßte schon erwarten, daß die Kollegen Ihnen die Möglichkeit geben, diese Akten zu benützen.
[306] RA H[eldmann]:
Wollte die Bundesanwaltschaft etwa Eigentumsansprüche an diesen Akten geltend machen, läge es an Ihnen, diese Eigentumsansprüche durchzusetzen. Ich jedenfalls habe keine Rechtsansprüche auf diese Akten.
Vors.:
Ja wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß Sie nicht bereit sind, an die Kollegen heranzutreten.
RA H[eldmann]:
Das will ich nicht zum Ausdruck bringen ...
Vors.:
Na ja, dann wollen wir doch sehen, wie sie sich verhalten.
RA H[eldmann]:
... meine Anträge, die notwendigsten, allernotwendigsten dürftigsten Prozeßmaterialien nun als Verteidiger ja selbst zu bekommen, nicht damit erledigen. Ich möchte mich an dritte Personen deswegen wenden. Zuständig dafür sind Gericht und Anwaltschaft, Bundesanwaltschaft.
Vors.:
Es bleibt natürlich so, daß erst dann, wenn sich die Gefahr abzeichnen sollte, daß nun einer der bisherigen Verteidiger Ansprüche an seinen Akten zu haben glaubt, an diesen überlassenen Leitz-Ordnern, daß dann erst das Problem akut wird, vorher wohl nicht, Herr RA H[eldmann] bitte.
RA H[eldmann]:
Das Problem ist zweifellos seit heute morgen akut. Seit heute morgen sitze ich in der Verhandlung, ohne die Anklageschrift mindestens vor mir zu haben, nicht ...
Vors.:
Ja, um das wollen wir bemüht sein. Herr RA. v[on ]P[lottnitz].
RA v[on ]P[lottnitz]:
Herr V., ist dem Senat bzw. der Bundesanwaltschaft eigentlich bewußt, was sich hier im Moment abspielt. In einem Verfahren, in dem also aber und aber Millionen für angebliche Sicherheitsbelange investiert wurden, scheint also die BA und auch der Senat aus Kostengründen, da war mal von recht und billig die Rede, aus Kostengründen davor zurückzuscheuen und es abzulehnen, also die minimalsten [307] Verteidigungsunterlagen hier dem Kollegen H[eldmann] zur Verfügung zu stellen.
Vors.:
Herr RA. v[on] P[lottnitz], ich habe keinen Anlaß, Ihnen irgendwelche Ratschläge zu erteilen, aber ich will Ihnen nicht verhehlen, daß Sie eine unglückliche Art haben, Anträge, die unter Umständen durchaus brauchbar wären, in eine Form zu kleiden, daß sie einfach durch überzogene Formulierungen nicht mehr ernst zu nehmen sind. Wenn Sie uns hier hinstellen und sagen, durch „angebliche“ Sicherheitsbedürfnisse sei das und das notwendig geworden, dann können Sie nicht erwarten, daß ein Senat, der nun diesen Sicherheitsbelangen weitgehend Rechnung tragen mußte, das ernst nimmt.
RA v[on ]P[lottnitz]:
... darüber froh sein, daß ich nicht bei Ihnen in einer Art Referendarsausbildung mich befinde und daher frei darüber entscheiden kann, in welcher Form ich hier Anträge bzw. Erklärungen abgebe.
Vors.:
Der Senat wird auf den Antrag von Herr RA. H[eldmann] die Sitzung erst um 14.30 Uhr fortsetzen. Wir meinen, die Frage, die hier besprochen werden muß, ob grundsätzlich die Möglichkeit der Weiterführung der Verteidigung gegeben ist, läßt sich zumindest mal ansprechen. In dieser Zeit und in der Mittagspause. Wir haben also 2 ½ Stunden damit Zeit gegeben. Herr RA. H[eldmann] soll Gelegenheit erhalten, möglichst frühzeitig dann bei Herrn Baader vorzusprechen. Wie läßt sich das in der Anstalt verwirklichen?
RA Sch[ily]:
Anschließend ...
Vors.:
Einen Augenblick, ich mochte das jetzt gerade mit Herrn RA. H[eldmann] klären.
RA Schi[ly]:
... beantrage ich in der Mittagspause, daß die Gefangenen einen [308] Umschluß haben können, in der Mittagspause.
Vors.:
Das wird sich technisch nicht durchführen ...
RA Sch[ily]:
Ohne Aufsicht.
Vors.:
Nein, das läßt sich jetzt technisch nicht durchführen.
Wir müssen a) die Mittagspause dazu benutzen, daß das Mittagessen ausgeteilt wird, und diese Umschlußregelung, die wir hier getroffen haben, die ist ausreichend. Wir können nicht jetzt grundsätzlich diesen unbeaufsichtigten Umschluß, wie Sie ihn hier verlangen durchführen. Das ist eine Frage, die führt viel zu weit, als daß sie jetzt im Augenblick entschieden werden könnte. Sie wissen. ja, das Umschlußproblem ist lange schon gegeben.
RA Sch[ily]:
... hier im Hause offenbar einfacher geht, kann man dann denn das nicht so handhaben, daß also nach der Einnahme des Mittagsessens die Gefangenen wieder hier herübergeführt werden und dann hier zusammengeschlossen werden.
Vors.:
Herr RA, dagegen hätten wir unter der Voraussetzung, daß das personalmäßig in der Haftanstalt zu machen ist, an für sich nichts einzuwenden. Aber Sie wissen, heute früh ist geltend gemacht worden, die Bedingungen seien dort so, daß sie nicht zufriedenstellend sind. Ich weiß nicht, ob Sie es dann Ihren Mandanten zumuten wollen.
RA Sch[ily]:
Das ist die Abwägung von zwei Nachteilen, Vielleicht nehmen sie den einen Nachteil lieber in Kauf.
Vors.:
Wenn Sie sich vielleicht darüber noch Gedanken machen und uns dann sagen, welchen Nachteil Sie für wesentlicher halten. Wir werden also um 14.30 Uhr fortsetzen. Ich bitte die Herrn von der Vorführung, Herrn RA. H[eldmann] zu unterrichten, wie er möglichst frühzeitig mit Herrn Baader sprechen kann.
- Pause von[iii] 12.00 Uhr. bis 14.35 Uhr. -
Ende des Bandes 12.
[309] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.35 Uhr in derselben Besetzung wie heute morgen.
Vors.:
Wir setzen die Sitzung fort.
Zunächst darf ich mitteilen, daß eine Anklage für Sie, Herr Rechtsanwalt Heldmann, beschafft ist. Unter der Voraussetzung, daß das Gespräch die Entwicklung genommen hat, die wir hoffen, daß sie eingeschlagen wurde, dann könnte Ihnen diese Anklage sofort überlassen werden. Es ist darauf hinzuweisen, daß Sie selbstverständlich gesetzlich das volle Akteneinsichtsrecht haben. Der Senat hat hier zum allgemeinen Gebrauch diesen Satz Akten stehen. Es steht Ihnen jeder Band zur Verfügung, auch außerhalb der Sitzung. Sie können gerne davon Gebrauch machen. Es ist selbstverständlich, daß wir nicht imstande sind, den Satz Akten in „Null-Komma-nichts“ für Sie hierher zu stellen. Es sind immerhin etwa 50 000 Blatt, so daß wir meinen, in diesem Falle müßte es schon in der Tat möglich sein, um das nochmals zu wiederholen, daß Sie sich mit den Kollegen, die bereits einen solchen vollen Satz besitzen und ihn nicht mehr gebrauchen, in Verbindung setzen, um vielleicht diese an sich nur als Leihgabe gedachten Aktenteile in die Hand zu bekommen.
RA Heldmann:
Danke schön.
Vors.:
Dann darf ich drauf hinweisen ...
Herr Rechtsanwalt Schily, darf ich noch einen Punkt bemerken? Wir hatten heute früh wegen der Ernährung in der Pause, der Erfrischung in[jjj] der Pause, einen[kkk] kleinen Disput.
Es ist inzwischen so abgeregelt mit der Haftanstalt, daß die Angeklagten Nescafe, Pulverkaffee, mitbringen können. Es wird ihnen heißes Wasser geliefert. Es ist auch gar nichts dagegen einzuwenden, wenn sie sich mit Nahrung, die sie aus der Haft- [310] anstalt drüben mitbringen, ein Vesper zur Sitzung mitnehmen.
Wir haben uns erkundigt, daß den Angeklagten zur normalen Ernährung, wie sie jeder Häftling zur Verfügung hat, noch eine nicht unerhebliche Zusatzernährung gewährt wird. Wie hoch das Gewicht der Angeklagten ist, läßt sich von unserer Seite schwer feststellen, da die Angeklagten sich bisher weigern, sich wiegen zu lassen; heute früh ist ja vom Untergewicht die Rede gewesen. Sollte nach Auffassung der Angeklagten ein weiterer Zusatz in der Ernährung notwendig sein, so müßte dazu mit dem Arzt gesprochen werden, der das entsprechend bescheinigt.
Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.
RA Schily (Sch.):
Herr Vorsitzender, [lll] kurz vor Beginn der Mittagspause hatten Sie erklärt, daß die Angeklagten, wenn sie jetzt zurückgeführt werden, hier in den Keller, daß sie dann gemeinsam in einer Zelle sein können.
Ich stelle fest, daß diese Anordnung, die Sie getroffen haben, nicht vollzogen worden ist. Und zunächst wäre meine Bitte um Aufklärung, aus welchen Gründen das unterblieben ist.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich habe diese Anordnung nicht getroffen. Ich habe Sie gefragt, nachdem Sie wieder das Wort „Keller“ verwenden und auch heute früh beanstandet worden ist, daß diese Zellen nicht den notwendigen Anforderungen genügen würden, ob Sie den Nachteil, daß ein solcher Umschluß stattfindet, damit erkaufen[mmm] wollten, daß man sich trotzdem in diesen beanstandeten Zellen aufhalten solle oder wolle. Sie sagten dann richtig: Man müsse hier die Nachteile gegeneinander abwiegen, und ich habe Sie dann gefragt, Sie sollten [311] mir möglichst bald Bescheid geben, welchen Nachteil Sie für den leichteren halten.
D. h., es ist in der Tat für die Vollzugsbeamten zu keiner Entscheidung gekommen, aus der sie irgendwelche Rückschlüsse auf diesen Zusammenschluß heute nachmittag bzw. in der Mittagspause hätten ziehen können. Im Gegenteil, ich habe ausdrücklich gesagt: Die Umschlußfrage läßt sich jetzt nicht auf die „Schnelle“ hier noch erledigen.
RA Sch[ily]:
Herr Vorsitzender, das ist mir dann unbegreiflich. Wenn also ... Ich habe es also wirklich, glaube ich, klar zum Ausdruck gebracht, daß die Angeklagten dann den Nachteil der Unterbringung im Keller dafür in Kauf nehmen, daß sie also gemeinsam eine Besprechung ... Dann hatte ... Meiner Meinung nach haben Sie auch klar zum Ausdruck gebracht, daß dann also zusammengeschlossen wird. Das mochte ich doch mal festhalten. Im übrigen, warum sind Sie denn dann früher zurückgebracht worden. Sie sind ja, sie haben jetzt sozusagen die Nachteile kumuliert. Sie sind früher zurückgebracht worden in den Keiler und einzeln. Also der Zusammenschluß hat nicht stattgefunden. Das ist doch jetzt eigentlich eine Ungeheuerlichkeit, daß hier sozusagen beides wiederum kombiniert wird, und man muß das vor dem Hintergrund sehen. Das möchte ich doch auch unterstreichen, daß an allen Sitzungstagen, das sind immerhin 3 Tage in der Woche, sind 3 Tage in der Woche, und was das heißt, darüber wird vielleicht auch in der Verhandlung zu sprechen sein, haben die Angeklagten keinen Hofgang, d. h., sie kommen überhaupt nicht ans Freie.
Ich, naja, also Käfiggang oder wie man das bezeichnet. Jedenfalls, das ist doch ein Faktum. Und wenn man nun schon [312] sagt: Wir schätzen die Tatsache, daß wir mal für ’ne halbe Stunde oder ’ne Stunde gemeinsam in einer Zelle im Keller eingesperrt sind, noch höher ein, als jetzt in der anderen Unterbringung, dann sollte man das wenigstens ernst nehmen und nicht hinterher sagen: Ja, das war alles gar nicht so gemeint oder dann[nnn] hätte noch ein Antrag gestellt werden ... Das ist doch eigentlich ein bißchen ... Geht über das hinaus, was wir hier schon erlebt haben.
Ich stelle jetzt den ausdrücklichen Antrag, damit wir da also nicht solche Mißverständnisse, wie sie jetzt also behauptet werden, wiederum erleben,
daß bei allen Sitzungspausen, die stattfinden, die Angeklagten gemeinsam untergebracht werden.
Ich glaube, das ist auch wirklich eine Forderung, die eine Minimalforderung darstellt. Und ich darf doch auch daran erinnern, daß hier seitens der Angeklagten ja unmittelbar einmal zum Ausdruck gebracht worden ist, daß ihre Mitwirkung an dem Prozeß nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Und dazu, so habe ich jedenfalls die Äußerung, die hier abgegeben worden sind, verstanden, dazu gehört auch diese Tatsache, daß in diesen Sitzungspausen so verfahren wird. Und ich meine, bei Beginn der Verhandlung, Herr Vorsitzender, da haben Sie einige gutklingende Sätze hier gesagt: Man würde entgegenkommen, und man würde da großzügig, wenn ich das richtig habe, verfahren, auch bei Umschluß in sitzungsfreien Tagen. Von dieser Großzügigkeit vermag ich nun nach [313] einigen Tagen nun nichts mehr zu sehen.
Aus welchen Gründen unterbleibt denn nun eigentlich ein Umschluß?
Am[ooo] Montag war es wohl, da ein Antrag gestellt worden ist, der ist dann abgelehnt worden und gesagt worden, es liegen keine konkreten Gründe vor.
In der Situation, in der sich im Moment also das Verfahren befindet, insbesondere bei der verteidigungslosen Situation von Herrn Baader, sollte doch[ppp] gerade diese Frage vielleicht, wenn schon an andern Stellen nun überhaupt nicht mehr die Prozeßordnung, nahezu nicht mehr eingehalten wird. Wenn das wenigstens an diesem Punkt, wenigstens dieser minimale Punkt ...
Man versucht die ursprünglichen Erklärungen dann auch einzulösen, eines Entgegenkommens und eines großzügigen Verfahrens.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich übersehe nicht, daß Sie zum Antrag Stellung nehmen wollen. Aber darf ich als Angesprochener noch folgendes dazu bemerken:
Es ist keine Behauptung, wenn ich sage, daß keine Anordnung getroffen worden ist. Sie wissen ganz genau, daß ich in wesentlichen Teilen der Pause bisher zugelassen habe, ausdrücklich, daß sich die Angeklagten zusammen aufhalten könnten. Daraus eine Regel zu machen, ist eine Frage, die gründlich überprüft werden muß. Schon zu Beginn des Prozesses habe ich drauf hingewiesen, daß nach allen Gepflogenheiten in deutschen Haftanstalten, und auch in deutschen Gerichtsälen, es vollkommen unüblich ist, was hier zugelassen wurde, daß man eben Mitbeschuldigte zusammen über ihr Verteidigungskonzept beraten läßt. Wir haben das getan, weil wir einerseits dadurch eine Kommunikationsmöglichkeit unter den Angeklagte eröffnen wollten, [314] und andererseits immerhin akzeptierten, daß hier gewisse gemeinschaftliche Vorstellungen entwickelt werden könnten, da ja[qqq] die Angeklagten glauben, sie könnten sich in jedem Falle nur gemeinschaftlich verteidigen. Das ist ein Entgegenkommen. So wie sie das darstellen im Augenblick, meinen Sie, das sei ein Recht. Sie haben es wiederholt erklärt, welche Erfahrungen Sie mitbringen. Wenn Sie mir die Erfahrungen benennen können, wo das Verfahren, was wir hier betreiben, üblich ist und dann noch die Behauptung aufrecht erhalten wollen, daß hier schon in weiten Teilen des Verfahrens die StPO nicht mehr eingehalten werden würde - wir wissen wohl, daß das in manchen Ohren verfängt, obwohl es nicht zutrifft - dann allerdings können wir uns neu über die Situation beraten. Dann haben wir neues Erfahrungsmaterial. Aber so, wie ich die Dinge sehe - auch auf Grund einer bestimmten Erfahrung - und der Senat, so glauben wir, daß wir bis jetzt ein weitgehendes Entgegenkommen gezeigt haben. Wir werden selbstverständlich über den Antrag beraten und einen Entschluß fassen, aber das wird jetzt nicht in der Hauptverhandlung[30] geschehen. Ich bitte ...
RA von Plottnitz (v. P.):
... darf ich noch etwas sagen.
Vors.:
Bitte, Herr Rechtsanwalt
RA v[on] P[lottnitz]:
Zur Frage dessen, was sich heute morgen abgespielt hat, meine ich doch folgendes in Erinnerung rufen zu müssen. Nach dem der Kollege Schily seinen Antrag gestellt hatte, kam extra noch mal ein Beamter des Wachpersonals hier neben den Tisch der Verteidigung und fragte Sie: Heißt das, daß die Gefangenen heute nachmittag Umschluß haben vor Be- [315] ginn der Sitzung? Worauf Sie geantwortet haben: Ab 13 Uhr sind die Gefangenen gemeinsam in einer Zelle unter Bewachung, unter Aufsicht, unterzubringen. Keine gemeinsame Besprechung wird gestattet mit den Verteidigern, insoweit Einzelbesprechung. Das ist von Ihnen gesagt und füglich angeordnet worden.
Vors.:
Ja, und ist auch geschehen, denn Sie verwechseln im Augenblick, wann das geschehen ist.
Dieses Ereignis passierte, als wir in die Pause eintraten, um über den Antrag, der von Herrn Rechtsanwalt Heldmann gestellt war, zu beraten. Und in der Tat sind, soweit ich weiß, diese Anordnungen befolgt worden.
RA v[on] P[lottnitz]:
Dann bitte ich um Entschuldigung.
Vors.:
Bitte sehr.
Die Bundesanwaltschaft, bitte Herr Bundesanwalt.
BA Dr. Wunder:
Herr Vorsitzender, ich bitte zu berücksichtigen, daß Mitbeschuldigten grundsätzlich kein Umschluß zu gewähren ist. Deshalb spreche ich mich gegen eine generelle Umschlußregelung aus.
Im übrigen stelle ich es dem Senat anheim, unter Wahrung der Sicherheitsbelange, entsprechende Maßnahmen anzuordnen.
Vors.:
Danke.
Wie gesagt, wir werden dann über diesen Antrag noch beraten. Herr Rechtsanwalt Schily.
[316] RA Sch[ily]:
... mich nochmal angesprochen, auf meine Erfahrung.
Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ein Verfahren dieser Art, wie es hier bisher gehandhabt worden ist, nämlich, daß Gefangenen über Jahre hinaus isoliert werden und einer Sonderbehandlung im Strafvollzug ohnehin unterworfen sind, kenne ich in der Tat auch in dieser Form bisher auch noch nicht. Und da allerdings sind natürlich auch gewisse Mindest... Mindestmaßnahmen zum Ausrechnen. Wenn Sie das ... Sie sagen, Sie deuten das ja selber an, Sie sagen doch selber, dieses spielt für Ihre Motivation auch eine Rolle, daß Sie eine gewisse Kommunikation ermöglichen wollen. Das kann doch nur damit in Zusammenhang stehen, daß Sie selber wissen, daß da, sagen wir mal, bestimmte Ausgleichungen stattfinden sollen und insofern also ist[rrr] Ihre Frage, die Sie mir stellen, in wieweit ich also Erfahrung aus anderen Prozessen da mitbringe, verfehlt, weil insoweit es eben sich hier um ein anderes, um ein anderes Tatsachenbild handelt, in dem sich diese Einzeltatsachen einordnen. Und man muß bei Vergleichen immer, meiner Meinung nach, nicht den Fehler machen, Unvergleichbares zu vergleichen, sondern nur Vergleichbares läßt sich eben vergleichen.
Im übrigen gibt es durchaus Erfahrensweisen, und da gibt es Beispiele aus Hamburg und aus Zweibrücken, in dem bei gleichen oder ähnlichen Anklagevorwürfen der Umschluß eben generell gestattet wird. Also so vereinzelt stehen diese Maßnahmen, wie ja hier fast also den Charakter von Gnadenerlassen bekommen sollen, so vereinzelt stehen diese Maßnahmen nicht da, Herr Vorsitzender, wie Sie es jetzt darstellen wollten.
Und mich würde dann schon interessieren, wenn es nun darum geht, den Inhalt Ihrer Entscheidung vor Eintritt der Mittagspause, wer da die bessere Erinnerung hat, dann würde ich [317] in der Tat ganz gerne heute einmal das Tonband, das muß jetzt nicht in der Sitzung sein, das kann vielleicht dann nach der Sitzung sein, das würde ich dann ganz gern einmal hören. Das wird ja da minutiös aufgezeichnet sein.
Vors.:
Dürfen Sie gerne anhören.
RA Sch[ily]:
... vielleicht darüber verständigen.
Vors.:
Ja, wir werden über Ihren Antrag dann zur gegebener Zeit entscheiden.
Damit ...
RA’in Becker:
Ich möchte einen Antrag stellen.
Vors.:
Frau Rechtsanwältin Becker.
Darf ich generell mal eine Frage an Sie richten und an[sss] die Herrn Verteidiger. Dabei möchte ich bitten, nicht anzunehmen, daß das Gericht beabsichtigt, sich[ttt] irgendwie in Ihre Antragsrechte und dergleichen einzumischen.
Es geht nur darum, daß das Gericht sich ständig bereithält und die entsprechenden Unterlagen mitnimmt, um zur Vernehmung zur Person zu gelangen.
Ich gebe meistens das Stichwort, in dem ich sage: „Damit kommen wir ...“ Und in dem Augenblick tritt dann wiederholt das Ereignis ein, daß ein Antrag gestellt wird.
Dagegen ist nichts zu sagen. Es ist Ihr Recht, die Anträge zu stellen, die Sie für zweckmäßig erachten. Nur wär es für das Gericht dienlich, zu wissen, vielleicht in Vorausschau, [318] ob es Sinn hat, sich in den nächsten Tagen mit diesen Unterlagen hierher zu bewegen oder ob schon voraussehbar ist, daß wir zur Personenvernehmung auch in den weiteren Tagen, vielleicht weil Sie noch Anträge zu stellen haben, nicht mehr kommen werden.
Für diese Aufklärung wäre ich als reine Arbeitshilfe für das Gericht dankbar.
RA Sch[ily]:
Herr Vorsitzender, wenn ich dazu ...
Vors.:
Rechtsanwalt Schily, bitte.
RA Sch[ily]:
Sicherlich können wir Ihnen erklären, daß noch verschiedene Anträge gestellt werden vor Beginn der Vernehmung zur Person.
In wieweit die gestellt werden, in welchem Umfange, mit welchem Inhalt, das hängt natürlich mitunter auch davon ab, daß wir jetzt auch sehen, wie der Senat entscheidet. Welche Entscheidung der Senat trifft. Es kann also durchaus sein, daß einen Antrag, den wir vorbereiten oder vorbereitet haben, daß der gegenstandslos wird. Oder umgekehrt, daß durch eine Entscheidung, die Sie treffen, oder eine Erklärung, die Sie abgeben, ein zusätzlicher Antrag notwendig wird. Und hier[uuu] kommen ja[vvv], wie gesagt, eine ganze Reihe von denkbar Varianten, die Ihnen sicherlich aus Ihrer langjährigen Praxis als Gerichtsvorsitzender bekannt sind, in Betracht. Und ich bitte Sie um Verständnis, daß wir Ihnen natürlich nicht - dazu sind wir auch unseren Mandanten gegenüber verpflichtet - nun inhaltlich mitteilen können, was noch an Anträgen möglicherweise geplant oder nicht geplant ist.
[319] Vors.:
Ich danke für die Aufklärung.
Ich wollte natürlich das auch nicht inhaltlich erfragen, sondern nur feststellen, ob es Sinn hat, sich in den nächsten Tagen vorzubereiten zur Person.
RA Sch[ily]:
... erwarten, dann kann ich Ihnen sagen, vielleicht doch also nach unserer Prognose, ich glaube, soweit kann man durchaus gehen, eine Vernehmung zur Person frühestens vielleicht irgendwann im Laufe der nächsten Woche, nach dem, was im Moment sich abzeichnet, möglich sein wird. Also, wenn es darum geht, daß Sie vielleicht mit den Unterlagen da das ... gut, kann man[www] sich auf diesen Zeitpunkt dann vielleicht verständigen.
Vors.:
Ich danke Ihnen für die Aufklärung.
Dann Frau Rechtsanwältin Becker.
Herr Bietz, sind Sie so freundlich, die Anklage gehört jetzt Herrn Rechtsanwalt Heldmann.
Frau Rechtsanwältin, bitte.
- Anklage mit Anlagen wurden Rechtsanwalt Heldmann übergeben. -
RA Heldmann:
Ein Wort noch an den Senat und an die Bundesanwaltschaft.
Daß ich hier nur auf dem Verteidigerplatz sitze, demonstriert nicht etwa, daß Herr Baader nunmehr im Sinne der StPO eine Verteidigung hätte. Warum er sie nicht haben kann, habe ich heute morgen des längeren ausgeführt. Daß ich nunmehr 2 Bände Anklageschriften bemerkenswerterweise wenigstens jetzt herüber bekommen habe, ändert daran nichts. Ich bitte also, daß Sie eine Gegenvorstellung[31] von mir noch [320] zur Kenntnis nehmen, die sich mit den Gründen ihres heute vormittags verkündeten Beschlusses auseinandersetzen wird, und, wie ich denke, diese Gründe als tatsächlich irrig erweisen wird, so daß der Senat - das ist das Ziel dieser Gegenvorstellung, soll es sein - sich erneut überdenken mag, ob es bei dieser absoluten Beschränkung der Verteidigungsrechte des Herrn Baader, wie heute morgen beschlossen, bleiben wird. Nur ist mir in der Mittagspause nicht möglich gewesen, diese Gegenvorstellung, die im wesentlichen ja auf Daten beruhen wird, Daten, die der Richtigstellung dienen, fertigzustellen. Ich werden sie erst morgen früh hier dem Gericht vorlegen können. Meine Anregungen ...
Kollegin Becker hat einen vorbereiteten Antrag hier, der ein ganz anderes Thema betreffen wird. Ob es nicht einfach ökonomisch ist, wenn wir damit heute diese Verhandlung schließen, damit mir ausreichende Zeit bleibt, in den Gesprächen mit meinen Kollegen diese Gegenvorstellung vorzubereiten. In noch einem Gespräch [xxx] mit ... bis 4 Uhr wird es möglich sein, mit Herrn Baader, und daß wir dann morgen fortfahren.
Meine Anregungen ... (nicht zu verstehen)
Vors.:
Wird die Bundesanwaltschaft dazu Stellung nehmen?
Bundesanwalt Dr. W[under]:
Wir treten dem Antrag entgegen.
Vors.:
Zunächst ist die Frage an die Herren von der Vollzugsanstalt zu stellen. Ist, wenn wir jetzt den Antrag von Frau Rechtsanwältin Becker uns noch anhören und sehen, was man damit [321] zu tun hat, Möglichkeit gegeben für Rechtsanwalt Heldmann in Anschluß, sagen wir, wenn wir um halb, dreiviertel 4 Uhr fertig wären, noch Herrn Baader zu besuchen.
RA Sch[ily]:
Durchaus kenne ... (Nicht zu verstehen).
Von Frau Kollegin Becker kann ich Ihnen sagen, um halb, dreiviertel 4 Uhr ist der Antrag nicht zu Ende. Mit Sicherheit nicht.
Vors.:
Darf ich fragen, wenigstens den Gegenstand ungefähr angedeutet bekommen oder ist es unmöglich.
RA Sch[ily]:
Ich würde doch vorschlagen, daß wir das erst verlesen, wenn es dann wirklich zur ...
Vors.:
Dann würde ich doch vorschlagen, daß wir tatsächlich den Antrag noch verlesen bekommen. Wir haben dann die Möglichkeit solange ... wahrscheinlich dann eine frühe Pause eintritt oder ein früher Abbruch des heutigen Verhandlungstages - in Ihrem Interesse auch, Herr Rechtsanwalt Heldmann - dann haben wir wenigstens Gelegenheit, uns auch noch gleichzeitig mit dem Antrag zu befassen.
Deshalb, Herr Rechtsanwalt Heldmann, stellen wir diesen Antrag, den Sie gestellt haben, nicht zurück, sondern wir müssen ihn ablehnen, um wenigstens noch den Antrag zur Kenntnis zu nehmen.
Frau Rechtsanwältin Becker, bitte.
RA’in Becker:
Ich weiß nicht, ob ich bis 4 Uhr fertig bin mit dem Antrag.
[322] Vors.:
Ist der so lange?
RA’in B[ecker]:
Ja, doch.
Ich denke, daß der mindestens 1 ½ Stunden dauert.
Vors.:
Liegt der Antrag vollinhaltlich schriftlich vor.
Darf ich fragen, wieviel Seiten er umfaßt?
RA’in B[ecker]:
50.
Vors.:
50 Seiten!
Reg. Dir. Widera:
Herr Vorsitzender, gerade wenn der Antrag ein so umfassender ist, würde es sich’s anbieten, den Antrag jetzt entgegenzunehmen, damit wir Gelegenheit haben, dann auf einen so umfassenden Antrag zügig zu reagieren, nämlich morgen früh antworten zu können.
Vors.:
Das ist der Gesichtspunkt, der auch den Senat bewegt. Es ist natürlich notwendig, auf solch einen langen Antrag wieder entsprechende Pausen einzulegen. Die wären dann während des morgigen Verhandlungstages notwendig. Deswegen müssen wir bitten, daß der Antrag jetzt vorgetragen wird.
Kann das Tonband abgestellt werden, während der Vortrags, Frau Rechtsanwältin.
[323] RA’in B[ecker]:
Ich kann nur eine Ausfertigung übergeben.
Vors.:
Das reicht, und vor allen Dingen, es ist ja nun sicher. Wir lassen sie dann fotokopieren für alle Beteiligten.
Gut, ich darf Sie um Antragsstellung bitten.
- Rechtsanwältin Becker und Rechtsanwalt Schily unterhalten sich. Es ist nicht zu verstehen. -
Vors.:
Frau Rechtsanwältin, Sie haben das Wort.
RA’in B[ecker]:
Ich bitte um ’ne ganz kurze Pause, damit wir uns nochmals kurz besprechen können.
Vors.:
Ich darf das Publikum, wie gestern, darauf hinweisen, daß Sie das Recht haben, hier zuzuhören, jedoch[yyy] weder zu[zzz] Mißfallens- noch Beifallskundgebungen. Das ist notwendig, um ein Gerichtsverfahren in der notwendigen Ruhe durchzuführen.
Ich bitte Sie um Verständnis und bitte Sie, sich daran zu halten.
Frau Rechtsanwältin, das zieht dann den Sitzungstag noch länger hin, wenn Sie nicht zum Antrag kommen.
Rechtsanwältin Becker verliest nunmehr den Antrag und einen Teil der Begründung. [aaaa] Dieser Antrag ist dem Protokoll vom 12.6.75 als Anlage 1 beigefügt.
Rechtsanwalt Künzel verläßt den Sitzungssaal in der Zeit von 15.30 bis 15.35 Uhr
[324] RA Sch[ily]:
Na ja, aus dem Antrag ist ja erkennbar geworden, daß die Verteidigung die Verhandlungsfähigkeit[32] der Angeklagten, Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten, rügt. Wir haben heute seit heute morgen 9 Uhr verhandelt. Es ist jetzt 15.30 Uhr.
Nach meiner Überzeugung ist die Verhandlungsunfähigkeit vorhanden. Auf jeden Fall so weitgehend reduziert, daß ein sofortiger Abbruch des heutigen Verhandlungstages daß notwendig ist, daß zunächst einmal dann morgen, um der Antrag weiter verlesen werden kann, wie weit dann die Verhandlungsfähigkeit reicht, das mag dann morgen weiter erörtert werden.
Ich stelle jetzt den Antrag
im Hinblick auf die Verhandlungsunfähigkeit bzw. die reduzierte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, sofort die Verhandlung abzubrechen.
Vors.:
Ich gebe diesem Antrag nicht statt, Herr Rechtsanwalt. Wenn Sie jetzt schon von der Verhandlungsunfähigkeit ausgehen, dann bedeutet das, daß Sie das, was hier erst vorgetragen werden soll, was uns als Argumentation dargebracht werden soll, vorwegnehmen. Im übrigen bitte ich Sie, die tatsächliche Verhandlungszeit des heutigen Tages zusammenzuzählen, dann werden Sie feststellen, daß die Zeit von 9 Uhr bis jetzt natürlich nicht ausgefüllt war mit Verhandlung. Es dreht sich nur noch darum, daß wir jetzt entgegennehmen einen Antrag. Die Angeklagten machen nicht den Eindruck, als wären Sie nicht imstande, mit wachen Sinnen diesem Antrag folgen so wie die übrigen [325] Prozeßbeteiligten auch.
RA Sch[ily]:
... Ob Sie auf die Entfernung da diese hervorragende Beobachtungsgabe entwickeln[bbbb].
Ich, Herr Vorsitzender, aus meinem unmittelbaren Eindruck, sitz’ ein bißchen näher, vielleicht mag es daran liegen. Ich kann Ihnen sagen, ich habe ganz erhebliche Bedenken, ob das, was Sie soeben geschildert haben, Sie verantworten können. Und Sie können natürlich sagen: Ja sicherlich, also, der Antrag ist ja nur noch nicht verlesen. Aber an sich reicht es, Sie brauchen diese ganzen Tatsachen gar nicht in extenso vorzutragen. Es reicht an sich schon, wenn erklärt wird, der schlichte Satz, daß Verhandlungsunfähigkeit gerügt wird. Wenn Sie allerdings mit verhandlungsunfähigen oder reduziert verhandlungsfähigen Angeklagten weiter verhandeln wollen, dann ist das allerdings wiederum lehrreich, über das, was sich hier im Saal abspielt.
Vors.:
Haben Sie damit meine Entscheidung beanstanden wollen, so daß eine Gerichtsentscheidung notwendig ist?[33]
RA Sch[ily]:
Jawohl.
Vors.:
Darf ich die Bundesanwaltschaft bitten, dazu Stellung zu nehmen?
BA Dr. W[under]:
Herr Vorsitzender, der Antrag, den Herr Rechtsanwalt Schily eben gestellt hat, dient ganz offensichtlich der Prozeßverschleppung, denn wenn man die 4 Angeklagten hier im Sitzungssaal beobachtet, wie Sie sich derart rege unterhalten, dann kann für jeden, der fähig ist, dies zu beobachten ... dann drängt sich für jeden, der fähig ist, dies [326] zu beobachten, auf, daß nichts von dem Behaupteten der Wahrheit entspricht.
Im übrigen sind uns große Teile der Ausführungen, die hier vorgetragen worden sind, bereits aus alten Schriftsätzen des Rechtsanwalts Dr. Croissant bekannt.
RA Sch[ily]:
Wenn ich das vielleicht ...
Vors.:
Rechtsanwalt Schily.
RA Sch[ily]:
... werden darf.
Vielleicht ist Ihnen ein Teil auch bekannt, der da wiederkehrt oder nicht. Aus andern ... (Nicht zu verstehen).
BA Dr. W[under]:
Ich habe Ihnen erklärt, daß uns große Teile diesen Ausführungen bereits bekannt sind. Ich will damit sagen, aus wessen Feder wahrscheinlich diese Dinge kommen.
RA Sch[ily]:
Na ja, haben Sie vielleicht auch festgestellt, daß beispielsweise ein Artikel aus einem Nachrichtenmagazin, der weitgehend zitiert worden ist. Das wär dann doch auch ganz gut, wenn Sie das sagen würden.
Vors.:
Damit glaube ich, können wir jetzt zur Beratung des Gerichts kommen. Ich glaube, das können wir hier machen.
[327] Nach geheimer Umfrage verkündet der Vorsitzende den Beschluß:
Es sind keine Anhaltspunkte dafür dargetan, daß die Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten gegeben sei. Wir haben heute lediglich wenige Stunden insgesamt verhandelt.
Es waren ausreichende Pausen dazwischen. Das Gericht lehnt aus diesem Grunde den Antrag, die Sitzung jetzt abzubrechen, ab.
Ich bitte fortzufahren, Frau Rechtsanwältin Becker.
RA He[ldmann]:
Herr Vorsitzender, ich protestiere für den Angeklagten Baader ausdrücklich gegen diesen Beschluß. Dieser Beschluß hat etwas von sehr handgreiflicher Inhumanität an sich.
Wenn der Herr Bundesanwalt sagte, nach seiner Schau auf da drüben erschienen die Angeklagten hier quicklebendig, so kann ich das nur als einen mißglückten Versuch nennen, eine heitere Note in trockenes Juristengespräch zu bringen. In der Tat - und Sie sprachen von Prozeßverschleppung - hatte die Bundesanwaltschaft diesen Prozeß verschleppt, in dem sie 3 Jahre lang Untersuchungshäftlinge isoliert hat, und dann schließlich mit einer Anklage rausgekommen ist und nicht versäumte, unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung dem Angeklagten die Verteidiger wegzunehmen.
Sehen Sie sich doch bitte die Angeklagten mal etwas näher an, in welchem erbarmungswürdigen körperlichen Zustand sie sich befinden nach 3 Jahren Isolierungshaft, und fragen sie sich doch bitte einmal selbst, wer von Ihnen auf der Richterbank und wer von Ihnen unter Bundesanwaltschaft dafür kompetent ist, hier Verhandlungsfähigkeit kurzer Hand zu deklarieren.
[328] BA Dr. W[under]:
Herr Rechtsanwalt, nur ein Wort dazu.
Eineinhalb Jahre nach Festnahme der Angeklagten hat die Bundesanwaltschaft den Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung[34] eingereicht.
Ich glaube, das wird ständig bei Ihnen übersehen.
Vors.:
Ich glaube, der Protest ist als Gegenvorstellung anzusehen. Es gibt keinen Anlaß, an dem eben ergangenen Beschluß etwas zu ändern. Ich habe im Augenblick nachgerechnet. Wir haben heute früh von 9 Uhr bis ½ 10 Uhr und von ½ 12 Uhr bis um 12 Uhr verhandelt, macht 1 Stunde, und wir verhandeln jetzt im Augenblick auch wieder 1 Stunde, wir sind also jetzt erst am Ende der 2. Verhandlungsstunde.
Ich darf jetzt Frau Rechtsanwältin Becker bitten, Ihren Antrag fortzusetzen.
Herr Rechtsanwalt Riedel, bitte.
RA Riedel:
... auch in Form der Gegenvorstellung.
Ich glaube, es ist nicht statthaft, und das Gericht mag’s erst nochmal überlegen, anzufangen, Minuten und Stunden der Verhandlungsdauer so zu berechnen, daß das quasi mit der Stoppuhr die Zeit nimmt, wann die Verhandlung hier beginnt und dann auch wiederum die Zeit nimmt, wenn das Gericht und die anderen Verfahrensbeteiligten den Saal verlassen.
Nicht wahr[cccc], der Verhandlungstag stellt doch ganz klar eine Einheit dar und geht natürlich auch nicht in die Phasen der Erholung und der Ruhe über, wenn hier Pausen auch längerer Art stattfinden. Das hat das Gericht ja heute morgen selbst zu erkennen gegeben, als ganz kurz einmal gesprochen wurde, [329] wie die Pausen unter Umständen verbracht werden könnten.
So daß natürlich, wenn die Zeit, die jetzt die Uhrzeit erreicht ist, oder doch schon ein Zeitraum verstrichen ist, der doch eine ganz erhebliche Belastung für alle Verfahrensbeteiligten darstellt.
Im übrigen weise ich nochmals drauf hin, daß die StPO ganz klar vorschreibt, daß die Verhandlungsfähigkeit uneingeschränkt in jeder Phase des Verfahrens vorliegen muß. Die Verteidigung, die ja, was hier vorgetragen wird, immer, auch im Namen der Angeklagten vorträgt, hat heute zum ersten Mal Zweifel erhoben an der Frage, oder Zweifel erhoben in der Richtung, daß Verhandlungsfähigkeit uneingeschränkt gegeben ist. Wenn das geschieht, besteht Veranlassung für das Gericht, sofort sich die nötige Erfahrung und Sachkenntnis zu verschaffen und Übersicht zu verschaffen, wie es darum bestellt ist, ob die Verhandlungsfähigkeit unter Umständen, und sei es auch nur in ganz geringfügiger Weise, eingeschränkt oder nicht. Das kann natürlich nicht geschehen durch quasi eine Ferndiagnose, eine optische, noch dazu durch Leute, die allenfalls von sich behaupten können, juristische Fachleute zu sein, aber mit Sicherheit nicht über medizinische Fachkenntnisse verfügt, nicht wahr. Eine derart wichtige Prognose und Erkenntnis zu treffen, ob die uneingeschränkte Verhandlungsfähigkeit vorliegt oder nicht, kann nur auf die Art und Weise geschehen, wie sie auch in anderen Verfahren üblich ist. Und dies braucht nicht ein Verfahren dieser Art sein. Das ist ein ganz landläufiges Gerichtsverfahren. Nicht wahr, wenn diese Frage auftaucht, macht ein Gericht, das es ernst nimmt, es nicht so leicht, derartige Diagnosen zu stellen. Und ich gebe nochmals zu bedenken, daß hier nicht das Verfahren mit einem Risiko belastet werden soll, in dieser ... an dieser Frage, wo es [330] ja wirklich nur um Minuten und allenfalls eine halbe Stunde geht, nicht wahr, zu riskieren, daß hier in einem Zustand weiterverhandelt wird, der nicht der StPO mehr entspricht.
Vors.:
Ich danke Ihnen für diese Bedenken, die Sie noch zusätzlich äußerten. Es wird trotzdem bei der Entscheidung bleiben. Wir müssen zunächst mal den Antrag hören, der gestellt werden soll, der uns die Argumente liefert, warum wir an der Verhandlungsfähigkeit zu zweifeln haben. Bisher hat das Gericht keinen Anlaß dafür. Die schlichte Behauptung, man sei verhandlungsunfähig, möglicherweise durch einen gewissen Ermüdungszustand, der uns alle trifft, der auch keineswegs mit einer Verhandlungsunfähigkeit[dddd] gleichzusetzen ist, reicht dafür nicht aus.
Ich bitte also fortzufahren mit der Begründung, Frau Rechtsanwältin Becker.
Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, wir werden jetzt wieder erreichen, das heißt, Sie werden es erreichen, daß der Antrag nicht vorgetragen wird, sondern daß wir nun durch Hin- und Herreden zum Ergebnis kommen, um 4 Uhr dann, wie wir uns allgemein geeinigt haben, möglichst Schluß zu machen, nun tatsächlich das Ende zu machen; und dann ist wieder nichts geschehen, aber auch nichts für die Angeklagten. Denn sie müssen jetzt auch da bleiben.
RA v[on] Pl[ottnitz]:
Ich bin mir sicher, daß ich die Zustimmung der Kollegin Becker haben werde, wenn ich hier jetzt auch noch im Rahmen von Gegenvorstellungen etwas äußere. Der Ernst und die Substanz dessen, was bereits jetzt im Antrag der Kollegin Becker vorgetragen und substantiiert begründet worden ist, verliert nicht etwa dadurch, was vielleicht, woran der eine oder andere [331] hier denken könnte, verliert nicht etwa dadurch irgend etwas, daß dieser Antrag nicht am 1. Tag etwa gestellt worden ist, sondern erst heute.
Insoweit bitte ich den Senat, doch sich auch mal vor Augen führen, daß wir in einem gewissen Dilemma sind, was die Reihenfolge dieser Anträge angeht.
Wir können ja schließlich nicht daran vorbeigehen, daß z.B. Herr Baader diese Hauptverhandlung ohne Verteidiger beginnen mußte, beginnen mußte. Wir können nicht daran Vorbeigehen, an den offenkundigen Zweifeln, die wir hatten, an offenkundigen Zweifeln, was etwa die Besetzung des Senats[35] anging. Insoweit ist also all das, was bisher an anderen Anträgen vorgetragen worden ist, durch die Logik dieses Verfahrens vorgegeben gewesen, nicht etwa deshalb, weil wir zu irgendeinem anderen Zeitpunkt die Auffassung gehabt hätten, die Gefangenen seien für die Dauer der Zeit, die täglich verhandelt wird, verhandlungsfähig. Im übrigen ist, da stellt sich jetzt, um 20 vor 4 Uhr, nicht die Frage, ob die Gefangenen überhaupt verhandlungsunfähig sind. Es stellt sich, nachdem was vorgetragen worden ist, die Frage, sind sie verhandlungsfähig für einen Verhandlungstag, der sich über die Zeitdauer von 9 Uhr früh bis halb 4 Uhr nachmittags erstreckt, wobei der Einwand, es würde nicht dauernd verhandelt, kein Einwand ist, denn ich empfehle, die Verhandlungspausen irgendeinem der übrigen Verfahrensbeteiligten hier, die Verhandlungspausen einmal in diesem fensterlosen Verließen, Keller, zu verbringen, um dann zu sehen, was das an Anstrengungen, an Streß bedeutet.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, es geht[eeee] nur noch darum, daß im Augenblick zuzuhören ist, wenn ein Antrag, möglicherweise schon ein bekannter Antrag, hier vorgetragen wird.
[332] Die Substanz dessen, was bis jetzt vorgetragen ist, gibt uns keine Möglichkeit im Augenblick, zu beurteilen, ob jetzt eine Verhandlungsunfähigkeit schon anzunehmen ist. Wir müssen den Antrag vollständig hören, bevor wir darüber befinden können, ob diese Argumente, die hier dargebracht werden, stichhaltig sind. Das können wir erst, wenn wir den Antrag kennen.
Ich bitte fortzufahren, Frau Rechtsanwältin Becker.
RA v[on] Pl[ottnitz]:
... bedarf doch keiner besonders scharfsinnigen Augen, um festzustellen, daß die Gefangenen sich nicht in dem gesundheitlichen Zustand befinden, in dem sich die übrigen Verfahrensbeteiligten hier befinden. Darauf hat der Kollege Heldmann doch nun hingewiesen.
Insoweit wäre es eigentlich zu erwarten gewesen, daß der Senat von sich aus die Frage, die jetzt von uns im Rahmen dieses Antrags angesprochen wird, bereits am 1. Verhandlungstag angesprochen hätte, das ist hier nicht ... Daß das nicht geschehen ist, ist nicht unser Verschulden.
Nach geheimer Umfrage verkündet der Vorsitzende den B e s c h l u ß :
Der Senat bleibt bei seiner Entscheidung.
Es gibt auf die Gegenvorstellung keinen Anlaß, an dem verkündeten Beschluß etwas zu ändern.
Frau Rechtsanwältin Becker, bitte.
RA Schily: (nicht zu verstehen am Anfang)
... dann dazu fest, daß jetzt innerhalb einer viertel Stunde - offenbar bis 16.00 Uhr wird ja nur verhandelt - Sie mit verhandlungsunfähigen Angeklagten verhandelt. Das stelle ich jetzt fest.
[333] Vors.:
Ich stelle fest, daß Sie das behaupten, Herr Rechtsanwalt. Ob sie verhandlungsunfähig sind ...
RA Sch[ily]:
Sie behaupten das Gegenteil.
Vors.:
Wir haben gesagt, daß wir keine erkennbaren Anhaltspunkte dafür haben.
Frau Rechtsanwältin Becker. Bitte.
RA Heldmann:
Verzeihen Sie mir, Sie brauchen diese Frage sicherlich in keiner meiner Fragen zu beantworten.
Aber darf ich Sie nach Ihren diagnostischen Methoden fragen[ffff]?
Vors.:
Ich kann Ihnen nur dazu sagen: darf ich nach Ihren diagnostischen Methoden fragen?
RA H[eldmann]:
Ich habe mir die Damen und Herren ganz aus der Nähe angeschaut und habe mit ihnen gesprochen.
Vors.:
Wir haben sie auch angeschaut, genau dieselbe Methode, wie Sie sie angewendet haben.
RA Riedel:
Herr Vorsitzender, ein ...
Vors.: (unterbricht)
Ich darf jetzt, Herr Rechtsanwalt Riedel ...
[334] RA Ri[edel]:
Aber ...
Vors.:
Ich möchte verhindern, daß wir jetzt in der Tat die Zeit, die wir noch zum Vortrag dieses Antrags verwenden wollen ...
Bitte.
RA Ri[edel]:
... aber es ist doch, wenn, weil Sie auch so fragen, da müssen wir auch drauf antworten. Ich habe Ihnen doch vorhin gesagt, Ihnen klarzumachen, daß wir, was hier vorgetragen wird, im Namen der Mandanten natürlich vortragen. Insofern verfügen wir tatsächlich auch über etwas mehr, als das Gericht verfügen kann, denn die Mandanten haben ja, das wissen Sie ja, weil wir ja Verteidiger des Vertrauens sind. Natürlich nutzen auch sie die Gelegenheit, uns mehr zu sagen, als dem Gericht. Und insofern ist das, wenn wir es vortragen, hat einen anderen Stellenwert, als das, was das Gericht von der Richterbank hier herüber feststellen kann.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.
RA Sch[ily]:
Offenbar so, daß Sie sagen, im Zweifel gegen den Angeklagten, nicht?
Also wenn ein Zweifel auftritt, dann sagen Sie ja, im Zweifel ist er verhandlungsfähig. A...
Vors.: (unterbricht)
Und Sie glauben, daß ...
[335] RA Sch[ily]:
... offenbar. Also in dieser Form verfahren, das ist doch eindeutig.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Schily, Sie sollten wissen ...
RA Sch[ily]:
Ich habe ’ne ganze Menge, nun will ich ... Wissen Sie, ich langweile Sie offenbar immer mit meiner Erfahrung. Aber ich kenne ’ne ganze Menge von Insassen in Haftanstalten, auch langjährigen ... Also, Sie brauchen sich nur mal die Hände anzusehen, nur die Hände. Und so viel medizinische Erfahrung bring ich sogar mit als medizinischer Laie, ja um allein daraus erkennbar ... erkennen zu können, wie es z. B. um den Kreislauf bestellt ist. Das kann ich daraus erkennen, und wenn Sie also mit dieser Ferndiagnose meinen sogar Zweifel überwinden zu können, die hier geltend gemacht werden, dann weiß ich nun wirklich nicht mehr, was wir eigentlich noch von Ihnen erwarten sollen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, daß der Zweifelsgrundsatz in diesem Falle nicht anzuwenden ist, wissen Sie selbst. Er hat ein ganz anderes prozeßuales Gebiet.[36]
Wir sehen uns genötigt, wenn der Antrag nicht weiter vorgetragen wird, den Generalbundesanwalt um Stellungnahme zu dem zu bitten, was bislang vorgetragen ist, und müssen dann uns eben mit diesen beschränkten Gründen befassen. Wir haben von Ihnen den Antrag, daß die Verhandlungsunfähigkeit festgestellt werden soll, und wir sind der Auffassung, daß dieser Antrag uns vollständig zur Kenntnis gebracht werden muß, bevor wir dieser Frage nachgehen können. Die Tatsache, daß Sie[gggg] im Augenblick sagen, nach Ihren [336] Beobachtungen seien die Angeklagten nicht mehr verhandlungsfähig, ist kein Anlaß, nachdem das Gericht nun den Eindruck hat, unter Beobachtung der Angeklagten, daß sie durchaus imstande sind, noch den Vortrag eines Antrags zu folgen.
Frau Rechtsanwältin Becker.
RA’in Becker:
Also ich war grad bei der Beschreibung dieses Glaskastens angelangt, der zur Verteidigerbesuchen verwendet werden sollte.
Vors.:
Darf Sie bitten, da wir in der Tat unsere normale Verhandlungszeit möglichst einhalten wollen, es dreht sich also jetzt vielleicht um ’ne starke viertel Stunde, dann eine Zäsur zu machen, oder auf Seite wieviel sind Sie jetzt. Darf ich das vielleicht feststellen?
RA’in B[ecker]:
15.
Vors.:
Wir werden bis viertel 5 Uhr weiter uns den Antrag vortragen lassen und dann die Pause machen. Das dient einfach dem, daß wir morgen nicht sofort wieder, kurz nachdem wir mit der Verhandlung beginnen, als zu lange uns mit der Stellungnahme dann befassen müssen, denn die Bundesanwaltschaft hat[hhhh] auf diese Weise Gelegenheit, sich schon zum Vorgetragenen Gedanken zu machen.
Ich bitte aber jetzt, daß Frau Rechtsanwältin Becker ...
Rechtsanwalt Schily erklärt: „Um 16.00 Uhr verlasse ich den Saal.“
[337] Vors.:
Herr Rechtsanwalt Schily, das ist Ihre Sache.
Wenn Sie’s tun, Sie wissen, daß Sie als Pflichtverteidiger hier zu bleiben haben.[37]
Wir können Sie allerdings nicht mit Zwangsmitteln daran hindern, Ihre Absicht zu verwirklichen.
Frau Rechtsanwältin Becker.
Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, darf ich jetzt bitten.
RA v[on] Pl[ottnitz]:
... ich bin Norddeutscher, bei uns gibt’s den Begriff... in Frankfurt gibt’s den Begriff nicht ...
Vors.:
Sie werden sich an die süddeutsche Sprache, die ich pflege, gewonnen müssen. (Gelächter)[iiii]
Ich bitte um Ruhe im Saal.
RA v[on] Pl[ottnitz]:
Das heißt, es ist viertel vor 5 Uhr, ist viertel 5, viertel vor 5.
Vors.:
Nein, es ist viertel nach 4.
RA v[on] Pl[ottnitz]:
Das heißt also, der Senat, auf den Antrag, den wir gestellt haben, der abgelehnt worden ist, beabsichtigt der Senat jetzt die von ihm selbst als übliche Verhandlungszeit bezeichnet, Zeit bis 16 Uhr, um eine viertel Stunde noch zu verlängern, angesichts dessen, was wir vorgetragen haben.
[338] Vors.:
Wir haben versucht, die Zeit reinzuholen.
Wir waren ursprünglich so verabredet gewesen, daß wir möglichst, nicht bindend, um 16 Uhr Schluß machen.
Wir haben jetzt eine viertel Stunde durch dieses Gespräch verloren; die wollen wir nachholen.
Frau Rechtsanwältin Becker.
Es ist keine Strafe, es ist die Notwendigkeit, dieses Verfahren auch im Rahmen solcher Anträge voran zu bringen.
... es jetzt aus.
Diese viertel Stunde, die Sie dadurch erzwungen haben, anzuhängen, weil Sie einfach nicht einsehen wollen, daß der Senat Ihrem Antrag nicht stattgegeben hat, und daß jetzt Frau Rechtsanwältin Becker das Wort haben wird.
RA Schily:
... und deshalb eine prozeßuale Strafe einer Verlängerung der Verhandlungsdauer ...
Vors.: (unterbricht)
Es ist keine prozeßuale Strafe.
Wir haben doch selbstverständlich das Recht, das Sitzungsende nach Bedarf festzusetzen. Sie haben doch keinen Anspruch, um 16 Uhr Schluß zu haben.
Frau Rechtsanwältin Becker, bitte.
- Rechtsanwältin Becker verliest nunmehr die weitere Begründung des Antrags, der dem Protokoll vom 12.6. als Anlage 1 beigefügt ist. -
RA’in Becker:
Ich würde hier vorschlagen zu unterbrechen, da hier ein neuer Komplex anfängt und hier von der Sache her eine Zäsur auch sinnvoll wäre.
Vors.:
Können Sie uns mitteilen, wie weit ... wie viele Blätter dieser neue Komplex umfaßt.
[339] RA’in B[ecker]:
Ich bin jetzt auf Seite 20.
Vors.:
Ja schon, und wieviel Seiten werden das sein, die Sie da vorzutragen hätten?
RA’in B[ecker]:
46.
Vors.:
Ja, nun noch ...
RA’in B[ecker]:
Noch, noch 26.
Vors.:
Ja klar, aber es kommt drauf an, wieviel der neue Komplex umfaßt.
RA’in B[ecker]:
Ich sag ja grad, noch 26.
Vors.:
Der ganze Komplex ist jetzt von dem Rest umfaßt?
RA’in B[ecker]:
Also, da kommen noch 2 Komplexe.
Vors.:
Frau Rechtsanwältin, wir wollen doch die Zeit nützen, so wie wir es angekündigt haben, Mindestens bis 16.15 Uhr wollen wir mal sehen, ob wir durchkommen.
[340] RA’in B[ecker]:
Dann wird Rechtsanwalt Heldmann den Antrag weiter vortragen.
Vors.:
Bitte.
RA Heldmann:
Verzeihung, es ist kurze ... kurz ... (nicht zu verstehen).
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, würden Sie bitte fortfahren. Es wär’ uns lieb, damit wir die Zeit tatsächlich ausnützen.
Angekl. Meinhof:
Ich möchte zwischendurch einen Antrag stellen. Ich bitte um Ruhe.
Vors.:
Frau Meinhof, bitte benützen Sie das Mikrophon.
Angekl. Meinhof:
Ich beantrage,
solange es nicht so ist, daß wir in jeder Verhandlungspause, in der Mittagspause und morgens vor Verhandlungsbeginn zusammengeschlossen werden, in die Zelle zurückverlegt zu werden, hier im Keller, die sich neben den drei anderen befindet, und in der ich in den ersten zwei Verhandlungstagen war.
Durch meine Verlegung seit gestern in die äußere Zelle ist der Rufkontakt, der vorher zwischen uns möglich war, unmöglich gemacht.
[341] Vors.:
Frau Meinhof, wie ...
Angekl. Meinhof:
D.h., es ist eine Haftverschärfung, eine zusätzliche Isolationsmaßnahme.
Angeblich behaupten die Beamten, ist der Wasserhahn in der Zelle, die sich neben den drei anderen befindet, kaputt. Wo man sich allerdings fragt, wie geht ein Wasserhahn kaputt, der nicht benutzt worden ist, also was da eingebaut wird.
Vors.:
Frau Meinhof, wir sind nicht imstande jetzt ...
Angekl. Meinhof (redet dazwischen):
... um einen Wasserhahn.
Vors.:
Augenblick, ich bitte das Mikrophon abzustellen. Frau Meinhof, es tut mir leid. Wir sind nicht imstande, mitten in einem Antrag, den Ihre Verteidiger im Augenblick in Ihrem Interesse vortragen, nun einen weiteren Antrag von Ihnen hereinzunehmen. Das, was Sie gesagt haben, reicht im übrigen aus. Ich werde mich nachher mit den Herrn von der Haftanstalt in Verbindung setzen, damit wir der Frage nachgehen.
Es ist im Augenblick, Herr Rechtsanwalt, Sache von Herrn Rechtsanwalt Heldmann, nachdem Frau Rechtsanwältin Becker abgegeben hat, den Vortrag weiter zu ... den Antrag weiter zu begründen.
Es ist nicht möglich, daß wir sämtliche Anträge übereinanderschichten.
Angekl. Meinhof sinngemäß: Über ihren Antrag sei sofort zu entscheiden.
[342] Vors.:
Der muß heute nicht entschieden werden. Das ist ein Irrtum.
Sie können uns nicht vorschreiben, wann wir die Anträge entscheiden.
Wir nehmen ihn[jjjj] jetzt im Augenblick, wo sowieso ein Antrag für Sie gestellt wird, nicht entgegen.
Ich bitte Sie Herr Rechtsanwalt.
Aber das kann ich erwarten in der Verhandlungsleitung, daß Sie nicht zwischen die Begründung eines Antrags hinein einen weiteren Antrag bringen.
RA Sch[ily]:
Wieso nicht. Wir können uns[kkkk] durchaus auch mal eines anderen besinnen und können einen anderen Antrag vorschieben. Das ...
Vors.: (unterbricht)
Das können Sie ja ...
RA Sch[ily]:
... ist unser gutes Recht.
Vors.:
... nicht an, Herr Rechtsanwalt.
RA Sch[ily]:
Wie?
Vors.:
Das können Sie, aber wir nehmen ihn nicht in dieser Reihenfolge, nämlich zur Unzeit[38] entgegen.
Das Gericht ist doch nicht imstande, geschichtete Anträge zu bescheiden.
[343] Angekl. Meinhof:
D. h., es geht Ihnen hier darum, mit verschärften Isolationsmaßnahmen im Augenblick, während des Verfahrens zu arbeiten.
Vors.:
Nein, darum geht es nicht.
Angekl. Meinhof:
Das ist ganz klar.
Vors.:
Das ist völlig falsch.
Ich habe Ihnen gesagt, ich werde der Frage noch nachgehen, nachher. Jetzt ...
RA Sch[ily]:
... daß technische Anträge eine gewisse ...
Vors.:
Das wollen wir ja klären nachher.
RA Sch[ily]:
... einen gewissen Vorrang haben, daß also, grade weil wir jetzt - weil Sie ja sogar die Verhandlungsdauer verlängert haben - dann eben dieser technische Antrag vielleicht einen guten Vorrang benötigt.
Vors.:
Gut, ich bin bereit, wenn wir nachher diese Begründung von ...
Angekl. Meinhof:
... eine andere Rolle.
[344] Vors.:
Frau Meinhof, wenn die Begründung von ... des Antrages so weit, wie wir das vorsehen und in der Zeit vorgetragen ist, bin ich bereit, das, was Sie vorzutragen haben, noch anzuhören.
RA Riedel:
... muß dort wieder zurück und zwar zu Beginn der Verhandlung morgen früh.
Vors.:
Ich habe gesagt, daß, nachdem die Begründung jetzt weiter vorgetragen ist, die Gelegenheit gegeben sein wird, diesen Antrag, den Frau Meinhof eben gestellt hat, nochmals vorzubringen.
Wir sind bereits ...
RA Riedel:
Es war ... (war nicht zu verstehen)
Vors.:
Das muß jetzt nicht sein, das prozessuale Recht haben Sie nicht.
Das liegt beim Vorsitzenden, ob er zur Unzeit einen neuen Antrag entgegennimmt oder nicht.
Rechtsanwalt Riedel:
... dieses prozessuale ...
Vors.:
... Verhandlungsleitung.
[345] RA Riedel:
Das hat mit der Verhandlungsleitung doch nichts zu tun, wenn ich im Stand bin, ihr ...
Vors.:
Sie kann es noch vortragen.
RA Ri[edel]:
... ihre Verhandlungsfähigkeit leidet darunter, wenn sie dort untergebracht ist, wie sie das jetzt schildert.
Vors.:
Sie ist dort nicht untergebracht im Augenblick. Sie hat nachher, wenn die Begründung weiter vorgetragen ist, die Gelegenheit, Ihren Antrag zu stellen. Sie wird in nichts behindert.
Bitte, Herr Rechtsanwalt Heldmann.
RA Heldmann:
Die Fortsetzung dieses Begründungsantrags wird, was der Senat ja weiß, eine weitere Stunde in Anspruch nehmen.
Vors.:
Wir werden zu geeignetem Zeitpunkt unterbrechen.
Ja, ich werde jetzt dann der Bundesanwaltschaft Gelegenheit geben, über diesen ersten Komplex sich Gedanken zu machen und Stellung zu nehmen. Wir sind nicht bereit, dieses Verfahren, das Sie uns hier aufzwingen wollen, zu dulden.
Herr Rechtsanwalt Schily, es war eben Herr Rechtsanwalt Heldmann bereit, weiter vorzutragen.
Sie haben ihm abgewinkt. Ich weiß nicht, ob das Verhältnis zwischen Ihnen so ist, daß Sie ihm das Wort abschneiden [346] können oder beraten müßten, daß er nicht weiter vortragen dürfe.
RA Sch[ily]:
Wissen Sie, solche Bemerkungen würde ich Ihnen empfehlen, wirklich zu unterlassen.
Das ist Sache des Kollegen Heldmann und mir, wie wir unser Verhältnis beurteilen. Ich glaube, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, in der Richtung. Wirklich nicht.
Vors.:
Ich mache mir keine Sorgen ...
RA Sch[ily]:
Ja, sicherlich und wenn ...
Vors.:
... ich mache mir Sorgen um den Prozeß.
RA Sch[ily]:
... Sorgen darum, daß also hier mit verhandlungsunfähigen Angeklagten weiterverhandelt werden soll. Und ich sagte Ihnen ja, für mich ist die Verhandlung heute jetzt zu Ende.
Vors.:
Für Sie.
Das mag sein.
- Rechtsanwalt Schily entfernte sich um 16.05 Uhr aus dem Sitzungssaal. -
RA v[on] Pl[ottnitz]:
Auch für mich, Herr Vorsitzender, ich habe es bereits in der Mittagspause, wie ich Ihnen vorher sagte, mit Herrn [347] Baader zum wiederholten Male ausführlich über seinen Gesundheitszustand gesprochen.
Er hat sich bereits in der Mittagspause für meinen Laienblick als verhandlungsunfähig erwiesen. Ich habe eben gefragt, und ich weiß, daß er verhandlungsunfähig ist. Und da mein Mandant verhandlungsunfähig ist, ist er nicht mehr anwesend und ohne seine Anwesenheit werde ich selbstverständlich keine weiteren Anträge für Ihn verlesen.
Vors.: (zum Protokoll)
Sie haben protokolliert, daß Herr Rechtsanwalt Schily den Saal verlassen hat?
RA v[on] Pl[ottnitz]:
Tja, was dieser Erklärung anzuschließen, auch zu erklären ist, wenn ich den Saal verlasse, will ich dann im übrigen nur mit einem Satz noch ergänzen, was schon gesagt worden ist. Der Senat hat, wie schon gesagt, die Länge der Verhandlungsdauer gegenüber den bisherigen Sitzungstagen heute noch über das hinausgedehnt, was gemeint und üblich war, und das in einer Situation, in der von der Verteidigung substantiiert dargelegt worden ist, daß und warum Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit der Mandanten bestehen.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Riedel
RA Riedel:
Ich möchte noch ein Wort dazu sagen. Ich möchte ebenfalls durch meine weitere Gegenwart nicht den Anschein erwecken, als ginge ich davon aus, entgegen dem, was ich vorher gesagt habe, daß meine Mandantin uneingeschränkt weiterhin verhandlungsfähig ist und werde dann auch den Saal verlassen.
[348] Rechtsanwalt von Plottnitz entfernte sich um 16.07 aus dem Sitzungssaal.
Vors.:
Wollen Sie den Saal auch verlassen?
Ich mein’, Sie bieten hier ein interessantes Beispiel dafür, was wir heute früh und gestern zu begründen hatten.
Sie waren nicht dabei, Herr Rechtsanwalt Heldmann, was gestern begründet worden ist.
RA’in Becker:
Herr Vorsitzender, wir haben nicht begründet, warum wir hier nicht weiter verhandeln können, warum die Gefangenen hier an der Verhandlung nicht weiter teilnehmen können.
Vors.:
Sie glauben, daß Sie auf Grund Ihrer Behauptung, daß Verhandlungsfähigkeit eingetreten ist, im Augenblick die Sitzung sabotieren könnten.
Nichts anderes geschieht, ... (nicht zu verstehen)
RA’in Becker:
Ich gehe davon aus, wenn die Gefangenen mir sagen, daß sie nicht mehr weiter verhandeln können, daß sie dann verhandlungsunfähig sind. Allerdings.
Vors.:
Es ist hochinteressant, daß, wenn das Gericht Ihrer Argumentation nicht stattgibt, Sie gleichwohl glauben, Sie könnten damit die Verhandlung sabotieren und den Saal verlassen.
[349] Das ist ein außerordentlich interessantes Beispiel für das, was uns die Notwendigkeit vorgeschrieben hat, hier Vorkehrungen[llll] zu treffen, daß das ganze Verfahren nicht dasselbe Schicksal erleidet.
RA Riedel:
Herr Vorsitzender, wenn wir hier diese Konsequenz ankündigen und durchführen, dann bedeutet das nicht, daß hier irgend etwas sabotiert werden soll. Das Gericht hat selbst vorhin erklärt, daß die ... Sitzungsende 16.00 Uhr ist. Es hat dann, quasi wie der Kollege Schily sagt, aus prozessualer Strafe das Sitzungsende um eine weitere viertel Stunde verlängert. Wenn wir sagen und das begründen, und ich hab’ drauf hingewiesen, daß ich es deswegen so begründe, daß ich von meiner Mandantin weiß, auf Grund des bestehenden Mandatsverhältnis, daß ihre Verhandlungsfähigkeit unter Umständen - ich drück’ das ganz vorsichtig aus - nicht mehr voll gegeben ist, dann hab ich daraus die Konsequenz zu ziehen und sabotiere überhaupt nichts, sondern ich tue im Gegenteil etwas gegen das Interesse meiner Mandantin, wenn ich hier nicht alle Mittel einsetze, um zu verhindern, daß weiter verhandelt wird, daß [mmmm] also ein prozessualer Zustand eintritt, der die Verhandlung auch nicht verwertbar macht.
Vors.:
Ich stelle fest, daß das Gericht zur Behauptung, daß eine Verhandlungsunfähigkeit eingetreten sei, nicht folgt, daß es deswegen den entsprechenden Anträgen nicht stattgegeben hat, daß es sich aber gezwungen sieht, im Augenblick wegen des Verhaltens der Herren [350] Verteidiger, nicht wegen der Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten, die Sitzung für heute zu unterbrechen. Morgen früh um 9.00 Uhr ist Fortsetzung.
Reg. Dir. Widera:
Herr Vorsitzender, ich hab’ noch eine Frage. Wird denn Frau Rechtsanwältin Becker entsprechend Ihrer Zusage bereit sein, den Antrag und die Begründung - soweit bisher verlesen - jetzt zu überreichen, damit die Bundesanwaltschaft ihn in die Hand bekommt, soweit er verlesen ist.
Vors.:
Frau Rechtsanwältin, das würde ich ...
RA’in Becker:
Ich werde den Antrag als Ganzes übergeben.
Ich seh’ keine Veranlassung, jetzt diesen Antrag auseinander zu verreißen und die eine Hälfte heute schon zu übergeben. Das ist ’ne Einheit, dieser Antrag, den ich jetzt auch nicht in einzelnen Teilen übergeben kann.
Reg. Dir. Widera:
Das war also der Sinn der letzten dreiviertel Stunde des Redens der Sitzung!
Vors.:
Wir haben unterbrochen.
- Ende der Sitzung um 16.10 Uhr -
Ende dieses Bandes
[1] Anlage 1 zum Protokoll vom 11.6.1975: Strafprozessvollmacht für Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
[2] „Pflichtverteidiger des Vertrauens“ ist keine offizielle Bezeichnung. Sie dient hier der Abgrenzung derjenigen Pflichtverteidiger/innen, die von den Angeklagten zuvor als Wahlverteidiger/innen frei gewählt worden waren (§§ 137, 138 StPO) und vom Gericht auf Antrag als Pflichtverteidiger (§§ 141, 142 StPO) beigeordnet wurden, von denjenigen Pflichtverteidigern, die den Angeklagten vom Gericht zusätzlich gegen ihren Willen beigeordnet wurden. Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-) Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).
[3] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Das Verfahrensstadium zwischen dem Aufruf der Sache und der Vernehmung zur Person nimmt üblicherweise nur wenig Raum ein. In diesem Verfahren allerdings fand die Vernehmung zur Person sowie die Verlesung der Anklageschrift erst am 26. Verhandlungstag statt.
[4] Vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die damaligen Verteidiger Baaders, die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Ströbele und Groenewold, auf Grundlage des neu geschaffenen § 138a StPO wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung - Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF - ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.). Der vierte Verteidiger Baaders, Siegfried Haag, tauchte nur wenige Tage vor dem ersten Verhandlungstag unter und schloss sich der RAF an, nachdem er zuvor zwar vorläufig festgenommen, der Erlass eines Haftbefehls aber zunächst durch den zuständigen Richter am BGH abgelehnt worden war (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; s. auch seine Presseerklärung in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).
[5] Den Angeklagten wurden je zwei Verteidiger (gegen ihren Willen) durch das Gericht als Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet. Die Angeklagten lehnten die von ihnen sog. Zwangsverteidiger vehement ab und weigerten sich, mit ihnen zu reden. Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[6] § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO lautet: „Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.“ § 138 StPO legt fest, welche Personengruppen die Verteidigung übernehmen können (neben Rechtsanwältinnen und -anwälten z.B. auch Rechtslehrer/innen an Hochschulen mit der Befähigung zum Richteramt).
[7] Gemeint ist Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, wonach jeder angeklagten Person das Recht zusteht, sich von einem/einer Verteidiger/in ihrer Wahl verteidigen zu lassen.
[8] Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates. Der Bundestag stimmte der Konvention mit Gesetz vom 7. August 1952 (BGBl. II, S. 685; s. auch die Neufassung vom 17. Mai 2002, BGBl. II, S. 1054) zu, sodass sie den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat (Art. 59 Abs. 2 GG); die Ratifizierung erfolgte am 5.12.1952. Das Bundesverfassungsgericht zieht den Konventionstext sowie die Rechtsprechung des EGMR allerdings auch auf der Ebene des Verfassungsrechts zur Auslegung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Verfassungsgrundsätzen heran. Dies sei Ausdruck der „Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes“, welches „nach Möglichkeit so auszulegen [sei], dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht ent[stehe]“ (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - Az. 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, S. 307, 317 f.).
[9] Gemeint ist wohl ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Darin führt das Gericht aus, dem Zwecks Stellungnahme zu neu eingebrachten Akten gestellten Vertagungsantrag müsse schon deshalb entsprochen werden, um das Recht auf Akteneinsicht zu gewährleisten, welches sich nicht in der Kenntnisnahme des Inhalts erschöpfe, sondern auch die Möglichkeit umfasse, sich zu dem Inhalt zu äußern. Dies entspreche auch dem in Art. 103 GG gewährleisteten Recht auf rechtliches Gehör (BVerwG, Urt. v. 24.11.1961 - Az.: VII C 151.60, BVerwGE 13, S. 187, 190).
[10] Art. 103 Abs. 1 StPO lautet: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“
[11] Die Vorschriften über den Ausschluss von Verteidiger/innen (§§ 138a ff. StPO) wurden, wie zahlreiche weitere Reformen, durch welche die Rechte der Beschuldigten und der Verteidigung eingeschränkt wurden, erst wenige Monate vor Beginn der Hauptverhandlung durch das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.).Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.).
[12] Der erste Antrag auf Ausschließung eines Verteidigers wurde am 3.3.1975 gestellt und richtete sich gegen Rechtsanwalt Dr. Croissant; am 11.3.1975 wurde der Ausschluss des Rechtsanwalts Groenewold und am 16.4.1975 schließlich der Ausschluss des Rechtsanwalts Ströbele beantragt. Die Entscheidungen des 1. Strafsenats des OLG Stuttgart ergingen am 22.4., 2.5. und 13.5.1975 (s. die Ausführungen des Rechtsanwalts Heldmann, S. 839 des Protokolls der Hauptverhandlung, 11. Verhandlungstag; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).
[13] Die Unschuldsvermutung ist in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankert: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ Das Bundesverfassungsgericht leitet sie auch aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG her, wodurch ihr Verfassungsrang zukommt (ausführlich BVerfG, Beschl. v. 26.3.1987 - Az.: 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, S. 358, 370; s. aber auch bereits BVerfG, Beschl. v. 19.7.1967 - Az.: 2 BvR 489/66, BVerfGE 22, S. 254, 265 sowie BVerfG, Beschl. v. 15.4.1969 - Az.: 1 BvL 20/68, BVerfGE 25, S. 327, 331).
[14] Gemeint ist die Entscheidung BGH, Urt. v. 17.7.1973 - Az.: 1 StR 61/73. Dort heißt es: „Zwar soll sich der Angeklagte in der Regel eines Anwalts seines Vertrauens bedienen können [...]. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Hauptverhandlung unter allen Umständen in Gegenwart dieses Verteidigers durchgeführt oder zum Abschluß gebracht werden muß. [...] Der Verteidiger hat es also grundsätzlich, nicht in der Hand, unter Hinweis auf andere Aufgaben oder persönliche Gründe eine Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zu erzwingen“ (NJW 1973, S. 1985 f.). In derselben Entscheidung heißt es allerdings auch: „Das schließt andererseits nicht aus, daß das Gericht im Einzelfall auch auf den Zeitplan des Verteidigers Rücksicht nimmt und etwa seiner kurzfristigen Verhinderung - soweit möglich - durch eine Terminsverlegung um wenige Tage oder durch eine Unterbrechung der Hauptverhandlung Rechnung trägt“ sowie „das Gericht [kann] - unabhängig von der Regelung des § 145 StPO und von sonstigen Anträgen und Anregungen der Beteiligten - gemäß § 265 Abs. 4 StPO von Amts wegen verpflichtet sein, nach einem Verteidiger Wechsel die Hauptverhandlung auszusetzen, wenn dies zur angemessenen Vorbereitung der Verteidigung als erforderlich erscheint“.
[15] Das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) wurde erst wenige Monate vor Beginn der Hauptverhandlung durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass die zuvor zugelassene Blockverteidigung - die gemeinsame Verteidigung aller Angeklagten durch mehrere Verteidiger/innen - unzulässig wurde und die Verteidigung neu sortiert werden musste. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten.
[16] § 257 Abs. 2 StPO lautet: „Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.“
[17] § 257 StPO wurde durch das Ergänzungsgesetz zum Ersten Strafverfahrensreformgesetz vom 20.12.1974 neu gefasst. Die zuvor in § 257a StPO enthaltene Vorschrift gab der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft noch ein zeitlich und inhaltlich unbeschränktes Erklärungsrecht. Vereinzelt wurde zwar vertreten, dass die Einschränkung des § 257 StPO a.F., welcher das Erklärungsrecht von Angeklagten zumindest zeitlich an vorangegangene Beweismittel knüpfte, auf das Erklärungsrecht nach § 257a StPO übertragen werden müsse; überwiegend wurde dies aber aufgrund des unbeschränkten Wortlautes abgelehnt (s. dazu Gollwitzer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 22. Aufl. 1973, § 257a Anm. 1 ff.).
[18] Zu dem in Art. 6 EMRK verbürgten Recht auf ein faires Verfahren gehört u.a. der Anspruch, dass eine Strafanklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird (Abs. 1 Satz 1). Hierdurch soll erreicht werden, dass das Strafverfahren ohne vermeidbare Verzögerungen durchgeführt wird, damit Angeklagte den belastenden Auswirkungen eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens nicht unnötig lang ausgesetzt werden. Befindet sich eine Person in Untersuchungshaft, erlangt der Beschleunigungsgrundsatz eine noch größere Bedeutung (Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, Art. 6 EMRK Rn. 361 f.)
[19] Anlage 2 zum Protokoll vom 11.6.1975: Antrag des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf Unterbrechung der Hauptverhandlung für 10 Tage.
[20] § 145 Abs. 3 StPO lautet: „Erklärt der neu bestellte Verteidiger, daß ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen.“
[21] § 228 Abs. 2 StPO lautet: „Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.“
[22] § 265 Abs. 4 StPO lautet: „Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.“
[23] S. dazu die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 235 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (3. Verhandlungstag).
[24] Bereits mit Verfügung vom 3. Februar 1975 hatte der Vorsitzende Dr. Prinzing die Beiordnung der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele als Pflichtverteidiger von Andreas Baader aufgehoben, da nicht auszuschließen sei, „daß sie von den Bestimmungen über den Ausschluß von Verteidigern im Strafverfahren betroffen werden könnten“ (s. dazu S. 235 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).
[25] Der 3. Strafsenat des BGH war nach dem Geschäftsverteilungsplan u.a. zuständig für Beschwerden gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte (Bundesanzeiger 1975, Beilage 10/75 zu Nr. 46, S. 4), sodass er auch zuständig war für die Entscheidungen über Beschwerden gegen den Ausschluss von in diesem Verfahren tätigen Verteidiger/innen.
[26] In BVerfG, Beschl. v. 16.12.1958 - Az.: 1 BvR 449/55, BVerfGE 9, S. 36, 38, heißt es dazu: „[B]ei der Bestellung eines Pflichtverteidigers handelt es sich um eine Maßnahme staatlicher Fürsorge, bei der zwar den Wünschen des Angekl. möglichst Rechnung zu tragen ist, dem Staat jedoch die Entscheidung vorbehalten bleibt. In der Regel wird es also geboten sein, dem Angekl. den Anwalt seines Vertrauens als Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen“.
[27] Siegfried Buback war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Generalbundesanwalt und damit Leiter der Strafverfolgungsbehörde „Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, welche das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) ausübt (§ 142a Abs. 1 GVG).
[28] Die Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung der zehntägigen Unterbrechung nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an, da sie mangels dringenden schutzwürdigen Interesses bereits unzulässig sei (die Entscheidung vom 10.7.1975, Az.: 2 BvR 548/75, ist abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 16. Juli 1975, 17. Verhandlungstag, S. 1342).
[29] Ein Gerichtsbeschluss erlangt (formelle) Rechtskraft, wenn er (im selben Verfahren) unanfechtbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs abgelaufen ist, oder wenn alle Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind und eine letztinstanzliche Entscheidung ergangen ist. Mit der Rechtskraft entfaltet der Beschluss auch seine dauerhafte Wirkung, die nur ausnahmsweise wieder durchbrochen werden kann, etwa durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, §§ 44 ff. StPO (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 51).
[30] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.
[31] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).
[32] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).
[33] Über kürzere Unterbrechungen der Hauptverhandlung entscheidet der/die Vorsitzende (§ 228 Abs. 1 Satz 2 StPO). Wird eine entsprechende Anordnung (oder ihre Ablehnung) durch eine/n Prozessbeteiligte/n als unzulässig beanstandet, entscheidet das Gericht (§ 238 Abs. 2 StPO), in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.
[34] Die gerichtliche Voruntersuchung wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 durch das erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) abgeschafft. Das alte Recht eröffnete der Staatsanwaltschaft in bedeutsamen Strafsachen, namentlich solchen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug oder der Schwurgerichte gehörten, die Möglichkeit, einen Antrag auf Durchführung einer Voruntersuchung zu stellen (§§ 178, 179 StPO a.F.). In dem Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung lag zugleich die Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft (§ 170 Abs. 1 StPO a.F.), die mit der Eröffnung der Voruntersuchung allerdings nicht mehr zurückgenommen werden konnte (§ 156 StPO a.F.). Im Rahmen der Voruntersuchung wurden Richter/innen funktionell als Ermittlungsorgan - sog. Untersuchungsrichter/innen (nicht zu verwechseln mit den auch heute noch vorgesehenen Ermittlungsrichter/innen, § 162 StPO) - tätig. Die gerichtliche Voruntersuchung gehörte gemeinsam mit dem vorbereitenden Verfahren (§§ 158 ff. a.F.), das in den Händen der Staatsanwaltschaft lag, dem sog. Vorverfahren an (zur Terminologie s. Kohlhass in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, Vor § 158 Anm. 1; Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 30. Aufl. 1971, Vor § 178, Anm. 1). Das gerichtliches Ermittlungsverfahren hatte, genau wie das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, die Klärung der Frage zum Ziel, ob der für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderliche hinreichende Tatverdacht begründet werden könne. Der Unterschied zum vorbereitenden Verfahren lag darin, dass sich die Anschuldigung in der Voruntersuchung bereits gegen eine bestimmte Person aufgrund einer bestimmten Tat richtete (s. nur § 179 StPO a.F. sowie Kohlhass in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, Vor § 178, Anm. 1). Der gerichtlichen Voruntersuchung folgte das Zwischenverfahren, in dem über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden wurde (§ 198 StPO a.F.).
[35] Die Verteidigung rügte die Besetzung des Gerichts, insbesondere die Besetzung der Position des Vorsitzenden mit Dr. Prinzing und äußerte die Vermutung, dieser sei durch die Staatsschutzbehörden ausgewählt worden, um das Verfahren in Stammheim zu führen; die eigentlich besetzte - allerdings wohl nicht mit dem geeigneten Kandidaten - Stelle sei dafür eigens freigeschaffen worden. Siehe hierzu den Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Einstellung des Verfahrens (Anlage 2 zum Protokoll vom 5.6.1975, S. 123 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 2. Verhandlungstag), sowie die Ablehnung des Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit am 7. Verhandlungstag (Teil II der Anlage 1 zum Protokoll vom 19.6.1975, S. 44 ff. der Anlage). Zur dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing s. S. 681 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 7. Verhandlungstag.
[36] Bis 1963 ging die Rechtsprechung davon aus, der Grundsatz „in dubio pro reo“ gelte nicht bei der Prüfung von Verfahrensvoraussetzungen, sondern nur bei der Beantwortung der Schuld- und Tatfrage. In einem Beschluss vom 19.2.1963 - Az.: 1 StR 318/62, BGHSt 18, S. 274, 277, stellte der BGH allerdings klar, dass dies nicht für alle Verfahrensvoraussetzungen oder -hindernisse „schablonenhaft“ beantwortet werden könne. Stattdessen sei eine Entscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen. Seit 2009 nimmt der BGH für Verfahrensvoraussetzungen grundsätzlich an, dass sie nicht erfüllt seien, wenn Zweifel an ihrem Vorliegen bestünden (und entsprechend ein Verfahrenshindernis immer dann schon anzunehmen sei, wenn es möglicherweise vorliege). Dabei bleibt offen, ob dies durch Anwendung des Zweifelssatzes oder durch die Einordnung der Verfahrensvoraussetzungen als Bedingung für die Zulässigkeit eines Sachurteils erfolgt (BGH, Urt. vom 30.7.2009 - Az.: 3 StR 273/09, NStZ 2010, S. 160 f.; s. auch Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn. 964 ff.).
[37] Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).
[38] Die Entscheidung, einen Antrag anzunehmen, ist Bestandteil der Verhandlungsleitung, welche durch den/die Vorsitzende ausgeübt wird (§ 238 Abs. 1 StPO). Es besteht aber keine Verpflichtung, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Prozessbeteiligte, die einen Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stellen, können daher auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 10.6.2014 - Az.: 3 StR 57/14, NStZ 2014, S. 668, 670; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 238 Rn. 5).
[a] Handschriftlich eingefügt: Dr.
[b] Handschriftlich eingefügt: Dr.
[c] Handschriftlich eingefügt: ich
[d] Handschriftlich eingefügt: ist
[e] Handschriftlich durchgestrichen: etwas
[f] Handschriftlich durchgestrichen: etwa
[g] Handschriftlich ergänzt: geradezu
[h] Handschriftlich eingefügt: auf
[i] Handschriftlich ersetzt: sagt durch heißt es
[j] Handschriftlich eingefügt: Um
[k] Handschriftlich durchgestrichen: war
[l] Handschriftlich ergänzt: Entscheidungen
[m] Handschriftlich ersetzt: daß durch als
[n] Handschriftlich ersetzt: aus durch als
[o] Handschriftlich durchgestrichen: einer außergewöhnlichen
[p] Handschriftlich eingefügt: dies
[q] Handschriftlich ergänzt: eine
[r] Handschriftlich durchgestrichen: grundsätzliches
[s] Handschriftlich ergänzt: Bundesgerichtshofsentscheidung
[t] Handschriftlich ersetzt: hat durch wurde
[u] Handschriftlich ergänzt: entgegengehalten
[v] Maschinell eingefügt: in
[w] Handschriftlicher Vermerk: Vgl. § 287
[x] Maschinell eingefügt: sich
[y] Handschriftlich ersetzt: die durch wollen wir
[z] Maschinell eingefügt: dazu
[aa] Maschinell durchgestrichen: zusammenbleiben
[bb] Maschinell durchgestrichen: Rechtsanwalt
[cc] Handschriftlich ersetzt: Das erste durch Als Erstes
[dd] Handschriftlich ergänzt: Tatsachen
[ee] Handschriftlich eingefügt: nach
[ff] Maschinell eingefügt: wie
[gg] Handschriftlich durchgestrichen: sie
[hh] Handschriftlich ergänzt: ihm
[ii] Maschinell eingefügt: dem
[jj] Handschriftlich durchgestrichen: um eine
[kk] Maschinell durchgestrichen: auf
[ll] Handschriftlich ergänzt: gewählten
[mm] Handschriftlicher Vermerk: S. 12.
[nn] Handschriftlich ersetzt: können durch konnte
[oo] Maschinell eingefügt: nach
[pp] Maschinell eingefügt: hat
[qq] Handschriftlich ersetzt: im durch vom
[rr] Handschriftlich durchgestrichen: auch der
[ss] Handschriftlich ersetzt: so durch zu
[tt] Handschriftlich ergänzt: Dispositionen
[uu] Maschinell ergänzt: daran
[vv] Handschriftlich ersetzt: oder durch das
[ww] Handschriftlich durchgestrichen: oder konnte
[xx] Handschriftlich durchgestrichen: dann
[yy] Handschriftlich durchgestrichen: bis
[zz] Handschriftlich ergänzt: Erscheint
[aaa] Handschriftlich eingefügt: das ist
[bbb] Handschriftlich eingefügt: die
[ccc] Handschriftlich eingefügt: Herr
[ddd] Maschinell eingefügt: das
[eee] Handschriftlich ersetzt: der durch auf die
[fff] Handschriftlich ergänzt: abgekürzt
[ggg] Handschriftlich durchgestrichen: weiß,
[hhh] Handschriftlich eingefügt: in
[iii] Maschinell eingefügt: von
[jjj] Handschriftlich ersetzt: und durch in
[kkk] Handschriftlich ergänzt: einen
[lll] Handschriftlich durchgestrichen: in der
[mmm] Handschriftlich ergänzt: erkaufen
[nnn] Handschriftlich ergänzt: dann
[ooo] Maschinell eingefügt: Am
[ppp] Maschinell eingefügt: doch
[qqq] Handschriftlich ersetzt: daher durch da ja
[rrr] Handschriftlich eingefügt: ist
[sss] Handschriftlich eingefügt: an
[ttt] Handschriftlich eingefügt: sich
[uuu] Handschriftlich ersetzt: war durch hier
[vvv] Handschriftlich ersetzt: da durch ja
[www] Maschinell eingefügt: man
[xxx] Maschinell durchgestrichen: noch
[yyy] Handschriftlich eingefügt: jedoch
[zzz] Handschriftlich eingefügt: zu
[aaaa] Handschriftlich durchgestrichen: vom
[bbbb] Handschriftlich ersetzt: entwickelt durch entwickeln
[cccc] Handschriftlich ersetzt: Ich war durch Nicht wahr
[dddd] Maschinell ergänzt: Verhandlungsunfähigkeit
[eeee] Handschriftlich ersetzt: gut durch geht
[ffff] Handschriftlich durchgestrichen: befragen
[gggg] Maschinell eingefügt: Sie
[hhhh] Maschinell eingefügt: hat
[iiii] Handschriftlich eingefügt: (Gelächter)
[jjjj] Handschriftlich durchgestrichen: ihnen
[kkkk] Handschriftlich eingefügt: uns
[llll] Handschriftlich ergänzt: Vorkehrungen
[mmmm] Maschinell durchgestrichen: ist