10. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 26. Juni 1975, 9.03 Uhr



[798] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, den 26. Juni 1975, 9.03 Uhr

(10. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erschienen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte waren anwesend: Just. Sekr. Janetzko, Just. Ass. z. A. Clemens

Die Angeklagten waren anwesend mit ihren Verteidigern Rechtsanwälte Becker, Riedel, Heldmann, von Plottnitz, Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, König, Linke und Grigat.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Die Angeklagten sind anwesend. Ich sehe auf der Verteidigerbank fehlt Herr Rechtsanwalt Schily und Herr Rechtsanwalt Schlaegel. Die Angeklagten sind aber verteidigt.

RA’in B[ecker]:

RA Schily läßt sich[a] entschuldigen, er kommt eine viertel Stunde später.

Vors.:

Danke. Wir kommen damit zur Vernehmung zur Person ...

RA R[iedel]:

Herr Vorsitzender, ich möchte zunächst um das Wort bitten. Ich habe einen Schriftsatz an das Gericht zu überreichen für den Mitverteidiger Köncke, den ich kurz verlesen möchte.

Vors.:

Darf ich fragen, Herr Rechtsanwalt, geht es darum einen Antrag zu stellen?

RA R[iedel]:

Richtig, richtig. Der Schriftsatz ist gerichtet an den zweiten Strafsenat, Oberlandesgericht Stuttgart.

Vors.:

Aber ich wäre doch dankbar, wenn der Antrag zunächst formuliert werden würde, damit er[b] auch als Antrag erkennbar ist.

RA R[iedel]:

Ich beantrage für meine Mandantin, das Verfahren auszusetzen, bis das[c] Material in die Hände der Verteidigung gelangt ist, das [799] bei den Durchsuchungsaktionen am Montag und den darauffolgenden Tagen, soweit es das Büro in Stuttgart des Kollegen Croissant betrifft, von den tätigen Staatsanwaltschaften in Stuttgart und von der Bundesanwaltschaft beschlagnahmt worden ist.[1] Das Material, um das es sich handelt, werde ich im folgenden Zusammenhang mit der Begründung noch naher bezeichnen. Das Schreiben des Mitverteidigers Köncke lautet folgendermaßen.

Rechtsanwalt Riedel verließt den Schriftsatz des Rechtsanwalt Köncke vom 25.6.1975 aus Anlage 1 zum Protokoll.

Dieser Schriftsatz wurde übergeben und dem Protokoll als Anlage 1 beigefügt.

Vors.:

Von wann ist das Schreiben? Herr Rechtsanwalt Riedel, bitte, wann ist das Schreiben abgefaßt?

RA R[iedel]:

Das Schreiben datiert vom gestrigen Tage, also[d] 25.6.1975, unterschrieben Köncke, Rechtsanwalt. Weiterhin zur Begründung des Antrags weise ich auf ein Schreiben, eine Beschwerde von mir, gerichtet an das Amtsgericht in Stuttgart im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt Croissant. Die Beschwerde richtet sich und ist eingelegt für die Mandantin Ulrike Meinhof und richtet sich gegen die Beschlagnahme der Asservaten-Nr. 47, 66, 107, 108, 174 und 182 der Liste, die von der Staatsanwaltschaft Stuttgart aufgestellt worden ist im Zusammenhang mit der Durchsuchung der genannten Büroräume. Die angeführten Asservate betreffen Verteidigermaterial, das der Beschlagnahme nach § 97 StPO[2] nicht unterliegt. Hierzu ist noch ergänzend zu sagen, daß ursprünglich eine weit umfassendere Anzahl von Asservaten, die Verteidigermaterial betreffen, mitgenommen worden ist, wie am gestrigen Tage festgestellt werden konnte. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat auf Vorstellung der Kollegin Becker hin, Teile davon zurückgegeben. Die jetzt in diesem Schreiben erwähnten sind nicht zurückgegeben, bisher. Das letzte kam [800][3] [801] gestern um 20 Uhr etwa von der Staatsanwaltschaft zurück. Diese genannten Asservate sind noch im Besitz der Staatsanwaltschaft. Insbesondere die Asservat-Nr. 182 ist unerläßliches Material und auch nötig für die Hauptverhandlung, unter Umständen sogar heute. Denn die Nr. 182 beinhaltet drei Entwürfe für Erklärungen der Mandantin, in diesem Verfahren und auch in diesem Verfahrensstadium.

Vors.:

Haben Sie diese Nummern schriftlich festgelegt, so daß wir vielleicht nachher die Nachforschungen ...

RA R[iedel]:

Die sind auf der Begründung drauf.

Vors.:

Wird die Begründung übergeben?

RA R[iedel]:

Ja.

- RA. Riedel übergibt weiterhin ein Durchschlag des Beschwerde-Schreibens vom 25.6.75, das dem Protokoll als Anlage 1 a [e] beigefügt ist -

Vors.:

Das ist gut. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, ich glaube Sie hatten vorhin ...

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich glaube Herr Heldmann wollte ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, bitte.

RA H[eldmann]:

Ich schließe mich diesem Aussetzungsantrag an. Ich habe als Verteidiger für den Kollegen Croissant gestern Beschwerde gegen die Beschlagnahme der folgenden Asservate erhoben, die ich als ursprünglich beschlagnahmte wie folgt bezeichne.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann, verstehe ich Sie richtig, als Verteidiger von Herrn Rechtsanwalt Dr. Croissant, haben Sie Beschwerde erhoben?

RA H[eldmann]:

Als Verteidiger von Rechtsanwalt Dr. Croissant und zugleich im Interesse der Verteidiger, die hier noch verbunden sind. Und zwar handelt es sich um folgende Beschlagnahme, wozu ich bemerke, was für die Entscheidung selbst nicht erheblich ist, aber für Entscheidungsvorgänge ein Aspekt zu geben vermag, wie ich selbst bei der gestrigen Durchsuchung, es war so eine dreitägige Durchsuchung, des Rechtsanwaltsbüros Croissant. Bei der [802][4] [803] gestrigen Durchsuchung war ich dank des sitzungsfreien Tages in der Lage, für Herrn Croissant teilzunehmen und selbst gesehen habe, wie die beiden Ersten Staatsanwälte Pfiszter und Hermann Stück für Stück der Verteidigerakten des Herrn Croissant und das Archivmaterials dort durchgesehen, darin gelesen haben, haben einpacken lassen und abtransportieren lassen. Ein Vorgang der sich über drei Tage lang hingezogen hat. Hierbei sind insbesondere die folgenden, für dieses Verfahren, für diesen Prozeß relevanten Dokumente, Ordner im wesentlichen beschlagnahmt worden, nämlich: Asservat 29 und darauf bezog sich meine Beschwerde an das Amtsgericht Stuttgart gegen Beschlagnahme mit dem Antrag auf Herausgabe dieser Stücke: 29 Presseausschnitte RAF, Ordner Presseausschnitte RAF 30, Ordner Presseausschnitte RAF. Das ist Archivmaterial, das die Verteidigung insgesamt genauso benötigt wie selbstverständlich die Bundesanwaltschaft für ihre Arbeit in diesem Prozeß ohne entsprechendes Archivmaterial nicht auskommen kann, Randbemerkung nur. Asservat 31 Presseausschnitte RAF, Asservat 32 Presseausschnitte für RAF-Verteidigung. Asservat 39, das sind alles Leitzordner der Verteidiger, Asservat 44, Ordner aus Ausschlußverfahren Ströbele, Asservat 47 Presseerklärungen, Strafanzeigen, ärztliche Gutachten, Asservat 50 Presseverteiler Stuttgart, d. h. also, daß die Öffentlichkeitsarbeit der Verteidigung, die genauso notwendig ist und mit Sicherheit genauso legitim ist, wie der Bundesanwaltschaft, dadurch nicht weiter möglich ist, weil die gesamten, ich war bei Asservat 50, der gesamte Ordner Presseverteiler abhanden gekommen ist. Was die Presse übrigens selbst berührt, weil nunmehr sämtliche Pressevertreternamen dort bei der Staatsanwaltschaft nunmehr liegen. Und dazu füge ich ein, nicht von ungefähr erschien mir, daß erstmals wohl am vergangenen Dienstag die Pressebank durchsetzt war mit Staatsschutzbeamten. Das am Rande kennzeichnet aber die Atmosphäre, in der zu verhandeln wir hier genötigt sind. Ich fahre fort. Asservat 62 Prozeß Stammheim, Asservat 63 Ordner Prozeß gegen RAF ausländische Presse, Asservat 64 Ordner Presseausschnitte, Asservat65 Umschlag mit Presseausschnitten, Asservat 66 Umschlag, Schriften, Material, Dokumentationen zum RAF-Prozeß, Asservat 71 Ordner Prozeß Stammheim, Asservat 107 Ärzte Stammheim, Asservat 122 Anträge RAF-Prozeß. Und ich habe vorgestern schon erwähnt, daß es sich bei diesen Anträgen um vorformulierte Ent- [804] würfe künftig von der Verteidigung oder den Angeklagten selbst zu stellende Anträge handelt. Das heißt also, die Generalbundesanwaltschaft hat sich mit Hilfe dieser Durchsuchungs- und Beschlagnahmesituation über hier in diesem Prozeß noch nicht eingeführtes Prozeßverteidigungsmaterial, in dessen Besitz gesetzt. Schließlich Asservat 150 Anträge Baader und Croissant nach [§ ]23 EGGVG,[5] Asservat 170 Doppel aus Akte Meinhof, Asservat 174 Ordner Pflichtverteidiger, Asservat 177 Strafsache Meins, Asservat 178 aus Strafsache Baader, Asservat 180 aus Strafsache Raspe, Asservat 182 aus Strafsache Meinhof, Asservat 183 aus Strafsache Ensslin. Soweit bedarf es keines erläuternden Hinweises darauf, daß das Unterlagen für die Verteidigung in diesem Verfahren, Unterlagen der Verteidigung in diesem Verfahren und insbesondere auch diese Art von Unterlagen sind, die uns als Archivmaterial für die Führung der Verteidigung in diesem Prozeß dienen.

Gestern abend, den ursprünglichen Antrag an das Amtsgericht habe ich dann gestern, d.h. heute nacht abändern müssen und beschränken müssen auf die Asservate Nr. 47, 66, 107, 108, 150, 174, 177, 178, 182, 183. Beschränken müssen, d.h. den ursprünglichen Antrag mit der Zahl der soeben genannten Asservate beschränkt, reduzieren auf diese Zahl, weil nämlich um etwa 20 Uhr gestern abend die Staatsanwaltschaft Stuttgart die anderen, vorher von mir zusätzlich genannten, Asservate zurückgegeben hat. Es ist jedoch für meinen Aussetzungsantrag irrelevant, daß gestern abend um 20 Uhr eine Anzahl von Asservaten zurückgegeben worden ist.

Aus folgenden Gründen: 1. Es bleiben noch die hier in dem nachträglich neu formulierten Antrag genannten Asservate, das sind 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, die allein schon den Antrag, Behinderung, wenn nicht gar Verhinderung der Verteidigung in diesem Verfahren, begründen. Und 2. ist es uns selbstverständlich im Laufe der vergangenen Nacht nicht möglich gewesen, ob die zurückgegebenen Schriftstücke, es sind fast alles Leitzordner, ob die auch vollständig sind. Das wird erst noch zu überprüfen sein. Folglich rechtfertigt sich der von Kollegen Riedel gestellte Antrag, den ich unterstütze und für den Angeklagten Baader ebenfalls erstelle, nämlich dieses Verfahren auszusetzen bis auch dieser Rest Unterlagen der Verteidigung, der unmittelbaren Verteidigerunterlagen zurückgegeben sind und die Verteidigung die Möglichkeit ge- [805] habt hat, ob die zurückgegebenen Unterlagen auch komplett zurückgegeben worden sind.

Vors.:

Haben Sie die Ordner, die jetzt noch sichergestellt sind, gekennzeichnet, so daß wir sehen auf was für Ordner sich Ihr Antrag jetzt noch direkt bezieht. Da wäre ich Ihnen dankbar.

RA. Dr. Heldmann übergibt eine Fotokopie des Beschwerdeschreibens vom 25.6.1975, die dem Protokoll als Anlage 2 beigefügt ist.

Vors.:

Darf ich zunächst noch eine kleine Bemerkung zu dem machen, was gesagt worden ist. Die Presse sei durch Staatsschutz, d. h. die Presseplätze durch Staatsschutzbeamte durchsetzt worden. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, daß freie Presseplätze teilweise von Kriminalbeamten, so hieß es, eingenommen werden würden. Jetzt sind daraus schon Staatsschutzbeamte geworden. Für uns war diese Mitteilung genauso neu wie offenbar für Sie. Wir sind der Sache selbstverständlich nachgegangen und haben Folgendes feststellen können: Die jungen Grenzschutzbeamten, die an der Eingangsschleuse Dienst tun, das ist ja eine größere Zahl, liegt dann, wenn einmal der Hauptbesucherstrom bewältigt ist, schlechthin brach. Und nun haben diese jungen Beamten Interesse gezeigt, hier rein zu kommen und man hat ihnen das offenbar ermöglicht, soweit Presseplätze frei waren, ohne daß das zu beschönigen ist, ohne Wissen des Gerichts, das ist zu beanstanden, inzwischen aber abgestellt worden. Es ist aber dabei doch festzustellen, daß da ja die Presseplätze zunächst nicht dem Publikum zur Verfügung stehen, kein Publikumsplatz verlorengegangen ist, und angesichts der leerstehenden Presseplätze es immerhin verzeihlich erscheint, wenn diese junge Beamten hier Interesse gezeigt haben, das Verfahren mitzuerleben. Mit Bespitzelung der Presse hat das nichts zu tun und der Hinweis auf eine Atmosphäre, die hier angeblich herrsche, der Bespitzelung, ist deshalb deplaziert.

Es ist ab heute angeordnet, daß keiner der Presseplätze mehr ohne Wissen des Gerichts besetzt werden kann. Das war auch schon ursprünglich angeordnet, ist aber nun etwas großzügiger gehandhabt worden. Die entsprechenden Stellen sind darauf hingewiesen worden, daß das nicht geht. Wir sehen vor, im Zusammenhang mit einem allen Benutzern eines Presseplatzes zugegangenen Schreiben des Pressereferenten des Oberlandesgerichts Stuttgart, sitzungspolizeilich für die Zukunft anzuordnen, daß Presseplätze, die eine halbe Stunde nach Beginn der Sitzung nicht belegt sind, abzüglich eines [806-807][6] [808] Kontingents von vielleicht auf jeden Fall freizuhaltenden[f] 20 Plätzen, für Zuhörer freigegeben werden können. Wenn dann auch die noch wartenden Zuhörer alle untergebracht sind und keine weiteren Interessenten sichtbar werden, dann kann man sich darüber unterhalten, ob zum Beispiel junge Grenzschutzbeamte die Möglichkeit erhalten, dann den Saal auch noch zu betreten. Aber grundsätzlich ist also das, was hier beanstandet worden ist, inzwischen geklärt und natürlich auch abgestellt worden, soweit das Gericht nicht in Kenntnis gesetzt wurde.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitte.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ja, ich habe mich für den Herrn Raspe ...

Vors.:

Entschuldigung, Frau Rechtsanwältin Becker, Sie hatten sich wohl vorher gemeldet. Ich möchte also Sie hier nicht abschneiden.

RA’in B[ecker]:

Ich schließ mich für Frau Ensslin dem Aussetzungsantrag und der Begründung von Herrn Heldmann an und beziehe mich insbesondere auf die Positionen, die im Schriftsatz von Herrn Heldmann genannt sind.

Vors.:

Danke. Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich schließe mich für den Herrn Raspe dem Aussetzungsantrag an, beziehe mich zunächst auch auf das und die Position, die von dem Kollegen Heldmann genannt worden sind, und habe für den Herrn Raspe noch folgende besondere Situation zu schildern. Dem Schreiben des Herrn Köncke an den Senat ist ja zu entnehmen, was uns also bis gestern nacht auch nicht bekannt war, daß in Hamburg nicht nur Teile einer Handakte[7], die aus dem Mandatsverhältnis des Herrn Raspe herrührten, wie hier in Stuttgart beschlagnahmt wurden bzw. sichergestellt wurden, sondern daß dort eine ganze Handakte komplett mitgenommen wurde. Wohlgemerkt eine Akte also, die besteht aus Aufzeichnungen und Mitteilungen, wie sie § 97[ StPO] ausdrücklich schützt und dem Zugriff von Strafverfolgungsbehörden eigentlich entzieht. Es ist selbstverständlich, daß wir auch insoweit und zwar für den Herrn Raspe als Betroffenen, eine Beschwerde beim zuständigen [809] Ermittlungsrichter fertigen werden und daß wir natürlich den Antrag, soweit es hier konkret um diesen Vorgang geht, auch darauf stützen, auszusetzen, zumindest bis über diese Beschwerde entschieden ist und bis diese Handakten in Hamburg an die Verteidigung zurückgegeben worden sind. In Stuttgart ist die Situation folgendermaßen. Da wurden zunächst eine ganze Reihe von Verteidigungsunterlagen, die Herrn Raspe betreffen, sichergestellt und zwar zu den Positionen 180, 181 des Durchsuchungsverzeichnisses von den Tagen 23. bis 25.6.1975. Gestern abend um 20 Uhr wurde ein Teil dieser Unterlagen wieder an die Verteidiger von Herrn Dr. Croissant herausgegeben. Nicht herausgegeben wurde ein Briefumschlag mit Aufzeichnungen, Aufzeichnungen die Herr Raspe gefertigt hat und die er dem Herrn Dr. Croissant als seinem Verteidiger übergeben hat und zur Aufbewahrung überlassen hat. Wir haben wegen der bisherigen Nichtrückgabe dieses Briefumschlags mit Aufzeichnungen, der sich auch bei einer Handakte befand, Beschwerde zum hiesigen Amtsgericht eingelegt für den Herrn Raspe als Betroffenen, und beantragt, diesen Briefumschlag herauszugeben. Insoweit ist also der Antrag auf Aussetzung auch zu stützen auf Aussetzung bis zur Entscheidung über diese Beschwerde und die Rückgabe dieses Briefumschlags. Soweit die Situation von Herrn Raspe. Vielleicht noch ein ganz kurzer Aspekt, der nicht unmittelbar mit diesem Antrag zusammenhängt. In der Vergangenheit wurde ja den Verteidigern in diesen Verfahren häufig zur Last gelegt, sie würden es darauf anlegen, hier zu verschleppen, zu verschleppen durch Anträge. Richtig ist, wir verschleppen nicht, auch wenn es jetzt so scheinen mag, als ob wieder durch solche Anträge eine Verfahrensverzögerung durch uns eintritt. Verschleppt wird dieses Verfahren durch Rechtsbrüche der Staatsschutzbehörden, wie wir sie vom vergangenen Montag bis Mittwoch, bis zum gestrigen Mittwoch beobachten können. Also durch den eklatanten Bruch einer Vorschrift wie des § 97 StPO, der ausdrücklich den Zugriff auf Unterlagen, wie sich Verteidigerunterlagen darstellen, verbietet. Das ist die Situation und das meine ich sollte hier nicht vergessen werden.

Ich darf auch eine Durchschrift der Beschwerde dem Senat geben.

[810] Rechtsanwalt Schily erschien um 9.22 Uhr.

Vors.:

Sind daraus die Ordner und das Material, auf das sich Ihre Ausführungen beziehen, genau ersichtlich.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Daraus ist ersichtlich, um welche Positionen es sich handelt und um welchen Teil der Positionen jetzt noch gestritten wird.

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz übergibt eine Fotokopie des Beschwerdeschreibens vom 25.6.1975, die dem Protokoll als Anlage 3 beigefügt ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Ich stelle gleichfalls den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung und darf in Ergänzung der hier vorgetragenen Begründung auf folgendes hinweisen.

Bei der Durchsuchung der Anwaltskanzlei des Kollegen Ströbele am 23.6.75 ist laut Protokoll vom gleichen Tage unter Ziffer 42 und unter Ziffer 46 unter anderem ein Hängeordner Baader V. und unter Ziffer 46 ein Hängeordner Ensslin sichergestellt worden. Weitere Aktenordner kann ich hier auch noch erwähnen. Baader IV, Meinhof III, V, und so geht das weiter. Ich nehme nur einige Beispiele aus diesem Sicherstellungsprotokoll. Dabei handelt es sich nach meinen Informationen um Verteidigungsmaterial dieses Prozesses, dieses Stammheimer Prozesses und Sie wissen ja, daß bis vor kurzem der Kollege Ströbele noch hier in dieser Sache als Verteidiger tätig war.[8] Bis zum 1. Januar dieses Jahres auch als Verteidiger für Ensslin, der Angeklagten Ensslin.[9] Und selbstverständlich befindet sich bei diesen Unterlagen, so möchte ich jedenfalls annehmen, auch die Kopien in etwa vom Schreiben meinerseits, soweit also das hier die Verteidigung anbelangt, so daß also auf dem Umwege einer Durchsuchungsaktion in den Räumen des Kollegen Ströbele auch meine Korrespondenz in den Besitz der Staatsanwaltschaft gelangt ist. Das halte ich für einen[g] rechtlich unhaltbaren und untragbaren Zustand. Und bis diese Sache nicht geradegerückt ist in der Form, Mindestform, daß diese sämtliche Schriftstücke und [811-812][10] [813] sämtlichen Akten hier wieder zurückgegeben worden sind, solange kann hier in der Sache eigentlich nicht weiter verhandelt werden. Ich stelle also ausdrücklich auch noch den zusätzlichen Antrag, die Staatsanwaltschaft in Berlin zu[h] veranlassen, diese Verteidigerunterlagen, die das Stammheimer Verfahren, also hier unser Verfahren betreffen, sofort zurückzugeben und bis zu diesem Zeitpunkt die Hauptverhandlung auszusetzen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte nur noch zur Begründung des vorher gestellten Antrags ein Punkt nachtragen. Ich erfahre von Herrn Raspe soeben, daß der Briefumschlag, von dem die Rede ist, von ihm am 23.5.1975, also zwei Tage nach Beginn dieser Hauptverhandlung dem Herrn Dr. Croissant anläßlich eines Verteidigerbesuches - der Dr. Croissant durfte ja seinerzeit den Herrn Raspe auch besuchen als Verteidiger - übergeben worden ist, und daß dieser Umschlag unmittelbar für diese Hauptverhandlung, für das Ermittlungsmaterial dieser Hauptverhandlung und für etwaige Erklärungen von Herrn Raspe, relevante Aufzeichnungen enthält. Also das nur noch, um dem Senat vor Augen zu führen, in welch unmittelbarem Zusammenhang diese Aufzeichnung nicht nur mit dem Verfahren überhaupt, sondern sogar unmittelbar mit der Hauptverhandlung steht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, haben Sie die Materialen bezeichnet, so daß wir sie schriftlich haben könnten.

RA Sch[ily]:

Also ich kann Ihnen gerne, das ist allerdings mein einzigstes Exemplar, ich würde Sie dann bitten, mir das zurückzugeben.

Vors.:

Das geschieht selbstverständlich.

RA Sch[ily]:

Ich kann Ihnen gerne, eine Ablichtung ist das allerdings nur, ...

Vors.:

Es geht nur um das Material, damit wir die Unterlagen haben.

[814] RA Sch[ily]:

Ich habe das Protokoll hier, eine Ablichtung des Durchsuchungsprotokolls, und habe hier die beiden Ziffern auch noch hier mit gelben Übermalungen gekennzeichnet.

Vors.:

Danke, Sie bekommens dann zurück. Das wird ja nicht jetzt sofort benötigt. Das genügt, wenn wir uns dann wieder hier im Saale treffen.

RA Schi[ly]:

Ja, natürlich.

Vors.:

Ich gehe davon aus, daß die Bundesanwaltschaft wahrscheinlich auch Ermittlungen zunächst mal anstellen möchte, was im Einzelnen geschehen ist, bevor zu den Anträgen Stellung genommen werden kann. So geht’s ja dem Gericht auch.

BA Dr. W[under]:

Das ist richtig, Herr Vorsitzender. Zu den Stuttgarter und Berliner Vorgängen können wir überhaupt keine Erklärung abgeben, denn diese Verfahren führen, wie bereits gesagt, die Staatsanwaltschaften in Stuttgart und Berlin. Ich kann mich deshalb auch verständlicherweise nicht dazu äußern, ob beispielsweise die Unterlagen, die hier in Stuttgart weggenommen wurden, allein dem rechtskräftig ausgeschlossenen Rechtsanwalt Croissant gehören, oder ob sie die Verteidigung ganz allgemein berühren. Zum Vorgang in Hamburg, bei dem die Bundesanwaltschaft, mit dem die Bundesanwaltschaft befaßt ist, muß ich Rücksprache in Karlsruhe halten. Ich habe gestern bereits erklärt, daß die Sitzungsvertreter aus eigener Sachkunde hierzu nichts sagen können. Sie sind mit diesem Verfahren nicht befaßt. Insoweit wäre ich deshalb dankbar, wenn wir eine kurze Pause bekommen könnten. Darf ich in dem Zusammenhang vielleicht an Frau Rechtsanwältin Becker die Frage richten, ob die Unterlagen, über die wir vorgestern gesprochen haben, die 15 Blatt und jener Brief,[11] die vorgestern abend noch zurückgegeben wurden, nun inzwischen in ihre Verfügungsgewalt gekommen sind.

RA’in B[ecker]:

Ja.

BA Dr. W[under]:

Dankeschön.

[815] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Heldmann.

RA H[eldmann]:

Nur, wenn Sie erlauben, eine ganz kurze Erwiderung, eine Richtigstellung Ihrer rechtsirrtümlichen Würdigung. Herr Kollege Croissant ist nicht rechtskräftig von der Verteidigung des Angeklagten Baader ausgeschlossen, sondern der dahingehende Pauschalbeschluß des ersten Senats vom 3.6.[12] ist mit der Beschwerde angegriffen worden und diese Beschwerde ist auch begründet worden, so daß es irrig ist und irreführend ist, von einem rechtskräftigen[13] Ausschluß zu sprechen, jedenfalls als Verteidiger Raspes.

Vors.:

Es wundert uns, daß Sie das Wort für Herrn Raspe ergreifen, das konnte ja nicht die Verteidigung von Herrn Baader betreffen.[14]

RA H[eldmann]:

Nein, nein. Selbstverständlich spreche ich nicht für Herrn Raspe, sondern ich stelle eine rechtsirrtümliche Äußerung des Herrn Bundesanwalts richtig. Der Kollege Croissant ist aus diesem Verfahren nicht rechtskräftig als Verteidiger ausgeschlossen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz.

RA v[on ]P[lottnitz]:

Ich möchte das für Herrn Raspe in einem Wort ergänzen. Selbst wenn hier Sicherstellung in Büros von Kollegen erfolgen würden, die rechtsbeständig von diesem Verfahren ausgeschlossen worden wären, dann würden diese Kollegen die ja als Rechtsanwälte noch tätig sind, als Verteidiger auch noch in anderen Sachen tätig sind, die Kanzleiräume haben und über solche verfügen, sie würden natürlich als Verteidiger, Verteidigungsunterlagen aus früheren Mandatsverhältnissen aufbewahren und Gewahrsam daran haben, so daß auch diese Unterlagen, ob rechtsbeständig ausgeschlossen worden ist oder nicht, in jedem Fall dem Schutzbereich des § 97 StPO unterliegen.

Vors.:

Gut. Dann werden wir uns bis halbelf Uhr wieder trennen müssen.

[816] Ich darf bitten, um halbelf Uhr von den freigebliebenen Presseplätzen zehn Plätze für Zuschauer zunächst mal noch freizugeben, wenn welche da sind. Die Angeklagten sind in die Zellen zurückzubringen. Verteidigerbesuche sind möglich, Umschluß in der Mittagspause, wie vorgesehen.

Das Gericht zog sich um 9.30 Uhr zur Beratung zurück.

Ende von Band 29

[817-820][15] [821] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.45 Uhr

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort, ich sehe in voller Besetzung. Ich darf zunächst die Bundesanwaltschaft zur Stellungnahme bitten.

BA Dr. W[under]:

Vorab möchte ich feststellen, daß die Vorwürfe des Rechtsbruches im Zusammenhang mit den Durchsuchungen in Stuttgart, Berlin und Hamburg völlig haltlos und unbegründet sind. Der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 3. August 1973, StB 34/73, hat detailliert ausgeführt, daß und wann der Schriftverkehr zwischen Verteidiger und Mandanten durchgesehen und erforderlichenfalls beschlagnahmt werden kann. Weder § 97 Abs. 1[ StPO][16] noch § 148 StPO[17] stehen dem in diesen Fällen entgegen.[18] Ich verweise hierauf. Im übrigen halte ich die Anträge nicht für schlüssig, denn in keinem einzigen Fall haben die Verteidiger dargetan, daß Unterlagen weggenommen worden seien, die sie[i] hier und heute, zu ihrer Verteidigung benötigen. So können beispielsweise Briefe der Frau Meinhof, die sich mit Äußerungen des gesondert in Hamburg Angeklagten Müller befassen, in dieser Verfahrensphase überhaupt keine Rolle spielen, möglicherweise später. Es ist selbstverständlich, daß die[j] Durchsicht von, wie mir gesagt wurde, teilweise sehr aufschlußreichen Schriftstücken, eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Alle beteiligten Strafverfolgungsbehörden sind auf schnellstmögliche Erledigung bedacht. Der sachbearbeitende Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart hat erklärt, er habe die Durchsuchung der Praxis des Beschuldigten Rechtsanwalts Dr. Croissant, nach dem vom BGH in dem vorhin erwähnten Beschluß und den dort aufgeführten Richtlinien, durchgeführt. Dabei sei für ihn vorrangig gewesen, die Verteidigung in dem Verfahren gegen Baader und andere, möglichst nicht einmal zu stören und schon gar nicht zu behindern. Er habe deshalb die Rechts- [822] anwälte Dr. Croissant, Becker und Heldmann gebeten, in dem Asservatenverzeichnis diejenigen Asservate anzukreuzen, die sie für die Verteidigung für besonders wichtig ansehen. Das hatten diese Rechtsanwälte getan. Bereits gestern gegen 18.00 Uhr habe er einen Großteil der in der ersten Beschwerdeschrift erwähnten Asservate, Frau Rechtsanwältin Becker ausgehändigt. Darunter habe sich auch das Asservat 122 - Anträge RAF-Prozeß - befunden. Dieser Ordner enthielte keinen formulierten Antrag, der nach seiner Kenntnis beim zweiten Strafsenat in Stammheim noch nicht gestellt worden sei. Gegen 20.00 Uhr habe er die restlichen Asservate aus der ersten Beschwerdeschrift, die in der zweiten Beschwerdeschrift nicht mehr enthalten seien, Frau Rechtsanwältin Becker ausgehändigt. Die Asservate Nr. 47, 107, 108, 174, 178, 182 und 183 habe er ebenso, wie Teile aus den Asservatennummern 66 und 177, sichergestellt. Bezüglich dieser Asservate werde er unverzüglich um richterliche Beschlagnahme nachsuchen. Die genannten Asservate habe er sicherstellen müssen, weil es sich um Beweisstücke für die gegen Rechtsanwalt Dr. Croissant erhobenen Vorwürfe handle. Der Briefumschlag des Angeklagten Raspe sei eines der wichtigsten Beweisstücke, weil er die gesamte Strategie der Angeklagten für die Fortsetzung ihrer kriminellen Tätigkeit, aus der Untersuchungshaft heraus, enthalte. Sämtliche sichergestellte Asservate hätten auch bei großzügigster Auslegung, mit Fragen der Verteidigung der Angeklagten in Stammheim nichts zu tun. Im übrigen habe er Asservate, selbst wenn sie als Beweisstücke in Betracht gekommen seien, dann freigegeben, wenn sie eben bei dieser weiten Auslegung der Verteidigung dienen könnten. Bezüglich der Durchsuchung bei Rechtsanwalt Ströbele wurde vom Sachbearbeiter bei der Staatsanwaltschaft in Berlin mitgeteilt, daß es sich bei dem Hängeordner Baader V um 14 Blatt handle, die nahezu ausschließlich das Ausschlußverfahren gegen Rechtsanwalt Ströbele betreffen. Darunter befinden sich außerdem noch 2 Blatt eines Zellenzirkulars. Mit dem hier anhängigen Verfahren hätten diese 14 Blatt nicht das Geringste zu tun. Bei dem Hängeordner Ensslin handle es sich um 50 - 60 Blatt, [823] die zum größten Teil Originalschreiben der Frau Ensslin an die Rechtsanwälte Groenewold, Ströbele und Dr. Croissant darstellen, vornehmlich bis Oktober 1973. In ihm befinden sich außerdem Stellungnahmen zur Postbeschlagnahme und zu den Haftbedingungen bis einschließlich Januar 1974. Aus jüngster Zeit befinde sich lediglich darunter die Fotokopie eines Strafantrags, der von Rechtsanwalt Dr. Croissant gegen Staatsanwalt Klein gestellt worden sei. Auch insoweit ist nach Auskunft des Sachbearbeiters bei der Staatsanwaltschaft in Berlin ein Sachzusammenhang mit dem laufenden Prozeß hier in Stuttgart nicht erkennbar.

Vors.:

Ich darf das noch ergänzen. Wir haben auch mit dem hier arbeitenden Staatsanwalt gesprochen, bezüglich dieser Positionen[k] 47, 66, 107, 108, 150, 174, 177, 178, 182, 183. Soweit diese Positionen nicht schon teilweise zurückgegeben worden sind, werden sie in der Tat beschlagnahmt. Wir haben gebeten, daß sie sofort fotokopiert werden, so daß Ihnen, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, bis zum Dienstag, Montag oder spätestens wohl bis zum Montagabend, zumindest in Fotokopie alle Unterlagen wieder zur Verfügung stehen. Wir gehen dabei davon aus, daß unsere Anregung, die sich ursprünglich nur auf diese Sonderordner bezog, daß Sie versuchen sollten, das nicht sofort herbeischaffbare Aktenmaterial, das Sie zur Einarbeitung benötigen, bei Herrn Dr. Croissant erhalten; daß Sie dieser Anregung gefolgt sind und[l] daß das zu einem für uns durchaus erfreulichen Ergebnis geführt hat. Wir sind also durchaus bereit anzuerkennen, daß unter diesem Material im Büro Dr. Croissant gesehen, oder gemessen an dem Nachfolgeverhältnis, das Sie hier aufzeigen, Unterlagen sein können, die Ihre Verteidigung berühren.

RA H[eldmann]:

Verzeihung, ich habe akustisch nicht verstanden. Welches Ergebnis, Herr Vorsitzender bezeichneten Sie als ein freudiges?

Vors.:

Ein erfreuliches für uns, nicht freudiges, daß Sie offenbar die Anregung aufgegriffen haben, sich mit Herrn Dr. Croissant [824] in Verbindung zu setzen und ihn zu bitten, Verteidigungsunterlagen, wobei wir uns ja nur auf diese Sachordner bezogen haben, Ihnen zu überlassen; daß Sie die Möglichkeit erhalten haben.[19]

RA H[eldmann]:

In der Not frißt der Teufel Fliegen, nicht.

Vors.:

Gewiß. Ja ich weiß nicht, ob das eine Fliege ist, die Sie fressen müssen, wenn Sie hier diese Ordner bekommen.

RA Dr. Heldmann:

Ja, es wird zur Fliege, wenn diese Ordner, die ich für meine Verteidigung brauche, zunächst einmal durch die Hände der Bundesanwaltschaft und der Staatsschutzbehörde gegangen sind. Ich sagte Bundesanwaltschaft, Herr Bundesanwalt Wunder, denn mich wundert, woher Sie sagen können, welchen Inhalts der gestern oder vorgestern beschlagnahmten Meinhof-Brief ist. Das wußten Sie heute bereits, nicht? Im übrigen weise ich jedenfalls[m] aber noch einmal darauf hin, daß nur ein Teil der notwendigen Verteidigungsunterlagen zurückgegeben worden ist, der andere Teil liegt nach wie vor in den Händen, in dem Dispositionsbereich, der Generdbundesanwaltschaft befindet. Meine Anträge gelten also fort.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Riedel.

RA R[iedel]:

Zu den Ausführungen der Bundesanwaltschaft ist zu sagen, daß es tatsächlich sehr verwunderlich ist, wie es kommt, daß die Stelle, die auch hier im Verfahren immer behauptet hat, daß sie nichts damit zu tun hat, sofern die Bundesanwaltschaft überhaupt tätig geworden ist bei den Durchsuchungen, ist dann immerhin die Sitzungsvertreter hier nicht irgendwie daran beteiligt waren, aber immerhin doch jetzt gesagt wird, daß Kenntnis auch bei den Sitzungsvertretern der Bundesanwaltschaft hier, über den Inhalt der beschlagnahmten Briefe besteht. Nur leider allerdings doch, das muß klar gestellt werden, zumindestens meiner Mandantin ist nichts bekannt, daß sie jemals Briefe nach Hamburg geschickt [825] hat zu ihren Verteidigern, die sich hier damit befassen, mit dem Strafverfahren Müller befassen und mit dem dortigen Angeklagten Müller befassen.

Das ist doch hoffentlich ein Irrtum, dem die Bundesanwaltschaft erlegen ist.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, darf ich vielleicht eine Erklärung abgeben?

Vors.:

Bitte sehr.

BA Dr. W[under]:

Herr Rechtsanwalt, diese von Ihnen gestellten Fragen, wurden von der Bundesanwaltschaft beantwortet, weil es auch das Gericht für erforderlich hielt. Mehr an Auskünften, als das, was wir hier wiedergegeben haben, haben wir, die vier Sitzungsvertreter, nicht erhalten. Und wie bereits vorgestern erklärt, wir werden weitere Dinge auch nicht zur Kenntnis nehmen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitte.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Vorsitzender, Herr Raspe bittet eine Erklärung abgeben zu dürfen, zu dem, was Herr Dr. Wunder vorgetragen hat.

Vors.:

Nein, wir wollen jetzt über den Antrag entscheiden, Erklärungen nicht mehr. Wenn irgend etwas noch begründet werden soll, warum wir aussetzen müssen ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Nein, eine Richtigstellung, er will eine Richtigstellung vornehmen.

Vors.:

Gut, das ist natürlich zuzulassen.

Angekl. R[aspe]:

Weil die Behauptung von Wunder, daß in dem Kuvert, was beschlagnahmt worden ist, sich unter anderem wichtige Beweismateriellen oder ich weiß nicht genau, wie er[n] es eben formuliert hat, befinden, die also Auskunft geben[o] würden über die Strategie der Gefangenen, weil diese Behauptung natürlich glatt gelogen [826] ist. Und das ist also auch[p] kein Zufall und nicht komisch ...

Vors.:

Herr Raspe, ich glaubte Sie sind am Ende, aber ich bitte Sie sich zu mäßigen mit dem „glatt erlogen“.

Angekl. R[aspe]:

Denn ... das ist kein Zufall und nicht komisch, weil ... Nein, es ist so, außerdem muß er ...

Vors.:

Das ist Ihre Meinung. Man kann hier sich vielleicht etwas vorsichtiger äußern. Es entspricht nach Ihrer Meinung, nicht den Tatsachen. Aber wenn Sie „glatt erlogen“ behaupten, dann werfen Sie hier der Bundesanwaltschaft in beleidigender Form vor, sie behaupte bewußt die Unwahrheit. Genauso wie wir uns wehren werden, wenn Sie zu Unrecht angegriffen werdend persönlich, wehren wir uns auch bezüglich aller anderen Prozeßbeteiligten. Also ich bitte Sie, diesen Stil einzuhalten.

Angekl. R[aspe]:

Nein, das heißt ganz klar, wenn ich sage, daß er gelogen hat, daß es eine Funktion hat. Daß er die Funktion, den tatsächlichen Ablauf zu verschleiern und das ist auch ...

Vors.:

Also wenn Sie wieder Ihre Wortmeldung dazu mißbrauchen wollen ...

Angekl. R[aspe]:

Das ist keine Mißbrauchung ...

Vors.:

... daß beleidigende Formulierungen kommen. Haben Sie dafür irgendeinen Beleg? Außer Ihrer Behauptung.

Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Das sind Sachen, die ich Croissant gegeben habe ...

Vors.:

Schön, aber woher wissen Sie, daß die ...

Angekl. R[aspe]:

Das soll ja auch kein ... das ist nicht zufällig, daß die Bundesanwaltschaft erklärt, das Material, was wir zur Verteidigung brauchen, eben Beweismaterial für kriminelle Tätig- [827] keiten sei. Das ist so.

Vors.:

Das ist Ihre Auffassung, die dürfen Sie auch ruhig vertreten, Sie müssen es bloß in der Form tun, die wir hier akzeptieren können.

Angekl. R[aspe]:

Und außerdem ist es so, daß sie offensichtlich die ganze Nacht gelesen haben müssen und das also schon festgestellt haben müssen, was sie hier behaupten, denn sonst könnten sie es ja hier gar nicht so erklären. Auch das ist noch so.

Vors.:

Wollen Sie erwidern?

BA Dr. W[under]:

Herr Raspe, ich möchte Ihnen lediglich erklären, daß Sie als Akademiker eigentlich verstehen müßten, was die indirekte Rede bedeutet; und daß ich hier Erklärungen der Staatsanwaltschaften wiedergegeben habe, bei denen die [q] Verfahren anhängig sind.

Vors.:

Darf ich jetzt fragen, werden weitere Begründungen für den Antrag auf Aussetzung gegeben, oder sollen jetzt wieder allgemeine Erklärungen anheben. Da würde ich nicht dafür stimmen.

RA Sch[ily]:

Ich muß leider feststellen, wenn ich hier freundlich mit der Hand winke, daß ich dann das Wort nicht bekomme. Das ist offensichtlich hoffnungslos ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es kann immer nur einer reden ...

RA Sch[ily]:

Ja ja sicher.

Vors.:

Gleichzeitig hat Herr Rechtsanwalt von Plottnitz gewunken, ob Sie natürlich das absolute Vorrecht hier auf der Verteidigerbank haben, das weiß ich nicht zu beurteilen.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, ach um Gotteswillen, nein nein.

Vors.:

Aber es sieht so aus, da Sie gekränkt sind, weil Sie nicht [828] das Wort bekamen.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, weil Sie jetzt fragen, ob noch Erklärungen sind. Ich versuche mir hier das Wort zu verschaffen durch freundliches Winken, aber offensichtlich hat das keinen Erfolg. Vielleicht muß ich eine Leuchtrakete benutzen, oder was.

Vors.:

Ja bitte fangen Sie jetzt an, Sie haben ja jetzt inzwischen ihr Wort bekommen.

RA Sch[ily]:

Ich wollte nur auf[r] folgendes hinweisen. Der Herr Bundesanwalt Dr. Wunder hat nun also, weil ich das als Beispiel erwähnt habe, nur die Akte Baader V diskutiert. Aber ich habe Ihnen ja die Kopie dieses Verzeichnisses überreicht, und das ist unter anderem eine Akte Baader IV, die hat glaub ich der Herr Dr. Wunder nicht erwähnt. Es sind auch weiter nicht[s] erwähnt, Meinhof III, Meinhof V. Also soweit ist die Stellungnahme mindestens unvollständig. Im übrigen finde ich es doch außerordentlich bemerkenswert, da ja doch nach Meinung der Bundesanwaltschaft eine säuberliche Trennung stattfindet, zwischen der Bundesanwaltschaft (verbessert sich) der Tätigkeit der Bundesanwaltschaft und der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft am Landgericht Stuttgart und am Landgericht Berlin. Daß nun die Staatsanwälte, die dort tätig sind, beurteilen wollen, was hier zum Stammheimer ... obwohl sie den Stammheimer Prozeß ja vermutlich nicht kennen, was hier zur Verteidigung gehört und was nicht, also was Verteidigermaterial ist[t] und was nicht. Das finde ich interessant, daß also diese Herren sich dazu aufwerfen, zu sagen, also wir bestimmen darüber und wir haben die notwendigen Kriterien, um das beurteilen zu können. Und das gleiche gilt, von der Äußerung, die, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Dr. Wunder, zitieren Sie dann Staatsanwalt Pfiszter, er wird’s ja wohl gewesen sein, so daß er sagt, da[u] sei also kein Antrag, der noch nicht in Stammheim gestellt worden sei. Ich weiß nicht, ob Herr Staatsanwalt Pfiszter da oben im Verborgenen sitzt und also hier die Ver- [829] handlung bisher mitverfolgt ist[v], so als heimlicher Prozeßbeobachter und auf diese Weise also festgestellt hat, welche Anträge gestellt worden sind und welche nicht. Das verwundert mich also auch wiederum außerordentlich, daß[w] überhaupt eine solche Erklärung von Herr Staatsanwalt Pfiszter abgegeben wird.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, bitte.

RA v[on] P[lottnitz]:

Ich möchte auch kurz repetieren, auf das, was der Herr Dr. Wunder gesagt hat. Zunächst mal zur[x] Kontroverse ... Wink um’s Mikrophon. Sie haben ja weder mir noch dem Kollegen Schily das Wort erteilt, so daß gilt, was er gesagt hat.

Vors.:

Sie haben jetzt das Wort.

RA v[on] P[lottnitz]:

Herr Raspe hat richtiggestellt, was gesagt worden ist von dem Dr. Wunder zum Inhalt dieses Briefumschlages. Darüber hinaus ist eins zu sagen. Selbst wenn dem so wäre, selbst wenn es, wenn es anders wäre als Herr Raspe gesagt hat, wenn also es ... das Aufzeichnungen enthalten würde, politischen Inhalts und im Sinne politischer Strategien, dann ist das eine Mitteilung, die Herr Raspe einem Verteidiger gegenüber gemacht hat, zur Verwertung im Rahmen der Verteidigung. Das wollen wir doch mal festhalten und insofern wird hier nur ein alter Trick wiederholt von der Bundesanwaltschaft bzw. weil sie weitergegeben hat, das, was ihr von der Staatsanwaltschaft in Stuttgart gesagt worden ist. Ein alter Trick, daß man nämlich einfach den Verteidigern bestreitet, darüber zu bestimmen, was zu einer Verteidigung gehört und was nicht gehört. Das ist hier zur berücksichtigen und ich bitte also auch in dem Fall dann so zu verfahren, daß, falls die Rückgabe nicht erfolgen soll, den Verteidigern von Herrn Raspe hier auch Fotokopien des Inhalts dieses Briefumschlages zur Verfügung gestellt werden.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.

BA Dr. W[under]:

Darauf gebe ich keine Erklärung mehr ab.

[830] Vors.:

Gut, dann zieht sich der Senat jetzt zur Beratung zurück. Bitte ...

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Sch[ily]:

Herr Baader wollte den Antrag auch noch ergänzen.

Vors.:

Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Ich möchte nochmal dahin ergänzen[y]: Ich hab also das letzte Mal das schon beantragt, man möchte doch, wenn schon Material rausgegeben wird, auch das Material rausgeben, das in der Handakte von Haag[20] beschlagnahmt worden ist. Und das ist nun wirklich konkrete Prozeßvorbereitung und das steht auch drüber, d. h. das sind ausgearbeitete Erklärungen, unmittelbar zu diesem Verfahren hier, die uns fehlen. Und dann ist hier überhaupt vielleicht nochmal[z] grundsätzlich zu sagen, daß das jeder natürlich langsam eine Posse ist hier, daß natürlich jeder[aa] weiß, daß der Ablauf, d. h. die Art und Weise, wie sich die Bundesanwaltschaft Einsicht verschafft hat in dieses Material das gestern beschlagnahmt, natürlich genau dem Mechanismus entspricht, wie sie sich seit 6 oder seit 8 Monaten in kurzen Zeitabständen Informationen über die Vorbereitung der Verteidigung verschafft, d. h. ich hab das ja schon mal erklärt. Widura und Zeis kamen bei den Zellendurchsuchungen, auch könnte mal sagen, durchwegs als Ermittelnde in anderen Verfahren und haben sich dann Informationen verschafft, die sie hier in diesem Verfahren verwerten. Und das ist doch genau derselbe Ablauf. Die Verfilzung zwischen der Bundesanwaltschaft, d. h. das Kommando der Bundesanwaltschaft über die regionalen Staatsanwaltschaften in diesem Zusammenhang hier offenzulegen. Das ist überhaupt nicht notwendig und das ist auch wahrscheinlich so ohne weiteres für uns jetzt nicht möglich. Aber eine Tatsache ist es trotzdem und Wunder ...

Vors.:

Gut, Herr Baader Sie haben jetzt ...

[831] Angekl. B[aader]:

... Wunder hat sie hier zweimal belegt, diese Tatsache.

Vors.:

Schön, darauf haben Sie wiederholt hingewiesen. Haben Sie uns noch ganz konkrete Angaben zu machen, welches Verteidigungsmaterial des Herrn Haag ...

Angekl. B[aader]:

Ja, ich sagte Ihnen doch ...

Vors.:

... Sie speziell im Auge haben?

Angekl. B[aader]:

Ja, ich sagte Ihnen doch, ich sagte Ihnen das letzte Mal, es handelt sich da um ein etwa 30-seitiges Manuskript. Da steht drüber Staats...

Vors.:

Überschrift „Staatsbegriff“, ja, das ist es immer noch, was Sie meinen.

Angekl. B[aader]:

... Staatsbegriff. Das ist wesentlich, das fehlt uns. Und dann ist die Konzeption, aber das ist jetzt sowieso hinfällig, nachdem die Bundesanwaltschaft sich die ausgearbeiteten Beweisanträge, nicht Beweisanträge, Anträge zu diesem Verfahren, unter den Nagel gerissen hat, kann sie die Konzeption dieser Anträge, die sie in den Handakten von Haag bereits beschlagnahmt hat, natürlich auch ruhig behalten. Also das ist sozusagen beiläufig, aber dieses Manuskript ...

Vors.:

Gut, großzügig wie Sie sind.

Angekl. B[aader]:

... dieses Manuskript enthält eben Themen und Ausarbeitungen, die in dieser Verhandlung, über die in dieser Verhandlung bisher nicht gesprochen worden ist und über die wir vorhaben, zu sprechen.

Vors.:

Herr Bundesanwalt, bitte.

BA Dr. W[under]:

Ich möchte nur noch ergänzend erklären, daß aus der Durchsuchung bei Rechtsanwalt Haag inzwischen sämtliche Handakten, die diese Angeklagten betreffen, wieder zurückgegeben worden sind.

[832]

Vors.:

Läßt sich zeitlich sagen, wann das geschehen ist?

Angekl. B[aader]:

Und an wen, vor allen Dingen.

BA Dr. W[under]:

Zwischen dem 16. und 19. Mai, genauer kann ich’s also nicht ...

Vors.:

Es liegt also schon Wochen zurück, die Rückgabe

RA H[eldmann]:

... keiner weiß etwas davon.

BA Dr. W[under]:

An das Büro von Rechtsanwalt Haag, Becker und Laubscher, gegen Empfangsbestätigung.

RA H[eldmann]:

Frau Becker weiß davon nichts.

BA Dr. W[under]:

Herr Laubscher hat’s quittiert.

Vors.:

Wenn sonst nichts mehr gesagt wird, zieht sich der Senat zur Beratung zurück. Die Angeklagten können im Saale bleiben.

- Der Senat zog sich um 11.05 Uhr zur Beratung zurück -

Ende Band 30

[833] Nach Wiedereintritt des Senats um 11.47 Uhr wurde folgendes verkündet:

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Die Sitzung wird bis zum Dienstag, 1.7.1975, 13.30 Uhr unterbrochen.

Gründe:

Es ist nicht auszuschließen, daß sich unter den von Rechtsanwalt Dr. Heldmann angegebenen, bei Rechtsanwalt Dr. Croissant sichergestellten zehn Leitzordnern Material befindet, das er als Nachfolger in der Verteidigung des Angeklagten Baader benötigt.

Obgleich es sich nach den eigenen Erklärungen der Beteiligten um Handakten des ausgeschlossenen Verteidigers Dr. Croissant handelt, berücksichtigt der Senat hierbei, daß Rechtsanwalt Dr. Heldmann, der erst vor kurzem das Mandat übernommen hat, dieses Material in Übereinstimmung mit einer Anregung des Gerichts und der B. Anwaltschaft benutzt. Insofern kann die Sicherstellung seine Verteidigertätigkeit zur Zeit noch berühren.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wird ihm das Material jedoch spätestens im Laufe des Montags, 30.6.75, zumindest in Ablichtung wieder zur Verfügung stellen. Damit ist den Belangen der Verteidigung soweit Rechnung getragen, daß die Verhandlung am Dienstag, 1.7.75, abweichend vom Terminsplan erst um 13.30 Uhr, fortgesetzt werden kann.

Im übrigen sind die Rechtsanwälte Dr. Croissant und Ströbele in diesem Verfahren als Verteidiger ausgeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, daß die Verteidiger - ausgenommen Rechtsanwalt Dr. Heldmann - durch Sicherstellung von Akten bei diesen Anwälten in ihren Verteidigungsmöglichkeiten beschränkt werden könnten. Der Senat geht davon aus, daß bis zur Fort- [834] setzung der Verhandlung mögliche weitere Fragen im Zusammenhang mit den Sicherstellungen geklärt sind.

Es ist noch hinzuzufügen, daß der Senat dem Zwang, hier aus berechtigten Rücksichten auf die Verteidigung das Verfahren mehrfach zu unterbrechen, folgen muß. Das ist eine Sache, die sich aus rechtlichen Gesichtspunkten zwingend ergibt. Diese Unterbrechung bedeutet jedoch keineswegs, daß der Senat die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Staatsanwaltschaften rechtlich anzweifelt; der Senat geht vielmehr davon aus, daß die Staatsanwaltschaften die Vorschrift des § 97 Abs. 2 S. 3 der StPO richtig angewendet haben. Diese Vorschrift lautet:

Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn die zur Verweigerung des Zeugnis Berechtigten - das sind in diesem Falle die betroffenen Anwälte - einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitlung oder Hehlerei verdächtig sind. Das Gesetz läßt diese Maßnahmen, die die Staatsanwaltschaften getroffen haben, nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung eindeutig zu.

Damit ist die Sitzung unterbrochen.

Fortsetzung: Dienstag.

Ende der Sitzung am 11.50 Uhr.

Ende von Band 31


[1] Am Montag, den 23. Juni 1975, wurden die Kanzleiräume des Rechtsanwalts Dr. Croissant sowie der Rechtsanwältin Becker durch Beamte der Bundesanwaltschaft durchsucht. S. dazu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann (S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung) und der Rechtsanwältin Becker (S. 754 f. des Protokolls der Hauptverhandlung) am 9. Verhandlungstag.

[2] Schriftliche Mitteilungen zwischen Beschuldigten und ihren Verteidiger/innen unterliegen gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht der Beschlagnahme. Gleiches gilt für Aufzeichnungen der Verteidiger/innen über solche Mitteilungen, oder über sonstige Umstände, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen, s. dazu weiter unten, S. 812 des Protokolls der Hauptverhandlung.

[3] Anlage 1 zum Protokoll vom 26.6.1975: Mitteilung des Rechtsanwalts Köncke über die Durchsuchung der Büroräume und Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen.

[4] Anlage 1a zum Protokoll vom 26.6.1975: Beschwerde des Rechtsanwalts Riedel gegen die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen.

[5] § 23 EGGVG bestimmt, dass über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten u.a. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte entscheiden.

[6] Anlage 2 zum Protokoll vom 26.6.1975: Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Heldmann gegen die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen.

[7] Eine Handakte enthält ausgewählte Bestandteile der Verfahrensakte und Schriftstücke einer Prozesspartei in einem konkreten Fall. Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sind berufsrechtlich zur Führung einer Handakte, durch die sich „ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung“ der Aufträge ergeben muss, verpflichtet (§ 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO).

[8] Rechtsanwalt Ströbele war bis kurz vor Beginn der Hauptverhandlung noch Verteidiger von Andreas Baader. Erst mit Beschluss vom 13.5.1975 wurde er, wie bereits zuvor die Rechtsanwälte Dr. Croissant und Groenewold, auf Grundlage des neu geschaffenen § 138a StPO wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung - Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF - von der weiteren Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.).

[9] Mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass die zuvor zugelassene Blockverteidigung - die gemeinsame Verteidigung aller Angeklagten durch mehrere Verteidiger/innen - unzulässig wurde und die Verteidigung neu sortiert werden musste.

[10] Anlage 3 zum Protokoll vom 26.6.1995: Beschwerde des Rechtsanwalts von Plottnitz gegen die Sicherstellung sowie Antrag auf Herausgabe von Verteidigungsunterlagen.

[11] Im Rahmen der Durchsuchungen am 23. Juni 1975 wurden auch Unterlagen der Rechtsanwältin Becker beschlagnahmt, die Verteidigungsmaterial enthielten, s. dazu S. 786 des Protokolls der Hauptverhandlung (9. Verhandlungstag). Nachdem Rechtsanwältin Becker geltend machte, die Unterlagen für die Verteidigung noch am selben Tag zu benötigen, wurde die Hauptverhandlung bis zum heutigen Verhandlungstag unterbrochen (S. 797 des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 9. Verhandlungstag).

[12] Mit diesem Beschluss lehnte der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart die Durchführung eines (erneuten) Ausschlussverfahrens gegen die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele ab. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Noch vor Beginn der Hauptverhandlung waren die drei Verteidiger Baaders wegen des Verdachts der Tatbeteiligung von der Mitwirkung im Verfahren nach § 138a StPO ausgeschlossen worden. Da sich die Ausschlüsse auf die Verteidigung von Andreas Baader bezogen, legitimierten sie sich am ersten Verhandlungstag für jeweils andere Angeklagte und stellten den Antrag, zur Hauptverhandlung zugelassen zu werden. Der 2. Senat war der Auffassung, die Wirkung der bestehenden Ausschlussentscheidungen umfasse auch das Verbot der Mitwirkung der Verteidiger im Hinblick auf die übrigen Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft äußerte gegen diese Rechtsauffassung erhebliche Bedenken (so BA Dr. Wunder auf S. 50 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag) und beantragte daher, die Verteidiger auch im Hinblick auf die anderen Angeklagten auszuschließen (Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 65 ff., ebenfalls 1. Verhandlungstag). Den Antrag legte der 2. Senat dem zuständigen 1. Senat zur Entscheidung vor, welcher die ursprüngliche Auffassung des 2. Senates bestätigte und die (nach dieser Ansicht überflüssige) Durchführung eines (erneuten) Ausschlussverfahrens ablehnte.

[13] Ein Gerichtsbeschluss erlangt (formelle) Rechtskraft, wenn er im selben Verfahren unanfechtbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs abgelaufen ist, oder wenn alle Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind und eine letztinstanzliche Entscheidung ergangen ist. Mit der Rechtskraft entfaltet der Beschluss auch seine dauerhafte Wirkung, die nur ausnahmsweise wieder durchbrochen werden kann, etwa durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, §§ 44 ff. StPO (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 51).

[14] Der Vorsitzende Dr. Prinzing achtete in der Regel sehr genau darauf, dass jede/r Verteidiger/in nur zu Vorgängen sprach, die den/die eigene/n Mandant/in betrafen und unterband Abweichungen hiervon unter Hinweis auf das Verbot der Mehrfachverteidigung (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls). Zum Verbot der Mehrfachverteidigung s. bereits Fn. 9.

[15] Anlage 4 zum Protokoll vom 26.6.1975: Durchsuchungsprotokoll bzgl. der Büroräume der Rechtsanwälte Ströbele und Eschen.

[16] § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO lautet: „Der Beschlagnahme unterliegen nicht schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b das Zeugnis verweigern dürfen.“ Dazu gehören nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO auch Verteidiger/innen in Bezug auf Informationen, die ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekanntgeworden sind.

[17] § 148 StPO a.F. (heute § 148 Abs. 1 StPO) lautet: „Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.“

[18] Das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO bezieht sich grundsätzlich nur auf solche Schriftstücke, die sich im Gewahrsam des/der Verteidiger/in befinden (§ 97 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Wertung des § 148 StPO, in welchem der Grundsatz des freien Verkehrs zwischen Beschuldigten und Verteidiger/innen normiert ist, führt jedoch dazu, dass auch die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen, die sich im Gewahrsam des/der Beschuldigten befinden, grundsätzlich unzulässig sein muss (s. auch Eschelbach, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, § 97 Rn. 21, der diesen Grundsatz sogar verfassungsrechtlich herleitet). Allerdings bestimmt § 97 Absatz 2 Satz 3 StPO a.F. (heute Abs. 2 Satz 2) eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wenn der/die Verteidiger/in der Tatbeteiligung verdächtig ist. Im genannten Beschluss entschied der BGH, dass diese Ausnahme mit der grundsätzlichen Wertung des § 148 StPO vereinbar sei. § 148 StPO schütze nur den reinen Verteidigungsverkehr zum Zwecke der Verteidigung. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, wenn der/die Verteidiger/in selbst verdächtig sei, an der Tat beteiligt zu sein, da in diesem Fall gerade nicht die reine Verteidigung, sondern die Unterstützung der Haupttat - in diesem Fall die Unterstützung der kriminellen Vereinigung - bezweckt werde (BGH, Beschl. v. 3.8.1973 - Az.: StB 34/73, BGH, NJW 1973, S. 2035 f.). Die Entscheidung betraf eine frühere Durchsicht und Beschlagnahme von Verteidigerunterlagen des Rechtsanwalts Ströbele, der am 24.3.1982 schließlich vom LG Berlin wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 52).

[19] Als Rechtsanwalt Heldmann am 4. Verhandlungstag die Verteidigung von Andreas Baader übernahm, konnte ihm keine Ausfertigung der Akten übergeben werden. Ihm wurde nahegelegt, sich an die ausgeschlossenen Verteidiger zu wenden, die ihre Exemplare ja nun nicht länger benötigen würden. Heldmann wies allerdings darauf hin, dass er keinen Herausgabeanspruch gegen diese Personen habe (S. 303 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag).

[20] Rechtsanwalt Siegfried Haag, der ursprünglich Andreas Baader als Pflichtverteidiger beigeordnet war, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).


[a] Handschriftlich ersetzt: Sie müssen durch RA Schily lässt sich

[b] Handschriftlich ersetzt: es durch er

[c] Handschriftlich eingefügt: das

[d] Handschriftlich ergänzt: also

[e] Maschinell durchgestrichen: Anlage 1 und 1 a wurden übergeben

[f] Handschriftlich eingefügt: freizuhaltenden

[g] Handschriftlich ergänzt: einen

[h] Maschinell eingefügt: zu

[i] Handschriftlich ersetzt: sich durch sie

[j] Handschriftlich eingefügt: die

[k] Handschriftlich ergänzt: Positionen

[l] Maschinell eingefügt: und

[m] Handschriftlich ersetzt: den Saal durch jedenfalls

[n] Handschriftlich ersetzt: wer durch wie er

[o] Maschinell eingefügt: geben

[p] Maschinell eingefügt: auch

[q] Maschinell durchgestrichen: an die

[r] Maschinell eingefügt: auf

[s] Maschinell eingefügt: nicht

[t] Maschinell eingefügt: ist

[u] Handschriftlich durchgestrichen: daß

[v] Maschinell eingefügt: ist

[w] Maschinell eingefügt: daß

[x] Handschriftlich ergänzt: zur

[y] Handschriftlich ersetzt: gehen durch ergänzen

[z] Maschinell eingefügt: nochmal

[aa] Maschinell eingefügt: jeder