36. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 10. September 1975, um 9.03 Uhr



[2905] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Mittwoch, den 10. September 1975, um 9.03 Uhr.

(36. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Oberstaatsanwalt Holland - erscheinen in derselben Besetzung wie am ersten Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko,

Just. Ass. z. A. Scholze.

Die Angeklagten sind anwesend mit ihren Verteidigern:

Rechtsanwälte Pfaff, Dr. Heldmann, Becker (als amtlich bestellter Vertreter[1] von Rechtsanwalt Schily), Riedel, v[on] Plottnitz, Eggler, Künzel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke, Grigat.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort.

Herr RA Schnabel hat sich entschuldigt. Er wird später erscheinen.

Herr RA Schily wird durch Sie, Herr RA Becker, weiterhin hier vertreten.

RA Be[cker]:

RA Schily kommt noch heute morgen. Frau Becker ist aus denselben Gründen verhindert wie gestern.

Vors.:

Bitte das Wort.

Protokollführer:

Bitte Mikrophon einschalten.

Vors.:

Herr Schily wird also noch kommen. Frau RA’in Becker?

RA Be[cker]:

Bittet, sie aus denselben Gründen wie gestern zu entschuldigen.

Vors.:

Ja. Nach unseren Vorstellungen hätten jetzt die Angeklagten die Gelegenheit ergreifen sollen, sich zur Sache zu äußern. Aber nach den Ankündigungen gestern abend wird sich wohl zunächst einer der Herrn Verteidiger zu Wort melden.

Herr RA v[on] Plottnitz

[2906] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja, ich bitte ums Wort, und zwar zunächst möchte ich noch mitteilen - ich glaube, ich hab’s ja schon mal fernmündlich gemacht -, daß ich in dieser Woche, und zwar am morgigen und übermorgigen Sitzungstage verhindert sein werde und mich deshalb einmal mehr vertreten lassen muß durch den Kollegen Düx. Gestern haben wir ja einen Vermerk, einen Vermerk des Senats hier vorgefunden, in dem zu der Problematik der Vertretung durch Referendare in ihrer Eigenschaft als amtlich bestellte Vertreter[2] nochmal etwas gesagt worden ist. Ich meine, daß die Rechtsauffassung, die der Senat in der fraglichen Besprechung letzte Woche mit den Kollegen als auch in dem gestrigen Vermerk vertreten hat, daß die schlechterdings nicht haltbar ist, und ich will versuchen - es dauert nicht lang - ich will versuchen, nochmals dazu folgendes klarzustellen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe Ihnen schon gesagt, zunächst mal: Es ist nicht wünschenswert, daß die Sitzung damit wieder eröffnet wird. Es war Gelegenheit gegeben in einem Gespräch, das stattgefunden hat. - Sie waren wohl an diesem Tage nicht anwesend - die Rechtsauffassungen, die gegenseitigen, darzulegen. Ich gebe auch dazu noch Gelegenheit, Ihre jetzt aufgrund des Aktenvermerks nochmals überprüfte Rechtsauffassung dem Senat, speziell aber mir bekanntzugeben, weil es ja eine Frage ist, die der Vorsitzende zu entscheiden hat.

Ich bitte, sie jetzt nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, ich meine, daß mir auch fernmündlich von Ihnen gesagt worden war, daß man dazu kurz nochmal hier in der Verhandlung zur Klarstellung für alle Beteiligten, auch für die B. Anwaltschaft, etwas sagen könne und solle. Es dauert nicht lange.

Vors.:

Ich darf vielleicht folgenden Vorschlag machen:

Ich stehe Ihnen bei der nächsten Pause zum Zwecke der Besprechung dieser Frage wieder zur Verfügung und würde [2907] dann auch einen Herrn der B. Anwaltschaft bitten, daran teilzunehmen, so daß wir dann allseits besetzt sind und das vorgetragen werden kann. Mit der Hauptverhandlung unmittelbar hat’s jetzt nichts zu tun.[3]

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Naja, gut. Dann lege ich jetzt zumindest Wert auf die Feststellung, daß ich morgen verhindert sein werde, ...

Vors.:

Ja. Die Gründe werden Sie dann auch bitte darlegen.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

... daß ich mich vertreten lassen werde, und daß ich wegen der Rechtsauffassung, die wir dazu nochmals eruiert haben, und die wir dazu vertreten, auf einen Schriftsatz verweise, den ich hiermit als Anlage zum Protokoll überreichen darf.

Vors.:

Gerne.

RA v[on] Plottnitz übergibt den Antrag als Anl. 1 zum Protokoll.

Der Antrag ist dem Protokoll als Anl. 1 beigefügt.

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, ich möchte nur ebenfalls mitteilen, daß bei mir dieselbe Situation vorliegt auch für morgen und übermorgen. Ich hab’s ebenfalls schriftlich vorbereitet und werde das dann zu den Akten geben.

Vors.:

Dann darf ich Sie bitten, auch nachher bei dem Gespräch, das in der Pause stattfindet, teilzunehmen.

RA Riedel übergibt den Antrag als Anl. 2 zum Protokoll.

Der Antrag ist dem Protokoll als Anl. 2 beigefügt.

Vors.:

Herr RA Becker.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich möchte kurz noch in[a] einer anderen Sache um Auskunft bitten.

Sie haben uns gestern ein Papier, einen Vermerk des Senates vorgelegt, da steht drin:

[2908-2910][4] [2911][5] [2912] „Die wortgetreue Veröffentlichung eines Auszuges aus dem Wortprotokollentwurf der Hauptverhandlung gegen Baader und andere gibt zu folgendem Hinweis Anlaß:

Es ist unzulässig, den Wortprotokollentwurf anderen Personen oder Institutionen als den am Verfahren beteiligten oder mit dem Verfahren amtlich befaßten zugänglich zu machen. Unzulässig ist insbesondere eine Veröffentlichung des Protokollentwurfs oder eine Weitergabe zu diesen Zwecken.“

Ich wollte eigentlich nur fragen, auf welche Rechtsgrundlage Sie diesen Vermerk stützen. Ich nehme eher an, daß es sich also im wesentlichen darum handelt, daß aus dem Protokoll in der Presse nichts zitiert werden soll, oder daß Sie das verhindern möchten und bitte da um Auskunft, worauf Sie das stützen wollen.

Vors.:

Also das ist ne Frage, die mich verwundert, Herr Rechtsanwalt. Ich meine, das ist nun wirklich erstaunlich. Glauben Sie, daß ein normales Hauptverhandlungsprotokoll dazu zur Verfügung stünde, daß man es veröffentlicht? Und hier ein Wortprotokoll, das also weit über das hinausgeht, was das Gesetz erfordert,[6] das zum Schutze der Angeklagten selbstverständlich niemals hinausgegeben werden kann, auch wenn sie ein eigenes Interesse haben?

RA Be[cker]:

Ja welche Rechtsgrundlage nehmen Sie denn dafür?

Vors.:

Das sind Arbeitsgrundlagen für das Gericht. Das sind Aktenbestandteile. Seit wann können denn Aktenbestandteile frei veröffentlicht werden?

Angekl. Ra[spe]:

Die Fragen stellen wir uns auch.

Vors.:

Darf ich noch folgendes dazu sagen, Herr Rechtsanwalt?

Nein, wir debattieren da nicht. Ich gebe jetzt die Antwort und damit ist dann Schluß. Herr Rechtsanwalt, wir können uns auch über diesen Punkt, wenn Sie wollen, außerhalb der Hauptverhandlung unterhalten.

Angekl. Baa[der]:

Das betrifft uns doch unmittelbar.

[2913] Vors.:

So viel ist sicher: Wir haben keinen Verdacht damit gegen irgend jemand ausgesprochen, weil wir nicht wissen, wie die Veröffentlichung zustandegekommen ist und wir uns klar ...

RA Be[cker]:

Auf welche Veröffentlichung nehmen Sie denn Bezug hier?

Vors.:

Bitte?

RA Be[cker]:

Auf welche Veröffentlichung nehmen Sie denn hier Bezug, die Sie da veranlaßt hat?

Vors.:

Ha nun, das ist doch hinreichend bekannt.

Es geht nur um die Frage, daß hier Anlaß besteht ...

RA Be[cker]:

Welche denn?

Vors.:

Ha nun, es ist im Spiegel ein wortgetreuer Auszug erschienen, wobei wir niemand Vorwürfe machen, weil wir nicht wissen, wie es zustandegekommen ist, und wir nur den Prozeßbeteiligten darüber Klarheit verschaffen müssen, daß es selbstverständlich Unterlagen sind, Aktenbestandteile, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind.

RA Be[cker]:

Aber Herr Vorsitzender, ich möcht nur eines noch dazu sagen:

Es handelt sich ja hier um Dinge, die hier in öffentlicher Hauptverhandlung gesprochen worden sind, die genausogut stenographisch hier festgehalten werden können, und der § 353g des StGB[7] greift eindeutig für diese Aktenbestandteile bzw. für diese Protokolle nicht ein. Insofern bleibt meine Frage hinsichtlich der Rechtsgrundlage Ihres Vermerkes weiterhin offen.

Vors.:

Aktenbestandteile sind Arbeitsgrundlagen[b]; Arbeitsunterlagen für Verfahrensbeteiligte, speziell für das Gericht, sind nicht zu Veröffentlichung bestimmt; im Gegenteil: Wenn irgendwelche Akten eingesehen werden sollen, dann bedarf es eines Interesses, wenn Außenstehender dazukommt, es nachgewiesen werden muß. Schon daraus ergibt sich’s.

Im übrigen: Selbstverständlich, wenn stenographiert wird und dergl. ... Wir können nicht mal behaupten, daß das nicht [2914] diesmal der Fall war, dann ist es nicht möglich, das zu verhindern - wollen wir auch nicht. Es war ja deswegen nur dieser Fall Anlaß, darauf hinzuweisen, daß dieses Protokoll nicht etwa vervielfältigt und verteilt werden kann.

Ich bitte aber, damit diesen Punkt abzuschließen.

Notfalls können wir ihn auch außerhalb der Hauptverhandlung bei Gelegenheit nochmals besprechen.

Darf ich jetzt bitten, wenn Anträge gestellt werden sollen, die zu stellen.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich möchte gern zu dem Beschluß des Senats von gestern, mit dem die Ablehnung der Sachverst. Prof. Dr. Ehrhardt und Dr. Mende[8] als unbegründet zurückgewiesen worden ist, Gegenvorstellungen[9] erheben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich darf auf folgendes hinweisen, damit wir uns auch in diesem Punkte rechtlich richtig verstehen:

Gegenvorstellungen sind denkbar, wenn Tatsachen verwertet worden sind, die für die Betroffenen neu wären.[10]

Das ist im Beschluß nicht der Fall. Sie sind ferner dann denkbar, wenn das rechtliche Gehör nicht gewährt worden wäre. Das ist wohl nach einer viertägigen Begründungsmöglichkeit kaum zu behaupten. Das heißt: Eine Gegenvorstellung, so, wie Sie sie offenbar sich vorstellen, ist nicht möglich und wird auch nicht zugelassen.

RA Be[cker]:

Herr Vorsitzender, ich möchte dem widersprechen.

Wenn Sie sich die Anmerkung Nr. 2 vor § 296[ StPO] in Kleinknecht anschauen, dann steht dort ganz klar drin, daß Gegenvorstellungen bei Beschlüssen, die nicht ... die nicht der Beschwerde unterliegen,[11] zulässig sind, und zwar

RA Riedel verläßt in der Zeit von 9.11 Uhr bis 9.12 Uhr[c] den Sitzungssaal.

[2915] einfach in dem Grunde, und der ist hier besonders stark, daß dem Gericht Gelegenheit gegeben werden soll, offensichtlich unrichtige falsche Beschlüsse hier zu korrigieren, und darum handelt es sich, und dazu gibt es also auch eine B. VerfGE im 9. Bd., S. 89, 107[12], die genau darauf verweist, und insofern halte ich Ihre[d] Bedenken hier für nicht richtig und bin der Meinung, daß eine Gegenvorstellung zulässig ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das, was Sie zitieren, ist durchaus richtig. Der Grundgedanke ist eben der bei unanfechtbaren Beschlüssen. Nun ist das, was hier geschehen ist, nicht unanfechtbar. Für den Fall, daß es soweit kommen sollte, ist die Revision ein Mittel, wo man rügen kann, daß hier der Senat nicht richtig entschieden habe, d. h., es ist kein unanfechtbarer Beschluß.[13]

RA Dr. He[ldmann]:

Ich möchte rechtliche Einwendungen erheben.

Wie Herr Kollege Becker es richtig ausgeführt hat, Gegenvorstellung ist zulässig gegen solche Beschlüsse, solche Entscheidungen, die nicht mit der Beschwerde angreifbar sind, so wie also Ihr gestriger Beschluß.

Nicht richtig ist, Herr Vorsitzender, die Gegenvorstellungen zu beschränken auf solche Entscheidungen, die überhaupt nicht anfechtbar sind, und darüber gibt ja

1. die Literatur - ein Literaturstück ist zitiert - und

2. die herrschende Praxis

hinreichend Auskunft, nicht? So daß also die Gegenvorstellung zulässig ist, und es ist allenfalls, die Frage der Begründetheit kann in Frage ... kann in Zweifel gezogen werden. Mit der Gegenvorstellung des Kollegen Becker wird geltend gemacht werden die falsche Anwendung von Rechtsbegriffen, also in erster Linie die rechtsfehlerhafte Anwendung des Rechtsbegriffs der Besorgnis der Befangenheit, und das soll weitergehend als im Antrag, d. h. mit neuen Gesichtspunkten begründet werden. Somit ist die Gegenvorstellung zulässig, und [2916] über die Begründung wird der Senat sich, ja dann anschließend seine Gedanken machen.

Vors.:

Ja. Ich betrachte dies als eine Beanstandung meines Hinweises[14], daß ich nicht bereit bin, jetzt eine Gegenvorstellung entgegenzunehmen.

Wir werden beraten.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Wir wollen die Frage ganz kurz draußen beraten. Es sind einige Gesichtspunkte zu berücksichtigen dabei. Wir machen eine kurze Unterbrechung.

Der Senat zieht sich um 9.15 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 9.20 Uhr wird die Verhandlung wie folgt fortgesetzt.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Eine Gegenvorstellung wird nicht zugelassen, da im Senatsbeschluß vom 9.9.75 keine neuen Tatsachen angeführt worden sind. Rechtliches Gehör ist gewährt worden. Die Verteidigung hat selbst darauf abgehoben, es solle die falsche Anwendung von Rechtsbegriffen dargelegt werden. Dazu steht notfalls die Revision zur Verfügung.

Werden weitere Anträge gestellt?

Herr RA Riedel.

[RA Riedel:]

Herr Vorsitzender, ich möchte beantragen:

ein Schriftstück, das uns zugegangen ist, an die beiden Sachverst. Prof. Müller und seinen Kollegen in Stuttgart weiterzuleiten.

Vors.:

Darf ich Sie bitten, das Mikrophon zu benützen?

RA Rie[del]:

Das Schriftstück stammt von dem Privatdozenten Dr. med. W. Naeve aus Hamburg und ist gerichtet an das Landgericht Hamburg. Der Privatdozent ist medizinischer Direktor und Leiter des gerichtsärztlichen[e] Dienstes der Gesundheitsbehörde in Hamburg.

[2917] Vors.:

Ist das zwingend, daß das in der Hauptverhandlung ...

RA Rie[del]:

Ja.

Vors.:

... veranlaßt wird?

RA Rie[del]:

Das ist ein Antrag, Herr Vorsitzender, den ich stelle, nämlich Antrag auf Weiterleitung dieses Schriftstücks, und ich wüßte nicht, was ... in welcher Art und Weise er sonst gestellt werden könnte, außer in der Hauptverhandlung.

Vors.:

Indem Sie uns ein Schreiben schicken mit der Bitte um Weiterleitung dieses anliegenden Schreibens.

RA Rie[del]:

Das ist ... aber da leg ich schon Wert darauf, daß das in der Hauptverhandlung auch erörtert wird und bekanntgegeben wird, weil das ja doch eine gewisse[f] Bedeutung hat.

Vors.:

Ja, also das scheint wohl zu sein.

RA Rie[del]:

Nun, das werden Sie merken, wenn ich das noch inhaltlich etwas näher beschreibe

- Um 9.21 Uhr erscheint Prof. Dr. Müller. -[g]

Vors.:

Aha.

RA Rie[del]:

Es betrifft ... Das Schriftstück hat folgenden Betreff:

Beschluß des LG Hamburg vom 28.7.75.

Vors.:

Darf ich Sie jetzt zunächst nochmals darauf hinweisen: Ich sehe also, Herr Rechtsanwalt, keinen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Hauptverhandlung.

RA Rie[del]:

Ja lassen Sie mich doch vielleicht das mal zu Ende ausführen.

Vors.:

Ha nun, dann wäre es witzlos. Es ist nicht Sinn der Sache, das inhaltlich ...

RA Rie[del]:

Es ist ganz kurz. Es ist kurz, dann kann man’s doch jetzt machen?

Vors.:

Zunächst darf ich auf eines hinweisen, Herr Prof. Dr. Müller ist soeben erschienen. Er hat als ...

RA Rie[del]:

Ja.

Vors.:

... Gutachter das Recht, ...

RA Rie[del]:

Um so besser.

Vors.:

... zur Beobachtung hier anwesend zu sein ...

RA Rie[del]:

Dann hört er’s gleich mit.

[2918] Vors.:

... zur Erarbeitung der Grundlagen für das Gutachten, das demnächst erstellt werden soll.

RA Riedel verliest das Schreiben des Dr. W. Naeve aus Anl. 3 zum Protokoll.

Dieses Schreiben wird von RA Riedel übergeben, um es fotokopieren zu lassen.

Die Fotokopie ist dem Protokoll als Anl. 3 beigefügt.

RA Rie[del]:

Das ist also ein Sachzusammenhang, der ähnliche Umstände betrifft, wie hier, nämlich die hier beschriebene Dauer von Einzelhaft, zu der sich der Gutachter in dem Verfahren gegen Möller in Hamburg[15] geäußert hat.

Und wie gesagt, mein Antrag geht dahin, ich werde entsprechende Kopien zu den Akten reichen. Diese Kopien dieses Schreibens bitte ich, weiterzuleiten an die beiden Internisten als Sachverst. hier.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, da der Herr Prof. Dr. Müller anwesend ist, ...

RA Rie[del]:

Ebenso an Herrn Prof. Rasch natürlich auch.

Bitte?

Vors.:

Wir haben ja gesagt, die richtige Weise, mit den Sachverst. zu verkehren, ist für die Verteidiger immer über das Gericht.

RA Rie[del]:

Über’s Gericht, genau.

Vors.:

Ich gestatte Ihnen gerne, daß Sie dieses Schreiben dann nachher Herrn Prof. Müller, der ja jetzt anwesend ist, übergeben.

RA Rie[del]:

Also nicht über’s Gericht, sondern direkt? Gut.

Vors.:

Sie brauchen’s nicht. Wir kennen das. Geben Sie uns das als Anlage zum Protokoll, und wir wissen, daß Sie das Herrn Prof. Müller ausgehändigt haben.

RA Rie[del]:

Kann ich mich darauf verlassen, wenn ich eine Kopie als Anlage zum Protokoll reiche, daß davon die entsprechenden Ablichtungen weitergeleitet werden?

[2919][16] [2920] Vors.:

Die werden jetzt sofort gemacht. Sie bekommen ...

Wieviele brauchen Sie, eine?

RA Rie[del]:

Es müßten zwei Ablichtungen weitergeleitet werden an Herrn Prof. Rasch und Schröder.

Vors.:

Ja, gut. Werden wir’s Ihnen dreifach fotokopieren und dann Ihnen zur Verfügung stellen. Für die Weiterleitung sind Sie selbst besorgt, und wir nehmen’s als Anlage zum Protokoll.

BA Dr. Wu[nder]:

Können wir auch ein Exemplar haben, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Selbstverständlich.

RA Rie[del]:

Es ist noch ein Exemplar hier. Wenn das weitergegeben werden kann.

Vors.:

Damit ist das erledigt.

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bitte ums Wort für den folgenden Antrag.

Antrag:

Herrn Prof. Dr. Ehrhardt als Sachverständigen nach § 76 Abs. 1 S. 2 der StPO[17] von seiner Aufgabe zu entbinden.

RA Schily erscheint um 9.25 Uhr.

Dazu ganz kurz folgende Punkte:

1. Herr Prof. Ehrhardt hat bereits am 21.7. in seinem Schreiben an Sie ausgesprochen, daß er sehr erhebliche Bedenken, so heißt es wortwörtlich, gegen die Übernahme dieses Auftrags habe ...

OStA Ze[is]:

Herr Vorsitzender, ich bitte um Entschuldigung.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich darf mein ...

OStA Ze[is]:

Ich bitte um Entschuldigung.

RA Dr. He[ldmann]:

Auch wenn’s dem Herrn ...

OStA Ze[is]:

Doch. Herr Vorsitzender, ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich gehe davon aus, ...

OStA Ze[is]:

... die B. Anwaltschaft bittet ums Wort.

[2921] Soeben ist Herr RA Schily eingetroffen. Es muß geklärt werden, in welcher Eigenschaft Herr RA Becker hier weiterhin anwesend ist.

RA Dr. He[ldmann]:

Können Sie das mal vielleicht dem Herrn OStA Zeis mal nahelegen, daß das vielleicht auch mal außerhalb der Hauptverhandlung zu klären ist?

Vors.:

Ja das ist nun aber gewiß ein Punkt, der in der Hauptverhandlung eine ganz erhebliche Rolle spielt, ob ein Verteidiger legitimiert ist, ...

RA Dr. He[ldmann]:

So.

Vors.:

... aufzutreten.

Herr Rechtsanwalt, darf ich folgendes sagen dazu - ich hab’s ja mit Herrn RA Schily schon vorher telefonisch besprochen gehabt und kann das wohl darlegen -:

Herr RA Schily führt hier die Verteidigung;

Herr RA Becker ist von ihm vorgesehen als amtlich bestellter Vertreter, ihn zu vertreten für die Fälle, wo er verhindert ist. Zur Einführung von Herrn RA Becker war vorgesehen, daß Herr RA Schily Herrn Becker gelegentlich mal mitnimmt. Das haben wir auch gestattet, beispielsweise bei Herrn RA Schlaegel im Verhältnis zu Herrn RA Herzberg, und es besteht kein Grund, das Herrn RA Schily nicht zu gestatten. Das heißt, ich gehe jetzt davon aus, Sie übernehmen die Verteidigung und Herr RA Becker ist weiterhin nicht mehr als Verteidiger anwesend, sondern um sich zu informieren. Er kann also jetzt nicht mehr das Wort ergreifen, sondern er ist nur zu Informationszwecken anwesend.

RA Sch[ily]:

Also ich meine, ich hoffe nicht, daß wir, Herr Dr. Prinzing, auf die Verfahrensweise verfallen, wie in Kaiserslautern[18] also offenbar üblich ist, daß also dann einer ... da geht es ja also auch [2922] ähnlich, so in der Art Untervollmacht, und es ist ja richtig. Wir haben das telefonisch besprochen. Ich habe mich da bei Ihnen erkundigt, ob da Bedenken bestehen. Aber wir wollen doch nicht die Verfahrensweise wählen wie in Kaiserslautern, wo inzwischen gehandhabt wird, daß also ein Verteidiger, der also seinen Vertreter reden lassen will, gezwungen wird, zunächst den Saal zu verlassen, und dann also auf diese Weise seinem Vertreter die Gelegenheit gibt, das Wort zu ergreifen. Es wird sich möglicherweise die Notwendigkeit ergeben, weil ich ja gestern nicht hier sein konnte, für den Herrn Kollegen Becker heute das Wort zu nehmen, und ich bitte doch darum, das also auch hier in der durchaus zulässigen Form dann zu gestatten. Ich meine, daß da überhaupt keine Bedenken bestehen, wenn gleichzeitig ... Notfalls muß das in Form der Untervollmacht dann gewährt werden.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich bedaure. Das ist rechtlich nicht möglich. Sie sind der bestellte Verteidiger.[19] Sie können vertreten werden, wenn Sie zu vertreten sind. Sobald Sie anwesend sind, gibt’s keinen Grund, Sie zu vertreten. Ich bitte ...

RA Sch[ily]:

Naja, dann ... dann wird es also notwendig sein, daß, um Herrn Becker das Wort zu verschaffen, werde ich dann mich hier sozusagen aus der Verteidigung einen Moment entfernen ... zurückziehen müssen.

Vors.:

Da ist dann die Frage, ob dann für diesen Einzelfall Herr RA Becker zugelassen wird, denn ich muß ja in jedem Einzelfall, was gestern konkludent geschehen ist, seine Übernahme der Pflichtverteidigung genehmigen. Wenn sich das etwa - um es deutlich zu sagen - ich behaupte nicht, es sei die Absicht, dann mißbräuchlich auswirken sollte, [2923] daß Sie alle fünf Minuten dann sich mal hier hinauskatapultieren, dann müßte ich selbstverständlich die Genehmigung versagen. Ich würde also bitten, daß, wenn Sie anwesend sind, Sie die Verteidigung führen und tatsächlich das Anwesenheitsrecht für Herrn RA Becker nur zu Informationszwecken genehmigt wird.

RA Sch[ily]:

(zunächst unverständliches Nuscheln)

Zunächst ist ja offenbar der Herr Kollege ...

Vors.:

Bitte? Ich hab das nicht verstanden, scheint aber was Lustiges gewesen zu sein.

RA Sch[ily]:

Im Moment ist, ja der Kollege Dr. Heldmann am Zuge, und wir werden das ja dann zu gegebener Zeit zu prüfen, haben, wie Sie sich verhalten.

Vors.:

Bitte, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Würden Sie mir erlauben, mich eine Minute mit den - gleich hier mit den beiden Kollegen zu unterhalten, ja?

Vors.:

Wir warten hier am Tisch.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke.

Pause von 9.30 Uhr bis 9.31 Uhr.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann - ich darf die Herrn v[on] Plottnitz und Riedel bitten, Platz zu nehmen.

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Vorsitzender, die kolossal prozeßbeschleunigende Anregung des Herrn OStA Zeis macht’s nunmehr notwendig, für eine Viertelstunde eine Pause von Ihnen zu erbitten, und zwar ganz einfach aus folgendem Grund, weil Herr Kollege Schily, wie Sie eben gesehen haben, grade angekommen ist und nun Herr Kollege Becker Herrn Schily diejenigen Vortragsunterlagen, die nunmehr anstehen, übergeben muß und erläutern muß.

Vors.:

Herr RA Dr. Heldmann., es war keine Anregung von Herrn B. Anw. Zeis. Es war ein Hinweis auf rechtliche Notwendigkeiten.

[2924] Im übrigen: Diese Pause bekommen Sie zu diesem Zwecke. Wir machen also jetzt eine Viertelstunde Unterbrechung.

RA Dr. He[ldmann]:

Danke.

Pause von 9.31 Uhr bis 9.50 Uhr.

RA v[on] Plottnitz ist nicht mehr[h] anwesend

RA Becker ist weiterhin[i] anwesend.

Vors.:

So, wir haben die Pause benützt, gleichzeitig dieses Gespräch wegen der Referendare zu führen. Im übrigen geht der Senat davon aus, nachdem sein Rechtsstandpunkt zu der Frage dieses Vertreterverhältnisses in gleichzeitiger Anwesenheit bekanntgegeben worden ist, daß in Zukunft diese Informationen vor der Verhandlung gegeben werden. Im Augenblick ist es kein Problem, da der Senat ja, wie es so bezeichnet wird, mit Nettozeiten[20] arbeitet, so daß er mit Pausen großzügiger sein kann. Das wissen wir noch nicht, wie sich das in Zukunft entwickelt, ob man da weiterhin so vorgehen kann.

RA v[on] Plottnitz erscheint wieder[j] um 9.51 Uhr.

Nun darf ich Herrn RA Dr. Heldmann das Wort geben.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich stelle den Antrag:

Herrn Prof. Dr. Ehrhardt von seiner Bestellung zum Gutachter in diesem Verfahren zu entbinden. Grundlage § 76 Abs. 1 S. 2 der StPO;

und zwar hierfür folgende Hinweise:

Herr Prof. Ehrhardt hat in seinem Schreiben vom 21.7.75 an Sie selbst geäußert, er habe - so wörtlich -

„... erhebliche Bedenken gegen die Übernahme dieses Auftrags ...“.

[2925] Sie, Herr Vorsitzender, haben am 2. September - war es wohl - in der Verhandlung am ... letzte Woche hinreichend erklärt, daß Sie selbst keinerlei Informationen darüber eingeholt haben, welcher Art diese Bedenken seien. Sie haben lediglich eine Vermutung geäußert, es könnten private Bedenken sein.

Die Vermutung bei uns jedoch ist eine andere, nämlich, daß Herr Prof. Ehrhardt sich selbst dieser Aufgabe - mag sein ... mag sein aus diesem Grund, mag sein aus jenem Grund - nicht gewachsen fühlt oder gar, daß er selbst sich für befangen gegenüber diesen Angeklagten hält. Mag es so sein, mag es so sein, in jedem Fall erscheint es zwingend erforderlich, erschien es zwingend erforderlich, umgehend festzustellen, was Herrn Ehrhardt veranlaßt hat, erhebliche Bedenken gegen die Übernahme dieses Auftrags in seiner allerersten Äußerung Ihnen gegenüber bereits anzumelden.

Ferner:

In seinem Schreiben vom 21.8. an Sie wird Herr Prof. Ehrhardt möglicherweise im Hinblick auf diese, einen Monat früher geschriebene Äußerung deutlicher. Da schreibt er Ihnen nämlich u. a. in dem Zusammenhang Aufrechterhaltung seiner Gutachterbestellung, daß - ich zitiere wörtlich -

„... ich offenbar massiv von den Angeklagten abgelehnt werde ...“

S. 2 jenes Schreibens.

Und er empfiehlt dem Senat, zunächst einmal die Begutachtung von Herrn Rasch durchführen zu lassen. D. h. also, dieses Schreiben, wo nicht das erstgenannte bereits erhebliche Bedenken überhaupt an der vollen Bereitschaft des Herrn Prof. Ehrhardt schon hinreichend zeigt, dieses[2926] zweite vom 21.8. jedenfalls läßt keinen Zweifel daran, daß er dieser Gutachteraufgabe sich derzeit jedenfalls entweder nicht gewachsen fühlt - sei es, weil er sich selbst für befangen hält oder aber diesen Gutachterauftrag zurückgeben möchte. Das kann man auch besonders dann verstehen, wenn man seine weiteren Äußerungen liest, die Sie in dem wörtlichen Zitat auf S. 3 Ihres Beschlusses wiedergegeben haben, wo er nämlich in Kenntnis dessen, daß er zu einer fachärztlichen Untersuchung nicht gelangen wird, Ihnen schreibt:

„Die Verhandlungsprotokolle, soweit ich sie bisher lesen konnte, sind natürlich psychologisch und zeitgeschichtlich interessant,

- ich enthalte mich also jeder naheliegenden Kommentierung hier -

streckenweise deprimierend.

Diesem Protokoll wird sich kaum etwas entnehmen lassen, was für eine nennenswerte Beeinträchtigung der Verhandlungsfähigkeit[21] der Angeklagten spricht. Es finden sich aber zum Teil abenteuerliche Ausführungen, etwa über partielle Verhandlungsfähigkeit, über den Arzt des Vertrauens oder über die sensorische Deprivation. Von der Verfahrenstaktik abgesehen werden dabei auch grundsätzliche Mißverständliche deutlich.“

Diese Mißverständnisse die scheinen sich ins Unübersehbare zu steigern, wenn man dazu den unmittelbaren Text Ihres Beschlusses, d. h. den Text Ihres Beschlusses, der sich an dieses Zitat anschließt, liest, nämlich, wo Sie den Verdacht einer Voreingenommenheit des Herrn Prof. Ehrhardt als Sachverst. gegenüber diesen Angeklagten zurückweisen und dann diese tatsächliche, etwas nicht auf den ersten Blick verständliche Kette von Formulierungen, wie ich’s eben zitiert habe aus dem Schreiben des Herrn Prof. Ehrhardt, selbst interpretieren, und zwar, wenn Sie erlauben, zitiere ich einen Satz aus Ihrem Beschluß[22]:

[2927] „Überlegungen, inwieweit Äußerungen von Verfahrensbeteiligten taktisch motiviert sein könnten, sind schon deshalb unbedenklich, weil u. a. davon abhängt, ob solche Äußerungen im Rahmen des Gutachterauftrags medizinischer Betrachtung bedürfen.“[23]

Ob solche Äußerungen von Verfahrensbeteiligten medizinischer Betrachtung bedürfen.

Das scheint ja gradezu der Beweis für die Überforderung dieses Gutachters mit dieser Aufgabe zu sein, denn diese Interpretation, die Sie jener Äußerung des Prof. Ehrhardt gegeben haben, die, nämlich Äußerungen von Verfahrensbeteiligten im Rahmen des Gutachterauftrags medizinischer Betrachtung zu unterwerfen, da muß sich ja Prof. Ehrhardt plötzlich angesprochen fühlen: vier Angeklagte, vier Ankläger, vier Verteidiger und dann auch noch fünf Richter medizinischer Betrachtung hinsichtlich ihrer Äußerungen zu würdigen. Offensichtlich muß dieser Sachverständige, der ja selbst nicht ran will, damit, mit dieser Interpretation, dieser Aufgabenstellung durch das Gericht überfordert sein.

Aber wesentlicher ist dann objektiv das, was im folgenden in seinem Schreiben vom 21.3. Herr Prof. Ehrhardt dem Gericht sagt. Er gibt nämlich damit praktisch seinen Gutachterauftrag, den er von Ihnen erhalten hat, an Sie zurück, indem er sagt:

Das, was ich hier tun soll - eine Untersuchung ist für mich sowieso ausgeschlossen - das können Sie, der Strafsenat, selbst. Sie brauchen mich nicht. D. h., ich würdige diesen Text - Sie wissen, welchen ich meine - das ist der letzte Absatz, wo Prof. Ehrhardt sagt:

„Ohne einen erheblichen ...

usw.

rückt die Frage nach der Verhandlungsfähigkeit in den Bereich der Normalpsychologie und ist als solche primär vom Gericht zu beantworten.“

[2928] Herr Prof. Ehrhardt - nach allem anderen, was ich vorhin ausgeführt habe - gibt damit seinen Gutachterauftrag wohl[k] nicht wortwörtlich, jedoch mit Sicherheit konkludent[24] an dieses Gericht zurück, und allein das schon ist hinreichend ... hinreichender Grund, von der Möglichkeit der Ermessensentscheidung des Gerichts nach § 76 [Abs. ]1, [Satz ]2 d. StPO Gebrauch zu machen.

Und schließlich bitte ich für diese Entscheidung, die ich hier begehre, ganz besonders folgendes zu erwägen:

Der Senat selbst hat in seinem Gutachterbestellungsbeschluß - der datiert vom 18.7.75 - in seinem Schlußabsatz hervorgehoben:

„Der Sache

- also der Gutachtenerstellung -

kommt wegen der laufenden Hauptverhandlung besondere Dringlichkeit zu.“

Nun können wir hinsichtlich der Sachverst.-Tätigkeit, der etwaigen Sachverst.-Tätigkeit des Herrn Prof. Ehrhardt, an die er selbst ja nicht mehr glaubt, liest man sein Schreiben vom 21.8., die er selbst nicht mehr wahrhaben will, liest man jenes Schreiben, kann man eines jedenfalls zwingend, und das scheint mir für das Gericht zwingend zu sein, entgegenhalten: Die Beibehaltung des Herrn Prof. Ehrhardt als Sachverst. für das Fachbereich Psychiatrie bedeutet eine erhebliche Verzögerung der endgültigen Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, die das Gericht mit Sicherheit nicht beabsichtigt und die in keinem ... keinerlei Interesse von Prozeßbeteiligten liegt, die aber mit Sicherheit einen erheblichen Nachteil für die Angeklagten darstellt. Allein auch schon aus diesem letztgenannten Grund, die erhebliche Verzögerung, Verschleppung der Gutachtenerstellung bis zu ihrem letzten hin, zwingt, von der Möglichkeit des § 76 [Abs. ]1 S. 2[ StPO] Gebrauch zu machen und den Sachverst., unwilligen Sachverst. Ehrhardt, nun alsbald von dieser sei- [2929] ner ungewollten und ungeliebten Aufgabe zu entbinden.

Vors.:

Will sich sonst jemand zu diesem Antrag melden?

Ich glaube, Herr RA Schily, wenn jetzt Herr Baader sich noch im Anschluß an seinen Verteidiger äußert, wäre das sachgerecht.

Bitte, Herr Baader.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Darf ich kurz eine Frage an Herrn RA Heldmann stellen?

Vors.:

Ich habe nichts dagegen. Herr Dr. Heldmann, Sie werden sich die Frage wohl stellen lassen.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr RA Heldmann, für mich wäre interessant, noch zu erfahren, wodurch sich diese Verzögerung ergeben soll?

RA Dr. He[ldmann]:

Das haben wir Ihnen in, also jedenfalls nach Ihrer Nettozeitrechnung, in vier Verhandlungstagen

RA Schnabel erscheint um 10.03 Uhr.

ausführlich vorgetragen. Für uns völlig unverständlicherweise hat das Gericht die Anträge, Herrn Ehrhardt wegen Befangenheit abzulehnen, abgelehnt.

Gut. Die Gegenvorstellung ist nicht angenommen worden. Schlecht. - Aber eines ist mit Sicherheit zu sagen:

Nachdem, was wir hier vorgetragen haben, ist es für jeden vernünftigen Menschen, ob er Angeklagter ist oder nicht, unzumutbar, sich von Herrn Prof. Ehrhardt behandeln zu lassen.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr RA Heldmann, meine Frage haben Sie nicht beantwortet.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann haben Sie meine Antwort nicht verstanden, Herr Widera.

Vors.:

Herr Baader, Sie haben jetzt das Wort.

Angekl. Baa[der]:

Naja, es ist nochmals zu sagen, daß dieser Beschluß gestern, diese Entscheidung gestern wirklich [2930] alles bestätigt, alles bis ins Detail bestätigt, was wir hier in den vier Tagen vorgetragen haben, auch über die Interessen des Gerichts bei der Gutachterbestellung. Wir haben um[l], nochmals eine Linie aufzugreifen, Ehrhardt abgelehnt, weil er sich den Interessen der Strafverfolgungsbehörden vollständig unterordnet. Er selbst sagt ja wörtlich in einer seiner Veröffentlichungen:

„Die Psychiatrie ist im Gerichtssaal nur Hilfswissenschaft der Strafverfolgungsbehörden.“

RA Pfaff verläßt um 10.05 Uhr den Sitzungssaal.

Deutlicher kann man das eigentlich nicht machen, als in der Regisierung dieses Gutachterauftrags an das Gericht, die in diesem Brief zum Ausdruck kommt; d. h., er sagt von vornherein: Instanz der Feststellung der Verhandlungsfähigkeit ist das Gericht. Das ist an sich sehr wesentlich. Ich meine, besser kann man es nun wirklich nicht machen. Deutlicher kann man im Grunde nicht belegen, daß dieser Gutachter befangen ist, daß er sich tatsächlich ... daß er bereit ist, daß er von vornherein bereit ist, sich vollkommen den Interessen des Gerichts hier bzw. der B. Anwaltschaft - das ist ja hier ein Block - unterzuordnen. Aber es gibt an sich noch ein paar andere Punkte:

Ich wollte Sie nochmals wesentlich daran erinnern, daß wir hier festgestellt haben was[m], für ne außerordentlich enge Beziehung zwischen Ehrhardt und Witter besteht, das, was Moser, um es nochmals zu wiederholen, als Komplott bezeichnet, und die [n] Ordinarien für Psychiatrie bezeichnet als außerwissenschaftliche Übereinkunft, und daß Ehrhardt ... daß Witter immerhin im Zusammenhang seines Versuchs einer Zwangsnarkose und einer Zwangsszintigraphie gewarnt wurde.

[2931] Das ist keine Drohung. Interpretieren Sie das nicht so. Aber natürlich beeinflußt das Ehrhardt zwangsläufig, wenn Sie mich verstehen. Es ist sozusagen zwingend, daß Ehrhardt, wenn er in dieser engen Beziehung zu Witter steht, diesen Sachverhalt in seine Beziehung zu den Leuten, die er untersuchen soll, einbezieht und daß sein Urteil dadurch beeinflußt wird.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen?

Herr RA Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Ich schließe mich dem Antrag des Kollegen Dr. Heldmann an und möchte ergänzend folgendes dazu ausführen:

Es besteht ja im Zusammenhang dieses Antrages die Notwendigkeit, auch auf den gestern verkündeten Beschluß, wie es auch der Kollege Dr. Heldmann getan hat, einzugehen, und ich glaube, an die Spitze aller Darlegungen gehört die Feststellung bzw. die Frage, ob nicht hier ein Programm sichtbar wird, in der Form, daß man nun auf Biegen und Brechen an diesen beiden Sachverst., die sich durch ihre Veröffentlichungen in der nun detailliert beschriebenen Weise exponiert, aber auch in Bezug auf dieses Verfahren durch die beiden an den Senat gerichteten Schreiben demaskiert haben. Und um dieses Programm vielleicht noch besser übersehen zu können, soll in diesem Zusammenhang nicht darauf verzichtet werden, darauf hinzuweisen, daß ein weiterer Herr aus diesem außerwissenschaftlichen Kartell, von dem Herr Baader soeben gesprochen hat,

RA Pfaff erscheint wieder um 10.08 Uhr.

nun auch einen Auftrag bekommen hat, und zwar in Kaiserslautern, und zwar der Herr Prof. Presser, und wer da nun noch sagt, das ist alles Zufall und das kommt so von ungefähr, da sind die Herren alle so von ungefähr an die erste Stelle irgendeiner Rangliste gerückt worden, der strapaziert ein bißchen die Gutgläu- [2932] bigkeit der Verteidigung; denn die Frage muß erlaubt sein, wie denn eigentlich - der Senat stellt sich ja so ganz arglos und sagt, die Herren waren an erster Stelle auf dieser Liste - aber die Frage muß erlaubt sein, wie kommen diese beiden Herren eigentlich an die erste Stelle?

Wenn man einem Referendar im Rahmen der Ausbildung einmal einen Tatbestand vortragen wollte, in dem es darum geht, zu illustrieren, unter welchen Voraussetzungen ein Sachverst. als befangen zu gelten hat, dann würde ich durchaus die ... den Fall des Prof. Ehrhardt und sein Schreiben, das er an den Senat verfaßt hat, für ein Paradebeispiel halten dafür, in welchen Äußerungen und durch welche Bekundungen ein Sachverständiger seine Befangenheit kundtut.

Ende von Band 164.

[2933] Der Senat hat zunächsteinmal in seinen Ausführungen, in dem gestern verkündeten Beschluß das Schreiben des Herrn Prof. Ehrhardt, in dem er, das Schreiben vom 21. Juli 1975, in dem er erwähnt, daß er grobe, daß er erhebliche Bedenken gegen die Übernahme des Gutachterauftrages hatte, meint, hat der Senat gemeint, dieses Schreiben beiseite tun zu können, weil auf dem Schreiben für die Befangenheit des Sachverständigen nichts hervorgehe. Der Senat hat sich aber nicht damit befaßt, obwohl das aus dem Protokoll und den Ausführungen der Verteidigung, die im Protokoll nachzulesen ist, eindeutig hervorgeht, daß die Verteidigung eine Beziehung zwischen den Schreiben des Herrn Prof. Ehrhardt vom 21. Juli und 21. Aug. 1975 hergestellt hatte. Zu Ihrer Erinnerung; im Schreiben vom 21. Juli 1975 hatte Herr Prof. Ehrhardt noch[o] erklärt, daß eigene Explorationen für die Begutachtung notwendig seien, während dann später in seinem Schreiben vom 21.8.75 urplötzlich eine Kehrtwendung vornimmt und nun ohne jegliche Begründung, die Auffassung vertritt, daß auch ohne solche Exploration eine Begutachtung bzw. eine Meinungsbildung des Senats möglich sei. Aus dieser ... aus diesem unmotivierten Sinneswandel ist doch deutlich erkennbar, daß der Sachverständige sich außerhalb seines Wissenschaftsgebietes begibt und offenbar nur in einer bestimmten Zielsetzung seinen Gutachtenauftrag versteht. Die Verteidigung hat ferner beanstandet, daß der Sachverständige Prof. Ehrhardt in seinem Schreiben vom 21.8.75 sich zu den Haftbedingungen äußert.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbrechen muß, aber ...

RA Sch[ily]:

Eigentlich habe ich das sehr ungern, also die Verhandlungsweigerung ...

[Vors.]:

Das weiß ich, aber die ... zwingt mich ... Ich habe es auch ungern, wenn ich Sie unterbrechen muß ...

RA Sch[ily]:

Ja, das habe ich nicht das, das ...

Vors.:

Zu Ihrer ...

RA Sch[ily]:

Den Eindruck habe ich überhaupt nicht, Herr Vorsitzender, da Sie mich ständig eigentlich ...

Vors.:

Ich überlasse Ihnen Ihre Gefühle, aber ich ...

RA Sch[ily]:

Das hat gar nichts mit Gefühlen, das sind Tatsachen, Herr Vorsitzender.

[2934] Vors.:

Darf ich meine Worte jetzt zu Ende bringen, es ist zwar schwierig ...

RA Sch[ily]:

Nein, ich würde gerne meine Worte zu Ende bringen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Lassen Sie sich bitte von demjenigen, der die Verhandlung leitet, folgendes sagen. Ich bringe ...

RA Sch[ily]:

Ich weiß nicht, ob die Verhandlungsleitung eigentlich umfaßt, die Ausführung eines Verteidigers ständig zu unterbrechen.

Vors.:

Ja, sie umfaßt es, wenn der Verteidiger von dem abweicht, was er vorgibt, vortragen zu wollen. Sie haben vorhin gehört, daß wir eine Gegenvorstellung nicht zulassen. Das, was Sie jetzt bringen, soweit wir es verstehen können, ist nichts anderes, als die nachgeholte Gegenvorstellung. Auch hier wieder ist das Etikett, das Sie anhängen, in dem Sie sich dem Antrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann, der ja nun wirklich einen neuen Gegenstand gebracht hat, einfach anschließen, nicht geeignet über diesen wahren Inhalt hinwegzutäuschen. Und deswegen würde ich Sie bitten, sich an das zu halten, was jetzt Antragsgegenstand ist, nämlich die Anregung an das Gericht, nach § 76 1. Abs., nach § 76 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung zu verfahren.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Bitte.

RA Sch[ily]:

... ich muß Ihnen sagen, da Sie nun ständig dieses Wort gebrauchen mit der falschen Etikettierung, das ist einfach ne Irreführung, daß Sie einfach nicht darum ..., daß Sie nicht vermeiden können, wenn Sie auch gerade auf die, auf die Möglichkeiten nach § 76 Abs. [1 ]Satz 2[ StPO] eingehen, ein Sachverständigen von seinem Gutachtenauftrag zu entbinden, auch auf die Sachverhalte einzugehen unter anderem rechtlichen Gesichtspunkt, die bereits Gegenstand Ihres Beschlusses waren. Zumal ich ja verhindern will, als Verteidiger und das ist meine Verpflichtung, daß Sie zu den gleichen Fehlschlüssen kommen, wie in dem Beschluß, den Sie gestern verkündet haben. Das ist doch selbstverständlich und ich wundere mich eigentlich, daß Sie das auf diese Weise unterbinden wollen. Aber das zeigt nur, daß Sie natürlich die Befürchtung haben, daß man auf die Unrichtigkeit dieser Be- [2935] schlußbegründung nochmal zurückkommt, das verstehe ich. Aber, von der Verteidigung besteht einfach die Notwendigkeit darauf einzugehen. Und ich komme nochmal darauf zurück. In diesem Beschluß heißt es, zunächst einmal darf ich noch einmal zitieren, das Schreiben von Herrn Prof. Ehrhardt. Es scheint mir einfach, um den Sinnzusammenhang herzustellen, notwendig zu sein. Da schreibt der Prof. Ehrhardt in seinem Schreiben an den Senat: „Was die Beschlüsse und Verfügungen zu den Haftbedingungen betrifft, so kann ihnen auch der psychiatrische Sachverständige nichts entnehmen, was von besonders negativen Einfluß auf die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten sein könnte. Selbstverständlich bewegen sich diese Beschlüsse und Verfügungen im Rahmen der Strafprozeßordnung und der Vollzugsordnung, was allein der richterlichen Beurteilung unterliegt.“ Ja, was ist denn in diesen Ausführungen. Der Senat hat in seinem gestern verkündeten Beschluß behauptet, in diesen Ausführungen liege kein Rechtsgutachten, also keine Überschreitung eigentlich dessen, was der Sachverständige auszusagen, was der auszusagen hat.

Aber wenn ein Sachverständiger hier erklärt, selbstverständlich bewegen sich diese Beschlüsse und Verfügungen im Rahmen der Strafprozeßordnung und der Vollzugsordnung, dann muß man doch, wenn man noch deutsch versteht, und deutsch ist ja wohl die Gerichtssprache, dann muß man doch sehen, daß da zu einer rechtlichen Frage Stellung genommen wird. Das kann doch der Senat nicht einfach hier ausradieren und dann sagen, ein Rechtsgutachten liegt in diesen Ausführungen nicht ... Ein Rechtsgutachten vielleicht nicht, weil da überhaupt keine Gründe dafür angegeben werden, aber eine apodiktische Feststellung liegt darin, daß etwas rechtens sei. Und das ist ja die Ungeheuerlichkeit in diesem Schreiben, daß dieser Sachverständige nicht nur, nicht nur die Grenzen, die ihm gezogen sind, nämlich aus medizinischer Sicht etwas zu sagen, nicht einhält, sondern daß er das auch ohne jegliche Auseinandersetzung mit den gewichtigen Einwänden der Verteidigung gegen diese Art der Haftbedingungen tut. Und wenn jemand schon so schnell bereit ist, etwas als rechtens anzuerkennen und eine solche Feststellung zutrifft, für die er überhaupt nicht kompetent ist, dann ist es natürlich nicht mehr sehr weit entfernt davon, daß [2936] er natürlich seine medizinischen Überlegungen in diesen Zusammenhang schon vorweg parat hat, ohne, ohne jegliche Untersuchung und wenn Sie sagen, er hätte gesagt, das ist aus medizinischer Sicht nicht geeignet, die Verhandlungsfähigkeit zu unter..., zu beeinträchtigen, ja dann liegt darin auch schon eine Ungeheuerlichkeit, weil er eben ohne Untersuchung und vielleicht nur aus der Kenntnis irgendwelcher[p] Schriftstücke die Behauptung aufstellen will, daß da medizinisch gar nichts zu untersuchen sei, das ist eine causa finita roma locuta. So, so will sich hier der Herr Ehrhardt in dem Prozeß bewegen. Und daß das mit Sachverständigen überhaupt nichts mehr zu tun hat, sondern daß er sich hier nur als Kampfgefährte der Bundesanwaltschaft versteht, das wird aus solchen Ausführungen doch ganz deutlich. Ein Präjudiz enthält, enthält diese Passage. Und das ist, das ist das, was daran zu beanstanden ist und darüber kann der Senat, selbst wenn er hier sehr viel Fassadenputz verschwendet, das kann nicht verdeckt werden.

In dem Schreiben von Prof. Ehrhardt heißt es weiter: „Die Verhandlungsprotokolle, soweit ich sie bisher lesen konnte, sind natürlich psychologisch und zeitgeschichtlich interessant,“ also ich weiß nicht, ob Herr Prof. Ehrhardt eigentlich irgendwie ein Lehrstuhl für Zeitgeschichte hat, aber er hätte auch darauf verzichten müssen. Es heißt hier weiter, „streckenweise deprimierend“. Diesen Protollen wird sich kaum etwas entnehmen lassen, was für eine nennenswerte Beeinträchtigung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten spricht. Es finden sich aber zum Teil abenteuerliche Ausführungen, etwa über partielle Verhandlungsfähigkeit, über den „Arzt des Vertrauens“. Der Arzt des Vertrauens ist etwas Abenteuerliches für Herrn Prof. Ehrhardt, oder über die sensorische Deprivation offenbar auch etwas Abenteuerliches. „Von der Verfahrenstaktik abgesehen werden dabei auch grundsätzliche Mißverständnisse deutlich“, so heißt es zum Schluß. Diese Ausführungen des Herrn Prof. Ehrhardt hat der Senat, und da darf ich vielleicht Ihre Wortbildung verwenden, Herr Dr. Prinzing, etikettiert als zulässige vorläufige Meinungsbildung aus der Verwertung von Prozeßmaterial. Wenn jemand sagt, bestimmte „Ausführungen“ und sie so kenn- [2937] zeichnet als „abenteuerlich“, ohne eigene Untersuchungen das als „zulässige vorläufige Meinungsbildung“ noch hinzunehmen, das ist wirklich eine Zumutung an jegliches Verständnis von Recht und Unrecht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Gegenvorstellungen gegen den Senat und den Beschluß des Senats haben wir, wie gesagt, jetzt nicht zum Gegenstand Ihrer Ausführungen.

RA Sch[ily]:

Ja, ich verstehe Ihre Unruhe, Herr Vorsitzender, aber ich sagte Ihnen bereits, es ist notwendig, es ist notwendig, gerade im Hinblick und vielleicht werfen Sie mal einen kurzen Blick in den Kommentar. Das ist ja ... Ich habe den kleinen heute nur hier. Da heißt es also zu Ziff. 2 der, der, diesem ..., aus anderen Gründen. „Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverständiger von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbunden werden“. Da heißt es, aus anderen Gründen, wegen einer der Sachverständigentätigkeit nicht günstigen Beziehung zur Sache oder zur Person eines Beteiligten. [25]

Vors.:

Das dürfen Sie ja darstellen.

RA Sch[ily]:

Ja? Sehen Sie und da ist es einfach notwendig, denn das ...

Vors.:

Dem Senat darzustellen.

RA Sch[ily]:

... Nein, ich will doch ... Ich will doch nicht ...

Vors.:

Aber so scheint es.

RA Sch[ily]:

... nachher ... Sehen Sie mal, dann wenn ich ..., wenn ich jetzt die gleichen Irrtümer wieder bei Ihnen ... Davon muß ich doch ausgehen, daß Sie möglicherweise hier die gleichen irrtümlichen und falschen Ausgangspunkte für Ihre Beratung wählen, weil ja in der Tat eine gewisse Parallelität für die Kriterien bei der Entscheidung, die über das Ablehnungsgesuch zu treffen war, und bei der Entscheidung nach § 76[ StPO] vorhanden ist. Und ich will den Senat davor bewahren, eine ähnlich unrichtige Entscheidung zu treffen, wie er sie gestern getroffen hat, und dafür ist das notwendig und deshalb bitte ich Sie, das nun ohne Unterbrechung weiteranzuhören.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ja der Sinn der Sache, daß ich nun nicht mehr unterbrechen muß, insbesondere nicht in Gefahr gerate, etwas zu tun, was mir sehr unlieb wäre, nämlich ...

[2938] RA Sch[ily]:

Aber ich kann Ihnen nur sagen, daß ich den Eindruck wirklich nicht habe. Ich werde ständig, Sie können das im Protokoll nachlesen, ...

Vors.:

Darf ich meinen Satz zuende sagen?

RA Sch[ily]:

Nein, ich will darauf mal hinweisen ...

Vors.:

Ich gerate in die ...

RA Sch[ily]:

... Herr Vorsitzender, daß ich ...

Vors.:

... Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... ständig von Ihnen unterbrochen werde. Im Einstellungsantrag bin ich unterbrochen worden, in mehrfachen Ausführungen und Begründungen bin ich ständig von Ihnen unterbrochen worden.

Vors.:

Ich kann Ihnen nur dazu sagen, daß auch gegenüber Rechtsanwälten notfalls die Pflicht besteht, das Wort zu entziehen, wenn sie nicht zu der Sache sich äußern, zu der sie sich äußern wollen. Sie sollten nicht den Senat ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich nehme nicht an ...

Vors.:

Augenblick, darf ich jetzt ...

RA Sch[ily]:

... daß Sie heute wieder gedenken, hier eine Pause einzulegen ...

Vors.:

Sie wollen sich beschweren darüber.

RA Sch[ily]:

... und also wieder die Flucht nach ..., ins Beratungszimmer anzutreten. Ich hoffe, daß das Sie uns heute ersparen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist ein recht deutliches Beispiel wieder, wie Sie, der sich beschwert unterbrochen zu werden, aber nicht im Stande sind, mich einen Satz zuende reden lassen.

RA Sch[ily]:

Ja, wissen Sie, ich finde es hervorragend. Sie unterbrechen mich und sagen dann, ich beschwere mich darüber, daß ich Sie unterbreche, ja?

Vors.:

Es ist bloß die falsche Stellung, die Sie hier im Prozeß einnehmen. Ich unterbreche Sie nicht, weil ich Sie unterbrechen will, sondern weil ich Sie als Verhandlungsleiter unterbrechen muß. Ich weise Sie nochmals darauf hin, Gegenvorstellung ist nicht zugelassen und Sie sollten nicht jetzt den Senatsbeschluß bzw. die Meinung des Senats in den Mittelpunkt Ihrer Betrachtungen rücken, wie Sie es im Augenblick zu tun in der Gefahr sind, sondern Sie sollten sich auf das beschränken, was nun im Zusammenhang mit § 76 [Abs. ]I [Satz ]2[ StPO] in Bezug auf Herrn Prof. Ehrhardt [2939] auszuführen ist. Dazu haben Sie selbstverständlich voll das Wort, bitte.

RA Sch[ily]:

Der Kollege Dr. Heldmann hat, möchte gerne, gerne ...

Vors.:

Dr. Heldmann, sind Sie jetzt ...

RA Sch[ily]:

Er möchte gerne Zwischenbemerkungen machen.

Vors.:

Bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Vorsitzender, Bemerkungen:

1. Sachleitungsbefugnis bedeutet nicht Befugnis zu inhaltlicher Zensur einer Antragsbegründung. Das muß jetzt hier gesagt werden. Aber ich denke, diese schlichte neutrale Formulierung reicht aus, um das Rechtsproblem, das Sie angesprochen haben, von hier aus zu beantworten.

2. Was Kollege Schily vorbringt, ist relevant für den Antrag, den ich nach 76[ StPO] gestellt habe. § 76[ StPO] im 1. Absatz, 2. Satz ist zwar ..., gibt zwar dem Gericht die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung, aber [q] darf nicht und wird auch nicht, nehme ich an, zu dem Irrtum verlocken, hier sei ein absolut freies Ermessen zu handhaben, sondern dieses Ermessen ist strikt gebunden an bestimmte Voraussetzungen, die hier oder dort liegen können. Insbesondere aber kommen hierfür, ich zitiere wieder aus dem Großkommentar, zunächst für die Entscheidung aus § 76 [Abs. ]1 [Satz ]2[ StPO], „zunächst kommen Umstände in Betracht, die gleichsam in der Nachbarschaft der Besorgnis der Befangenheit liegen“.[26]

Daß - Ende des Zitats - daß der Herr Prof. Ehrhardt nicht befangen ist, wissen wir seit Ihrem gestrigen Beschluß. Aber für Ihre Ermessensentscheidungen, die wir hier begehren, dafür kommt es nunmehr auf Umstände an, die gleichsam in der Nachbarschaft der Besorgnis der Befangenheit liegen und genau davon spricht der Herr Kollege Schily.

Vors.:

Und dazu hat er das Wort, das habe ich ausdrücklich ausgeführt. Sie scheinen das mißverstanden oder nicht gehört zu haben, nur nicht das Verhalten des Senats. Das ist eben nicht in der Nachbarschaft der Befangenheit des Herrn Prof. Ehrhardts. Bitte, Herr Rechtsanwalt Schily, ich würde Sie jetzt bitten, fortzufahren. Es war die Absicht nicht, die Sache jetzt zu verlängern, sondern die Sache in dem Rahmen zu halten, den wir für zulässig erachten können, bitte.

RA Sch[ily]:

Also, ich kann mich der Meinung des Kollegen Dr. Heldmann, er mag mir das verzeihen, aber vielleicht war es auch eher eine [2940] ironische Formulierung, aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß ironische Formulierungen leicht mißverstanden werden, also nur der klarheithalber, ich weiß aus dem gestrigen Beschluß des Senats nichts darüber, daß Herr Prof. Ehrhardt nicht befangen ist. Im Gegenteil, dieser Beschluß könnte eher zu anderen Schlußfolgerungen führen, aber auf diese Frage will ich einstweilen nicht eingehen.

Sie haben mich ja nun bedauerlicherweise unterbrochen und dadurch macht es, ist es notwendig, nun das noch einmal zu wiederholen, damit ich den Zusammenhang wiederherstellen kann.

Es hieß in dem Schreiben von Herrn Prof. Ehrhardt, ich darf das noch einmal zitieren ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, drei, drei mal ist es jetzt heute dann zitiert, Herr Dr. Heldmann hat es vorgelesen, wir haben es gestern im Beschluß zitiert ...

RA Sch[ily]:

Sie unterbrechen mich schon wieder.

Vors.:

Nein, ich wollte es Ihnen ersparen, nicht?

RA Sch[ily]:

Nein, was Sie mir ersparen ...

Vors.:

Das wäre jetzt das ...

RA Sch[ily]:

... ersparen Sie mir Unterbrechungen. Das täte mir den größten Gefallen.

Vors.:

... dritte Mal. Wollen Sie wirklich jetzt zum dritten Mal zitieren oder glauben Sie nicht, daß der Senat das Zitat im Kopfe hat, daß er sich ...

RA Sch[ily]:

Ich weiß es sich, Herr Senat sage ich schon, (Vorsitzender lacht) aber manchmal hat man fast den Eindruck, daß es so ist ...

Vors.:

Aber Herr Rechtsanwalt, ich darf Ihnen versichern, der Senat kennt den Inhalt ...

RA Sch[ily]:

Das war vielleicht ...

Vors.:

... des Zitats. Er hat es gestern selbst verwendet. Wenn Sie es nochmals vortragen, ich kann Sie nicht daran hindern, daß ist klar, wenn Sie den Zusammenhang damit herstellen wollen ...

RA Sch[ily]:

Na, wenn Sie mich nicht daran hindern können ...

Vors.:

Aber ...

RA Sch[ily]:

... dann hindern Sie mich bitte auch nicht.

Vors.:

Ich versichere Ihnen, wir wissen es.

RA Sch[ily]:

Na wunderbar, das ist ja sehr schön, ich lese es aber trotzdem nochmal vor ...

[2941] Vors.:

Dann nicht für uns.

RA Sch[ily]:

... vielleicht ... Ja, dann vielleicht für die Bundesanwaltschaft. Also in den Schreiben von Herrn Prof. Ehrhardt heißt es: „Die Verhandlungsprotokolle, soweit ich sie bisher lesen konnte, sind natürlich psychologisch und zeitgeschichtlich interessant, streckenweise deprimierend. Diesen Protokollen wird sich kaum, etwas entnehmen lassen, was für eine nennenswerte Beeinträchtigung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten spricht. Es finden sich aber zum Teil abenteuerliche Ausführungen, etwa über partielle Verhandlungsfähigkeit, über den Arzt des Vertrauens, über die sensorische Deprivation. Von der Verfahrenstaktik abgesehen, werden dabei auch grundsätzliche Mißverständnisse deutlich.“ Wie gesagt, der Senat in dem gestrigen Beschluß meint, daß als zulässige vorläufige Meinungsbildung aus der Verwertung von Prozeßmaterial etikettieren zu können und ist offenbar überhaupt nicht auf den Gedanken verfallen, daß darin bereits ein abschließendes Werturteil in der Form eines Vorurteils drinsteckt. Und wissen Sie, ich würde den Teufel tun, ich würde nicht einmal mir den Puls fühlen lassen von einem Sachverständigen, der den Begriff „Arzt des Vertrauens“ als etwas Abenteuerliches bezeichnet. Und wenn ein Sachverständiger, wie gesagt, über sensorische Deprivation nichts mehr zu berichten weiß, als sein Vorurteil, das sei abenteuerlich, dann ist doch eigentlich dieser Sachverständige nun wirklich nicht mehr und in keiner Weise unter normalen Umständen tragbar. Was nun diese Ausführung in den Schreiben von Herrn Prof. Ehrhardt heißt, „streckenweise deprimierend“, da sah der Senat nun auch keine Möglichkeit mehr, das in das Körbchen zulässige vorläufige Meinungsbildung zu tun und da mußte nun ein anderes Etikett her und dieses Etikett lautete „beiläufige Randbemerkung“, aus der die Angeklagten vernünftigerweise nichts gegen sich herleiten können. Nun ist es ja so und wenn der Senat über eine gewisse forensische Praxis verfügt, auch eine Erfahrungstatsache, da ja bei einem Sachverständigen oder sonst einem Prozeßbeteiligten, bei dem die Besorgnis der Befangenheit seine Mitwirkung an einem Gerichtsverfahren verbietet, nicht oder in aller Regel nicht daraus erkennbar wird, daß er etwa direkt sagt, ich hasse den Ange- [2942] klagten oder ich halte den Angeklagten für ein Untier, oder ich hin der Meinung, daß mit ihnen kurzer Prozeß gemacht werden muß, sondern so geschickt wird auch ein[r] Sachverständiger, der ja gerade wie Herr Prof. Ehrhardt alle Anstrengungen unternimmt, hier seinem Auftrag in einer bestimmten Form nachzukommen, der wird natürlich versuchen, zunächsteinmal seine Befangenheit zu verdecken und wir sind natürlich darauf angewiesen gerade auf die beiläufigen Bemerkungen und die sind dann besonders aufschlußreich. Und wenn ein Sachverständiger seine Depression meint in ein Schreiben an den Senat einbringen zu müssen, da, meine ich, ist damit das i-Tüpfelchen eigentlich erbracht für die Besorgnis der Befangenheit.

Der Senat hat im übrigen auch beiseite geschoben, daß Herr Prof. Ehrhardt die Verfahrens..., die Verteidigertaktik, die Verfahrenstaktik hier ansprechen, angesprochen hat und meint, dabei sei also die, da sei ..., die Verfahrenstaktik, die sei der medizinischen Betrachtung zu unterziehen gewesen. Da frage ich mich eigentlich, ja wer soll denn hier alles medizinischer Betrachtung unterzogen werden? Es wäre doch sehr interessant zu erfahren, wie dann eigentlich der Herr Prof. Ehrhardt noch gehen will, in dem was er uns als Gutachten, als sogenanntes Gutachten dann anbieten will. Aber was eigentlich den Kern ausmacht und da muß ich sagen, ich hätte eine solche, ein solches Dekuvrieren des Sachverständigen vorher nicht für möglich gehalten, wie in der Schlußpassage seines Schreibens vom 21.8.75, in dem er ja nichts anderes sagt und nichts, anderes tut, als die Änderung seines Gutachterauftrags zu empfehlen und das Gericht darauf verweist, daß es von sich aus ohne Zuhilfenahme eines Gutachtens die Verhandlungsfähigkeit genausogut selbst beurteilen könne. Wobei dann in dieser Schlußpassage auch ein merkwürdiges Wort auftaucht, nämlich das Wort „Normalpsychologie“. Das wohl soviel heißen will, als daß der Sachverständige, wenn er sein Gutachtenauftrag ausführt, die „Unnormalpsychologie“ anwenden will und vielleicht ist das wiederum etwas, ja ich weiß gar nicht, ob das so sehr amüsant ist, Herr Beisitzer Dr. Breucker. Finden Sie es sehr [2943] amüsant?

(Der Vorsitzender erwidert, ist aber nicht zu verstehen)

RA Sch[ily]:

Ja, sonst gebe ich Ihnen gern[s] ne[t] Pause, nehmen Sie dann ..., um Sie zur Besinnung zu bringen.

Vors.:

Ihre Zitierweise und Auslegung dessen, was gesagt worden ist, gibt manchmal eben vielleicht doch Anlaß, darüber mit einem gewissen Humor nachzudenken. Warum soll man das nicht tun dürfen, Herr Rechtsanwalt?

RA Sch[ily]:

Weil ich es nicht komisch finde, Herr Vorsitzender.

(Gelächter im Saal)

Vors.:

Gut, was Sie nicht für komisch halten, ist ja nicht verbindlich für alle Beteiligten. Ich darf Sie bitten fortzufahren. Wir haben bislang, wenn die Herrn Verteidiger oder gar die Angeklagten rege Gebrauch davon machten, Äußerungen des Gerichts mit einem Gelächter zu quittieren, die Verteidiger nicht, das muß ich dazu sagen, aber die Angeklagten ...

RA Sch[ily]:

Aber Sie sagten doch eben die Verteidiger.

Vors.:

... darüber uns auch nicht aufgeregt ...

RA Sch[ily]:

(Anfang unverständlich) ... Sie sagten aber doch, die Verteidiger.

Vors.:

Darf ich meinen Satz mal zuende reden?

RA Sch[ily]:

Ja bitte, ja.

Vors.:

Es wäre ein Wunder, wenn mir das bei Ihnen mal gelänge, Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Och, Sie haben soviele Sätze zuende gebracht. Sie müssen die Protokolle öfter lesen.

Vors.:

Ja, da müssen Sie einen schlechten Tag gehabt haben, wenn ich das zuende gebracht habe.

(lautes Gelächter im Saal)

RA Sch[ily]:

Ich dachte, das sei ein guter Tag, das sei ein guter Tag oder ein schlechter Tag ...

Vors.:

Ja...

RA Sch[ily]:

... wo setzen Sie denn da den Wert an?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, bitte nehmen Sie das, wenn auch mal mit einem gewissen Schmunzeln Ausführungen zur Kenntnis genommen werden, nicht zum Anlaß, Rückfragen zu stellen, denn Sie werden keine Antworten bekommen. Wir sind nicht verpflichtet, Ihnen unsere inneren Regungen jedesmal mitzuteilen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich bin gern bereit immer auf Humoriges einzugehen, wirklich, komme ja aus Berlin, aber bei diesem Punkt [2944] bei diesem Punkt der Begutachtung, da handelt es sich wirklich um etwas ... einen sehr ernsten Vorgang, einen sehr ernsten Vorgang. Und vielleicht wären Sie doch besser beraten, hier Ihre kleine Einlage, die Sie hier jetzt gegeben haben, doch einmal noch zu überdenken, ob das eigentlich die richtige Art ist, hier mit Argumenten der Verteidigung umzugehen.

Aber wie gesagt, Sie meinen ja manchmal, es ist eine Besinnungspause notwendig für bestimmte Prozeßbeteiligte und wenn Sie sich da nicht zügeln können, dann würde ich es eben in Ihrem eigenen Interesse empfehlen auch mal für sich von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Ich halte es für außerordentlich aufschlußreich, daß ein Sachverständiger namens Prof. Ehrhardt meint, daß, wenn er sein Gutachtenauftrag an den Senat zurückgibt, in den Bereich, in das Gebiet der „Normalpsychologie“ zurückzukehren, in einem Gebiet, in dem er sich offenbar vorher für seinen Gutachterauftrag nicht aufhalten wollte. Und schließlich ein letztes Wort zu diesem Beschluß und zu Herrn Prof. Ehrhardt. Der Senat hat sich hier mit, wie er sicher meint, eleganten Formulierungen über alles das hinweggesetzt, was aus den Schriften des Herrn Prof. Ehrhardt hier dem Senat vorgetragen worden ist und hat das beiseite geschoben mit der Vokabel, na, das handelt sich ja dann nur um einen Schulenstreit und deshalb sind diese ganzen Ausführungen für uns ohne Interesse in einem solchen Zusammenhang. Und hat dazu zitiert eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, die nun wirklich einen[u] Sachverhalt betrifft, der mit dem hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht die geringste Ähnlichkeit hat. In dem Tatbestand, den das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden hatte, ging es darum, ob ein Sachverständiger abgelehnt werden kann, der hinsichtlich eines Blutalkoholbefundes eine bestimmte andere Lehrmeinung vertritt und das hat das Oberlandesgericht Hamm seinerzeit gemeint, daß das nicht der Fall sei.[27] Aber wenn man die Tatsache, daß ein Sachverständiger, und das haben wir doch aus dem, aus dieser Schrift „chemische und psychische Aussagebeeinflussung“ unter anderem dargelegt, schlüssig dargelegt, den Standpunkt vertritt, daß er eine psychologische Untersuchung nicht vornehmen kann, wenn er auf folgende Methoden verzichten muß. Und ich darf die Liste nocheinmal verlesen, um [2945] das deutlich zu machen;

Mißhandlung, Ermüdung, körperliche Eingriffe, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung, Hypnose, Drohung, falsche Versprechung, suggestive Maßnahmen, Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens und schließlich Zwang.

An diese Schranken, das geht aus diesem ..., die ja verboten sind durch den § 136a der Strafprozeßordnung,[28] an diese Schranken will sich Prof. Ehrhardt, das geht aus seinem Text hier eindeutig hervor, nicht halten und er sagt zugleich, wenn es diese Schranken geben würde, dann wäre praktisch jede psychologische Untersuchung ausgeschlossen. Und eine solche, eine solche Auffassung, hier so mit der leichten Hand, in ihrem Wert herabzumindern daß man sagt, na das ist ein Schulenstreit, eine kritische medizinische Äußerung, da scheint mir wirklich das Unterscheidungsvermögen wirklich verlorengegangen zu sein, oder vielleicht verlorengegangen zu sein der Begriff der Befangenheit, wie eben hier in diesem Verfahren eigentlich alles, was in der Strafprozeßordnung an Garantien für die Verteidigung und die Angeklagten drinsteht, verloren geht ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie hatten bereits die Gelegenheit.

RA Dr. H[eldmann]:

(Anfang unverständlich) bitte. Damit nicht Mißverständnisse entstehen, soweit sie eventuell schon, nicht schon entstanden sein sollten, vorhin. Die Frage an den Senat ist doch ganz einfach die, und das müßte die hier begehrte Entscheidung alleine, für sich alleine, schon hinreichend begründen. Was wollen Sie eigentlich mit einem Gutachter, der seinen Gutachtenauftrag an Sie zurückschickt und sagt, bitteschön, das können Sie genausogut selber.

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft, bitte.

Angekl. B[aader]:

Moment ...

Vors.:

Herr Baader, Sie wollen noch sich äußern dazu, bitte.

Herr Baader, wollten Sie das Wort nochmals ergreifen?

Ende Band 165

[2946] Angekl. B[aader]:

Äh, ich wollte daran nochmal anschließen, wo Schily aufgehört hat oder nicht aufgehört hat, Schily nicht weiter gegangen ist. Er hat gefragt, wie ausgerechnet diese beiden Psychiater, bzw. diese drei Psychiater in dieses Verfahren kommen. Und dazu haben wir gestern gesagt, daß in diesem Verfahren mal wieder antizipiert, der Widerspruch Justizpsychiatrie, also der Widerspruch, den Ehrhardt noch repräsentiert, dieser beiden großen Zwangssysteme, dieses[v] System der Zwangssozialisation[w], daß er hier schon aufgehoben ist. Die Psychiatrie haben wir gesagt, wird Funktion der politischen Justiz und die Justiz wird Funktion der psychiatrisch aufgerüsteten Staatsschutzstrategie. Das ist, glaube ich, hier sehr wichtig. Sie brauchen explizit diese Psychiater, Sie selbst als Staatsschutzrichter brauchen diese Psychiater, weil der Zustand der Gefangenen, der ja wirklich evident ist, weil er durch Ihre Anordnung veranlaßt worden ist, das ist das Spiel, das hier gespielt wird. Und Sie waren qualifiziert, Sie sind qualifiziert. Das haben wir ja nun wirklich ausführlich dargelegt, um auf diese Liste zu kommen, d.h. von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie empfohlen zu werden und von Ihnen ausgesucht zu werden, aus diesem reaktionären Staat zum Verfassungsverständnis, d.h. dieser offenen Postulierung einer faschistisch definierten ärztlichen Handlungsfreiheit in allen[x] Schriften oder in großem Teil der Schriften Ehrhardts auftaucht. Sie sind qualifiziert, Ehrhardt explizit durch seine Beschäftigung mit ungesetzlichen Ermittlungs- und Untersuchungsmethoden, die er propagiert, mit denen er sich nicht etwa kritisch auseinandersetzt, das muß man ja nochmal feststellen, sondern die er propagiert, die er andient den Ermittlungsorganen, für die er sich selbst andient als Instrument der Ermittlungsorgane und für die er schließlich, solange wie er das, glaube ich, nennt, wirklichkeitsfremde Rechtsvorschriften ihm im Wege stehen, damit meint er das Grundgesetz Artikel 1 Abs. 1 und 2[29] glaube ich, also wörtlich bezieht sich das unmittelbar darauf. Er empfiehlt zwei Methoden, und zwar ungesetzliche Methoden, und das hab[y] ich hier[z] ja schon gesagt, wie diese gesetzliche Schranke, oder diese wirklichkeitsfremde gesetzliche Vor- [2947] schrift durch Täuschung und durch ungesetzlichen Zwang zu überwinden sind. Dann qualifiziert ihn, man würde sagen, das ist eben genau dieser Begriff ärztlicher Handlungsfreiheit, den er nur definiert gegen den Kranken. Er verlangt nicht etwa ärztliche Handlungsfreiheit für den Kranken, etwa gegenüber einer Zwangsinstitution, wie der Justiz in diesem Zusammenhang, sondern er propagiert sie ausschließlich gegen den Kranken und das qualifiziert ihn natürlich besonders für dieses Verfahren hier, denn auch nur eine Begutachtung sozusagen, und eine Begutachtung die sich festmacht an den Ursachen des Zustands der Gefangenen, steht in einem diametralen Gegensatz zu Ihren Interessen hier. Und sie ist mit Sicherheit auch Druck ausgesetzt, d.h. sie kann sich überhaupt hier nur behaupten als Widerstand gegen dieses Gericht und gegen dieses ganze Verfahren und da gibt es ja nun wirklich sehr gute Beispiele dafür. Henck der Anstaltspsychiater ...

Vors.:

Herr Baader, es beginnt jetzt das Spiel wieder, das gestern schon mehrfach besprochen worden ist. Wahren Sie den Zusammenhang.

Angekl. B[aader]:

Naja, daß ist das, was hinter Ihrer Humorigkeit steckt. Das ist das, was Ihre Humorigkeit kennzeichnet. Die Maßnahmen, die da drüben in der Anstalt ablaufen, diese Konstruktion, mit der Sie die Gefangenen gefangen halten da drüben und kaputt machen und die Konstruktion hier im Keller und Ihre kleinliche dreckige Akribie, mit der Sie den Gefangenen die Luft abdrehen, durch Ihre Anordnungen der Haftbedingungen.[30]

Vors.:

Jetzt, Herr Baader, glaube ich ...

Angekl. B[aader]:

Aber ich komme zur Sache zurück ...

Vors.:

Nein, nein ...

Angekl. B[aader]:

... was ihn außerdem qualifiziert ...

Vors.:

Nein, nein Herr Baader, das ist ein Mißbrauch Ihres Wortrechtes. Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort. Sie können keine weiteren Ausführungen mehr machen.

Will jemand der übrigen Beteiligten sich noch äußern?

Frau Meinhof.

Angekl. M[einhof]:

Also mich erinnert wirklich die Humorigkeit, ...

Vors.:

Frau Meinhof, zur Sache bitte.

[2948] Angekl. M[einhof]:

Ja, ... die in der Sache unserer Psychiatrisierung in den Sinn kommt, daran, daß Ihnen noch ein halbes Jahr nach der Ermordung von Holger[31] eingefallen ist, daß Croissant’s Warnungen und Bemühungen, Holgers Leben zu retten,[32] Ihnen als groteske Dramatisierungen in Erinnerung sind. Daß Sie das hier lustig finden und ja[aa] mit der ganzen Öffentlichkeit zusammen hier in großartiges Gelächter darüber ausbrechen, daß Sie uns buchstäblich täglich da unten mehrere Stunden in diesen Camera-Silens-Zellen[33] eingeschlossen halten, die nicht nur fensterlos sind, sondern vor allem tot und still sind, mit einer Dauertonanlage, [bb] daß Sie dieses ganze Programm unserer Psychiatrisierung, das Sie mit Ehrhardt zum Punkt bringen wollen, witzig finden, naja, das zeigt wirklich, daß es notwendig ist, dazusitzen wo wir sind, will ich mal sagen.

Vors.:

Sonst noch jemand etwas. Ich sehe nicht. Bitte die Bundesanwaltschaft.

Reg. Dir. W[idera]:

Ich bitte, die gestellten Anträge zurückzuweisen.

Neue Themen, die in dem angesprochenen und gestern verkündeten Beschluß nicht behandelt worden wären, haben Herr Rechtsanwalt Schily und der Angeklagte Baader nicht gebracht. Ich brauchte deswegen auf die Ausführungen, diese Ausführungen gar nicht einzugehen. Ich brauchte das schon deswegen nicht, weil natürlich in dem Ablehnungsantrag, der gegen die beiden Sachverständigen Ehrhardt und Mende gerichtet war, immer die Anregung des [§ ]76 Abs. I Satz 2 der StPO zu finden ist, immer diese Anregung zu finden ist, das Gericht natürlich auch, wie sich aus der Begründung des Beschlusses ergibt, auch unter diesem Gesichtspunkt die zur Begründung des Ablehnungsantrags angesprochenen Themen geprüft hat, wie das auch leicht zu erkennen war. Ich brauchte es nicht, ich werde [cc] dennoch etwas zu verschiedenen Punkten sagen. Neu war, daß Herr Rechtsanwalt Heldmann meint, dem Schreiben vom 21.8 entnehmen zu können, daß Professor Ehrhardt seinen Gutachtenauftrag zurückgegeben habe. Ich weiß nicht, wie man dem Satz: „Empfehle dem Senat, zunächst Professor Rasch begutachten zu lassen“, solches entnehmen will. Hier ist doch nicht mehr geschehen, und das liegt doch nun wirklich auf der Hand, nicht mehr ge- [2949] schellen, als daß der Sachverständige, der Sachverständige, der nur die Möglichkeiten hat, Befundtatsachen zu finden, im Protokoll oder durch ein Gespräch, in dem die Angeklagten ihm klar machen, daß sie nicht mit ihm sprechen wollen, daß dieser Sachverständige, der ja auf jede Befundtatsache angewiesen ist, damit zum Ausdruck bringen will, laßt ihn zuerst begutachten, den Herrn Professor Rasch, dann wird er das, was er bei seiner Untersuchung festgestellt hat, mir vermitteln. Das ist allgemeine Praxis bei den Ärzten, das weiß jeder, daß so verfahren wird und daß so verfahren werden darf vor Gericht, der dort öfter auftritt. Zu der erheblichen Verzögerung, die daraus entstehen soll, daß Professor Ehrhardt begutachten soll, habe ich ausdrücklich Herr Rechtsanwalt Heldmann gefragt, wie diese Verzögerung entstehen soll. Eine Antwort hat er mir nicht gegebenen. Deswegen kann ich auch nichts dazu sagen, denn ich weiß nicht, wodurch nun eine Verfahrensverzögerung sich ergeben soll, wenn zunächst Herr Professor Rasch begutachtet und im Anschluß daran Professor Ehrhardt. Wenn Herr Rechtsanwalt Heldmann auf das Schreiben hinweist, in dem erhebliche Bedenken angesprochen werden, oder das Wort erhebliche Bedenken steht von dem Sachverständigen Professor Ehrhardt geschrieben, dazu habe ich auch eine Vermutung. Vielleicht meint er, erhebliche Bedenken in dieser Richtung, weil er an das Geschehen um und mit Professor Witter gedacht hat, das dazu. Und dann noch kurz zu Herrn Rechtsanwalt Schily, der heute ein leuchtendes Beispiel für die Art seiner Argumentationen gegeben hat. Er entnimmt und schildert es hier, er entnimmt dem Schreiben vom 21.8. ein Vorurteil des Professor Ehrhardt und das tut er auf folgende Weise. Er liest vor, daß darin stünde, Professor Ehrhardt habe den Protokollen abenteuerliche Ausführungen über partielle Verhandlungsfähigkeit oder Unfähigkeit entnommen, über den Arzt des Vertrauens und über sensorische Deprivation. Dann läßt Herr Rechtsanwalt Schily das Wort Ausführungen weg, und kommt dann zu dem Ergebnis, daß der Professor Ehrhardt gesagt haben soll, einen Arzt des Vertrauens fände Professor Ehrhardt abenteuerlich. Das macht er dann zur Grundlage [2950] seiner weiteren Ausführungen, und dann kann er minutenlang darüber reden, wie Befangen doch Herr Professor Ehrhardt sei. Ich würde sagen, nahezu dialektisch, aber nicht besonders gekonnt. Herr Rechtsanwalt Schily, wenn Sie mal die Protokolle, die vorliegen, lesen, finden Sie sie nicht in weiten Teilen deprimierend. Weite Teile befassen sich doch mit nichts anderem als mit Beleidigungen, Beschimpfungen, gerichtet gegen das Gericht, gerichtet gegen die Bundesanwaltschaft oder gegen Sachverständige und weiß Gott gegen wen sonst noch. Ich finde das echt deprimierend, solche Protokolle lesen zu müssen. Und Herr Rechtsanwalt Schily, nicht bei dem Gericht besteht ein Programm, an den Sachverständigen massiv festzuhalten, sondern die Angeklagten wehren sich massiv, sich von diesen Ärzten begutachten zu lassen. Sie wehren sich deswegen, weil diese Ärzte eine Lehrmeinung vertreten, oder Lehrmeinungen vertreten, die den Angeklagten nicht passen. Diese Lehrmeinungen gehören aber zur Schulmedizin. Juristisch würde man sagen, diese Professoren vertreten die herrschende Meinung. Und wenn, Herr Rechtsanwalt Schily, man dem angesprochenen Schreiben entnehmen will, der Sachverständige habe zum Ausdruck bringen wollen, daß er die Haftbedingungen für rechtens halte, dann bleibt er, wie Sie wissen, verpflichtet, die ihm gestellten Fragen aus ärztlicher Sicht zu beantworten. Das wissen Sie und das weiß auch Herr Professor Ehrhardt. Und Sie haben einen Zusammenhang, der das, was ich jetzt sage, widerlegen würde, selbst nicht dargetan. Die von Ihnen mehrfach angesprochene, angebliche Unrichtigkeit des Beschlusses können Sie ja gegebenenfalls in der Revision überprüfen lassen.[34]

RA Sch[ily]:

Ich bitte ums Wort.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily bitte.

RA Sch[ily]:

Herr Regierungsdirektor Widera, also mit der Dialektik über, was Dialektik ist und nicht, da möchte ich mich lieber mit Ihnen nicht auseinandersetzen. Ich glaube, daß Sie da noch einige Mißverständnisse bei Ihnen zu korrigieren haben. Ich verzichte auch darauf, auf Ihre freundlichen Zensuren, die Sie mir freundlicherweise hier immer erteilen, einzugehen. Auch das ist wohl für das Verfahren wenig nutzbringend. Aber [2951] Sie haben insofern doch einen Satz in Ihrer Stellungnahme beigetragen, der für den Senat und für die von ihm zu treffende Entscheidung von großem Interesse sein dürfte. Sie haben an Interpretationen geliefert, dieser Redewendung in dem Schreiben von Herrn Professor Ehrhardt, daß er erhebliche Bedenken gegen die Übernahme des Gutachtens habe, und haben insoweit auf Herrn Professor Witter und auf bestimmte Sachverhalte im Zusammenhang mit Herrn Professor Witter hingewiesen. Wenn ein Sachverständiger offenbar sein Schicksal so eng verknüpft sieht, mit Herrn Professor Witter, wie Sie das ja offenbar unterstellen, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Übernahme des Gutachterauftrages sich ergeben, vielleicht wenn Sie mal ein bißchen nachdenken wollen, nur ein ganz kleines bißchen, kommen Sie vielleicht auf den Gedanken, daß gerade darin ein ganz erhebliches und gewichtiges Moment der Befangenheit enthalten ist. Ich weiß nicht, Herr Regierungsdirektor Widera, wie Sie nun, in welche Depressionen Sie auch verfallen, bei der Lektüre der Protokolle. Es ist sicherlich einiges deprimierend in diesem Verfahren, wahrscheinlich sind wir uns nur nicht darüber einig, was deprimierend ist. Daß beispielsweise die Bundesanwaltschaft hier eigentlich seit Beginn des Prozesses nicht inhaltlich argumentiert, ist für mich ein deprimierender Vorgang. Es ist für mich ein deprimierender Vorgang, daß Beleidigungen mitunter sozusagen als notwendig für den Ausschluß aus der Verhandlung angesehen werden und man sich nicht in anderer Weise da zu einer vernünftigen Entscheidung in der Lage gesehen hat. Aber ein Sachverständiger, der in einem Schreiben an den Senat, an den Senat diese beiläufige Randbemerkung macht, und da in einer ganz bestimmten, und man muß ja den Zusammenhang lesen, sich äußert, abfällig, dem noch die Unvoreingenommenheit zuzutrauen seitens der Betroffenen, die ja von ihrem subjektiven Standpunkt aus diese Beurteilung vornehmen müssen, das ist in der Tat eine Zumutung. Sie haben wiederum gesagt, ja das ist belanglos, aber eigentlich ohne jede Begründung, daß Herr Professor Ehrhardt eine rechtliche Feststellung trifft. Dazu ist er nicht kompetent, und wenn er eine solche Feststellung trifft, [2952] ohne Kenntnis der Zusammenhänge, oder mit Kenntnis der Zusammenhänge, gleichgültig, er ist nicht kompetent, dann zeigt er auch dadurch die Besorgnis der Befangenheit. Nun, was hier diese Frage der Verwendung abenteuerlicher[dd] Ausführungen anbelangt, da haben Sie gemeint, ich hätte mit einem Art Kunstgriff gearbeitet, und ich hätte mich darüber hinweggesetzt, ich habs ja nun mehrfach verlesen. Insofern können Sie mir den Vorwurf eigentlich nicht machen, daß ich da irgend etwas unterschlagen habe, aus den Ausführungen von Herrn Professor Ehrhardt. Aber er setzt doch diese Vokabeln, er schreibt etwas über abenteuerliche Ausführung und setzt dann diese Vokabeln ein. Er setzt doch also diese Vokabeln besonders in den Vordergrund. Und nur das scheint ihm doch Wert gewesen zu sein, als Beispiele erwähnt zu werden. Da muß man doch aufmerksam werden, daß diese drei Begriffe offenbar für ihn in den Bereich des Abenteuers gehören. Sonst würde er sie wohl nicht in den Vordergrund setzen. Sie haben sich ferner zu der Meinung verstiegen, Herr Regierungsdirektor Widera, das, was von den Herrn Professoren Ehrhardt und Mende vertreten werde, das sei die herrschende, das sei die herrschende Meinung. Also ich glaube, das können Sie, selbst wenn man also, dann würde man ein sehr schlechtes Urteil über die sagen wir mal, die Meinungen, die in der Medizin verbreitet sind, fällen, wenn Sie diese Meinung aufrecht erhalten wollen. Daß Sie immer da eine, eine sagen wir mal, freundliche Beziehung zu dem Begriff herrschend dabei haben, möchte ich unterstellen, aber das was herrscht, ist noch immer nicht gleichbedeutend mit dem, was richtig und was wahr ist.

Vors.:

Gut. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte kurz ums Wort für Herrn Baader zur Erwiderung auf Herrn Bundesanwalts Widera ...

Vors.:

Gut, einmal erwidern ist genehmigt, bitte.

Angekl. B[aader]:

Zunächst mal, wir haben das, also Sie vergessen natürlich oder bedauerlicherweise vergessen Sie ja wirklich immer wieder, was man Ihnen hier schon 10 Mal erzählt hat. Aber es ist sozusagen zwangsläufig, daß Ehrhardt den Begriff des Vertrauensverhältnisses, wie er üblich ist, in der Arzt- und Patientenbeziehung, daß er den abenteuerlich finden muß. [2953] Er nämlich propagiert in seinen Schriften und hier z.B. forensische und administrative Psychiatrie auf Seite 190, administrative Psychiatrie. Und da geht es um den neuro- chirurgischen Eingriff, d.h. dem Eingriff ins Gehirn, d.h. die neurochirurgische Verstümmelung, da sagt Ehrhardt dazu, die Einwilligung muß nicht dem Arzt persönlich oder schriftlich gegeben werden, sie kann auch durch konkludentes Handeln oder ein stillschweigendes Einverständnis, das der Arzt aus dem Gesamtverhalten des Patienten erschließt, geschlossen werden, naja. Das ist die Methode, wie Herr Ehrhardt ein Vertrauensverhältnis zwischen seinem Opfer, würde man da schon sagen, und dem behandelnden Arzt herstellt, durch konkludentes Handeln, oder durch das, was er aus dem Gesamtverhalten erschließt. Daß ihm aus dieser Tatsache heraus, oder aus dieser Feststellung heraus, allerdings die Definition der Arzt-Patientenbeziehung, als eine Beziehung, in der der Arzt dem Patienten gegenüber, der ihm helfen will, abenteuerlich findet, das kann man sich sehr gut vorstellen. Es geht aber auch noch aus anderen, also bei Ihnen geht es ja nun wirklich aus seinen ganzen gesamten Schriften hervor, dann sagt, und dazu ist auch nochmal zusagen, Widera, wenn Sie hier sagen, uns paßt die Schule nicht, wem paßt denn die Schule. Das sollten Sie vielleicht mal sagen, wem paßt es denn, in sein Verhältnis gezwungen zu werden? Wo ist denn der Mensch, dem das passen könnte, sich von Herrn Ehrhardt konkludent handelnd traktieren zu lassen, das würde ich gerne mal wissen. Und zur Frage, ob das die herrschende Meinung ist, überhaupt zunächst mal, ob das, ich glaube, Sie haben gesagt, die Schulmedizin oder so was, herrschende Meinung, naja, Schulmedizin. Also die Frage, ob Psychiater, forensische Psychiater, also Gerichtspsychiater, ob Leute von der Sorte Ehrhardts, ob das überhaupt Ärzte sind? Das ja wirklich eine Frage, die völlig ungeklärt ist. Sie laufen zwar unter Ärzte, aber wenn man sagt, was sozusagen diesen Stand charakterisiert, ist, daß er heilt, dann sind sie keine Ärzte. Denn das ist auch gar nicht der Anspruch, den sie stellen, zu heilen. Den Anspruch, den Ehrhardt stellt, ist zu verwalten, und was er propagiert, sind Methoden, die Leute krank machen, nicht heilen. Das [2954] werden wir Ihnen Punkt für Punkt aus seiner Dissertation vor 45 belegen. Nämlich in seiner Dissertation über Elektroschocks, naja. Aber es ist natürlich sowieso hinfällig, ich finde die ganze Argumentation hier ist hinfällig, weil Sie mit Sicherheit, mit absoluter Sicherheit Ihre Entscheidung nicht revidieren werden, und weil letzten Endes für jeden hier schon klar war, von Anfang an, daß Sie an Ehrhardt und Mende in jedem Fall festhalten werden. Deswegen werden wir auf die ganze Sache nochmal eingehen, wenn diese beiden Leute hier sind. Ich wollte aber noch was sagen, daß das wohl ein Irrtum ist, von Herrn Widera, daß Herrn Rasch Herr Ehrhardt Untersuchungsergebnisse zur Verfügung stellen würde, das hat er ausdrücklich festgestellt, daß er das nicht tun wird, als Beispiel. Und dann ist natürlich auch aus dieser Bemerkung klar geworden, was die Bundesanwaltschaft und der Senat für Zwecke verfolgt, wenn er hier trotz der wirklich massiven Ablehnungsgründe und dem Nachweis der vollständigen Disqualifiziertheit von Ehrhardt und Mende, diese ganze Problematik zu beurteilen, an ihnen festhält. Wir wollen vorbauen. Sollte etwa das Gutachten von Herrn Rasch nicht in Ihrem Interesse sein, dann wollen Sie es natürlich durch allgemeines Gefasel, das Ehrhardt hier schon angeboten hat, das sich auf keine konkreten Ergebnisse stützen kann, wollen Sie es relativieren. Das ist doch auch genau das, was Ehrhardt hier schon angeboten hat. Für diese Funktion bietet er sich ja auch an.

Vors.:

Schön. Wir werden ... Sie wollen nochmals erwidern, gut.

Reg. Dir. W[idera]:

Nur ein Wort zum Angeklagten Baader, weil er mich nicht verstanden hat. Der Professor Rasch wird natürlich seine Befundtatsachen dem Professor Ehrhardt mitteilen, denn, und nur darauf kam es mir an, Herr Professor Ehrhardt kann zuhören und wenn der eine oder lesen und wenn der eine sein Gutachten erstattet, bekommt es dann der andere. Das war gemeint, Herr Baader.

-Mehrere Verfahrensbeteiligte sprechen unverständlich durcheinander-

RA v[on] P[lottnitz]:

Steht das alles schon fest, daß das hier ...

Vors.:

Jetzt haben wir den Chor der Verteidiger schon wieder, es ist wunderbar. Ich darf Ihnen jetzt folgendes sagen.[2955] Sie hatten das Recht zu erwidern. Die Bundesanwaltschaft hat das Recht ihrerseits auch einmal zu erwidern, weitere Erwiderungsrechte werden jetzt nicht eingeräumt.

RA Sch[ily]:

Aber eine Frage habe ich.

Vors.:

Die können Sie nachher stellen.

RA Sch[ily]:

Nein, Herr Vorsitzender, nein, eine Frage. Sie haben doch Herrn Widera auch eine Frage an Herrn Heldmann gestattet, deswegen möchte ich auch eine Frage an Herrn Widera ...

Vors.:

Gut, ja in Ordnung, um das Gleichgewicht zu wahren.

RA Sch[ily]:

Ja sicher. Ich frage Sie Herr Widera, steht es denn schon fest, daß Herr Ehrhardt hier erscheinen wird?

Reg. Dir. W[idera]:

Für mich steht es fest, denn ich habe keine Gründe gehört, die es notwendig machen würden, Herrn Professor Ehrhardt zu entbinden.

RA Sch[ily]:

Aha, für Sie steht es fest.

Vors.:

Wir werden jetzt in die Mittagspause eintreten und um 14 Uhr fortsetzen. Aber eines möchte ich noch sagen, die Angeklagten haben sich wieder gegen die Zellen, Camera-Silens-Zellen wie Frau Meinhof meint, gewandt, in denen Sie angeblich stundenlang festgehalten werden würden von uns ...

Angekl. R[aspe]:

Wir sind neulich über 4 Stunden festgehalten worden.

Vors.:

... ausschließlich der Wunsch der Angeklagten. Die Angeklagten können jederzeit zurückgebracht werden. Ich möchte jetzt nicht debattieren, sondern möchte Ihnen nur folgendes sagen. Sie können sich über diese Frage nochmals Gedanken machen. Das Gericht ist selbstverständlich bereit, die Angeklagten wieder zurückzuführen, damit Sie sich erholen können.

RA Sch[ily]:

Darf ich dann bei der Gelegenheit mal fragen, ob Sie meinen Antrag ...

Vors.:

Gut. Damit ist die Sitzung beendet, wir können dann draußen sprechen.

Pause von[ee] 11.14 Uhr - 14.06 Uhr

Ende von Band 166

[2956] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.06 Uhr.

Als Vertreter für die BA sind nunmehr[ff] anwesend: BA Dr. Wunder,

Reg. Dir. Widera, OStA Holland.

RA Becker ist weiterhin[gg] anwesend.

RA. Pfaff ist nicht mehr[hh] anwesend.

Prof. Müller ist nicht mehr[ii] anwesend.

Vors.:

Wir wollen die Sitzung fortsetzen, Herr Rechtsanwalt von Plottnitz, darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Anwesenheit komplett. Herr Rechtsanwalt Riedel, ich darf davon ausgehen, daß Sie dieses Schreiben des Herrn Dr. Naeve übergehen haben an Herrn Professor Müller. Ist geschehen, in zweifacher Ausfertigung.

RA R[iedel]:

Nein einfach, weil ich davon ausgegangen bin[jj], daß der Senat Herrn[kk] Professor Schröder das zuleitet, das Gericht zuleitet[ll].

Vors.:

Gut.

RA R[iedel]:

Ich kann natürlich auch noch ein Exemplar zur Verfügung stellen, ich meine, hab noch mehr.

Vors.:

Wir haben ... danke. Dann ganz kurz nur für die beiden Herren, wir haben darüber gesprochen, durch die Beratung, die jetzt stattgefunden hat, ist es etwas ins Hintertreffen geraten, ich bitte Sie nach Schluß der Sitzung werden wir ganz kurz über den Punkt nochmals sprechen, mit der Vertretung durch die Referendare morgen. Also nun die konkrete Entscheidung, ob die Vertretung möglich ist. Der Senat hat ...

RA v[on] P[lottnitz]:

Wir müssen das jetzt schon möglichst wissen ...

weil wir ja Bescheid sagen müssen.

RA v[on] P[lottnitz] spricht ohne Mikrophon, daher teilweise unverständlich.

Vors.:

Ja, [mm] wir haben jetzt Herr Rechtsanwalt von Plottnitz noch eine Stunde und 13 Minuten Verhandlungszeit netto, das wird also so frühzeitig zu Ende gehen hier, daß wir mit Sicherheit rechtzeitig Bescheid geben können. Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt ...

Angekl. M[einhof]:

Ich will natürlich wissen, ob ich morgen verteidigt bin.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben jetzt nicht das Wort. Sie haben nicht das Wort, jetzt im Augenblick und wenn Sie was wissen wollen, dann können Sie das ...

[2957] Angekl. M[einhof]:

... jetzt in der Hauptverhandlung, das ...

RA R[iedel]:

Bitte ich, das Wort zu erteilen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Zu welchem Zwecke?

RA R[iedel]:

Zu der Frage der Regelung der Verteidigung für den morgigen Tag.

Vors.:

Ja, darüber wird jetzt nicht gesprochen, ich habe es Ihnen, Frau Meinhof gerade schon gesagt, jetzt wird zunächst der Beschluß verkündet des Gerichts. Die Anträge, den Sachverständigen Professor ...

Angekl. M[einhof]:

Das ist doch eine ...

Vors.:

Frau Meinhof, ich bitte Sie, nicht zu stören.

Angekl. M[einhof]:

Das ist doch eine kalte Liquidation der Verteidigung, die Sie da vornehmen.

Vors.:

Die Anträge ... darf ich jetzt diesen Beschluß verkünden?

Die Anträge, den Sachverständigen Professor Dr. Ehrhardt von der Verpflichtung, ein Gutachten zu erstatten, zu entbinden, werden abgelehnt.

Gründe:

Daß der Sachverständige den Gutachterauftrag zurückgeben wollte entnimmt der Senat seinem Schreiben nicht. Die „erheblichen Bedenken“, die er gegen die Übernahme des Gutachterauftrags angedeutet hat, stellen seine Pflicht und Bereitschaft, das Gutachten zu erstatten, nicht in Frage.

Sie geben dem Senat auch sonst keinen Anlaß, von der Vorschrift des § 76 Abs. 1 Satz 2 StPO Gebrauch zu machen. Das gilt auch für die schon in den Ablehnungsanträgen geltend gemachten Gründe, zu denen keine neuen Tatsachen vorgetragen wurden.

________[nn]

Nach unseren Vorstellungen könnte das Verfahren jetzt fortgesetzt werden, wenn die Angeklagten, aber ich sehe schon eine Wortmeldung, Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich stelle ...

Vors.:

Bitte Ihr Mikrophon.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich stelle den Antrag,

Herrn Professor Mende als Sachverständigen nach [§ ]76 I[oo] [S. 2 StPO] von dem Gutachtenauftrag zu entbinden.

Begründung: Herr Professor Mende hat in seinem Schreiben vom 22.8. an den Senat unter Bezug auf eine Äußerung des Verteidigers Schily in dem Verfahren an jenem Sitzungstag, an [2958] welchem Herr Professor Mende selbst hier zuhörend teilgenommen hat, im Anschluß also an jene Äußerung des Kollegen Schily, schriftlich an Sie die Frage gestellt, wörtlich: „Stellt sich die Frage, ob der Gutachtenauftrag aufrechterhalten wird?“ Er selbst also hat den Zweifel gesetzt, ob es sinnvoll sei, diesen Gutachtenauftrag weiterzuführen, nachdem er hier in öffentlicher Hauptverhandlung davon in Kenntnis gesetzt worden ist, daß eine Untersuchung der Angeklagten durch ihn völlig außer jedem Betracht bleiben werde, und zwar aus den Gründen, das brauche ich hier nicht nocheinmal hinzuzufügen, die Sie aus unseren Ablehnungsanträgen ja kennen. Es sind die gleichen Gründe. Ich bitte den Senat, für die hier begehrte Entscheidung insbesondere in erster Linie wieder zu erwägen, daß die Beibehaltung dieser Gutachterverpflichtung, das heißt also, die Aufrechterhaltung des Sachverständigenauftrags mit Gewissheit eine Verzögerung herbeiführen wird in der Erstellung des endgültigen Gutachtens über die Verhandlungsfähigkeit. Dabei erinnere ich noch einmal an die heute morgen zitierte Äußerung des Senats in seinem Beschluß vom 18.7.[35] nämlich, letzte Seite, nämlich der Hinweis auf die besondere Dringlichkeit dieser ärztlichen Tätigkeit. Dazu, diese ärztliche Tätigkeit, die notwendige ärztliche Tätigkeit zur Feststellung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten und deren Ausmaß ist mit Sicherheit auch ohne Beteiligung des Herrn Professor Mende als Sachverständigen alsbald zu klären, er ist verzichtbar. Er selbst weiß warum. Dazu kommt ein weiterer Gesichtspunkt, nämlich der: In seinem Beschluß vom 29.7. hat der Senat die Bestellung des Herrn Professor Mende als Sachverständigen ausdrücklich nach vorangegangenem Widerspruch der Angeklagten ausdrücklich damit begründet, weil Herr Professor Mende sich seit dem, ich zitiere aus Blatt 2 der Beschlußgründe vom 29.7. „seit dem Bergwerksunglück in Lengede[36] wissenschaftlich mit Fragen befaßt, die bei Personen auftauchen, die von der Außenwelt abgeschnitten und ihrer gewöhnlichen sozialen Kontakte beraubt sind“. Nun wissen wir nach dem Vortrag in der Hauptverhandlung durch eine Äußerung, eine wiederholte Äußerung des Herrn Professor Mende, in seinem [2959] Gespräch mit den Angeklagten, daß der Senat ihn[pp] insoweit überschätzt hat. Daß also diejenige Qualifikation, die der Senat ihm hier beigemessen hat, gar nicht besitzt. Der Senat hat aber auf diese Qualifikation, nämlich Stichwort „Isolationsforschung“ ganz besonderen Wert gelegt, und zwar aufgrund der Aussagen der von Ihnen als Sachverständigen bestellten Ärzte Dr. Henck[37], in der Verhandlung am 12.6.75, Blatt 491, ferner Blatt 509 und aus der Vernehmung des als Sachverständigen hier gehörten Herr Professor Rauschke[38] in der Verhandlung am 8.7.75, Blatt 1127. Beide Ärzte haben, also sowohl Herr Henck als auch Herr Rauschke, haben den Senat darauf hingewiesen, daß sie es für zweckmäßig, so Rauschke wörtlich: Zweckmäßig oder notwendig halten, im Bereich der psychiatrischen Gutachter einen heranzuziehen, der ausgewiesen ist, für sogenannte Isolationsforschung. Herr Mende ist es, wie wir heute wissen, nicht. Wir wissen es nicht nur aus den Aussagen der Gefangenen, das heißt aus der Aussage des Herrn Mende selbst gegenüber den Gefangenen, sondern wir wissen es auch aus dem Schriftenverzeichnis des Herrn Professor Mende, ich beziehe insoweit meine Kenntnisse aus Kürschners Deutschen Gelehrtenkalender, Ausgabe 1970. Da ist also von Isolationsforschung nicht die Rede, es heißt, es ist keine wissenschaftliche Publikation verzeichnet, die der Isolationsforschung oder der Deprivationsforschung zuzurechnen sei. Darum bedeutet, wo mit Sicherheit feststeht, daß jegliche Exploration der Angeklagten durch Herrn Mende außer Betracht bleiben wird, wo feststeht, daß der Senat von einer Tatsachen, tatsächlich irrigen Voraussetzung ausgegangen ist, als er Herrn Professor Mende eben dieser angeblichen, vermeintlichen Qualifikation wegen zum zweiten psychiatrischen Sachverständigen bestellt hat. Daß diese Voraussetzung auch nicht zutrifft. Ich sagte, mit Sicherheit wird also die Beibehaltung von Herrn Professor Mende neben zwei anderen psychiatrischen Sachverständigen, neben zwei anderen, als dritten, nicht nur überflüssig sein, sondern sie wäre auch verfehlt und sie wäre verfahrenswidrig, weil von ihr, mit Sicherheit, Verfahrensverzögerungen in[qq] diesem Punkt, Feststellung[rr] [2960] der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten und ihres eventuellen Ausmaßes zu erwarten sein werden[ss]. Und es wird ferner zu erwarten sein, daß der, daß die Angeklagten, das glaube ich heute schon voraussehen zu können, ohne daß Sie das als Programmvorschau auffassen möchten, aber ich glaube voraussehen zu können, nach der voraussehbaren prozessualen Entwicklung in dieser Frage ärztlicher Begutachtung, dann sollte Herr Mende hier als Sachverständiger trotz seiner eigenen Zweifel und nach diesen Entgegenhaltungen auftreten und als Sachverständiger forensisch jetzt tätig werden, daß dann wohl ein Antrag auf einen weiteren Sachverständigen gestellt werden wird, also ich habe den [§ ]244 Abs. 4[ StPO][39] im Sinn, wegen mangelhafter Sachkunde, dieses Sachverständigen Mende, zu diesem speziellen Fragenkomplex, derentwegen der Senat gerade ihn ausgewählt und qualifiziert hat. Ferner bitte ich Sie für die Bescheidung dieses Antrags besonders auch zu erwägen: Herr Professor Mende hat in[tt] seinem Schreiben an den Senat vom 22.8. geäußert, zwar nicht das eigentlich, was man von einem Gutachter erwartet hätte, sondern er sagt, aus seiner Beobachtung der Hauptverhandlung hat er einen Eindruck bezogen, nämlich den schlechten Verhandlungsstil, der von den Wahlverteidigern[40] praktiziert wird. Ich habe heute morgen schon einmal anklingen lassen, auch über diesen Sachverständigen scheint zu befürchten, daß er seine Aufgaben insoweit mißversteht, als er, als die Objekte seiner Begutachtung weniger die Angeklagten, um die es hier geht, betrachtet, sondern deren Verteidiger. Und wo ein Sachverständiger so von Anfang an, mit seiner ersten scheinbaren Sachverständigenäußerung ein solches Mißverständnis seiner Aufgabe bereits offenbart, da liegt es nahe, ihn zu Hause zu lassen. Aber nicht hierher, in dieser wichtigen Prozeßsituation, nun zu oktroyieren, zu versuchen. Dazu kommt der folgende Gesichtspunkt, ich habe heute morgen bereits ausgeführt. Sicher ist die Entscheidung nach [§ ]76 I[uu], II[vv][ StPO] eine Ermessensentscheidung des Gerichts, aber sicher keine des sogenannten ungebundenen [2961] Ermessens. Das Gericht hat bestimmte Umstände zu würdigen, und zu diesen Umständen kommen insbesondere solche Gründe, die gleichsam in der Nachbarschaft der Besorgnis der Befangenheit liegen.

RA. Pfaff erscheint wieder[ww] um 14.20 Uhr.

Es heißt dazu hier: Löwe-Rosenberg zu [§ ]76[ StPO]. „Die dafür in Betracht“, nämlich die Entbindung, „die dafür in Betracht kommenden Gründe können sehr mannigfaltig sein und lassen sich nicht vollständig aufzählen“, sicher. Jedoch und darauf bitte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken zu dürfen, zunächst kommen Umstände in Betracht, die gleichsam in der Nachbarschaft der Besorgnis der Befangenheit liegen. Und jedenfalls in dieser Nachbarschaft hat sich, wo Herr Mende nach Auffassung des Senats nicht als befangen, zum Nachteil der Angeklagten befangen, zu betrachten ist, jedenfalls in dieser Nachbarschaft hat er sich sehr nahe begeben. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß in der Rechtsprechung und in der Kommentierung anerkannt ist, daß ein eigener Ablehnungsgrund schon für sich selbständig darin besteht, wenn der Beschuldigte für den Beschuldigten, wenn er aus den Umständen ein Verhältnis von Feindschaft oder Zusammenstößen zwischen Sachverständigen und Verteidiger zu erwarten hat. Hier steht das noch deutlicher und unserem Fall näher, unter Umständen auch aus dem Verhältnis zwischen Sachverständigen und Verteidiger kann unmittelbar die Befangenheit, die Befangenheit nämlich als Besorgnis der Befangenheit aus der Sicht des Angeklagten vom Standpunkt des Angeklagten aus, zwingend hergeleitet werden. Wir ... also halten, hälte[xx] der Senat die Berufung des Herrn Mende aufrecht, begeben wir uns also sehenden Auges in einem ganz erheblichen neuen Prozeßkonflikt, den wir mit Sicherheit nicht wünschen, der keinem der Prozeßbeteiligten recht sein kann. Ich sage das, kumulativ zu den bisher genannten Gründen, warum nach meiner Auffassung die Entlassung des Herrn Mende, aus diesem von ihm selbst unerwünschten, wie seine Äußerung zeigt, Gutachterverhältnis anstrebenswert, wohl nicht gerade prozessual notwendig ist. Zumindest prozessual notwendig ist, wenn man an[yy] einen Prozeß, an[zz] einen Begriff der Prozeßökonomie denkt. Und auch wird Herrn Mende begreiflich zu machen versucht werden, daß solche [2962] Äußerungen einer Gutachter-, einer Sachverständigenpflicht extrem widersprechen, nämlich der, erstens an seinem Sachverständigenauftrag zu bleiben und zweitens, dabei die Löwe-Rosenberg-Schreiben, von dem gelassenen Ton sachlicher Beurteilung sich nicht zu entfernen. Ausschlaggebend ist also: Daß die Beibehaltung des Herrn Professor Mende als Sachverständigen für die Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten mit Sicherheit dieses Verfahren nicht fördern wird, mit Sicherheit auch kein Ergebnis im Sinne dieser Beauftragung bringen wird, und mit Sicherheit auch nicht etwa, wie zur Frage die heute morgen erörtert worden ist, Herr Bundesanwalt Widera erwidert hat, das geht doch ganz einfach. Herr Professor Rasch[aaa] als psychiatrischer Sachverständiger, der seine Untersuchungen angestellt hat, der von den Angeklagten akzeptiert worden ist, der hat die Ergebnisse und die anderen beiden Herren, die dieses Ergebnis mit Sicherheit nicht werden gewinnen können, leihen Sie sich von ihm aus und bauen also auf eines Dritten Ergebnissen ihre eigene Begutachtung auf. Erstens ist das ein[bbb] unter Wissenschaftlern absolut unübliches, aber auch unzulässiges Verfahren.

Zweitens wird sicher Herr Professor Mende ein solches Verfahren für sich selbst gar nicht verantworten können, und drittens wäre keinem[ccc] Prozeßbeteiligten und da komme ich allerdings auf die Hauptbetroffenen, in erster Linie zu sprechen, den Angeklagten mit einer solchen Art von Begutachtungsarbeit nicht gedient sein. Folglich halte ich aus den hier knapp zusammengefaßten Gründen es für notwendig, daß dieser dritte psychiatrische Sachverständige, Herr Professor Mende, seine eigenen Anregungen entsprechend in seinem Schreiben vom 22.8. nunmehr von seiner Gutachterbeauftragung im Sinne von [§ ]76 [Abs. ]1, [Satz ]2[ StPO] entbunden wird.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen bitte. Herr Baader.

Angekl. B[aader]:

Na ja, zu dieser Frage, daß die Befangenheit auch begründet sein kann in der Beziehung Gutachter, Verteidiger, da sollte man vielleicht mal sagen, daß diese, vom Gericht benannten Psychiater überhaupt nicht erhebliches Interesse schon gezeigt haben. Nicht nur etwa die Gefangenen psychiatrisch zu erfassen, sondern gleich die Anwälte mit. Da kam ja zum Beispiel die Frage eines vom Gericht benannten Gut- [2963] achters zustande, ob etwa einer der Verteidiger, der ihn angegriffen hat, eine Gehirnverletzung gehabt hätte. Das ist so etwa das Milieu, aus dem sich das alles abspielt. Das sagt auch ein bißchen was aus, über die wissenschaftliche Qualifikation der Leute und vor allen Dingen ...

Vors.:

Bezieht sich das auf einen den abgelehnten Sachverständigen, Herr Baader, was Sie jetzt sagen.

Angekl. B[aader]:

Ja, das bezieht sich auch auf einen, der hier schon abgelehnt wurde. Aber es bezieht sich auf einen Psychiater, den das Gericht benannt hat, zur Begutachtung der Gefangenen. Mehr kriegen Sie nicht raus da. Aber das, der Punkt ist einfach der, Sie haben sich als letzten Anker sozusagen heute vormittag daran festgehalten, daß diese beiden Psychiater, das gilt für beide, Ehrhardt und Mende, die herrschende Meinung vertreten würden. Und das kann man schon mal feststellen, ist falsch. Und zwar in Bezug auf ihren Krankheitsbegriff, der nicht der der Weltgesundheitsorganisation ist, wie wir nachgewiesen haben. Das will ich aber jetzt nicht nochmal mit Zitaten belegen. Und zweitens natürlich auch, von ihrem Begriff, der Arzt-Patientenbeziehung hier. Im Fall einer zwangsweisen Untersuchung, beziehungsweise auch einer gerichtlich angeordneten Untersuchung, beziehungsweise auch einer zwangsweisen Behandlung. Das ist sehr einfach zu belegen. Eine Frage der Zwangsnarkose, die ja Ehrhardt als zulässige Untersuchungsmethode propagiert, und von der Mende sich nicht distanzieren wollte, das heißt, Mende hat ausdrücklich gesagt, in diesem Gespräch, in Einzelfällen und so weiter. Dazu ist einfach mal festzustellen, daß der Gutachter Frey, Direktor der Universitätsklinik Mainz, zu den Frage der Zwangsnarkose feststellt, und das sollte man vielleicht noch davor sagen, daß der Gutachter, der Psychiater Witter gesagt hat, daß Zwangsnarkotisierung sei ein völlig unbedenkliches und ungefährliches Verfahren zur Begutachtung. Ehrhardt thematisiert das nicht, das Risiko. Aber er spricht natürlich zum Beispiel explizit davon, daß es eine zulässige und notwendige Methode der gutachterlichen Exploration ist. Dazu sagt nun, zu dieser Frage der Unbedenklichkeit dieser Untersuchungsmethoden, Frey: Für jeden ärztlichen Eingriff, ist die Einwilligung des Patienten er- [2964] forderlich, sonst würde es sich ja möglicherweise strafrechtlich um eine Körperverletzung[41] handeln. Ärztlich gesehen jedoch um eine unnötige Erhöhung des Risikos. Und er stellt dann also fest, das habe ich schon zitiert, daß bei einer Zwangsnarkotisierung aufgrund der Erregung des Objekts, oder des Opfers meinetwegen, die Mortalitätsrate wesentlich höher ist. Und er sagt dann abschließend, das zur Frage der herrschenden Meinung: Ich glaube deshalb nicht, daß ich von den 27000 Fachärzten der[ddd] Anästhesie in der Welt, das ist eine starke Zahl, und nur ein Anästhesist dürfte nach heutiger Auffassung eine Risikonarkose durchführen, sich bereit finden wird, einer sich bereit finden wird, eine Zwangsnarkose vorzunehmen. Davon kann man also ausgehen, daß damit eigentlich begriffen ist, die herrschende Meinung, zur Frage solcher Zwangsmaßnahmen und davon weicht Ehrhardts Verständnis und auch das Verständnis Mendes doch ziemlich ausdrücklich ab. Ich kann das, man könnte das noch weiter belegen, es gibt dann zum Beispiel das Gutachten von Wulf, der ja immerhin Ordinarius[eee] für Psychiatrie ist, für Neuro... der ist Leiter der Polyklinik und der Neuropsychiatrischen Universitätsklinik Gießen. Der sagt auch zur Frage dieser Untersuchungsmethoden und damit also auch zur Frage der herrschenden Meinung. Ich zitiere mal: „Als letztes müßte die Frage geklärt werden, wie weit sich Ärzte an der Durchführung von zwangsweise angeordneten Untersuchungen und Gutachtenverfahren überhaupt beteiligen sollen, wenn sowohl die Betroffenen, als auch deren Rechtsberater diese Untersuchung ablehnen. Und wenn diese Untersuchungen für den Betroffenen ein Risiko beinhalten“. Für meine Person würde ich das nahezu immer ablehnen, insbesondere aus der Erwägung, daß der § 51[ StGB][42], das ist hier die Frage, eine Rechtsvorschrift, zum Schutz des Angeklagten ist, deren inhaltliche Abklärung man ihm nur bei erheblichen Verdacht, daß eine Verminderung und ein Ausschluß der strafrechtlichen Verhandlung, Verantwortlichkeit vorgelegen hätte, zumuten, aufzwingen darf.

Dann sagt er, im Zusammenhang der Frage, der Gefährlichkeit dieser Untersuchungsmethoden, der Zwangsnarkose, ah Moment mal, na ja, man kann das zusammenfassen, ich finde jetzt die Zitate nicht, jedenfalls lehnt Wulf sie auch ab, und nicht nur Wulf lehnt diese Methoden explizit ab, auch im Gutachten [2965] von der Universitätsklinik Ulm, Departement für Anästhesiologie, von Professor Dr. W. Ahnefeldt und Professor Dick, stellt ausdrücklich fest, daß Zwangsnarkosen gefährlich sind, unmittelbare vitale Gefährdung bedeuten.

Vor allen Dingen, wenn Sie an[fff] jemandem durchgeführt werden, der erregt ist, und daß sie, daß sich hierdurch, sagen sie, können sich schwerwiegende Komplikationen ergeben. Dann kommen Todesfolgen und dann steht hier noch ausdrücklich ein Patient, der sich sonst, auch ein Patient, der sich sonst im guten Allgemeinzustand befindet, der aber[ggg] erregt ist, sollte in keinem Fall einer Narkose zugeführt werden. Na ja, nun ist aber hierzu nochmal ausdrücklich zu bemerken, da sind drei Professoren, davon sind, oder vier, davon sind 2 Ordinarien, die lehnen diese Untersuchungsmethoden, die Mende und Ehrhardt propagieren explizit ab. Ich würde auch sagen, man könnte das vielleicht so fassen, daß die herrschende Meinung, die diese beiden Herren vertreten, tatsächlich die Meinung der Herrschenden ist. Beziehungsweise die Meinung, die herrscht. Oder man könnte auch sagen, daß diese Psychiater explizit diese beiden Psychiater die Funktion haben, Meinungen zu formulieren, in denen geherrscht wird. Bei Mende ist das zum Beispiel ziemlich deutlich in dieser Frage, der Haftentschädigung von KZ-Opfern, wo er zu dem Schluß kommt, zu entschädigen sind letzten Endes nur Leute, die nicht aus politischen Motiven im KZ gesessen haben, weil nur bei ihnen, so qualifiziert er das, diese Dauerverbiegung der Persönlichkeit durch unmenschliche Haftbedingungen überhaupt eintreten kann, denn politische Gefangene, das ist[hhh] sozusagen der Schluß, sind in der Lage zur Sinnfindung in ihrem Leiden und damit können sie sozusagen unter unmenschlichen Haftbedingungen nicht krank werden, beziehungsweise eben diese erlebnisreaktive Dauerschädigung bei ihnen nicht eintreten. Da ist einfach der Analogieschluß, zu der Situation hier zulässig, wenn er das damals gesagt hat, zur Frage der Entschädigung von KZ-Opfern, dann kann er auch hier sagen, wenn diese Leute politisch motiviert sind, um das mal einfach zu fassen, dann können die sozusagen gar nicht krank werden, oder können sie durch unmenschliche Haftbedingungen gar nicht krank geworden sein. [2966] Das ist allerdings eine Meinung, da haben Sie schon recht, das kann man wirklich sagen, aber wissenschaftlich ist daran wirklich nichts, mit Sicherheit. Und es ist genau, wie dieser Arzt Winkelmann in Köln über Mende sagt, in München über Mende sagt, das ist hier zitiert worden: „Es ist ein pseudowissenschaftlich-drapierter Opportunismus, den Mende vertritt, in dem er sich, und das zeigt sich also wirklich hier einmal mehr staatlichen Interessen unterwirft, in ... Interessen unterwirft.“ Und dabei eindeutig mit unwissenschaftlichen, mit sachfremden Kriterien operiert. Ja.

Vors.:

Weitere Wortmeldung bitte. Frau Meinhof.

Angekl. M[einhof]:

Na ja, ich meine, das ist heute vormittag nochmal ganz deutlich geworden, wie Sie sich den Ablauf hier vorstellen ...

Vors.:

Darf ich zunächst fragen, wird für Frau Meinhof, oder stellen Sie selbst auch denselben Antrag, den Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann gestellt hat Frau Meinhof?

RA R[iedel]:

Das ergibt sich schon daraus Herr Vorsitzender, daß aus der Tatsache, daß die Mandantin um das Wort bittet und der Zusammenhang ist ja die Begründung des Antrags, es ist also konkludent, daß sie sich dem Antrag angeschlossen hat.

Vors.:

Gut, Sie schließt sich dem Antrag an, in Ordnung. Jetzt Frau Meinhof bitte.

Ende des Bandes 167

[2967] Angekl. Me[inhof]:

Ich fang da mal an mit nem Zitat von Ehrhardt aus: „Forensische administrative Psychiatrie“, wo er selbst sagt:

„Die Psychiatrische Begriffsbildung ist nur partiell naturwissenschaftlich. In einem weiten Bereich sind Motivations- und Sinnzusammenhänge bestimmend.“

Und ich meine, das ist ja heute vormittag ganz deutlich geworden, daß es bei der Einführung dieser beiden Gutachter hier durch das Gericht gar nicht ... jetzt schon gar nicht mehr einfach um die Begutachtung, also den Gegenstand unserer Verhandlungsfähigkeit geht, sondern daß es längst darum geht, eine propagandistische Aktion hier durchzuführen, und zwar eine propagandistische Aktion gegen die Ärzte, die wirklich Untersuchungsergebnisse von uns haben, gegen die Anwälte also unseres Vertrauens und gegen uns, und zwar gegen uns exemplarisch, nachdem uns die psychologische Kriegführung des Staatsschutzes in fünf Jahren Kampagne zum harten Kern hochstilisiert hat in der Projektion einer imperialistischen.. der imperialistisch-hierarchischen Struktur auf die Gruppe; weil der Punkt ist, die Absicht, Ehrhardt und Mende hier einzuführen, nachdem die Ärzte, die uns untersucht haben, ihre Gutachten vorgelegt haben. Darum wird ganz deutlich, daß es der Zwecke der Einführung dieser Gutachter ist, die ... die Gutachten, die eine Argumentation haben werden, die fundiert sein wird, hier öffentlich zu zerreißen und zerstören ... zu zerstören, und zwar wie gestern ganz richtig oder ganz entlarvend gesagt worden ist, unter Anleitung des Gerichts, d. h. nach dem Arrangement und der Manipulation des Gerichts; d. h., ich meine, es geht schon nicht mehr um die Befangenheit, sondern es geht um die offen... offenkundige Absicht, den Krieg, den die B. Anwaltschaft wegen uns sowieso führt, hier mal zum Punkt zu bringen, und zwar aus den drei Faktoren der Personalisierung revolutionärer Politik durch die psychologische Kriegführung an uns [2968] vier Gefangenen hier; in der Entpersönlichung von uns, dem Versuch dazu in drei Jahren ... dreieinhalb Jahren inzwischen, Isolation, also dem Projekt der Justiz; und jetzt durch die Psychiatrisierung, die sozusagen diese ... die auf der einen Seite die Isolation legitimieren soll und auf der anderen Seite das Scheitern der psychologischen Kriegführung dadurch, daß wir deren Vorstellung von uns hier seit drei Monaten bzw. vier permanent dementieren, weil es nicht mehr zu halten ist, sozusagen neue aufzuputzen. Also ich würde sagen, es ist ein Angriff, es ist inzwischen längst ein Angriff, und die Fürsorge des Gerichts dabei besteht tatsächlich nur noch darin, dafür zu sorgen, daß die Vernichtung der Gefangenen jetzt mal endgültig zum Punkt kommt.

Und es muß einfach mal daran erinnert werden, daß der Begriff Unabhängigkeit, wie er hier inzwischen längst auf den Kopf gestellt worden ist, ja aus ... in seiner geschichtlichen Bedeutung immer nur heißen konnte und überhaupt nur Sinn hat als Unabhängigkeit vom Staat, d. h., wenn hier behauptet wird, daß es sich bei diesen Ärzten um unabhängige Ärzte handelt; denn es ist eine vollständige Perversion des Begriffs der Unabhängigkeit und eine vollständige Lostrennung dieses Begriffs von jedem legitimierbaren Sinnzusammenhang.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen?

Herr RA Schily.

RA Sch[ily]:

Ich halte es für unumgänglich ...

Ich schließe mich zunächst auch dem Antrag des Kollegen Dr. Heldmann an und halte es für unumgänglich, daß auch in diesem Zusammenhang in gleicher Weise, wie bei dem vorangehenden Antrag betr. Herrn Prof. Ehrhardt, auch noch einmal auf die Korrespondenz des Herrn Prof. Mende mit dem Senat eingegangen wird.

Nachdem ich die heute zu Beginn der Nachmittagsitzung verkündete Entscheidung gehört habe, könnte man aller- [2969] dings versucht sein, zu sagen, hier ist sozusagen alles vergeblich; aber wir können uns ja nicht damit bescheiden, quasi von der Aussicht, der Erfolgsaussicht von Anträgen zu argumentieren, sondern wir müssen darauf beharren, auf dem Recht, daß diese Notwendigkeit besteht, wird ja vielleicht verständlich sein.

Herr Prof. Mende hatte in dem Schreiben vom 22.8.75 u. a. folgendes geäußert:

„... bin ich doch recht bedrückt über den schlechten Verhandlungsstil, der von den Wahlverteidigern praktiziert wird.“

Also auch Herr Prof. Mende - ähnlich, wie Herr Prof. Ehrhardt - ist bedrückt oder deprimiert, was ja das gleiche Wort in anderer sprachlicher Form ist, und meint, den schlechten Verhandlungsstil der Verteidiger angreifen zu müssen, in einem Schreiben wohlbemerkt, an den Senat.

Der Senat hat sich da mit dieser Erklärung so beholfen, daß er die Auffassung vertreten hat, daß sich diese Ausführungen von Herrn Prof. Mende nicht gegen die Angeklagten richteten, und im übrigen seien diese Ausführungen auch für die gutachterliche Aufgabe bedeutungslos. Dabei verkennt der Senat aber, daß sich die Bemerkung des Sachverst. Prof. Mende ... daß die Bemerkung des Sachverst. Prof. Mende Aufschluß über eine Voreingenommenheit des Sachverst. gegenüber den Verteidigern gibt, weil sie ohne Kenntnis des Gesamtzusammenhangs und unaufgefordert Partei nimmt und ein negatives Urteil verkündet.

Wenn beispielsweise der Satz umgebildet würde, und der Sachverst. hätte beispielsweise über einen schlechten Verhandlungsstil der Angeklagten gesprochen, dann würde ja wahrscheinlich offenkundig sein - denn anders ist ja auch die Bemerkung des Senats gar nicht zu verstehen -, daß daraus eine Voreingenommenheit zu Lasten der Angeklagten sich ergeben würde. Und man kann nun nicht bei [2970] dieser Passage so verfahren, daß man sagt, daß diese Bemerkung nicht den Angeklagten, sondern den Verteidigern gilt. Es ist ja in der Rechtsprechung anerkannt, daß bei einem gespannten Verhältnis, beispielsweise zwischen einem Richter und einem Verteidiger, wenn beispielsweise in abfälliger Weise der Richter sich zu den ... über die Verteidiger äußert, daß das die Ablehnung gerechtfertigt erscheinen lassen kann, und wenn hier ein Sachverständiger sich meint, äußern zu können über Verhandlungsstil von Wahlverteidigern, dann gilt da sicherlich das gleiche, wobei zu beachten ist, daß ja nicht etwa der Verteidiger ein Ablehnungsrecht aus eigenem Recht hat, aus eigener Befugnis, sondern es handelt sich immer um ein Ablehnungsrecht des Betroffenen, des Angeklagten.

Und auch bei Kleinknecht in dem Kommentar zu § 24[ StPO][43] - ich zitierte schon die Rechtsprechung - wird ja anerkannt, daß die Voreingenommenheit eines Richters gegenüber einem Verteidiger den Angeklagten zur Ablehnung berechtigt, etwa, wenn grob mißachtende Gesten während der Ausführungen des Verteidigers zu beobachten sind.

Im übrigen muß ja auch berücksichtigt werden, daß diese Ausführungen über das Sachgebiet des Herrn Prof. Mende hinausgehen, und wenn der Senat in seinem gestern verkündeten Beschluß darauf aufmerksam macht, daß diese Ausführungen für die gutachterliche Aufgabe des Sachverst. bedeutungslos seien, dann hat er damit recht.

Nur muß er dann eben grade umso genauer prüfen, wie eigentlich ein Sachverst. sich herausnehmen darf und kann, ein solches Urteil abzugeben. Und hier diese Überschreitung grade der Grenzen, die dem Gutachter für seine gutachterliche Aufgabe gezogen sind, ist ein Indiz für die Voreingenommenheit, und auch aus diesem Grunde scheint es mir ganz eindeutig zu sein, daß ein solcher Sachverständiger, der sich in dieser klaren und unmißverständlichen Form parteilich gegenüber der Vertei- [2971] digung und damit zugleich gegenüber den Angeklagten verhält, in einer negativen Richtung, daß der in diesem Verfahren nichts mehr zu suchen hat und aus diesem Grunde von seinem Amt entbunden werden muß.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen auf Seiten der Angeklagten, der Verteidiger sehe ich nicht.

Bitte die B. Anwaltschaft.

BA Dr. Wu[nder]:

Ich beantrage:

die von der Verteidigung begehrte Entpflichtung des Sachverständigen Dr. Mende abzulehnen.

Wie in der Parallelsache Prof. Ehrhardt bereits ausgeführt, war mit dem Antrag auf Sachverständigenablehnung vom Gericht bereits zu prüfen gewesen, ob eine eventuelle Entpflichtung angezeigt sein könnte. Diese Prüfung verlief negativ. Es ist nichts vorgetragen worden, was als neue Tatsache nun unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 76 [Abs. ]1 S. 2 d. StPO nunmehr dem Senat Anlaß geben könnte, anders als auf dem gestern beschiedenen Ablehnungsantrag zu entscheiden.

Es ist auch nicht erheblich, ob der Sachverst. Dr. Mende über das Spezialwissen der Isolationsforschung wirklich in dem notwendigen Umfang verfügt, abgesehen davon, daß das von Herrn Dr. Heldmann Vorgetragene nicht ausreicht, um dieses Wissen, wenn es darauf ankäme, in Frage zu stellen. Die gutachtlichen Äußerungen des Sachverständigen können also abgewartet werden.

Im übrigen hat nicht nur die B. Anwaltschaft wiederholt dargelegt, daß das, was die Angeklagten als Isolation bzw. Folter bezeichnen, Derartiges nicht ist.

Wir verweisen insoweit wiederholt auf die jüngst ergangene Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission vom 30. Mai 1975.[44]

Abschließend will ich doch noch darauf hinweisen, daß es zumindest eigenartig wirkt, wie die Herrn Verteidiger zunächst Ablehnungsanträge gegen die beiden Ärzte [2972] Dr. Ehrhardt und Mende stellen, sodann zunächst den Entpflichtungsantrag gegen Prof. Ehrhardt und jetzt nunmehr den gegen Dr. Mende. Selbst wenn man anerkennt - und das geschieht seitens der B. Anwaltschaft -, daß das Sachverständigenproblem den Angeklagten ein ernstes Anliegen ist, liegt es auf der Hand, was mit diesem Prozedere bezweckt werden soll.

Die eigenen Ausführungen des Herrn Baader liegen weit neben der Sache. Sie nehmen wieder einmal dem Antrag des Herrn Dr. Heldmann Gehalt und Überzeugungskraft.

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Zwei Anmerkungen, Herr B. Anwalt Wunder:

Ich halte die Rechtsauffassung, die heute morgen schon einmal von der B. Anwaltschaft vertreten worden ist, auf die ich aber hier nicht eingegangen bin, weil der Senat sie sich in seiner Mittagsentscheidung ja nicht zu eigen gemacht hat. Sie haben sie aber wiederholt. Ich halte sie für rechtsirrig.

Es ist nicht so, daß in der Prüfung der Befangenheit auch die Kriterien für die Entbindung nach § 76[ StPO] mitzuprüfen wären oder konkret in unseren Fällen mitgeprüft worden wären. Die Voraussetzungen für § 74[ StPO][45] sind ... und § 76[ StPO] sind völlig andere: § 76[ StPO] knüpft an § 75[ StPO][46] und der spricht von der Gutachterpflicht; und § 76[ StPO][47] - in Anknüpfung an die Gutachterpflicht - vom Weigerungsrecht des Sachverst., während § 74[ StPO] vom Ablehnungsrecht von Prozeßbeteiligten handelt und nur davon, so daß das eine mit dem anderen nichts zu tun hat: § 76[ StPO] ist zu § 74[ StPO] ein ... ist im Verhältnis zu § 74[ StPO] prozeßrechtlich absolut ein aliud.[48]

Und das bekräftigt schließlich noch die Anknüpfung von § 77[ StPO] an § 76[ StPO], wo nämlich in § 77[ StPO] von den Ungehorsamsfolgen die Rede ist, die den nicht mit einem Weigerungsrecht bewehrten Sachverständigen treffen, wenn er seiner Gutachterpflicht nicht nachkommt.

Deswegen halte ich diese Rechtsmeinung für fehlerhaft.

[2973] 2. Herr Bundesanwalt, es ist weder heute bei Begründung dieser beiden Anträge weder von der Angeklagtenbank, soweit ich mich erinnere, noch von der Verteidigerbank, jedenfalls zu den Antragsbegründungen, gar nicht von Folter die Rede gewesen, sondern das Problem ist doch, und darum haben wir von Anfang an auf einen Sachverst. zu Isolations... zu Deprivationserscheinungen so großen Wert gelegt. Die Frage ist hier ... hier in diesem Zusammenhang nicht, Folter ja, Folter nein, sondern unsere Frage zur Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit ist allein die nach den krankmachenden Umweltbedingungen, und nur davon ist die Rede gewesen.

Vors.:

Ich glaube, Sie haben sich gemeldet, Herr RA Schily. Bitte.

RA Sch[ily]:

Herr Baader möchte etwas sagen.

Vors.:

Herr Baader.

Angekl. Baa[der]:

Naja, zu dieser Frage, ob das Isolation ist oder nicht, das stimmt schon, daß die B. Anwaltschaft permanent behauptet, wir wären nicht isoliert, und daß wir hier x-mal belegt haben, daß wir isoliert sind.[49] Aber die Infamie, mit dieser Menschenrechtskonventionsentscheidung hier zu operieren, die werden wir Ihnen nicht so leicht durchgehen lassen. Das ist einfach so, daß das ein Antrag ist - er ist drei Jahre alt - und er richtete sich ausschließlich gegen die Isolation nach außen, d.h. er ist in den ersten Monaten nach der Verhaftung gestellt worden, und zwar richtete er sich gegen die Beschränkung, was Briefe angeht oder was Besuche angeht. Gegen die Isolation in der Anstalt ... innerhalb der Anstalt konnte er sich nicht richten, weil sie gar nicht thematisiert war für uns als das, weil, ich hab das schon ein paarmal gesagt, daß es auch für uns relativ lang gedauert hat, bis wir rausbekommen haben, was ... wie es wirkt, was damit beabsichtigt ist, [2974] und daß es ein Zustand ist bzw. eine Tortur ist, die die B. Anwaltschaft auf Dauer durchzusetz... durchsetzt ... durchsetzen will, nämlich genau so lange, bis die Gefangenen zerstört sind.

Daß Ihnen das vollkommen klar ist, Wunder, das geht einfach daraus hervor, daß Sie zu Ulrike gesagt haben - das hat sie mir grade erzählt - seinerzeit eine Ihrer ersten Amtshandlungen sei gewesen, sie aus dem Trakt[50] sozusagen rauszuholen. Sie hat Sie gefragt, wer sie da reingebracht hat, und Sie haben dann gesagt, Wunder ... Sie haben dann gesagt, Martin.

Und das ist aber vielleicht doch noch ganz wichtig, zu bemerken, daß Ihre Amtshandlung sozusagen gerade nur drei Monate vorgereicht hat, dann war sie nämlich in Ihrer Kompetenz wieder im Trakt. Das ist die Situation, und da wollen Sie sich hier hinsetzen und sagen, wir sind nicht isoliert? Das widerspricht doch sozusagen dann auch Ihren eigenen Äußerungen.

Also überhaupt finden wir die ... diese ... diese Berichterstattung zu dieser Straßburger Entscheidung ganz witzig:

Wir wußten zunächst mal von dieser Straßburger Entscheidung nichts, und dann muß ich vielleicht nochmals feststellen, daß in diese Straßburger Entscheidung vollkommen eingegangen ist die Darstellung der B. Regierung, die natürlich tendentiös ist, d. h., die unmittelbar die der B. Anwaltschaft ist, vollgestopft mit diesen Lügen und falschen Tatsachendarstellungen, und daß es keine Entgegnung gegeben hat seitens der Gefangenen bzw. der Rechtsanwälte, weil die Entgegnung offensichtlich in die Phase fiel, und diese Anträge bei Rechtsanwaltbüros lagen, in der Anwälte kriminalisiert worden sind, verhaftet worden sind, Berufsverbote hatten usw.[51] ... Jedenfalls gehe ich davon aus: Wir haben von dieser Beschwerde zum letztenmal gehört buchstäblich vor drei Jahren, und wie gesagt [2975] ausdrücklich nochmals, zum Thema hatte sie nicht die Isolation innerhalb der Anstalten, sondern sie hatte unübliche Beschränkungen des Briefverkehrs und des Besuchsverkehrs zum Thema.

Vors.:

Herr RA Schily.

RA Sch[ily]:

Ja ich will eigentlich daran anschließen, was Herr Baader eben gesagt hat. Ich glaube, das ist sehr wichtig, das zu wissen, weil ja gerade mit dieser Entscheidung der Menschenrechtskommission doch eine erhebliche Publicrelationsarbeit hier getrieben wird. Diese Entscheidung basiert ja u. a. nicht etwa auf einer Sachverst.-Untersuchung - das ist ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt -, sondern betrifft eben in der Tat nur einen Sachverhalt, der sehr weit, dem Stand nach sehr weit zurückliegt, und es sind in dieser Entscheidung - ich kenne den gesamten Vorgang nicht, aber ich kann das also aus Berichten hier erklären - betrifft eben die gesamten, eigentlich gravierenden Vorgänge der Haftbedingungen nicht. Und wenn eben darunter gar keine Erkenntnisse und auch gar keine Untersuchungen angestellt worden sind, dann ist es unzulässig, in einem Zusammenhang sich auf eine solche Entscheidung zu berufen, und dadurch wird in der Tat die Öffentlichkeit in erheblichem Maße irregeführt, und es ist sehr bedauerlich, daß die B. Anwaltschaft diese Irreführung ... an dieser Irreführung sich entweder bewußt oder unbewußt beteiligt.

Im übrigen, Herr B. Anwalt Dr. Wunder, es klingt ja nun schon wieder an, daß durch solche Anträge hier irgend etwas anderes als der Inhalt der Anträge bezweckt wird. Wissen Sie, Sie müssen sich doch eigentlich mal vorstellen, wenn wir, wie Sie das offenbar so immer unterstellen, in der Richtung irgend etwas unternehmen wollten, dann wäre es ja ganz einfach, und das könnte uns niemand, das könnte uns niemand ... könnte uns niemand daran hindern, hier etwa [2976] alle Anträge vierfach zu stellen. Wir versuchen ja, das hier zu umgehen der Prozeßförderung halber, und in aller Regel werden die Anträge parallel gestellt. Aber es ist durchaus, wenn es sich um zwei verschiedene Sachverhalte zunächst einmal handelt, auf verschiedene Personen, [iii] durchaus ein zulässiges Mittel, und da können Sie keine unsachlichen Beweggründe unterstellen, daß man das in getrennter Form tut.

Wir werden das vielleicht auch seitens der B. Anwaltschaft noch ähnliche Anträge in getrennter Form dann in diesem Verfahren kennenlernen. Das ist durchaus ja vielleicht denkbar.

Ich habe im übrigen noch einen Antrag zu stellen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, muß der jetzt gestellt werden?

RA Sch[ily]:

Ich wäre dankbar, damit dann die Beratung vielleicht hierzu benutzt werden kann, auch darüber zu entscheiden.

Vors.:

Dann darf ich zunächst die B. Anwaltschaft jetzt fragen, ob sie erwidern möchte. Wenn ja, dann können wir zu dem Antrag zurückkommen.

Was ist, Frau Meinhof?

RA Rie[del]:

Meine Mandantin möchte nochmals das Wort.

Vors.:

Ja, bitte.

Angekl. Me[inhof]:

Naja, ist doch ganz witzig, wie Wunder hier sich dauernd anmaßt, die Anträge der Verteidigung nach ihrem Gehalt zu qualifizieren, nachdem die Anträge der Verteidigung hier seit dreieinhalb Monaten abgelehnt werden, nach den völlig gehaltlosen Einwendungen der B. Anwaltschaft dazu.

Aber ich will nochmal was sagen, naja zu der Frechheit, hier die Straßburger Entscheidung anzuführen.

Vors.:

Frau Meinhof, ich bitte, daß Sie sich in der Form an das halten, was üblich ist. Es ist keine Frechheit, eine Entscheidung zu zitieren.

Angekl. Me[inhof]:

Ja, ja. Ich will es erklären.

[2977] Angekl. Baa[der]:

Daß Sie so interpretieren, ist eine Frechheit.

Angekl. Me[inhof]:

Außerdem bin ich gerade dabei, es zu erklären. Also unterbrechen Sie mich doch nicht ständig.

Vors.:

Ich werde Sie unterbrechen müssen, wenn Sie sich nicht an die Form halten.

Angekl. Me[inhof]:

... Ich rede jetzt.

Vors.:

Bitte? Ich soll still sein, Frau Meinhof, und darf Sie nicht mehr mahnen, bei der Form zu bleiben?

Angekl. Me[inhof]:

Ja, Sie haben jetzt mal still zu sein! Ich rede jetzt!

Vors.:

Ach - denken Sie. Ich sage Ihnen jetzt zum letztenmal:

Wenn Sie sich derart weiterverhalten, dann wird das zum Wortentzug führen müssen.

Jetzt bitte, halten Sie sich an die Form.

Angekl. Me[inhof]:

Ja, eine Frechheit besteht einfach darin, daß ... daß ...

Vors.:

Sie wiederholen das, daß Sie die B. Anwaltschaft der Frechheit zeihen, nur weil sie eine Entscheidung in Ihrer ...

Angekl. Me[inhof]:

Ja, oder ich sag Unverschämtheit! Wie wollen Sie’s denn haben?!

Vors.:

Das ist das gleiche.

Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort wegen Ihrer Argumentationsart, die beleidigend ist.

Angekl. Me[inhof]:

Es geht darum, wie die B. Anwaltschaft diese Entscheidung interpretiert hat!

Vors.:

Ich habe Ihnen damit das Wort entzogen.

Frau Meinhof, Sie können sich in dieser Form nicht ausdrücken.

Angekl. Me[inhof]:

Wieso? Sie können mir doch nicht das Wort entziehen ...

RA Rie[del]:

Ich widerspreche, Herr Vorsitzender. Es ist der Versuch gemacht worden, eine Interpretation seitens der B. Anwaltschaft hier näher zu erläutern, und [2978] wenn dabei ... wenn dabei Vokabeln benutzt werden, die vielleicht sehr scharf klingen mögen und das vielleicht besonders deutlich kennzeichnen, so ist das noch lange kein Grund, hier das Wort zu entziehen. Ich erinnere nur daran, daß Sie selbst in Ihrer Funktion als Vorsitzender Bemerkungen des Mitverteidigers, des damaligen Mitverteidigers, des damaligen Mitverteidigers, des Kollegen Düx, als Unsinn abqualifiziert haben, nachdem Sie also Ansätze gemacht hatten, hier zu unterbrechen, ihn zu unterbrechen, daß das natürlich genauso ein Ausdruck ist, der in keiner Weise dem nachsteht, was die Mandantin eben in diesem Moment hier angeführt hat, wenn sie sagte, es kann von Frechheit gesprochen werden, wenn bestimmte Arten der Interpretation hier seitens der B. Anwaltschaft stattfinden.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Darf ich mal kurz dazu ums Wort bitten? Herr Vorsitzender, kurz dazu ums Wort - ein Satz? Ich meine ...

Vors.:

Nein. Es geht ja jetzt um den Wortentzug ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein. Das kann ja auch für Herrn Raspe relevant werden. Es spielt ja hier immer wieder eine Rolle.

Vors.:

Nein, Herr RA v[on] Plottnitz, ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, es gibt den Grundsatz der Wahrnehmung berechtigter Interessen, ...

Vors.:

Ja, ist in Ordnung. Ich kenne den § 193[ StGB].[52]

RA v[on] Pl[ottnitz]:

... und der steht natürlich jedem Angeklagten und auch den Angeklagten in diesem Verfahren zur Seite.

Vors.:

Herr RA v[on] Plottnitz, bitte halten Sie sich doch daran. Sie haben jetzt grade nicht das Wort. Es geht um eine Sache, die Frau Meinhof betrifft. Da sind Sie nicht berufen, sich zu äußern.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein. Ich hatte ums Wort gebeten. Ich hatte ums Wort gebeten.

Vors.:

Sie haben’s aber nicht bekommen mit dieser Begründung, daß es sich im Augenblick um Frau Meinhof handelt.

[2979] Wir sind jetzt...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Dann beanstande[53] ich diese Maßnahme, Herr Vorsitzender. Ich habe Ihnen doch erklärt ...

Vors.:

Zunächst lassen Sie mich jetzt über das entscheiden, was Frau Meinhof beanstandet hat.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Gut. Darüber kann man reden.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Es bleibt beim Wortentzug für Frau Meinhof.

Frau Meinhof hat kein Recht, nachdem sie wiederholt ...

Angekl. Baa[der]:

Ja, Du hast recht! Sie hat kein Recht! Das ist wahr!

Vors.:

Ich fahre in der Begründung fort:

Frau Meinhof hat kein Recht, nachdem sie beim erstenmal nur ermahnt worden ist, darauf hingewiesen worden ist, daß sie die Formen zu wahren hat, in dieser Tonart fortzufahren. Vergleiche zu ziehen zu der Äußerung zu dem damaligen Verteidiger, die der Vorsitzende gemacht hat, sind unangebracht. Der Vorsitzende hat diese Äußerung damals nicht vortragen wollen.

Er hat ausdrücklich gesagt, er wolle es nicht weiter qualifizieren. Er ist dann ausdrücklich aufgefordert worden vom Verteidiger, er solle sich in dieser Richtung äußern. Nachdem der Satz begonnen war, nicht weiter ausgesprochen werden sollte, habe ich mich veranlaßt gesehen, es damals zu sagen, was ich auf der Zunge hatte, was ich aber ausdrücklich nicht sagen wollte.

RA Rie[del]:

Das macht doch keinen Unterschied, Herr Vorsitzender. Es ist gesagt worden ...

Vors.:

Es ist beschlossen, Herr RA Riedel.

Nun hat Herr RA v[on] Plottnitz sich ...

RA Rie[del]:

Ich stelle das nur fest, daß manchmal auch Vokabeln benutzt werden, die eben im Zusammenhang und im Fluß ...

[2980] Vors.:

Sie konnten das ja vorhin vorbringen. Das ist gehört worden.

RA Riedel spricht unverständlich weiter.

Vors.:

Wir sind jetzt, glaube ich, damit ...

Herr RA Riedel, darf ich Sie jetzt bitten.

Jetzt im Augenblick hat Herr RA v[on] Plottnitz beanstandet, daß ihm das Wort nicht erteilt worden ist, um sich zu der Angelegenheit mit Frau Meinhof ...

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Das muß ich aber begründen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Bitte, begründen Sie.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Darf ich die Beanstandung begründen?

Das Wort war mir ja deshalb von Ihnen wohl nicht erteilt worden mit der Begründung, das betreffe nur ein Problem der Gefangenen Meinhof. Nun ist es so, daß Anlässe oder mögliche Anlässe zur Wortentziehung für alle Gefangene hier eine evident essentielle Rolle spielen, und daß davon ... von daher für jeden Verteidiger hier Anlaß auch besteht, sich zur Maxime, nach denen hier überhaupt Wortentziehungen zulässig sein könnten, Ich hab vorhin schon versucht, anzubringen, ich meine, daß der Senat, wenn er Formulierungen wie Frechheit oder Unverschämtheit, die sich beziehen auf die Anklagebehörde als Anlaß zur Wortentziehung nimmt, daß er in der Tat den Grundsatz des § 193 StGB damit verletzt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe den Eindruck, Sie haben ja jetzt im Zusammenhang mit Ihrer Beanstandung das eigentlich, was § 193[ StGB] anlangt, also die sachliche Seite der Geschichte vorgetragen, so daß Ihre Beanstandung überholt ist. Sie konnten das sagen, was Sie wollten.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Wenn Sie das so sehen, ist es gut. Wenn es Anlaß ist, daß die Wortentziehung für Frau Meinhof rückgängig gemacht wird ...

Vors.:

Wollen Sie damit erreichen, daß die Wortentziehung, d. h. daß Sie eine Wortmeldung benützen können, ...

[2981] RA v[on] Pl[ottnitz]:

Eine Anregung, eine Anregung.

Vors.:

... um einen Antrag jetzt für Frau Meinhof zu stellen?

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Eine Anregung. Nein, eine Anregung.

Vors.:

Gut, ja. Dieser Anregung wird nicht stattgegeben.

RA Rie[del]:

Herr Vorsitzender, ich bitte noch einmal kurz ums Wort.

Die Anregung bzw. in Form der Gegenvorstellung wiederhole ich.

Vors.:

Gegen was?

RA Rie[del]:

Gegen den Wortentzug.

Vors.:

Nein, keine Gegenvorstellung.

RA Rie[del]:

Ich habe mit der Mandantin ... Kurz ein Wort dazu.

Vors.:

Nein, Herr RA Riedel ...

RA Rie[del]:

Ne neue Tatsache. Es geht doch nur darum, ob neue ...

Vors.:

Herr RA Riedel, ...

RA Rie[del]:

Ich hab mit der Mandantin Rücksprache genommen ...

Vors.:

Machen Sie Ihre Gegenvorstellung außerhalb der Hauptverhandlung, wenn Sie wollen.

RA Rie[del]:

Nein, Herr Vorsitzender, aber vielleicht ein Wort dazu: Ich habe durch Rücksprache mit der Mandantin erfahren, daß ihr diese Ausdrücke durchaus nicht in beleidigender Absicht hier ent... entschlüpft sind, sondern sie hat genau, wie oft auch die B. Anwaltschaft, im Redefluß diesen Ausdruck benutzt, und ich möchte nicht jetzt wissen, wie oft - das müßte man anhand des Protokolls feststellen - seitens grade der B. Anwaltschaft Ausdrücke wie Unverschämtheit und dergl., bezogen auf die Mandanten, gebraucht worden sind, ohne daß es zu Wortentziehungen geführt hat.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das ist ein dankenswerter Hinweis. Er würde mich an sich zu großzügiger Handhabung veranlassen können, wenn ich nicht Frau Meinhof ausdrücklich gewarnt hätte, indem ich gesagt habe, Frau Meinhof, wahren Sie die Form, sonst muß es zum Wortentzug führen.

[2982] Sie hat also ganz bewußt trotz dieser Mahnung gegen das verstoßen, was ich ihr anempfohlen habe, und deswegen bleibt es beim Wortentzug.

Der Senat wird um 16.00 Uhr die Entscheidung verkünden. Bis dahin wird unterbrochen.

Verzeihen Sie, Sie wollten noch erwidern. Entschuldigen Sie, Herr B. Anwalt Dr. Wunder, das ist mir jetzt entgangen.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, es erscheint mir wesentlich, Herrn Baader in einem Punkt wenigstens zu erwidern, nämlich,

daß der Widerspruch, den er zu sehen glaubt, nicht vorliegt. Der Begriff Isolation, Herr Baader, ist nicht, ist niemals von der Zeitfrage zu trennen. Denken Sie darüber einmal nach.

Angekl. Baa[der]:

Darüber soll ich nachdenken?

RA Schily spricht unverständlich.

Vors.:

Jetzt keine weiteren Erwiderungen mehr.

RA Schily bleibt unverständlich.

Vors.:

Das dürfen Sie jetzt stellen, wenn Sie nicht erwidern wollen, sondern den Antrag stellen. Aber wir haben nur noch wenig Zeit, Herr Rechtsanwalt. Sie wissen es.

RA Sch[ily]:

Ich möchte den Antrag stellen über Protokollberichtigung, also die Protokollberichtigung ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das hat jetzt nichts mit dem Antrag, der gestellt ist, zu tun, wird auch nicht Gegenstand der Beratung sein.

RA Sch[ily]:

Aber das ist wohl möglicherweise doch auch grade, wenn wir jetzt im ... im Lauf der Hauptverhandlung sind.

Vors.:

Nein. Protokollberichtigung nicht.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, grade Protokollberichtigungsanträge sind eine wichtige ... ein wichtiger Punkt für auch den Wortlaut von Anträgen, von Begründungen.

[2983] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das Verfahren ist angedeutet worden, wie das zu handhaben ist. Dabei bleibt es.

Wir machen jetzt ...

RA Sch[ily]:

Ja Moment!

Vors.:

... Pause bis 16.00 Uhr.

RA Sch[ily]:

Ich will aber erst mal grade einen Antrag stellen.

Vors.:

Dann wird die Entscheidung verkündet.

RA Sch[ily]:

Aber diese Form, Herr Vorsitzender, die finde ich nun nicht grade so sehr der Würde des Gerichts angemessen.

Pause von 15.11 Uhr bis 16.01 Uhr.

Die Hauptverhandlung wird um 16.01 Uhr in derselben Besetzung fortgesetzt wie [jjj] zuvor.

Vors.:

So, wir können in voller Besetzung die Sitzung fortsetzen.

Der Senat hat folgendes beschlossen:

Die Anträge, Prof. Mende von der Verpflichtung zur Gutachtenerstattung zu entbinden, werden

zurückgewiesen.

Gründe:

Im Schreiben vom 22.8.1975 fragte Prof. Dr. Mende beim Gericht an, ob der Gutachterauftrag aufrechterhalten bleibe. Am 25.8.75 beantwortete der Vorsitzende diese Frage bejahend. Ein Anlaß wegen der Anfrage des Sachverständigen, ihn als Gutachter zu entpflichten, besteht nicht.

Richtig ist, daß bei der Bestellung von Prof. Dr. Mende auch seine Befassung mit dem Bergwerksunglück in Lengede eine Rolle spielte. Ob die hierbei von Prof. Dr. Mende erworbenen Kenntnisse ausreichen, den Gutachterauftrag sachgerecht auszuführen, kann abgewartet werden.

[2984] Daß Prof. Dr. Mende in seinem Schreiben vom 22.8.1975 den „schlechten Verhandlungsstil der Wahlverteidiger“ erwähnt, läßt keine Willensrichtung gegen die Angeklagten erkennen und kann bei verständiger Würdigung von den Angeklagten um so weniger in diesem Sinne verstanden werden, als während der Anwesenheit von Prof. Dr. Mende der Vorsitzende besonders häufig von der Verteidigung unterbrochen wurde, der Vorsitzende außerdem genötigt war, Ausführungen der Verteidigung wegen der Ausdrucksweise ausdrücklich zu rügen.

Das waren diese Gründe. Herr RA Schily, ich sehe mich veranlaßt, nochmals darauf hinzuweisen: Wir haben noch kein Protokoll, das berichtigt werden könnte. Wir geben Ihnen allen, die die Möglichkeit haben, diese Protokollabschriften zu bekommen, die Gelegenheit, mitzuwirken und darauf einzuwirken, daß das Material später zu einem richtigen Protokoll auch inhaltlich werde. Dazu haben wir gebeten und dabei muß es bleiben, daß Wünsche auf Ergänzungen, Korrekturen und dergleichen mitgeteilt werden, und dann haben wir den Weg ja auch vorgesehen. Alle Beteiligten bekommen solche Wünsche, die schriftlich fixiert sind, durch Ablichtungen mitgeteilt, und am Rande wird in irgendeiner formlosen Art auch dann deutlich gemacht, wie auf diesen Antrag bzw. diese Anregung reagiert worden ist.

RA Sch[ily]:

Ja zu der Praxis habe ich auch gar nichts auszusetzen, sondern mir geht es nur darum, die Frist, die da ja wohl ursprünglich einmal vorgesehen war - ich glaube, drei Tage - die scheint mir zu knapp bemessen zu sein. Also da komm ich nicht mit aus.

Vors.:

Ist richtig, Herr Rechtsanwalt.

RA Sch[ily]:

Und meine Bitte wäre, also diese Frist zu verlängern auf zwei Wochen.

Und im übrigen habe ich die Bitte, daß ich ...

[2985] Ich habe hier, wie Sie das ja - diese Praxis - eben gekennzeichnet haben, die Ablichtung von meinem Antrag vom 5. September, und da würde ich gerne einmal das Band dazu hören, und deshalb auch die Bitte, daß dieses Band jetzt nicht gelöscht wird, damit ich die Möglichkeit nochmals habe, es anzuhören.

Vors.:

Ist das Band noch vorhanden? - Ja.

Wielange läßt sich denn das technisch machen? Ich meine, das Problem, daß die Bänder gelöscht werden, hängt ja nicht damit zusammen, daß wir nach ner bestimmten Zeit nicht mehr willens wären, das zur Verfügung zu halten, sondern wir können hier natürlich nicht Tausende oder Hunderte von Bändern bewahren.

RA Sch[ily]:

Ist mir vollkommen klar.

Vors.:

Die müssen wieder aus wirtschaftlichen Gründen eingeführt werden in den Verkehr.

RA Sch[ily]:

Sicherlich.

Vors.:

Wielange können wir’s etwa überdauern?

Protokollführer:

Höchstens zwei Wochen.

Vors.:

Das würde also Ihnen entgegenkommen. Die Bänder jetzt im konkreten Falle werden natürlich sofort gestoppt, wenn Anträge kommen oder Anregungen. Das ist klar.

RA Sch[ily]:

Und welche technische Möglichkeit wäre dann vorhanden, wenn man das also mal abhören will?

Vors.:

Die Protokollführer haben im Zimmer die Bänder verwahrt. Wenn Sie einen Wunsch äußern, Band sowieso abzuhören, muß die Stelle gesucht werden. Sie können das selbstverständlich dann abhören.

RA Sch[ily]:

Also vielleicht mal in der Mittagspause?

Vors.:

Ohne weiteres, wenn die Herrn da sind. Es würde sich aber empfehlen, sich mit den Herrn Protokollführern dann zu unterhalten, nicht daß die grade beim Mittagessen sind und Sie vergeblich warten.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Herr Vorsitzender, zu dieser Frage möchte ich also noch ...

[2986] Vors.:

Bitte schön. Also dann muß ich jetzt dann aber sagen: Wir sind genau mit der Verhandlungszeit am Ende. Wenn Sie sich also noch dazu imstande fühlen, bitte schön.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Nein, dann lieber morgen, wenn’s so ist.

Vors.:

Nein, morgen werden wir das nicht mehr erörtern, weil das Dinge sind, die die Hauptverhandlung gar nicht betreffen. Das war nur sozusagen als Ausklang des Verhandlungstages denkbar.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Ja die Hauptverhandlung betreffend hat ja grade die Diskussion darüber in der Hauptverhandlung gezeigt.

Vors.:

Nein. Sehen Sie, Herr Rechtsanwalt, das ist wieder der typische Irrtum: Wenn man sich auf ein Gespräch in dieser Richtung einläßt, weil sachlich doch nichts mehr zu erledigen ist, muß daraus nicht gleich der Schluß gezogen werden, daß das nun Gegenstand der Hauptverhandlung wäre.

RA v[on] Pl[ottnitz]:

Es ist nicht unsachlich, wenn’s um Protokollinhalte geht, Herr Vorsitzender. Das ist durchaus eine sachliche Angelegenheit.

Vors.:

Ich darf Ihnen folgendes zur Anregung geben:

Ich höre grade, wir hätten noch vier Minuten nach der genauen Berechnung. Wir könnten also die vier Minuten dazu ausnützen, wenn das reicht. Sonst nicht in der Hauptverhandlung, aus denselben Gründen, die natürlich im Augenblick schon für Herrn RA Schily gesagt worden sind.

Gut. Also dann wollen wir jetzt die Sitzung unterbrechen. Fortsetzung morgen früh um 9.00 Uhr.

Ende der Hauptverhandlung um 16.06 Uhr.

Ende von Band 168.


[1] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu.

[2] Diese Problematik tauchte am 32. Verhandlungstag auf, als Rechtsreferendar Düx als amtlich bestellter Vertreter für Rechtsanwalt von Plottnitz auftrat. Der Vorsitzende Dr. Prinzing war der Auffassung, dies sei grundsätzlich nicht zulässig, genehmigte es jedoch für den Einzelfall (s. S. 2570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu den Ausführungen der Verteidigung hierzu auch S. 2591 ff., jeweils 32. Verhandlungstag). Dass Referendar/innen grundsätzlich nicht als Pflichtverteidiger/innen vor dem LG oder OLG auftreten können folgte aus § 142 Abs. 2 StPO a.F., der abschließend diejenigen Fälle der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO aufzählte, in denen Referendar/innen als (Pflicht-)Verteidiger/innen bestellt werden konnten. Ein Verweis auf § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO, der u.a. die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem OLG als einen solchen Fall der notwendigen Verteidigung benennt, war in § 142 Abs. 2 StPO nicht enthalten. Für amtlich bestellte Stellvertreter/innen sieht allerdings § 53 Abs. 7 BRAO vor, dass ihnen alle Befugnisse der vertretenen Person zustehen. Der BGH entschied noch am selben Tag in einem anderen Verfahren, dass die aus den §§ 140, 142 StPO (a.F.) folgenden Einschränkungen für Referendar/innen bezüglich des Auftretens vor Land- und Oberlandesgerichten in den Fällen der amtlich bestellten Stellvertretung keine Anwendung fänden; Gründe, aus denen den §§ 140, 142 StPO Vorrang vor der Wertung des § 53 Abs. 7 BRAO eingeräumt werden sollte, seien nicht ersichtlich (BGH, Urt. v. 2.9.1975 - Az.: 1 StR 380/75, NJW 1975, S. 2351, 2352). Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde die Möglichkeit, Rechtsreferendar/innen in den Fällen der notwendigen Verteidigung zu bestellen, allerdings gänzlich gestrichen. Ob die Gesetzesbegründung, die sich u.a. auf europarechtliche Qualitätsanforderungen stützt (BT-Drs. 19/13829, S. 25, 40), Auswirkungen auf diese Auslegung haben wird, bleibt abzuwarten.

[3] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO).

[4] Anlage 1 zum Protokoll vom 10.9.1975: Ankündigung des Rechtsanwalts von Plottnitz bzgl. der Vertretung durch Rechtsreferendar Düx und Stellungnahme zur entgegenstehenden Rechtsauffassung des Senats.

[5] Anlage 2 zum Protokoll vom 10.9.1975: Ankündigung des Rechtsanwalts Riedel bzgl. der Vertretung durch Rechtsreferendar Dr. Temming.

[6] Die Anfertigung eines Wortprotokolls ist in deutschen Strafverfahren unüblich. Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO lediglich dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Sie wird durch den/die Vorsitzende/n auf Antrag oder von Amts wegen angeordnet; die protokollierte Stelle ist im Anschluss zu verlesen.

[7] Gemeint sein dürfte § 353d StGB, welcher verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen unter Strafe stellt.

[8] Prof. Dr. Mende und Prof. Dr. Ehrhardt wurden als Sachverständige bestellt, um die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus psychiatrischer Sicht zu begutachten. Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragte bereits am 19. Verhandlungstag die Neubestellung der psychiatrischen Sachverständigen (S. 1505 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da das Gericht an der Bestellung beider Gutachter festhielt, lehnte Dr. Heldmann sie am 31. Verhandlungstag im Namen von Andreas Baader ab (S. 2548 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die ergänzende Begründung der Angeklagten dauerte vier Tage (vom 32. bis zum 35. Verhandlungstag, S. 2594 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Das Gericht wies die Ablehnungen schließlich am 35. Verhandlungstag zurück (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[9] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[10] Die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung ist nicht auf neuen Tatsachenvortrag beschränkt; vielmehr können mit der Gegenvorstellung sowohl übersehene oder verkannte Umstände als auch neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden (Jesse, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 26. Aufl. 2014, Vor § 296 Rn. 79). Zur eingeschränkten Zulässigkeit von Gegenvorstellungen vor dem erstinstanzlich tätigen Oberlandesgericht s. aber Fn. 11.

[11] Gegenvorstellungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn das Gericht auch befugt wäre, die eigene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben, so z.B. in den Fällen, in denen eine ordentliche Beschwerde zulässig wäre (die Abänderungsbefugnis ergibt sich für diesen Fall aus § 306 Abs. 2 StPO). Da die Beschwerde gegen Beschlüsse des OLG in erster Instanz in der Regel ausgeschlossen ist (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO), kommt auch eine Gegenvorstellung in diesen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen sollen aber für Fälle gelten, in denen eine Grundrechtsverletzung (auch in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht wird (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 296 Rn. 25) oder die Beseitigung groben prozessualen Unrechts anders nicht behoben werden kann (Allgayer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 296 Rn. 14). Diese Ausnahmen sind durchaus umstritten (ablehnend etwa Allgayer, a.a.O. Rn. 15).

[12] Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschl. v. 8.1.1959 (Az.: 1 BvR, 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 107), dass das Gericht auch im Falle eines unanfechtbaren Beschlusses des OLG auf die Möglichkeit der Gegenvorstellung hinweisen muss, wenn zuvor rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht gewährt wurde.

[13] Nach heute herrschender Auffassung wäre auch eine Anfechtung im Rahmen einer späteren Revision nach § 336 StPO ausgeschlossen (Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 336 Rn. 6; kritisch aber Franke, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 7/2, 26. Aufl. 2013, § 336 Rn. 16, sowie Frisch, in Wolter [Hrsg.], Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 7, 5. Aufl. 2016, § 336 Rn. 21). § 336 Satz 2 StPO, der die Überprüfung im Rahmen der Revision für solche Entscheidungen ausschließt, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt werden, wurde zwar erst durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 10. Oktober 1978 (BGBl. I, S. 1645) eingeführt; der BGH entschied jedoch bereits mit Beschl. v. 5.1.1977 - Az.: 3 StR 433/76, BGHSt 27, S. 96 - und damit nach der auch zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage - dass der Ausschluss der Beschwerde für Beschlüsse des OLG in erster Instanz nach § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO dazu führe, dass die Entscheidung auch im Rahmen einer späteren Revision nicht mehr anfechtbar sei. Zum Zeitpunkt dieses Verhandlungstages gab es diese Entscheidung des BGH jedoch noch nicht, sodass wohl in der Praxis die Möglichkeit der Revision durchaus bestand.

[14] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[15] Am 30. Juni 1975 begann das Verfahren gegen Irmgard Möller und Gerhard Müller vor dem Landgericht Hamburg. Die Anklagevorwürfe betrafen u.a. das Geschehen um die versuchte Festnahme des RAF-Mitglieds Margrit Schiller, in deren Verlauf ein Polizeibeamter erschossen, ein weiterer verletzt wurde. Der getötete Polizeibeamter Norbert Schmid war das erste Todesopfer der RAF. Der genaue Tatvorgang, insbesondere die Täterschaft, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Irmgard Möller wurde später mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, Gerhard Müller u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29). Irmgard Möller war in ihren ersten Haftjahren in strenger Einzelhaft untergebracht (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 206).

[16] Anlage 3 zum Protokoll vom 10. September 1975: Schreiben des Dr. Naeve an das LG Hamburg zur Frage der Verhandlungs- und Haftfähigkeit der Angeklagten Irmgard Möller.

[17] § 76 Abs. 1 Satz 1 StPO gibt Sachverständigen aus denselben Gründen, aus denen Zeug/innen zur Verweigerung der Aussage berechtigt sind, ein Recht zur Verweigerung des Gutachtens. Satz 2 lautet: „Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverständiger von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbunden werden.“ Die Gründe sind nicht näher bezeichnet. Aufgrund der Formulierung „kann ... entbunden werden“ steht dem Gericht ein Ermessen bei der Entscheidung zu.

[18] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde (Grashof und Jünschke), sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322).

[19] Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt nur für die jeweils bestellte Person. Diese kann sich daher grundsätzlich weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen. Ausnahmsweise wird aber im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 - Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“) befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a).

[20] Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten (s. zur Chronologie der Ereignisse in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Inzwischen wurde mit Beschluss vom 18.7.1975 eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen damit beauftragt, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten zu begutachten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag). In einem vorläufigen Gutachten nahmen die Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten an, nämlich für täglich nicht mehr als drei Stunden (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Der Vorsitzende Dr. Prinzing teilte den Verfahrensbeteiligten in diesem Zusammenhang mit, dass ihm auf telefonische Nachfrage, wie die Zeitangabe „drei Stunden“ zu verstehen sei, die Auskunft erteilt worden sei, dass die reine Verhandlungszeit ohne Pausen und Unterbrechungen gemeint sei (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Diese Mitteilung sorgte für einige Diskussion. Der Antrag der Verteidigung, die Sachverständigen zu laden, um sie in der Hauptverhandlung dazu befragen zu können, wurde abgelehnt (S. 2192 ff., 2210 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).

[21] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Die Verhandlungsunfähigkeit bildet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit kann durch die Anordnung besonderer Maßnahmen (ärztliche Unterstützung, Einlegung von Erholungspausen o.ä.) begegnet werden (s. dazu auch Rechtsanwalt Dr. Heldmann auf S. 1255 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 15. Verhandlungstag). Bei vorsätzlicher und schuldhafter Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des/der Angeklagten durchgeführt werden (§ 231a StPO).

[22] Der Beschluss befindet sich auf S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (35. Verhandlungstag).

[23] S. 2900 f. des Protokolls der Hauptverhandlung (35. Verhandlungstag).

[24] Konkludent wird etwas geäußert, wenn es nicht explizit benannt, aber durch schlüssiges Verhalten nach außen deutlich gemacht wird (Fuchs, „Willenserklärung“, in Creifelds [Begr.], Rechtswörterbuch, 24. Aufl. 2020).

[25] Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 76 Rn. 2.

[26] Sarstedt, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 76 Anm. 2.

[27] OLG Hamm, Urt. v. 24.3.1966 - Az.: 2 Ss 35/66, NJW 1966, S. 1880.

[28] § 136a StPO verbietet die aufgezählten Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.

[29] Art 1 Abs. 1 Satz 1 GG lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Art. 2 Abs. 2 GG lautet: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

[30] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[31] Holger Meins, ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da zu diesem Zeitpunkt der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für den Tod von Holger Meins. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[32] Rechtsanwalt Dr. Croissant rief den Vorsitzenden Dr. Prinzing am 9. November 1974 an und wies ihn auf den kritischen Gesundheitszustand von Holger Meins hin. Der genaue Inhalt des Gesprächs wird von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt. Dr. Prinzing gab an, hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes der Schilderung skeptisch gewesen zu sein. Die Hinzuziehung eines Arztes unterblieb letztlich - aus welchen Gründen ist unklar. Die Justizvollzugsanstalt in Wittlich soll Dr. Prinzing auf Nachfrage versichert haben, der Zustand von Holger Meins sei nicht so dramatisch, wie von Rechtsanwalt Dr. Croissant dargestellt. Gegen 17 Uhr am selben Tag verstarb Holger Meins (s. zu den unterschiedlichen Schilderungen der Ereignisse die hierauf gestützte Ablehnung des Vorsitzenden durch die Angeklagte Ensslin, Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, S. 620 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 7. Verhandlungstag, sowie die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing, S. 677 ff., ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[33] Als „Camera silens“ werden vollständig reizlose Räume bezeichnet. Während der 1960er Jahre intensivierte sich die Forschung zu den Wirkungen von Reizentzügen (sensorische Deprivation). U.a. forschte der tschechische Psychiater Jan Gross auf diesem Gebiet, der in der psychiatrischen Klinik Hamburg-Eppendorf seine Forschungen mit der dort vorhandenen „Camera silens“ verknüpfte. Im Zuge der Debatte um die gegen RAF-Mitglieder angewandte „Isolationsfolter“ wurden diese Forschungen von Unterstützern sowie der RAF als Mittel staatlicher Vernichtungspläne propagandistisch umgedeutet (Koenen, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S. 994 ff.; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 99, 112).

[34] Die Revision ist ein Rechtsmittel gegen Urteile, mit welchem Rechtsfehler, d.h. die Nicht- oder Falschanwendung einer Rechtsnorm, gerügt werden können (§ 337 StPO). Zum Ausschluss der Revision in den Fällen unanfechtbarer Beschlüsse des OLG s. bereits Fn. 13.

[35] Mit Beschluss vom 18.7.1975 beauftragte das Gericht eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Angeklagten im Hinblick auf ihre (möglicherweise eingeschränkte) Verhandlungsfähigkeit. Der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975 (S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag).

[36] Im Erzbergwerk der niedersächsischen Gemeinde Lengede fluteten am 24. Oktober 1963 nach einem Klärteicheinbruch Schlamm und Wasser eine Grube, in der sich 129 Arbeiter befanden. Einige von ihnen konnten sich selbst befreien oder wurden in den folgenden Tagen gerettet. 29 Bergleute starben. Das Grubenunglück wurde jedoch insbesondere durch das „Wunder von Lengede“ bekannt, bei dem wider Erwarten 14 Tage nach dem Einbruch die Rettung von elf Arbeitern gelang. Sie hatten ohne Licht und Nahrung in einem stillgelegten Bereich der Grube überlebt (Willeke, DIE ZEIT, Heft 43/2003, S. 84).

[37] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag).

[38] Prof. Dr. Rauschke war Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart und beauftragt worden, zur Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten Stellung zu nehmen. Zur Vernehmung des Prof. Dr. Rauschke s. S. 1102 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (14. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn, ebenso wie eine durch den Anstaltsarzt Dr. Henck, lehnten die Angeklagten ab.

[39] Nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO können Sachverständige abgelehnt werden, wenn durch frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits bewiesen ist. Eine Einschränkung findet sich im zweiten Halbsatz: „[D]ies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.“

[40] Gemeint sind hier wohl die sog. Vertrauensverteidiger/innen, die zwar ursprünglich gewählte Verteidiger/innen, zu einem großen Teil jedoch inzwischen den Angeklagten als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet waren, nämlich: Rechtsanwalt Schily und Rechtsanwältin Becker der Angeklagten Ensslin, Rechtsanwalt Riedel der Angeklagten Meinhof, Rechtsanwalt von Plottnitz dem Angeklagten Raspe und Rechtsanwalt Dr. Heldmann dem Angeklagten Baader. Wahlverteidiger/innen waren am 20. August 1975 (27. Verhandlungstag), auf den sich Prof. Dr. Mende bezieht, nicht anwesend.

[41] Inwieweit der (lege artis ausgeführte) ärztliche Heileingriff eine Körperverletzung gem. § 223 StGB darstellt ist umstritten. Während Vertreter/innen der sog. Tatbestandslösung zumindest bei erfolgreicher Heilung schon auf Tatbestandsebene eine Körperverletzung verneinen, kommen Vertreter/innen der sog. Rechtfertigungslösung, zu der auch die Rechtsprechung zu zählen ist, zum selben Ergebnis - Straflosigkeit - erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit durch Anwendung der Regelungen einer rechtfertigenden Einwilligung (einführend zum Streitstand s. Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 223 Rn. 27 ff.).

[42] § 51 StGB a.F. enthielt eine Regelung für den Fall fehlender oder verminderter Zurechnungsfähigkeit. Diese Vorschrift wurde mit dem Zweiten Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) mit Wirkung zum 1.1.1975 im Rahmen einer Neustrukturierung des Allgemeinen Teils des StGB durch die heutigen §§ 20, 21 StGB (Folgen der Schuldunfähigkeit bzw. verminderter Schuldfähigkeit) ersetzt.

[43] § 24 StPO enthält die Gründe, aus denen Richter/innen abgelehnt werden können. Diese Gründe berechtigen gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO auch zur Ablehnung von Sachverständigen.

[44] Mit Entscheidung vom 30. Mai 1975 wies die Europäische Menschenrechtskommission eine Beschwerde der Inhaftierten Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Wolfgang Grundmann, die sich auf die ihrer Ansicht nach menschenrechtswidrigen Haftbedingungen stützte, als offensichtlich unbegründet zurück. Die inhaftierten Mitglieder der RAF seien schon keine politischen Gefangenen, da sie sich nicht aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, sondern aufgrund des Verdachts schwerer, gemeingefährlicher Straftaten, in Haft befänden. Angesichts der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer/innen, die sich u.a. in der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders’ gezeigt habe, seien die angeordneten Maßnahmen als zulässig zu erachten (EKMR, Baader et al. v. Germany, Nr. 6166/73, Entsch. v. 30.5.1975, EuGRZ 1975, S. 455, 458 ff.).

[45] § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO lautet: „Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden.“ Damit bezieht sich die Vorschrift auf § 24 StPO, in welchem die Ablehnungsgründe für Richter/innen festgelegt sind, darunter die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Hierauf war der vorherige Ablehnungsantrag der Verteidigung gestützt, der am Vortag durch das Gericht als unbegründet zurückgewiesen wurde (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 35. Verhandlungstag).

[46] § 75 StPO lautet: „Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder wenn er zu ihrer Ausübung öffentlich bestellt oder ermächtigt ist“ (Abs. 1). „Zur Erstattung des Gutachtens ist auch der verpflichtet, welcher sich hierzu vor Gericht bereiterklärt hat“ (Abs. 2).

[47] § 76 Abs. 1 StPO lautet: „Dieselben Gründe, die einen Zeugen berechtigen, das Zeugnis zu verweigern, berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des Gutachtens. Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverständiger von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbunden werden.“

[48] Während § 74 StPO (i.V.m. § 24 StPO) die Gründe enthält, die den Prozessbeteiligten die Ablehnung von Sachverständigen erlauben, enthält § 76 Abs. 1 Satz 1 StPO ein Recht der Sachverständigen selbst, unter bestimmten Voraussetzungen ein Gutachten zu verweigern. Darüber hinaus kann das Gericht nach § 76 Abs. 1 Satz 2 StPO auf Antrag oder von Amts wegen auf Grund freien Ermessens Sachverständige von ihrer Gutachtertätigkeit entbinden (Krause, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 27. Aufl. 2017, § 76 Rn. 4; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 76 Rn. 3). Der dort genannte „andere Grund“ kann auch in einer erkennbaren Befangenheit des/der Sachverständigen bestehen (was allerdings nur relevant wird, wenn kein Ablehnungsgesuch i.S.d. § 74 StPO vorliegt, Krause, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 27. Aufl. 2017, § 76 Rn. 4); hierauf sind die Ablehnungsmöglichkeiten aber nicht beschränkt. In Betracht kommen vielmehr auch solche Gründe, die gerade nicht von den anderen Ablehnungsmöglichkeiten benannt wurden, wie etwa die erwiesene Ungeeignetheit oder mangelnde Sachkunde (Trück, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 76 Rn. 8).

[49] S. zu den Haftbedingungen in Stuttgart-Stammheim Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff., insbesondere S. 103 ff. zum Vorwurf der Isolationsfolter; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 270 ff.

[50] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. In der JVA Köln-Ossendorf befand sich ein solcher Trakt in der psychiatrischen Frauenabteilung, in der zunächst Astrid Proll untergebracht war, später auch Ulrike Meinhof, bevor sie im April 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Im Februar 1974 wurde auch Gudrun Ensslin für zwei Monate nach Köln-Ossendorf verlegt (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 97 ff.). Meinhof beschrieb den Zustand im Trakt mit den Worten: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) - das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst [...]. das Gefühl, die Zelle fährt [...] rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschance hat [...]“ (Erklärung von Ulrike Meinhof, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 103 ff.; s. auch die Ausführungen im Antrag der Angeklagten am 5. Verhandlungstag, Anlage 1 zum Protokoll vom 12.6.1975, insbes. die S. 425 ff. des Protokolls bzw. 20 ff. der Anlage; s. zu den Haftbedingungen in Köln-Ossendorf aber auch Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 95 ff.).

[51] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 und damit kurz vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, zu diesem Zeitpunkt allesamt Verteidiger von Andreas Baader, auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.). Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Dr. Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls). Der vierte Vertrauensverteidiger Baaders, Rechtsanwalt Siegfried Haag, wurde wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag).

[52] § 193 StGB enthält einen Rechtfertigungsgrund für ehrverletzende Äußerungen. Danach sind „Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden [...] nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.“

[53] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.


[a] Maschinell eingefügt: in

[b] Maschinell ersetzt: Arbeitsunterlagen durch Arbeitsgrundlagen

[c] Handschriftlich eingefügt: Uhr

[d] Handschriftlich ergänzt: Ihre

[e] Maschinell ersetzt: kriegsärztlichen durch gerichtsärztlichen

[f] Maschinell ersetzt: so große durch gewisse

[g] Maschinell eingefügt: - Um 9.21 Uhr erscheint Prof.Dr. Müller. -

[h] Maschinell eingefügt: mehr

[i] Maschinell eingefügt: weiterhin

[j] Maschinell eingefügt: wieder

[k] Handschriftlich ergänzt: wohl

[l] Maschinell eingefügt: um

[m] Maschinell eingefügt: was

[n] Maschinell durchgestrichen: Originalien

[o] Maschinell eingefügt: noch

[p] Maschinell ergänzt: irgendwelcher

[q] Maschinell durchgestrichen: er

[r] Handschriftlich durchgestrichen: sein

[s] Handschriftlich durchgestrichen: gerne

[t] Handschriftlich eingefügt: ne

[u] Handschriftlich ersetzt: an durch einen

[v] Handschriftlich ergänzt: dieses

[w] Handschriftlich ergänzt: Zwangssozialisation

[x] Handschriftlich ersetzt: Einschriften durch allen Schriften

[y] Handschriftlich eingefügt: hab

[z] Handschriftlich eingefügt: hier

[aa] Handschriftlich ersetzt: Sie haben durch ja

[bb] Handschriftlich durchgestrichen: und

[cc] Maschinell durchgestrichen: es

[dd] Handschriftlich ergänzt: abenteuerlicher

[ee] Maschinell ersetzt: Ende der Sitzung durch Pause von

[ff] Maschinell eingefügt: nunmehr

[gg] Maschinell eingefügt: weiterhin

[hh] Maschinell eingefügt: mehr

[ii] Maschinell eingefügt: mehr

[jj] Handschriftlich eingefügt: bin

[kk] Handschriftlich ergänzt: Herrn

[ll] Handschriftlich ersetzt: zuleiten durch zuleitet

[mm] Handschriftlich durchgestrichen: ich

[nn] Handschriftlich eingefügt: ______

[oo] Handschriftlich ersetzt: 1 durch I

[pp] Maschinell eingefügt: ihn

[qq] Handschriftlich eingefügt: in

[rr] Handschriftlich ersetzt: feststellen durch Feststellung

[ss] Handschriftlich ersetzt: wird durch werden

[tt] Handschriftlich durchgestrichen: ihn

[uu] Handschriftlich ersetzt: 1 durch I

[vv] Handschriftlich ersetzt: 2 durch II

[ww] Maschinell eingefügt: wieder

[xx] Handschriftlich ersetzt: hätte durch hälte

[yy] Handschriftlich eingefügt: an

[zz] Handschriftlich eingefügt: an

[aaa] Handschriftlich eingefügt: Rasch

[bbb] Maschinell eingefügt: ein

[ccc] Handschriftlich ergänzt: keinem

[ddd] Handschriftlich eingefügt: der

[eee] Handschriftlich ersetzt: Ordinales durch Ordinarius

[fff] Handschriftlich ersetzt: von durch an

[ggg] Maschinell eingefügt: der aber

[hhh] Maschinell eingefügt: ist

[iii] Maschinell durchgestrichen: dann

[jjj] Maschinell durchgestrichen: folgt