[3060] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Freitag, den 12. September 1975, um 9.05 Uhr
38. Verhandlungstag
Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen mit Ausnahme von Oberstaatsanwalt Zeis und Oberstaatsanwalt Holland in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
Just. Sekr. Janetzko
Just. Ass. z. A. Clemens
Die Angeklagten sind anwesend mit ihren Verteidigern Rechtsanwälte Schily, Pfaff[a] Dr. Heldmann, Rechtsreferendar Dr. Temming (als amtlich bestellter Vertreter[1] von RA Riedel), Rechtsreferendar Düx (als amtlich bestellter Vertreter von RA v[on ]Plottnitz), Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke und Grigat.
Als Sachverständiger war Prof. Dr. Schröder, Stuttgart, anwesend.
Vors.:
Bitte Platz zu nehmen. Wir setzen die Sitzung fort. Besetzung wie bisher. Frau Rechtsanwältin Becker ist immer noch aus denselben Gründen wohl entschuldigt.
Es ist Herr Prof. Dr. Schröder anwesend. Er will nur beobachten vor der endgültigen Abfassung der schriftlichen Äußerung der Sachverständigen.
Rechtsanwalt Dr. Schily.
RA Sch[ily]:
Ohne Doktor, ohne Doktor.
Vors.:
Entschuldigen Sie ...
RA Sch[ily]:
Ich will keinen falschen ...
Vors.:
Aber das ist keine Kränkung.
RA Sch[ily]:
Nein, nein das nicht, aber ich will nicht der falschen Titelführung hier ...
Herr Vorsitzender und die Herren des Senats, ich nehme an, daß Ihnen zu Ohren gekommen oder zu Augen gekommen ist, daß in der jüngsten Ausgabe der Illustrierten Quick ein volksverhetzender Artikel erschienen ist, in dem auch Fotos, Fotos veröffentlicht sind aus diesem Gerichtssaal. Diese Fotos lassen [3061] den Schluß zu, so aus dem Blickwinkel, daß sie hier von den Pressebänken aufgenommen worden sind. Der Artikel selbst hat eine Argumentation, die etwa auf der Linie liegt, die die Bundesanwaltschaft hier schon einmal gemeint hat, in das Verfahren hineinbringen zu können und von[b] der einige Richter gemeint haben, daß Sie sie im vollen Wortlaut in eine Entscheidung hineinnehmen müßten.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, darf ich Sie bitten zum Gegenstand zu kommen. Wird das ein Antrag werden, oder was ist das?
RA Sch[ily]:
Es wird eine Anfrage an den Senat sein.
Vors.:
Gut, dann würde ich aber bitte den Inhalt des Artikels hier nicht in dieser breiten Form würdigen.
RA Sch[ily]:
Doch, weil das dazugehört, doch, doch.
Vors.:
Ja? Nun, wir wollen mal sehen, aber ich weiß nicht, was das mit der Hauptverhandlung hier zu tun hat. Wir sind also für Presseartikel nicht verantwortlich.
RA Sch[ily]:
Nein, nein, Herr Vorsitzender, Sie sind das, davon gehe ich aus, daß Sie für Presseartikel nicht verantwortlich sind, aber ich weiß ja und ich habe ja früher vorgetragen, daß der Senat gegen bestimmte Presseveröffentlichungen interveniert hat, das ist die eine Seite und[c] die andere Seite ist, daß eben hier Fotos gemacht worden sind. Und das betrifft ja die Öffentlichkeit des Verfahrens. Und da gehört es eben dazu, es mag ein Zufall sein, es mag ein Zufall sein, daß ausgerechnet die Zeitschrift „Quick“ das Forum war, das Herr Generalbundesanwalt Buback gewählt hat, um sich hier zu dem Stammheimer Prozeß zu äußern. Es mag eben ein Zufall sein, daß ausgerechnet in diesem Artikel wieder die gleiche Argumentation, ich sage, so, wie der Artikel hier abgefaßt ist, in volkverhetzender Form, daß die gleiche Argumentation ausgehend von einer Veröffentlichung ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, verzeihen Sie, ich weise nochmals darauf hin ...
RA Sch[ily]:
... des Herrn Schwinge ...
Vors.:
Ich bin[d] nicht willens, daß wir hier nun den Inhalt eines Artikels in irgendeiner Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung machen. Sie können selbstverständlich, das ist Ihr gutes Recht, auf den Artikel deswegen hinweisen, weil in der Tat diese Bilder veröffentlicht worden sind. Wir werden Ihnen dann, [3062] wenn daran sich eine Anfrage knüpft, versuchen, eine Antwort zu geben.
RA Sch[ily]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Aber bitte, der Inhalt des Artikels hat hier nichts ...
RA Sch[ily]:
Doch, doch ...
Vors.:
mit der Hauptverhandlung zu tun.
RA Sch[ily]:
Doch, Herr Vorsitzender, wissen Sie, man muß sich die Frage stellen, ob das ein Zufall ist oder nicht, denn wir werden doch darüber zu, uns zu unterhalten haben, wie kommt das zustande, ist da vielleicht eine heimliche Duldung oder was immer? ...
Vors.:
Nein, nein, nein ...
RA Sch[ily]:
Wie bitte?
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, da bin ich nicht der Meinung, daß wir uns darüber zu unterhalten haben. Wir ...
RA Sch[ily]:
Was?
Vors.:
... haben hier eine Hauptverhandlung durchzuführen.
RA Sch[ily]:
Ja und da spielt doch ... Sie sagen doch selber ...
Vors.:
Die Bilder spielen eine Rolle.
RA Sch[ily]:
Ja eben, die Bilder. Die Bilder werden ja aber in einen gewissen Zusammenhang gestellt. Die werden ja nicht allein veröffentlicht, ...
Vors.:
Ich bin bereit ...
RA Sch[ily]:
... sondern die werden unter dem Titel veröffentlicht „Schlimm dieser BM-Prozeß, aber es wird noch schlimmer“ und dann kommt „Richter brachen zusammen“ und ich werde hier als Chefplaner einer BM-Taktik werde ich ange...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Schily ...
RA Sch[ily]:
... das ist ...
Vors.:
... Ihre eigene Verteidigung hier gegenüber der Presse ist nicht Gegenstand der Hauptverhandlung.[2] Das wollen wir ganz klarmachen. Ich habe diesen Versuch schon gelegentlich bemerkt, daß Sie sich so beiläufig mit der Presse auseinandersetzten, beispielsweise im Zusammenhang damals, daß[e] das Ehrengerichtsverfahren[3] bzw. die Einstellung nicht erwähnt worden wäre.[4] Das sind alles Dinge, die die Hauptverhandlung nicht angehen. Jeder der hier Beteiligten hätte in dieser Richtung genügend Wünsche offen. Ich bitte darauf also jetzt nicht [3063] mehr Wert zu legen. Sie können die Anfrage formulieren „betreffend Bilder“, aber nicht der ...
RA Sch[ily]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
... Inhalt des Artikels.
RA Sch[ily]:
Nein, Herr Vorsitzender, ich muß darauf bestehen, daß diese Bilder ja nicht hier alleine erscheinen, sondern im Zusammenhang mit einer Argumentation, die sich wiederum mit dem Herrn Schwinge beschäftigt und der Herr Schwinge, was das für ein Mann ist, das habe ich Ihnen, da werden Sie sich vielleicht erinnern, nicht wahr[f], daß, der also ein Kommentator ... noch, ein Kommentar noch veröffentlichen durfte 1944 zum Militärstrafgesetzbuch.[5] Und was da für feine Sätze in diesem Militärstrafgesetzbuch drinstehen, das haben wir vielleicht auch gehört.
Vors.:
Auch das sind alles Dinge die wir mit der ...
RA Sch[ily]:
Nein, Herr Vorsitzender, da in dem, um eine solche Sache zu transportieren, werden ja diese Bilder, die ja auch ...
Vors.:
Gut, dann formulieren Sie bitte Ihre Anfrage betreffend der Bilder. Weiteres können wir hier nicht erörtern.
RA Sch[ily]:
Ja, ich frage, ob die Bundesanwaltschaft möglicherweise veranlaßt hat, daß diese Möglichkeit zum Fotografieren gewährt worden ist, um auf diese Weise einem[g] solchen Artikel vielleicht noch die notwendige Verbreitung zu verschaffen. Denn, wie gesagt, die Ähnlichkeit dieser Argumentation, ich muß darauf nochmal zurückkommen, mit dem was hier die ...
Vors.:
Die Anfrage kann jetzt beantwortet werden. Sie ist für sich nicht erstaunlich ...
RA Sch[ily]:
Nein.
Vors.:
... Herr Rechtsanwalt, hier hat die Sitzungspolizei allein der Vorsitzende, aber niemals die Bundesanwaltschaft. Die Bundesanwaltschaft ist selbstverständlich, ich kann das[h] vorweg beantworten, nicht im Stande, irgendwelche Anordnungen zu treffen, daß hier Bilder gemacht werden könnten. Das ist so selbstverständlich, daß ich mich eigentlich wundere, daß ein Rechtsanwalt diese Anfrage an das Gericht stellt. Ich stelle ...
RA Sch[ily]:
Herr, Herr Vorsitzender ...
[3064] [Vors.:]
... es der Bundesanwaltschaft anheim, oh sie sich dazu äußern will.
BA Dr. W[under]:
Herr Vorsitzender, ich hin bereit dazu. Ich kann nur sagen, daß mir gestern oder vorgestern, der hier für die Zuhörerprobleme zuständige Beamte hier im Haus, von diesem Artikel, über diesen Artikel berichtet hat. Ich selbst habe ihn bis jetzt weder gelesen, noch die dort enthaltenen Bilder gesehen. Die Bundesanwaltschaft, sämtliche Sitzungsvertreter hier, haben mit der, mit dem Erscheinen dieses Artikels überhaupt nichts zu tun. Und es ist völlig abwegig daran zu denken, daß wir vielleicht veranlasst hätten, daß[i] diese Aufnahme oder die Aufnahmen, ich weiß nicht, ob es sich um mehrere handelt, hier gemacht werden konnten.
RA Sch[ily]:
Beabsichtigt der Senat sich gegen diesen Artikel und gegen die Veröffentlichung dieser Bilder zu verwahren?
Vors.:
Ja, es ist also folgendes im Gange. Zunächstmal ist ja die Frage der Kontrolle, daß hier keine Apparate mit in den Saal gebracht werden können, eine polizeiliche Aufgabe, die insoweit Amtshilfe leistet. Es ist generelles und ausnahmsloses Fotografierverbot für die Sitzung angeordnet. Der Senat kann es auf gar keinen Fall billigen, daß Bilder aus dem Saale veröffentlich worden sind. Der Senat ist so lange, bis geklärt ist oder jedenfalls eine einigermaßen brauchbare Klärung zu erwarten ist, nicht ..., wer der Urheber oder der Aufnehmende ist, nicht bereit, schon jetzt dieses ganze Vorgehen in irgendeiner Weise ausdrücklich hier zu erörtern. Ich kann Ihnen nur folgendes sagen: Es ist in Auftrag gegeben, entsprechend dem, was Sie selbst andeuteten, zu klären, welcher Tag in Betracht kommt, welche Position in Betracht kommt für denjenigen, der aufgenommen hat. Und soweit ich informiert bin, bestehen auch schon gewisse Verdachtsgründe, wer als der Aufnehmende in Betracht kommt. Dann wird zu klären sein, wie die Zeitschrift zu den Bildern gekommen ist, wenn es etwa im[j] Auftrag einer Zeitschrift geschehen wäre, dann bedürfte das selbstverständlich schärfster Mißbilligung. Anders sieht es aus, wenn die Bilder angeboten werden von jemanden, der nun im Saale von sich aus, ohne jeden Auftrag, das macht. Wir sind im übrigen dahin unterrichtet, daß es Aufnahmegeräte gibt, die keinerlei Metallbestandteile enthalten, so daß es möglich ist, durch diese Schleusen hier un- [3065] auffällig durchzukommen. Im Rahmen der Bemühungen des Senats und der Polizei, die Durchsuchungen möglichst großzügig zu handhaben, insbesondere bei der Presse, ist es natürlich möglich gewesen, daß hier jemand, der nicht direkt durch dieses Metallsuchgerät auffällt, so ein Gerät mitbringen konnte, wenn es sich um so etwas gehandelt hat. Der Senat bedauert vorweg, daß es dazu gekommen ist, weil das Rückwirkungen auf diese großzügige Handhabung haben kann. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Senat daraus den Schluß zieht, daß die Sicherungsmaßnahmen, die hier ja nun andererseits oft beanstandet worden sind, eben doch gar nicht so von der Hand zu weisen sind. Es zeigt sich, daß selbst bei diesen Sicherungsmaßnahmen derartige Dinge möglich sind. Mehr kann ich Ihnen im Augenblick zu dieser Sache nicht antworten.
Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
RA Dr. H[eldmann]:
Eine Anmerkung noch. Die von Herrn Schily ausgesprochene Vermutung, die Bundesanwaltschaft könnte einen Einfluß auf den Inhalt dieses Artikels gehabt haben, liegt darin, daß sich hier inhaltsgleich die Argumentation, die die Bundesanwaltschaft einmal gebraucht hat, ich erinnere an den Senatsbeschluß vom 20.6., nämlich von der Vernichtungsstrategie der Angeklagten und ihrer Verteidiger gegen den Herrn Vorsitzenden dieses Senats, diese Argumentation sich unter[k] Berufung auf den selben Autor[l], genauso, wie Sie es getan haben, hier wieder findet. Und das schien uns also nicht von ungefähr zu kommen, darum, aber Herr Bundesanwalt Wunder, hat ja wohl diese Frage beantwortet.
Da nun aber, wenn Sie noch ein weiteres erlauben, da nun aber durch diese Bildveröffentlichung die Persönlichkeitsrechte[m] meines A.[n] Baader unmittelbar berührt sind, bedarf keiner juristischen Erläuterung, bitte ich dazu Herrn Baader kurz das Wort zu geben.
Vors.:
Aber eben nur in der Richtung, daß es hier immer im Zusammenhang mit der Grundsatz der Öffentlichkeit[6] zu betrachten ist.
Wenn Sie irgendwelche Schritte außerhalb der Hauptverhandlung ...
Angekl. B[aader]:
Aber ...
Vors.:
... wünschen, braucht das hier nicht verkündet zu werden. Aber bitte, Herr Baader soll ruhig mal ...
Angekl. B[aader]:
Ja, Sie ...
Vors.:
... darlegen, was er dazu zu sagen hat.
[3066] RA Dr. H[eldmann]:
(Anfang unverständlich) ... unerlaubte Fotografien innerhalb eines Gerichtsverfahrens betreffen ja die Öffentlichkeit des Verfahrens,[7] den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens, nicht.
Vors.:
Wir wollen mal sehen, was Herr Baader dazu zu sagen hat.
Angekl. B[aader]:
Naja, ich wollte was dazu sagen. Wenn Sie hier versuchen, Distanz zu einer bestimmten Art von Presse darzustellen und Ihnen die Fragen der Anwälte unbegreiflich erscheinen, muß man vielleicht daran erinnern, daß Sie es waren, das heißt, daß dieser Senat selbst es war, der Redaktionsbesuche bei dieser Art von Zeitungen gemacht hat, das heißt ... Sie haben hier ...
Vors.:
Es hat kein Redaktionsbesuch stattgefunden, um das gleich klarzustellen.
Angekl. B[aader]:
Aber warum ... Die betroffene Zeitung hat das doch offenbar selbst veröffentlicht.
Vors.:
Ja, wir sind über ...
Angekl. B[aader]:
Die hat das erfunden, die Redaktion, ja?
Vors.:
... diese Formulierung selbst erstaunt. Es hat nie, keiner der hier beteiligten Richter ist je in einer Redaktionsstube gewesen.
Angekl. B[aader]:
Naja, aber dennoch haben Sie doch immer, Sie sagen, Sie haben hier eine Hauptverhandlung durchzuführen, aber Sie nehmen doch permanent und Sie haben permanent massiv Einfluß genommen auf die Presseberichterstattung ...
Vors.:
Das ist doch ein ...
Angekl. B[aader]:
... Also die Nähe, Sie haben doch selbst angerufen ...
Vors.:
Herr Baader ...
Angekl. B[aader]:
Sie haben selbst angerufen, Sie haben Briefe geschrieben ...
Vors.:
Herr Baader, das bringt nun wirklich nichts.
Angekl. B[aader]:
... Die Nähe des Senats zu einer bestimmten Art von Presse und das Interesse des Senats, diese Presse sozusagen verfügbar zu machen, das ist eine Selbstdarstellung. Das ist wirklich ein identisches Interesse, mit der Bundesanwaltschaft und ...
Vors.:
Ja, Sie überschätzen den Senat bei weitem ...
Angekl. B[aader]:
... Ich würde annehmen ...
Vors.:
... wenn Sie glauben, daß er einen ...
Angekl. B[aader]:
Ich glaube nicht, daß wir Sie überschätzen, Herr Prinzing ...
Vors.:
... Einfluß auf die Presse hätte, Herr Baader.
[3067] Angekl. B[aader]:
Aber in diesem Zusammenhang, das ist doch sehr eindeutig, es gibt ein identisches Interesse der Bundesanwaltschaft und des Senats und es ist auch ..., daraus ist ..., und natürlich der Polizei, die ja sehr präsent ist, daraus ist tatsächlich zu schließen, daß das nicht etwa konspirativ vorsich gegangen ist und da ist es auch wirklich unsinnig, wenn Sie davon reden, daß Bilder dieser Qualität mit Fotoapparaten gemacht werden können, die keine Metallbestandteile enthalten, das glaubt Ihnen kein Mensch. Die Wahrscheinlichkeit ist die, das hat man hier einfach mal festzustellen, daß das entweder von der Polizei oder über die Bundesanwaltschaft ermöglicht worden ist, die ja dieses Haus hier vollkommen kontrolliert und die auch in diesem Haus hier Hausrecht hat.
Vors.:
Gut, das ist eine Wiederholung dessen, was bereits gesagt worden ist. Die Vermutungen sind begründet worden ...
Angekl. B[aader]:
Das mag sein.
Vors.:
... die brauchen nicht weiter ausgeführt zu werden. Diese Vermutungen, die Sie anstellen, sind vollkommen unbegründet. Im übrigen, ich kenne kein Gerät das ohne Metallbestandteile, Fotografenapparate bzw. kein Fotografenapparat, der ohne Metallbestandteile wäre, aber mir ist gesagt worden, es gäbe so etwas ...
Angekl. B[aader]:
Ja natürlich ...
Vors.:
... ich habe keine praktische Erfahrung damit.
Frau Meinhof, bitte.
Angekl. M[einhof]:
Wieso sehen Sie eigentlich keinen Zusammenhang zwischen den Fotos und dem Text des Artikels, nachdem Sie hier bei Ihrem ersten Ablehnungsbeschluß zu Teuns[8] von der, in dem Fall, vollständig falschen Behauptung ausgegangen sind, ein Autor sei selbstverständlich verantwortlich für den Vorspann seines Artikels. Da wird doch ganz klar, daß Sie vollkommen willkürlich mit Kategorien hier rum..., herumhantieren, denn natürlich ist, sind Sie, wenn Sie, wenn Sie dafür verantwortlich sind, daß die Fotos in dieser Zeitung kommen können, natürlich auch für den Artikel mit verantwortlich und zwar einfach, weil es inhaltlich gar nicht voneinander zu trennen ist, daß es sich um eine bestimmte Konditionierung der Öffentlichkeit gegen die Gefangenen in diesem Verfahren handelt und für Ihre Prozeßführung, Ihre brutale ...
[3068] Vors.:
Das ist eine leichte Begriffsverwirrung[o], Frau Meinhof, ich wüßte nicht ...
Angekl. M[einhof]:
Aber ich möchte ... Ich möchte noch einen Satz dazu sagen.
Vors.:
Bitte, gerne.
Angekl. M[einhof]:
Ja eben, weil Sie nämlich gestern, vorgestern waren Sie nämlich auch so freundlich, da war Prof. Müller[9] hier, und gestern lief das eiskalt ab. Da haben Sie uns ununterbrochen, das Wort entzogen, und wenn jetzt Prof. Schröder nicht hier säße, da hätten Sie uns, hätten Sie jetzt z. B. mir längst das Wort entzogen und darauf wollte ich mal aufmerksam machen.
Vors.:
Das wird nicht bestritten, Frau Meinhof, aber nicht etwa um[p] eine freundliche Atmosphäre vorzutäuschen, sondern weil wir durchaus ...
Angekl. M[einhof]:
Das tun Sie aber.
Vors.:
... den Herrn Sachverständigen, wenn Sie da sind ...
Angekl. M[einhof]:
Das tun Sie aber.
Vors.:
... ah ja ...
Angekl. B[aader]:
Natürlich ist das der Fall.
Vors.:
Die Herrn Sachverständigen sollen ruhig die Möglichkeit haben, Beobachtungen zu machen, denn das, was Sie im Augenblick machen, hat mit der Sache nichts zutun, Frau Meinhof. Wir haben ...
Angekl. M[einhof]:
Es hat mit ... Es hat[q] mit der ...
Vors.:
... Wir haben bis jetzt keinen ...
Angekl. M[einhof]:
... der Öffentlichkeit für dieses Verfahren sehr viel zu tun.
Vors.:
Frau Meinhof, es ist kein Antrag gestellt, den Verfasser dieses Artikels, den ich nicht kenne, hier zum Sachverständigen zu erheben, sonst wäre vielleicht der Inhalt des Artikels hier auch interessant. Aber ich betone[r] nochmals, Herr Prof. Dr. Schröder soll durchaus Beobachtungen machen können, also dürfen Sie ruhig reden. Aber mit freundlicher ...
Angekl. B[aader]:
Deswegen dürfen wir reden.
Angekl. M[einhof]:
Ja ja, das ist nämlich der Punkt.
Vors.:
... oder unfreundlicher Atmosphäre hat das nichts zutun.
RA Sch[ily]:
Das finde ich aber sehr interessant, Herr Vorsitzender.
Angekl. M[einhof] (spricht ins abgeschaltene Mikrophon):
... das ist ... spannende Punkt, (RAe und Angeklagte reden durcheinander) daß wir heute reden dürfen und vor 2 Tagen konnten wir es auch. Und wenn ausländische Prozeßbeobachter da sind, können wir [3069] hier auch reden. Und das ist nicht eine leere Behauptung von uns, sondern das ist in den Zeitungsredaktionen, bei denen Sie hier[s] häufig anrufen, um die Berichterstattung zu[t] beeinflussen, schon festgestellt worden von anderen Leuten, daß es so ist. Daß Sie in der Öffentlichkeit hier was markieren, daß es Ihnen überhaupt nur um den Eindruck geht ...
Vors.:
Schön, jetzt wollen wir in der Sache vorankommen ...
Angekl. M[einhof]:
... und wenn keine Beobachter da sind, es Ihnen nur noch darum geht, uns durch das Verfahren zu hetzen.
Vors.:
Frau Meinhof, wir wollen jetzt in der Sache weiterkommen. Irgendwelche Anträge, Herr Dr. Temming?
Referendar Dr. T[emming]:
Ich möchte nur noch auf eine Sache eingehen. Sie haben angedeutet, daß Sie das zum Anlaß nehmen wollten, die Kontrollen und damit die Beschränkung der Öffentlichkeit noch zu verstärken und mit dem Hinweis auf die Möglichkeit eines Holzapparates oder was auch immer, also eines nicht eisenhaltigen Apparates. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Sie zu dieser Schlußfolgerung kommen, solange nicht klar ist und es spricht einiges dafür, daß das vom Bewachungspersonal selbst lanciert wurde, bin ich der Ansicht, daß das niemals rechtfertigt, Verschärfung der Kontrollen, sondern dann, dann hätte diese Bildaufnahme in der Tat eine doppelte Funktion, denn sie würde auch dazu benutzt werden, die Öffentlichkeit noch weiter zu beschränken und bevor so etwas geschieht, möchte ich doch bitten, daß das erstmal in den eigenen Reihen der Bewachung, des Bewachungspersonals nachgeforscht wird.
Vors.:
Ich danke Ihnen für den Hinweis, aber Sie dürfen[u] überzeugt sein, daß der Senat hier oder der Vorsitzende, der das tun muß, nicht übereilt handeln wird. Es ist bis jetzt nicht beabsichtigt, Konsequenzen zu ziehen, ich sagte Ihnen ausdrücklich, wir wollen abwarten, welche Ergebnisse die Nachforschungen haben. Damit ist dieser Punkt aber, soweit ich meine, aus der Welt geschaffen.
RA Sch[ily]:
Kennen Sie den Inhalt des Artikels?
Vors.:
Bitte?
RA Sch[ily]:
Kennen Sie den Inhalt?
Vors.:
Nein, nein.
[3070] RA Sch[ily]:
Würde ich Ihnen mal empfehlen vielleicht ...
Vors.:
Ich habe den Artikel, das muß ich Ihnen sagen, noch nicht gesehen.
RA Sch[ily]:
Würde ich Ihnen empfehlen, mal zu lesen. Vielleicht kommen Sie doch auf den Gedanken, auch dann mal die Initiative zu ergreifen und zu sagen ...
Vors.:
Auch für diese Anregung danke ich. Wir wollen sehen, ob ich der nachkommen werde in der sitzungsfreien Woche.
Herr ...
Referendar D[üx]:
Ich bitte um das Wort ...
Vors.:
Bitte.
Referendar D[üx]:
... und zwar nicht direkt zu diesem Komplex, sondern zu einer Anmerkung, die Sie eben im Rahmen des Komplexes gegeben haben. Die finde ich doch wesentlich, daß man sie einmal festhalten sollte. Sie sagen, die Verhandlungsleitung heute, zum heutigen Tage, die sei in besonders freundlicher und aufgelockerter Art und Weise gestaltet, um hier dem Herrn Gutachter die Möglichkeit zu geben, die Gefangenen auch ausführlich begutachten zu können.
Vors.:
Darf ich ... Verzeihen Sie, wenn ich eingreife ...
Referendar D[üx]:
Das ist doch ...
Vors.:
... weil Sie von falschen Prämissen ausgehen. Es ist nicht richtig, ich habe gesagt, es hat mit der Freundlichkeit überhaupt nichts zu tun. Vielleicht ist die Verhandlung heute deswegen etwas gelockert, weil wir nun eine Woche frei für uns haben, das wirkt sich ...
Referendar D[üx]:
Das stimmt aber nicht, vorhin haben Sie was ganz ...
Vors.:
... auf die Stimmung der Beteiligten aus, aber Herr Kollege ...
Referendar D[üx]:
Also ...
Vors.:
... es ist völlig falsch, was Sie sagen ...
Referendar D[üx]:
Nee nee, ich finde schon, daß Sie sich jetzt bitte nicht aus dieser Sache herausziehen sollten, was Sie vorhin auch geäußert haben. Sie haben öffentlich hier ...
Vors.:
Nein, ich habe es nicht geäußert, nehmen Sie es bitte zur Kenntnis.
Referendar D[üx]:
Nein, Sie haben vorhin öffentlich hier sich dazu geäußert, daß Sie gesagt haben, heute ...
[3071] Vors.:
Augenblick, ich bitte das Band zurückzuspielen, damit wir diese Stelle nochmals verfolgen, vielleicht erübrigt sich dann das, was Sie sagen. Also die Stelle, wo ich sagte, es sei eben nicht hier eine besondere Freundlichkeit am Platze, wohl aber solle dem Herrn Professor die Möglichkeit zur Beobachtung gegeben werden.
RA Sch[ily]:
Sie müssen da die Ausführungen von Frau Meinhof vorher ... und dann sagen Sie, dann sogen Sie, das stimmt. Also erstmal die Ausführungen von Frau Meinhof und dann sagen Sie, das stimmt.
Vors.:
Nein, meine Ausführungen, auf die kommt es an.
RA Sch[ily]:
Nein, ich bitte dann zuerst die Ausführungen von Frau Meinhof und dann, wie Sie antworten und sagen, das stimmt.
Vors.:
Meine Ausführungen sind hier Gegenstand, im übrigen ich ...
RA Sch[ily]:
Ja, Moment ... Sie ... Moment, Herr Vorsitzender, Sie wollen doch jetzt etwas mit dem, mit der, mit dem Rückspulen des Protokollbandes beweisen und jetzt will ich aber vorher, was Frau Meinhof äußert und dann sagen Sie, ja, das stimmt.
Vors.:
Gut, es ist ein Zusammenhang, ich wurde gerade darauf hingewiesen, dann soll auch diese Stelle noch gebracht werden. Dann wollen wir aber in der Sache hier etwas fortfahren.
Also wir beginnen mit dem, was Frau Meinhof sagte.
An dieser Stelle wurde das Tonband 173I[v] angehalten, auf die entsprechende Stelle zurückgespult und den Verfahrensbeteiligten folgendes vorgespielt:
[3072] Vors.:
„Im übrigen, ich kenne kein Gerät das ohne Metallbestandteile, Fotografenapparate bzw. kein Fotografenapparat, der ohne Metallbestandteile wäre, aber mir ist gesagt worden, es gäbe so etwas ...
Angekl. B[aader]:
Ja natürlich ...
Vors.:
... ich habe keine praktische Erfahrung damit.
Frau Meinhof, bitte.
Angekl. M[einhof]:
Wieso sehen Sie eigentlich keinen Zusammenhang zwischen den Fotos und dem Text des Artikels, nachdem Sie hier bei Ihrem ersten Ablehnungsbeschluß zu Teuns, von der, in dem Fall, vollständig falschen Behauptung ausgegangen sind, ein Autor sei selbstverständlich verantwortlich ...“
Vors.:
Ich glaube da können wir ein bißchen vorlaufen lassen, das dauert ja zu lange.
Vors.:
„Das ist eine leichte Begriffsverwirrung[w] Frau Meinhof, ich wüßte nicht ...
Angekl. M[einhof]:
Aber ich möchte ... Ich möchte noch einen Satz dazu sagen.
Vors.:
Bitte, gerne.
Angekl. M[einhof]:
Ja eben, weil Sie nämlich gestern, vorgestern waren Sie nämlich auch so freundlich, da war Prof. Müller hier, und gestern lief das eiskalt ab. Da haben Sie uns ununterbrochen, das Wort entzogen, und wenn jetzt Prof. Schröder nicht hier säße, da hätten Sie uns, hätten Sie jetzt z. B. mir längst das Wort entzogen und darauf wollte ich mal aufmerksam machen.
Vors.:
Das wird nicht bestritten, Frau Meinhof, aber nicht etwa um eine freundliche Atmosphäre vorzutäuschen, sondern weil wir durchaus ...
Angekl. M[einhof]:
Das tun Sie aber.
Vors.:
... den Herrn Sachverständigen, wenn Sie da sind ...
Angekl. M[einhof]:
Das tun Sie aber.
Vors.:
... ah, ja ...
Angekl. B[aader]:
Natürlich ist das der Fall.
Vors.:
Die Herrn Sachverständigen sollen ruhig die Möglichkeit haben, Beobachtungen zu machen, denn das, was Sie im Augenblick machen, hat mit der Sache nichts zutun, Frau Meinhof. Wir haben ...
Angekl. M[einhof]:
Es hat mit ... Es hat mit der ...
Vors.:
Wir haben bis jetzt keinen ...“
Vors.:
Ich bitte das Mikrophon abzustellen, das reicht. Ich darf Sie darauf hinweisen, Herr Rechtsanwalt, weil Sie ja daran anknüpfen. Es ging um die Frage des Wortentzuges. Ich hätte Frau Meinhof in der Tat das Wort entzogen, wenn ich nicht durchaus es für wünschenswert hielte, daß die Herren Sachverständigen, wenn sie schon da sind, Beobachtungen machen können. Das ergibt sich ja genau aus dem abschließenden Satz, das, was Frau Meinhof gesagt habe, habe mit der Sache nichts zu tun. Damit ...
RA Sch[ily]:
(Anfang unverständlich) ... Moment, nein, nein, Moment ...
[3073] Vors.:
Wollen Sie einen Antrag stellen?
RA Sch[ily]:
Ich möchte jetzt nur zur Klarstellung wissen, ob Sie also heute das Wort dann nicht entziehen oder nicht entzogen haben, um sozusagen eine Beobachtungsgrundlage zu schaffen, ja ist das so zu verstehen?
Vors.:
Nein, so ist es nicht zu verstehen, sondern ich habe Ihnen gesagt, daß wir heute etwas lose Verhandlungen[x] möglich machen können, weil ja ohnehin diese heutige Verhandlung der Fristwahrung[10] dient ...
RA Sch[ily]:
Lose?
Vors.:
... das ist insgesamt ein Grund und es kommt hinzu, daß es durchaus eine Gelegenheit ist für den Herrn Sachverständigen, die Angeklagten sozusagen in Aktion zu beobachten. Sie bloß sitzen zu sehen, ist für ihn wenig tauglich und aus diesem Grunde ist es in der Tat so, daß wir die Angeklagten, wenn sie in der Aktion sind, nicht unterbrechen.
RA Dr. H[eldmann]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Jetzt ist Schluß, ich mache ...
RA Dr. H[eldmann]:
Nein, Herr Vorsitzender, es ist nicht Schluß.
Vors.:
Es ist Schluß, ich rede[y] über dieses Thema jetzt nicht mehr weiter mit Ihnen hier in der Verhandlung. Ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen.
RA Dr. H[eldmann]:
Ich bitte um das Wort hierzu.
Vors.:
Wollen Sie einen Antrag stellen?
RA Dr. H[eldmann]:
Jawohl, ich will einen Antrag stellen.
Vors.:
Dann stellen Sie einen.
RA Dr. H[eldmann]:
Ich möchte den Antrag stellen,
daß Sie künftig die Verhandlungsleitung so machen, wie Sie sie heute machen, mit Rücksicht auf die Gegenwart von Herrn Prof. Schröder. Das bedeutet, daß Sie künftig darauf verzichten, die Angeklagten wissentlich hier zu zermürben durch ständige Wortentziehungen und Unterbrechungen.
Diesen Antrag stelle ich.
Vors.:
Ja, diese Anregung nehme ich zur Kenntnis, ich lasse mich darauf nicht ein. Ich habe jetzt ... (RA Dr.[z] Heldmann und Angekl. Baader sprechen unverständlich dazwischen) Ich habe jetzt folgendes ..., folgendes zu sagen ...
Angekl. B[aader]:
Ich möchte mich diesem Antrag anschließen ...
[3074] Vors.:
Die ... Nein, jetzt habe ich das Wort. Ich bitte jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr, jetzt fang... Ich fahre jetzt fort, zunächst mit dem, was ich hier im Auge habe, zu den anderen Punkt wird nichts gesagt. Die Gelegenheit nachher das Wort zu erteilen, gebe ich später. Ich gebe später Gelegenheit, Anträge zu stellen.
RA Sch[ily]:
Es ist ein Antrag gestellt worden für Herrn Baader, da muß ...
Vors.:
Nein, nein, es ist eine Anregung, kein Antrag. Ich kann mich selbst in dieser Richtung befinden.
RA Sch[ily]:
Aber es war ein Antrag.
Vors.:
Es ist doch kein Antrag.
RA Sch[ily]:
Es war ein Antrag, es war ein Antrag.
Vors.:
Also, wenn bei Ihnen die Verwirrung so weit schon gediehen ist, daß Sie das für einen Antrag halten, dann weiß ich nicht mehr, was ich dazu sagen soll.
RA Sch[ily]:
Wie bitte, wie bitte, bei uns die Verwirrung schon so weit gediehen? Also momentmal, ich bitte um eine Pause.
Vors.:
... daß Sie das für einen Antrag halten.
RA Sch[ily]:
Ich bitte um eine Pause.
Vors.:
Nein, die Pause kriegen Sie nicht.
RA Sch[ily]:
Doch.
Vors.:
So, ich möchte jetzt mit folgendem fortfahren.
Referendar Dr. T[emming][aa]: (redet ins abgeschaltene Mikrophon):
Wir haben doch eine Pause ... wir beanstanden[11] Ihre Antwort, „die kriegen Sie nicht“.
Vors.:
Ich habe gesagt ...
Referendar Dr. T[emming][bb]:
... Ihre Entscheidung.
Vors. (nach geheimer Beratung):
Der Senat bestätigt
die Entscheidung, daß keine Pause gewährt wird.
Herr Baader hat kürzlich in der Sitzung die Entscheidung der Menschenrechtskommission[12] angeführt und ihr eine eigenwillige Auslegung dahingegeben ...
RA Sch[ily]: (spricht ins abgeschaltene Mikrophon)
... daß Sie nämlich sagen, „die Verwirrung ist bei Ihnen so gediehen.“
Vors.:
Ich habe gesagt, „wenn“, „wenn bei Ihnen wäre“.
RA Sch[ily]:
..., wenn Sie Anträge stellen, dann sprechen Sie nicht von Verwirrung.
Vors.:
Ja, bitte, dann ziehen Sie irgendwelche ...
[3075] RA Sch[ily]:
Dann bitte ich ... Dann bitte ich das nochmal zurückzuspulen, was Sie gesagt haben.
Vors.:
Nein, jetzt im Augenblick tue ich das nicht.
RA Sch[ily]:
Ich beantrage, weil ich möglicherweise darauf einen Antrag stützen will. Ich beantrage
diese Protokollstelle nochmal zurückzuspulen.
Vors.:
Lassen Sie es ... ach nein, jetzt haben Sie es schon gemacht, dann wollen wir keine weitere Zeit verlieren, bitte.
Bitte, lassen Sie es nochmals ablaufen, ja.
An dieser Stelle wurde das Tonband 173 a angehalten, auf die entsprechende Stelle zurückgespult und den Verfahrensbeteiligten folgendes vorgespielt:
[3076] RA Sch[ily]:
„Aber es war ein Antrag.
Vors.:
Es ist doch kein Antrag.
RA Sch[ily]:
Es war ein Antrag, es war ein Antrag.
Vors.:
Also, wenn bei Ihnen die Verwirrung soweit schon gediehen ist, daß Sie das für einen Antrag halten, dann weiß ich nicht mehr, was ich dazu sagen soll.
RA Sch[ily]:
Wie bitte, wie bitte, bei uns die Verwirrung schon soweit gediehen? Also momentmal, ich bitte um eine Pause.
Vors.:
... Daß Sie das für einen Antrag halten.
RA Sch[ily]:
Ich bitte um eine Pause.
Vors.:
Nein ...“
Vors.:
Schluß.
RA Sch[ily]:
Herr Vorsitzender, ... (RA Schily spricht ins abgeschaltene Mikrophon) ... Erklärung, glaube ich diese Konditionalform ist, da, ... hat einen ganz eindeutigen Sinn und ich bitte jetzt tatsächlich um eine Pause.
Vors.:
Nein, die Pause ist nicht gewährt worden und wir machen sie jetzt auch nicht ...
RA Sch[ily]:
Herr Vorsitzender, so geht es nicht ...
Vors.:
... Ich möchte fortfahren.
RA Sch[ily]:
... Sie haben gestern, wenn Sie, wenn Sie sich gut erinnern, ein Ablehnungsgesuch aus formalen Gründen zurückgewiesen, weil Sie gesagt haben[cc], es sei nicht unverzüglich[13] und ich lasse es mir nicht bieten, daß Sie mir durch Verweigerung einer Pause die Möglichkeit nehmen, mit meiner Mandantin zu erörtern, ob ein Ablehnungsgesuch zu stellen ist oder nicht ...
Vors.:
Und ich lasse es ...
RA Sch[ily]:
... und ich lasse mich nicht auch drängen in der Form, daß ich ich jetzt sozusagen aus dem Stand ein[dd] Ablehnungsgesuch hier einreiche, sondern ich will das mit meiner Mandantin beraten.
Vors.:
Ja.
RA Sch[ily]:
Und wenn Sie das nicht tun, dann nehme ich mir jetzt die Pause.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich weise Sie auf das hin, daß ich mich nicht von Ihnen drängen lasse, durch die Ankündigung, Sie wollten ein Ablehnungsantrag stellen, jedesmal die Pause zu bewilligen. Die Pause bekommen Sie nicht. (RA Schily spricht unverständlich ins abgeschaltene Mikrophon) Wenn Sie sich die Pause jetzt nehmen, wie Sie ankündigen, stelle ich Ihnen jetzt nochmal vor Augen, daß Ihr Verhalten dann rechtswidrig ist. [3077] Sie haben das Recht nicht. Sie haben sich an die Entscheidungen des Gerichts zu halten. Die Pause ist nicht gewährt worden.
Sie sind hier als Pflichtverteidiger,[14] ich weise Sie nochmals auf diesen Gesichtspunkt ausdrücklich hin.
RA Sch[ily]:
(Anfang unverständlich) ... auf diese Weise jedes Ablehnungsgesuch vom Tisch wischen, jedes ...
RA Dr. H[eldmann]:
Und Sie haben ...
RA Sch[ily]:
... wenn Sie hier sagen, die Angeklagten sind, mit denen wäre besser kurzer Prozeß zu machen, dann sage ich, Moment, Pause, ich will prüfen, ob darauf ein Ablehnungsgesuch zu stützen ist, dann sagen Sie, nein gewähre ich nicht und wenn Sie sich dagegen verhalten, dann hat das Konsequenzen, damit drohen Sie mir dann. Das wäre doch ... Das ist doch ein ungeheuerlicher Vorgang, ist Ihnen das[ee] eigentlich nicht klar? Ist Ihnen das nicht klar?
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, Sie wissen ganz ...
RA Sch[ily]:
Ich würde Ihnen vorschlagen, Herr Vorsitzender, manchmal reagieren Sie ein bißchen zu spontan ...
Vors.:
Ah ja.
RA Sch[ily]:
... überlegen Sie doch das mal mit dem Senat. Ich glaube, daß Sie da doch vielleicht zur Einsicht kommen, daß das so nicht geht.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich glaube das ...
RA Sch[ily]:
Aber ich stelle den ausdrücklichen Antrag
einer Pausengewährung.
Vors.:
Darf ich jetzt ... Sie haben doch die Frage gestellt?
RA Sch[ily]:
Ich wiederhole ihn.
Vors.:
Ja, ich gewähre Ihnen die Pause nicht.
RA Sch[ily]:
Dann beantrage ich diese Maßnahme ...
Vors.:
Die un... Darf ich die Begründung sagen zunächst.
RA Sch[ily]:
Ich beanstande die Maßnahme ...
Vors.:
Die ... Ja, ja, aber ich will jetzt zuerst die Nichtgewährung begründen. Es ist bei Ihnen so, daß Sie nicht abwarten, bis der Gegner ausredet von, für Sie, nicht wahr? Ich habe Ihnen gesagt, ich gewähre die Pause nicht. Die angekündigte Absicht ...
RA Sch[ily]:
Interessant, „Gegner“, haben Sie gerade gesagt. Ich höre nicht zu, bis der Gegner ... Das ist interessant, daß Sie sich als Gegner verstehen. Sehr gut, Herr Vorsitzender, hervorragend ...
[3078] Vors.:
Haben Sie ...
RA Sch[ily]:
... gratuliere.
Vors.:
Haben Sie in ein ... Das ist doch großartig, in einem Gespräch spricht man von einem Gegner. Ich habe nichts von einem Feind gesagt, nein. Also, Herr Rechtsanwalt Schily, so langsam muß ich schon sagen, es wird sehr auffällig, was Sie machen. Ich begründe jetzt nochmals die Ablehnung.
Die angekündigte Absicht, einen Ablehnungsantrag zu stellen, ist kein Grund, eine Pause zu gewähren. Die Unverzüglichkeit eines Antrags wird dadurch nicht in Frage gestellt, daß er nicht sofort gestellt werden kann, sondern noch im Laufe des Verhandlungsvormittags.
RA Sch[ily] (spricht ins abgeschaltene Mikrophon):
... darf ich mal ...
Vors.:
Ich darf jetzt ...
RA Sch[ily]:
... fragen, wann ich eigentlich mit meiner Mandantin dann erörtern soll, ob ein Ablehnungsgesuch zu stellen ist, soll ich dann irgendwann am Schluß der Sitzung ... Wann beabsichtigen Sie, mir die Pause zu gewähren, darf ich das fragen?
Vors.:
Sie benötigen dazu gar keine Pause.
RA Sch[ily] (schreit ins Mikrophon):
Ach, das haben Sie zu ..., das haben Sie zu entscheiden, ob ich dazu eine Pause benötige?
Ist das nicht die Entscheidung der Mandantin? Ist das ein Ablehnungsgesuch von mir, oder von der Mandantin? Ist es nicht sogar möglicherweise standeswidrig, wenn ich nicht meine Mandantin frage? Das ist ... Das müssen Sie sich doch mal die Frage vorlegen, Herr Vorsitzender, aber wissen Sie, von Verteidigung, muß ich Ihnen sagen, haben Sie nicht allzuviel Ahnung.
Vors.:
Ja, ist ...
„Gelächter im Saal“
RA Sch[ily]:
Wirklich.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt ...
Ich bitte im Saal um Ruhe.
RA Sch[ily]:
Nein, Herr Vorsitzender, es tut mir leid, das sagen zu müssen.
Vors.:
Ja, ich bin kein Verteidiger.
RA Sch[ily]:
Daß ich ... Daß ich eine Pause benötige, um mit meiner Mandantin die Möglichkeit, vielleicht ist das Gespräch, das Ergebnis eines solchen Gespräches, daß ein Ablehnungsgesuch nicht [3079] wird, auch mal möglich, nicht. Aber ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt ...
RA Sch[ily]:
Aber, wenn Sie, wenn Sie sozusagen durch die Nichtgewährung der Pause, sozusagen auch noch drängen, Sie erzwingen ja mitunter das Ablehnungsgesuch, daß es sozusagen sofort gestellt werden muß, weil es gar nicht anders geht, nicht? Sozusagen nur durch Blickkontakt, wie das manchmal bei Ihnen geschieht mit anderen Prozeßbeteiligten, dann mit meiner Mandantin [ff] verständigen muß. Halten Sie das für die richtige Verfahrensweise?
Vors.:
Jetzt komme ich zu Wort. Ich würde Sie bitten, jetzt mich mal reden zu lassen. Ich sage Ihnen nochmals, Sie haben keinen Anspruch, der Senat hat das verschiedentlich entschieden, wegen der angekündigten Absicht einen Ablehnungsantrag zu stellen, eine Pause zu verlangen. Sie haben jedenfalls kein Recht, daß die Pause gewährt wird. Die Pause ergibt sich im Laufe des Vormittags ohnedies noch, da wird gar kein Zweifel bestehen.
(RA Schily spricht unverständlich dazwischen) Jetzt im Augenblick habe ich begonnen auf einen Verfahrensvorgang hinzuweisen, das zumindest bringe ich zu Ende, dann werden wir uns die Überlegung machen, ob Sie die Pause bekommen.
RA Sch[ily]:
Also, ich beanstande ... Ich beanstande die Maßnahme des Herrn Vorsitzenden ...
Protokollführer:
Bitte Mikrophon, Herr Rechtsanwalt.
RA Sch[ily]:
Ich beanstande die Maßnahme des Herrn Vorsitzenden, mit der mir die Pause verweigert wird und ich bitte den Senat darüber nun wirklich mal eine Beratung stattfinden zu lassen, ob das in Zukunft, ob das in der Zukunft, und ich bitte diese Beratung nicht hier im Saal stattfinden zu lassen und ich beantrage
diese Beratung im Beratungszimmer stattfinden zu lassen,[15]
damit darüber eine, eine sachgerechte Entscheidung getroffen wird, denn um, und das ist nun wirklich etwas, was jeglicher Erfahrung und auch jeglichem Rechtsverständnis widerspricht. Ich kenne überhaupt bisher kein Gerichtsverfahren, in der in dieser rüden Form die Verteidigungsrechte überrollt werden. Und es ist nach meiner Meinung, wenn jetzt irgendeine nichtaufschiebbare Maßnahme zu treffen wäre, dann hätte ich Ver- [3080] ständnis sogar noch für die Auffassung des Herrn Vorsitzenden. Wenn Sie jetzt sagen würden, ich habe jetzt etwas Nichtaufschiebbares zu tun und warten Sie solange ab und dann wird die Maßnahme, dann wird, werden wir darüber beraten, ob eine Pause gewährt wird, dann würde ich nichts sagen. Aber davon haben Sie ja nichts gesagt, Herr Vorsitzender, sondern Sie sagen generell, „es gibt keine Pause“ und dann kommen die Beschlüsse zustande, da sagen Sie, „ja, also ist verspätet oder ist unzulässig“. Also, das, das ist wirklich nicht möglich, ich beantrage
die Pause, im., über diese Frage jetzt im Beratungszimmer eine Beratung durchzuführen und darüber eine Entscheidung.
Angekl. B[aader]:
Ja, ich möchte was dazu sagen.
RA Sch[ily]:
Moment, hier hat sich noch ein weiterer Verteidiger und ...
Referendar Dr. T[emming]:
(Anfang unverständlich) ... möglich auch die anderen Prozeßbeteiligten, den anderen Prozeßbeteiligten zu dieser eigenartigen Maßnahme rechtliches Gehör zu verleihen, oder ist auch das nicht mehr möglich?
Vors.:
Bitte.
Referendar Dr. T[emming]:
Ich habe den Eindruck, Herr Dr. Prinzing, ich habe den Eindruck, daß wirklich dieser Senat da oben sitzt en bloc und en bloc überhaupt ...
Vors.:
Wollen Sie jetzt zur Sache kommen und das begründen. Ihre Eindrücke sind nun im Augenblick für die Begründung weniger interessant.
Referendar Dr. T[emming]:
Gut. Doch, die sind auch sehr interessant.
Gut, zur Beanstandung. Das Recht der Verteidigung eine Pause gewährt zu bekommen, ergibt sich daraus, daß, wenn die Verteidigung einen Ablehnungsantrag stellt, der betroffene Richter nur noch an unaufschiebbaren Maßnahmen teilnehmen darf.[16] Ansonsten hat er sich jeglicher, jeglichen Tätigkeit in Prozeß zu enthalten, bis darüber entschieden worden ist. Wenn dieser Richter aber sagt, die Pause braucht nicht gewährt zu werden, weil sie irgendwann sich es überlegen können, nimmt er Handlungen vor, obwohl er gar nicht wissen kann, ob er nicht abgelehnt wird. Es sei denn, der Richter weiß von vornherein, er wird nicht abgelehnt, das Gericht wird den Ab- [3081] lehnungsantrag zurückweisen, wenn er das allerdings schon von vornherein weiß, dann hätte ich das gerne gewußt. Denn dann ist es klar, was hier abläuft und dann wird es offensichtlich, wenn das der Richter nicht von vornherein weiß, oder jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit zugeben darf, dann muß er die Pause gewähren, damit es so aussieht, als ob über den Ablehnungsantrag auf jedenfall beraten wird, als ob die Gründe, auf die die[gg] Ablehnung gestützt werden, auf die die Befangenheit gestützt werden auch von demjenigen die darüber zu entscheiden haben, überprüft[hh] werden. Und bis dahin hat dieser Richter sich jeder nicht unaufschiebbaren Maßnahme zu enthalten. Und das, was Sie hier vorhaben, ist nicht unaufschiebbar.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt Pfaff.
RA Pfaff:
Herr Vorsitzender, mein Kollege Dr. Heldmann hat gestern ...
Protokollführer:
Bitte Ihr Mikrophon einschalten.
RA Pf[aff]:
... seinem Mandanten empfohlen. Mein Kollege Dr. Heldmann hat gestern seinem Mandanten empfohlen, hier keine Ablehnungsgesuche mehr zu stellen. Ich habe das nicht getan und Sie können sich doch vorstellen, daß wir jetzt zu dritt eine Pause brauchen, um zu überlegen, ob diese Empfehlung aufrechtzuerhalten ist. Leuchtet das nicht ein, das man das nicht, daß zumindest wir hier aus dem Stand also weder ein Gesuch formulieren können, noch ein Gesuch nicht formulieren können, sondern daß wir dazu eine Pause brauchen. Ich bitte ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt ..., Verzeihung.
RA Pf[aff]:
... darum diese Pause zu gewähren.
Vors.:
Das ist ja nun aber zusätzlich, Herr Rechtsanwalt. Sie wenden sich jetzt wieder an mich. Im Augenblick sind wir in der Phase der Beanstandung der von mir schon[ii] ausgesprochenen Ablehnung, das heißt, also Sie wollen sich dieser Beanstandung anschließen.
Angekl. B[aader]:
Ja, ich habe vor mich auch anzuschließen, denn die Pause ist für uns wesentlich, weil wir tatsächlich der Ansicht sind, daß sofort ein Ablehnungsgesuch zu stellen ist und zwar nicht nur aus diesem Grund, auf den sich Herr Schily bezogen hat, sondern ganz wesentlich, weil Sie unmittelbar davor klargemacht haben, daß es Ihnen um den inhaltlichen Ablauf der Verhandlung gar nicht mehr geht, daß Sie über- [3082] haupt nicht mehr verhandeln hier, sondern daß die Angeklagten tatsächlich nur noch hier sitzen dürfen, können und überhaupt nur noch zu Wort kommen können, damit sie etwa durch Gutachter begutachtet werden können. Sie haben wörtlich gesagt, weil es eben tunlich sei, daß die Gefangenen in der Aktion von einem Gutachter beobachtet werden können, das heißt, weil ein richtiger Eindruck sinngemäß nicht zu gewinnen ist, wenn wir hier nur schweigend sitzen. Das heißt, und das haben Sie ja nun wirklich die ganze letzte Woche belegt, im übrigen haben Sie es lieber, oder ist Ihre Vorstellung von Verhandlung, daß wir hier schweigend sitzen und deswegen unterbrechen Sie uns ja auch dauernd, entziehen uns das Wort, kippen unsere inhaltlichen Bestimmungen, kippen damit sozusagen, um darauf nochmal zurückzukommen, den verfassungsmäßig garantierten Subjektstatus des Angeklagten und ...
Vors.:
Herr Baader, es geht um die Pausen.
Angekl. B[aader]:
Ja, ich ...
Vors.:
Es geht um die Pause.
(Geheime Umfrage beim Senat)
Angekl. B[aader]:
Ich nehme das mal vorweg, das ist meiner Ansicht nach doch ein ganz entscheidender, ne ganz, von Ihrer Seite aus, ne ganz entscheidende Bestimmung, wie Sie diese Verhandlung führen, auf die wir ein Ablehnungsgesuch stützen wollen. Deswegen brauchen wir eine Pause, ich muß das mit den Rechtsanwälten besprechen.
Referendar Dr. T[emming]:
Herr Vorsitzender, ist es vielleicht möglich, es sind noch andere Angeklagte anwesend, daß auch Frau Meinhof rechtliches Gehör erhält?
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, es bedarf nicht dieses mokanten Tones.
Ich gebe selbstverständlich das Wort, wenn ich es bemerke.
Referendar Dr. T[emming]:
(Anfang nicht verständlich) ... GVG irgendwelche sogenannten geheimen Umfragen veranstaltet, wo jeder, wo jeder Prozeßteilnehmer, jeder Beobachter genau sieht, was da oben abläuft. Das verstößt gegen die ...
Vors.:
Sie wollen ... Sie wollen, wenn ich Sie recht verstehe, um das Wort für Ihre Mandantin bitten?
Referendar Dr. T[emming]:
Ja und ...
Vors.:
Es geht doch ganz einfach.
[3083] Referendar Dr. T[emming]:
Ja, es geht eben nicht einfach, weil ich sehe, daß das Gericht bereits vorher, ich meine, rechtliches Gehör ist nicht nur ne Farce, rechtliches Gehör ... Das Gericht berät bereits zwischendurch und vorher. Und jedesmal muß irgendeiner der Verteidiger einschreiten und dafür sorgen, daß überhaupt mal berücksichtigt wird, daß die Angeklagten auch ein rechtliches Gehör haben.
Vors.:
Frau Meinhof hat das Wort.
Angekl. M[einhof]:
Ich schließe mich dem Antrag an und ich will mal feststellen ... Würden Sie mir mal bitte zuhören? Ich will nochmal feststellen, daß Sie vorhin gesagt haben, als Sie die Pause abgelehnt haben ...
Vors.:
Darf ich ein Gegenvorschlag machen?
Angekl. M[einhof]:
Nein.
Vors.:
Frau Meinhof, damit Sie nicht weitersprechen ...
Angekl. M[einhof]:
Ich möchte kurz ...
Vors.:
... Ich gewähre jetzt, weil das ein endloses Gerede ...
Angekl. M[einhof]:
Ich will jetzt kurz was sagen.
Vors.:
... wird, die Pause. Sie haben also damit, mit[kk] Ihrem Antrag die Möglichkeit, daß Sie das besprechen, was Sie evtl. vorhaben.
In 10 Minuten treffen wir uns wieder.
Pause von 9.44 Uhr bis 10.23 Uhr
[3084] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.23 Uhr.
[Vors.:]
Wir setzen die Sitzung fort, ich vermute daß ein Antrag gestellt werden soll. Herr Rechtsanwalt Schily.
RA Sch[ily]:
Namens der Angeklagten Ensslin:
Wird der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Herr Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Das Ablehnungsgesuch wird wie folgt begründet: 1. Der abgelehnte Richter hat einen Antrag der Verteidigung auf Gewährung einer Pause mit der ausdrücklichen Begründung, daß diese Pause der Vorbereitung eines Ablehnungsgesuches, der Prüfung ob ein solches Ablehnungsgesuch eingereicht werden soll, verweigert und erst nach längerer Diskussion sich entschlossen, die Pause doch zu bewilligen. Zur Glaubhaftmachung[17] wird auf eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters und den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Aus der Sicht der Ablehnenden muß ich das als Versuch darstellen, auf diese Weise sich zu einem späteren Zeitpunkt eines Ablehnungsgesuches zu entledigen, in der Form, daß das Ablehnungsgesuch dann als verspätet und damit unzulässig zurückgewiesen wird, zumal in der gestern verkündeten Entscheidung des Senats bereits in dieser Form entschieden wurde. 2. Der abgelehnte Richter hat in der heutigen Sitzung sinngemäß geäußert, zu einem Verteidiger, beziehungsweise konkret zu dem Verteidiger der Ablehnenden, ich zitiere: „Sie lassen ihren Gegner nicht ausreden.“ Zur Glaubhaftmachung wird auf ..., wiederum auf eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters, wiederum auf eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Nach seinem eigenen Selbstverständnis, das daran zum Ausdruck kommt, wenn vielleicht auch unwillkürlich, versteht sich der abgelehnte Richter demnach als Gegner der Verteidiger und damit auch der Angeklagten. Beispielsweise findet er das Wort Gegner in der Prozeßumgangssprache beispielsweise Verwendung, wenn man in einem Zivilprozeß vom Prozeßgegner spricht. Das ist mein Prozeßgegner und jedermann würde sicherlich erkennen, wenn ein Richter nun sagt, ich bin ihr Prozeßgegner zu einem Kläger im Zivilprozeß, daß darin die Befangenheit zum Aus- [3085] druck kommt. Man kann in gewissem Sinne sagen, daß die Anklagebehörde und die Verteidigung in einem Strafprozeß Gegner sind, in einem Strafprozeß Gegner sind. Wenn sich das Gericht, beziehungsweise ein Richter, als Gegner der Verteidigung bezeichnet, dann kommt darin zum Ausdruck, auch zum Ausdruck, die Integration mit den, mit der Bundesanwaltschaft und mit deren Intentionen. 3. Der abgelehnte Richter hat in der heutigen Abhandlung sinngemäß geäußert, ich zitiere, wiederum zur Verteidigung geäußert, ich zitiere: „Wenn die Verwirrung bei Ihnen schon so weit gediehen ist, daß Sie das als Antrag ansehen.“ Es handelte sich um den Antrag eines Verteidigers, die Prozeßleitung in einer bestimmten Form vorzunehmen, zur Glaubhaftmachung wird wiederum auf eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters und auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. In dieser Äußerung, diese Äußerung hat zunächst der abgelehnte Richter versucht abzuschwächen, in der Form, daß es sich ja um einen Wennsatz handle, um einen Satz, der mit „Wenn“ anfängt in Konditionalform, also praktisch keine Feststellung, sondern nur eine Überlegung, eine Fragestellung. So sollte das ja wohl zunächst der Versuch, war der Versuch zu verstehen einer Abschwächung. Aber diese Abschwächung kann nicht gelingen, denn im Zusammenhang hat diese Äußerung eine präzise Feststellung zum Inhalt, eine klare Meinungsäußerung des abgelehnten Richters. Und zwar enthält diese Äußerung die Meinung des abgelehnten Richters, daß die Verwirrung bei der Verteidigung bereits weit gediehen sei und nun „schon so weit gediehen“ also da muß schon die Verwirrung einigermaßen gediehen sein. Nun ist sie aber schon, also jetzt die Steigerungsform, schon „so weit“ gediehen, wenn man also noch die Sprache beherrscht, dann kann man das deutlich daraus erkennen, da bedarf es also keiner langen sprachlichen Analysen, um diese, um den Inhalt dieser Äußerung richtig zu verstehen. Ein Richter, der die Verteidigung, der bei der Verteidigung, weil sie einen Antrag stellt, der nicht den Beifall des abgelehnten Richters findet, ein Richter, der dann äußert, daß die Verteidigung [3086] in Verwirrung geraten sei und daß diese Verwirrung schon sich noch weiter jetzt gesteigert habe, ein solcher Richter kann wohl kaum für sich in Anspruch nehmen, als unvoreingenommen zu gelten. Alle drei Gesichtspunkte zusammengenommen müßten daher aus der Sicht der Ablehnenden die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen und damit die Ablehnung.
Vors.:
Weitere Wortmeldungen? Herr Dr. Heldmann.
RA Dr. H[eldmann]:
Ich habe in meinem gestrigen knappen Prozeßvortrag anläßlich eines hier gestellten, für Herrn Raspe gestellten Befangenheitsantrags erklärt, daß ich zwar den Gegenstand des gestrigen Antrags, nämlich die Senatsbeschlüsse von 9. und vom 10.[18] geradezu für Schulbeispiele richterlicher Befangenheit erachte, daß ich jedoch meinen Mandanten nicht mehr dazu rate, Befangenheitsanträge gegen den Herrn Vorsitzenden Richter, oder gegen den Senat zu stellen. Die heutigen Vorgänge allerdings haben den gestrigen, die gestrige Meinung verändert. Es ist heute meine Pflicht selbst diesen Antrag für den Angeklagten Baader zu stellen und nicht etwa die Antragsstellung ihm zu überlassen. Ich beziehe mich hierfür insbesondere als den schwerwiegenden Tatbestand, der für den Angeklagten von seinem Standpunkt aus den vernünftigen Grund zur Annahme der Befangenheit gibt, auf ... Verzeihung ...
Prof. Dr. Schröder verläßt um 10.33 Uhr den Sitzungssaal.
Haben Sie den Herrn Sachverständigen Prof. Müller aus der Verhandlung entlassen, Herrn[ll] Prof. Schröder aus der Verhandlung entlassen?
Vors.:
Herr Prof. Schröder ist hier zu Beobachtungen und ich weiß nicht wo er hingegangen ist. Es kann ja sein, daß auch ein Sachverständiger mal ... Ich weiß es nicht.
RA Dr. H[eldmann]:
Frau Meinhof hat vorhin an Ihre Adresse, Herr Vorsitzender, gesagt: Immer dann, wenn wie heute Herr Schröder als Sachverständiger, wie vorgestern Herr Müller als Sachverständiger, oder wenn ausländische Prozeßbeobachter hier im Saale sind, wörtlich: „Dann täuschen Sie eine Atmosphäre der Freundlichkeit vor. Denn sonst hätten Sie mir jetzt das Wort schon längst abgeschnitten.“ Sie haben darauf erwidert, „das wird nicht bestritten, der Herr Sachverständige soll durchaus Beobachtungen machen können, also [3087] also dürfen Sie ruhig reden.“ Was damit ausgesprochen worden ist, und das begründet die Besorgnis der Befangenheit, ist vernünftiger Grund zu der Annahme der Befangenheit des Herrn Vorsitzenden Richters vom Standpunkt des Angeklagten Baaders aus, ist, wie hier das Gericht öffentlich erklärt, daß den Gefangenen in dieser Hauptverhandlung bloß noch der Objektstatus zukomme. Scheinbar befördern Sie ihn, den Angeklagten Baader und seine Mitgefangenen zum Prozeßsubjekt, wenn es gilt, ihn vorzuführen, wozu Sie diese Hauptverhandlung dann bei Gelegenheit benutzen. In 36 Verhandlungstagen haben Sie Herrn Baader über 150 Mal unterbrochen oder das Wort entzogen. Sie haben ihm vorgestern das Wort entzogen wegen angeblicher Beleidigung von Herrn Oberstaatsanwalt Zeis als Vertreter der Bundesanwaltschaft. Dabei hatte, wie wir in den Protokollen mittlerweile ja nachlesen können, dabei hatte lediglich Herr Baader schriftliche Äußerungen des Herrn Zeis in seiner dienstlichen Funktion zitiert. Das war die Beleidigung des Herrn Zeis. Als gestern Frau Meinhof, ich spreche davon, wie der Senat die Angeklagten in einen bloßen Objektstatus, ein Objektstatus, die hier nichts mehr zu melden haben, transportiert hat. Als gestern Frau Meinhof, provoziert hierzu durch eine Äußerung von der Bank der Bundesanwaltschaft, über deren Qualität ich hier kein Wort verlieren möchte, jeder von uns hat sie ja gehört, geantwortet hat mit „Unverschämtheit“, da war es für Sie, dem Senat, den Vorsitzenden und dann in Ihrer Blitzumfrage für den Senat hinreichender Grund, Frau Meinhof das Wort zu entziehen. Als aber der hier angesprochene Bundesanwalt Zeis mich als Verteidiger in öffentlicher Hauptverhandlung, als ich ihm auf seine üblichen Rempeleien eine adäquate Antwort gegeben habe, mich öffentlich der Unverschämtheit bezichtigt hat, dieselbe Vokabel gebraucht hat, da hat der Senat nicht einmal mit der Wimper gezuckt.
- Professor Dr. Schröder kommt um 10.38 Uhr wieder in den Sitzungssaal -
RA Dr. H[eldmann]:
Ich spreche davon, wie es die ständige Übung des Senats ist, die Angeklagten in diesem Prozeß in den bloßen Objektstatus zu versetzen und ihre Prozeßsubjekteigenschaft dann vorzutäuschen, wenn es darum geht, sie vorzuführen z.B. wie [3088] heute Herrn Professor Müller als Sachverständigen, Herrn Professor, Verzeihung, Herrn Professor Schröder als Sachverständigen. Ihre ständige Prozeßtaktik, Ihre, des Herrn Vorsitzenden, ständige Prozeßtaktik, den Vortrag, die Ansätze eines Vortrags der Angeklagten inhaltlich zu vernichten, die Angeklagten, wo sie zu Vorträgen ansetzen, durch gezieltes systematische und fortwährende Unterbrechungen an den unpassendsten, ganz gleich an welcher Stelle auch, dadurch zu zermürben und ihre Verhandlungsfähigkeit[19] dann zu dieser Sache dann wirklich auf Null noch zu reduzieren, wo sie überhaupt nicht schon dort angekommen ist, die vertuschen Sie heute, weil es darum geht, die Angeklagten vorzuführen. Als der Angeklagte Baader im Zusammenhang mit der Begründung des Antrags auf Ablehnung der Sachverständigen Ehrhardt und Mende[20] einen Zusammenhang hergestellt hat mit der Auswahlmotivation des Senats gerade für diese beiden abgelehnten Herrn, da ist ihm das Wort entzogen worden mit der Standardbegründung: „fehlender Sachzusammenhang“. Als am nächsten Tag der Angeklagte Baader bei der Begründung der Ablehnung dieses Senats wegen seiner Beschlüsse vom 9. und 10. wiederum und nun einmal aus der entgegengesetzten gedanklichen Position versucht hat, den Zusammenhang herzustellen, zwischen der Bestellung gerade dieser beiden von Anfang an abgelehnten und abzulehnenden Sachverständigen Ehrhardt und Mende, den Zusammenhang herzustellen mit der Auswahlmotivation durch diesen Senat, da haben Sie wiederum und mit derselben Begründung „fehlender Sachzusammenhang“ das Wort abgeschnitten. Es ist die Taktik des Senats, die der Herr Vorsitzender als Verhandlungsleitung umschreibt, die Angeklagten, wo sie prozessual die Möglichkeit zum Vortrag haben, durch sein Verhalten so zu zermürben, daß sie zu einem Vortrag in Wahrheit nicht mehr kommen. Und das haben Sie nun heute ganz offen gesagt, als nämlich Frau Meinhof sagte, säße nicht Herr Professor Schröder hier, dann hätten Sie mir das Wort schon entzogen. Da haben Sie, Herr Vorsitzender, geantwortet, das wird nicht bestritten. Wo es darum ging, etwa dem, gestern, dem Angeklagten Raspe Pause zu gewähren, weil er nicht mehr sprechen konnte, damit er seinen Vortrag fortsetzen konnte, da sind Sie über die offensichtliche körperliche Konzentrationsunfähigkeit, diesen Vortrag fortzusetzen, hinweggegangen und Sie [3089] haben eine Scheinpause von 10 Minuten, die natürlich zur Regeneration absolut unzureichend ist, eingelegt und wollten ihn zwingen, weiter zu sprechen, weil Sie wußten, er kann ja gar nicht mehr weiter sprechen. Das ist Ihre, des Herrn Vorsitzenden, Taktik, die Angeklagten hier nicht zu Wort kommen zu lassen, nachdem Sie sie vorher hinreichend zermürbt haben. Auf einen weiteren Punkt stütze ich den Ablehnungsantrag gegen den Herrn Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing, auf den folgenden Vorgang in der gestrigen Sitzung. Herr Raspe hat Ihnen erklärt, daß er infolge Erschöpfung nicht mehr weiter sprechen könne und Sie gebeten, ihn nicht zwingen zu wollen zur Fortsetzung seiner Prozeßerklärungen, er könne sie nicht mehr abgeben. Daraufhin haben Sie, Herr Vorsitzender, mit Herrn Professor Müller telefoniert, und haben uns als Ergebnis dieses Telefonats berichtet, Herr Professor Müller habe angegeben, heute, das war also gestern und morgen, ist also heute, sei die Verhandlungsfähigkeit, deren Rahmen die Herren Sachverständigen bereits abgesteckt hatten, in ihrer vorläufigen Stellungnahme, sie seien verhandlungsfähig. Sie fanden nichts dabei, den Konsens zwischen einerseits den Sachverständigen und andererseits den Prozeßbeteiligten hier, also der Herren des Senats, der Herren der Bundesanwaltschaft und der Verteidiger kurzerhand und ohne auch nur das Bedürfnis zu verspüren, ein erklärendes Wort zu sagen, diesen Konsens also glatt zu durchbrechen, nämlich keine telefonischen Auskünfte, wo Sie uns sogar schriftlich nach allen möglichen Adressen hin unser selbstverständliches Recht absprechen wollen, aber immer an rechtsunkundigen Adressen hin, nicht einmal schriftlich durften wir an die Sachverständigen Hinweise geben oder eine Frage richten, etwa die, ob weiter so zu handhaben sei, wie Sie es tun, nämlich plötzlich Nettozeiten einzuführen, die das Ergebnis haben, daß eine um 9.00 Uhr beginnende Verhandlung hier nach Ihrer Nettozeitberechnung nachmittags um 17.00 Uhr endet. Und da gelingt es Ihnen, Nettozeiten von 3 Stunden zusammenzurechnen, und wo Aufklärung von Seiten der Verteidigung gewünscht war, wie denn nun dieses Wort kleinlich, nicht kleinlich handhaben[21] diese drei Stundenfrist, da haben Sie das als eine unzulässige Handlung der Verteidigung, d.h. also als unzulässig kann ja nur heißen, prozeßwidrige Handlung der Verteidigung gegenüber Rechtsunkundigen verbreitet, denunziert.
[3090] 2. Sie haben uns als Ihr Ergebnis Ihres, jetzt sag ich einmal, unzulässigen Telefonats mit Herrn Professor Müller als Sachverständigen kurzerhand berichtet, Herr Professor Müller hat gesagt, heute, also Donnerstag, und morgen, Freitag, sind im bisherigen Verhandlungsstil die Angeklagten verhandlungsfähig. Was Sie dem Sachverständigen Professor Müller nicht gesagt haben, ist, daß sich das Gutachten der internistischen Sachverständigen, nämlich, also die vorläufige Stellungnahme, natürlich kein Endgutachten, die vorläufige Stellungnahme bemessen hat und gegründet war auf den hier regelmäßigen Verhandlungsablauf von drei Sitzungstagen in der Woche. Sie haben nicht gesagt, daß heute der vierte Verhandlungstag ist. Sie haben also diese Anfrage, ich nenne sie Ihrer Art von rechtlicher Qualifikation entsprechend unzulässig, telefonisch, als Sie diese Anfrage an Herrn Professor Müller gerichtet haben, haben Sie ihm nicht gesagt, daß heute von einem der Angeklagten, heute am 4. Verhandlungstag dieser Woche, ein zusammenhängender Vortrag von zwei bis drei Stunden im Zusammenhang gefordert werden soll, obgleich die Verteidigung wiederholt Sie darauf hingewiesen hat, daß die Konzentrationsunfähigkeit und daß die mangelnde Vortragsfähigkeit der Angeklagten einen Prozeßvortrag von maximal einer halben Stunde erlaubt, wobei wir maximal, und da war mehr Hoffnung, als Erfahrung drin. Erfahrung haben Sie aber selbst beobachten können und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Frau Meinhof, und das haben Sie ja nun verschiedentlich selbst erlebt, daß Frau Meinhof zu zusammenhängendem Vortrag von mehr als 10 Minuten nicht in der Lage ist. Das Frau Ensslin praktisch derzeit zu zusammenhängendem Prozeßvortrag überhaupt nicht mehr in der Lage ist. Und daß Herr Raspe, wie wir das gerade gestern und vorgestern zum soundsovielten Male selbst erlebt haben, nicht länger zusammenhängend vortragen kann, als eine viertel Stunde. Das haben Sie ausdrücklich als Hinweis auf den Sachverständigen, an den Sachverständigen für Ihre Anfrage zur Verhandlungsfähigkeit zu sagen unterlassen. Darin liegt einmal mehr die begründete Annahme des Angeklagten Baader, für den allein ich hier zu sprechen habe, daß von diesem Senat ein unparteiliches unvoreingenommenes Verfahren nicht zu erwarten ist. Ich sagte Senat, weil bisher sämtliche Beschlüsse, sämtliche Anordnungen des Herrn Vorsitzenden [3091] durch Senatsbeschlüsse abgedeckt worden sind. Aber ich weise noch einmal darauf hin, es ist ja nicht überhört worden, dieser Ablehnungsantrag richtet sich gegen den Vorsitzenden Richter. Und Sie haben mit dem, was Sie heute in der Hauptverhandlung geäußert haben, es offen ausgesprochen, was dem Beobachter längst schon nicht entgangen war, daß Sie die Angeklagten in diesem Verfahren nur noch als Prozeßobjekte, als Objekte Ihrer Verhandlungsleitung, die ich bei verschiedener Gelegenheit schon einmal[mm] als Willkürakte bezeichnet habe, nur noch als reine Objekte nicht behandeln und ihn in den Prozeßsubjektstatus bereits seit langem, und das haben Sie nun heute deutlich genug gesagt, nur noch zur Vorführung können sie weiter reden, aberkannt haben. Das ist Ihrer Vorverurteilung der hier Angeklagten, das ist die Demonstration Ihrer Voreingenommenheit gegen diese Angeklagten, das ist die Beurkundung Ihrer absoluten Entschlossenheit, diesen Angeklagten ein unparteiliches Verfahren nicht zu gewähren. Zur Glaubhaftmachung für die Ablehnungsgründe beziehe ich mich 1. auf Ihre, des Herrn Vorsitzenden, dienstliche Äußerungen und 2. auf das Tonbandprotokoll der heutigen Sitzung.
Vors.:
Herr Dr. Temming.
Referendar Dr. T[emming]:
Ich schließe mich dem Antrag und den Gründen der beiden Verteidiger an.
Vors.:
Herr ...
Referendar D[üx]:
Ich schließe mich ebenfalls dem Antrag für Herrn Raspe an, möchte aber doch dazu noch folgendes begründen und zwar: Heute haben Sie, Herr Vorsitzender, in dieser Verhandlung eine Pause verweigert. Sie haben davon gesprochen, als ein Antrag formuliert werden sollte, wenn die Verwirrung bereits so weit gediehen ist bei der Verteidigung, d.h. Sie wollen Anträge in dieser Situation gar nicht mehr entgegen nehmen. Damit[nn] setzt sich nur das fort, was heute in einer Behinderung der Verteidigung zum Ausdruck gekommen ist, was bereits gestern den Gefangenen gegenüber zum Ausdruck gekommen ist, daß Sie nämlich insbesondere den Gefangenen Baader überhaupt nicht mehr hier zu Wort lassen kommen wollen. Sie entziehen ihm mehr und mehr das Wort. Bei den anderen Gefangenen, das hat vorhin Herr Heldmann dargestellt, bestehen Schwierigkeiten, deswegen konzentriert sich notwendiger Weise Ihr Interesse auf Herrn Baader. Ich muß sagen, mich wundert das gar nicht [3092] mehr, mich wundert es nicht, Herr Dr. Prinzing, daß Sie in einer solchen Art und Weise verfahren. Wenn man nämlich in der letzten Zeit sich etwa einschlägige Presseveröffentlichungen anschaut, dann kann man in diesen Presseveröffentlichungen finden, daß sich gewundert wird darüber, warum nach vier Monaten Verhandlungsdauer dieses Verfahren noch immer nicht ordnungsgemäß, was auch immer das heißen mag, über die Bühne gezogen wird. Die Presse wundert sich, warum dieses Verfahren nicht in einem gewünschten Sinne sich vollzieht. Man kann die gleiche Ansicht auch in den sogenannten Kollegenkreisen vorfinden, nämlich das sich gewundert wird, warum dieses Verfahren nicht in einer bestimmten Art und Weise hier durchgeführt wird. Herr Dr. Prinzing, Sie stehen natürlich aufgrund dieser Umstände unter einem bestimmten Erfolgszwang, unter einem Erfolgszwang, dieses Verfahren in bestimmter Weise auch hier durchzuführen. Unter was für einem Erfolgszwang stehen Sie? Ich finde, da haben Sie sich heute mit Ihrer Äußerung gegenüber Frau Meinhof sehr wohl selbst auf den Begriff gebracht, als Sie sagten, ja heut ist ein etwas gelockerter Verhandlungsstil, weil ein Gutachter anwesend ist. Was ist das für eine Äußerung? Was soll denn damit bezweckt werden? Was soll denn da geschehen? Hier sollen Menschen vorgeführt werden. Hier sollen Menschen dargestellt werden, es geht heut an diesem 4. Verhandlungstag in dieser Woche überhaupt nicht mehr um ein Strafprozeß offenbar, sondern es geht um eine Darstellung der Gefangenen, die begutachtet werden sollen. Was hat das mit Strafprozeß zu tun. Das heißt etwa, Herr Heldmann sagt Objekte. Ich komme hier auf die Idee, hier wird so etwas gemacht, hier werden Tiere vorgeführt. Das ist ein Schauprozeß und mehr nicht. Und ich finde, das hat mit Strafprozeß überhaupt nichts mehr zu tun. Das ist eine eklatante Differenz von dem, was Sie bezwecken, oder dem Erfolgszwang, unter dem Sie stehen und was strafprozessual von der Verfahrenstechnik her vorgesehen ist und darauf allerdings stützt sich in jeder Beziehung die Besorgnis der Befangenheit.
Vors.:
Ich bitte die Beteiligten ... Bitte, Herr Rechtsanwalt Pfaff.
RA Pf[aff]:
Herr Vorsitzender, ich schließe mich für meinen Mandanten dem Antrag an, der von Herrn Schily für Frau Ensslin gestellt worden ist. Die drei Punkte brauche ich nicht zu wiederholen. [3093] Die drei Begründungspunkte. Ich möchte nur zum 3. Punkt, das betraf die Verwirrung der Verteidigung in Erinnerung rufen, daß Sie gestern, ich weiß nicht, ob es zum ersten Mal, aber auf jeden Fall der Verteidigung und zwar zwei Verteidigern das Wort entzogen haben, was Sie sonst nur bei den Angeklagten zu tun pflegen und ich meine, daß das ein Umstand ist, der Ihre Auffassung, daß nämlich die Verteidigung verwirrt ist, ganz konkret stützt.
Vors.:
Ich bitte die Prozeßbeteiligten ... Wollen Sie sich gleich äußern bitte.
Angekl. B[aader]:
Moment ...
Vors.:
Ich bitte zurückzustellen. Herr Baader bitte.
Angekl. B[aader]:
Ich möchte, das ausdrücklich in diesen Ablehnungsantrag von Herrn Heldmann einbezogen wird die gesamte Passage, in der sich der Richter Prinzing zu dieser Frage äußert, also auch diese Passage, wo er spricht von den Gefangenen in Aktion und der Frage, das ist eben nicht fair, aufschlußreich sei, wenn die Gefangenen still dasitzen. Also diese gesamte Passage des Protokolls einzubeziehen. Und dann wollte ich noch einmal sagen, viel ist dazu ja nicht mehr zu sagen hier. Aber wenn Sie jetzt, also wenn Sie wirklich glauben, Sie könnten auch in diesem Zusammenhang nochmal mit der Formel diesen Ablehnungsantrag zurückweisen für einen verständigen Angeklagten, das ist ja Ihre stereotype Formel hier, für einen verständigen oder vernünftigen Angeklagten sei die Befangenheit dieses Richters nicht gegeben, dann würde ich mal sagen, machen Sie sich wirklich damit explizit lächerlich. Denn das ist offensichtlich, die Befangenheit dieses Richters jetzt schon in einem offenen zwanghaften Verhalten gegenüber den Gefangenen. Und das ist ja einfach auch darin bestätigt, daß Sie Ihr Verhältnis gegenüber der Verteidigung, und ich würde sagen, noch viel expliziter gegenüber den Gefangenen, daß Sie dieses Verhältnis definieren als ein Feindverhältnis in diesem Prozeß. Deutlicher kann Befangenheit eines Richters in seiner Beziehung eigentlich nicht ausgedrückt werden, die besondere Befangenheit. Und dann weise ich in diesem Zusammenhang auch nochmal auf die ganze Kette hin, kurz auf Ihre Rolle beim Tod von Holger,[22] auf Ihre Anordnung der Haftbedingung, mit denen Sie die Gefangenen systematisch und mit einer unglaublich sadistischen Akribie die Luft abdrehen und [3094] dann natürlich auf Ihre Verfahrensstrategie[oo] hier, das heißt die permanente stupide und inhaltlich noch nicht ein einziges Mal begründete Unterbrechung von Argumentationen der Gefangenen, die Sie so anlegen, die Sie ganz bewußt so anlegen, das ist hier gestern vollkommen klar geworden in dem Zusammenhang Ihres Versuches, sich der Argumentation von Jan zu bemächtigen geradezu, die Sie ganz bewußt so anlegen, daß die Gefangenen, von denen Sie wissen, feststellen, daß sie Konzentrationsschwierigkeiten haben, daß sie sogar Schwierigkeiten haben, an einem Manuskript zu bleiben, wie das gestern bei Jan offensichtlich war, zu zerstören, indem Sie dauernd dazwischen quatschen und das dann schließlich so kulminiert, daß der Betroffene nicht mal mehr lesen kann, wie das gestern hier offensichtlich war. Und dann wollte ich auch noch mal sagen, ich find das natürlich, Sie zeigen[pp] wirklich immer mehr von sich, also diese Geste wird wirklich immer offensichtlicher, weil die Robe tatsächlich immer kürzer wird und das Krokodil, das da drunter sitzt, wirklich für jeden hier im Saal auch immer sichtbarer, glaube ich.
Vors.:
Ich bitte die ... Frau Meinhof.
Angekl. M[einhof]:
Ich schließe mich dem Antrag an und zwar erstens, haben Sie heute vormittag, als gesagt wurde, als eine Pause verlangt wurde, die Pause zunächst abgelehnt. Das ist aber unwichtig; Sie haben in dem Zusammenhang gesagt, es gäbe ja heute Vormittag sowieso eine Pause. Als gäbe es hier vormittags Pausen. Als hätten Sie uns nicht mehrmals, als wir alle vier wirklich nicht mehr konnten, gezwungen, hier zu bleiben bzw. uns gezwungen, Ihnen irgendwelche Schimpfwörter an den Kopf zu schmeißen, um hier rauszukommen[23] und nicht hier offen wegzukippen oder so. Also Schau für Herrn Professor Schröder.
2. Sie haben vorhin, als Professor Schröder rausgegangen war, darauf hingewiesen worden, daß das irgendwie, sollten Sie wohl dazu Stellung nehmen, dazu ein Latrinenwitz gemacht, das ist auch nicht wichtig[qq]. Natürlich geht Herr Schröder mal aufs Klo. Aber tatsächlich ging es wohl darum, daß sich der Gutachter mal da unten die Toten-Traktzellen[24] anguckt und die sehen Sie natürlich nicht. Das Naheliegende, wahr- [3095] scheinlich guckt sich Herr Professor Müller die Folterzellen im Keller an, sprechen Sie natürlich nicht aus. Und der Punkt ist, ja das ist wichtig, also Sie täuschen hier vor, es gäbe Pausen, Sie schieben aus der Öffentlichkeit weg, daß Sie sich bei dieser Begutachtung ja um solche, so auch diese Sorte, von Haft... und diese Haftbedingungen und natürlich auch dieser Kellerzellen handelt, und Sie schieben natürlich damit auch weg die Tatsache, die ich aber hier bringen will, daß Sie uns zwingen und zum Teil gezwungen haben, fünf Stunden in diesen Löchern da unten einzeln eingeschlossen zu sitzen, aus reiner Willkür, wo es überhaupt nicht einmal im Sinne dieses fürchterlichen Vollzugs, den geringsten Geschäftsordnungsgrund gab, uns nicht zusammen sein zu lassen und zu sozialer Interaktion kommen[rr] zu lassen. Sie haben uns zum Teil bestraft, um in diesen Zellen da unten zu sitzen. Aber wenn ein ärztlicher Gutachter da ist, der sie sich ansehen wird, dann machen Sie hier Latrinenwitze und machen sich sozusagen lustig darüber, naja usw. Ich will sagen, das, was Sie abziehen, also innerhalb der Hauptverhandlung und das ist immer dasselbe Muster, innerhalb der Hauptverhandlung wird, werden die Gefangenen geknebelt und wird die Öffentlichkeit, soweit es möglich ist manipuliert. Und daß das bei den staatstragenden Medien relativ leicht ist, ist ja bekannt, und außerhalb der Hauptverhandlung verfährt die brutale Staatsschutzmaschine, die zu verstecken sozusagen das ist, was Sie hier in dieser Verhandlung ununterbrochen beschäftigt, als Staatsschutzmaske.
Vors.:
Ich bitte nunmehr die Prozeßbeteiligten, um halbzwölf wieder hier zu sein, denn es wird dann ... Die Bundesanwaltschaft will noch kurz erwidern.
BA Dr. W[under]:
Nur eine kurze Erklärung. Ich halte die Ablehnungsgesuche für unbegründet. Ich beantrage deshalb, sie zu verwerfen, zu den einzelnen Gründen möchte ich außerhalb der Sitzung Stellung nehmen. Ich bin bereit, dies bis halbzwölf Uhr zu tun.
Vors.:
Ich bitte die Beteiligten, um halbzwölf Uhr wieder hier zu sein.
Dort wird dann bekanntgegeben, wie es weiter geht.
Ende der Sitzung 11.04 Uhr
Ende von Band 174
[3096][25] [3097-3098][26] [3099-3100][27] [3101-3103][28] [3104][29] [3105-3106][30] [3107-3110][31]
[1] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu. Nach § 53 Abs. 3 Satz 2 BRAO a.F. konnte die Landesjustizverwaltung auch Referendar/innen, die seit mindestens 12 Monaten im Vorbereitungsdienst beschäftigt waren, zu allgemeinen Vertreter/innen bestellen (heute § 53 Abs. 4 Satz 2, wobei die Bestellung inzwischen nicht mehr durch die Landesjustizverwaltung erfolgt, sondern durch die Rechtsanwaltskammer).
[2] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO).
[3] Ehrengerichtsverfahren (heute: anwaltsgerichtliche Verfahren) können im Falle einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten von Anwält/innen durch die Staatsanwaltschaft vor speziellen Anwaltsgerichten, früher „Ehrengerichte“ eingeleitet werden (§ 121 BRAO). Diese können verschiedene Maßnahmen gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin verhängen; diese reichen - je nach Schwere des Verstoßes - von einer Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO a.F.; heute: § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).
[4] Der Vorsitzende Dr. Prinzing bezieht sich auf Ausführungen des Rechtsanwalts Schily im Rahmen eines Einstellungsantrages wegen der Verletzung des Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren), der sich darauf stützte, dass die Durchführung eines fairen Verfahrens in Deutschland u.a. aufgrund der einseitigen Presseberichterstattung und der damit verbundenen massiven Vorverurteilung nicht mehr möglich sei (zum Antrag s. S. 2244 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag; der Antrag wurde fortgeführt am 28. Verhandlungstag, S. 2275 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Dabei bezog er sich u.a. darauf, dass zwar die Einleitung eines Ehrengerichtsverfahrens, nicht aber dessen spätere Einstellung der Presse mitgeteilt worden sei (S. 2298 des Protokolls der Hauptverhandlung, 28. Verhandlungstag).
[5] Der Marburger Strafrechtsprofessor Erich Schwinge (1903-1994) prägte während des Nationalsozialismus als maßgeblicher Autor des führenden Kommentars zum Militärstrafgesetzbuch das nationalsozialistische Wehrstrafrecht. Gesetzgeberische Verschärfungen, die zur Ausweitung der Todesstrafe führten, begrüßte er. In Wien, wo er 1940 eine Professur antrat, wirkte er zudem als Kriegsrichter bei der Division Nr. 177 an mehreren Todesurteilen mit. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er seine Karriere an der Universität Marburg fort, wurde Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät und später Rektor der Universität. In ca. 150 Strafverfahren war er als Verteidiger von Angehörigen der Waffen-SS und Wehrmachtsoffizieren vor überwiegend französischen Gerichten tätig. Kritiker, die ihm Nähe zum Nationalsozialismus vorwarfen, verklagte er erfolgreich auf Unterlassung. Bemühungen, ihn für die Verhängung eines (aufgrund eines Gnadenerweises Himmlers nicht vollstreckten) Todesurteils wegen Rechtsbeugung und versuchten Mordes einem Strafverfahren zuzuführen, scheiterten (s. die Beiträge von El Bathich/Landrón de Guevara/Stute sowie von Garbe, in Kirschner [Hrsg.], Deserteure, Wehrkraftzersetzer und ihre Richter, 2010, S. 97, 99 f., sowie 109 ff., 121 ff.).
[6] § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz, dass die Verhandlungen öffentlich sind. Dieser Grundsatz ist auch Bestandteil des Rechtsstaats- sowie des Demokratieprinzips, womit ihm Verfassungsrang zukommt. Die Öffentlichkeit soll zum einen dem Schutz der Angeklagten dienen, indem die öffentliche Kontrolle der Verfahren einer Geheimjustiz entgegenwirkt. Zum anderen trägt sie dem Interesse der Bürger/innen Rechnung, von dem gerichtlichen Geschehen Kenntnis zu erlangen. Die Öffentlichkeit wird nicht unbegrenzt gewährleistet. Ihr gegenüber stehen andere gewichtige Interessen, die miteinander abgewogen werden müssen, insbesondere die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten, das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren, sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (BVerfG, Urt. v. 24.01.2001 - Az.: 1 BvR 2623/95, BVerfGE 103, S. 44, 63 f.).
[7] § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG schränkt den Grundsatz der Öffentlichkeit zwar im Hinblick auf Film- und Tonaufnahme ein, bezieht sich aber nicht auf einfache Bildaufnahmen. Maßgeblich sind hier stattdessen die §§ 22, 23 KunstUrhG (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 10). Aus sitzungspolizeilichen Gründen kann der/die Vorsitzende aber gem. § 176 GVG - nach einer Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten und der Presse- und Rundfunkfreiheit sowie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - Beschränkungen des grundsätzlich zulässigen Fotografierens verfügen (Quentin, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, § 176 GVG Rn. 16). Für eine ausführliche Darstellung der Möglichkeiten und Grenzen der Bildberichterstattung über Strafverfahren s. Lehr, NStZ 2001, S. 63 ff.
[8] Der Antrag der Verteidigung, Dr. Teuns als Gutachter zur Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten beizuziehen, wurde am 15. Verhandlungstag abgelehnt. Der Senat stützte sich dabei auf ein Vorwort eines Kursbuches, in welchem wohl nicht Dr. Teuns selbst, aber - so der Vorwurf des Senats - wohl von ihm unbeanstandet, die „Isolationsfolter, wie sie gegen politische Gefangene in der Bundesrepublik Deutschland angewendet wird“ als „tendenzielle[r] Massenmord à la Auschwitz“ beschrieben wurde (S. 1212 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[9] Die Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder wurden beauftragt, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus internistischer Sicht zu begutachten.
[10] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).
[11] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.
[12] Mit Entscheidung vom 30. Mai 1975 wies die Europäische Menschenrechtskommission eine Beschwerde der Inhaftierten Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Wolfgang Grundmann, die sich auf die ihrer Ansicht nach menschenrechtswidrigen Haftbedingungen stützte, als offensichtlich unbegründet zurück. Die inhaftierten Mitglieder der RAF seien schon keine politischen Gefangenen, da sie sich nicht aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, sondern aufgrund des Verdachts schwerer, gemeingefährlicher Straftaten, in Haft befänden. Angesichts der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer/innen, die sich u.a. in der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders’ gezeigt habe, seien die angeordneten Maßnahmen als zulässig zu erachten (EKMR, Baader et al. v. Germany, Nr. 6166/73, Entsch. v. 30.5.1975, EuGRZ 1975, S. 455, 458 ff.).
[13] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit musste nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO a.F. ab dem Zeitpunkt der Vernehmung der Angeklagten zur Sache unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen (heute gilt dies bereits ab der Vernehmung der/des Angeklagten über die persönlichen Verhältnisse); andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).
[14] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Auch zuvor gewählte Verteidiger/innen können als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet werden. Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.). Über die Gewichtung der Interessen, denen der Beschuldigten und dem Interesse an der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, gab es im Prozess häufige Auseinandersetzung, so etwa am 26. Verhandlungstag (S. 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie am 41. Verhandlungstag (S. 3176 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[15] Vorgaben über die Beratung und Abstimmung in einem Kollegialgericht finden sich in den §§ 192 ff. GVG. Die Art und Weise der Abstimmung ist allerdings nicht näher geregelt. Nach § 194 Abs. 1 GVG sammelt der/die Vorsitzende die Stimmen; § 193 Abs. 1 GVG schreibt zudem vor, dass außer den zur Entscheidung berufenen Personen (mit wenigen Ausnahmen, etwa im Rahmen der Ausbildung) niemand bei der Beratung und Abstimmung zugegen sein darf. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Beratung stets in einem hierfür vorgesehenen Beratungszimmer stattzufinden hat. In einfachen Fällen ist auch die Beratung im Sitzungssaal möglich, solange das Beratungsgeheimnis (durch Flüstern o.ä.) gewahrt werden kann (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 193 GVG Rn. 4).
[16] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).
[17] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung, als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).
[18] Am 9. September 1975 wurden die Ablehnungen der beiden als Sachverständige benannten Psychiater Prof. Dr. Ehrhardt und Prof. Dr. Mende wegen Besorgnis der Befangenheit durch den Senat als unbegründet zurückgewiesen (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 35. Verhandlungstag.). Daraufhin stellte die Verteidigung am 10. September den Antrag, die Sachverständigen „aus anderen Gründen“ nach § 76 Abs. 1 Satz 2 StPO von ihren Aufgaben zu entpflichten (betr. den Sachverständigen Prof. Dr. Ehrhard s. S. 2924 ff.; betr. den Sachverständigen Prof. Dr. Mende S. 2957 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 36. Verhandlungstag). Der Senat wies auch diese Anträge zurück (S. 2957 und 2983 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 36. Verhandlungstag).
[19] Verhandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18). Ihr Fehlen bedeutet ein vorübergehendes oder dauerndes Verfahrenshindernis (§§ 205, 206a StPO). Die vollständige Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten wurde durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten. Mit Beschluss vom 18.7.1975 beauftragte das Gericht schließlich eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Zu diesem Zeitpunkt lag ein vorläufiges Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder vor, die eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für täglich nicht mehr als drei Stunden annahmen (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).
[20] Prof. Dr. Mende und Prof. Dr. Erhardt wurden als Sachverständige bestellt, um die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus psychiatrischer Sicht zu begutachten. Rechtsanwalt Dr. Heldmann beantragte bereits am 19. Verhandlungstag die Neubestellung der psychiatrischen Sachverständigen (S. 1505 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da das Gericht an der Bestellung beider Gutachter festhielt, lehnte Dr. Heldmann sie am 31. Verhandlungstag ab (S. 2548 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die ergänzende Begründung der Angeklagten dauerte vier Tage (vom 32. bis zum 35. Verhandlungstag, S. 2594 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Das Gericht wies die Ablehnungen schließlich am 35. Verhandlungstag zurück (S. 2898 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[21] Die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder gaben in einem am 21. Verhandlungstag eingereichten (ersten) Zwischenbescheid an, ihrem Eindruck nach sei die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten für die nächsten zwei bis drei Wochen zu bejahen. Eine abschließende Beurteilung stehe noch aus, sei aber vor dem anstehenden Urlaub beider Gutachter nicht mehr zu realisieren (Anlage 3 zum Protokoll vom 30.7.1975, 21. Verhandlungstag, S. 1710 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am 26. Verhandlungstag entstanden Uneinigkeiten zwischen der Verteidigung und dem Gericht: Nach der Berechnung der Verteidigung waren die drei Wochen bereits abgelaufen, nach Auffassung des Senats fiel der Tag noch gerade in die Frist. Letzteres bestätigte Prof. Dr. Müller wohl auf Nachfrage (s. hierzu S. 2114 des Protokolls der Hauptverhandlung). Kurz darauf nahmen die Sachverständigen Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder in einem vorläufigen Gutachten eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten, nämlich für täglich nicht mehr als drei Stunden, an (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Auch hier herrschte über die konkrete Auslegung des Zeitfensters (ab- oder zuzüglich kurzer Verhandlungsunterbrechungen, die nicht der Erholung dienen) Uneinigkeit zwischen Senat und Verteidigung. Erneut fragte der Vorsitzende Dr. Prinzing bei Prof. Dr. Müller nach, wie die Zeitangabe zu verstehen sei. Als Reaktion auf eine dieser Nachfragen ist wohl ein Schreiben des Prof. Dr. Müller an den Vorsitzenden Dr. Prinzing zu sehen, in welchem die Formulierung auftaucht: „Wir würden es sehr begrüßen wenn diese, unsere gutachtlich vorläufige Stellungnahme in vernünftiger und einsichtiger und nicht kleinlicher Weise verwertet und gehandhabt werden könnte“ (vgl. dazu die Ausführungen des Angeklagten Baader am 30. Verhandlungstag, S. 2464 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[22] Holger Meins, ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da zu diesem Zeitpunkt der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für den Tod von Holger Meins. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).
[23] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Wollten die Angeklagten die Hauptverhandlung verlassen, etwa weil sie angaben, verhandlungsunfähig zu sein, ergab sich häufig die Situation, dass sie so lange die Verhandlung störten, bis sie schließlich wegen ordnungswidrigen Benehmens nach § 177 GVG i.V.m. § 231b StPO ausgeschlossen wurden. Da der Vorsitzende Dr. Prinzing in der Regel nach den ersten Störungen weiter auf ihrer Anwesenheit beharrte, steigerten sich die Störungen oftmals bis zu Beleidigungen des Vorsitzenden (so etwa am 26. Verhandlungstag, S. 2135 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. insbesondere die Auseinandersetzung zwischen dem Vorsitzenden Dr. Prinzing und Andreas Baader, der schließlich äußerte: „Naja, ich weise Sie darauf hin, Prinzing, daß Sie mich jetzt ausschließen werden, sonst sehe ich mich gezwungen, Sie zu beschimpfen, so wirklich lapidar das ist. [...] Ja wollen Sie es unbedingt hören? Also Sie können das hören, Sie können das in verschiedener Form haben. [...] Naja, Sie können auch von mir hören, daß Sie ein faschistisches Arschloch sind“, S. 2151 des Protokolls der Hauptverhandlung; s. zu dieser Vorgehensweise auch die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 28. Verhandlungstag, S. 2260 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[24] Mit „Trakt“, auch „Toter Trakt“, bezeichneten die Angeklagten einen isolierten Trakt innerhalb einer JVA. Die Zellen, in denen die Angeklagten an Verhandlungstagen vor Beginn der Verhandlung sowie in Unterbrechungen und Pausen untergebracht waren, beschrieb Rechtsanwalt von Plottnitz am 41. Verhandlungstag als „schallisolierte Kellerzellen“ (S. 3193 des Protokolls der Hauptverhandlung); Rechtsanwalt Dr. Heldmann bemerkte am 34. Verhandlungstag, selbst als gesunder Mensch bekomme man in diesen Räumen, die er bei anderer Gelegenheit auch als „fensterlose Verließe“ bezeichnete (S. 331 des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag), „nach etwa einer Stunde Luftholschwierigkeiten“ (S. 2832 des Protokolls der Hauptverhandlung).
[25] Verfügung: Frist zur Stellungnahme und voraussichtliche Fortsetzung der Hauptverhandlung.
[26] Dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Dr. Prinzing.
[27] Stellungnahme des Rechtsanwalts Schily.
[28] Stellungnahme des Rechtsanwalts Dr. Heldmann.
[29] Stellungnahme des Bundesanwalts Dr. Wunder.
[30] Verfügung: Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 23.9.1975, 9:00 Uhr.
[31] Senatsbeschluss: Zurückweisung der Ablehnungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet.
[a] Maschinell eingefügt: Pfaff
[b] Handschriftlich eingefügt: von
[c] Maschinell eingefügt: und
[d] Handschriftlich eingefügt: bin
[e] Handschriftlich eingefügt: daß
[f] Handschriftlich ergänzt: wahr
[g] Handschriftlich ersetzt: einen durch einem
[h] Handschriftlich eingefügt: das
[i] Handschriftlich eingefügt: daß
[j] Handschriftlich ersetzt: in durch im
[k] Handschriftlich ersetzt: in der durch unter
[l] Handschriftlich ersetzt: Onter durch Autor
[m] Handschriftlich ergänzt: Persönlichkeitsrechte
[n] Handschriftlich eingefügt: A.
[o] Handschriftlich ersetzt: Berufsfürhung durch Begriffsverwirrung
[p] Maschinell eingefügt: um
[q] Maschinell eingefügt: hat
[r] Handschriftlich ersetzt: wiederhole durch betone
[s] Handschriftlich ersetzt: ja durch hier
[t] Handschriftlich eingefügt: zu
[u] Handschriftlich eingefügt: dürfen
[v] Maschinell eingefügt: 173I
[w] Handschriftlich ersetzt: Berufsführung durch Begriffsverwirrung
[x] Handschriftlich ergänzt: Verhandlungen
[y] Handschriftlich ersetzt: gehe durch rede
[z] Maschinell eingefügt: Dr.
[aa] Handschriftlich ersetzt: Angekl. B durch R.Ref. Dr. T.:
[bb] Handschriftlich ersetzt: Angekl. B durch R.Ref. Dr. T.:
[cc] Handschriftlich eingefügt: haben
[dd] Handschriftlich eingefügt: ein
[ee] Handschriftlich eingefügt: das
[ff] Handschriftlich durchgestrichen: hier
[gg] Maschinell eingefügt: die
[hh] Handschriftlich ergänzt: überprüft
[ii] Handschriftlich eingefügt: schon
[jj] Handschriftlich durchgestrichen: (Text unleserlich)
[kk] Maschinell eingefügt: mit
[ll] Handschriftlich eingefügt: Herrn
[mm] Handschriftlich eingefügt: schon einmal
[nn] Handschriftlich ersetzt: dann durch Damit
[oo] Handschriftlich ersetzt: Verfahrenstramatogie durch Verfahrensstrategie
[pp] Handschriftlich ersetzt: teilen durch zeigen
[qq] Maschinell eingefügt: wichtig
[rr] Handschriftlich ersetzt: kommt durch kommen