43. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 11. November 1975, 9.11 Uhr



[3305] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 11. November 1975, 9.11 Uhr

(43. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von OStA Zeis - erscheinen in derselben Besetzung wie an ersten Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Sekr. Janetzko, Just. Ass. Clemens, Just. Ass. z. A.Scholze

Die Angeklagten sind anwesend mit ihren Verteidigern, RAe. Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, König, Linke und Grigat

Als Zeugen sind anwesend KHK Penzkofer - im Sitzungssaal - und KHK Herrmann - im Zeugenzimmer -

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen.

Wir setzen die Sitzung fort. Ich stelle fest, daß durch die Anwesenheit der Herrn Verteidiger zu unserer Rechten[1] die Verteidigung gewährleistet ist. Die Angeklagten sind anwesend.

Angekl. B[aader]:

Ach ja, moment mal ...

Vors.:

Wir haben jetzt vor, den Zeugen Penzkofer ...

Angekl. B[aader]:

Warten Sie doch ab, bis die Verteidiger da sind.

Vors.:

Herr Baader, wenn Sie stören ...

Angekl. R[aspe]:

Ich will einen Antrag stellen.

Vors.:

Wenn Sie weiterhin stören, müssen Sie gewärtigen ...

Angekl. B[aader]:

Ja, das wissen wir schon, das haben wir schon oft gehört.

Angekl. R[aspe]:

Ich will einen Antrag stellen.

Vors.:

... für den Rest des Monats ausgeschlossen zu werden.[2] Damit Sie sich ganz klar darüber sind.

Angekl. E[nsslin]:

Also Du willst ohne die Verteidiger hier anfangen.

Vors.:

Frau Ensslin, dasselbe gilt für Sie.

Angekl. R[aspe]:

Ich will einen Antrag stellen.

Vors.:

Ich schätze es nicht allzusehr, wenn wir hier in dem Umgangston per Du miteinander verkehren müßten.

[3306] Angekl. B[aader]:

Warum denn nicht für den Rest des Jahres,[a] wollen Sie mich nicht dazu hören.

Vors.:

Was wollen Sie für einen Antrag stellen, Herr Raspe.

Angekl. R[aspe]:

Ich will einen Ablehnungsantrag stellen.

Vors.:

Gegen wen?

Angekl. R[aspe]:

Gegen den Richter ...

Protokollführer:

Bitte Ihr Mikrofon, Herr Raspe.

Vors.:

Herr Penzkofer, unsere Absicht, mit der Vernehmung von Ihnen zu beginnen, ist im Augenblick nicht zu verwirklichen. Ich darf Sie bitten, im Zeugenzimmer zu warten. Sie werden so bald wie möglich Bescheid bekommen, wie es weiter geht.

- Zeuge Penzkofer verläßt um 9.13 Uhr den Sitzungssaal -

Vors.:

Ich bitte Sie mit dem Tonbandgerät,[3] das gilt der Dame, die hier anwesend ist, den rechten Platz einzunehmen. Es hat beim letzten Mal Schwierigkeiten gegeben, zu kontrollieren, ob dem Wunsche der Bundesanwaltschaft entsprochen worden ist, dieses Band nicht zu bedienen. Diese Kontrolle ist nur möglich, wenn Sie hier links außen sind. Herr Raspe, stellen Sie Ihren Antrag.

Angekl. R[aspe]:

Ja, ich lehne den Richter Prinzing ...

- Um 9.13 Uhr erscheinen Rechtsanwälte Dr. Heldmann und Müller und Assessor Oberwinder -

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Spangenberg oder täusche ich ... Nein, Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

Angekl. B[aader]:

Den haben Sie doch ausgeschlossen.[4]

Vors.:

Ja eben. Wer sind Sie bitte, entschuldigen Sie, wenn wir die Gesichter ...

Angekl. E[nsslin]:

Den haben Sie noch nicht ausgeschlossen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Oberwinder, darf ich jetzt zunächst bei der Feststellung, das kann ich jetzt noch erledigen, bevor dieser Antrag gestellt wird, klären, firmieren Sie nun als Rechtsanwalt oder als Assessor, wir sind da nicht ganz schlau daraus geworden.

Assessor Ob[erwinder]:

Ich bin inzwischen Rechtsanwalt.

Vors.:

Sie sind inzwischen als Rechtsanwalt zugelassen.

[3307] - Um 9.14 Uhr erscheint Rechtsanwalt Mairgünther -

Vors.:

Zweite Frage. Sie vertreten ja Herrn[b] Rechtsanwalt Riedel als amtlich bestellter Vertreter[5] für Frau Meinhof. Warum sind Sie hier anwesend und nicht Herr Riedel.

RA Ob[erwinder]:

Herr Riedel ist verhindert.

Vors.:

Durch was bitte.

RA Ob[erwinder]:

(Spricht ohne Mikrofon, daher unverständlich).

Protokollführer:

Bitte ein Mikrofon benutzen.

RA Ob[erwinder]:

(Spricht weiterhin ohne Mikrofon, daher unverständlich).

Vors.:

Würden Sie das Mikrofon bitte benutzen, so daß das auf das Band kommt.

RA Ob[erwinder]:

Der Herr Riedel, der ist verhindert. Und er hat mir das gesagt und ich kann dann davon ausgehen und bin hier hergekommen um als amtlich bestellter Vertreter die Verteidigung zu führen.

Vors.:

Ist das nicht so, daß Ihre Vertretung angeordnet wurde, um Herrn Riedel zu entlasten, weil er hier tätig ist.

RA Ob[erwinder]:

Die amtliche Vertreterbestellung ist angeordnet worden um im Fall, daß Herr Riedel verhindert ist, seine Geschäfte irgendwo wahrzunehmen, ich die Rechten und Pflichten habe, wie sie der Herr Riedel hat.

- Um 9.15 Uhr erscheint Rechtsanwalt Schily -

Vors.:

Wir haben Ihre Bestallungsurkunde, glaube ich, schon mal zu Gesicht bekommen. Trifft das zu? Ist die beim Protokoll.

RA Ob[erwinder]:

Die ist in Fotokopie ...

Vors.:

Die werden wir auf das überprüfen, aber ich weise Sie darauf hin, daß als Pflichtverteidiger[6] Herr Rechtsanwalt Riedel bestellt worden ist. Es kann natürlich nicht möglich sein, daß ein Vertreter mit der schlichten Begründung, er ist verhindert, einfach hier immer wieder auf längere Zeiten erscheint. Notwendig ist es, daß uns der Vertretene, als der Verhinderte, mitteilt, was der Verhinderungsgrund ist, damit die Zulässigkeit der Vertretung im Einzelfall sichtbar wird. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen, es handelt sich um eine Pflichtverteidigung.[7] 

Jetzt Herr Raspe, Sie haben das Wort, um einen Antrag zu [3308] stellen.

Herr Rechtsanwalt Mairgünther, ich nehme an, Sie wollen das übernehmen, bitte.

RA Ma[irgünther]:

(Zunächst nicht verständlich, da ohne Mikrofon gesprochen).

Protokollführer:

Bitte einschalten.

Vors.:

Haben Sie eingestellt, das Mikrofon, Sie müssen es selbst bedienen.

RA Ma[irgünther]:

Ich habe ein Befangenheitsgesuch zu stellen und zu begründen, Herr Dr. Prinzing.

In dem Verfahren gegen Andreas Baader u.a. hier Jan-Carl Raspe lehnt der Gefangene Raspe den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Begründung:

Das Ablehnungsgesuch stützt sich auf die Verfügung des abgelehnten Richters vom 7.11.1975,[8] durch welche die Bestellung des Rechtsanwalts von Plottnitz zum Pflichtverteidiger des Gefangenen Raspe aufgehoben wurde.[9] Die Verfügung und ihre Begründung sind dem Gefangenen Raspe am 8.11.1975 zur Kenntnis gelangt. Die Verfügung vom 7.11.1975 und ihre Begründung sind ein weiteres Beispiel dafür, daß der abgelehnte Richter seine Entscheidungen zunehmend willkürlich fällt. Dem abgelehnten Richter geht es offensichtlich darum, eine sachgerechte Verteidigung des Gefangenen Raspe zu verhindern. Mit der Begründung seiner Entpflichtungsverfügung vom 7.11.1975 bringt er klar zum Ausdruck, daß er den geordneten Ablauf der Hauptverhandlung durch eine engagierte konsequente Verteidigung der Gefangenen gefährdet sieht. Als sach- und pflichtgerecht vermag sich der abgelehnte Richter ganz offensichtlich nur eine Verteidigung vorzustellen, die trotz der ständigen Verletzung der Rechte der Gefangenen in diesem Verfahren darauf verzichten würde, zur Wiederherstellung dieser Rechte Anträge zu stellen, die zwangsläufig eine nachdrückliche Kritik, dieser, der jeweils verantwortlichen Justizorgane, und sei es eben auch des abgelehnten Richters selbst, mit sich bringen. Selbst die [3309] Bundesanwaltschaft vermag in ihrer Anklageschrift vom 26.9.74 nicht zu verschweigen, daß es im Zusammenhang mit den von ihr gegen die Gefangenen erhobenen Anklagevorwürfen um Gegnerschaft gegen die in der Bundesrepublik bestehende Gesellschaftsordnung geht. Mit anderen Worten um die Legitimation dieser Gesellschaftsordnung und damit ganz zwangsläufig um die Legitimation des zu ihrem Schutz bestimmten Normensystems. Es versteht sich von selbst oder sollte sich zumindestens bei Beachtung aller rechtsstaatlichen Grundsätze von selbst verstehen, daß eine Verteidigung, die derartigen Anklagevorwürfen gegenüber darauf verzichten würde, zum Schutz der Rechte ihrer Mandanten die Frage eben dieser Legitimation zum Gegenstand ihrer Verteidigung zu machen, weder sach- noch pflichtgerecht wäre. Nichts anderes und war und ist mit dem Satz gemeint, daß die Verteidigung in diesem Verfahren nur und ausschließlich als politische Verteidigung möglich ist und geführt werden kann. Der abgelehnte Richter hingegen will die Verteidigung auf gesinnungsmäßige d.h. politische Identität mit eben den Interessen verpflichten, denen es zu danken ist, daß in diesem Verfahren nicht eine örtliche Staatsanwaltschaft, sondern der Generalbundesanwalt die Anklage vertritt[10] und nicht eine Strafkammer in Ausübung von Landesgerichtsbarkeit, sondern der Staatsschutzsenat eines Oberlandesgerichts in Ausübung von Bundesgerichtsbarkeit[11] die Richterstühle eingenommen hat. Nach dem Willen des abgelehnten Richters soll es den Verteidigern in dieser Hauptverhandlung verboten sein, vom Kapitalismus, vom Imperialismus und vom Faschismus, und sei es auch nur andeutungsweise, zu sprechen. Mit dieser Zensur soll die Relevanz der Realität, die hinter diesen Begriffen steht, für den Inhalt der Anklagevorwürfe gegen die Gefangenen, und damit unmittelbar für die Hauptverhandlung selbst, aus dem Verfahren eliminiert werden. Die Entpflichtungsverfügung vom 7.11.1975 bestätigt insoweit nur, was hier von dem jetzt entpflichteten Verteidiger von Plottnitz in der Sitzung [c] am 4.11.1975 gesagt wurde, dem abgelehnten Richter gehe es nicht um die Durchführung einer Hauptverhandlung, zu deren Ordnungsgemäßheit und Rechtsförmigkeit die Möglichkeiten einer rechtsstaatlichen Verteidigung gehören würde, ihm gehe es nur um störungsfreie Aburteilung, [3310] wobei als einziger Störfaktor die sachgerechte Verteidigung der Gefangenen begriffen wird, Störung der Verhandlung durch sachgerechte Verteidigung. Im übrigen legt der Inhalt der Entpflichtungsverfügung vom 7.11.1975 den Verdacht nahe, daß der abgelehnte Richter die Verfügung weder selbst verfasst noch zumindest gelesen, sondern lediglich unterzeichnet hat. Denn wie sonst ist es zu erklären, daß gleich im ersten Satz der Begründung entgegen den Tatsachen ausgeführt wird, der entpflichtete Verteidiger sei bereits durch Verfügung eben des abgelehnten Richters vom 29.7.1974 zum Pflichtverteidiger, und zwar damals aller Gefangener, bestellt worden. Als insoweit allein zuständiger Richter mußte der abgelehnte Richter eigentlich selbst am besten wissen, daß der entpflichtete Verteidiger, Herr von Plottnitz, erstmalig durch Verfügung vom 3. Februar 1975 als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde und zwar der neuen Gesetzesgrundlage entsprechend,[12] allein ausschließlich dem Gefangenen Raspe. Wie ist es weiter zu erklären, daß unter Abschnitt III B 2 der Begründung der Entpflichtung auf ein Zitat aus der Sitzungsniederschrift Blatt 90 gestützt wird, daß auch bei oberflächlicher Lektüre nicht von dem entpflichteten Verteidiger von Plottnitz herrühren kann, denn in dem Zitat, daß hier Herrn von Plottnitz angelastet wird, ist von „meiner Mandantin“ die Rede, wohingegen der entpflichtete Verteidiger bekanntlich keine Mandantin in diesem Verfahren verteidigt. Zu dem Verhalten des entpflichteten Verteidigers, daß der Begründung der Verfügung vom 7.11.1975 zufolge dem abgelehnten Richter zur Entpflichtung Veranlassung gab, ist aus der Sicht des Gefangenen Raspe im einzelnen folgendes festzustellen:

1. Am 4. und am 26. Verhandlungstag war der entpflichtete Verteidiger dazu verpflichtet, die Sitzung jeweils vor ihrem, vom Vorsitzenden vorgesehenen, Ende zu verlassen. Denn zuvor hatte der abgelehnte Richter jeweils versucht, die Sitzung unter Mißachtung der später von den Sachverständigen festgestellten zeitlich begrenzten Verhandlungsfähigkeit[13] der Gefangenen, fortzusetzen. An den fraglichen Sitzungstagen war der abgelehnte Richter noch darum bemüht, die Fiktion der unbeschränkten Verhandlungsfähigkeit der Gefangenen aufrechtzuerhalten. Bekanntlich wurde das Gegenteil unmittelbar im Anschluß an den Auszug der Verteidiger aus der Sitzung vom 26. [3311] Verhandlungstag von den Gutachtern Professor Müller und Schröder im Rahmen einer vorläufigen Stellungnahme festgestellt.[14] Schon hieraus ergibt sich, daß der entpflichtete Verteidiger, dem der gesundheitliche Zustand des Gefangenen Raspe und seine Auswirkung auf die Dauer der Verhandlungsfähigkeit bekannt war, am 4. und 26. Verhandlungstag in Übereinstimmung mit seinen Pflichten als Verteidiger gehandelt hat, genauso wie es im Handbuch des Strafverteidigers von Kollegen Dahs ausgeführt ist. Pflichtwidrig hätte er gehandelt, wenn er sich statt dessen - in denen in jeder Beziehung rechtswidrigen Versuchen des abgelehnten Richters gebeugt hätte, den Tatsachen zuwider, die unbeschränkte Verhandlungsfähigkeit des Gefangenen Raspe und der übrigen Gefangenen zu fingieren. Zu seinem Verhalten hatte der entpflichtete Verteidiger um so mehr Anlaß, als der abgelehnte Richter bereits im Zusammenhang mit dem Tod von Holger Meins[15] eine für die Gefangenen dieses Verfahrens überaus befremdliche wenn nicht bedrohliche Einstellung gegenüber ihrem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu erkennen gegeben hatte.

2. Am 41. Sitzungstag hat nicht der entpflichtete Verteidiger, sondern der abgelehnte Richter die ordnungsgemäße Fortsetzung der Verhandlung verhindert, denn der abgelehnte Richter war es, der den entpflichteten Verteidiger in bewußter Mißdeutung seiner Sachleitungsbefugnis gem. § 238 StPO[16] daran zu hindern suchte, einen auch gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch wie vorgesehen und vollständig vor allen zu begründen. Das Verhalten des abgelehnten Richters am 41. Sitzungstag dem Gefangenen Raspe, bzw. dessen entpflichteten Verteidiger gegenüber war ein Verstoß gegen die sich aus § 29 StPO ergebenden Rechtsgrundsätze über die Befugnisse eines abgelehnten Richters.[17] Hiergegen mußte sich der entpflichtete Verteidiger, wollte er sich nicht als Verteidiger diskreditieren, mit allem gebotenen Nachdruck zur Wehr setzen.

3. Der Zuruf „Heil Dr. Prinzing“[18] war die verständliche Reaktion des entpflichteten Verteidigers auf die Tatsache, daß der abgelehnte Richter die Verteidigung bewußt daran gehindert hatte, zur Frage des Ausschlusses nach § 231a StPO[19] bzw. zum Antrag des Generalbundesanwalts hierzu vom 25.9.1975 Stellung zu nehmen, sich selbst aber das Monopol verschaffte, den Ausschließungs- [3312] beschluß, vor allem aber seine rechtlich unhaltbare Begründung,[20] in öffentlicher Sitzung zu verkünden.

4. Zur Anregung des entpflichteten Verteidigers am 1. Sitzungstag, einen Bundeswehrgeneral zum Vorsitzenden des Gerichts und einige Offiziere zu Beisitzern zu machen, bzw. den Laden zuzumachen,[21] kam es, nachdem es der Abgelehnte und die beisitzenden Richter in Mißachtung der Rechte der Gefangenen aus § 137 StPO[22] und vor einer Entscheidung des allein zuständigen I. Strafsenats abgelehnt hatten, die Kollegen Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele als Verteidiger Zutritt zum Sitzungssaal zu gewähren.[23] Selbst die Bundesanwaltschaft hatte sich dem insoweit von der Verteidigung gestellten Antrag im Rahmen einer Gegenvorstellung angeschlossen.[24] All das findet in der Begründung der Entpflichtungsverfügung natürlich keine Erwähnung.

5. Wie bereits ausgeführt, stammt das Zitat auf Seite 5 der Begründung der Entpflichtungsverfügung in Abschnitt III B 2, wo von „meiner Mandantin“ die Rede ist, nicht von dem entpflichteten Verteidiger, wird ihm hier aber gleichwohl angelastet und mit zur Grundlage der Entpflichtung gemacht.

6. Angesichts der Tatsache, daß der abgelehnte Richter so gut wie alle Anträge der Verteidigung, ihr eine Pause zwecks Beratung bestimmter prozeßualer Situationen zu gewähren, bis dahin abgelehnt hatte, war die Äußerung des entpflichteten Verteidigers: „Ich sage Ihnen, so wie sie es der Verteidigung gegenüber, wie Sie sich der Verteidigung gegenüber verhalten, ist es eine Unzumutbarkeit und Unverfrorenheit“ angemessen und zutreffend.

7. Der abgelehnte Richter stützt seine Entpflichtungsverfügung im übrigen auf Zitate aus der Begründung von Anträgen, mit denen der entpflichtete Verteidiger a. die Aussetzung der Hauptverhandlung im Anschluß an die Verhaftung der Rechtsanwälte Dr. Croissant und Ströbele[25] bzw. die Sicherstellung für das Verfahren bestimmter umfangreicher Verteidigerunterlagen begehrte, ferner b. die Verlegung der Hauptverhandlung in einen der Sitzungssäle des Oberlandesgerichts oder Landgerichts Stuttgart[26] forderte und schließlich [d] in der Sitzung am 28.10.1975 die Richter des Senats für den Gesuchsteller Jan-Carl Raspe ablehnte. Der abgelehnte Richter maßt sich insoweit Zensurbefugnisse im Hinblick auf die Begründung der Anträge des entpflichteten Verteidigers an. Er sieht in den von [3313] ihm beanstandeten Zitaten erklärter Maßen eine Gefährdung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Hauptverhandlung. Der abgelehnte Richter mutet dem Gefangenen Raspe damit zu, Rechtsbrüche schweigend zu erdulden, mit denen seine prozeßualen Rechte in diesem Verfahren zum Teil unter Mitwirkung des abgelehnten Richters selbst demontiert wurden und weiter demontiert werden. Im übrigen sollte es sich von selbst verstehen, daß ein Verteidiger gerade dort, wo er Anklagebehörde und Gericht die Ebene rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze verlassen sieht, im Interesse der Wiederherstellung dieser Grundsätze und damit unmittelbar zum Schutz der Rechte seines Mandanten verpflichtet ist, die Ursachen der Beseitigung von Rechtsstaatlichkeit, und Rechtsförmigkeit zu erörtern, auch auf die zwangsläufige Gefahr hin, diese nicht in der Strafprozeßordnung, sondern in politischen Faschisierungstendenzen suchen zu müssen. Nichts anderes hat der entpflichtete Verteidiger etwa in der Begründung des Antrags auf Verlegung der Hauptverhandlung in ein Gerichtsgebäude getan. Gestört wird hierdurch nicht, wie in der Entpflichtungsverfügung behauptet wird, der ordnungsgemäße Ablauf der Hauptverhandlung, sondern allenfalls der abgelehnte Richter und sein Ziel, einer von keiner Verteidigung getrübten Aburteilung der Gefangenen. Der abgelehnte Richter weiß genau, daß der Gefangene Raspe mittellos ist und die Kosten eines Wahlverteidigers zu bezahlen nicht in der Lage ist.[27] Die Entpflichtung seines bisherigen Pflichtverteidigers bedeutet daher dessen praktischen Ausschluß von der Verteidigung. Die Entpflichtungsverfügung des abgelehnten Richters ist deshalb ein weiterer Schritt, der darauf abzielt, den Gefangenen Raspe recht- und verteidigungslos zu machen. Zur Glaubhaftmachung[28] dieses Ablehnungsgesuchs wird auf die Verfügung vom 7.11.1975 und auf ihre Begründung verwiesen.

Vors.:

Herr Raspe, wollen Sie sich selbst dazu äußern.

Angekl. R[aspe]:

Kurz. Entgegen jeder Erfahrung will ich noch etwas zu Ablehnungsanträgen sagen. Gegen jede Erfahrung, weil das ja schon bekannt ist, daß dieser Richter und dieser Senat unabsetzbar sind. Wie das also Heldmann präzise formuliert hat. Das ist also auch klar in der Identifikation Prinzings mit dem Rechtsstaat, wie er in der Bundesrepublik herrscht, in dieser [3314] Identifikation ist das also klar erkannt, denn, wenn er die Personifikation des Rechtsstaats ist, ist auch klar, wie die Springerpresse sagt, dann ist auch klar, daß er unabsetzbar ist. Der Rechtsstaat kann schließlich nicht abgesetzt werden, kann in der korrumpierten, verrotteten, abgefuckten, dreckigen Verlogenheit, in der ihn dieser Richter hier öffentlich liquidiert und damit auf[e] seinen historischen Begriff ...

Vors.:

Herr Raspe, die übliche Verwarnung, das zur Kenntnis nehmen. Beherrschen Sie sich bei Ihrer Zitierung oder Charakterisierung dieses Rechtsstaats.

Angekl. R[aspe]:

Unterbrechen Sie mich nicht. Ich bin kurz fertig. Er kann in dieser Form, in der er von diesem Richter hier liquidiert wird und damit auf seinen historischen Begriff ideologische Mystifikation der nackten Herrschaft des Kapitals zu sein, gebracht wird, er kann in dieser Form nur gestürzt werden. Aber Befangenheitsanträge, wie die ganze Arbeit der Verteidiger gegen das demagogische Projekt des imperialistischen Staates konkret hier und konkret hier jetzt in dem Versuch der Wiederholung wirklich dessen, was in dieser ganzen Zeit, seit dieser Senat zuständig ist, gelaufen ist, nämlich die Verteidigung zu liquidieren und die Gefangenen verteidigungsunfähig zu machen, wie es sich eben ausdrückt, jetzt darum, Plottnitz zu entpflichten. Sie haben hier die Befangenheitsanträge wie die ganze Arbeit der Verteidiger gegen dieses demagogische Projekt des imperialistischen Staates, die Funktion, die Transparenz des Transformationsprozesses in den Faschismus zu vermitteln. Es ist der Sinn von Verteidigung in diesem Verfahren. Und es kann so auf dieser Ebene im Moment unsere Politik sein. Ich bin fertig.

Vors.:

Herr Baader, was wollen Sie?

Angekl. B[aader]:

Ich möchte mich diesem Ablehnungsantrag anschließen.

Vors.:

Ja, das ist eine Frage, ob das geht.

Angekl. B[aader]:

Das werde ich Ihnen gleich erklären, inwiefern das geht. Das geht, insofern sich meine Verteidigung voll inhaltlich dem anschließt, was Sie zur Begründung der Entpflichtung von Plottnitz herangezogen haben. Klar. Der Hintergrund, das ist vielleicht kurz zu sagen, der Hintergrund dieser Maßnahme der Entpflichtung ist natürlich, was Prinzing hier heute morgen schon deutlich gemacht hat. Der Versuch, jetzt mit allen Mitteln, mit allen administrativen Mitteln und mit allen Mitteln willkürlich [3315] begründeter Gerichtsbeschlüsse, die Gefangenen und die Verteidiger, die die Gefangenen gewählt haben, aus diesem Verfahren zu drängen, d.h., einfach die Anklage- und Verteidigerbank hier abzuräumen und dann die von ihm bestellten staatsschutzhörigen Verteidiger da drüben, die Zwangsverteidiger,[29] zum Zug zu bringen. Und damit ist das Verfahren tatsächlich auf seinem Begriff, es wird dann hier normales Strafverfahren gespielt, allerdings ohne uns und natürlich ohne jede Verteidigung. Und der Hintergrund, die eminente Notwendigkeit, das auf diese Weise durchzuziehen, ist natürlich auch die Beweisnot der Bundesanwaltschaft, das ist sehr wichtig, das nochmals festzustellen. Das Verfahren ist unserer Ansicht nach überhaupt nicht durchführbar, solange es in diesem Verfahren Verteidigung gibt und sei es nur nach dem Begriff, nach dem traditionellen Begriff, von Verteidigung im Strafverfahren. Die Anklage ist angewiesen darauf, Verteidiger hier auszuschließen, sie ist angewiesen darauf, die Gefangenen auszuschließen und sie ist angewiesen auf bezahlte und gekaufte Zwangsverteidiger. Ich erweitere den Ablehnungsantrag außerdem im Zusammenhang des Beschlusses, der uns heute morgen, also fünf Minuten vor der Verhandlung zugestellt worden ist, und es kann natürlich sein, daß ich den falsch interpretiere, aber soweit ich das sehe, geht aus dem Beschluß hervor, daß dieses Gericht per Gerichtsbeschluß die ärztliche Schweigepflicht der vom Gericht bestellten Gutachter, insofern sie auch Ärzte unserer Wahl sind, geknackt hat, d.h., es hat die Gutachter, die neutralen Gutachter, die in dieses Verfahren bestellt worden sind, die uns untersucht haben, zu Polizeiärzten gemacht. Und zwar läuft das so: Prinzing stellt da auf Seite 3 fest ...

Vors.:

Herr Baader, zur Klarstellung. Meinen Sie das Schreiben an den Anstaltsleiter, oder was ist das für ein Beschluß, von dem Sie sprechen. Ich habe ein Schreiben ...

Angekl. B[aader]:

Das von Nusser ja,

Vors.:

Bitte?

Angekl. B[aader]:

An Nusser ja.

Vors.:

Ja, das ist ein Schreiben an den Anstaltsleiter, das Ihnen zur Kenntnis zugeleitet wurde, wann, wußte ich nicht. Nun richtet sich also dieser Ablehnungsantrag auch wieder ausschließlich [3316] gegen mich natürlich, weil das Schreiben ja von mir stammt.

Angekl. B[aader]:

Ja, insofern dann auch ausschließlich gegen Sie. Ich konnte das nicht genau lesen, weil da stellen Sie ja ausdrücklich fest, daß Ärzte unserer Wahl sozusagen, das ist auch sehr interessant, Sie sagen da, den[f] zugezogenen Ärzten kann gegenüber dem Anstaltsarzt keine Schweigepflicht auferlegt werden. Das ist aber auch ein Recht des Arztes zu schweigen gegenüber irgendwelchen Leuten oder irgendwelchen Instanzen, die Auskünfte von ihm verlangen, die die Rechte seines Patienten verletzen z.B. ... das heißt, Sie wollen unserer Ansicht nach, also die Intension dieses Schreibens ist unserer Ansicht nach, daß Sie versuchen, die Ergebnisse der Gutachten, der Untersuchung der Gefangenen dem Anstaltspsychiater zur Verfügung zu stellen und daß Sie damit gleichzeitig, das wissen Sie ganz genau, jede ärztliche Behandlung in Zukunft unmöglich machen, denn Sie wissen, daß die Gefangenen es ablehnen, sich behandeln oder untersuchen zu lassen, wenn der Verlauf dieser Untersuchung oder Behandlung dem Anstaltspsychiater bekannt wird, weil das bedeutet, daß die Ergebnisse von neutralen Gutachtern dann explizit dazu verwendet werden, die Situation der Gefangenen zu verschlechtern, d.h. die Zermürbung der Gesundheit, die sie hier vor sich haben nach dreieinhalb Jahren Isolation weiter durchzuziehen. Also insofern ist Ablehnungsgrund hier noch mal explizit, daß Sie mit dieser Disposition ärztliche Behandlung verhindern und ja so genau, daß Sie mit dieser Disposition ankündigen, daß Sie weiterhin jede ärztliche Behandlung verhindern werden und natürlich auch, daß Sie bisher, das gehört sozusagen als Ergänzung hinzu, daß Sie bisher sich an die Anordnungen bzw. die Empfehlungen der Gutachter und sogar dieses Anstaltsarztes selbst, dieses Anstaltspsychiaters selbst bezüglich der Haftbedingungen, nicht gehalten haben, in keinem Punkt.

Vors.:

Ich bitte dann ...

RA Sch[ily]:

Moment, moment, moment, ich will auch noch etwas dazu sagen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, es gibt die Möglichkeit, daß auch in einer etwas duldsameren Form zu äußern. Ich konnte das nicht sehen.

RA Sch[ily]:

Entschuldigung!

Vors.:

Bitte.

RA Sch[ily]:

Ich versuche mich bemerkbar zu machen.

[3317] Vors.:

Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Ich schließe mich für Frau Meinhof dem Ablehnungsgesuch an und begründe wie folgt:

1. Der prozeßuale Grundsatz, daß der Vorwurf des Fehlverhaltens vor Gericht nur erhoben werden kann, wenn die Rüge unverzüglich nach den angeblichen Fehlverhalten erfolgt, so wie der Grundsatz in § 25 Abs. II Ziffer 2 StPO[30] zum Ausdruck kommt, gilt meines Erachtens grundsätzlich im Verfahren und nicht nur in den Fällen, in denen das Verhalten von erkennenden Richtern gerügt wird. Diesen Punkt der Unverzüglichkeit hat der abgelehnte Richter bei dem Ablehnungsgesuch des Rechtsanwalts von Plottnitz, das Anlaß für seine Entpflichtung war, ebenfalls in den Mittelpunkt gestellt. Hätte der abgelehnte Richter diesen Grundsatz beachten wollen, hätte er den Antrag der Bundesanwaltschaft auf Entpflichtung des Rechtsanwalts von Plottnitz, soweit er sich auf lange zurückliegende Vorfälle bezieht, wegen Verspätung und im übrigen wegen offensichtlicher Prozeßverschleppung zurückweisen müssen, da sie keine Entpflichtung begründen. Da sich der abgelehnte Richter unter Verkennung dieses prozeßualen Grundsatzes unmittelbar die Argumentation der Bundesanwaltschaft zu eigen gemacht hat, heißt für die Gefangene Meinhof, läßt für die Gefangene Meinhof nicht erwarten, daß er Anträge der Bundesanwaltschaft, insbesondere auch, soweit sie das Recht der Gefangenen auf Verteidigung betrifft, künftig anders behandelt.

2. Ich stelle einen weiteren Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing sowie gegen die weiteren erkennenden Richter dieses Senats wegen der Versagung der ärztlichen Versorgung der Gefangenen Meinhof. Ich habe zuletzt am 5.11.1975 einen Antrag gestellt, Herrn Professor Müller[31] sowie die im Antrag der Verteidigung vom 24.9.1975 benannten Ärzte sofort und ohne jegliche Beteiligung des Regierungsmedizinaldirektors Dr. Henck[32] oder eines anderen Anstaltsarztes zur Behandlung der Gefangenen zuzulassen. Darauf ist keine Reaktion erfolgt. Ich höre heute jetzt zum ersten Mal, daß es ein Schreiben gibt, offensichtlich an die Anstalt, aber von irgendwelchen Maßnahmen seitens des Senats sind weder die Gefangenen noch ihre Verteidiger bis heute unterrichtet worden. Es ist offensichtlich, daß der Senat nicht beabsichtigt, den Gefangenen ihr Recht [3318] auf einen Arzt ihrer Wahl zugestehen zu lassen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß der Mitverteidiger Dr. Temming hier die amtliche Vertreterbestellung, um in diesem Verfahren aufzutreten, deshalb entzogen bekommen hat, weil er hier den Satz gesagt hat, die Gefangenen haben von diesem Senat langfristig nichts anderes zu erwarten, als den Tod.[33] Ich stelle hier jetzt wirklich die Frage in den Raum, was hat dieser Senat getan, außer die Vertreterbestellung des Dr. Temming zurücknehmen zu lassen, was hat er getan, um diesen Vorwurf von sich aus zu entkräften?

Vors.:

Herr Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Für Herrn Baader begründe ich den von ihm selbst gestellten Ablehnungsantrag gegen den Herrn Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing weiter: Es[g] ist ein völlig ungewöhnlicher und durch nichts zu rechtfertigender Vorgang, daß Sie als Verantwortlicher für die Haftbedingungen[34] und auch damit für die ärztliche Versorgung u.[h] Behandlung in der Anstalt dekretieren, daß die Zuziehung des Vertrauensarztes voraussetzte, daß dieser von seiner Schweigepflicht gegenüber dem Anstaltsarzt entbunden wird. Die ärztliche Schweigepflicht gilt gegenüber jedermann, auch gegenüber Kollegen, auch selbst gegenüber solchen Kollegen, auf deren Zusammenarbeit der Arzt angewiesen ist, wenn nicht im Einverständnis mit dem Patienten insoweit das Arztgeheimnis aufgehoben oder beschränkt ist. Was hier vor uns, ich habe es auch erst vor wenigen Minuten gesehen, liegt, dieses Dekret des Herrn Vorsitzenden Richters, des abgelehnten Richters Dr. Prinzing vom 10.11.1975, gerichtet an den Leiter der Vollzugsanstalt, halte ich nach meiner juristischen Würdigung als die Anstiftung zum Geheimnisbruch im Sinne des § 203 StPO.[35] Ihre besondere Qualität für diesen Ablehnungsantrag erhält sie dadurch, daß der Vorsitzende, der abgelehnte Richter wußte, als er dies schrieb, daß dann eine Zuziehung eines Vertrauensarztes zum Zwecke der Behandlung, der ärztlichen Versorgung ausgeschlossen sein würde, dann nämlich, wenn das Arztgeheimnis, sein Arztgeheimnis im Verhältnis zu Dritten, insbesondere zum Anstaltsarzt, der wiederum gegenüber Justizorganen zur Einhaltung dieses Arztgeheimnisses nicht in der üblichen vom Gesetz vorgesehenen Weise verpflichtet ist, daß also dann die notwendige, dringende ärztliche Versorgung unterbleiben werden würde. Das was Punkt 1.

[3319] Herr Baader begründet seinen heutigen Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden Richter auch damit, daß, nachdem dieser Anschlag auf die Prozeßgrundrechte der Angeklagten, der bezweckt hat, sie ganz aus dieser Verhandlung auszuschließen, nur teilweise geglückt ist, indem nämlich der Bundesgerichtshof ihr Anwesenheitsrecht nach ihrem Willen ihnen attestiert hat.[36] Nachdem dieser Anschlag mißglückt ist, holt der abgelehnte Richter zum nächsten Schlag aus, indem er den Kollegen von Plottnitz verpflichtet, ohne sich auch nur die Mühe gemacht zu haben, dafür eine Gesetzesgrundlage[37] anzugeben. Aber das wissen wir ja, daß es[i] auf Gesetzesgrundlagen hier in diesem Gericht nicht mehr ankommt. Eine Entpflichtung, die faktisch eine Ausschließung darstellt, denn kein Anwalt kann auf die Dauer aus eigenen Mitteln diesen, auch[j] ja von der Justiz selbst für eineinhalb Jahre Dauer veranschlagten Prozeß als Verteidiger führen. Faktischer Ausschluß des Kollegen Plottnitz, wobei Herr Baader sich selbstverständlich fragen muß, nach welchen Gesichtspunkten eigentlich hat der abgelehnte Richter, der Herr Vorsitzende Richter Dr. Prinzing hier selektiert, denn das, was an Tatbeständen, die als wesentlich für diese Entpflichtung des Herrn von Plottnitz herangezogen worden sind, angegeben wird, in Ihrer Verfügung vom Ende der vorigen Woche, das trifft natürlich, wie Sie wissen, wie das Protokoll ausweist, die restlichen beiden Pflichtverteidiger, die noch hier sitzen, heute noch hier sitzen, in gleicher Weise.

Vors.:

Es sind drei, wenn ich ...

Ende von Band 188

[3320] RA Dr. He[ldmann]:

Sie hatten vorhin schon sehr richtig darauf hingewiesen, daß der Herr Kollege Oberwinder den Herrn Riedel vertritt, so daß also Sie heute tatsächlich gehindert wären, etwa den Herrn Riedel auszuschließen, weil Sie ihm nicht heute sein Sündenregister aus vergangener Prozeßdauer vorrechnen könnten. Er könnte ... Sie könnten also heute für seine faktische Ausschließung den gelungenen Anlaß nicht finden.

Ich frage also erneut:

Wo schon keine gesetzliche Grundlage, nein, welche Kriterien haben den abgelehnten Richter für diese Selektion gedient, nun - jedenfalls zunächst einmal sich den Herrn v[on] Plottnitz zu greifen, um - nachdem, wie ich’s gesagt habe - die Entfernung der Gefangenen aus diesem Gerichtssaal nicht gelungen ist, nunmehr systematisch ihre Vertrauensverteidiger hier rauszuentfernen.

Das ist eine Entscheidung außerhalb des Gesetzes; es ist eine Entscheidung, die das Willkürverbot verletzt; es ist eine Entscheidung, die die Gleichbehandlungsverpflichtung verkennt, denn selbstverständlich müßte ich genauso ausgeschlossen werden, nachdem, was Protokolle ausweisen, nachdem, was ich mir hier an Rügen, etwa wegen Verunglimpfung dieses Gerichts, einhandeln mußte, um meinen Verteidigerpflichten gerecht werden zu können. Und diese Art, die Verteidigung auszuschalten, wie hier am ersten Beispiel - Plottnitz - bedroht natürlich jeden dieser Gefangenen hier, und somit hat auch treffend Herr Baader Ihre Eingangsfrage beantwortet:

Wieso schließt er sich diesem Antrag an?

3. Ich erweitere den Ablehnungsantrag für Herrn Baader auf die Richter dieses Senats Dr. Breucker, Dr. Foth, Dr. Berroth und Maier, weil sie in einer Auslegung des neu geschaffenen Ausnahmetatbestandes § 146 StGB,[38] die alles andere als plausibel ist, die auch dem Juristen als rechtsbrüchig erscheinen muß, eine weitere Ausräumung der Verteidigerbank von Verteidigern des Vertrauens bewirkt haben mit einem Beschluß vom 4. November 1975, den uns heute vor einer Woche nach Schluß der Verhandlung durch den abgelehnten Richter, den Herrn Vor- [3321] sitzenden Richter Prinzing, der Herr Justizwachtmeister soeben noch beim Verlassen dieses Raumes hat in die Tasche befördern können. § 146[ StPO] wird hier in einer Art und Weise ausgelegt, die weder dem Gesetzestext, insbesondere zu sehen mit dem Text der Überleitungsregelung, noch der Gesetzesmotivation, noch prozessualer Notwendigkeit auch nur annähernd entspricht. Es ist ein Schlag dieses Senats gegen die Verteidigung dieser Angeklagten insgesamt, die Entfernung der Verteidigung durch rechtsbrüchige Anwendung des § 146[ StPO] n. F., der als Bestandteil der lex RAF[39] am 1.1. d. J. ins Leben getreten ist. Eine Auslegung, wie sie bisher noch kein deutsches Gericht gewagt hat und die Sie absichern dadurch - in Ihrem Ergebnis jedenfalls -, daß Sie den betroffenen Kollegen Spangenberg, Köncke und Golzem mit Ihrem Schreiben vom 4.11. sagen ließen:

„Damit sind Sie auch nicht mehr berechtigt, das Mehrzweckgebäude als Verteidiger zu betreten.“

Urkundsbeamter Just. Sekr Janetzko verläßt um 9.54 Uhr den Sitzungssaal.

Kurz zusammengefaßt:

Das Ablehnungsgesuch des Herrn Baader, das sich in erster Linie gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing gewendet hat und in seinem ... im zweiten Teil seiner Begründung gegen die Beisitzenden Richter, die ich namentlich genannt habe, richtet, ist darin begründet, daß, nachdem die Ausschließung der Gefangenen aus der Hauptverhandlung nur, sagen wir defizitär, geglückt ist, nunmehr dieser Senat daran bastelt - sei das außerhalb des Gesetzes, sei das gegen das Gesetz - die Verteidigung, die Vertrauensverteidigung dieser Gefangenen zu beseitigen.

Vors.:

Herr RA Schily, bitte.

RA Sch[ily]:

Herr Baader will sich offenbar zu Wort melden.

Vors.:

Herr Baader, bitte.

Angekl. Baa[der]:

Naja, noch eine neue Tatsache:

Ich hab das grade vorhin gehört, Sie haben heute morgen die Verteidiger länger durchsuchen lassen als gewöhnlich, nämlich eine ganze Viertelstunde lang, d. h. also, die Wahlverteidiger [3322] konnten das Gebäude nicht betreten. Sie haben dann in der Zwischenzeit die Hauptverhandlung hier angefangen ohne Verteidiger. Sie wußten, daß wir schreien würden, daß wir uns dagegen wehren würden, und dann haben Sie gleich Schnapp angedroht, daß Sie mich für den Rest des Monats ausschließen wollen. Das ist ein interessanter Zusammenhang und das ist ja auch eine Dramaturgie, die in jedem Detail dieses Verfahrens deutlich wird, diese Sorte Berechnung:

auf der einen Seite also der Versuch, die Verteidiger hier draußen zu halten, die Gefangenen zu provozieren und dann gleich die Androhung, auf unseren Protest hin uns einen ganzen Monat auszuschließen.

Ich will aber nochmals versuchen, nachdem Heldmann das Ablehnungsgesuch erweitert hat, auf Ihren Brief, auf Ihren Schlich sozusagen, die drei Verteidiger aus ..., die zunächst in Kaiserslautern verteidigt hatten, hier auszuschließen und ihnen das Gerichtsgebäude zu verbieten. Dazu ist einfach nochmals zu sagen im Zusammenhang: Ihre Maßnahmen, in diesem Verfahren die Verteidiger zu eliminieren, ging ja schon ziemlich weit zurück. Das fängt also zunächst an mit den von Ihnen genehmigten oder nachträglich bestätigten Zellenrazzien im Januar vor dem Prozeß hier, also unmittelbar vor dem Prozeß, wo Sie sich Einsicht verschafft haben in die ganze Konzeption der Verteidigung im Februar, im März und im Mai.

Das geht weiter mit der Nichtbestellung zur Pflichtverteidigung von Verteidigern, die hier 2 ½ Jahre in diesem Verfahren waren[40] - Croissant, Ströbele und Groenewold -; das geht weiter mit dem Ruhen der Rechte und schließlich dem Ausschluß dieser Verteidiger.[41] Das geht weiter mit dem Ausschluß dieser Verteidiger als Verteidiger von anderen Gefangenen in diesem Verfahren,[42] den zunächst ungesetzlichen, denen dann eine Gesetzesinterpretation irgendwie nachgeschoben wurde.

Das geht weiter - und das ist vielleicht wichtig - mit der Nichtzulassung von acht ausländischen Anwälten, die uns verteidigen wollten in diesem Verfahren. Das geht weiter mit der Begrenzung der Pflichtwahlverteidiger auf einen, d. h., [3323] wie Sie alle Mittel anwenden, haben Sie natürlich auch ein ganz stringentes Bewußtsein von der Punktion des Geldes, d. h., Sie haben ein ... für die B. Anwaltschaft ... Sie haben detaillierte Informationen über die finanziellen Einkünfte dieser Verteidiger, über ihren gesamten Lebensrhythmus, wie man ja schon festgestellt hat. Und Sie wissen natürlich, daß es keinen Verteidiger hier gibt, der sich überhaupt diese Verteidigung drei Tage in der Woche auch nur ein paar Monate leisten kann, wenn er nicht zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist. Ich würde schon mal sagen, daß das sehr wichtig ist.

Es ist also nicht einfach sozusagen eine Maßnahme, sondern es steckt dahinter die Vorinformation durch den Staatsschutz bzw. durch den Verfassungsschutz über die Einkünfte der Anwälte und eben über ihre gesamte Lebensweise. Sie wissen genau Bescheid.

Dann geht es weiter mit der Verweigerung der Einarbeitungszeit für RA Heldmann,[43] nachdem sämtliche Verteidiger, die ich hatte, unmittelbar vor dem Verfahren ausgeschlossen worden sind und alle kriminalisiert worden sind.[44]

Man muß vielleicht auch mal sagen, daß die Leute, die hier öfters sind, sich wundern wahrscheinlich, warum wir hier überhaupt reden jetzt im Moment, also warum wir nicht sofort unmittelbar unterbrochen worden sind, wie das bei diesem Richter üblich ist. Er läßt uns ja im allgemeinen nur einmal einen oder zwei Sätze reden seit drei oder vier Wochen. Das liegt sehr einfach daran, daß hier eine Dele... eine Delegation französischer Anwälte ist und daß er guten Eindruck machen will.

Vors.:

Herr Baader, bleiben Sie bei der Sache, sonst muß ich Ihnen wegen Weitschweifigkeit das Wort entziehen.

Angekl. Ra[spe]:

Das ist doch einfach die schlichte Wahrheit. Das ist doch einfach die Wahrheit, ...

Vors.:

Bleiben Sie bei der Sache.

Angekl. Ra[spe]:

... Prinzing.

Angekl. Baa[der]:

Das ist doch ... Ich meine, das ist doch der Spaß auch mit Ihnen, daß Sie die Wahrheit nicht ertragen können. Naja, weiter.

[3324] Also ich nehm die Gelegenheit mal wahr, Herr Prinzing.

Nachdem es Ihnen nicht gelungen ist, die Anklagebank hier abzuräumen, also nachdem der BGH Sie korrigiert hat in diesem Versuch, Verhandlungsunfähigkeit, vollständige Verhandlungsunfähigkeit der Gefangenen zu dekretieren und sie damit endlich aus dieser Verhandlung hier, aus dieser Veranstaltung hier abzustoßen. Nachdem Sie jetzt die von uns in fünf Monaten - und ich würde sagen, daß das ein ziemlich mühsamer Prozeß war - die von uns in fünf Monaten rekonstruierte Verteidigung in diesem Verfahren zerschlagen haben, bleibt uns tatsächlich eigentlich nur übrig, das nochmals ganz genau aufzurollen, was das konkret bedeutet; denn ich glaube, daß daran unmittelbar der Zusammenbruch jeder Verteidigung in diesem Verfahren hängt an dem Ausschluß dieser drei Anwälte.

Ich hab dazu ’n kleines Beispiel und ich wüßte auch nicht, warum man das nicht sagen soll:

Es ist versucht worden, nachdem Sie diese drei Verteidiger eliminiert haben, ist versucht worden, andere Verteidiger zu finden, die hier unter Umständen, obwohl sie keine Einarbeitungszeit haben, in diesem Verfahren auftreten würden, und es ist also mit einer ganzen Menge von Verteidigern gesprochen worden von andern Anwälten, und da war ein ganz zentrales Motiv Sache bei der Ablehnung. Diese Anwälte haben Existenzangst im Zusammenhang dieses Verfahrens. Das ist der Punkt.

Das heißt:

Es gibt praktisch keinen Verteidiger der Linken oder auch nur der liberalen Verteidiger, der sich nicht darüber klargeworden ist, daß Verteidigung in diesem Verfahren bedeutet: unmittelbare Bedrohung seiner Existenz als Anwalt, unmittelbare Bedrohung durch Kriminalisierung - als Beispiel - und natürlich die Mühen und Lästigkeiten, die es mit sich bringt, wenn man 24 Ta... Stunden am Tag observiert, verfolgt, abgehört usw. wird.

Es gibt dazu noch ein weiteres Beispiel, um das mal hier zu antizipieren, das ist an Croissant durchexerziert worden. Croissant war ja, das weiß man ja wahrscheinlich, ursprünglich ein bürgerlicher Anwalt in einer ziemlich ..., also [3325] mit einer bürgerlichen Klientel. Croissant ist systematisch vom LKA Baden-Württemberg die Klientel ruiniert worden, indem ...

Vors.:

Herr Baader, ich entziehe Ihnen jetzt wegen Weitschweifigkeit das Wort. Das hat mit dem Antrag nichts zu tun.

Sind weitere Wortmeldungen ...

Angekl. Baa[der]:

Das hat aber mit dem Antrag zu tun.

Vors.:

Herr RA Schily, bitte schön.

Angekl. Me[inhof]:

Wieso? Das ist doch dieselbe Methode wie mit der ... Erpressung, um die es sich hier handelt. Und da handeln Sie auch im Sinne des Kriminalamts ...

Vors.:

Frau Meinhof, die Verwarnung gilt für alle Angeklagten. Nehmen Sie’s bitte zur Kenntnis.

Angekl. Me[inhof]:

... Erklären Sie das doch mal.

Vors.:

Herr RA Schily, Sie haben das Wort. -

Gut. Wenn Sie das Wort nicht ergreifen wollen ...

RA Dr. He[ldmann]:

Herr Baader bittet weiter ums Wort.

Vors.:

Nein. Das Wort ist entzogen.

Durcheinanderreden auf der Verteidigerbank.

Vors.:

Gilt das als Beanstandung?[45]

RA Dr. He[ldmann]:

Ich möchte Sie um Ihre Begründung bitten.

Vors.:

Ich hatte gesagt, wegen Weitschweifigkeit.

Wollen Sie ... Das hat mit der Begründung des Antrags ...

RA Dr. He[ldmann]:

Haben Sie abgemahnt wegen Weitschweifigkeit?

Vors.:

Ja.

RA Dr. He[ldmann]:

O ja? -

Vors.:

Ich habe abgemahnt.

RA Dr. He[ldmann]:

Sie haben abgemahnt?

Vors.:

Wollen Sie das rügen?

RA Dr. He[ldmann]:

Sie mahnen immer ab. Einmal so ins Blaue hinein wird abgemahnt ...

Vors.:

Wollen Sie rügen?

RA Dr. He[ldmann]:

Ich rüge, selbstverständlich.

Vors.:

Gut, also.

RA Dr. He[ldmann]:

Das tu ich ja grade.

[3326] Vors.:

Wollen Sie eine Begründung tun, oder wollen Sie jetzt im Augenblick mich in irgendeiner Weise attackieren wegen meiner Art der Prozeßleitung?

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, nein. Wer wird Sie schon attackieren wollen? Sondern ich rüge, daß Sie unbegründet Herrn Baader das Wort entzogen haben; denn er ist nicht abgeschweift, sondern er hat von der Methode, wie sie sich auch hier derzeit in diesem Gerichtssaal abspielt, gesprochen, die Verteidigung rauszuräumen.

2. Ich rüge Ihre einsame Entscheidung auch deswegen, weil Sie nicht abgemahnt haben, Herr Baader möge nicht noch einmal weitschweifig werden. Aber irgendwelche unbestimmten Abmahnungen, die sowieso zu Ihrem alltäglichen Sprachgebrauch in diesem Saal gehören, können nicht geeignet sein, die darauffolgende schwerwiegende Sanktion des Wortentzugs zu rechtfertigen, sondern es muß gezielt abgemahnt worden sein, nicht weiter, nicht länger, nicht fortgesetzt abzuschweifen. Das haben Sie unterlassen.

Weil damit also die Voraussetzungen für diesen Wortentzug fehlen, haben Sie hier in Herrn Baaders Grundrecht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs eingegriffen ohne Gesetzesgrundlage - die Gesetzesgrundlage, die Sie anvisieren, trägt diese Entscheidung nicht -, aber auch, ohne nur die Kriterien Abmahnung speziell und 2. Weitschweifigkeit tatsächlich erfüllt zu haben.

Das ist die Begründung meiner Rüge Ihrer Verfügung.

Und wo Sie nicht selbst meinen, daß Sie ihr abhelfen sollten, bitte ich, diese Rüge an den Senat dann weiterzugeben zu einer Senatsberatung.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Es bleibt bei der Wortentziehung, weil der Angeklagte trotz Mahnung nicht von den weitschweifigen Ausführungen, die er gemacht hat, abgelassen hat.

Herr RA Schily, bitte schön.

Protokollführer:

Herr Rechtsanwalt, bitte Mikrophon einschalten.

[3327] RA Sch[ily]:

Namens der Angeklagten Ensslin wird der Vorsitzende Richter Dr. Prinzing sowie die Beisitzenden Richter Dr Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker wegen

Besorgnis der Befangenheit

abgelehnt.

Namens der Angeklagten Ensslin wird das Ablehnungsgesuch wie folgt begründet:

1. Der abgelehnte Richter Dr. Prinzing hat in einem Schreiben an den Leiter der Vollzugsanstalt Stuttgart, Nusser, vom 10.11.75 u. a. wörtlich ausgeführt - ich zitiere:

„Zugezogene Ärzte haben im Verhältnis zum Anstaltsarzt beratende Funktion. Die Zuziehung setzt also voraus, daß der zugezogene Arzt von seiner Schweigepflicht gegenüber dem Anstaltsarzt entbunden wird.“

- Ende des Zitats -

Zur Glaubhaftmachung wird auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters sowie auf den Inhalt des bei den Akten befindlichen Schreibens vom 10.11.75 Bezug genommen. Die Tatsache, daß der abgelehnte Richter ärztliche Behandlung nur unter der Voraussetzung zulassen will, daß die Schweigepflicht aufgehoben wird, ist ein eklatanter Verstoß gegen die für die Untersuchungshaft geltenden Grundsätze, insbesondere auch die Mindestgrundsätze, die in diesen UNO-Vorschriften, die wir ja mehrfach zitiert haben, niedergelegt sind.[46]

Seit Jahr und Tag wird den Gefangenen das ihnen zustehende Recht auf Behandlung durch Ärzte ihres Vertrauens verweigert. Sie sollen dazu gezwungen werden, eine Behandlung durch einen Arzt sich gefallen zu lassen, der, wie er bereits unter Beweis gestellt hat, die ärztliche Schweigepflicht nicht anerkennt. Ich darf daran erinnern, daß Herr Dr. Henck, der Gefängnisarzt, hier in der Verhandlung nicht einmal nur den Ansatz gemacht hat, die Frage zu stellen, ob er von der Schweigepflicht entbunden ist. Er nimmt sich also das Recht, jederzeit gegenüber allen Staatsautoritäten die Schweigepflicht zu durchbrechen. Und es ist ja bereits auch zu andern Zeitpunkten zitiert worden, daß Informationen über den Ge- [3328] sundheitszustand, soweit sie beobachtet werden, von Gefängnisärzten unmittelbar den Staatsschutzbehörden zugehen.

Der abgelehnte Richter geht in seiner ... in seiner Haltung so weit, daß er sagt: Selbst wenn sich die Alternative stellt, entweder Behandlung durch den Arzt, Gefängnisarzt Dr. Henck oder Tod sagt, es gibt keine andere Möglichkeit, einen Gefangenen vor dem Tod zu bewahren; er muß diesen Arzt ... - auf diese Formel kann man es reduzieren. Denn wir haben den Fall gehabt in der vergangenen Woche, der hier aus Gründen, die auch der abgelehnte Richter zu vertreten hat, praktisch nur am Rande in der vergangenen Woche erörtert werden konnten, wir haben den Fall gehabt, daß Ulrike Meinhof einen Kreislaufkollaps erlitt, und die Ausmaße dieses Kreislaufkollapses, die können ja in der Tat sehr schwerwiegend sein und können in eine gefahrdrohende Situation ausmünden, ausufern. Wir haben ... wir haben den Fall gehabt, und die Parallele, die drängt sich ja nun auf, daß ein Gefangener, ein Gefangener, der im Hungerstreik sich befand, daß für diesen Gefangenen ärztliche Hilfe beantragt wurde, mehrfach, daß die Verteidiger die Hinzuziehung von Ärzten des Vertrauens schriftlich, mündlich, in jeder Form beantragt haben; daß der abgelehnte Richter es aber nicht über sich gebracht hat, dieser menschlichen und rechtlichen Forderung nachzukommen, Ärzte des Vertrauens zur Behandlung zuzulassen und starrsinnig darauf beharrt hat, daß nur in Betracht kommt ein Gefängnisarzt, der dann an dem entsprechenden Tage verreist war, der seine ärztlichen Verpflichtungen in dieser Weise wahrgenommen hat.

Was soll ein Gefangener von der im Gesetz vorgesehenen und eigentlich ein elementares Rechtsprinzip darstellende Garantie der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit eines Richters halten, wer in dieser schlichten Frage des Überlebens einen solchen Standpunkt einnimmt? Und ist es denn nun wirklich so, daß ein Arzt - und die Gefangenen haben sich ja dazu sogar bereit erklärt, obwohl sich das für sie sogar ein Kompromiß darstellt, sie haben sich ja dazu bereit erklärt, die Ärzte Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Müller[47] [3329] als ihre behandelnden Ärzte zu akzeptieren - ist es denn in der Tat so, daß man gegenüber diesen Ärzten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder sagen muß, daß man ihnen mit Mißtrauen zu begegnen hat; daß man sie zur Behandlung nur dann zulassen kann, wenn sie von der Schweigepflicht gegenüber dem Gefängnisarzt entbunden sind?

Wie ist es denn: Gibt es in der Tat niemand anders als den Dr. Henck, der die Schweigepflicht nicht anerkennt? Der vertrauenswürdig genug ist, hier eine Behandlung vorzunehmen? Gibt es tatsächlich niemanden? Was ist da für ein Verständnis von den Rechten? Was ist da für ein Verständnis von den Rechten eines Gefangenen am Werke, wenn solche Zumutungen in ein Schreiben hineinpraktiziert werden?

Die Zuziehung setzt voraus, daß der zugezogene Arzt von seiner Schweigepflicht gegenüber dem Anstaltsarzt entbunden wird. Ich würde mich ... Aber ich meine:

Rechtsgrundlage, das ist ja vollkommen abhandengekommen, daß man auch mal sich überlegt, ob es überhaupt dafür eine Rechtsgrundlage ... Was soll denn die Rechtsgrundlage eigentlich für diese Zumutung sein?

Ist der Gefangene, der Untersuchungsgefangene, bereits so in der Verfügungsmacht der Staatsgewalt, daß er kein Recht mehr hat auf ärztliche Schweigepflicht?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich unterstelle, Sie meinen das alles ernst, was Sie sagen, dann würde ich ...

RA Sch[ily]:

Ja, das meine ich sehr ernst! Herr Vorsitzender!!!

Vors.:

Dann würde ich ...

RA Sch[ily]:

Und ich würde Ihnen raten, es auch ...

Vors.:

... dann würde ich Ihnen vorschlagen, ...

RA Sch[ily]:

... ernst zu nehmen.

Vors.:

Ja. Dann würde ich Ihnen vorschlagen, die volle Begründung, wenn Sie wollen, dieses Schreibens zu zitieren. Dann werden Sie die Rechtsgrundlage und die Gründe für diese Haltung vorfinden.

RA Sch[ily]:

Ja, das überlasse ich Ihnen. Ich kann das natürlich auch ... das ganze Schreiben vorlesen, wenn Sie’s wünschen. Ich kann es gerne ganz vorlesen.

Ende von Band 189.

[3330] Angekl. En[sslin]:

Soll er [k] doch vorlesen, wenn er’s will.

RA Sch[ily]:

Schön, wir können es ganz vorlesen, wenn es gewünscht wird. Wir können es ja ganz vorlesen. Sie können es ja in Ihrer dienstlichen Erklärung dann aufnehmen.

Vors.:

Also, ich habe nichts dagegen, wenn Sie es ganz vorlesen.

RA Sch[ily]:

... Sie nichts dagegen, was dafür. Also, ich meine und habe das pflichtgemäß für Frau Ensslin vorzutragen, daß ein Richter, der ärztliche Behandlung nur zulassen will, wenn die ärztliche Schweigepflicht aufgehoben wird, nicht mehr damit rechnen kann, daß ihm irgend jemand, jedenfalls nicht der Betroffene, eine Unparteilichkeit attestieren kann. Soweit der erste Teil der Begründung des Ablehnungsge... gesuches. Zweitens. Der abgelehnte Richter hat in einer Verfügung vom 7. November 1975 den Kollegen von Plottnitz als Pflichtverteidiger von der Pflichtverteidigung entbunden. In dieser Verfügung heißt es unter anderem: „Durch Verfügung vom 29.7.74 ist Rechtsanwalt von Plottnitz sämtlichen Angeklagten dieses Verfahrens als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Nachdem die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger durch die Änderung des § 146 StPO[48] unzulässig geworden war, wurde Rechtsanwalt von Plottnitz am 3.2.1975 zur Verteidigung des Angeklagten Raspe bestellt.“ Zur Glaubhaftmachung nehme ich Bezug auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters und den Inhalt der bei den Akten befindlichen Verfügung vom 7.11.75. Ferner heißt es in dieser Verfügung, auf Seite 5 ist es wohl; „So äußerte er“ gemeint ist der Rechtsanwalt von Plottnitz, ich zitiere: „Man hat ja angefangen damit, daß gerade hier ein Zwangsverteidiger, der meiner Mandantin zugeordnet ist, hier versucht hat, das Wort zu ergreifen“ undsoweiter. Zur Glaubhaftmachung wird wiederum auf dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters und den Inhalt der zitierten Verfügung Bezug genommen. Ferner wird in der zitierten Verfügung eine Äußerung des Rechtsanwalts von Plottnitz wiedergegeben: „Ich würde das, was wir hier gehört haben, als eine Bankrotterklärung bezeichnen, eine Bankrotterklärung, die [3331] einmal mehr zeigt, in welchem Ausmaß Rechtsbewußtsein bei den Sitzungsvertretern der Bundesanwaltschaft verfallen ist.“ Ferner wird der volle Wortlaut zitiert des Antrages des Rechtsanwalts von Plottnitz über die beantragte Verlegung der Verhandlung in das normale Gerichtsgebäude, und zwar auf Seiten sieben bis ... sieben bis ... es ist hier leider abgeschnitten, es wird wohl ... zehn. Zur Glaubhaftmachung wird wiederum auf eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters und den Inhalt dieser Verfügung Bezug genommen. Die Begründung dieser Verfügung betrifft unmittelbar auch die Angeklagte Ensslin und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens, der abgelehnte Richter ist nicht einmal in der Lage, einfache Sachverhalte aus dem Gedächtnis zu reproduzieren, es sei denn, daß er die Begründung dieser Verfügung selbst gar nicht gelesen hat, sondern einfach unterzeichnet hat, was ich eigentlich nicht unterstellen möchte. Aber die Tatsache, daß dem abgelehnten Richter nicht einmal bekannt war, daß Rechtsanwalt von Plottnitz vom neunundn... mit Verfügung vom 29.7.74 nicht zum gemeinschaftlichen Verteidiger bestellt worden ist, und daß er insofern einen unrichtigen Sachverhalt seiner Verfügung zugrunde legt, daß er ein Zitat, was erkennbar aus dem Ausdruck „meiner Mandantin“ erkennbar ein anderer Verteidiger gesagt haben muß, ebenfalls zur Begründung seiner Verfügung heranzieht, muß der Angeklagten Ensslin ja den Eindruck vermitteln, daß im ... in Vorausschau auf eine umfangreiche Beweisaufnahme sich der abgelehnte Richter nicht freimachen kann, die Tatsachen jeweils so sich zurechtzulegen, wie sie in eine vorgefasste Meinung dann seiner Auffassung nach hereinpassen oder nicht. Es sei denn, daß dann wiederum Korrekturen im Protokoll angebracht werden.[49] Daß allein muß der Angeklagten Ensslin Zweifel aufkommen lassen, ob der abgelehnte Richter mit der notwendigen Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit an das Verfahren herangeht. Aber sehr viel gravierender, und das ist der zweite Punkt innerhalb dieser Ablehnungsbegründung, ist die Tatsache, daß der Inhalt von bestimmten Erklärungen dazu dienen soll, einen Verteidiger [3332] abzuberufen. Ein Verteidiger soll nicht mehr sagen dürfen, von einer[l] Erklärung der Bundesanwaltschaft, das sei eine Bankrotterklärung, oder da sei Rechtsbewußtseinverfall. Ein Beispiel: Wir sollen nicht mehr sagen dürfen: Hier findet eine militärische Exekutivaktion statt. Wir dürfen nicht mehr sagen: es ist allein dieser Aspekt, der diesem Verfahren den Ausdruck einer exekutiven Staatsaktion statt eines realen Strafprozesses[m] gibt, es ist dieser Aspekt, der dazu führt, daß dieses Verfahren in Wahrheit nicht juristisch, sondern politisch und militärisch entschieden wird. Und ich kann diese Zitate ja alle noch einmal wiederholen. Ich glaube allein, daß diese beiden Zitate belegen, was hier jetzt stattfinden soll, daß ein Maulkorb den Verteidigern umgehängt wird und daß die Agitation eben nur auf der Ebene der Bundesanwaltschaft stattfinden soll; denn was haben wir hier bisher überhaupt von der Bundesanwaltschaft gehört? Nur, fast nur Agitation. Denken Sie doch einmal daran, mit welcher Begründung sich die Bundesanwaltschaft gegen den Ablehnungsantrag meiner Mandantin gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing im Fall Holger Meins gewandt hat.[50] Das war ja bloße, schlichte, pure Agitation, wenn nicht sogar Demagogie. Das ist doch der Fall, und das Feld soll hier aufgeräumt werden. Es sollen die Verteidiger nun zum Schweigen gebracht werden ..., und ich habe mal gesagt, wir sind hier alle nur Verteidiger auf Abruf offenbar, und das beweist sich von jedem Tag, von Tag zu Tag, und das Makabre, das Makabre ist ja die Tatsache, daß das, was in dem Antrag des Kollegen von Plottnitz ausgeführt ist, das, was dort ausgeführt ist als Begründung, was ausgeführt ist als Charakterisierung dieses Verfahrens, daß Sie das durch Ihre Verfügung über die Entpflichtung des Kollegen von Plottnitz wiederum bestätigen. Sie liefern einen Beweis mehr, und aus der Verstrickung dieser Widersprüche des Verfahrens finden Sie nun gar nicht heraus. Sie finden nicht heraus aus diesem ... aus dieser Verstrickung, Herr Vorsitzender, weil Sie, weil Sie sich verpflichtet glauben, über die Interessen der Gefangenen hinwegzugehen aus [3333] dem[n] Interesse, das Verfahren voranzubringen, und dadurch eigentlich selbst Prozeßverschleppung betreiben. Die Prozeßverschleppung, die Sie so häufig der Verteidigung vorwerfen, die fabrizieren Sie tagtäglich, tagtäglich. Im übrigen, der Kollege Dr.[o] Heldmann hat darauf hingewiesen, die Willkür steht diesem, dieser Entscheidung an der Stirn geschrieben. In der Tat. Wenn Sie das ... wenn es Ihnen dann vielleicht ge... grade in den Kram passt, dann werden die entsprechenden Zitate über ... über den von Herrn Kollegen Dr. Heldmann oder von mir oder eben auch die Tatsache, daß ich in einer bestimmten Phase des Verfahrens hier den Verhandlungssaal verlassen habe, was im Übrigen, das sei mal am Rande angemerkt, in einem sehr großen Kommentar der Strafprozeßordnung durchaus als zulässige Maßnahme, wenn auch als ultima ratio, anerkannt wird in einem solchen schwerwiegenden Punkt der Verhandlungsunfähigkeit, durchaus anerkannt wird und daß die Frage der Verhandlungsfähigkeit, Herr Vorsitzender Richter, nicht mit den Mitteln zu klären war, die Sie uns zunächst einmal hier anbieten wollten mit einem kleinen Seitenblick des Gefängnisarztes, das haben ja nun die eingehenden Untersuchungen der Sachverständigen ergeben. Aber lesen wir einmal genau, was steht in dem Antrag drin, das ist, glaub ich, doch sehr wichtig, um einmal klar zu machen, was, was dieser Maulkorb, was der bedeutet, was nicht mehr gesagt werden darf, denn es steht ja alles drin, es wird ja nicht nur zitiert, es heißt, hier also einzelne Passagen aus diesem Antrag, insofern einfach wichtig zu wissen, was ein Verteidiger hier in Zukunft offenbar nicht mehr sagen darf. Ich zitiere aus dem ... aus der Verfügung, zugleich aus dem Antrag des Kollegen von Plottnitz: „Die Errichtung dieser Prozeßfestung war und ist keine dem formellen Strafrecht zuzuordnende Prozeßhandlung“ darf nicht gesagt werden. „Sie ist vielmehr, wie bisher so gut wie aller in diesem Verfahren, eine militärische Exekutivaktion“ ist verboten zu sagen. „Das Öffentlichkeitsprinzip[51] ist für diese Hauptverhandlung längst zum inhaltsleeren Dekor verkommen. Wir haben gesagt, daß die Errichtung dieser Prozeßfestung eine der militärischen Exekutivaktionen darstellt, mit denen das Verfahren gegen die Angeklagten vorbereitet wurde und bis heute betrieben [3334] wird. Zu diesem Sachverhalt gehört, daß die Kontrolle über dieses Verfahren und seinen Ausgang sowohl vor als auch nach der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht bei einer unabhängigen rechtsprechenden Gewalt, sondern in Wahrheit stets[p] bei staatlichen Exekutivorganen lag und liegt. Bei der Auswahl des Vorsitzenden Richters,[52] insoweit kann schon auf das, was hierzu bereits vorgetragen wurde, verwiesen werden, galt es, einen Mann zu finden, den nicht etwa der Gedanke hemmen könnte, daß Staatsschutz und rechtsstaatliche Strafrechtspflege zwei verschiedene Dinge, daß Staatsfeind und Angeklagter nicht dasselbe sei. Die staatlichen Exekutivorgane haben sich bei ihrem Bemühen, die Rahmenbedingungen und damit den[q] Ausgang dieser Hauptverhandlung ihrer Kontrolle zu unterwerfen, nicht an strafprozeßualen Kriterien orientiert, also etwa an der Respektierung der Verteidigungsrechte eines Angeklagten oder des Schutzes seiner Menschenwürde vor und in einer Hauptverhandlung“ - darf alles nicht gesagt werden, alles verboten - „Worum es Ihnen geht ist vielmehr die Bekämpfung, die militärische und politische Unschädlichmachung von Individuen und Gruppen, die nicht mehr als Angeklagte, sondern als längst schuldige politische und militärische Gegner begriffen werden“ - alles ... Verteidigung hat es nichts zu tun, nach Ansicht des abgelehnten Richters - „Sinnfälliger Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips und der Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt sollte sein, daß Strafprozesse nicht in Gefängnissen, Kasernen oder Polizeihauptquartieren stattfinden“ - offenbar eine Äußerung, die wiederum verboten ist, wird in der Tat hier mit herangezogen zur Begründung eines Entpflichtungsantrages - „Ist, wie in diesem Verfahren, das Gegenteil der Fall, so kann von einem Strafprozeß nicht gesprochen werden. Die Antwort auf die Frage, warum dieses Novum gerade in diesem Verfahren zu Tage tritt, ist weniger in den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland zu suchen, als in dem politischen Widerspruch, der diesem Prozeß zugrunde liegt. Die Antwort verbirgt sich in einem Satz aus der Anklageschrift vom 26.9.74, nämlich dort, wo es im Anklagesatz auf Seite 15 heißt: „Diese Gruppe setzte sich zum Ziel, die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Vorbild der süd- [3335] amerikanischen Stadtguerillas mit allen Mitteln, insbesondere durch Gewaltmaßnahmen zu bekämpfen“ - Offenbar ist auch das Zitat aus der Anklageschrift nicht mehr zulässig - „Dieser Satz macht deutlich, was[r] seine Unscheinbarkeit eigentlich verschleiern soll, daß nämlich der gesamte Charakter dieses Verfahrens zentral bestimmt wird von den Vorwurf, daß sich die Angeklagten in Zusammenhang mit denen ... mit den ihnen zur Last gelegten Aktionen von einer bestimmten politischen Überzeugung leiten ließen, der Überzeugung nämlich, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik nicht, wie es offizieller Lesart entspricht, gerecht, rechtsstaatlich und demokratisch sind, sondern da diese Verhältnisse als von Kapitalismus und Imperialismus beherrschte und bestimmte prinzipiell ungerecht und deshalb zu bekämpfen sind. Es ist allein dieser Aspekt, der diesem Verfahren den Ausdruck einer exekutiven Staatsaktion statt eines realen Strafprozeßes gibt. Es ist dieser Aspekt, der dazu führt, daß dieses Verfahren in Wahrheit nicht juristisch, sondern politisch und militärisch entschieden wird. Die Frage nach der Funktion staatlicher Herrschaftspraktiken, die dazu führen, daß Angeklagte nicht mehr als Angeklagte, sondern als Staatsfeinde behandelt werden, die es politisch und militärisch unschädlich zu machen gilt, ist identisch mit der Frage, welche und wessen Interessen dadurch geschützt werden sollen. Nach offizieller Lesart ist es die Allgemeinheit der Staatsbürger, wie sie die ... wie die ... ist es die Allgemeinheit der Staatsbürger, wo die, die Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland angeblich dem gemeinen Wohl dienen soll. Zwar hat es zur Vorbereitung und Anheizung des politischen Klimas für diese Hauptverhandlung an organisierten staatlichen Versuchen, der Bevölkerung der BRD zu suggerieren, die Aktionen der RAF seien gegen sie gerichtet, nicht gefehlt. In der Anklageschrift vermögen wir jedoch den Vorwurf von Aktionen gegen die Allgemeinheit der Staatsbürger nicht zu finden. Wir lesen stattdessen von gezielten Angriffen gegen in- oder ausländische öffentliche oder private Institutionen, die nichts mit der vielbeschworenen Allgemeinheit, aber sehr viel mit der nationalen und internationalen Aufrechterhaltung und Sicherung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Herrschaftsordnung in der BRD zu tun haben. Daß diese Herrschaftsordnung nicht irgendeine, sondern eine kapitalistische [3336] ist, in der die große Mehrheit der Bevölkerung von der Minderheit der Eigentümer von Produktionsmittel abhängig[s] ist, ist ein offenes Geheimnis. In diesen Verfahren geht es also um den Schutz eines durchaus partikularen Interesses, dem nationalen und internationalen Interesse am Fortbestand des Kapitalverhältnisses und der von ihm produzierten wirtschaftlichen und sozialen Abhängigkeit der Mehrheit der Bevölkerung. Zur Tradition dieses Interesses gehört es, daß es sich um Menschenrechte und Menschenwürde noch nie gekümmert hat, wenn es sich in Gefahr sah und zur Selbstverteidigung geschritten ist. Es ist dieses Interesse, das sich in den äußeren Bedingungen dieses Verfahrens in der Beseitigung aller materialen Rechtsförmigkeit unmittelbar durchsetzt. Es zielt darauf ab, politische Positionen, die es theoretisch und praktisch ablehnen, die Welt des Kapitalismus als die beste aller Welten zu preisen, zu isolieren, zu ersticken und unschädlich zu machen. Zum militärischen Gepräge dieses Verfahrens ... gehörte ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich dazwischenrein fragen, was das nun weiterhin soll ...

RA Sch[ily]:

Ich will ...

Vors.:

... wir kennen doch den Inhalt.

RA Sch[ily]:

... wegen dem Ablehnungsgesuch klarmachen und ja den zur Entscheidung berufenen Richtern vermitteln, was sie alles den ... einem Verteidiger verbieten wollen, zu äußern, das glaub ich ...

Vors.:

Trauen ...

RA Sch[ily]:

... ist wichtig, daß er das in vollem Wortlaut erfährt. Der ...

Vors.:

Trauen Sie uns nicht zu, daß erstens wir den Inhalt kennen und zweitens, daß wir auch lesen können?

RA Sch[ily]:

Nein, ich traue Ihnen aber nicht zu, nach der Strafprozeßordnung, daß Sie selber über Ihr eigenes Ablehnungsgesuch entscheiden.

Vors.:

Aber ich muß Sie jetzt doch zu tunlichster ...

RA Sch[ily]:

... und ...

Vors.:

... Kürze veranlassen.

[3337] RA Sch[ily]:

Nein, nein ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... da haben Sie überhaupt kein Recht dazu. Ich werde den Sachverhalt so vortragen, wie ich es für erforderlich ...

Vors.:

... nun ...

RA Sch[ily]:

... halte, denn der zur Entscheidung berufene Richter soll wissen, wenn es Ihnen nicht paßt, dann sagen Sie’s. Aber der ...

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, die zur Entscheidung berufenen Richter sind im Stande, das zu lesen ...

RA Sch[ily]:

Das ...

Vors.:

... es genügte der Hinweis ...

RA Sch[ily]:

Nein, nein, die sollen ja ...

Vors.:

... oder legen Sie Wert darauf, daß es vorgetragen wird in der Öffentlichkeit ...

RA Sch[ily]:

... nein, nein. Man soll das[t] Ablehnungsgesuch vollständig nicht auf Akten verweisen, sondern das geht allenfalls zur Glaubhaftmachung. Aber der Sachverhalt soll vollständig vorgetragen werden und das werden Sie nicht verhindern, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich bitte Sie also nochmals um Kürze.

RA Sch[ily]:

Ne, da ist überhaupt gar keine Kürze angebracht, ich weiß gar nicht, was das soll, ich meine, vielleicht ist es Ihnen unangenehm, das kann ich verstehen, aber, aber das ... darum geht’s ja nicht.

Ende von Band 190

[3338] RA Sch[ily]:

Zum militärischen Gepräge dieses Verfahrens gehört ein großes Kriegsgeschrei, das in den Monaten vor Beginn dieser Hauptverhandlung vor politischen Exekutivorganen aller Couleur vom Bundeskanzler abwärts zu hören war. Wir hörten viel von der Solidarität aller Demokraten und von der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Diese Beschwörungen von Einheit, Freiheit und Demokratie begleiten eine politische Entwicklung in der BRD, in der von realer Demokratie und politischer Freiheit nichts, von willkürlicher politischer Herrschaft, von politischer Bespitzelung, Beschnüffelung und Unterdrückung jedoch viel zu spüren ist. Im politischen Hintergrund dieses Verfahrens lauert das Gespenst des Faschismus, von dem Berthold Brecht am Ende seines Theaterstücks „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ meinte „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch“. Soweit das Zitat des Antrages des Kollegen von Plottnitz, der in seiner, in seinem gesamten Inhalt dazu dienen soll, die Entpflichtung des Kollegen zu begründen. Und daß es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt, das zeigt sich schon daran, daß hier eigentlich nur so allgemeine Floskeln angeboten werden, auch unter mißbräuchlicher Verwendung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, daß aber überhaupt nicht auf die Rechtsfrage eingegangen wird. Aber das, wie gesagt, überrascht uns nicht mehr und vielleicht kann man in dem Zusammenhang einfach einmal eine dpa-Meldung aus der vergangenen Woche zitieren, da hieß es über den Beschluß über die Zurückweisung der Kollegen Golzem, Köncke und Spangenberg: „Eine Begründung gab das Gericht für diesen Beschluß nicht. Der Beschluß stützt sich vermutlich auf die Strafprozeßordnung.“ Also vermutlich auf die Strafprozeßordnung, das ist allenfalls noch eine Vermutung. Und da bin ich nun angelangt, bei der nächsten, dem weiteren Teil des Ablehnungsgesuches, nämlich bei dem Beschluß vom 4.11.75, an dem alle abgelehnten Richter[u] [3339] mitgewirkt und dem alle abgelehnten Richter zugestimmt hatten. Mit diesem Beschluß sind die Kollegen Golzem, Köncke und Spangenberg aus der Verteidigung ausgeschlossen worden, nachdem sie an mehreren Tagen bereits an der Hauptverhandlung teilgenommen hatten. Zur Glaubhaftmachung wird auf dienstliche Erklärung der abgelehnten Richter sowie auf den bei den Gerichtsakten befindlichen Beschluß vom 4.11.75 Bezug genommen. Zur Begründung wird die Tatsache benutzt, daß die Kollegen zugleich in einem Verfahren in Kaiserslautern als Verteidiger tätig sind, bzw. waren gegen Grundmann, Jünschke.[53] Zur Glaubhaftmachung wird auf die vorbezeichneten Mittel zur Glaubhaftmachung verwiesen. Auch dieser Beschluß, auch diesem Beschluß gegenüber ist die Kritik berechtigt, daß es sich um eine willkürliche Maßnahme handelt. Und zwar kann das an mehreren Gesichtspunkten erläutert werden. Das betrifft zunächst einmal die Tatsache, daß wenn das Gericht es für passend oder unpassend jeweils hält, es natürlich mit der gleichen Begründung beispielsweise meine weitere Tätigkeit als Verteidiger unterbinden könnten. Dem Gericht ist bekannt, dem Gericht ist bekannt, daß ich Verteidiger war und bin der Angeklagten Ingrid Schubert,[54] die in einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin zur Hauptverhandlung unter Anklage stand vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin. Das Verfahren ist gegenwärtig in der Revisionsinstanz anhängig. Auch dort handelt es sich um Tatbestände, die sich mit dem § 129[ StGB][55] beschäftigen, die offenbar hier als das Verbindungsglied, diese Vorschrift hier als Verbindungsglied benutzt werden soll. Das ist diese Tatsache, dem, den abgelehnten Richtern selbstverständlich bekannt und sie haben auch daraus keine Folgerung bisher gezogen, weil sie die richtige Rechtsauffassung wohl bisher vertreten haben, daß das eine Verteidigung in diesem Verfahren nicht hindert. Nur als die Verteidigung verstärkt wurde und zwar in einem Grade, der vielleicht erkennbar werden ließ, [3340] daß hier vielleicht eine Verteidigungsstärke wieder vorhanden ist, die überhaupt den Ansatz zu einer Verteidigung, bei dem man den Ansatz zu einer realen Verteidigung möglicherweise wiedergewinnen konnte, genau in dem Zeitpunkt wird nun in einer willkürlichen Auswahl, werden diese Kollegen wieder aus dem Verfahren herauskatapultiert. Mit einer, mit einer vollkommen unschlüssigen Begründung. Die unter anderem einen Satz enthält, der sehr aufschlußreich ist, auf Seite 2. Da heißt es in Abwehr der Argumentation der Verteidigung, daß die Überleitungsvorschrift in Art. 17, Abs. 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 1974[56] nur von einem Verfahren spricht. Da heißt es in der Begründung: „alle unter § 146 der Strafprozeßordnung zu ziehenden Fälle hier aufzunehmen, hätte unverhältnismäßig großer Aufwendungen bedurft.“ Ja was soll man denn von einer solchen Begründung halten. Also daß die Klarheit eines Gesetzestextes unverhältnismäßig großer Aufwendungen bedurft hätte, wenn man hier schon meint, man könnte diese Gesetzesbestimmung in der gewünschten Weise interpretieren. Hier wird nur ein Ergebnis vorweggenommen und dann eine Begründung in Form eines Prokrustesbett sich zurechtgezimmert. Und wir dürfen ja nicht übersehen: In welchem Zeitpunkt wird den, in welchem Zeitpunkt wird denn hier Verteidigung weiter zurückgedrängt? In welchem Zeitpunkt geschieht denn das? Frau Kollegin Becker ist als Mitverteidigerin entbunden worden. Der Referendar Dr. Temming wird sozusagen auf dem Umwege über den Landgericht ... über das Landgericht Stuttgart zurückgezogen. Es wird dem Referendar Dr. Düx die weitere Tätigkeit als Verteidiger unterbunden. Es wird von Plottnitz, es werden drei Verteidiger, es geht immer schneller und der Zeitpunkt ist abzusehen, wo natürlich auch die weitere Verteidigung der Kollegen Riedel, Dr. Heldmann und möglicherweise meine, wo man das alles allmählich in der Form einer Salamitaktik, oder wie Sie das dann vielleicht bezeichnen wollen, wo [3341] das weggeschoben, abgebaut wird. Das ist abzusehen. Man macht es nicht so, in einem Schlag, das wäre zu deutlich. Es wird, allmählich wird das gemacht.

Und wann macht man das, wann macht man das?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Zwischenfrage, darf ich mir die erlauben? Wollen Sie dem Senat die Verteidigung, die der Herr[v] Referendar Düx nicht mehr ausüben kann, anlasten im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch?

RA Sch[ily]:

Nein, aber ...

Angekl. E[nsslin]:

Allerdings.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, es geht darum daß, es ist ja immerhin ein merkwürdiger, dann Simultanität, die dann zustande kommt. Sie mögen sagen, das ist ein Naturereignis, daß sowas stattfindet ...

Vors.:

Gut, also Sie sagen ...

RA Sch[ily]:

... das kann ja, Sie werden sicherlich denken daß ein Naturereignis, das kommt so alles ganz zufällig, aber ...

Vors.:

Aber mit dem Senat hat es nicht zu tun, das darf ich Ihnen sagen.

Angekl. M[einhof]:

Wieso, Sie haben doch hier versucht durch[w] Tricks rauszukriegen, weil die Bundesanwaltschaft hat die Sache angeprangert beim OLG.

Angekl. B[aader]:

Das ist doch sehr einfach. Sie geben die Empfehlung in der Verhandlung und die Bundesanwaltschaft benachrichtigt die entsprechenden Gerichte, Oberlandesgericht ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich habe bloß das klären wollen, ob das auch ein Ablehnungsgrund ist ...

RA Sch[ily]:

Ich habe auch darauf hingewiesen, daß das ...

Vors.:

... Sie sagten nein, damit hat es sich.

RA Sch[ily]:

... daß das alles gleichzeitig stattfindet und daß man also die Verteidigung, daß die, daß die Verteidigung zurückgedrängt werden soll und auf einen, sozusagen auf Null gebracht werden soll, das ist doch die Tendenz, die Sie hier ganz klar, und daß sich diese Tendenz beschleunigt in diesem Moment, das liegt daran, daß nun die Propaganda die Sie seit [3342] Jahr und Tag betreiben, die Propaganda es gäbe keine Isolation, daß diese Propaganda nun inzwischen stumpf geworden ist und zwar weil sich die Gutachter, die hier hinzugezogen worden sind, haben nicht, daß sie ihren ärztlichen Verpflichtungen nachgekommen sind, und daß sie sich nicht dazu haben hergegeben, zu sagen, es gibt die Isolation nicht, sondern die Isolation bestätigt haben. Und der Bundesgerichtshof, der hat ja nun auch das bekennen müssen, der hat ja selbst geschrieben, im Gegensatz zu Ihnen, Sie versuchen ja immer noch ein bißchen da die Fassade aufrechtzuerhalten, aber der Bundesgerichtshof hat jetzt selbst in seinen Beschluß hineingeschrieben „isolierende Maßnahmen“ und hat die Flucht nach vorne angetreten. Die Flucht nach vorne und hat gemeint, ja Isolation mag mit Vernichtung, Zerstörung der Gesundheit verbunden sein, aber das haben sich dann diejenigen, die hier an ihrer Gesundheit beschädigt, deren Gesundheit zerstört wird, selbst zuzuschreiben.[57] Das ist eine makabre Logik, eine makabere Logik, die Sie sich da in diesem Beschluß des Bundesgerichtshofs, auf den[x] wir aber sicherlich an anderer Stelle nocheinmal eingehen werden, daß eine makabere Logik, die sich dort dokumentiert, wenn gesagt wird, die Gefangenen haben sich das selbst zuzuschreiben; wenn sie ihre Gesinnung nicht aufgeben, dann müssen sie ja eben mit diesen Maßnahmen rechnen und dann haben sie es sich selbst zuzuschreiben. Man kann ja dann einen Satz auch so formulieren, wenn ein Gefangener seine Gesinnung nicht ändert, dann müssen wir ihn halt der Tortur unterwerfen. Und dann hat er sich selbst zuzuschreiben, dann hat er sich selbst zuzuschreiben. Und wissen Sie, daß Isolation, das wird ja immer auch in dem Beschluß des Bundesgerichtshofes als bloße Agitation, als bloße Agitation der Verteidigung hingestellt, aber vielleicht darf man mal zitieren aus einem ...

Vors.:

Ich darf Sie jetzt bitten zur Sache zu kommen Herr Rechtsanwalt, Sie sprechen ...

[3343] RA Sch[ily]:

Das ist die Sache Herr Vorsitzender, das ist die Sache.

Vors.:

Nein, Sie sprechen im Augenblick zum Punkte drei, das heißt die Ablehnung des Senates wegen des Beschlusses, nach dem die Rechtsanwälte Spangenberg, Golzem und Köncke hier nicht auftreten können, nicht [§ ]146[ StPO] ...

RA Sch[ily]:

Genau, genau und in diesem Zusammenhang halte ich es für erforderlich darauf hinzuweisen, in welchem Zeitpunkt diese Entscheidung getroffen wird, daß das nicht so von ungefähr kommt, daß Sie sich ...

Vors.:

Ich halte es für erforderlich darauf hinzuweisen, daß das, was Sie jetzt ausführen zu dieser Begründung nicht mehr den Bezug hat, den man nicht als Weitschweifigkeit sonst[y] bezeichnen könnte. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis.

RA Sch[ily]:

Ach Herr Vorsitzender, wissen Sie, nein ich nehme das nicht zur Kenntnis da, weil das unrichtig ist, Ihre Auffassung. Und ich begründe meine Ablehnungsgesuche, wie ich das aus der Sicht meiner Mandantin für erforderlich halte, denn das ist ja das Ablehnungsgesuch von Frau Ensslin, wie Sie vielleicht wissen, denn ein Ablehnungsrecht des Verteidigers gibt es ja nicht und da halte ich es sehr für, da es auch auf, gerade auf den subjektiven Standpunkt ankommt. Ich halte es für sehr wichtig, auf den Zeitpunkt einzugehen, indem solche Maßnahmen getroffen werden. Ich war bei dem Punkt zu sagen, es wird hier immer als Agitation hingestellt, Isolation, aber vielleicht können Sie einmal die Aufmerksamkeit darauf richten, daß eine Reihe von Autoren aus dem Schweizer und dem französischen Rechtsbereich durchaus die Auffassung vertreten, die ich zitiere hier aus der Zeitung, aus der Zeitschrift „Grundrechte. Die Rechtsprechung in Europa“, Heft 26 vom 31. Oktober 1975, auf Seite 506, in der über eine Entscheidung zur Einzelhaft gesprochen wird, aus dem Schweizer Rechtsbereich. Ich zitiere daraus: „Nach Ansicht vieler Autoren bezweckt [3344] die strenge Einzelhaft einen Druck auf den Angeschuldigten auszuüben, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen. Sie ist gar als Nachfolgerin der Tortur bezeichnet worden ...“

Vors.:

Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort, weil Sie nicht mehr beim Sachgegenstand bleiben.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie können mir doch nicht in der Begründung eines Ablehnungsgesuches das Wort entziehen, wie wollen Sie denn das verantworten mit Ihren richterlichen Aufgaben?

Vors.:

Ich kann es verantworten. Mit den Aufgaben ...

RA Sch[ily]:

Wollen Sie da nicht wiederum Ihre Voreingenommenheit, wollen Sie wiederum Ihre Voreingenommenheit unter[z] Beweis stellen? Ich müßte das Ablehnungsgesuch namens meiner Mandantin auch auf die Wortentziehung ... Zur Glaubhaftmachung verweise ich auf Ihre dienstliche Erklärung und auf das Sitzungsprotokoll.

Vors.:

Ist das als Beanstandung zu verstehen?

RA Sch[ily]:

Nein, ich nehme das gar nicht zur Kenntnis, Ihre Wortentziehung, weil Sie als ablehnender Richter ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie werden es zur Kenntnis nehmen müssen.

RA Sch[ily]:

... abgelehnter Richter hier gar nicht das Recht haben, mir mitten in der Ablehnungsbegründung das Wort zu entziehen.

Vors.:

Es ist Ihnen entzogen, bitte halten Sie sich an diese Verfügung.

RA Sch[ily]:

Wie wollen Sie das, wie wollen Sie das verantworten? Mit welcher Begründung?

Vors.:

Ich kann es verantworten. Ich habe die Prozeßleitung hier.

Angekl. B[aader]:

Sie können alles verantworten.

RA Sch[ily]:

Na ja, es ist bezeichnend, daß das Wort ...

Vors.:

Ich möchte jetzt ...

Mehrere Rechtsanwälte sprechen unverständlich durcheinander.

[3345] Vors.:

Ich möchte jetzt die Bundesanwaltschaft fragen, kennen Sie dieses Schreiben an den Herrn leitenden Regierungsdirektor Nusser? Kennen Sie das Schreiben an den Herrn leitenden Regierungsdirektor Nusser? Sonst hätte ich es hier bekannt gegeben. Wenn es Ihnen aber geläufig ist, so daß Sie es eventuell in Ihre Stellungnahme mit einbeziehen können? ...

BA Dr. W[under]:

Es ist bekannt.

RA O[berwinder]:

Ja kommt denn keiner mehr hier zu Wort, wenn der Herr Schily das Wort entzogen bekommen hat?

Vors.:

Ich habe nur die Gelegenheit benützt, solange eine Weiterführung der Verhandlung durch die Äußerung von Herrn Rechtsanwalt Schily nicht mehr möglich war, wenigstens diese Frage zu klären. Wollen Sie jetzt das Wort haben? Hatten Sie nicht schon einen Antrag gestellt?

RA Sch[ily]:

Ja, ich beanstande die Wortentziehung, das haben Sie ja doch vielleicht gehört.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen:

Es bleibt beim Wortentzug wegen Weitschweifigkeit und fehlendem Sachzusammenhang.

RA O[berwinder]:

Wo ist denn da eine Weitschweifigkeit.

Beifall im Saal.

Vors.:

Bitte ... ich bitte im Saal um Ruhe. Bitte, Sie machen dem Gericht zusätzliche Schwierigkeiten.

RA Sch[ily]:

... Aktionen ...

Angekl. B[aader]:

Jubelperser, ja.

Vors.:

Darf ich bitten.

RA Sch[ily]:

Das mit der ... die hier ist.

RA M[üller]:

... daß der Wortentzug unzulässig ist, weil ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, auch damit kennzeichnen Sie sich selbst. Wenn Sie glauben, wir suchten das Publikum aus, oder das irgendwie hier andeuten wollen, dann sind Sie gewaltig im Irrtum.

Angekl. B[aader]:

... daß hier der Bundesgrenzschutz drin war, schon dreimal.

[3346] Vors.:

Herr Baader, seien Sie ruhig. Wer will noch das Wort,[aa] der es noch nicht gehabt hat. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie hatten das Wort bereits.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich hatte es zu den bisherigen Ablehnungstatbeständen, nicht jedoch zu einem neuen, der hier entstanden ist.

Vors.:

Bereits gestellt. Herr Rechtsanwalt Müller.

RA M[üller]:

Ich ergänze die Begründung für das Ablehnungsgesuch wie folgendermaßen: ...

RA Mairgünther verläßt um 11.00 Uhr den Sitzungssaal.

Die Entpflichtung des Rechtsanwalts von Plottnitz kann man nicht isoliert betrachten. Sie ordnet sich ein. Sie ist der vorläufige Abschluß der jahrelangen Zerschlagung der Verteidigung, der Versuche, die Verteidigung zu zerschlagen durch den Staatsschutz der Bundesrepublik Deutschland. Es ist vorläufig die letzte Aktion dieser Art und es wird nicht die letzte bleiben, denn die Zerschlagung meint natürlich nicht, die Verteidigung als solche, etwa die Individuen der Verteidiger, die Anwälte, sondern ihre Funktion, die sie von Anfang an hier in diesem Verfahren als Verteidiger, als Anwälte der Gefangenen aus der Roten-Armee-Fraktion gehabt haben. Es ging nämlich niemals um die Juristische Sicherung alleine, um die Sicherung der juristischen Rechte der Beschuldigten und später der Angeklagten,[58] sondern es ging in erster Linie, und das war immer der Streitpunkt, um die Sicherung ihres existenziellen Lebens. Von Anfang an ist, sind die Maßnahmen des Staatsschutzes gegen die Verteidiger immer ausgelöst worden durch den Widerstand der Verteidigung gegen die Vernichtung der Gefangenen aus der Roten-Armee-Fraktion. Die Hetze in der Presse, der Ausschluß vor dem Prozeß, der Ausschluß jetzt, der faktische Ausschluß jetzt im Prozeß, jetzt die Entpflichtung, das alles soll die Sicherungsschutzfunktion der Verteidigung unmöglich zu[bb] machen, um endlich nach Zerschlagung den Zugriff auf die Gefangenen frei zu haben. Die Schutzfunktion der Verteidiger, die nur das Gesetzbuch haben und jetzt noch nicht mal das Gesetzbuch, denn hier wird seit einigen Wochen nach Senat, ja also Recht kann ich nicht mehr

[3347] - RA.Mairgünther erscheint wieder um 11.02[cc] Uhr. -

sagen, weil das Recht nicht ersetzbar ist, es wird nach Senatsregelungen entschieden, die bis zu den höchsten Gerichten der Bundesrepublik Deutschland abgesichert werden, politisch abgesichert werden. Diese Schutzfunktion kann nur darin bestehen, daß die Verteidiger offenlegen, was hier passiert. Das ist ihre konkrete Aufgabe, und um sie an der Wahrnehmung dieser konkreten Aufgabe, die immer zum Schutze ihrer Mandanten da ist, zu hindern, werden hier diese Ausschlüsse, Entpflichtungen, Kriminalisierungen vorgenommen. Auch die Entpflichtung des Rechtsanwalts Plottnitz erfolgt im Zusammenhang mit dem Sachgegenstand der Grundlage dieses Verfahrens, nämlich die Gefangenen aus der Roten-Armee-Fraktion zu vernichten. Um das zu verdeutlichen: Es ist natürlich klar, daß man das, was man den Angeklagten vorwirft, den Gefangenen vorwirft, im Grunde vorwirft, nämlich eine revolutionäre Politik gemacht zu haben, am besten erreicht, indem man die Revolutionäre selbst vernichtet. Der Rechtsanwalt von Plottnitz ist entpflichtet worden aufgrund von Äußerungen, die er im Zusammenhang oder die er im Verlauf von Auseinandersetzungen gemacht hat, die gerade hier mit den Haftmaßnahmen, mit der Haftpraxis des Senates zusammenhängen, im Zusammenhang standen. Er hat also seine Schutzfunktion wahrgenommen. Wenn nun die Entpflichtung, wenn nun als Reaktion auf diese Sicherungsmaßnahmen des Verteidigers, auf den Versuch, auf seinen Versuch hier das Leben der Gefangenen zu schützen, als Reaktion darauf erfolgt seine Entpflicht- das heißt, er hier herausgenommen wird, dann ist, kann das Ziel nur sein, eine Lücke zu schaffen, durch die der Staatsschutz auf die Gefangenen zugehn kann. Um nicht immer nur vom Staatsschutz zu sprechen, es ist bisher deutlich gewesen, daß die Verteidigung nicht geknackt worden ist, sie konnte dezimiert werden, aber sie steht noch. Die Entpflichtung des Rechtsanwalts [3348] von Plottnitz ist natürlich auch in der Berechnung vorgenommen worden, daß die disziplinarische Wirkung einer solchen Verfügung die anderen Pflichtverteidiger und natürlich auch die Wahlverteidiger still macht. Stille Verteidiger, Herr Vorsitzender, das war ja Ihre Forderung am 28.10. Ein stiller Verteidiger zu sein, bedeutet aber bei der Vernichtung der Gefangenen mitzumachen. Wir wissen eben, weil wir es amtlich haben vom BGH, vom 3. Senat, vom 3. Strafsenat des höchsten Bundesgerichts in Strafsachen, vom 30.10., wissen wir eben, daß die betriebene Haftpraxis Vernichtung ist. Er sagt es offen, der dritte Senat. Hier kann daher der Verteidiger nur Verteidiger sein, wenn er die Vernichtung Vernichtung benennt. Die Entpflichtung des Rechtsanwalts von Plottnitz hat daher den Zweck, endlich zum Ziel, oder dem Endziel ein Stück weiter, ein Stück näher zu kommen, nämlich zum unmittelbaren Zugriff auf die Gefangenen. Glaubhaftmachung: Erstens die Verfügung vom 7.11.75, zweitens die Haftakten, drittens der Beschluß des BGH vom 30.10.75.

Vors.:

Sonstige Wortmeldungen. Herr Dr. Heldmann war wohl zuerst. Bitte.

RA Dr. H[eldmann]:

Wer war zuerst, meinen Sie.

Vors.:

Sie meldeten sich schon vorhin, ich meine vor Herrn Oberwinder.

RA Dr. H[eldmann]:

Für Herrn Baader erweitere ich die, das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing um die folgenden beiden Tatbestände

1. Sie haben einen dieser Verteidiger bei der, wie Sie durch Anschlüsse gesehen haben, in ihrem Ergebnis gemeinschaftlichen Richterablehnung das Wort entzogen und haben somit die Begründung seines Antrags vereitelt, seines Antrags, der gegen Sie selbst gerichtet war. Sie haben es begründet mit Weitschweifigkeit. Damit haben Sie ein Werturteil über den [3349] Inhalt dieser Antragsbegründung von sich gegeben, das Ihnen zustehen mag, etwa in einem Beschluß, in einer Entscheidung auf diesen Antrag, mit dem Sie jedoch das Werturteil nicht mitten in seiner Antragsbegründung einbrechen können, um diese zu stoppen. Sie haben offensichtlich angenommen, jedoch bei Ihrer Kenntnis der Strafprozeßordnung kaum anzunehmen, daß Sie es verkannt hätten, Sie könnten [§ ]29 Strafprozeßordnung: unaufschiebbare Richterhandlung,[59] zur Grundlage, als Grundlage für diese Vereitelung einer Antragsbegründung vorgeben. Jedoch kann kein Zweifel daran sein, daß zwar, wie es das Recht der Verhandlungsleitung des § 238 StPO dem Vorsitzenden gibt, auch die Befugnis umfaßt, Ausführungen der Prozeßbeteiligten wegen Weitschweifigkeit abzuschneiden. Sie können aber die Palette Ihrer Befugnisse aus der Verhandlungsleitung, so wie [§ ]238[ StPO] sie anzubieten scheint, die können Sie nicht übertragen, kurzerhand unbesehen und ungekürzt auf die Befugnis des abgelehnten Richters, nach § 29 Strafprozeßordnung,[60] eine unaufschiebbare Handlung, trotz bereits gestellten Ablehnungsantrags vorzunehmen, denn genau diese Begründung, die Sie hier angeboten haben: Weitschweifigkeit, die verbietet § 29[ StPO], wo es zulässige richterliche Handlungen auf unaufschiebbare reduziert.

Ende des Bandes 191.

[3350] RA Dr. Heldmann:

Die Regel gilt: Bloße Zweckmäßigkeit macht eine Sache nicht unaufschiebbar.

Als Sie Herrn Schily das Wort abgeschnitten, entzogen haben mit „weitschweifig begründet“, haben Sie hier den Gesichtspunkt der Prozeßökonomie, also des schnelleren Verhandlungsablaufs, den haben Sie vorgegeben, um eine Antragsbegründung zu vereiteln. Und genau das ist, was die Kommentare meinen, wo sie zur neuen ... und die Rechtsprechung meint, wo sie zu § 29[ StPO] sagt:

Bloße Zweckmäßigkeit macht die Sache nicht unaufschiebbar; d. h.: Sie haben abermals, wie Ihnen u.a. auch in diesen Ablehnungsantrag vorgeworfen wird, das Gesetz verletzt, speziell - und das qualifiziert diese Gesetzesverletzung als eine besonders beachtenswerte - speziell hier, wo ein Ablehnungsantrag gegen Sie selbst begründet werden sollte. Das ist voreingenommene, parteiliche Äußerung gegenüber dem Angeklagten.

Punkt 2:

Sie haben vorher Herrn Schilys Antragsbegründung unterbrochen mit der wörtlichen Äußerung:

Ich unterstelle, daß Sie das ernst meinen, was Sie da sagen.

Sie haben also während der Begründung eines Ablehnungsantrags, der sich gegen Sie selbst richtet, dieser Begründung selbst bereits eine abfällige Kritik hier in offener Hauptverhandlung angedeihen lassen. Das bedeutet abfälliges ... das bedeutet Vorwegnahme eines Unwerturteils über den Antrag selbst, wo Sie in solcher Weise - Antrag, der sich gegen Sie richtet in öffentlicher Hauptverhandlung - die Antragsbegründung versuchen, zu karikieren. Also: Es bedurfte erst einer Unterstellung, um den Inhalt dieser Antragsbegründung einer dem Antragsziel entsprechenden Würdigung überhaupt unterziehen zu können. Eine für einen Richter, der soeben sich seinen Ablehnungsantrag anzuhören hat, höchst erstaunliche Intervention in die Begründung eben desselben.

Nun könnte das Herrn Schily relativ gleichgültig sein, ob Sie mitten seiner Ablehnungsanträge unterbrechen und bereits Ihre Unwertkritik an der Anhalts... Antragsbegründung hier zum besten [3351] geben, wo Ihnen hierzu zu sprechen mit Sicherheit die StPO verwehrt.

Daß darin noch anderes lag, das haben Sie gezeigt mit dem Zeitpunkt dieser Unterbrechung, als nämlich Herr Schily Ihnen vorgeworfen hat, für das - Ablehnungstatbestand 1 in dieser Kette, was Sie hier zu Lasten der Gefangenen, also auch meines Mandanten Baader, geschrieben haben, d. h. Ihre kraft richterlicher Omnipotenz legitimierte Aufhebung ärztlicher Schweigepflicht, wo Herr Schily Ihnen dazu sagte, dafür fehlt jegliche Gesetzesgrundlage, da haben Sie interveniert, vorgegeben, es gäbe eine solche, die es natürlich nicht gibt. Sie haben Herrn Schily vor... Sie haben Herrn Schily provozieren wollen, Ihr vier Blätter langes Schreiben hier wörtlich zu verlesen, wo es, wie Herr Schily ja gezeigt hat, in der knapp bemessenen Zeit Wichtigeres zu verlesen gibt. Aber ich möchte dieser Aufforderung insoweit folgen.

Sie haben gesagt:

Die Rechtslage in Nr. 56 Abs. 1 U-Haft-VollzugsO[61] berechtigte - so haben Sie vorgegeben - berechtigte Sie, die von außen zur Behandlung zuzuziehenden Ärzte von ihrer ärztlichen Schweigepflicht, die durch das StGB sanktioniert wird, zu befreien. Der von Ihnen dafür zitierte Text heißt:

Die gesundheitliche ...

- Ich zitiere aus Ihrem Schreiben -:

„Die gesundheitliche Betreuung des Untersuchungsgefangenen obliegt dem Anstaltsarzt.

Mit Zustimmung des Richters und nach Anhörung des Anstaltsarztes kann dem Gefangenen gestattet werden, auf eigene Kosten einen beratenden Arzt hinzuzuziehen.“

- Ende dieses Zitats, auf welches Sie, so scheint es, da die StPO, da ein anderes Gesetz dafür nichts hergibt, Ihre ... Ihr Dekret, wie ich es vorhin genannt habe, und dabei möchte ich einmal bleiben, weil es die Sache wohl am besten trifft, begründen zu können; -

stützen dann diesen Begründungsversuch fälschlich auf ein aus Loewe-Rosenberg angeblich entnommenes Zitat, das natürlich [3352] dort ganz anders lautet, als Sie es hier gekennzeichnet durch An- und Ausführungsstriche als Zitat wiedergegeben ... wiedergeben, wo Sie schreiben:

Diese Regelung ist nicht nur als abgewogener Niederschlag langjähriger Erfahrung anzuerkennen,

schreibt an der Zitatstelle, die Sie dafür ausweisen, schreiben die Kommentatoren:

Sie - nämlich diese Vollzugsordnung, die kein Gesetz ist - sie beruht auf der Anerkennung einer weitgehend wohl abgewogenen Regelung, die der Niederschlag jahrzehntelanger Erfahrung ist.

Die Zitate differieren erheblich.

Gleichwohl meinten Sie, Herrn Schily dazu pressen zu sollen, Ihr ganzes Schreiben - vier Seiten lang - hier vorzulesen. Ich wiederhole: Wo es an diesem Moment Wichtigeres vorzulesen gab.

Was Sie aber nicht, obgleich zumindest Abgewogenheit richterlichen ... richterlicher Entscheidung das verlangt hätte, aus eben dieser Stelle bei Loewe-Rosenberg zitieren, ist:

Im Verhältnis zum Richter sind sie - die Bestimmungen nämlich dieser U-Haft-VollzugsO - im Verhältnis zum Richter sind sie unverbindlich. So jedenfalls sieht das BVerfG das.[62] Die Fundstelle ist dort zitiert und mit gutem Grund; denn Grundrechtseingriffe sind, das wissen wir seit Jahren, soweit wir die Rechtsprechung des BVerfG zu den Grundrechten nach dem GG verfolgt haben, Eingriffe in Grundrechte oder grundrechtsgleiche Positionen sind zulässig nur da, wo es für sie eine Gesetzesgrundlage gibt. Und selbstverständlich weiß jeder Richter, daß die U-Haft-VollzugsO für Grundrechtsbeschränkungen keine Grundlage ist. Keinen Richter können die wesentlichen Entscheidungen, von ... nicht nur eine, weil sie die Einschlägigste ist, nennen, die im 32. Bd. mit der Aufhebung grundrechtsbeschränkende Eingriffe der Justizvollzugsverwaltung in die Grundrechte eines Strafgefangenen aufgehoben, d. h. [3353] nicht aufgehoben, aber für unzulässig erklärt mangels Gesetzesgrundlage.[63] Also jeder Richter weiß, daß für Grundrechtseingriffe wie hier Eingriffe in die körperliche Integrität durch Versa... faktische Versagung einer Behandlung durch Ärzte der Wahl, Beratung unter Wahrung des Arztgeheimnisses und - Eingriffe insoweit in Art. 2 d. GG[64] - und Eingriff in die Basisnorm unseres ... des Grundrechtsteils unserer Verfassung in Art. 1, die unverletzbare, unverlierbare, unverwirkbare, unantastbare Menschenwürde,

wo Sie daraus bar jeder Grundlage herleiten, Herr Baader habe sozusagen seinen Rechtsanspruch auf Wahrung des Arztgeheimnisses durch den ihn behandelnden Arzt verwirkt aufgrund einer U-Haft-VollzugsO, deren Rechtscharakter als ein Rechtscharakter ja überhaupt nicht anzuerkennen ist, wie jeder von uns weiß oder zumindest wissen kann.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich bin auch Ihnen gegenüber verpflichtet, auf die tunliche Kürze hinzuweisen.

Dieser Satz steht ja in meinem Schreiben drinne. Es heißt ausdrücklich:

Auch wenn sie den Richter nicht bindet.

Es bedarf also dazu keiner weiteren. Ausführung, um die Richter von diesem Tatbestand zu unterrichten.

RA Dr. He[ldmann]:

Dann aber um so intensiver erhebt sich die Frage, warum Sie mit solchen Formulierungen, denn die Regelung ist anzuerkennen, das „ist“ stammt von Ihnen, das haben Sie wohlweislich nicht dem Loewe-Rosenberg entnommen, weil es dort nicht zu finden ist, jedoch in dem ... in der Zusammenfügung Ihres eigenen Textes mit dem angeblichen, aber ja nicht wörtlich zitierten bzw. gar nicht zitierten Text von Loewe-Rosenberg geben Sie vor - an die Adresse des Vollzugsleiters, an die Adresse der Ärzte -, hier hätten Sie die Rechtsgrundlage, um Herrn Baader um die Achtung der von ihm zu beanspruchenden Wahrung ärztlicher Schweigepflicht zu bringen.

Das war der Vorgang, der zu Ihrer ersten erheblichen Unterbrechung des Kollegen Schily geführt hat, wobei Sie angesetzt haben nicht nur an der Frage, wie Herr Schily sie verneinend aufgeworfen hat, dafür ... daß dafür eine Gesetzesgrundlage nicht [3354] existiere, sondern wo Sie auch in Zweifel gesetzt haben, daß die einheitlichen Mindestgrundsätze der UNO, die ja genau unsere Anträge auf Untersuchung und Behandlung durch Ärzte der Wahl - wenn auch auf eigene Kosten - stützen, daß diese in der B. Republik doch sicher nicht rechtens seien, nicht einmal Verpflichtungserklärungen, allenfalls Empfehlungen. Wo die Vereinten Nationen einen Minimum Konsens über den Minimumstandard für die Behandlung von Untersuchungsgefangenen gefunden haben, da sollte der, wo es sich um einen Generalkonsens, der in den UN Vereinten Nationen handelt, da sollte der nicht als ein juristisches Nihil[dd] abgetan werden dürfen, sondern sollte anerkannt werden als allgemein anerkanntes Völkerrecht, das zumindest - mag es auch sonstwo noch gebrochen werden - zumindest in einem Staat, der auf seine Rechtskultur sich etwas zugute tut, jedenfalls, nachdem ihm seine Verfassung rechtzeitig vor dem nächsten Eklat importiert worden war, ein solcher Staat sollte durch seine Organe, in Sonderheit die der Justiz, diesen Minimum Konsens der zivilisierten Rechtsgemeinschaften anerkennen und sie nicht als ein Nihil[ee] hinwegwischen, insbesondere hier, wo es um die körperliche physisch-psychische Existenz dieser Angeklagten geht.

Das sind die beiden neuen Ablehnungstatbestände, die sich gegen den Vorsitzenden Richter Herrn Dr. Prinzing richten. Zur Glaubhaftmachung - da ich mich insoweit nicht wie vorhin auf die uns alle vorliegenden Urkunden beziehen kann - zur Glaubhaftmachung benenne ich als Mittel

1. Tonbandprotokoll dieser Sitzung,

2. dienstliche Erklärung des Herrn Vorsitzenden Richters Dr. Prinzing.

Erlauben Sie mir bitte noch kurz eine Anmerkung.

Auch eines ist mir aufgefallen:

Als vorhin beim Kollegen, der nach mir gesprochen hat, die Rede wieder davon war, daß für die Entfernung der Verteidiger Köncke, Golzem, Spangenberg aus der Verteidigung in diesem Gericht eine Gesetzesgrundlage nicht vor- [3355] handen ist, daß jedenfalls § 146 StPO, den Sie dafür benannt haben, keine Grundlage gibt, daß es faktisch aber tatsächlich wahrhaftig es sich um eine Verteidigerausschließung handelt, da sah ich auf der Richterbank der soeben abgelehnten Richter hier und da Kopfschütteln. Darum sei einfach zur Verdeutlichung noch einmal darauf hingewiesen:

Sie haben das Gesetz verletzt, den § 146[ StPO]. Entweder haben Sie es dadurch getan, daß Sie entgegen § 146[ StPO], der Sie, wäre er anwendbar, in Richterpflicht nimmt, die Verteidigung von hier angeklagten Gefangenen durch Köncke, Spangenberg, Golzem bei Köncke fast ein Jahr lang entgegen § 146[ StPO] zugelassen haben; bei Köncke, vielmehr bei Spangenberg über einen Monat lang; bei Golzem über zwei Wochen lang und auch zugelassen haben, daß diese Verteidiger in dieser Verhandlung aufgetreten sind. Hätte § 146[ StPO] das verboten, dann hätten Sie § 146[ StPO] in dieser Weise verletzt. Natürlich wissen wir alle, daß Sie nicht in dieser Weise den § 146[ StPO] verletzt haben, sondern daß für diese Verteidigerausschließung, die Sie uns kurz vorm Rausgehen hier noch in die Hand drücken ließen, nach Be... Schluß der letzten Sitzung, auf § 146[ StPO] sich nicht stützen läßt, weil § 146[ StPO] eine solche Verteidigung ... Ausschließung von bereits zugelassenen und hier selbst in der Hauptverhandlung tätig gewordenen Verteidigern gar nicht zuläßt.

Soweit nur zum Kopfschütteln noch.

Vors.:

Herr RA Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Frau Meinhof schließt sich dem Ablehnungsgesuch der Gefangenen Baader und Ensslin an, das sich auf die rechtsmißbräuchliche Anwendung des § 146 StPO im Beschluß vorn 4.11.75 stützt gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Prinzing, die Richter Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker.

Wie die Kollegen Schily und Heldmann schon ausgeführt haben, ist die Anwendung des § 146[ StPO], wie dieser ganze Beschluß vom 4.11.75, im Kontext zu sehen mit dem Versuch, die Verteidigerbank hier wirklich zu reduzieren und aufzulösen. Wir sitzen heut’ bestimmt nicht freiwillig hier nur mit fünf Kollegen, sondern das hat das Gericht aufgrund der Ausschlüsse von Plottnitz, der RAe Köncke, Spangenberg, Golzem wie auch Dr. Temming zu verantworten.

[3356] Aber diese Anwendung von § 146 StPO i. S. d. Gerichts hat hier eine völlig neue Qualität.

Vors.:

Zwischenfrage zur Klärung bitte:

Wollen Sie den Ausschluß von dem Referendar Dr. Temming auch als Ablehnungsgrund gegen den Senat bringen?

RA Ob[erwinder]:

Ich möchte es hier nur auf den Tisch bringen.

Tatsache ist, daß ganz offensichtlich die Protokolle aus dieser Hauptverhandlung an alle LG-Präsidenten geschickt werden, die Dienstvorgesetzte dieser Leute sind.[65] Das ist offensichtlich, weil alle Einleitung der Verfahren sind diese Protokolle beigefügt.

Ich fahre fort:

Folgt man nämlich der vorn Gericht entgegen dem Wortlaut des § 146 StPO vertretenen Rechtsauffassung, § 146 StPO habe auch dann zur Anwendung zu kommen, wenn mehrere Personen beschuldigt werden, gemeinschaftlich eine Straftat begangen zu haben, gleichviel, ob gegen sie in demselben oder in verschiedenen Verfahren verhandelt werde, so können die Rechtsanwälte, die in Verfahren gegen die RAF verteidigen, künftig in keinem Fall mehr Mandate für Personen übernehmen, die der Zugehörigkeit zu, wie es im Gesetz heißt, „einer kriminellen Vereinigung“ beschuldigt werden; denn der gemeinsame Tatvorwurf, der nach Ansicht dieses Gerichts unabhängig vom konkreten Verfahren die Rechtsfolgen des § 146 StPO hervorruft, ist die Verwirklichung des § 129 StGB. Da § 129 StGB auch das Werben für und das Unterstützen einer kriminellen Vereinigung erfaßt, würde § 146 StPO auch die Übernahme eines Mandats für Personen, die der Werbung oder Unterstützung beschuldigt werden, für die in den anhängigen Verfahren tätigen Verteidigern künftig ausschließen.

Da nach der gewiß ernstzunehmenden Prognose des Leiters des BKAs Herold, daß der Kampf von Guerillagruppen aus objektiven Bedingungen entsteht, muß auch in Zukunft von einer Verstärkung und Vereinheitlichung der verschiedenen Gruppen ausgegangen werden. Daher würde der Vorwurf des § 129 StGB gegen eine Person in jedem Fall, also auch unabhängig von ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Organisation, die Sperrwirkung des § 146 StPO für einen Verteidiger auslösen, [3357] der schon einmal in einem Verfahren wegen § 129 StGB tätig war. Dies gelte auch unabhängig davon, ob das frühere Verfahren schon abgeschlossen ist oder nicht, da § 146 StPO nach der vom Gericht vertretenen Rechtsauffassung auch die Sukzessivverteidigung, d. h. die spätere Übernahme eines Mandats, auch nach Erlöschen des alten Mandatsverhältnisses verbietet.[66]

Denkt man also die vom Senat zu § 146 StPO vertretene Rechtsauffassung konsequent zu Ende, so ist eine politische Verteidigung, d. h. eine adäquate Verteidigung in politischen Verfahren - und hierin wird die Absicht deutlich - künftig nicht mehr möglich sein. An die Stelle bisher in aller Öffentlichkeit zu vollziehender mühsamer Ausschlüsse einzelner Verteidiger, wie wir sie hier gesehen haben, tritt, und das ist die neue Qualität, über das Vehikel § 146 StPO, das mit keinerlei Aufsehen verbundene angebliche gesetzliche Verbot der Mandatsübernahme.

Hält man sich zudem vor Augen, daß angesichts der ungeheuren und massiven Welle von Diskriminierung und Kriminalisierung, die gegen Verteidiger in politischen Strafverfahren bis zum heutigen Tag - RA v[on] Plottnitz und Dr. Temming sind hier die jüngsten Opfer - entfacht wird, immer weniger Rechtsanwälte zur Übernahme eines solchen Mandats bereit sein werden, wenn sie bei einer dem Verfahren adäquaten Verteidigung um[ff] ihre Existenz zu bangen haben, so ist binnen kürzester Zeit absehbar, daß Beschuldigte nach § 129 StPO überhaupt nicht mehr verteidigt werden.

Ich möchte jetzt noch darstellen, daß der Beschluß, gestützt auf § 146 StPO, auch rechtsdogmatisch überhaupt keinerlei Grundlage hat. § 146 StPO ordnet zwar die Unzulässigkeit der Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinsamen Verteidiger an, er verleiht dem erkennenden Gericht jedoch keinerlei Befugnis, das Vorliegen dieser Voraussetzung im konkreten Einzelfall festzustellen und aufgrund dieser Feststellung die Verteidigung an der Ausübung der Verteidigungstätigkeit zu hindern. Die Bedeutung des § 146 StPO ist u. a. darauf beschränkt, daß diese Regelung einem Verteidiger die [3358] Verteidigung mehrerer Beschuldigter verbietet, jedoch keinerlei Sanktion normiert, was zu geschehen hat, wenn ein Verteidiger entgegen dem Verbot mehrere Beschuldigte verteidigen sollte. Diese Auslegung erscheint nur dann nicht zwingend, wenn man außer Acht läßt, daß die Verteidigung von Beschuldigten zum Kern der Berufsausübung eines Rechtsanwalts gehört, also in Art. 12 Abs. 1 GG[67] grundrechtlich gegenüber staatlichen Eingriffen geschützt ist.

Aus dieser grundrechtlichen Gewährleistung der Verteidigung folgt, daß die Verteidigung von Beschuldigten keinerlei staatlicher Zulassung bedarf, sondern durch den Mandatsauftrag und Übernahme des Mandats ohne jegliche staatliche Reglementierung zustande kommt. Der Gesetzgeber hat nun zwar in § 146 StPO die Unzulässigkeit der Verteidigung mehrerer Beschuldigter normiert und die Verfassungsmäßigkeit dieser Normierung ist angesichts der Entscheidung des BVerfG, die in NJW 75, 1013[68] abgedruckt ist, nicht mehr sinnvoll anzuzweifeln; gleichwohl enthält diese Regelung nur ein materielles Verbot der Mehrfachverteidigung, ohne staatlichen Organen eine Sanktionsmöglichkeit zu verleihen, wenn ein Verteidiger entgegen diesem Verbot mehrere Beschuldigte verteidigen sollte.

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen auf die Entscheidung des BVerfG zum § 146[ StPO] a.F., wo es ausdrücklich heißt - § 146 Abs. 1 d. StPO selbst besagt -, aber über die Befugnisse des mit der Sache befaßten Strafrichters nicht.[69] Insofern unterscheidet sich auch die neue Fassung von der alten Fassung nicht. Das Gericht hatte also keinerlei Rechtsgrundlage, diesen Beschluß zu fassen.

Vors.:

Herr RA Mairgünther.

Angekl. Baa[der]:

Moment, moment.

Vors.:

Jetzt hat Herr RA Mairgünther im Augenblick sich ums Wort gemeldet. Der Zuruf „Moment, moment“ ist keine Wortmeldung, die ich vorher berücksichtigen konnte.

Herr Rechtsanwalt, bitte schön. Sie haben das Wort.

Angekl. Ra[spe]:

Nein, Ulrike ist jetzt dran.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie haben jetzt das Wort.

[3359] RA Mairg[ünther]:

Ich bitte doch ...

Vors.:

Nein, ich hab’s Ihnen jetzt erteilt. Ich bitte, sich dran zu halten. Sie haben sich gemeldet, und jetzt haben Sie die Gelegenheit.

Durcheinanderreden auf der Angeklagtenbank - unverständlich.

Es geht nicht, daß die Angeklagten durch plötzliche Zurufe, die nach Worterteilung an Sie, Herr Rechtsanwalt, erfolgen, mit „Moment, moment“ glauben, ...

Angekl. Ra[spe]:

Reden Sie doch kein dummes Zeug.

Angekl. Me[inhof]:

Was soll das denn?

Vors.:

... daß sie sich durchsetzen.

Angekl. Baa[der]:

Sie ignorieren doch grundsätzlich ...

Vors.:

Wenn die Angeklagten jetzt weiterhin stören, dann würde das Konsequenzen haben. Ich weise Sie darauf hin.

Herr RA Mairgünther, bitte schön.

Herr RA Mairgünther, Sie haben das Wort, ...

Angekl. Meinhof spricht unverständlich dazwischen.

Vors.:

... Frau Meinhof nicht.

RA Mairg[ünther]:

Herr Vorsitzender, ich habe nicht bedacht, daß schon vorher Frau Meinhof intern gesagt hatte, sie wolle sich nach Herrn Oberwinder zu Wort melden. Ich werde meine Wortmeldung jetzt also mit Ihrer Erlaubnis zurückstellen.

Vors.:

Haben Sie schon vorher von Frau Meinhof gehört, daß sie sich melden wolle?

RA Mairg[ünther]:

Sie wollte sich sogar schon vor Herrn Kollegen Oberwinder melden

Vors.:

Gut, Frau Meinhof.

Angekl. Me[inhof]:

... das nicht merken!

Angekl. Ra[spe]:

Hören Sie doch mal zu, abwechslungsweise.

Vors.:

Herr Raspe, seien Sie doch still.

Angekl. Ra[spe]:

Soso.

Angekl. Me[inhof]:

Die Abhängigkeit von Prinzing ist auch und gerade darin begründet, daß er als Instrument in diesem Netz von Maß- [3360] nahmen Staatsschutzmanöver rechtlich absichert. Wir würden allerdings sagen stümperhaft. So macht das natürlich nichts in einem Netz, in einem System, in dem er alle ju... alle juristischen ... aller juristischen Instanzen auf seiner Seite sicher sein kann. Aber die Maßnahmen, mit denen Prinzing hier gegen die Verteidigung zuschlägt, haben immerhin zwei Seiten:

Sie haben auf der einen Richtlinienfunktion, nämlich zielen darauf, das Rechts... das Rechtsinstitut der Wahlverteidigung vollständig zu vernichten und sie zielen gleichzeitig darauf, Anwälte, die politische Gefangene verteidigen, über ihre ... nur ihre Kanzleien vollständig zu ruinieren. Also es geht sowohl darum, daß es sich hier um die Vernichtung eines Rechts... des Rechtsinstituts der Wahlverteidigung geht wie um die Existenzvernichtung von Anwaltskanzleien.

Und da gehört das natürlich hin, daß das Methode und System hat, d. h. daß mit der Entpflichtung v[on] Plottnitz als ein Disziplinierungsmittel, das darauf zielt, die Anwälte ökonomisch zu ruinieren, sich das natürlich nahtlos anschließt an die Methoden bzw. an die Arbeitsweise des Staatsschutzes, mit der bisher versucht worden ist und zu denen es Erfahrungen gibt, über die Zerstörung der bürgerlichen Klientel der politischen Anwälte sie ökonomisch zu ruinieren und dadurch die politische Verteidigung unmöglich zu machen, weil die auf die bürgerliche Klientel als Finanzierungsmöglichkeit der politischen Verteidigung angewiesen ist.

Immerhin ist es so gelaufen, daß sich das ... daß sich der Staatsschutz bei Kanzleidurchsuchungen die Klientelkarteien, z. B. von Croissant, unter den Nagel gerissen hat und dann diese Klientel einzeln abgeklappert hat, um jeden einzelnen Mandanten mit Drei- und Viermanngruppen, um jeden einzelnen Mandanten von Croissant aus ... über Croissant selbst auszuhorchen, ihn einzuschüchtern, zu erpressen, den Versuch zu machen, aus Croissants Klientel rauszubrechen oder ihn gegen ihn als Polizeispitzel einzusetzen.

Vors.:

Frau Meinhof, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich mit meinem ...

[3361] Angekl. Me[inhof]:

Ist natürlich klar, Sie haben vorhin schon versucht ...

Vors.:

Frau Meinhof, ...

Angekl. Me[inhof]:

Ich rede jetzt weiter.

Vors.:

Frau Meinhof, Sie werden zuhören müssen.

Angekl. Meinhof spricht unverständlich weiter.

Vors.:

Frau Meinhof, hören Sie bitte zu. Es nützt nichts, wenn Sie so weiterreden. Sie müssen sich mit meinem Verhalten befassen, denn Sie lehnen ja mich ab und nicht den Staatsschutz. Es nützt also nichts, daß Sie jetzt dauernd den Staatsschutz hier beleuchten wollen. Ich müßte Ihnen sonst das Wort wegen Weitschweifigkeit ebenfalls entziehen.

Halten Sie sich dran.

Angekl. Ra[spe]:

Sie sind doch abgelehnt.

RA Ob[erwinder]:

Es geht doch um den Zusammenhang der Ausschlüsse, und da gehört der Kollege Croissant auch dazu, weil das ja nun wirklich ein durchgehender Strang ist vom Anfang dieses Verfahrens bis heute. Und warum sollte Frau Meinhof dazu nicht Stellung nehmen?

Angekl. Me[inhof]:

Ja.

RA Ob[erwinder]:

Der Zusammenhang, der liegt doch hier wirklich nach den Anträgen deutlich auf dem Tisch.

Vors.:

Ich bitte Sie, diese Mahnung zu berücksichtigen in Ihrem eigenen Interesse, Frau Meinhof.

Angekl. Me[inhof]:

Also ich wiederhole das nochmals:

... weil es sich um zwei Seiten einer Maßnahme handelt, die hier überhaupt nur deswegen möglich ist, weil der Staatsschutz Sie auf genau ... auf ... in genau diese Richtung vorbereitet und planiert hat und ...

Vors.:

Die Wiederholung ist unnötig, Frau Meinhof.

Angekl. Me[inhof]:

Natürlich.

Vors.:

Auch diese kann ich Ihnen nicht zulassen.

Fahren Sie dort fort, wo ich Grund hatte, Sie zu ermahnen.

RA Mairg[ünther]:

... aber doch unverständlich, weil unverständlich ist, wo die Abschweifung hier liegt.

Vors.:

Wir wissen’s, um was es ging.

RA Mairg[ünther]:

Ich weiß es auch nicht.

[3362] Vors.:

Ja nun - Sie können’s nachlesen nachher, wenn Sie wollen.

Angekl. Me[inhof]:

Also es ist einfach:

Worum’s geht, ist festzustellen, daß hier die Verteidigung liquidiert wird und zwar auf zwei Ebenen außerhalb und innerhalb des Verfahrens und Prinzing allerdings innerhalb dieser Strategie der Vernichtung der Verteidigung außerhalb und innerhalb des Verfahrens eine initiative Punktion hat und eine initiative Rolle spielt, was man z. B. daran sieht, daß er bei seinem Projekt, die Referendare hier auszuschließen, jetzt schließlich dazu übergegangen ist, die Stellen im Protokoll sozusagen vorsorglich anzustreichen, über die die B. Anwaltschaft dann sozusagen nur noch aufgrei... die die B. Anwaltschaft dann unmittelbar benutzen kann, um in den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken den Ausschluß der Anwälte bei den zuständigen Institutionen einzuleiten. Und das ist natürlich wichtig, weil das grundsätzlich und prinzipiell die Strategie des neuen Faschismus ist, sich nämlich außen und in den Institutionen zu entwickeln, und da hat Prinzing hier eine Schlüsselrolle. Auch wenn er sie schlecht spielt, auch wenn er sie stümperhaft spielt, auch wenn er ... ist es aber so, daß, wenn dieser kleine und kleinliche Mann fällt, dieser Staat bebt, weil dieser Staat seine, sein ganzes Prestige und seine ganze Omnipotenz auf diesen Richter gesetzt hat, so daß er, wie die Springerpresse inzwischen weiß, unersetzbar ist. Nachdem er von allen Ebenen hochgestützt, munitioniert worden ist, kann dieser Mann nicht fallen und wird dieser Ablehnungsantrag natürlich abgeschmiert. Aber die zwei Seiten der Sache, die Vernichtung einer Rechtsinstitution und sozusagen die Verrechtlichung der ökonomischen Ruinierung von politischer Verteidigung, die zwei Seiten der Sache sollte man sehen.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen?

Herr RA Mairgünther.

RA Mairg[ünther]:

Herr Vorsitzender, Frau Meinhof hat uns eben eine sehr düstere Prognose für den Ablehnungsantrag gegeben, aber wohl eine sehr realistische. Das kann mich aber nicht hindern daran, daß ich mich dem erweiterten Ablehnungsgesuch auch für meinen Mandanten Jan-Carl Raspe anschließe und in der gebotenen Kürze [3363] auf zwei Komplexe eingehe, die diesen erweiterten Ablehnungsantrag betreffen, zu dem ich also bisher noch nicht Stellung genommen habe.

Das ist einmal der rechtswidrige Ausschluß unserer Kollegen Golzem, Köncke und Spangenberg oder nach der Rangordnung des Senats Golzem, Spangenberg, Köncke; und es ist zu ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, die Angeklagten möchten jetzt aus Gesundheitsgründen den Saal verlassen.

Vors.:

Entschuldigung.

Es steht dem nichts im Wege. Die Angeklagten haben das Recht.[70] Ich bitte, die Angeklagten zu befragen, ob sie heute mittag an der Sitzung wieder teilnehmen wollen, sofern die Sitzung fortgesetzt werden sollte ...

Angekl. Baa[der]:

Das werden wir heute mittag feststellen.

Vors.:

Denn davon hängt es ab, ob Sie zurückgebracht werden können gleich oder ob Sie hier im Hause bleiben müssen.

Angekl. Baa[der]:

Das werden wir ja heute mittag feststellen.

Die Angeklagten Baader, Meinhof und Ensslin verlassen um 11.42 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, Sie können sicherlich jetzt mit Ihren Ausführungen beginnen.

RA Mairg[ünther]:

Herr Vorsitzender, ich würde es begrüßen, wenn ich die Ausführungen nachher in Gegenwart der Gefangenen fortsetzen könnte.

Vors.:

Nein, da können wir jetzt keine Rücksicht drauf nehmen. Sie haben jetzt die Gelegenheit, Ihre Ausführungen zu machen, Herr Rechtsanwalt.

Der Angeklagte Raspe ist ja auch anwesend.

RA Mairg[ünther]:

Schön. Nachdem Sie gesagt haben:

Wir können darauf keine Rücksicht nehmen,

möchte ich meine Ausführungen mit einem Zitat beginnen, das sicherlich die ungeteilte Zustimmung sowohl des Senats als auch der B. Anwaltschaft finden wird:

„Wenn Anwälte von Terroristen Ermahnungen des Gerichts ignorieren und weiter den Prozeßablauf stören, müssen sie mit dem Entzug ihres Mandats rechnen.“

[3364] Dieses Zitat hat vielleicht nur einen Schönheitsfehler: Es handelt sich um Art. 18 aus dem Gesetz zur Verhütung des Terrorismus vom 27.8.1975 eines Herrn Franco, der gegenwärtig von etwa nunmehr 30 Ärzten am Leben gehalten wird.[71]

Ich möchte bei dieser Gelegenheit einmal sagen:

Hätte man Holger Meins ein Hundertstel, ein Tausendstel dieser Fürsorge angedeihen lassen, würde er heute wohl noch leben. Lassen Sie mich zum Komplex [§ ]146 StPO folgendes sagen:

Dieser Paragraph ist nicht geschaffen worden, um denkbare Interessenkollisionen auszuschalten. Das wissen wir hier doch alle. Die Frage der Interessenkollision im Strafprozeß durch die Verteidigung mehrerer Beschuldigter, Mittäter, Mitschuldiger, wie Sie wollen, ist 100 Jahre alt, ohne daß der Gesetzgeber sich bisher zu einem § 146 StPO veranlaßt gesehen hätte. Bisher ist dies mit Recht als eine Frage des Einzelfalls und des Standesrechts behandelt worden.

Aber hier geht es nicht um die Regelung eines Einzelfalls sondern gerade doch um die Tatsache, daß bestimmte Anwälte dadurch, daß sie die Verteidigung ähnlich motivierter Beschuldigter, wie es in dem Protokoll des OLGs vom 23.10.75 heißt, in verschiedenen Verfahren übernommen haben und dadurch einen Zusammenhang herstellen, d. h. auf eine Vereinheitlichung der Verteidigung hinwirken, die sie als politische Verteidigung verstehen, die der Staatsschutz ja gerade verhindern will. Das Credo der B. Anwaltschaft lautet:

Die Zellen dichtmachen.

Isolation der politischen Gefangenen also auf allen Ebenen, d. h. auch dadurch, daß die Verteidigungsmöglichkeiten drastisch eingeschränkt werden.

Es gibt - das ist ja kein Geheimnis - nur wenige Verteidiger, die den Mut und die Kraft für eine politische Verteidigung aufbringen. Diese Verteidiger werden nun durch die vom Senat ausgedachte Handhabung des § 146[ StPO] auf ein Verfahren örtlich, aber nun auch zeitlich beschränkt. Dann, spätestens dann, sind sie als Verteidiger ausgeschaltet, wenn sie nicht schon vorher ausgeschlossen worden sind wie unser Kollege v[on] Plottnitz.

[3365] Dieser Sinn des Senatsbeschlusses, der bei den Gefangenen ein erhebliches Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter entstehen läßt, nämlich die Ausschaltung bestimmter Verteidiger als Kampfmaßnahme gegen die Gefangenen selbst gerichtet, nicht so sehr gegen die Verteidiger gerichtet, ist hier meines Erachtens sehr deutlich zutage getreten.

Kollege Schily hat vorhin davon gesprochen, daß die Verteidigerbank abgeräumt wird, und ich meine auch, daß das Gericht sich in einer Phase befindet, wo es vom langen Verfahren nunmehr zum kurzen Prozeß übergehen möchte. Wir als Verteidiger kennen ja, wissen ja, was es heißt, wenn kurzer Prozeß gemacht werden soll; wir wissen alle, daß eine Verkürzung des Verfahrens sich notwendigerweise gegen den Gefangenen richten muß, weil es ihn natürlich dem gedachten Urteil näherbringen soll.

Zunächst hat das Gericht die Gefangenen selbst über § 231a[ StPO] ausgeschlossen mit der Begründung, sie seien verhandlungsunfähig und hätten diese Verhandlungsunfähigkeit auch noch selbst verschuldet. Im Beschluß des BGHs ist dies mit nicht zu überbietender Deutlichkeit in folgender Argumentation zum Ausdruck gekommen:

Die Haft - heißt es in diesem Beschluß - die Haft hat immer zerstörerische schädliche Wirkung. Im Normalfall versucht die Haftanstalt, diese Wirkung durch verschiedene Maßnahmen zu mildern. Bei gefährlichen Gefangenen ist aber ... sind diese Milderungsmaßnahmen nicht möglich aus Sicherungsgründen; ergo: Gefährliche Gefangene darf man zerstören, darf man in der Gesundheit beschädigen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich Sie auch darauf hinweisen, daß hier kein Zusammenhang zu dem Antrag, der sich ja gegen die Anwendung des § 146[ StPO] wendet, zu sehen ist.

Ich bitte Sie auch, möglichst diesen Sachzusammenhang wieder herzustellen.

RA Mairg[ünther]:

Ja. Ich wollte gerade in der Weise fortfahren, daß ich erklären wollte, Herr Vorsitzender, daß, nachdem die Gefangenen über § 231[a StPO] ausgeschlossen worden sind, nunmehr die Abräumung der Verteidigerbank beginnt sozusagen in einer zweiten Stufe.

[3366] In der letzten Woche sind fünf Anwälte hier entfernt worden. Eine phantastische Quote, die, wenn man sie hochrechnet, ziemlich deutlich zeigt, wie das Verfahren sich in der nächsten, in dieser Woche bereits entwickeln wird. Der Senat steuert, das ist der Eindruck nicht nur der Gefangenen, auf diesen vielberühmten und gefürchteten Geisterprozeß hin, der ohne Gefangene, ohne Vertrauensanwälte und möglicherweise sogar ohne Publikum stattfinden wird.

Und in diesem Zusammenhang möchte ich auf den Vorfall von heute morgen zurückkommen:

Die Verteidigung ist heute morgen, um es mal vorsichtig auszudrücken, angehalten worden mit der Folge, daß der erste Verteidiger erst wenige Minuten vor 9.00 Uhr das Anwaltszimmer betreten konnte und die Verteidigung insgesamt bei der üblichen Vorbereitungs... bei den üblichen Vorbereitungshandlungen auf den Beginn der Hauptverhandlung sich verspäten mußte. Das scheint mir nun wirklich eine kalkulierte Inszenierung zu sein, da das Gericht davon ausgehen konnte, daß die Gefangenen den Beginn der Hauptverhandlung ohne ihre Vertrauensanwälte nicht widerspruchslos hinnehmen würde. So kann man den Ausschluß der Gefangenen natürlich provozieren.

Ich muß befürchten, vielmehr Herr Raspe muß befürchten, daß das Gericht auf diesem Weg fortschreiten wird.

Deshalb wird die Befangenheit, der Befangenheitsantrag auch auf diesen Sachverhalt gestützt.

Vors.:

Ich bitte nun die ...

Angekl. Ra[spe]:

He.

Vors.:

Was wollen Sie, Herr Raspe?

Angekl. Ra[spe]:

Da Sie hier offen erklären, Sie würden mich ...

Vors.:

Herr Raspe, ...

Angekl. Ra[spe]:

Ich schließe ...

Vors.:

... zunächst mal, ...

Angekl. Ra[spe]:

... mich dem jetzt hier noch an.

Vors.:

Augenblick.

Zunächst mal möchte ich Sie auf folgendes hinweisen:

Der Zuruf „He“ wird in Zukunft nicht als Wortmeldung anerkannt. Wir wollen’s nochmal tun, damit Sie das in Zukunft lernen.

[3367] Angekl. Ra[spe]:

... das zur Kenntnis zu nehmen.

Vors.:

Sie können genau sich zu Wort melden.

Angekl. Ra[spe]:

Das habe ich getan,

Vors.:

Durch den Zuruf „He”.

Angekl. Ra[spe]:

Die ganze Zeit vorhin schon zum Beispiel.

Vors.:

Nun ja. Sie werden sich’s für die Zukunft wohl merken müssen. Jetzt, bitte, haben Sie das Wort.

Angekl. Ra[spe]:

Ich wollte nur noch kurz was sagen zu der Unterbrechung eben, weil Sie also sich öffentlich in einer Weise produzieren, indem Sie behaupten, Sie würden also den Zusammenhang zwischen diesen beiden Paragraphen 231a und 146[ StPO] nicht sehen. Der Zusammenhang ist ja offensichtlich. Für die Situation der Gefangenen bedeutet es, daß das der Zusammenhang ist, in dem sich dann tatsächlich die Folter abspielen kann. Auf der einen Seite schließen Sie mit diesem ... mit dem Rechtsbruch, den Sie mit § 146[ StPO] hier durchziehen, Anwälte aus, die Öffentlichkeit herstellen könnten, und auf der anderen Seite benutzen Sie den § 231a[ StPO], um die Hauptverhandlung ohne Gefangene durchzuziehen. Und genau an dem, was dazwischen dann möglich ist, das ist Ihre Disposition, die in den ... die in Ihren Verfügungen zu den Haftbedingungen nicht erst seit Wochen, sondern seit Sie überhaupt hier zuständig sind, klar zum Ausdruck kommt. Das ist die Disposition, die uns jetzt hier aktuell dazu bringen soll, endlich rauszugehen aus dem Verfahren, damit Sie Ihren Geisterprozeß machen können, da das das einzige ist, wie Sie sich wahrscheinlich ausrechnen in Ihrem Kalkül, wie Sie überhaupt noch hier zu Ihrem Prozeß kommen können, was Ihnen allerdings nicht gelingen wird.

Vors.:

Die B. Anwaltschaft hat Gelegenheit, wenn Sie wollen, jetzt gleich Stellung zu nehmen.

Herr B. Anwalt Dr. Wunder.

Ende von Band 192.

[3368] BA Dr. Wu[nder]:

Die Ablehnungsgesuche sind nicht zulässig. Kernstück der heutigen Ablehnung ist die Entpflichtung des Rechtsanwalts von Plottnitz. Der Vorsitzende Richter dieses Senats hat in einer, eingehend auf elf Seiten, sorgfältig begründeten Verfügung dargelegt, welche Gründe im einzelnen es verbieten, Herrn von Plottnitz als Pflichtverteidiger, das heißt als Verteidiger im öffentlichen Interesse, weiterhin fungieren zu lassen. Was Herr von Plottnitz hier mehrfach getan hat, war des öfteren keine engagierte oder fachbezogene Verteidigung mehr, sondern zum Teil Blockieren des Prozeßes und an jedenfalls einem Sitzungstag nahezu entfesselter Tumult. Herrn von Plottnitz trifft diese Entscheidung nicht unerwartet. Er war offiziell auf die Konsequenzen rechtzeitig hingewiesen worden. Einzelne Passagen dieser Verfügung sind seitens der Verteidigung heute zitiert worden, andere oder diese Ergänzendes könnte von hieraus noch vorgetragen werden wenn, wenn es einigen der Verteidiger überhaupt auf solche Einzelheiten ankäme. Ersichtlich geht es nunmehr darum, das Verfahren in Befangenheitsanträgen ersticken und das Ablehnungsroulette schneller routieren zu lassen. Die Gesuche sind, soweit sie diesen Punkt betreffen, unzulässig nach § 26a Ziff. 3 der Strafprozeßordnung.[72] Sie sind auch verspätet,[73] weil die betreffende Entscheidung am 3. November zugegangen ist, heute ist der elfte November. Kurz zu einigen der weiteren. Punkte. Die Unzulässigkeit nach Ziff. 3 des § 26a der Strafprozeßordnung gilt auch für die Ergänzung des Ablehnungsgesuches des Angeklagten Baader. Die Ärzte haben sich dem Gericht als Sachverständige und nicht als behandelnde Ärzte gegenüber geäußert und zwar vordergründig zu medizinischen Vorschlägen zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit ... der Gesundheit der Angeklagten. Hier ist weder ärztliche Schweigepflicht verletzt, noch kann aus den Gesprächen des Vorsitzenden mit den Ärzten irgendwie auf eine Befangenheit geschlossen werden, im Gegenteil, auf das Bemühen des Vorsitzenden, alsbald die Haftfragen befriedigend zu regeln.

[3369] Angekl. Ra[spe]:

Alsbald?

BA Dr. Wu[nder]:

Gleiches gilt für den ersten Antrag, den Rechtsanwalt Oberwinder, der, soweit er die beiden Herren Beisitzer betrifft, im übrigen auch deshalb unzulässig ist, weil hier die ausschließliche Zuständigkeit des Vorsitzenden gegeben war. Soweit alle vier Beisitzer in dem ersten Antrag von Rechtsanwalt Heldmann abgelehnt wurden, ergibt sich nichts anderes. Die Mitwirkung an einer Kollegialentscheidung gibt grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund. Auch dieser Ablehnungsgrund ist im übrigen verspätet angebracht worden.

Der Angeklagte Raspe verlässt um 11.58 Uhr auf seinen Wunsch den Sitzungssaal.

BA Dr. Wu[nder]:

Der von Herrn Rechtsanwalt Heldmann später ergänzte Ablehnungsantrag, [gg] betreffend den[hh] Hinweis an Herrn Rechtsanwalt Schily in der heutigen Sitzung und den Wortentzug gegenüber Herrn Rechtsanwalt Schily, kann ebenfalls Befangenheit ernstlich nicht begründen. Die späteren Ausführungen, die Herr Rechtsanwalt Schily gemacht hat, gehörten ersichtlich nicht mehr zur Sache. Soweit neben dem Vorsitzenden alle vier Beisitzer von Herrn Rechtsanwalt Schily abgelehnt wurden, mit einem weiteren Grund, ist das Gesuch ebenfalls unzulässig nach Ziff. 3 des § 26a der Strafprozeßordnung. Es ist nicht etwa nur das Recht des Vorsitzenden oder gar Willkür, es ist die Pflicht des Vorsitzenden Richters, dafür Sorge zu tragen, daß erforderlichenfalls durch den Anstaltsarzt er über den jeweiligen Gesundheitszustand der Angeklagten unterrichtet wird. Wie soll die Justiz, wie sollen die Richter die Verantwortung für die Untersuchungsgefangenen tragen, wenn sich diese und ihre Ärzte hinter einer Schweigepflicht verschanzen?

Vors.:

Läuft das Gerät?

Reg. Dir. Wi[dera]:

Die ganze Zeit.

Vors.:

... ob das Gerät läuft?

[3370] Protokollführer:

Ja, es ist eingeschaltet.

Vors.:

Sie wissen doch ganz genau, daß die Bundesanwaltschaft dazu die Genehmigung nicht gibt. Stellen Sie das Gerät Bitte ab. Wenn nochmals ein Verstoß vorkommt, werde ich das Gerät überhaupt nicht mehr zulassen (zur Sekretärin der Verteidiger auf der linken Seite).

Protokollführer:

Die Tasten sind immer noch gedrückt.

BA Dr. Wu[nder]:

Wie soll, ich wiederhole, die Justiz, wie sollen die Richter für die Untersuchungsgefangenen eine Verantwortung tragen, wenn sich die Angeklagten und ihre Ärzte hinter einer Schweigepflicht verschanzen? Das ist eine unverständliche, das ist eine abstruse Forderung. Ganz abgesehen davon, daß Ärzte des Vertrauens verständlicherweise nicht stets in der Anstalt anwesend sein können, daß im Notfall Hilfe in der Regel nur vom Anstaltsarzt als erstem geleistet werden kann. Und im übrigen auch ... muß auch daran gedacht werden, daß es keine etwa entgegengesetzte Wirkung von Medikamenten geben darf. Schon deswegen ist eine Absprache der Ärzte mit dem Anstaltsarzt ohne die Entbindung von der Schweigepflicht notwendig. Wenn hier die Argumentation des Herrn Rechtsanwalt Schily nur halbwegs verständlich wäre, würde ich nicht anstehen, in diesem Punkt eine andere Stellungnahme abzugeben. Soweit die Herren Rechtsanwälte[ii] Schily und Dr. Heldmann und Oberwinder den Beschluß, mit dem die Herren Rechtsanwälte Golzem, Spangenberg und Köncke als Verteidiger in diesem Verfahren zurückgewiesen wurden und dies zum Gegenstand eines Ablehnungsantrages gemacht wurde, ist es verspätet, damit nach Ziff. 1 des § 26a StPO unzulässig. Zuletzt noch zu den Ausführungen von Herrn Rechtsanwalt Mairgünther. Kurz, für das Herrn Franco zugeschriebene Zitat kann weder die Bundesanwaltschaft noch der Senat etwas. Das weitere Vorbringen des Verteidigers wegen des Vorganges bei Beginn der Sitzung kann ebenfalls nicht anders als lediglich der Prozeßverschleppung dienend beurteilt werden. Ich beantrage deshalb zusammenfassend,

[3371] die Gesuche gemäß § 26a Ziff. 3 der Strafprozeßordnung zu verwerfen, sie sind teilweise aber auch nach Ziff. 1 dieser Bestimmung unzulässig, in welchen Fällen, habe ich bereits ausgeführt.

Vors.:

Ich bitte um 14.30 Uhr wieder anwesend zu sein. Die Anwesen...

RA Sch[ily]:

...widern ...

Vors.:

Nein, ich ... es sind keine neuen Tatsachen vorgetragen, welche[jj] irgendein Bedürfnis weiteres rechtliches Gehör zu ge...

RA Sch[ily]:

... der Zulässigkeit, es sind zur Frage der Zulässigkeit, das haben Sie bisher auch zu ...

Vors.:

... Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... bisher haben Sie doch auch zugelassen, wenn die Bundesanwaltschaft sich, zur Zulässigkeit geäußert hat und daß die Verteidigung auf die Frage der Zulässigkeit dann erwidern ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... was wollen Sie für eine andere Sachlage.

Vors.:

Das bestreite ich Ihnen nicht. Aber die Sachlage verändert sich dadurch, da wir, wie sie wissen, mit diesen Anträgen immer wieder zu tun haben. Wenn hier diese Möglichkeiten, die das Gericht ohne Rechtspflicht[74] eingeräumt hat, immer wieder ausgenützt werden, so steht es dem im Wege, daß hier Entscheidungen in der notwendigen zügigen Weise ...

RA Sch[ily]:

Aber, Herr Vorsitzender, wollen Sie mir das Erwiderungsrecht, Verzeihung, daß ich Sie unterbreche aber ...

Vors.:

... gefasst werden,[kk] bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis. Ich bitte 14.30 Uhr die Prozeßbeteiligten hier zu sein. Publikum wird vorsorglich zugelassen. Es wird dann bekanntgegeben, wie es weitergeht. Die Sitzung ist beendet.

RA Schily redet unverständlich weiter

RA Sch[ily]:

... Herr Vorsitzender, ich habe eine Wortmeldung ...

Pause von 12.02 Uhr bis 14.35 Uhr

Ende von Band 193/Br

[3372] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.35 Uhr

Die Angeklagten sind wieder[ll] anwesend.

Rechtsanwalt Künzel ist nicht mehr[mm] anwesend.

Vors.:

Ich bitte Platz zu behalten. Wir setzen die Sitzung fort. Rechtsanwalt Künzel ist entschuldigt. Zunächst ist der Beschluß bekannt zu geben, der gefaßt wurde aufgrund der Ablehnungsanträge des Vormittags.

Die Ablehnungen der Richter Dr. Prinzing, Dr. Foth, Maier, Dr. Berroth und Dr. Breucker werden einstimmig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Angeklagten lehnen den Vorsitzenden und die Beisitzer aus verschiedenen Gründen wegen Befangenheit ab. Sie stützen ihre Gesuche im wesentlichen auf 1. die Verfügung vom 7.11.1975, mit der die gerichtliche Bestellung des Rechtsanwalts von Plottnitz aufgehoben wurde. 2. Das Schreiben des Vorsitzenden an den Leiter der Justizvollzugsanstalt Stuttgart vom 10.11.1975 über die ärztliche Versorgung der Angeklagten. Damit zusammenhängend 3. den Vorwurf, der Senat habe die ärztliche Versorgung der Angeklagten mißachtet. 4. Den Beschluß des Senats vom 4.11.1975, in dem ausgesprochen wurde, die Verteidigung der Angeklagten Meinhof und Raspe durch die Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg sei unzulässig. 5. Den Sitzungsbeginn am heutigen Tag um 9.11 Uhr, (regulärer Beginn 9.00 Uhr, wobei ein Teil der Verteidiger fehlte, dieser Teil erschien geschlossen einige Minuten später, trotzdem war jeder der Angeklagten durch andere im Saal anwesende Rechtsanwälte ordnungsgemäß verteidigt.)

6. Die Ermahnung an den Angeklagten Baader, bei weiterer Störung der Verhandlung riskiere er den Ausschluß für den Rest des Monats. Als der Vorsitzende den Verteidiger Rechtsanwalt Schily beim Vortrag seines Ablehnungsgesuchs wegen [3373] Weitschweifigkeit das Wort entzog. Rechtsanwalt Schily hatte unter dem Vorwand, sich mit § 146 StPO zu befassen, ausländische Pressestimmen zur Einzelhaft zitiert, wurde das Ablehnungsgesuch auf diesen Wortentzug und die Bemerkung, es werde die Ernstlichkeit des Ablehnungsvortrags unterstellt, erweitert. All diese Rügen richten sich gegen Verfügungen, Beschlüsse und Äußerungen, die dem Fortgang des Verfahrens in dem von der Strafprozeßordnung vorgesehenen Rahmen dienen. In voller Kenntnis des Umstands, daß diese Maßnahmen rechtens sind und mit Befangenheit schlechterdings nichts zu tun haben, machen die Angeklagten und ihre Verteidiger sie zum Gegenstand von Ablehnungsgesuchen. Nach der einhelligen Auffassung des Senats geschieht dies offensichtlich nur, um das Verfahren weiterhin zu verschleppen. Das vorliegende Ablehnungsgesuch schließt insofern an eine Anzahl ähnlicher Befangenheitsanträge an, die in der Vergangenheit wegen offensichtlicher Verschleppungsabsicht verworfen wurden. Sie stimmen mit der programmatischen Erklärung des Verteidigers Dr. Temming in der Sitzung vom 28.10.1975 überein: „Und dann werden sie auch mir wieder das Wort entziehen, und es geht so weiter und so weiter und es wird jedes mal einen neuen Ablehnungsantrag geben, d.h. wenn Sie dieses Verfahren so weiter führen wollen, wie Sie es jetzt tun, Herr Prinzing, dann besteht es praktisch nur noch aus Ablehnungsanträgen“. Den Gebrauch des Instituts der Ablehnung in der durch die Angeklagten und Verteidiger praktizierten Weise, nahezu jede Verfügung und jeden Beschluß wider besseres Wissen als Grund für breit angelegte und zeitraubend vorgetragene Ablehnungen zu machen, führt, wie der bisherige Ablauf zeigt, praktisch zur Lahmlegung des Verfahrens. Das machen sich Angeklagte und Verteidiger bewußt zu nutze. Die Ablehnungen sind daher insgesamt unzulässig, wegen Verschleppung § 26a Abs. I Nr. 3 StPO; darauf und daß sie zum Teil auch verspätet sind § 26a Abs. I Nr.1[nn] StPO kommt es nicht an. Es ist noch zu bemerken, der Vorwurf, Dr. Prinzing wolle die ärztliche Behandlung der Angeklagten verhindern, ist abwegig. Sein Schreiben an den Anstaltsleiter bestätigt ausdrücklich die Möglichkeit, vier anstaltsfremde Ärzte zuzuziehen und legt im einzelnen dar, aus welchen Rechtsgründen der Anstaltsarzt grundsätzlich ver- [3374] langen kann, üben den Gesundheitszustand der Angeklagten unterrichtet zu werden. Die Lage der Angeklagten unterscheidet sich insofern in nichts von den aller anderen Untersuchungshäftlinge[oo].

Ist der Zeuge anwesend, Herr Bietz?

Ich bitte Herrn Penzkofer in den Saal. Augenblick, Herr Bietz, wir wollen geschwind noch einen Moment warten. Um was für einen Antrag soll es sich handeln, Herr Rechtsanwalt.

RA Ob[erwinder]:

Es handelt sich diesmal nicht um einen Ablehnungsantrag, nachdem Sie und die Bundesanwaltschaft ja der Verteidigung vorwerfen, sie würde hier nur noch Ablehnungsanträge zwecks Verfahrensverschleppung stellen. Die Verteidigung hat auch andere Anträge gestellt, wobei sich allerdings herausgestellt hat, daß über die überhaupt nicht entschieden wird. Und ich beabsichtige daher, einen Antrag, der bereits am 24.9.1975 und zuletzt am 5.11.1975 gestellt worden ist und über den der Senat nicht entschieden hat, sondern sich nach wie vor offensichtlich weigert ...

Vors.:

Bitte um was handelt es sich, Herr Rechtsanwalt?

RA Ob[erwinder]:

Ich lese den Antrag jetzt vor.

In dem Verfahren gegen 1. Andreas Baader, 2. Gudrun Ensslin, 3. Ulrike Meinhof, 4. Jan-Carl Raspe stelle ich namens der Gefangenen Ulrike Meinhof den Antrag, Herrn Professor Dr. med. W. A. Müller, Stuttgart, sowie die im Antrag der Verteidigung vom 24.9.1975 benannten Ärzte sofort und ohne jegliche Beteiligung des Regierungsmedizinaldirektors Dr. Henck oder eines anderen Anstaltsarztes zur Behandlung der Gefangenen zuzulassen.

Begründung: ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, den Antrag können wir jetzt in der Hauptverhandlung nicht entgegen nehmen.[75] Bitte den Herrn Zeugen.

RA Ob[erwinder]:

Ja, diesen Antrag habe ich außerhalb der Hauptverhandlung gestellt und der Senat weigert sich darüber zu entscheiden offensichtlich.

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, dieser Antrag wird nicht entgegen genommen.[76] Außerdem habe ich Ihnen mitgeteilt ...

RA Ob[erwinder]:

Mir ist überhaupt nichts mitgeteilt worden.

Vors.:

... daß dieses Schreiben, das an den Anstaltsleiter gerichtet worden ist, gleichzeitig Ihnen zugeht in der Annahme, daß sich [3375] damit dieser Antrag erledige...

RA Ob[erwinder]:

Der Antrag hat sich nicht erledigt.

Vors.:

... ich habe Ihnen außerdem hinzugefügt, daß, wenn diese Annahme zutrifft, sich der Senat nicht vor die Frage gestellt sehe, zu prüfen, ob Ihr Antrag, der einige Formulierungen enthalten hat, die ein Gericht nicht ohne weiteres hinnehmen kann, überhaupt nicht von sich aus diesem Grunde schon zurückzuweisen wäre.

RA Ob[erwinder]:

Eine Verteidigung kann es auch nicht hinnehmen, wenn das Gericht ständig ärztliche Hilfe für die Mandanten verweigert.

Vors.:

Ich habe Ihnen gesagt, Herr Rechtsanwalt, daß dieser Antrag jetzt nicht entgegengenommen wird. Das ist eine Sache, die nicht für die Hauptverhandlung bestimmt ist, sondern Sie können diesen Antrag, den Sie gestellt haben ...

RA Ob[erwinder]:

Ich habe diesen Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt und Sie weigern sich, darüber zu entscheiden.

Vors.:

Ich habe Ihnen jetzt gesagt, er wird nicht entgegen genommen.

RA Ob[erwinder]:

Ja, warum soll ich ihn denn außerhalb der Hauptverhandlung stellen, das ist doch völlig sinnlos.

Vors.:

Sie haben gestern das Schreiben bekommen, Sie können sich dazu äußern, wenn meine Annahme, daß damit Ihr Antrag erledigt sei, nicht zutrifft.

- Der Zeuge Penzkofer erscheint um 14.42 Uhr im Sitzungssaal

Vors.:

Herr Zeuge, wir haben Sie bereits über Ihre Pflichten als Zeuge belehrt.

RA M[air]g[ünther]:

Ich bitte um eine weitere Wortmeldung.

RA Sch[ily]:

Der Kollege Mairgünther bittet noch um das Wort.

Vors.:

Ich muß schon sagen, es ist sehr auffällig, wie das geschieht. Darf zur Vernehmung eines Zeugen nicht geschritten werden, oder wie ist das?

RA Sch[ily]:

... Herr Vorsitzender, wäre es doch zweckmäßig zunächst einmal zu fragen, wie Sie es ja bisher auch gemacht haben, ob Anträge noch zu stellen sind.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt Mairgünther, Sie wollen einen Antrag stellen.

RA M[air]g[ünther]:

Wenn Sie mir gestatten.

Vors.:

Um was für einen Antrag handelt es sich.

[3376] RA M[air]g[ünther]:

Ich beanstande die Entpflichtung des Rechtsanwalts Rupert von Plottnitz als unzulässig und unbegründet und erbitte Gerichtsbeschluß dahin ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, auch diesen Antrag bitte ich außerhalb der Hauptverhandlung ...

RA M[air]g[ünther]:

Gestatten Sie mir bitte, zumindest den Antrag zu stellen.

Vors.:

Nein, wir wissen jetzt, um was es geht. Der Antrag kann nicht gestellt werden.

RA M[air]g[ünther]:

Mein Antrag ist noch nicht zu Ende.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, das besagt gar nichts. Wir wissen ja, daß es um einen[pp] Antrag geht, wo Sie beanstanden wollen, daß Herr Rechtsanwalt von Plottnitz entpflichtet worden ist.

RA M[air]g[ünther]:

Ich erbitte Gerichtsbeschluß und bitte die Verhandlung bis zur Entscheidung darüber zu unterbrechen. Das ist ein Antrag.

Vors.:

Nein, ich nehme den Antrag nicht entgegen, der kann außerhalb der Hauptverhandlung gestellt werden, genauso ...

RA Sch[ily]:

... Anträge werden doch wohl noch entgegengenommen.

Vors.:

Nein, nein, nein

RA M[air]g[ünther]:

Ich stelle jetzt den Antrag, die Verhandlung zu unterbrechen.

RA Sch[ily]:

Bitte, Aussetzungsanträge werden nicht mehr entgegengenommen.

RA M[air]g[ünther]:

Ich stelle einen Aussetzungsantrag, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Auch das macht im Augenblick nichts, wir haben einen Zeugen hier ...

- Mehrere Rechtsanwälte sprechen unverständlich durcheinander -

Angekl. B[aader]:

Das ist doch ein Putsch, was Sie hier machen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ein Aussetzungsantrag darf doch wohl gestellt werden ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... wenn ein Verteidiger entpflichtet worden ist.

Vors.:

Nein, daß ...

RA Sch[ily]:

Bitte?

Vors.:

Er kann gestellt werden, außerhalb der Hauptverhandlung.

- Wiederholt sprechen mehrere Rechtsanwälte durcheinander, daher unverständlich -

Vors.:

Augenblick, Augenblick ...

[3377] RA Sch[ily]:

Nein, Herr Vorsitzender, da irren Sie sich vollkommen.

Vors.:

Lassen Sie mich bitte meine Sätze zu Ende reden. Es kann auch geprüft werden, ob wir es in der Hauptverhandlung entgegen nehmen. Nicht geprüft werden kann, daß jetzt zunächst der Zeuge zu vernehmen ist.

RA Sch[ily]:

Nein ...

Vors.:

... und keine Anträge gestellt werden.

RA M[air]g[ünther]:

... auch die Verteidigung ist nicht perfekt.

Vors.:

Wollen Sie das beanstanden, dann gibt es einen Senatsbeschluß.

RA Sch[ily]:

Nein, es wird jetzt zunächst einmal der Kollege sein Aussetzungsantrag begründen, so ist das.

Vors.:

Nein, nein, der Aussetzungsantrag ...

RA Sch[ily]:

So ist die Strafprozeßordnung, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Nein, nein, der Aussetzungsantrag, es täuscht, so ist die Strafprozeßordnung nicht.

RA Sch[ily]:

Doch, doch, doch.

Vors.:

Sie pflegen sie immer so auszulegen, wie Sie glauben, daß es in Ihre Konzeption paßt.

RA Ob[erwinder]:

Ja, Sie auch ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es ist nicht so.

RA Dr. H[eldmann]:

Besser als sie überhaupt nicht zu benutzen oder!

- Gelächter im Saal -

Vors.:

Das ist eine Bemerkung, Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, die mich aus Ihrem Munde nicht verwundert, sie ist deswegen trotzdem nicht zutreffend. Ich glaube, wir sind bisher immer auf dem Boden der Prozeßordnung gewesen.

RA Dr. H[eldmann]:

... und bitten um einen Entpflichtungsantrag.

Vors.:

Darf ich jetzt fragen, wollen Sie beanstanden, daß ich diesen Antrag jetzt nicht entgegen nehme, sondern daß jetzt die Zeugenvernehmung vorzuziehen ist.

RA Dr. H[eldmann]:

Das ist ein Unterbrechungsantrag.

Vors.:

Er wird jetzt nicht entgegengenommen. Ich sage es Ihnen nochmals. Jetzt geht die Zeugenvernehmung von einem Zeugen, der von auswärts kommt, bereits zum dritten Mal hier erscheinen muß ...

Angekl. B[aader]:

Das ist doch Ihr Bier ...

[3378] RA Sch[ily]:

Warum entpflichten Sie Herrn von Plottnitz.

Angekl. B[aader]:

... Sie haben ja noch nicht mal die Erklärung zur Sache[77] hier zugelassen.

RA Sch[ily]:

Warum entpflichten Sie Herrn von Plottnitz. Das ist doch Ihre Sache.

Vors.:

Herr Zeuge, ich hab Sie bereits über Ihre Pflichten unterrichtet.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, nein so geht das nicht! Herr Vorsitzender, so werden wir hier nicht mit der Sache klar kommen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, so wie Sie sich das denken auch nicht.

RA Sch[ily]:

Nicht? Also zunächst einmal ...

Vors.:

Wenn Sie stören wollen ...

RA Sch[ily]:

Wie bitte?

Vors.:

Wenn Sie stören wollen, daß ich die Vernehmung nicht durchführen kann, bitte dann machen Sie es recht deutlich.

RA Sch[ily]:

Nein, nein, ich will nicht stören, sondern ich will, daß hier die Möglichkeit eines Aussetzungsantrages doch wohl noch vorhanden ist. Das wäre wohl das allerletzte, daß der § ...

Vors.:

Ich möchte jetzt ...

RA Sch[ily]:

... vielleicht kennen Sie den § 265 Abs. IV[78], nicht? Strafprozeßordnung. Da steht die Möglichkeit bei einer neuen Sachlage, nämlich wenn ein Verteidiger hier aus dem Verfahren heraus explodiert wird, ein Aussetzungsantrag zu stellen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Und wenn Sie uns diese Möglichkeit nicht mehr gestatten, dann weiß ich nicht mehr, was soll denn nun eigentlich noch werden.

Vors.:

Nehmen Sie es hin, ich habe Ihnen gesagt, jetzt wird der Antrag nicht gestellt.

RA Sch[ily]:

Wir nehmen es nicht hin, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Und Sie können, Herr Rechtsanwalt Mairgünther, weil Sie derjenige sind, der den Antrag stellen will, diese Maßnahme die ich im Augenblick ausgesprochen habe, beanstanden.

[3379] RA Sch[ily]:

Er will den Antrag begründen.

RA M[air]g[ünther]:

Ich habe ja noch gar nicht Gelegenheit erhalten, meinen Antrag überhaupt erst mal vorzutragen.

Vors.:

Sie kriegen diese Gelegenheit auch nicht, weil jetzt die Zeugenvernehmung vorausgeht.

RA M[air]g[ünther]:

Ich beanstande dies. Herr Vorsitzender. Ich beanstande doch die Entpflichtung als unzulässig und unbegründet und erbitte Gerichtsbeschluß mit dem Ziel, die Entpflichtung aufzuheben und bis dahin die Hauptverhandlung zu unterbrechen.

Vors.:

Ich habe Sie das jetzt nochmals formulieren lassen, um Ihnen klar zu machen, daß dieser Antrag nicht entgegengenommen wird. Jetzt nicht auf jeden Fall. Jetzt geht die Zeugenvernehmung vor. Und Sie haben die Möglichkeit, diese Anordnung des Vorsitzenden, der durchaus das Recht hat, die Prozeßabschnitte im einzelnen festzusetzen, zu beanstanden. Und Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben im Augenblick nicht das Wort, sondern wir sprechen jetzt über die Beanstandung dieser Maßnahme, daß nämlich jetzt Ihr Antrag nicht gestellt werden kann. Die Möglichkeit haben Sie.

RA M[air]g[ünther]:

Herr Vorsitzender ...

RA Sch[ily]:

Sie übersehen aber dabei, daß es natürlich auch die gesamte Verteidigung ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben das Wort nicht. Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin.

RA Sch[ily]:

Ich möchte aber mich dem Antrag anschließen ...

Vors.:

Nein, ich möchte jetzt Sie nicht hören, sondern ich möchte Herr Rechtsanwalt Mairgünther hören, ob er diese Beanstandung vorbringen will gegen meine Maßnahme, dann hat der Senat darüber zu entscheiden.

RA M[air]g[ünther]:

Ja, Herr Vorsitzender, aber nur, wenn Sie mich dann bei der Beanstandung selbst nicht wieder unterbrechen würden. Ich möchte gerne einige Sätze im Zusammenhang vortragen. Ich beanstande, daß mit der Entpflichtung von Rechtsanwalt Plottnitz meinem Mandanten der einzige Pflichtverteidiger seines Vertrauens genommen worden ist.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Mairgünther, wir verstehen uns falsch. Sie können jetzt beanstanden, daß ich nicht zulasse, daß [3380] Sie diesen Antrag vor der Zeugenvernehmung stellen.

RA M[air]g[ünther]:

Ja.

Vors.:

Wir können uns darüber unterhalten, wann er gestellt werden kann. Aber jedenfalls ist jetzt vordringlicher die Zeugenvernehmung.

RA M[air]g[ünther]:

Ich beanstande doch gerade, daß dies, da Herr von Plottnitz aus finanziellen Gründen nicht als Wahlverteidiger bleiben kann,[79] praktisch den vollständigen und endgültigen Ausschluß aus diesem Verfahren bedeutet.

Vors.:

Ja, das haben wir heute früh schon gehört. Es ist abgesehen davon gar nichts neues. Aber ich sage Ihnen nochmals ...

RA M[air]g[ünther]:

Aber das Neue ist vielleicht für Sie, daß es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Ob[erwinder]:

Wie soll denn die Zeugenvernehmung durchgeführt werden, wenn er gar kein Verteidiger hat.

Vors.:

Sie haben nicht das Wort, Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Wie soll das denn hier vor sich gehen.

Angekl. B[aader]:

Sie haben doch rechtzeitig zu Ihrer Zeugenvernehmung den einzigen Anwalt, der Aktenkenntnis hatte, ausgeschlossen. Das ist doch der Punkt.

RA M[air]g[ünther]:

Herr Vorsitzender, ich ...

Vors.:

Herr Baader, Sie haben die Möglichkeit, darf ich geschwind an Herrn Baader noch die Frage richten, Herr Baader, Sie haben jetzt die Möglichkeit sich dazu zu äußern, daß der Senat erwägt, Sie aus der Verhandlung auszuschließen, wegen Ihres ununterbrochenen Zwischenrufens.[80] Wollen Sie dazu etwas sagen?

Angekl. B[aader]:

Ja, allerdings will ich das. Tatsache ist und dazu haben Sie mich ja provoziert, ich hab mich hier mindestens fünf Mal in der letzten viertel Stunde zu Wort gemeldet. Sie haben mir das Wort nicht gegeben. Tatsache ist hier, daß Sie versuchen, einen Zeugen zu vernehmen, nachdem Sie unmittelbar vorher den einzigen Verteidiger Jans und überhaupt einen der zwei Verteidiger hier, die überhaupt Aktenkenntnis haben, ausgeschlossen haben. Das heißt mit anderen Worten, er ist nicht verteidigt, d.h. sein Verteidiger seiner Wahl, der Aktenkenntnis hat, und explizit zur Vernehmung dieser Zeugen wäre Aktenkenntnis notwendig, ist überhaupt nicht im [3381] Saal.

Vors.:

Herr Baader, es geht um Ihren Ausschluß, es geht nicht darum, was Sie jetzt an Stelle von Herrn Raspe vortragen wollen.

Angekl. R[aspe]:

Ja, und das müssen Sie natürlich sofort ausschließen. Das ist unheimlich klar.

Vors.:

Sie haben wiederholt, ohne das Wort erteilt zu bekommen dazwischengerufen. Sie sind heute früh verwarnt worden.

Angekl. B[aader]:

Naja, ich weise damit nur noch einmal darauf hin ...

Vors.:

Dazu können Sie sich noch äußern.

Angekl. B[aader]:

Habe ich jetzt noch das Wort, was dazu zu sagen habe ich nicht oder wie ist das.

Vors.:

Ja, Sie haben das Wort zu Ihrem Ausschluß etwas zu sagen, Ihrem möglichen.

Angekl. B[aader]:

Ja, genau dazu will ich reden. Ich erinnere mich daran, daß Sie bis jetzt verhindert haben und daß Sie das natürlich auch weiter verhindern wollen, daß ist genau das, was Sie dem Bundesgerichtshofbeschluß entnommen haben, die Vernehmung bzw. die Erklärung zur Sache der Gefangenen, das scheint uns festzustehen. Und der zweite Punkt ist, das kann man nur immer wiederholen, daß Sie hier alles unternehmen brachial in der Form eines Putsches gegen Ihre eigene Strafprozeßordnung, um Verteidiger und Angeklagte aus diesem Saal zu räumen, bevor Sie zu Ihren Zärtlichkeiten mit der Polizei kommen. Das ist die Situation hier. Sie provozieren Zwischenrufe, wie Sie sie heute morgen provoziert haben. Ich erkläre nochmal, der Zwischenruf ist darin begründet, daß Sie hier eine Zeugenvernehmung durchziehen wollen, obwohl kein Verteidiger im Saal ist, kein Verteidiger des Vertrauens der Wahl von Jan, der Aktenkenntnis hat, weil Sie in Ihrer eigenen Veranlassung alle Verteidiger eliminiert haben aus der Verhandlung, die Aktenkenntnis haben.

Vors.:

So, jetzt sind Sie nicht mehr bei der Sache, wir haben also Ihre Erklärung zur Kenntnis genommen. Will sich die Bundesanwaltschaft äußern, bitte.

Reg. Dir. W[idera]:

Ja. Die Bundesanwaltschaft beantragt, den Angeklagten Baader von der weiteren Verhandlung bis zum Ende dieses Monats auszuschließen. Der Angeklagte Baader ist mehrmals heute verwarnt worden. Er hat sich auch vorhin entgegen seiner Behauptung nicht zu Wort gemeldet, aber selbst, wenn er sich zu Wort gemeldet hätte, hätte er das [3382] Wort nicht erteilt bekommen können, ...

Angekl. R[aspe]:

Fünf Mal.[qq]

Reg. Dir. W[idera]:

... weil die Verteidigerbank da drüben ...

Angekl. R[aspe]:

Das ist Lüge.

Angekl. M[einhof]:

Das sind leere Behauptungen.

Reg. Dir. W[idera]:

... aufgeregt und durcheinander geredet haben. Er ist auch zu nichts hier provoziert worden, wenn überhaupt von Provokation gesprochen werden kann, dann von Seiten der Verteidigerbank. Ich beantrage deswegen Ihn auszuschließen für den Rest dieses Monats.

RA Dr. H[eldmann]:

Ich bitte um Erwiderung für die Verteidigung.

Vors.:

Bitte, Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Hier geht es um nichts anderes, als das, was wir heute morgen als die Taktik in diesem Stadiumsverfahren gerügt haben, nämlich die Gefangenen loszuwerden, die Verteidiger loszuwerden. Wieder ist es nicht möglich gewesen, einen Verteidigerantrag auch überhaupt nur zu Gehör zu bringen, wo es darum ging, daß durch eine Verfügung des Vorsitzenden, Rechtsanwalt von Plottnitz rechtswidrig ohne Gesetzesgrundlage[81] ausgeschlossen worden ist, eine Verfügung wiederum, die auch nicht als Verfügung des Vorsitzenden hätte ergehen dürfen, sondern nur in Form eines Senatsbeschlusses.[82] Eine Rechtswidrigkeit jagt in diesem Saal die andere. So meine ich’s wie ich’s gesagt habe. Und wenn dann Herr Baader aufsteht und ums Wort bittet, dieses Wort nicht bekommt, er hat ja kaum einen Satz in diesem Verfahren bisher zu Ende sprechen können, dann reicht das wieder her, nachdem die erste Attacke die Gefangenen loszuwerden, nämlich Ihr [§ ]231a[ StPO]-Beschluß teilmißglückt ist, dann reicht solche Nichtigkeit von der Sicht des Verteidigers, von der Sicht des Angeklagten aus Selbstverständlichkeit Ihnen her, um die Ausschließung des Gefangenen gleich für einen ganzen Monat zu beantragen. Ich protestiere also sehr energisch gegen diese erneute Maßnahme sich derjenigen Personen, durch die Sie sich in Ihrem Verfahren hier gestört fühlen, zu entledigen. Das geht sowohl die Angeklagten an, als auch diesen Restbestand an Verteidigern.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen, der Angeklagte Baader wird, weil er trotz Mahnung immer wieder durch Zwischenrufe gestört hat und davon nicht abläßt und auch nicht zu erwarten ist, daß er [3383] dieses Verhalten in absehbarer Zeit bessern wird, für den Rest dieses Monats von der Verhandlung ausgeschlossen, da insoweit seine weitere Anwesenheit nicht erforderlich erscheint. Ich bitte den Angeklagten abzuführen.

Angekl. E[nsslin]:

Nein, das wird ganz sicher nicht so laufen. Das Gericht liquidiert die Verteidigung und das ...

Vors.:

Ich bitte ganz klar zu erkennen ...

Angekl. M[einhof]:.

Sie meinen, Sie können ...

Vors.:

Frau Meinhof, Sie haben das Wort jetzt nicht. Wenn der Herr Raspe sich weigert, den Platz frei zu machen, dann muß eben das notfalls unter Anwendung von Zwang gemacht werden.

- Der Angeklagte Baader spricht unverständlich ohne Mikrofon dazwischen -

- Da der Angeklagte Baader den Verhandlungssaal nicht freiwillig verlassen will und der Angeklagte Raspe die Vollzugsbeamten daran hindert, den Angeklagten Baader abzuführen, entsteht ein kleines Gerangel zwischen Angeklagten und Vollzugsbeamten. -

- Der Angeklagte Raspe spricht unverständlich ohne Mikrofon dazwischen -

Angekl. B[aader]:

... dieses Verfahren mit allen Mitteln ...

Vors.:

Ich bitte jetzt den Angeklagten fortzuführen.

Angekl. B[aader]:

Wir habens anders als in Militärgerichtsprozessen (schreiend) ...

Vors.:

Ich bitte jetzt den Angeklagten ...

Angekl. B[aader]:

... haben sie noch nicht mal das Recht ...

Vors.:

Meine Herrn, führen Sie jetzt bitte den Angeklagten ab.

Angekl. B[aader]:

Das gibt es weder in Militärdiktaturen noch in faschistischen Staaten. Das machen Sie hier. Das ist ein Novum hier. Sie haben die Erklärung zur Sache hier verhindert.

Vors.:

Bitte den Herrn Raspe notfalls unter Anwendung von Gewalt ...

Angekl. M[einhof]:

(unverständlich)

[3384] Vors.:

Herr Raspe, Sie stören jetzt die Verhandlung dadurch, daß Sie sich weigern, den Platz zu verlassen. Wenn Sie das weiterhin tun, wird auch Ihnen das Schicksal drohen, das gerade Baader passiert ist.

Angekl. M[einhof]:

Maßnahme ...

Angekl. R[aspe]:

Was heißt das, Schicksal drohen ...

Vors.:

Daß Sie ausgeschlossen werden.

Angekl. R[aspe]:

Seit vier Monaten sagen Sie das.

Vors.:

Wollen Sie sich dazu äußern.

Angekl. M[einhof]:

Das gibts nicht mal in Spanien, was hier läuft.[83]

Vors.:

Wollen Sie jetzt Platz machen oder nicht (Zum Angeklagten Raspe).

Angekl. R[aspe]:

Sie verhindern seit vier Monaten und deswegen sind Sie natürlich[rr] genau derjenige, von dem Sie dauernd behaupten, daß das hier die Verteidiger seien, Prozeßverschlepper. Sie verhindern seit vier Monaten, daß hier überhaupt eine Verteidigung möglich ist. Und heute ...

Vors.:

Bitte, die Bundesanwaltschaft kann sich dazu äußern.

Angekl. R[aspe]:

... versuchen Sie es ganz klar uns hier rauszuschmeißen.

BA Dr. W[under]:

Den Antrag der eben bei dem Angeklagten Baader gestellt wurde ...

Vors.:

Die Bundesanwaltschaft hat den Antrag auf Ausschluß für den Rest des Monats auch für Herrn Raspe gestellt, da er sich bisher geweigert hat ...

Angekl. R[aspe]:

Sie kommen doch nur zur Vernehmung ...

Vors.:

... Platz zu machen um den Angeklagten abzuführen. Herr Raspe wollen Sie zusätzlich noch etwas sagen.

Angekl. R[aspe]:

... und wenn Du die Gefangenen abgeräumt hast, das machst Du dir klar. Du Wanze.

Vors.:

Frau Ensslin für Sie gilt genau dasselbe. Ihre Zwischenrufe sind ohne jede Wortmeldung, ohne daß Sie das Wort bekommen haben.

RA Mü[ller]:

Ich verwahre mich dagegen, Frau Ensslin spricht hier zur Sache, Herr Vorsitzender.

Angekl. B[aader]:

Geisterprozeß ...

Vors.:

Wollen Sie sich dazu äußern, Frau Ensslin.

RA Mü[ller]:

Frau Ensslin spricht zur Sache.

[3385] Vors.:

Frau Ensslin ...

Angekl. B[aader]:

... den provozieren Sie hier in einer brachialen Willkürmaßnahme, indem Sie fünf[ss] in den letzten 4 Tagen haben Sie 5 Verteidiger, in der letzten Woche haben Sie fünf Verteidiger aus der Verhandlung raus habilitiert ...

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Der Senat hat beschlossen auch der Angeklagte Raspe ...

Angekl. B[aader]:

... und jetzt schließen Sie die Angeklagten aus, und jetzt schließen Sie die Angeklagten aus ...

Vors.:

Ich bitte jetzt den Angeklagten Baader abzuführen. Der Angeklagte Raspe ist durch Beschluß des Gerichts ebenfalls für den Rest des Monats ausgeschlossen. Ich bitte auch ...

RA Mü[ller]:

Ich stelle den Antrag, daß sich Frau Ensslin noch dazu äußern kann. Moment mal, nicht bevor sich Frau Ensslin dazu geäußert hat.

Vors.:

Die Begründung ist, daß der Angeklagte Raspe nicht Platz macht, dadurch den geordneten Ablauf des Verfahrens stört, insbesondere die Abführung des Angeklagten Baader, und davon nicht abläßt. Ich bitte nun beide abzuführen. Aber ich bitte das nun wirklich auch zu machen. Notfalls unter Anwendung von Zwang.

Angekl. E[nsslin]:

Du provozierst hier Deine Zeugenvernehmung ohne Angeklagte und ohne Verteidiger, da kannst Du gar nicht drüber wegreden, Schwein.

Vors.:

Ich bitte jetzt die Angeklagten Baader und Raspe abzuführen, meine Herrn.

Angekl. M[einhof]:

Das ist doch die Systematik in dem Ausschluß seit einem Jahr, und in[tt] dem[uu] wie es[vv] systematisch hier betrieben wird, daß die Verteidiger ausgeschlossen worden sind, die vorbereitet waren und daß jetzt die Gefangenen ausgeschlossen werden, so daß ihr euren Prozeß unter euch machen könnt. Dann haben Sie aber die militärgerichtliche Prozedur, dann ist das normale Strafverfahren geplatzt.

Vors.:

So, jetzt bitte den Angeklagten Baader ...

RA Ob[erwinder]:

Herr Vorsitzender, ich habe eine Frage, wie stellt sich das Gericht die Einlassung zur Sache vor?

[3386] Vors.:

Die Einlassung zur Sache brauchen wir im Augenblick nicht zu entscheiden.

RA Ob[erwinder]:

Wieso denn nicht?

Vors.:

Bitte den Angeklagten Baader jetzt abzuführen.

Der Angeklagte Raspe wurde um 14.58 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Mehrere Rechtsanwälte sprechen unverständlich dazwischen.

Vors.:

Meine Herren ...

Angekl. B[aader]:

Sie haben doch schon die Vernehmung zur Person verhindert.[84]

Vors.:

Die Herren Vollzugsbeamten: Abführen!

RA Schi[ly]:

Was ist denn mit der Einlassung zur Sache?

RA Ma[irgünther]:

Sie müssen sich doch zur Sache, zur Anklage äußern, doch nicht erst die Beweisaufnahme.

RA Dr. H[eldmann]:

(unverständlich)

Der Angeklagte Baader wird um 14.59 Uhr aus dem Sitzungssaal abgeführt.

Die Angeklagten Meinhof und Ensslin reden laut unverständlich dazwischen.

Vors.:

Wollen Sie ... wollen Sie dasselbe jetzt haben.

Angekl. E[nsslin]:

Hier soll ein Aussetzungsantrag gestellt werden. Hier soll ein Ablehnungsantrag gestellt werden ...

Vors.:

Frau Meinhof und Frau Ensslin, bitte nehmen Sie Platz und sind Sie still.

Angekl. E[nsslin]:

... provozieren. Sie kommen hier nicht durch. Sie wollen die Ausschlüsse und Sie provozieren die Ausschlüsse. Das ist der Punkt, auf den dieses Verfahren seit vier Monaten zusteuert.

Vors.:

Frau Ensslin, die Bundesanwaltschaft will einen Antrag stellen.

BA Dr. W[under]:

Ich wiederhole den Antrag, der gestellt wurde bei den[ww] Angeklagten Baader und Raspe auch bezüglich der Frau Ensslin.

Vors.:

Frau Ensslin, es dreht sich jetzt um die Frage, ob auch Sie ausgeschlossen werden für den Rest des Monats. Sie können sich dazu äußern.

Angekl. E[nsslin]:

Ja Du bist ein dummes Schwein. Du provozierst hier ... Du hast hier einen[xx] Gefangenen vor einem Jahr abgeräumt, Du hast dich gewundert, daß wir noch vier sind, als der Prozeß anfing, und Du kannst zu Deiner Beweisaufnahme nicht kommen, solange wir überhaupt noch Gefangene sind ...

[3387] Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Beschluß des Senats.

Auch die Angeklagte Ensslin ist für den Rest des Monats von der Verhandlung ausgeschlossen, weil Sie durch unerlaubtes Zwischenrufen trotz Abmahnung das Verfahren gestört hat, außerdem einen[yy] Gerichtsbeteiligten bei Ihrer Aufforderung sich zu äußern, beleidigt hat. Ihre fernere Anwesenheit erscheint im Augenblick nicht erforderlich. Ich bitte die Angeklagte Ensslin abzuführen.

Angekl. M[einhof]:

Das läuft nicht. Sie haben Holger Meins umgebracht,[85] ... weil Sie den ganzen Staat hinter sich haben ...

Vors.:

Will die Bundesanwaltschaft einen Antrag stellen.

- Angeklagte Meinhof und ein weiterer Anwalt sprechen unverständlich dazwischen -

BA Dr. W[under]:

... an Angeklagten mit übernommen, ich beantrage auch sie auszuschließen.

Vors.:

Frau Meinhof, auch Ihnen gilt jetzt der Antrag, daß Sie ausgeschlossen werden. Wollen Sie sich dazu äußern.

Angekl. M[einhof]:

Wir verlangen, daß hier ein Aussetzungsantrag gestellt wird. Wir verlangen ...

Vors.:

Ob Sie sich jetzt über die Frage Ihres Ausschlusses äußern wollen?

RA Ob[erwinder]:

Sie äußert sich doch.

Angekl. M[einhof]:

Zu dem Ausschluß zu äußern, daß wir das natürlich ablehnen, alle vier hier ausgeschlossen zu werden. Und daß wir es ablehnen, daß Sie hier brachial Ihre Zeugenvernehmung ..., nachdem Sie alle ausgeschlossen haben, die dazu überhaupt Stellung nehmen sollen.

Vors. (Nach geheimer Umfrage):

Auch die Angeklagte Meinhof wird nach dem Beschluß des Senats für den Rest des Monates von der Verhandlung ausgeschlossen. Sie hat durch unerlaubtes Zwischenrufen trotz Mahnung die Verhandlung gestört, hat außerdem einen Gerichtsbeteiligten beleidigt, indem Sie Ihm einen Mord vorwarf. Ich bitte Sie abzuführen.

RA Ob[erwinder]:

Ich beantrage. das Protokoll abzuhören, was Frau Meinhof eben gesagt hat. Sie hat nicht beleidigt, und Sie haben Sie aufgefordert, sich zu äußern.

[3388] Angekl. M[einhof]:

Wenn Sie eine Beleidigung ...

Vors.:

Ich bitte die Angeklagten abzuführen.

- Die Angeklagten Meinhof und Ensslin werden um 15.02 Uhr abgeführt -

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Mairgünther wir sind immer noch nicht zu Ende gekommen, aber ich gebe Ihnen jetzt die letzte Gelegenheit dazu. Wollen Sie die Maßnahme, daß Sie diesen Aussetzungsantrag jedenfalls jetzt nicht vor der Zeugenvernehmung stellen können, beanstanden. Wenn ja, dann bitte ich das zu begründen. Nicht die Begründung Ihres Aussetzungsantrags.

RA Ma[irgünther]:

Ja, das möchte ich gern jetzt tun, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Sie müssen nicht, es ist Ihr freier Wille.

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, während der ganzen Erklärungen der Bundesanwaltschaft lief wiederum das Band.

Sekretärin der Vert. auf der linken Seite:

Ne.

BA Dr. W[under]:

Ich verwahre mich dagegen und bitte jetzt dafür Sorge zu tragen, daß sich das nicht wiederholt.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Haben Sie Ihre Behauptung überprüft?

Sekr.:

Ich bin doch erst gekommen ..., da haben Sie überhaupt [zz] nicht geredet.

Reg. Dir. W[idera]:

Das Band lief bereits als ich gesprochen habe, da waren Sie hier. Das Band lief, als ich gesprochen habe. Es kann jetzt hier gelöscht werden.

Ein Verteidiger:

Wie wollen Sie das beweisen?

Vors.:

Ach, wir können das ganze einfach überprüfen lassen, lassen Sie doch vielleicht mal die letzten Umdrehungen zurückspulen und lassen Sie uns hören, was drauf ist.

Reg. Dir. W[idera]:

Herr Protokollführer, wollen Sie sich vielleicht mal dahin bewegen und mal mitkontrollieren.

- Mehrere Verfahrensbeteiligte sprechen ohne Mikrofon durcheinander, daher unverständlich -

Vors.:

So. Ich bitte jetzt zur Kontrolle, lassen Sie mal laufen, was aufgenommen wurde.

Protokollführer:

Da ist kaum was drauf, Sie kam erst später, viel später.

[3389] Vors.:

Ja. So wird es ...

Protokollführer:

Der Antrag, die Angeklagten auszuschließen, der ist drauf.

Reg. Dir. W[idera]:

Mein Antrag ist drauf, den Angeklagten auszuschließen, mit Sicherheit.

Vors.:

Naja, da würde ich aber folgenden Kompromißvorschlag machen. Wenn natürlich ganz kurzfristig ein Antrag kommt, der nur wenige Worte umfaßt, ich weiß nicht, Ihrer war ja der ausführliche Antrag.

Reg. Dir. W[idera]:

So ist es. Und ich hab auch erst das Wort ergriffen, nachdem Sie es mir erteilt hatten. Die Protokollführerin hatte ausreichend Gelegenheit, da auf den Knopf zu drücken. Das ist eine Sekundenreaktion. Sie will nicht.

Vors.:

Nun sagen Sie bitte, haben Sie das aufgenommen oder haben Sie es nicht?

Sekr.:

Mir war das nicht bewußt.

Vors.:

Ich will Ihnen eine Möglichkeit geben, daß diese Teile, die die Bundesanwaltschaft betreffen, gelöscht werden in Gegenwart unserer Protokollführer. Aber das ist jetzt die letzte Möglichkeit. Ich möchte Sie bitten, darauf zu achten, daß in Zukunft kein Prozeßbeteiligter der nicht mit der Aufnahme durch Sie einverstanden ist, auf Ihr Band kommt.[86] Aber das müssen Sie einhalten. Ich muß Ihnen nochmals sagen, daß sonst Ihr fernerer Verbleib hier nicht möglich ist, mit samt dem Gerät. Ich kann das nicht jedes Mal überwachen, wenn hier irgendwie die Bundesanwaltschaft sich äußert, ob Sie nun dieser Aufforderung nachkommen oder nicht. Herr Scholze und Herr Clemens, Sie achten nachher darauf, daß diese Löschung auch vorgenommen wird.

Herr Rechtsanwalt.

RA Ma[irgünther]:

Ich möchte zunächst eine Vorbemerkung machen dürfen, Herr Vorsitzender. Sie haben eben meinen Mandanten Raspe ausgeschlossen ohne ihm Gelegenheit gegeben zu haben, sich vorher zu äußern und Sie haben Frau Meinhof eben vorgeworfen, sie hätte Sie beleidigt, offensichtlich unrichtig. Ich frage mich also, da vieles hier nach Programm abläuft, ob ich meine Beanstandung noch vortragen soll, aber ich will es mal machen.

[3390] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich Sie nur, weil Sie eine Vorbemerkung im Augenblick machen, fragen, ob Sie glauben, daß die Ansprache, ich hätte Holger Meins ermordet, keine Beleidigung ist.

RA Ma[irgünther]:

Ich versteh jetzt den Zusammenhang nicht ganz.

Vors.:

Müssen Sie Farbe bekennen, daß Sie das für keine Beleidigung halten, wenn man mir vorwirft, ich hätte Holger Meins ermordet.

RA Ma[irgünther]:

Also Herr Vorsitzender, ich bin nicht angereist, um hier Farbe zu bekennen, sondern um meinen Mandanten zu verteidigen und das möchte ich jetzt tun. Sie haben in der letzten Verhandlung folgendes gesagt. Bevor die Frage der Berechtigung des Auftretens dieser Herrn Rechtsanwälte, es handelte sich um die Herrn Golzem, Spangenberg und Köncke nicht geklärt ist, ist die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit dieser Anwälte nicht möglich. Ich meine dementsprechend auch, Herr Vorsitzender, so lange die Frage, ob die Entpflichtung von Herrn von Plottnitz unzulässig und unbegründet ist oder nicht, bevor diese Frage nicht geklärt ist, auch auf der Grundlage der Fragestellung: Gibt es hier überhaupt eine gesetzliche Grundlage für diese Entpflichtung? Bevor diese Frage nicht geklärt ist, bevor also auch nicht geklärt ist, ob Herr von Plottnitz nicht unzulässiger Weise hier entfernt und entpflichtet worden ist, kann in Anlehnung an Ihre eigenen Worte, die Hauptverhandlung nicht fortgeführt werden. Deshalb hatte ich meine Beanstandung verknüpft mit dem Antrag, bis zur Entscheidung des Gerichts, also des Senats, die Hauptverhandlung doch zu unterbrechen. Damit nicht diese Unerträglichkeit besteht, daß möglicherweise hinterher der Beschluß korrigiert werden muß und inzwischen weiter verhandelt worden wäre, das ist derselbe Gedankengang, den Sie in der letzten Verhandlung geäußert haben. Und ich meine, es wäre doch richtig und sachgerecht, wenn Sie meine sehr kurze Begründung dieser Intervention sich zunächst anhören und über diesen Antrag dann auch sich zunächst schlüssig werden würden.

Vors.:

Nein, die Begründung, die Sie vorgebracht haben, trifft genau [3391] den Kern den Beanstandung, daß ich eine falsche Maßnahme getroffen hätte, indem ich Ihnen nicht Gelegenheit gebe, den Antrag vorzutragen. Wir werden darüber beraten müssen. Will sich die Bundesanwaltschaft zu der Frage äußern.

RA Ma[irgünther]:

Ich hätte sonst mit sehr wenigen Worten nur[aaa] begründet, daß keine gesetzliche Grundlage für diese Entpflichtung besteht.

Vors.:

Nein, es geht jetzt um die Beanstandung von Herrn Rechtsanwalt Mairgünther.

RA Ma[irgünther]:

Bitte?

RA Schi[ly]:

Ich möchte nur vielleicht in einem Gesichtspunkt noch beisteuern, den Hinweis auf die Vorschrift in § 265 Abs. IV[ StPO]. Da steht: Auch sonst hat das Gericht, hat das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint. Das ist eine zwingende Vorschrift. Und Sie können nicht die Anwendung einer zwingenden Vorschrift dadurch verhindern, daß Sie den Antrag gar nicht zulassen. Das wäre doch, ich mein dann, wäre also überhaupt nichts mehr möglich in diesem Verfahren.

Vors.:

Gut. Der Senat wird diese Frage beraten, wir ziehen uns dazu kurz zurück.

Das Gericht zieht sich um 15.10 Uhr zur Beratung zurück.

Ende von Band 194

[3392] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.18 Uhr.

Vors.:

Bitte Platz zu nehmen. Der Senat hat beschlossen:

Die Entscheidung des Vorsitzenden, die von Rechtsanwalt Mairgünther angekündigten Anträge, nämlich Gerichtsbeschluß über die Entpflichtung des Pflichtverteidigers von Plottnitz und Aussetzung bis zu diesem Beschluß jetzt nicht entgegenzunehmen, wird bestätigt, weil die Vernehmung zweier auswärtiger Zeugen, die schon zum dritten Mal erschienen sind Vorrang hat. Überdies hat sich Rechtsanwalt von Plottnitz als Wahlverteidiger gemeldet. Von seinem Ausschluß kann keine Rede sein.

Herr Zeuge.

RA Sch[ily]:

Ich bitte um eine Pause Herr Vorsitzender.

Vors.:

Wollen Sie nicht wenigstens, wenn Sie jetzt eine Pause beantragen, angeben warum.

RA Sch[ily]:

Ja, ich prüfe die Möglichkeit, mit meiner Mandantin werde ich das zu prüfen haben, ob aufgrund des jetzt, der jetzt eingetretenen Situation Anträge zu stellen sind. Möglicherweise ein erneutes Ablehnungsgesuch, möglicherweise aber auch ein anderer, der meine weitere Tätigkeit hier als Verteidiger anbetrifft. Und dazu brauche ich eine, ich weiß nicht, ob die Gefangenen noch im Hause sind, wenn die Gefangenen noch im Hause sind eine halbe Stunde, sonst würde ich bitten bis 4.00 Uhr, länger geht es sowieso nicht drüben.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich sehe keinen Anlaß die Pause zu gewähren, ich habe Ihnen früher schon gesagt, daß die Absicht Anträge zu stellen, wie Sie es formulieren keineswegs die Pflicht begründet, gerade in der jetzigen Situation, wo wir zwei auswärtige Zeugen endlich von einer wiederholten Erscheinung befreien wollen, Pausen einzulegen.

RA Sch[ily]:

Das hat mit den auswärtigen Zeugen nichts zu tun Herr Vorsitzender, ich kann da nur davon ausgehen, daß Sie mir die Pause verweigern, aber ich bin dann gezwungen aufgrund meiner anwaltlichen Verpflichtung mir die Pause zu nehmen.

[3393] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich zunächst mal, bevor ich Ihnen das Wort erteile Herr Rechtsanwalt, Herrn Dr. Heldmann sagen, Herr Rechtsanwalt Schily, ich muß Sie nicht lange auf die möglichen Konsequenzen hinweisen, Sie sind jetzt bereits sichtbar geworden, es ist natürlich heute früh von Ihnen immer wieder betont worden, Äußerungen hätten zur Entpflichtung von Herrn Rechtsanwalt von Plottnitz geführt. Ich darf Sie nachdrücklich darauf hinweisen, ganz im Vordergrund stand die Tatsache des tatsächlichen Verhaltens, zu dem auch das zweimalige Entfernen aus der Hauptverhandlung[87] gehörte. Nur weil Sie im Augenblick erwähnen, Sie sehen sich gezwungen. Es sieht ja etwas merkwürdig aus, wenn Sie angesichts dessen nun unbedingt ihre Pause nehmen wollen, wie Sie sagen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, wenn ein Verteidiger hier ausgeschlossen wird, einer der Verteidiger von dem man ausgehen darf, daß er eben schon vor der Hauptverhandlung tätig war, Aktenkenntnisse verfügt, wenn Sie in die Beweisaufnahme eintreten wollen. Der Mann ist einen Tag vorher ausgeschlossen worden und Sie selber haben betont, daß hier ein Zusammenhang zwischen den Verteidigern besteht und jetzt wollen Sie in die Beweisaufnahme eintreten und wollen noch nicht einmal sich anhören, daß Sie selbst für diese Entpflichtung noch gar nicht mal zuständig waren,[88] abgesehen davon, daß eine Rechtsgrundlage dafür nicht besteht, das können Sie im Kleinknecht sogar nachlesen, daß Ungebühr niemals einen Entpflichtungsgrund darstellt.[89] Das wissen Sie auch ganz genau, Sie gehen darüber aber einfach hinweg und Sie wollen es in der Hauptverhandlung sich nicht einmal anhören.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

Das ist das mindeste, das ist also das minimalste [3394] Recht eines rechtsstaatlichen Verfahrens, rechtliches Gehör,[90] wenn Sie das noch nicht einmal gewähren und sagen, na ja, auswärtige Zeugen sind von auswärts angereist und deshalb können wir einen Aussetzungsantrag nicht entgegennehmen, dann verstehe ich nun wirklich nicht mehr, wie hier, das heißt, ich verstehe es jetzt sehr gut, ich verstehe es jetzt noch besser vielleicht, was sich hier abspielen soll und bitte, wenn Sie da mir wiederum Maßnahmen androhen, das haben ja nun schon öfter getan. Ich wundere mich eigentlich sowieso, wie diese Auswahl zustande kommt, auch mit der Frage der ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt ...

RA Sch[ily]:

... der Doppelverteidigung[bbb], das wäre mir mal interessant, vielleicht können wir darüber erst nocheinmal sprechen.

Vors.:

Sie haben jetzt ja bemerkt, daß das Gericht Wert darauf legt, endlich zu der Vernehmung der Zeugen zu kommen.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, vielleicht können Sie mir die Frage noch beantworten, auch zu meiner eigenen Meinungsbildung.

Vors.:

Wenn Sie kurz formuliert ist, überlege ich mir, ob ich was antworte, aber ich bitte Sie dann, die Frage zu formulieren.

RA Sch[ily]:

Ja, sehen Sie, Sie haben hier doch die Kollegen Golzem und Spangenberg und Köncke entpflichtet wegen einer angeblichen anderen Verteidigung in Kaiserslautern ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich kann Ihnen dazu keine Auskunft geben.

RA Sch[ily]:

Sie wissen doch, daß ich Frau Schubert verteidige.

Vors.:

Es handelt sich um einen Senatsbeschluß und der Senatsbeschluß, von dem Sie heute früh behaupteten, unter Zitierung einer Pressemeldung, er sei ohne Begründung ergangen, nachher haben Sie aus der Begründung selbst zitiert, ist eingehend begründet, Sie können alles, was der Senat dazu zu sagen hat, der Begründung entnehmen und ich darf Sie noch darauf hinweisen, auf die Bundestagsdrucksache, wo entgegen Ihrer Behauptung ganz klar hervorgeht, daß der Gesetzgeber bei der Beratung des § 146[ StPO] auch diesen Fall im Auge hat.[91]

[3395] RA Sch[ily]:

Ja nun, Herr Vorsitzender, dann, wie ist es dann mit meinem Fall, mit dem Fall Schubert.[92] Sie wissen, daß ich auch Verteidigerin von Frau Schubert bin und noch tätig bin im Revisionsverfahren in der Hauptverhandlung und im Revisionsverfahren, wenn also Ihre Auffassung zutrifft, dann muß ich mich ja vergewissern, vielleicht habe ich auch die Verpflichtung als Anwalt, dann dafür zu sorgen, daß vielleicht hier Frau Ensslin anders verteidigt ist, denn wenn Sie diese Auslegung anwenden wollen, mit der Doppelverteidigung[ccc], dann müßten Sie konsequenterweise auch meine Entpflichtung vornehmen, mit Rücksicht auf das Mandat Schubert.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ich darf Sie darauf hinweisen, daß zwischen den Angeklagten Taten in Kaiserslautern und den hier angeklagten Taten über der Ebene von § 129[ StGB] direkte Beziehung besteht. Das was hier angeklagt ist, ist dort angeklagt und umgekehrt ...

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, Sie wissen doch Banküberfall, Banküberfall ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, damit ist jetzt zu Ende. Ich habe Ihnen Rede und Antwort gestanden, ich will aber nicht mehr weitergehen.

RA Sch[ily]:

... Banküberfall in Berlin ist der gleiche Tatbestand, Schubert, Ensslin. Also und [§ ]129[ StGB] ohnehin. Also wenn Sie die Auffassung vertreten, dann bitte ich doch mal in eine Meinungsbildung einzutreten, ob meine Entpflichtung aus diesem Grunde notwendig ist.

Vors.:

Legen Sie Wert darauf?

RA Sch[ily]:

Ja ich lege darauf Wert, daß das also jetzt geklärt wird.

Vors.:

Gut, Herr Rechtsanwalt, ich habe Sie darauf hingewiesen, weil Sie von der Pause sprachen, wir können Ihnen die Pause nicht gewähren, daß jetzt die Zeugenvernehmung vorangeht, ist entschieden, das hat auch der Senat inzwischen bestätigt.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender ...

[3396] Vors.:

Wir schreiten jetzt zur Zeugenvernehmung.

RA Sch[ily]:

Herr Vorsitzender, ich bitte darum, diese Frage dann zunächst mal zu klären, Sie haben ja selber auch, obwohl auch da in den Tagen ein Zeuge geladen war ...

Vors.:

Soll das ein Antrag sein?

RA Sch[ily]:

Ja, das ist ein Antrag.

Vors.:

An das Gericht?

RA Sch[ily]:

Zunächst einmal diese Frage zu klären, wieweit ich berechtigt bin, hier weiter zu verteidigen nach Ihrer Auffassung.

Und Sie haben ja, als die Kollegen Golzem, Köncke und Spangenberg hier anwesend waren, haben Sie doch auch, da war ja auch ein Zeuge geladen, dann haben Sie aber ausgesetzt und haben gesagt: Nein, wir können nicht weiter, wir können nicht weiter hier verhandeln, bis diese Frage geklärt ist. Nun bitte ich hier, jetzt bitte ich den Senat zunächst einmal auch in meiner, hinsichtlich meiner Person diese Frage dann hier zu prüfen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, auch dieser Antrag wird jetzt nicht beraten oder weiter erörtert, wir können diese Anregung von Ihnen durchaus nachgehen, aber jetzt nicht, jetzt wollen wir den Zeugen vernehmen.

RA O[berwinder]:

Der Herr Schily ...

RA Sch[ily]:

Wenn ich einen Antrag stelle ist es doch wohl so, daß Sie darüber beraten müssen und entscheiden müssen.

Vors.:

Haben Sie das Wort, Herr Rechtsanwalt Oberwinder? Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, Sie haben ums Wort gebeten.

RA Dr. H[eldmann]:

Wegen des Sachzusammenhangs würden Sie mir erlauben, bitte erst das Wort an Herrn Oberwinder zu geben, wo nämlich der gleiche Fall zu beschreiben sein wird, jedenfalls der gesetzlichen ...

Vors.:

Ich darf Ihnen aber jetzt grundsätzlich sagen, die Entscheidung, die gerade bekanntgegeben worden ist, bezüglich des Wunsches von Herrn Rechtsanwalt Schily, über diese Frage jetzt zu verhandeln oder gar zu entscheiden, die gilt selbstverständlich auch für die weiteren Anträge, wenn Sie jetzt versuchen sollten, jeder von sich aus seine Situation darzustellen, dann würde Ihnen genau dasselbe entgegengehalten.

[3397] RA Dr. H[eldmann]:

Nein, ich nicht.

RA O[berwinder]:

Ich bitte[ddd] jetzt wirklich mal ums Wort. Das Problem ist, daß wir doch hier nicht mal unsere Frage der Interessenkollision in diese Zeugenvernehmung eintreten, wenn Sie hier die Auffassung vertreten, [§ ]146[ StPO] trifft bei diesem Mandat zu und [§ ]146[ StPO] mit der Interessenkollision begründet ist[eee] dann ist mit der Verteidigung hier eine Zeugenvernehmung im Moment nicht möglich, ohne daß vorher diese Frage geklärt ist.

Vors.:

Das müssen Sie aber nun schon dem Senat überlassen, wann die Frage geklärt wird.

RA Sch[ily]:

Ja, dann würde ich natürlich sagen, na ja, also dann klären wir das irgendwie am Schluß der Beweisaufnahme, oder wie soll denn das gehen? Herr Vorsitzender, soll das ...

Vors.:

Meine Herren, nehmen Sie es bitte zur Kenntnis ich habe Ihnen jetzt gesagt ...

RA Sch[ily]:

Nein, ich will jetzt meine Frage stellen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily ...

RA Sch[ily]:

... wie soll denn das gehen?

Vors.:

... Sie haben jetzt weder um das Wort gebeten noch haben Sie das Wort erhalten. Ich möchte Sie jetzt aber auch bitten, diesen Themenkreise im Moment abzuschließen, da wir die Zeugenvernehmung für vordringlicher halten.

RA Sch[ily]:

Ja was, also es geht ja nun nicht nach Vordringlichkeit, Herr Vorsitzender, sondern wenn ein Antrag gestellt wird ...

Vors.:

Nein, meinen Sie die Verhandlungsleitung liegt bei Ihnen?

RA Sch[ily]:

Nein, das nicht, aber ich habe das Recht, als Verteidiger darauf zu bestehen, wenn ich einen Antrag stelle, daß der beschieden wird.

Vors.:

Ich habe Ihnen bereits gesagt, und das war die Entscheidung, die im Augenblick ergeht, über Ihren Antrag wird jetzt weder debattiert noch wird darüber entschieden.

Jetzt geht die Zeugenvernehmung vor.

RA Sch[ily]:

Also dann stelle ich auch den Antrag:

Auf Aussetzung des Verfahrens und zunächst einen Beschluß in Verbindung mit dem Antrag auf Aussetzung herbeizuführen, ob meine weitere Verteidigung hier zugelassen wird mit Rücksicht auf die Verteidigung und dem Weiterbestand des Mandats Ingrid Schubert. [3398] Und bis zu dieser Entscheidung bitte ich die Verhandlung auszusetzen.

Den Antrag stelle ich, denn ich halte es für unzumutbar, daß in die Beweisaufnahme eingetreten wird, solange diese Frage der Verteidigung nicht geklärt ist, und solange [fff] hier willkürlich einzelne Verteidiger heraus expediert werden und dann in die Beweisaufnahme eingetreten wird, nach zwei Zeugen oder nach drei Zeugen, ich weiß ja nicht, jeweils so nach Mutwillen dann so entschieden, welcher Verteidiger dann zugelassen wird. Meine Mandantin hat einen Anspruch darauf, daß das, gerade über diese Frage, zumal ja jetzt schon seit Mai verhandelt wird und an sich ich mich wundere, daß man erst jetzt überhaupt auf den Gedanken kommt, über diese Fragen nachzudenken, im Falle der Kollegen Köncke, Spangenberg und Golzem, aber da gibt es ja auch dafür gewisse Anhaltspunkte, warum das erst jetzt geschieht. Ich bitte darum, im Rahmen dieses Aussetzungsantrags dann auch darüber zu entscheiden, ob meine weitere Verteidigung zugelassen wird oder nicht.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Mairgünther.

RA Ma[irgünther]:

Herr Vorsitzender, ich stelle einen weiteren Aussetzungsantrag nach [§ ]265 Abs. 4[ StPO], weil ich mich zur Wahrnehmung meiner Verteidigeraufgaben im Rahmen der Beweisaufnahme nicht in der Lage sehen kann. Ich habe vor mehr als vier Wochen bei Ihnen beantragt, mir zumindestens zum Zwecke der Vorbereitung dieser Verhandlung ein Exemplar der Anklageschrift zur Verfügung zu stellen und ein Exemplar des bisherigen Verhandlungsprotokolls, Tonbandsprotokolls. Ich habe bis heute noch nichteinmal eine Anklageschrift erhalten, von den Akten mal ganz abgesehen und von dem Tonbandprotokoll auch abgesehen. Ich sehe mich beim besten Willen nicht in der Lage, hier ordnungsgemäß in die Beweisaufnahme einzutreten, und ich bitte doch den Senat, diese Sachlage im Rahmen des [§ ]265, Abs. 4[ StPO], die ja eine neue ist, durch die Entpflichtung meines [3399] Kollegen von Plottnitz, der ja eingearbeiteter Verteidiger war, doch dieser veränderten Sachlage Rechnung zu tragen. Vielleicht, sonst müßten Sie mir schon die Frage beantworten, Herr Vorsitzender, wie ich die Beweisaufnahme wahrnehmen soll?

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, es bahnt sich jetzt wieder dieses Erlebnis an, das wir am Anfang hatten, wir haben Herrn Rechtsanwalt Dr. Heldmann am ersten Tage seines Auftretens nachmittags, ohne daß das Gericht irgendwo einen Widerstand geleistet hätte, die Anklage zukommenlassen, als Ihr Antrag kam, vor vier Wochen ...

RA Ma[irgünther]:

Vor vier Wochen.

Vors.:

... haben wir sofort das Büro Laubscher, den Herrn Rechtsanwalt Laubscher, der damals gerade sein Mandat niedergelegt hat, angerufen und ihn gefragt, ob er bereit sei, Ihnen sein Exemplar zu überlassen, was er sofort bestätigte und sagte, er bringe dieses Exemplar sofort auf den Weg ...

RA Ma[irgünther]:

Ich versichere, das ist nicht geschehen.

Vors.:

Das liegt aber nun wirklich nicht an uns, sondern an dem früheren Verteidiger des Verfahrens, an Rechtsanwalt Laubscher, ich habe mich auf das Wort dieses Anwalts verlassen, daß er Ihnen das Exemplar zukommen läßt.

RA Ob[erwinder]:[ggg]

Ja, aber das kann man Herrn Raspe ja jetzt net anlasten ne.

Vors.:

Nun, ich will bloß verhindern, daß jetzt wieder etwa der Eindruck entstehen könnte, das Gericht sei nicht bereit, eine Anklage einem Anwalt, der hier frisch auftritt zu übergeben. Das war das Gericht stets und auch in Ihrem Falle, wir haben uns nur darauf verlassen, wie gesagt, daß Sie auf diese Weise zu einem Exemplar kämen. Das bedauere ich sehr, daß Ihnen dieses Exemplar nicht zugegangen ist, aber ich wundere mich doch sehr, daß Sie auf diesem, für Sie doch interessanten Umstand, daß das nicht kommt, keine Entscheidung ergangen ist, nicht rechtzeitig hingewiesen haben, wir mußten doch aus Ihrem Schweigen schließen, daß Sie die Anklage inzwischen längst hätten.

[3400] RA Ma[irgünther]:

Ich habe vor einer Woche vergeblich, Herr Vorsitzender, vergeblich versucht, diesen Antrag zu stellen. Ich habe ihn heute abermals schriftlich formuliert und bisher aus den verschiedensten Gründen noch nicht übergeben, aber ich möchte doch meinen Antrag wiederholen, mir nunmehr ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, darf ich Sie aber jetzt auf folgendes hinweisen ...

RA Ma[irgünther]:

... ein Exemplar der Anklage zur Verfügung zu stellen.

Vors.:

... daß müssen Sie sich als Anwälte nunmal grundsätzlich merken, in die Hauptverhandlung gehören, nach dem Prinzip der Unmittelbarkeit, alle Dinge, die die Schuld und eventuell die Straffrage betreffen.[93] Daß Sie nicht wissen sollten, als Anwalt, daß es für solche Anträge die Geschäftsstelle gibt, und daß Anträge bei Gericht bei der Geschäftsstelle anzubringen sind ...

RA Ma[irgünther]:

Weiß ich.

Vors.:

... das kann ich nicht glauben, also wundere ich mich, daß Sie geschwiegen haben und jetzt mit der Behauptung kommen, Sie hätten den Antrag hier nicht stellen können.

RA Ma[irgünther]:

Ich habe im Rahmen einer Stellungnahme zu den Ausführungen der Bundesanwaltschaft im letzten Termin, die von Prozeßverschleppung gesprochen hat, in diesem Rahmen wollte ich darauf eingehen und erklären, erklären, Herr Vorsitzender, kein Antrag, erklären, daß ich immer noch kein Exemplar der Anklageschrift habe.

Vors.:

Ja, wir werden jetzt sofort dafür sorgen ...

RA Ma[irgünther]:

Der Sachverhalt ist heute nach einer Woche unverändert. Ich kenne noch nicht einmal die Anklage.

Vors.:

Aber das liegt an Ihnen ...

RA Ma[irgünther]:

So kann ich nicht in die Beweisaufnahme eintreten.

Vors.:

Sie hätten sich melden müssen, Sie werden jetzt sofort mit einem Antrags... ich hoffe daß wir ein Exemplar haben, ich vermute es. Sie werden sofort damit ausgestattet werden, aber ich weise jede Verantwortung des Gerichts dafür zurück, wir konnten uns nach Ihrem Verhalten darauf verlassen, daß das, was Herr Rechtsanwalt Laubscher zugesagt hat, auch zutrifft, daß er es nämlich sofort auf den Weg bringt zu Ihnen.

[3401] RA Dr. H[eldmann]:

Sie haben Herrn Mairgünther überhaupt nicht geantwortet.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, ich weiß nicht, ob Sie nun zur Unterstützung von Herrn Mairgünther in dieser Frage wieder sich einmischen müssen, wenn, dann würde ich in Zukunft auch um Wortmeldung bitten. Wir haben die Frage, glaube ich, erörtert ...

RA Dr. H[eldmann]:

Ich melde mich schon die ganze Zeit.

Vors.:

Herr Bietz, ich würde bitten, mal zur Geschäftsstelle zu gehen und zu gucken, ob dort noch ein Exemplar aufzutreiben ist, sonst muß sofort ein Exemplar fotokopiert werden.

RA Ma[irgünther]:

Aber ich möchte doch meine Anregung wiederholen, Herr Vorsitzender, diese nunmal wirklich bestehende Sachlage im Rahmen des [§ ]265 Abs. 4[ StPO] zu berücksichtigen.

Vors.:

Schön, will die Bun...

RA Ma[irgünther]:

Oder bitte, sagen Sie mir, wie ich an der Beweisaufnahme teilnehmen soll, als neu in dieses Verfahren eingetretener Rechtsanwalt, ohne auch nur die Anklageschrift zu kennen ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, um die Anklage hätten Sie sich längst[hhh] bemühen können, das ist das eine, aber ich will nicht der Entscheidung vorgreifen. Soviel muß ich dazu sagen, daß es selbstverständlich mit enormen Schwierigkeiten verbunden ist für jeden Verteidiger, der hier neu hinzukommt, das sieht der Senat, er kennt den Umfang des Materials. Aber ich darf Sie vielleicht darauf hinweisen, wir haben inzwischen, glaube ich, die achte Veränderung bei der Verteidigung. Würde nun in jedem Falle bei Veränderung dem Wunsche, zwar Einarbeitungszeiten zu gewähren, wie das ja ursprünglich im Vordergrund des Verfahrens mal stand, nachgegeben worden sein, dann müßten wir das jetzt schon achtmal getan haben. Bitte das nicht zu übersehen.

RA O[berwinder]:

Wenn sich nicht die Gefangenen ...

Vors.:

Damit ... Herr Rechtsanwalt Oberwinder, was wollen Sie?

RA O[berwinder]:

Ja, wenn Sie von der Veränderung der Verteidigung reden, so hat das ...

[3402] Vors.:

Nein, wir sind jetzt beim Aussetzungsantrag.

RA O[berwinder]:

Ja, ich habe auch einen Aussetzungsantrag und zwar ich habe auch einen längeren Antrag hier, ein Aussetzungsantrag, weil auch die Frage, ob die Rechtsanwälte Golzem und Köncke, die für Frau Meinhof hier da waren, rechtskräftig aus diesem Verfahren entfernt worden sind, auch überhaupt noch nicht geklärt ist. Da ich nicht annehmen kann, daß ich den Antrag hier stellen kann, muß ich also zumindest einen Aussetzungsantrag [iii] stellen, bis es möglich ist, diese Frage zu klären, weil es war[jjj] natürlich arbeitsteilig vorbereitet, auch die Beweisaufnahme, und Rechtsanwalt Köncke der[kkk] ist ja nun seit Anfang dieses Jahres in diesem Verfahren drin. Und ich stehe in einer ähnlichen Situation, auch wenn ich für Herrn Riedel hier bin, daß Sachen, die Herr Köncke vorbereitet hat, nicht von meiner Seite hier bei[lll] der Zeugenvernehmung berücksichtigt werden können, das ist völlig sinnlos.

Vors.:

Also[mmm] im Grunde genommen, wenn ich es recht verstehe, so ganz klar ist es nicht geworden, wollen Sie dasselbe, was Herr Rechtsanwalt Mairgünther wünschte, das heißt, Sie wollten ursprünglich ...

RA O[berwinder]:

Ja, nur keine Anklageschrift, sondern nur die Aussetzung.

Vors.:

Ja, ja aber Sie wollten die Überprüfung durch das Gericht ursprünglich beantragen, nicht? Aber sagen Sie, warum kommt Herr Rechtsanwalt Riedel nicht er ist doch eingearbeitet?

RA Ob[erwinder]:

Das ist doch nicht der Punkt, ich habe doch gesagt, daß Herr Rechtsanwalt Köncke ...

Vors.:

Ist das der Verteidigung nicht so wichtig, daß dann der eingearbeitete Stammverteidiger kommt, sondern immer seine Vertreter schickt?

RA Ob[erwinder]:

... arbeitsteilig eingearbeitete Verteidiger, dazu gehören auch die Wahlverteidiger, aber auch Herr Köncke und der ist letzte Woche hier aus dem Verfahren entfernt worden.

[3403] Vors.:

Also Sie wollen die Aussetzung haben, bis die Frage geklärt ist, ob die Herren Golzem und Spangenberg ...

RA Ob[erwinder]:

Köncke.

Vors.:

... und Köncke wirksam ausgeschlossen sind.

RA Ob[erwinder]:

Jawohl, ich würde allerdings lieber den Antrag stellen, den Beschluß zurückzunehmen, wenn ich den stellen kann.

Vors.:

Nein, das ist ja jetzt bereits bei dem Antrag von Herr Mairgünther entschieden. Will sich die Bundesanwaltschaft zu diesem Punkte irgendwie äußern ... Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

... sämtliche Anträge dieser Richtung schon von vornherein abgelehnt, eh sie gestellt werden.

Vors.:

Welche Anträge dieser Richtung?

RA Dr. He[ldmann]:

Na etwa den Antrag des Herrn Kollegen Oberwinder eben.

Vors.:

Der Antrag von Herrn Mairgünther ist abschlägig beschieden, das heißt, der Versuch den Antrag vorzutragen, ist abschlägig beschieden worden. Und ich habe Ihnen vorhin gesagt, Versuchen von anderen Verteidigern würde wohl dasselbe Schicksal beschieden sein, ob sie nun auf diese Anträge nun verzichten wollen oder, weiß ich nicht. Mir schien das bei Herrn Rechtsanwalt Oberwinder so.

RA Ob[erwinder]:

Nein, nein, ich verzichte ausdrücklich nicht, ich habe nur gesagt, ich sehe auch hier keine Möglichkeit, daß Sie das hier annehmen. Ich könnte jederzeit ihn stellen.

Vors.:

Das ist ein Streit um Worte, so meine ich [nnn] auch, daß das ebenso[ooo] aufzufassen war. Gut, diese zwei Aussetzungsanträge liegen vor, will die Bundesanwaltschaft dazu äußern? Bitte Herr Bundesanwalt.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Zunächst mal hätte ich ganz gern geklärt, es ist doch wohl so, daß der Senat entschieden hat, daß über eine Aussetzung des Verfahrens, über solche Anträge jetzt nicht entschieden wird oder irre ich mich da?

Vors.:

Es ist so gewesen, daß gesagt wurde, über den Antrag, die [3404] Entpflichtung beziehungsweise die Nichtzulässigkeit des Auftretens der drei Anwälte aus Kaiserslautern zu überprüfen durch das Gericht und auszusetzen, bis zu diesem Zeitpunkt, werde jetzt auf jeden Fall, der Antrag werde jetzt auf jeden Fall nicht entgegengenommen, das war Gegenstand. Die Anträge, die inzwischen von Herrn Rechtsanwalt Schily gestellt worden sind, nämlich auszusetzen, bis seine Situation überprüft sei, wegen der Doppelverteidigung, Fall Ingrid Schubert, die hiesige Verteidigung, und der Antrag von Herrn Rechtsanwalt Mairgünther auszusetzen, solange bis er sich wenigstens in die Anklage eingelesen habe, sind zwei paar Stiefel. Die müssen wir also trennen, darüber ist noch nicht entschieden.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Gut vielen Dank. Also dann zu den gestellten Aussetzungsanträgen. Sie sind meiner Auffassung nach offensichtlich unbegründet und sind deswegen zurückzuweisen. Zunächst mal zur Klärung der Sachlage: Rechtsanwalt von Plottnitz ist nicht ausgeschlossen als Verteidiger, er ist nach wie vor Wahlverteidiger, er ist lediglich entpflichtet. Er ist also nicht mehr Pflichtverteidiger in diesem Verfahren. Für Rechtsanwalt von Plottnitz ist auch nicht heute etwa hier ein neuer Verteidiger erschienen, dessentwegen eine Aussetzung, weil er sich vorbereiten müßte, eine Aussetzung in Betracht käme. Die Frage, ob Herr Rechtsanwalt Schily Interessenkollision im Sinne des § 146 der Strafprozeßordnung vorliegt, die kann niemals jetzt eine Aussetzung bedingen. Allenfalls müßte es umgekehrt geschehen, wenn Herr Rechtsanwalt Schily zu der Auffassung gelangen sollte, daß bei ihm der Fall des § 146 der Strafprozeßordnung gegeben ist, dann müßte er sich entschließen, einen Entpflichtungsantrag zu stellen und das könnte er ja auch tun. Außerhalb der Hauptverhandlung ist dafür genügend Raum und Zeit. Deswegen braucht man die Beweisaufnahme hier nicht weiterhin zu stören. Und nun zu den Ausführungen von Rechtsanwalt Mairgünther und zwar nur zu den über das hinaus, was der Herr Vorsitzende eben schon im einzelnen gesagt hat. Der Angeklagte Raspe, Herr Rechtsanwalt Mairgünther, [3405] ist ausreichend verteidigt. Zur Vorbereitung der Verteidigung bedarf es deshalb einer Aussetzung des Verfahrens nicht. Im übrigen gilt auch hier: Rechtsanwalt von Plottnitz, der vorbereitete Pflichtverteidiger bisher gewesen, ist noch Wahlverteidiger und er ist vorbereitet, er kann, wenn er will, verteidigen. Bitte deswegen unserem Antrag zu entsprechen.

Der Gerichtswachtmeister übergibt Rechtsanwalt Mairgünther die Anklageschrift.

Vors.:

So, ich darf feststellen, Sie haben im Augenblick die Anklage bekommen und so schnell wäre es gegangen, wenn Sie sich gerührt hätten nach den ersten Tagen, wo sich auf Ihren Antrag nichts rührte, wie gesagt, im Vertrauen auf die Zusage von Herrn Rechtsanwalt Laubscher.

RA Schi[ly]:

... auf das, was Herr Widera gesagt hat.

Vors.:

Gut, da es sich um rechtliche Erwägungen handelt.

RA Schi[ly]:

Natürlich bin ich nicht der Auffassung, daß eine Interessenkollision vorliegt, sonst hätte ich nämlich natürlich mich auch nicht als Verteidiger zur Verfügung gestellt. Das ist selbstverständlich. Nur, darum geht es ja nicht, sondern es geht darum, ob das Gericht für sich in Anspruch nimmt, nach der Vorschrift in § 146[ StPO], die Verteidigung in den beiden Verfahren nicht zulassen. Und zwar analog der Situation der Kollegen Köncke, Spangenberg und Golzem, denn der Sachverhalt ist vollkommen identisch, vollkommen identisch bei Ingrid Schubert, habe ich auch in der Hauptverhandlung verteidigt, verteidige ich jetzt noch in der Revision. Es ist ein konkreter Anklagepunkt, unter anderem nicht nur der [§ ]129[ StGB], sondern auch hier, den ich schon erwähnt habe, der also identisch ist[ppp], sind aber zwei getrennte Verfahren. Nach meiner Auffassung findet die Vorschrift des § 146[ StPO] nicht Anwendung. Aber bisher habe ich von dem Senat eine andere, wenn auch unzutreffende Auffassung gehört, und da halte ich es doch für ein Gebot der Fairness, daß darüber dann rechtzeitig eine Entscheidung herbeigeführt wird, denn das gebietet ja schon die Für- [3406] sorgeplicht gegenüber den Angeklagten hier, dann eine rechtzeitige Erklärung herbeizuführen. Und da muß in der Tat meiner Meinung nach der Senat, bevor er überhaupt in die Beweisaufnahme eingetreten wird, dann auch eine klare Auffassung der Verteidigung vermitteln. Er kann nicht einfach sagen, ich gehe darüber hinweg, wir werden erst mal ein bisschen Beweise erheben und dann später werden wir sehen, wenn es uns gerade mal vielleicht in das Konzept paßt, dann machen wir auch von dieser Möglichkeit Gebrauch, wie es ja bisher geschehen ist. Bei den Kollegen Köncke, Spangenberg und Golzem, war ja auch dem Senat seit langem bekannt, seit langem bekannt, daß diese Doppelverteidigung in den beiden Verfahren, ohne daß Maßnahmen getroffen worden sind und erst hier, als sie in der Hauptverhandlung aufgetreten sind, da plötzlich hat man sich darauf besonnen und gesagt, jetzt wollen wir das nicht mehr. Und ich finde, da sollte doch jetzt, um mal den Herrn Vorsitzenden zu zitieren, der Senat Farbe bekennen. Bekennen Sie doch mal Farbe, wie nun eigentlich, wie Sie sich das weiter vorstellen. Und das kann vielleicht relativ auch schnell geschehen, wenn Sie das jetzt gleich entscheiden. Bitte, dann mag also der Senat sich darüber jetzt Klarheit verschaffen, das kann ja bei der bewährten Schnelligkeit der Meinungsbildung vielleicht innerhalb einer Viertelstunde möglich sein.

Vors.:

Ja, Herr Rechtsanwalt. Den Herrn Zeugen muß ich jetzt nochmals um Geduld bitten, wir werden uns die Frage überlegen.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Vorsitzender, ganz kurz nur zum weiteren Verfahrensablauf, wenn Sie übersehen könnten, daß die Fortsetzung nicht vor 16.00 Uhr beginnt, dann könnte ja Herr Rechtsanwalt Schily die Zeit nutzen. Er wollte ja unbedingt eine Pause haben zur Besprechung mit seiner Mandantin.

Vors.:

Ja, ich gehe davon aus, daß also bis 16.00 Uhr frühestens der Senat zurückkehren wird. Die Gelegenheit zur Pause wie gesagt ...

[3407] RA Schi[ly]:

Sind die Gefangenen noch im Hause, wenn ich fragen darf?

Vors.:

Das weiß ich nicht, das kommt darauf an, ich nehme an, daß die Angeklagten, da sie ausgeschlossen worden sind, jetzt wieder in die Haftanstalt zurückgeführt wurden.

RA Schi[ly]:

Also ich will gern die Anregung von Herrn Widera aufnehmen, nur Sie wissen, Herr Widera, vielleicht nicht ...

Vors.:

Das machen Sie bitte mit Herrn Widera dann ...

RA Schi[ly]:

Nein, nein, ich würde es gerne mit Ihnen ausmachen, weil Sie ja doch die Sachleitung haben, Herr Vorsitzender, weil ja doch die Prozedur des, durch diese Schleusen zu kommen ein bisschen langwierig ist. Ich würde mich natürlich jetzt sofort auf den Weg machen, aber ich möchte natürlich nicht, wenn ich dann also, selbst wenn ich nur 5 Minuten mit meiner Mandantin reden kann und ich durch diese Kontrollen dann also kurz nach 4.00 Uhr vielleicht 5 nach 4.00 Uhr dann erst hier bin, daß Sie mich dann, daß dann die Verhandlung ohne mich fortgesetzt wird ...

Vors.:

Meinen Sie die Kontrollen hier oder in der Haftanstalt?

RA Schi[ly]:

Nein, nein drüben in der Haftanstalt.

Vors.:

Auf die habe ich keinen Einfluß.

RA Ob[erwinder]:

Aber Sie können sie berücksichtigen.

RA Schi[ly]:

Sie könnten sie berücksichtigen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Keinen Einfluß und auch grundsätzlich auf die hier nicht. Ich habe hier das Hausrecht nicht. Ich bitte das nochmals zu bedenken. Aber ich habe nichts dagegen, es ist kein Vollzugsbeamter mehr da. Ich werde jedenfalls veranlassen, daß man weiß, daß eine gewisse bevorzugte oder beschleunigte Abfertigung der Sache hier nützlich wäre. Bitte Sie aber möglichst rechtzeitig ...

RA Schi[ly]:

Hauptsache, daß Sie dann hier warten.

Vors.:

... zurückzukehren, ich kann Ihnen nicht garantieren, Herr Rechtsanwalt, daß wir dann nicht fortfahren, wenn Sie nun etwa über die Zeit 16.00 Uhr oder na ja ... Also wir setzen die Zeit der Fortsetzung gleich fest auf 16.15 Uhr. Bis dahin bitte ich jetzt unterbrechen zu dürfen. Es hat ja keinen Sinn, wenn wir die Zeit stehlen, wir müssen sie alle heute Abend anhängen, meine Herren.

[3408] RA Ob[erwinder]:

Ja aber das Problem ist dann ... den Verteidiger Riedel, den ich ja jetzt hier vertrete, das gleiche Problem stellt, wie bei Herrn Schily.

Vors.:

Ja, ich kann für Herrn Riedel, der nicht da ist, im Augenblick keine Entscheidung treffen.

Pause von 15.45[qqq] Uhr bis 16.29[rrr] Uhr.

Ende des Bandes 195.

[3409] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.29 Uhr.

Vors.:

Der Senat hat beschlossen:

Die Anträge der Verteidiger Schily und Mairgünther auf Aussetzung des Verfahrens werden abgelehnt.

1. Der Senat wird die Frage, ob der Verteidigung der Angeklagten Ensslin durch RA Schily möglicherweise § 146 StPO entgegensteht, noch abschließend prüfen; insbesondere der Umstand, daß die Tatsachenverhandlung gegen Ingrid Schubert schon am 28.6.1974 - also unter der Geltung des alten Rechtszustandes - durch Urteil abgeschlossen wurde, begründet einen so gewichtigen Unterschied zur Verteidigung in Kaiserslautern, daß der Senat keinen dringenden Grund sieht, unter Aussetzung der Verhandlung sogleich über diese Frage zu entscheiden.

2. Daß RA Mairgünther erst heute eine Anklageschrift erhält, ist für ihn nicht überraschend. Seit vier Wochen hat er die Sache auf sich beruhen lassen. Ein Fall des § 265 Abs. 4 StPO liegt daher nicht vor.

Wir können uns jetzt Ihnen zuwenden, Herr Zeuge.

Ich sehe Wortmeldungen.

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Entgegen unseren gemeinsamen Erwartungen ist es uns nicht gelungen, mit unseren Mandanten sprechen zu können, weil bereits um ¾ vier, also nachdem wir unmittelbar rübergegangen sind, die Herren vom Vollzug behauptet haben, um diese Zeit sei es ausgeschlossen, noch in die Anstalt zu kommen.

Darum bitte ich zugleich im Namen der Kollegen darum, daß uns jetzt eine Pause gegeben wird, um diese Situation mit unseren Mandanten zu besprechen, so wie wir das eben vorhatten. Das ist heute nicht mehr möglich; das ist erst morgen früh möglich. Worum’s dabei geht, ist heute bereits hinreichend Gegenstand von Erörterungen gewesen:

[3410] Der Senat hat in der vorigen Woche fünf Verteidiger hier faktisch ausgeschlossen; der Senat hat, als es um diese Verteidigerausschließungen ging und die daran sich schließenden Anträge zunächst das Schicksal dieser Verteidiger, diesen Prozeß zu klären, die Ansätze für Anträge, Antragsbegründungen der Verteidigung abgeschmissen und hat damit Äußerungen der Gefangenen provoziert, um diese wiederum zum Anlaß zu nehmen, die Angeklagtenbank hier räumen zu lassen.

Das bedeutet:

Wir fühlen uns verpflichtet, vor dem unsere Teilnahme jetzt an diesem von Ihnen beabsichtigten Beginn der Beweisaufnahme diese Mandantenbesprechung nach den ... nach Ihren Verteidigerausschließungen in der vorigen Woche, nach Ihren Gefangenen-, nach Ihren Angeklagtenausschließungen in dieser Woche, zunächst mit den Mandanten den Fortgang, d. h. den beginnenden Fortgang dieser Verhandlung mit der Beweisaufnahme zu besprechen. Dazu ist heute keine Gelegenheit mehr gewesen. Deswegen bitten wir um Pause bis morgen früh 10.00 Uhr.

Vors.:

Wollen sich die Herrn von der B. Anwaltschaft zu dem Antrag äußern? An sich nicht, wie ich sehe.

BA Dr. Wu[nder]:

Im Moment haben wir das nicht vor, Herr Vorsitzender. Das ist die Sitzungsleitung, die Terminierung. Wenn Sie dem Anliegen von Herrn RA Heldmann nähertreten wollten, dann wäre vielleicht der etwas spätere Sitzungsbeginn morgen angebracht. Aber ich überlasse das vollkommen dem Gericht.

Ich gebe keine ausdrückliche Stellungnahme ab.

Vors.:

Es ist gestern ja ausreichend Gelegenheit gewesen, sich mit den Mandanten zu diesen Fragen, die auftauchen, zu besprechen.

RA Dr. He[ldmann]:

Wieso gestern? Wieso gestern, Herr Vorsitzender?

Vors.:

Weil da die Entscheidungen schon bekannt waren, die hier maßgeblich sind.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich bin gestern bis um 3.00 Uhr im Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gewesen, um 4.00 Uhr in Stammheim und konnte auch da nicht in die Vollzugsanstalt. Ich habe auch Herrn Baader heute früh nicht sprechen können, sondern nur während einer knappen Mittagspause.

[3411] Vors.:

Herr Rechtsanwalt, die Mittagspause war heute etwas verlängert. Auch da zumindest wäre nochmals Gelegenheit gewesen, diese Fragen mit den Mandanten zu besprechen. Ich kann also Ihrem Antrag hier nicht stattgeben, daß wir bis morgen früh um 10.00 Uhr die Sitzung unterbrechen.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihen Sie, Herr Vorsitzender.

Während dieser kurzen Verteidigergespräche in der Mittagspause war nicht möglich, die Situation zu erörtern, daß wir in eine Zeugenvernehmung eintreten, ohne die Angeklagten hierzuhaben.

Vors.:

Das haben die Angeklagten, Herr Rechtsanwalt, selbst zu verantworten. Sie sind verwarnt worden. Die Gefahr, daß sie ausgeschlossen werden, wenn sie sich so aufführen, wie das geschehen ist - immer wieder dazwischenrufen, Beleidigen -, die kann das Gericht ihnen nicht abnehmen. Die müssen sie selbst tragen. Deswegen ist es nicht möglich, der Verhandlung irgendwie einen anderen Verlauf zu geben, zumal es ja längst bekannt war, daß die Zeugen immer - seit drei Tagen - an Sitzungstagen, da sind, und das Gericht selbstverständlich das nur deswegen getan hat, weil es davon ausging, daß es möglich sein würde, die Zeugen auch zu vernehmen. Es ist keine Situation, die irgendwie überraschend oder neu eingetreten ist.

Auch aus diesem Grunde kann ich Ihren Wünschen nicht entsprechen.

RA Dr. He[ldmann]:

Darf ich daran erinnern, daß danach, nach der Zeugenladung, der Senat uns mit den Verteidigerausschließungen - ich meine Spangenberg, Köncke, Golzem, Plottnitz, das ist eine faktische Ausschließung, wie wir heute dargelegt haben, und schließlich Temming als Vertreter für die Wahlverteidigerin Becker - überrascht hat. Wir konnten das wohl nicht voraussehen, was Sie da im Schilde führten, nachdem Sie in der vorigen Woche ... vorangegangenen Woche, noch gerade diese Verteidiger hier trotz § 146[ StPO] in der Hauptverhandlung haben verteidigen lassen.

Vors.:

Ich betrachte das als Beanstandung und werde den Senat befragen, über diese Beanstandung zu sprechen.

RA Sch[ily]:

... damit [sss] dann vielleicht eine einheitliche Meinungsbildung [ttt] stattfindet.

Vors.:

Bitte schön.

[3412] RA Sch[ily]:

Ich bin ja der Anregung des Herrn B. Anwalts Widera sofort gefolgt, und wenn ich mich recht erinnere, haben Sie auch Ihrerseits dieser Anregung zugestimmt, die Pause zu benutzen, die Mandanten aufzusuchen.

Wir haben uns alsbald in die Haftanstalt begeben, obwohl in der Haftanstalt Ende der Sprechzeit um 16.00 Uhr ist, wurden wir um 16.45 Uhr nicht mehr zugelassen zur ... zur, um ... um ... um, ja, 15.45 Uhr, Entschuldigung, 15.45 Uhr. Also um 16.00 Uhr ist Schluß. 15.45 Uhr wurden wir nicht mehr zugelassen. Ich konnte also der freundlichen Anregung von Herrn Widera gar nicht Folge leisten. Und ich meine, daß in einer Situation, in der das Gericht nicht einmal mehr einen Aussetzungsantrag zulassen will, sich noch nicht einmal mehr die Begründung zu einem Aussetzungsantrag anhören will, nachdem mehrere Verteidiger aus der Verteidigung ausgeschieden sind, nachdem selbst nach der mir jetzt bekannt gewordenen vorläufigen Meinungsbildung der Senat noch zu prüfen hat, ob ich überhaupt hier als Verteidiger weiter zugelassen werden kann, wobei ich Sie darauf hinweisen darf, daß insoweit die Meinung einheitlich ist, die vertreten wird in den Kommentierungen[uuu], daß die Revisionsinstanz dadurch das gleiche Problem aufwirft, also das hat ... von der Tatsacheninstanz[94] spielt das dabei gar keine Rolle,

also das nur nebenbei,

daß aber in einer solchen Situation, die nicht voraussehbar war, daß nämlich eine zwingende Bestimmung - der § 265 Abs. 4[ StPO] - einfach in der Form übergangen wird, daß man sagt: Ich lasse den Antrag schon gar nicht erst mehr zu das ist für uns eine so neue Situation, daß man dann doch zu mindestens mit dem Mandanten die Möglichkeit einer kurzen Erörterung haben muß, welche Konsequenzen sich daraus ergeben müßten. Wenn Sie uns diese Möglichkeit nicht geben - wie gesagt: Ich hätte die Möglichkeit benutzt, um die Sache zu beschleunigen innerhalb der sich sowieso ergebenden Pause, aber so, wie die Situation jetzt beschaffen ist, hat uns die Anstalt das ja leider verwehrt -, dann finde ich, ist es angemessen, daß man uns wenigstens die Möglichkeit gibt dann bis morgen, und das ist [3413] ja nun auch keine so gewaltige Unterbrechung, wenn ich daran denke, daß der Senat selbst, als es um die Frage ging, ob die Kollegen Spangenberg, Golzem und Köncke hier weiterverteidigen können oder nicht, sich selbst eine Pause und eine ziemlich stattliche Beratungspause von mehreren Tagen sozusagen bewilligt hat. Ich will das nicht beanstanden. Warum soll der Senat nicht das Recht haben, darüber sich klarzuwerden, auch von mir aus in mehreren Tagen. Das würde ich also nicht beanstanden.

Aber ich finde, der Senat muß andererseits auch der Verteidigung mindestens die Gelegenheit geben einer kurzfristigen Beratung mit den Mandanten, was nun sich für Konsequenzen aus der jetzt eingetretenen Prozeßsituation ergeben sollen. Wie gesagt, sonst stellt sich die Frage möglicherweise für die Verteidigung, wie sie es eigentlich noch verantworten kann, weiter auf dieser Verteidigerbank zu sitzen.

Vors.:

Herr B. Anwalt Dr. Wunder, bitte.

[BA Dr. Wunder:]

Herr Vorsitzender, nur eine Frage:

Kann nicht sichergestellt werden, daß die Herrn Verteidiger morgen vor dem normalen Beginn der Verhandlung, also vor 9.00 Uhr, rechtzeitig, ausnahmsweise vorzeitig, in die Haftanstalt gelangen können? Wenn das möglich wäre etwa ab halb neun - ich stelle es nur zur Diskussion.

RA Sch[ily]:

Soll mir auch recht sein, wenn man sagt, wir unterbrechen morgen bis 9.00 Uhr und um halb neun werden wir uns dann hier einfinden. Ne halbe Stunde soll mir reichen.

Das wäre eine Kompromißlösung.

Vors.:

Das wäre das Problem nicht, meine Herrn, ob jetzt eine Pause, d. h. jetzt schlußzumachen ist. Im Augenblick habe ich ja schon dahin entschieden, daß ich das nicht tun möchte mit Rücksicht auf die Zeugen, die zum dritten Mal hier von auswärts anreisen und ...

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, - bitte entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche -, aber Sie haben die Zeugen ja auch selber mal vergeblich anreisen lassen, und da hat der Senat aus seinen Erwägungen dann die Zeugen auch wieder abreisen lassen. Und ist denn da eigentlich das Gleichgewicht der Anforderung andere? Wenn Sie also eine Beratungspause benötigen, [3414] dann offenbar geht der Zeuge vor. Und wenn ich den Herrn B. Anwalt Dr. Wunder ...

Vors.:

Nein, Herr Rechtsanwalt. Sie verkennen die Situation. Wissen Sie, ...

RA Sch[ily]:

Wenn ich Herrn B. Anwalt Dr. Wunder richtig verstanden habe, dann würde er doch zustimmen, daß wir also bis morgen 9.00 Uhr unterbrechen unter der Voraussetzung, daß wir morgen um halb neun oder vielleicht schon um Viertel nach acht - ich weiß ja nicht, wann die Sprechzeiten dort sind, ich glaube, man kann sogar schon um acht Uhr in die Haftanstalt -

Reg. Dir. Wi[dera]:

7.30 Uhr[vvv]

RA Sch[ily]:

dann könnten wir also morgen um acht Uhr in die Haftanstalt gehen und dann um 9.00 Uhr fortsetzen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, nur eines:

Sie verkennen die Situation. Am Dienstag haben wir mit Rücksicht auf die Herrn Verteidiger diese Beratungspause, diese lange, eingelegt. Wir haben ja den Herren Spangenberg usw. geschrieben, sie hätten bis Dienstag 12.00 Uhr Gelegenheit, sich zu äußern. Dadurch waren wir natürlich mit Rücksicht auf diese Herrn genötigt, die Sitzung in dieser Zeit auch nicht fortzuführen. Wir haben dann nach Eingang der Stellungnahmen, die um 11.55 Uhr - soweit ich weiß - gekommen sind, um 15.00 Uhr die Sitzung fortgesetzt und hatten vorgesehen, dann die Herrn Zeugen zu vernehmen. Sie sind also nicht umsonst geladen gewesen vom Senat.

RA Sch[ily]:

Ja wieso? Sie haben dann doch abgebrochen morgens um 9.00 Uhr.

Vors.:

Ja, weil wir ja die Frist gesetzt haben, und zwar schon am Freitag, außerhalb der Hauptverhandlung, um den Herrn genügend Zeit zu lassen bis Dienstag, 12.00 Uhr. Das war ja ein Vorgang, der dann neben der Hauptverhandlung herlief, und darauf haben wir Rücksicht genommen.

Gut. Der Senat hat nun über diese Frage zu befinden.

Vors. (nach geheimer Umfrage):

Der Senat lehnt die Pause ab.

Wenn die Angeklagten ausgeschlossen sind, so geht das auf ihr eigenes Risiko, und es ist nicht Sinn der Ausschlußvorschriften, daß das Gericht dann genötigt wäre, auf diese Tatsache Rücksicht zu nehmen beim Fortgang der Verhandlung. Man würde den Sinn der Ausschlußfristen sonst in das Gegenteil verkehren.

[3415] Gegenvorstellungen[95] gibt’s aber jetzt keine, Herr RA Dr. Heldmann. Wollen Sie einen anderen, neuen Antrag stellen?

RA Dr. He[ldmann]:

Nein, nein! Ich möchte dann lediglich sagen, daß ich es für meine Verteidigerpflicht halte, diese Situation zunächst, ehe ich hier der Zeugenvernehmung beiwohne, mit meinem Mandanten zu sprechen. Insoweit bin ich bevollmächtigt, für alle diese Verteidiger hier zu sprechen, d. h. also:

Mag das Gericht für sich diese Rechtsauffassung für richtig halten, daß nach ... aus unserer Sicht, nach unserer Prüfung und Würdigung der verfahrensrechtswidrige Ausschluß von fünf Verteidigern in der vorigen Woche keine Situation darstellt, die zumindest ein Halbstundengespräch mit unseren Mandanten, deren Verteidigung es betrifft, nunmehr notwendig machte, nachdem nämlich die Aussetzungsanträge, die dahin führen sollten, hier abgeblockt worden sind, Sie ausdrücklich noch sagen - was ich ja für höchst bemerkenswert halte -, daß Sie die Zulassung des Kollegen Schily hier noch in der Schwebe halten wollen. Darüber wollen Sie demnächst noch grübeln, so daß Herr Schily hier stärker noch als bisher auf dem Schleudersitz hockt, das sind Unzumutbarkeiten, [www] gegenüber den Angeklagten, und es wäre ...

Vors.:

Gut. An sich ist ja jetzt kein Zeitpunkt, wo Sie größere Erklärungen abgeben können. Ich habe Ihnen das zugelassen, würde Sie aber bitten, jetzt zu Ende zu kommen. Wir wollen in der Tat noch mit der Zeugenvernehmung beginnen.

RA Dr. He[ldmann]:

... so daß ich Ihnen also abschließend noch sagen muß, daß ich für meine Verteidigerpflicht halte - und insoweit sprech ich auch für die Herrn Kollegen hier - die notwendige, durch Sie herbeigeführte neue Prozeßsituation, die uns zu diesem Punkt und zu diesem Rechtsgespräch geführt hat mit[xxx] meinem Mandanten vorher zu erörtern, und da Sie die Pause nicht gewähren wollen, muß ich Sie bitten, mich jetzt aus dieser Verhandlung zu entlassen.

Vors.:

Das kann ich nicht, Sie entlassen, und ich beabsichtige, das auch nicht zu tun. Ich glaube ganz im Gegenteil, daß es gerade bei Ihnen, der Sie Pflichtverteidiger sind,[96] die Pflicht ist, hier bei der Zeugenvernehmung anwesend zu sein.

[3416] Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, daß das nun die Ansicht des Gerichtes ist, daß ein Pflichtverteidiger sich nicht mit einer solchen Erklärung seiner Pflichten entziehen kann.

RA Dr. He[ldmann]:

Ihren wiederholten Drohungen, daß Sie uns entpflichten wollen, kann ich nur begegnen, daß mir wichtiger als Ihre Drohungen meine Auffassung von meinen Verteidigerpflichten ist, und daß ich danach handle und mir Ihre Drohungen mich auch weiterhin wie bisher nicht beeindrucken.

Vors.:

Ich vermag auch keine Drohung in dem, was ich gesagt habe, zu erblicken, sondern ich habe Sie nur auf das hingewiesen, was die Pflicht ist nach meiner Auffassung.

Jetzt könnten wir ...

RA Sch[ily]:

Aber ich möchte mich auch dem anschließen, was ...

Vors.:

Nein. Ich lasse jetzt keine weiteren Erklärungen zu diesem Punkt mehr zu, ...

RA Sch[ily]:

Aber Herr Vorsitzender, doch, doch.

Vors.:

... es sei denn, es würde irgendein Antrag oder sonst was gestellt. Für Erklärungen ist jetzt keine Gelegenheit. Die Entscheidung ist gefallen. Gegenvorstellungen gibt es nicht.

RA Sch[ily]:

Na, Sie haben ja eine Entscheidung getroffen, daß Sie keine Entscheidung treffen wollen, nicht? Sie haben ja die Entscheidung, daß Sie den Aussetzungsantrag nicht annehmen zur Entscheidung.

Vors.:

Wir haben entschieden, daß nicht ausgesetzt wird, und dazu gibt’s jetzt keine weiteren Erklärungsmöglichkeiten.

Herr Zeuge, ich bitte Sie nun um Ihren Vor- und Zunamen.

Zeuge Penzkofer:

Manfred Penzkofer.

Vors.:

Manfred Penzkofer.

Ihr Alter bitte?

Zeuge P[enzkofer]:

37 Jahre.

Vors.:

Kommt das auf das Band? Vorsichtig mit der Rückkopplung. Sie müßten das Mikrophon benutzen.

Also:

Wir wollen nochmals beginnen.

Vor- und Zuname?

Zeuge P[enzkofer]:

Manfred Penzkofer.

[3417] Vors.:

Augenblick.

Ich darf zu Protokoll feststellen, daß sämtliche Pflichtverteidiger und Wahlverteidiger, nämlich Herr RA Schily, Herr RA Dr. Heldmann, Herr RA Mairgünther, Herr RA Oberwinder - seh ich’s recht; ist sonst noch jemand? -

RA Ma[irgünther]:

Ich möchte zunächst die Anklageschrift lesen, Herr Vorsitzender.

Vors.:

Es waren doch fünf. Wen haben wir noch nicht?

RA Ma[irgünther]:

Ich habe noch bei keinem Verfahren seit zehn Jahren teilgenommen, wo ich nicht die Anklageschrift vorher gelesen habe. Das ist wohl wirklich nur in Stammheim denkbar.

Vors.:

... und RA Müller den Saal um 16.46 Uhr verlassen.

Die RAe Schily, Dr. Heldmann, Oberwinder, Müller und Mairgünther verlassen um 16.46 Uhr den Sitzungssaal.

Herr Zeuge - also nochmals Vor- und Zuname?

Zeuge P[enzkofer]:

Manfred Penzkofer.

Vors.:

Alter?

Zeuge P[enzkofer]:

37 Jahre.

Vors.:

Ihr Beruf?

Zeuge P[enzkofer]:

Kriminalbeamter.

Vors.:

Und Ihre Dienstadresse?

Zeuge P[enzkofer]:

Ist das B. Kriminalamt in Wiesbaden.

Vors.:

Sind Sie verwandt oder verschwägert mit einem der Angeklagten?

Zeuge P[enzkofer]:

Nein.

Vors.:

Haben Sie jemals etwas wegen eines Eidesdeliktes mit der Staatsanwaltschaft oder Gericht zu tun gehabt?

Zeuge P[enzkofer]:

Nein, noch nie.

Vors.:

Sie sind sich darüber im klaren, daß Ihre Aussage sich im Rahmen der Aussagegenehmigung[97] bewegen muß?

Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

Vors.:

Haben Sie eine Aussagegenehmigung hier?

Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

Vors.:

Darf ich die übergeben.

Herr Bietz, würden Sie mir freundlicherweise die Aussagegenehmigung geben? Wir werden sie zu Protokoll nehmen. Vielen Dank.

[3418] Dem Zeugen ist also vom Präsidenten des B. Kriminalamtes die Genehmigung erteilt worden, als Zeuge auszusagen über sein Wissen betr. die Festnahme der Angeklagten Baader und Raspe. Von der Genehmigung sind Angaben ausgenommen, die im Sinne des § 62 Abs. 1 BBG dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren könnten. Das gilt z. B. für Aussagen über Einsatzgrundsätze, Auswertungs- und Bekämpfungssysteme, technische Einrichtungen und Einsatzmittel, Methoden der Forschung und Ausbildung, Zusammenarbeit mit anderen Behörden sowie vertraulich erlangte Informationen. Im übrigen erstreckt sich die Aussagegenehmigung nur auf den Bereich, in dem der Beamte im Rahmen seiner Ermittlungen tätig geworden ist.

Es folgt die Unterschrift des Dienstvorgesetzten.

Wir dürfen das zu Protokoll nehmen.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

KHK Penzkofer übergibt die Aussagegenehmigung des BKA Wiesbaden vom 3.11.1975

Diese wird als Anl. 1 zum Protokoll gegeben.

Vors.:

Sie kennen den Inhalt ...

Zeuge P[enzkofer]:

Ich kenne den Inhalt.

Vors.:

... und müssen, wenn Sie durch eine Frage glauben, überfordert zu sein, was die Aussagegenehmigung anlangt, eben von sich aus Ihre Bedenken anmelden.

Ja, die Belehrung ist erfolgt. Das ist mehrfach schon gesagt worden.

Herr Zeuge, wir nehmen Ihre Aussagen aus Vereinfachungsgründen auf ein Tonband auf.[98] Es kann kein Prozeßbeteiligter gezwungen werden, sich auf Tonband zu äußern.[99] Sie müssen Ihre Zustimmung dazu geben.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja, auf dieses Tonband? Ja.

Vors.:

Auf das Tonband des Gerichtes,

Zeuge P[enzkofer]:

Auf das Tonband des Gerichts.

Vors.:

Wobei Sie sich klar darüber sein müssen, daß die Prozeßbeteiligten im Anschluß daran Tonbandabschriften bekommen.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

[3419][100] [3420] Vors.:

Gut, Sie sind damit einverstanden. Sie waren im Rahmen der Ermittlungen gegen die Angeklagten eingesetzt?

Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

Vors.:

Ist es auch zutreffend, daß Sie bei der Verhaftung der Angeklagten Baader und Raspe beteiligt waren?

Zeuge P[enzkofer]:

Beteiligt ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich war miteingesetzt bei der Observation.

Vors.:

Das heißt also, im großen Zusammenhang hatten Sie mit der Verhaftungsaktion etwas zu tun?

Zeuge P[enzkofer]:

Ja. Im großen Rahmen.

Vors.:

Wir wollen heute lediglich von Ihnen Angaben zu diesen Vorgängen im Zusammenhang mit dieser Verhaftung erörtern.

Wir wollen nicht, daß irgendwelche sonstigen Ermittlungen, an denen Sie beteiligt waren, heute zur Erörterung kommen. Außerdem wollen wir uns auf die rein tatsächlichen Vorgänge beschränken. Wenn etwa im Zusammenhang mit dieser größeren Aktion Beweismittel oder so was sichergestellt worden wären, die weitere Rückschlüsse und dergleichen zuließen, das ist nicht Gegenstand Ihrer heutigen Vernehmung.

Nun wollen Sie bitte von sich aus, soweit Ihnen das möglich ist, im Zusammenhang angeben, inwieweit Sie beteiligt waren und was Sie beobachten konnten.

Zeuge P[enzkofer]:

Im Rahmen der Fahndung nach Mitgliedern der Baader-Meinhof-Bande wurde ich am 1.6.1972 in Frankfurt, Am Hofeckweg 2 - 4 eingesetzt. Ich hatte die Aufgabe, von einem Versteck heraus die Garage des Objekts zu beobachten und bei einem Betreten von Personen, die also in die Garage reinwollten, sofort den Festnahmealarm auszulösen. Am 1.6. ...

Vors.:

Moment - ja, Sie geben eben das Datum an. Ich wollte Sie nur erinnern, das Datum zu nennen.

Zeuge P[enzkofer]:

Am 1.6.1972, ungefähr um 5.55 Uhr, betraten zwei Männer mit ziemlich schnellen Schritten das Hofgrundstück des Gebäudes Hofeckweg 2 - 4 und gingen zielstrebig auf die Garage Nr. 2 zu. Sie öffneten die Garage mit einem Schlüssel und verschwanden sehr schnell in der Garage.

Vors.:

Wir wollen vielleicht diese Gelegenheit benützen, wenn es den Zusammenhang Ihrer Aussage nicht stört, anhand der vor- [3421] handenen Bilder und Skizzen von Ihnen erklären zu lassen, wie die Lage der Gebäude und dergleichen nun gewesen ist.

Die Herrn Verteidiger werden sich sehr dafür interessieren, wie der Zeuge das vorführt. Wollen Sie hier vorne am Tische mit zusehen? Ich würde Ihnen gerne Gelegenheit geben, sich auch einfach aus Platzgründen hinter dem Tisch aufzuhalten, um das zu sehen, was der Zeuge hier auf dem Tisch erläutert.

Den Herrn B. Anwälten steht dasselbe selbstverständlich frei. Ich gebe allerdings immer die Blattzahlen der Skizzen, Bilder usw. an.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, wir haben eine übergroße Skizze. Die würden wir morgen vielleicht auch noch zur Verfügung stellen. Ich glaube, die ist sogar noch besser zu handhaben als die kleine.

Vors.:

Wo befindet sich die Skizze?

BA Dr. Wu[nder]:

Ich weiß nicht, ob die schon hier ist. Es könnte sein, daß sie schon hier ist im Gebäude.

Vors.:

Dann wäre es doch vielleicht vorteilhaft, wenn einer von Ihnen mal schauen würde, ob die beizuschaffen ist. Dann stellen wir jetzt diese Erörterungen anhand der Bilder und Skizzen zurück und lassen Sie zunächst mal weitererzählen.

OStA Holland verläßt um 16.53 Uhr den Sitzungssaal.

Herr Bietz, haben Sie die Schlüssel, damit Sie notfalls wegen der Bilder die Originalakte herschaffen können? Denn die sind nun in den Reproduktionen nicht sehr gut. Aber so, was wohl im Augenblick zu sehen ist, wird’s wohl gehen.

Herr Zeuge.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja, ich muß jetzt noch hinzufügen, daß ich nicht alleine war, sondern zusammen mit dem Kollegen Herrmann diese Aufgaben wahrgenommen habe.

Vors.:

Sie erinnern mich im Augenblick an den Kollegen Herrmann - entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche.

Wir können dem Zeugen sagen, er soll morgen früh um 9.00 Uhr wieder anwesend sein. Jetzt ist er entlassen.

Ist für Sie eine Übernachtungsmöglichkeit vorgesehen?

Zeuge P[enzkofer]:

Jaja.

Der Zeuge Herrmann wird um 16.55 Uhr entlassen.

[3422] Vors.:

Gut. Entschuldigen Sie.

Zeuge P[enzkofer]:

Nachdem ich also gesehen habe, daß Personen die Garage betreten hatten, lösten der Kollege Herrmann und ich zusammen über Funk den Festnahmealarm aus.

Da die Einsatzkräfte, die herbeieilen mußten, noch nicht so schnell vor Ort waren, bewaffnete sich der Kollege Herrmann mit einer Maschinenpistole und näherte sich unmittelbar dem Grundstück Hofeckweg 2 - 4, um eine vorzeitige Flucht der beiden Männer zu verhindern.

Vors.:

Hatten Sie damals schon irgendwelchen Verdacht, um wen sich’s handeln könnte?

Zeuge P[enzkofer]:

Nein, das wußten wir nicht. Ich habe auch die Personen nicht erkannt.

Nachdem der Kollege Herrmann sich von mir entfernt hatte, hörte ich vom Hofeckweg her einige Schüsse. Daraufhin öffnete sich der rechte Garagentorflügel und eine Person guckte heraus - ungefähr mit halbem Oberkörper -, wahrscheinlich, um sich zu vergewissern, was hier vorfällt.

Vors.:

Herr Zeuge, könnten Sie diese Formulierung „einige Schüsse“ etwas präzisieren, erinnerungsmäßig?

Zeuge P[enzkofer]:

Das kann ich heute nicht mehr. Ich würde aber ungefähr sagen, es waren mindestens drei Schüsse. Ich hatte eigentlich seinerzeit den Eindruck, es wäre eine Salve aus einer Maschinenpistole gewesen. Das ist aber anscheinend nicht richtig gewesen. Es müssen also kurz aufeinanderfolgende Schüsse gewesen sein.

Vors.:

Also, Ihnen scheinen im Verlauf der Ermittlungen Umstände bekannt geworden zu sein, ...

Zeuge P[enzkofer]:

Ja, es war ja dann bekannt geworden, daß es keine Maschinenpistolenschüsse waren

Vors.:

... die eben zu Zweifeln führen, ob Sie das richtig im Gedächtnis hatten.

Zeuge P[enzkofer]:

Genau.

Vors.:

Also mindestens drei.

Zeuge P[enzkofer]:

Es waren mindestens drei, ja.

Vors.:

Meinen Sie. Gut.

Zeuge P[enzkofer]:

Die Person, die aus der Garage guckte, verschwand aber sehr schnell wieder in der Garage.

[3423] Ich könnte jetzt einfügen, was mir nachher der Kollege Herrmann erzählt hat unmittelbar. Er sagte mir nämlich:

Als die Person aus der Garage herausguckte, hätte er zu dieser Person gesagt, sie solle sofort wieder in die Garage ...

Vors.:

Sind das Vorgänge, die Ihre eigene Beobachtung irgendwie berührten?

Zeuge [Penzkofer]:

Das hat mir am Tatort noch der Kollege Herrmann berichtet.

Vors.:

Aber ich meine, das hat mit Ihren Beobachtungen selbst nichts zu tun?

Zeuge P[enzkofer]:

Nein, nein. Mit meinen Beobachtungen hat das nichts zu tun.

Vors.:

Das war eine Erzählung ...

Zeuge P[enzkofer]:

... des Kollegen Herrmann.

Vors.:

Dann wollen wir das zunächst mal dem Zeugen Herrmann überlassen, wenn er so was beobachtet hat, das zu berichten.

OStA Holland erscheint wieder um 16.56 Uhr.

Zeuge P[enzkofer]:

Die Person verschwand also sehr schnell wieder in der Garage. Nun kamen auch die Einsatzkräfte heran.

Vors.:

Entschuldigung, Ihre Vernehmung wird dauernd gestört. Aber wir wollen doch mal sehen, wo man das notfalls anbringen kann. Jetzt bitte, fahren Sie fort.

Zeuge P[enzkofer]:

Ich sah dann, wie langsam die Einsatzkräfte herankamen und das Gelände absicherten. Ein Pkw wurde auf das Hofgrundstück gefahren und dann vor die Garagentore geschoben, damit die Garagentore sich wahrscheinlich nicht mehr von innen öffnen ließen.

Es verging dann einige Zeit - über Zeitbegriffe kann ich heute nichts mehr sagen -. Die uniformierte Polizei begann dann, mit Tränengaskörpern zu schießen, wahrscheinlich aber mit wenig Erfolg, denn die Garagentore waren ja geschlossen.

Vors.:

Zwischenfrage:

Haben Sie, bevor die beiden Personen diese Garage betraten, irgendwelche Feststellungen darüber gemacht, ob sie bewaffnet sind?

Zeuge P[enzkofer]:

Nein, ich habe keine Waffen gesehen.

Vors.:

... keine Waffen gesehen.

[3424] Vors.:

Können Sie ausschließen, daß Waffen getragen wurden?

Zeuge P[enzkofer]:

Die Waffen habe ich nachher gesehen dann.

Vors.:

Aha.

Zeuge P[enzkofer]:

Aber als sie die Garage betraten, habe ich keine Waffen gesehen.

Vors.:

Es wäre also immer noch wichtig, ob Sie das ausschließen können, daß Waffen getragen wurden, denn man könnte ja die Waffen auch in der Garage gehabt haben.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja - nein, ich habe keine Waffen gesehen.

Vors.:

Kann es daran liegen, daß Sie’s nicht beobachten konnten? Oder meinen Sie, so, wie Sie die Dinge im Kopf haben, die haben keine getragen?

Zeuge P[enzkofer]:

Wenn, dann haben sie sie versteckt getragen.

Vors.:

Also jedenfalls nicht in der Hand. Das können Sie sicher sagen.

Zeuge P[enzkofer]:

Also offen haben sie keine Waffen getragen.

Vors.:

Danke.

Zeuge P[enzkofer]:

Nach einiger Zeit sah ich dann, daß sich ein Garagentorflügel bewegte. Es muß ein kurzer Zwischenraum bestanden haben, daß er also hin- und herbewegt werden konnte und dabei ja dann auf den vorgestellten Pkw stieß.

Inzwischen wurden auch schon Lautsprecherdurchsagen gegeben mit der Aufforderung an die beiden Personen, sich zu ergeben, durch Zeichen erkennen zu geben, daß die Garagentore wieder geöffnet werden sollten. Der Pkw wurde dann von einigen Polizeibeamten zurückgeschoben, und nach einiger Zeit öffneten sich beide Garagentorflügel.

Vors.:

Zwischenfrage:

Haben Sie in dem Zeitraum bis zum Öffnen dieser Garagentore nun irgend etwas Weiteres gehört, was auf Waffengebrauch - sei es seitens der Polizei oder in der Garage - schließen ließe?

Zeuge P[enzkofer]:

Ja. Da muß ich einfügen, daß an der Garage ein Schild angebracht war: „Rauchen verboten!“, und dieses Schild sah ich flattern. Eigentlich müßte das Schild richtig befestigt gewesen sein.

Und jetzt muß ich aber doch hinzufügen, daß ich dann später den Kollegen Hermann daraufhin ansprach und er mir dann bestätigte, daß durch dieses Schild geschossen worden ist aus[yyy] der Garage heraus.

[3425] Vors.:

Heißt das, daß Sie selbst nichts gehört haben?

Zeuge P[enzkofer]:

Den Schuß selbst habe ich nicht gehört. Aber ich sah, wie das Schild flatterte.

Vors.:

Mhm - Wir könnten vielleicht bei dieser Gelegenheit ... naja, damit wir nachher auf die Bilder kommen ...

Legen Sie Wert darauf, daß wir die Bilder gleich vorführen lassen?

Bitte, fahren Sie fort.

Zeuge P[enzkofer]:

Die Garagentorflügel wurden also geöffnet, und ich bekam einen Blick in die Garage. Ich erkannte zuerst einen Pkw, der darin stand, und dann sah ich im Vordergrund zwei Männer, einen links und einen rechts vom Pkw, am Boden liegen. Der Mann, der links lag, hatte als Deckung vor sich eine Gasflasche liegen; beide Personen hatten großkalibrige Pistolen im Anschlag und zielten nach außen.

Inzwischen hat die Polizei dann verstärkt Tränengaskörper geschossen in das Innere der Garage. Zum Teil fielen die Tränengaskörper aber auch auf das Vorfeld. Ich sah dann, wie der von mir aus gesehen rechts stehende Mann in der Garage aufstand, sich eine Zigarette anzündete, aber immer dabei die Pistole in der Hand hielt, dann zu dem links liegenden Mann hinüberging, sich mit dem unterhielt - ich konnte das an den Lippenbewegungen erkennen -, dann wieder seinen Platz auf der rechten Seite einnahm. Ich sah auch, daß der linksliegende Mann mit einer kleinen Schaufel hantierte und versuchte, irgendwas einzufüllen, konnte aber nicht recht erkennen, was das war. Im weiteren Verlauf sind die beiden Personen dann in den Hintergrund der Garage getreten und der war ziemlich dunkel, so daß ich da keinen Blick hatte. Ich konnte also nur erkennen, was sich im Vordergrund der Garage abspielte.

In der Zwischenzeit erschien dann ein Panzerwagen der Polizei und fuhr langsam auf das Grundstück vor. Er nahm den rechten Garagentorflügel mit und schloß diesen. Das war genau der Moment, wo einer der beiden Männer versuchte, zu flüchten. Es war auch meines Erachtens der geeignetste Augenblick, denn dadurch war der ganze Eingang zur Garage abgedeckt.

In diesem Moment, als dieser eine Mann flüchten wollte, setzte heftiges Schußfeuer ein, das einige Zeit anhielt und dann wieder aufhörte. Der Mann lief wieder in die Garage zurück.[zzz]

[3426] Dann auf einmal fing einer der beiden an zu schreien, Schmerzensrufe, und ich konnte ihn dann auch liegen sehen. Ich weiß jetzt nicht mehr, ob der Panzerwagen wieder zurückgefahren ist oder ob ich unter dem Panzerwagen durchsehen konnte. Ich sah jedenfalls diese eine Person am Boden liegen, und ich hatte den Eindruck, daß dieser eine also von einem Schuß getroffen wurde.

Ich sah dann, wie diese eine Person sich in die Garage versuchte zurückzuziehen - am Boden liegend - und dann so halb unter dem Heck des darin stehenden Pkw liegenblieb. Ich hörte auch die Schmerzensschreie noch weiter und dann die Schreie: „Ihr Schweine!“ einige Male, und dann verstummte die betreffende Person.

Der Panzerwagen fuhr dann wieder zurück. Inzwischen erfolgten immer wieder die Aufrufe über den Lautsprecher an die in der Garage Befindlichen, sich zu ergeben, die Oberbekleidung abzulegen, die Waffen herauszuwerfen und herauszukommen.

Es dauerte dann vielleicht einige Zeit, als auf einmal eine Pistole auf den Hof geworfen wurde und einer der Männer vollkommen entkleidet bis auf eine Unterhose oder auf eine Badehose mit erhobenen Händen herauskam und von zwei Polizeibeamten abgeführt wurde.

Nach einiger Zeit fuhr der Panzerwagen wieder vor und fuhr aber dann wieder ... nee, blieb dann stehen. Es kamen dann Beamte mit Schutzbekleidung, die sich dem Verletzten näherten, ihn hochhoben und zu einer Tragbahre trugen, auf diese dann legten; und ich meine, als sie ihn auf die Tragbahre legten, wäre aus der Hosentasche eine Pistole herausgefallen.

Der Verletzte wurde dann abtransportiert, und mein Einsatz war damit beendet.

Vors.:

Ja. Haben Sie die Uhrzeit schon angegeben, zu welcher sich das alles abgespielt hat?

Zeuge P[enzkofer]:

Es war ... es begann - ich habe auf die Uhr gesehen, wann es begann - es war fünf Minuten vor 6.00 Uhr morgens, und es dauerte meiner Erinnerung nach ungefähr bis 8.00 Uhr.

Vors.:

Sie haben heute angegeben, es sei in dem Zeitpunkt, als dieser bepanzerte Wagen vorfuhr, eine Person aus der Garage rausgelaufen.

[3427] Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

Vors.:

Früher deuteten Sie das mal an:

Sie glaubten, daß - jedenfalls, sie meinten -, daß beide Personen in diesem Zeitpunkt die Flucht hätten ergreifen wollen.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja, ich konnte durch spätere Tatsachen, die hinzukamen, erkennen, daß ich mich da getäuscht hatte; denn die andern Zeugen, glaube ich, haben eindeutig gesagt, es wären ... es wäre nur ein Mann geflüchtet. Ich konnte es auch nicht so genau erkennen, weil - wie gesagt - der Panzerwagen ja meine Sicht versperrte. Für mich war es also nicht ganz deutlich zu sehen, wie viele Personen flüchteten: ob eine oder zwei Personen.

Vors.:

Das ist der grundsätzliche Irrtum, Herr Zeuge - das ist kein Vorwurf, den ich Ihnen jetzt sage.

Sie sollen uns natürlich das mitteilen, was Ihrer Beobachtung entspricht. Sie können Ihr Beobachtungsbild anhand von dem, was Sie durch andere hören, vielleicht ändern und sagen:

Ja richtig, so war’s:

aber nicht, auf keinen Fall, also das müssen Sie uns nachher auch im Zusammenhang mit der Vereidigung[101] versichern, etwas als eigene Beobachtung angeben, was Sie in Wirklichkeit von anderen erfahren haben, nicht? Grade bei solchen Kleinigkeiten nach der langen Zeit wäre das gar nicht verwunderlich, zeigt sich’s.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

Vors.:

Also was ist nun Ihr eigenes Beobachtungsbild?

Zeuge P[enzkofer]:

Ich hatte seinerzeit den Eindruck, daß beide geflüchtet sind.

Vors.:

Den Eindruck hatten Sie.

Zeuge P[enzkofer]:

Ja.

Vors.:

Und Sie haben das Schießen wahrgenommen, das sich anschließend bemerkbar machte, und dann sind beide wieder zurück; und dann kam die Sache, wo Sie hörten, daß einer offenbar verletzt wurde und abtransportiert wurde.

Waren Sie irgendwie imstande zu beobachten, ob die beiden Personen zu irgendeinem Zeitpunkt selbst geschossen haben - also Sie haben uns vorhin erzählt, Sie haben das Flattern dieses Raucherschilds, dieses „Rauchen verboten“-Schilds gesehen, daraus Rückschlüsse gezogen. Aber haben Sie im weiteren Verlauf dann irgendwelche Beobachtungen gemacht?

Ende von Band 196.

[3428] Zeuge Penz[kofer]:

Ich habe lediglich gesehen, daß die Beiden Personen ihre Pistolen im Anschlag hatten, das heißt, daß sie also die Pistolen nicht in der Hand lose hatten, sondern die Pistolen hochgehoben hatten. Ob sie auf irgendwelche Personen zielten oder ob auch geschossen hatten, das habe ich nicht gesehen.

Vors.:

Haben Sie sich in irgendeinem Zeitpunkt gefährdet gefühlt[aaaa]?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Tja ...

Vors.:

Ich meine von der generellen Möglichkeit in so einer Situation, daß irgendwas passiert abgesehen[bbbb]. Aber daß etwa auf Sie gezielt worden wäre oder Schüsse ganz in Ihrer Nähe vorbeipfiffen, die offensichtlich aus dieser Richtung, wo die beiden waren, gekommen wären?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ich habe keine Schüsse bemerkt, die auf mich abgegeben worden wären. Selbstverständlich befand ich mich in einer Zone, die gefährdet war. Aber ich glaube nicht, daß mich die Angeklagten überhaupt gesehen haben.

Vors.:

Waren Sie ... wir werden gleich anhand der Skizze dann und der Bilder ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ja

Vors.:

... das nochmals erläutern lassen, vor allen Dingen Ihren Standpunkt im einzelnen klären.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ja

Vors.:

Meine abschließende Frage jetzt. Waren Sie später an der Identifizierung beteiligt?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Der Personen?

Vors.:

Ja.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Nein, war ich nicht beteiligt.

Vors.:

Haben Sie irgendwelche sicheren Anhaltspunkte gewinnen können, um [cccc] wen es sich gehandelt hat?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ich konnte die beiden Personen eigentlich nur vom Aussehen her unterscheiden, aber ich wusste nicht, wer es war. Ich habe also später erst erfahren, um wen es sich handelte, und konnte dann aber die Personen unterscheiden. Ich wußte dann nachher, wer Baader war und war Meins war.

[3429] Vors.:

So daß Sie also später vom Kenntnis des Bildes der beiden her sagen konnten, aha, das war der und der.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Der Verletzte war der Baader, das wußte ich dann nachher, und ich konnte auch von Standort her sagen, rechts war immer Meins und links, der also hinter der Gasflasche war, war Baader.

Vors.:

So daß Sie also mit Sicherheit sagen können aus den Kenntnissen, die Sie später von dem Aussehen von Baader und Meins erlangt haben, daß die beiden es waren, die dort in der Garage von Ihnen gesehen wurden?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ja.

Richter [dddd] Dr. Berroth:

Überprüfen[eeee] Sie nochmal bitte diese Angabe, ob Baader links stand und Meins rechts. Haben Sie es richtig noch in Erinnerung?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Also von mir aus gesehen ...

Richter [ffff] Dr.Berroth.:

Ja, von Ihnen aus gesehen, so sagt man’s ja immer.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Von mir aus gesehen stand Meins rechts.

Vors.:

Ich bitte jetzt, wenn das Bedürfnis besteht, gleich Fragen zu stellen; es kann auch so, wenn die übrigen Verfahrensbeteiligten es wünschen, gehandhabt werden, daß zunächst mal der Zeuge anhand der örtlich... der Skizze die Örtlichkeiten aufdeckt. Was den Beteiligten lieber ist und dann erst die Fragen zu stellen. Dann ... Herr Bundesanwalt.

BA Dr. Wu[nder]:

... und die Entfernung des Zeugen vor allem wegen seiner Beobachtung, er will großkalibrige Waffen gesehen haben. Ich glaube, das ist das entscheidende für alle Beteiligten.

Vors.:

Dann glaube ich, bevor wir jetzt das weitere Fragerecht an die Beteiligten geben, wollen wir mal diese Skizze hier näher betrachten. Darf ich die Herren bitten vielleicht sich um diese Skizze zu scharen. Herr Bietz kann dann dafür sorgen, daß dieses Mikrophon in Gang kommt beziehungsweise das Protokoll ... das hier schalte ich aus, und Herr Zeuge bedienen Sie sich Bei Ihren Angaben bitte dieses Mikrophons. Wir wollen also, Herr Penzkofer, beginnen, [3430] daß Sie vielleicht ungefähr klarmachen, aus welcher Richtung Sie überhaupt beobachtet haben, daß die beiden Personen zu der Garage hingingen. Dann zeigen Sie uns die Garage und dann dort ihren Standpunkt und geben uns, wie gesagt, die Entfernungen an, aus denen Sie Ihre Beobachtungen machten. Könnten Sie etwas weiter nach links treten, so daß sämtliche Richter noch das sehen können. Vielen Dank.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ich möchte vorwegen, geht das denn noch? ...

Vors.:

Wir wollen für das Protokoll festhalten, daß eine Großskizze - ich weiß nicht, ist der Maßstab bekannt? -, also das dürfte Maßstab 15/10 oder 15/1000 sein, so würde ich schätzen, ist da irgend was drauf? ... ist wenigstens bekannt, ob diese Skizze maßstabsgerecht ist?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ich glaub, die ist sogar aus einem Plan ...

Vors.:

Haben die Verteidiger Bedenken, davon ... daß man hier davon ausgeht, daß es sich um eine maßstabsgetreue Skizze der Örtlichkeit handelt?

Richter Dr. Foth:

Vielleicht können Sie, Herr Zeuge, zunächst sagen, ob diese Skizze mit den Örtlichkeiten, ob die überhaupt übereinstimmt, ob das wohl die Skizze dieser Örtlichkeiten ist.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ja, ja, doch.

Vors.:

Dann stellen wir also für das Protokoll fest, daß der Zeuge anhand einer aufgelegten maßstabsgetreuen großen Skizze seine Positionen im einzelnen erläutert unter Teilnahme sämtlicher Prozeßbeteiligter.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Wir haben also hier den Hofeckweg, der nur von dieser Seite zu befahren ist, denn es besteht keine Möglichkeit der Durchfahrt zum Kühhornshofweg. Hier vorne sind also Pfosten angebracht. Wenn man also von hier kommt, dann ist das Grundstück Hofeckweg 2 - 4 das letzte Gebäude auf der linken Seite. Vorne befindet sich das Wohnhaus mit dem Eingang und anschließend die Garagen und über den Garagen befinden sich aber [3431] Wohnräume. Es sind insgesamt vier nebeneinanderliegende Garagen, das ist hier schlecht erkennbar. Ich glaube, hier müßten zwei Garagen noch sein, und die zweite Garage, vom Eingang her gesehen, war die Garage, in die Angeklagten verschwanden. Ich hatte eine Sicht ungefähr direkt auf die Garage aus einer Entfernung von ca. 20 Metern.

Vors.:

Könnten Sie den Standpunkt nochmals bezeichnen, er ist uns gerade ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Meinen Standort möchte ich nicht genau bezeichnen ...

Vors.:

Ja nun, das ist gut. Ich meine, das war also, solange Sie hier die Observation hatten, den Standpunkt meinen Sie?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ja.

Vors.:

Wir kommen auf den späteren dann zurück.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ich bin die ganze Zeit an diesem Platz gewesen.

Vors.:

Ja, nun es ist eben so, daß unter Umständen gewisse ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Man könnte aus meinem Standort doch bestimmte Rückschlüsse ziehen, und ich habe dafür ausdrücklich keine Aussagegenehmigung. Ich kann Ihnen nicht sagen, wo ich war.

RA Schw[arz]:

Aber eben diese ...

Vors.:

Herr RA Schwarz.

RA Schw[arz]:

Rückschlüsse wollen wir auch ziehen ... Beobachtungsmöglichkeit und deswegen muß man uns schon die Möglichkeit einräumen, diese Aussage insoweit zu überprüfen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schwarz[gggg] beanstandet, daß der Herr Zeuge nicht bereit ist, unter Berufung auf seine mangelnde Aussagegenehmigung, Angaben über seinen Standort zu machen. Ich darf Sie bitten, in Zukunft auch das Mikrophon an sich zu reißen, wir kriegen sonst das nicht auf das Protokoll. Herr Zeuge, ich muß sagen, ich kann der Aussagegenehmigung, die Sie erhalten haben, eigentlich nicht diese Einschränkung entnehmen, die Sie machen. Darf ich sie mal nochmals bekommen? Ich meine, man kann das unter Umständen auch in einer Form machen, die, sagen wir mal, keinen Namen dann nennt von, nehmen wir als Beispiel [3432] an, Sie wären in einer Wohnung oder so was gewesen, daß keine Namen angegeben werden. Das ist mit Sicherheit von den Herren Verteidigern akzeptiert. Die Frage wird also nur sein, ob Sie einen Blickwinkel hatten, wir müssen ja Ihre Entfernungen etwa einschätzen können ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Meine Entfernung habe ich ungefähr angegeben mit 20 Meter.

RA Sch[ily]:

Das reicht mir nicht. Also ich schließe mich[hhhh] den Ausführungen vom Kollegen Schwarz an. Ich möchte den genauen Standpunkt wissen.

Vors.:

Kommt das ... schlägt das auf dem Band? ... schlägt ... also ... ich glaube da gibt’s dadrüben vielleicht nochmal so ein bewegliches Mikrophon. Ist keines mehr da? Also es muß auf Band gesprochen werden. Es hat keinen Sinn, daß wir nachher auf dem Protokoll immer stehen haben: „unverständlich“.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Herr Vorsitzender, darf ich zu meiner Aussagegenehmigung noch etwas sagen?

Vors.:

Bitte.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Es handelt sich also hier um Grundsätze des Einsatzes und von vertraulich erlangten Nachrichten. Ich kann beim besten Willen meinen Standort nicht preisgeben, weil sonst könnten Rückschlüsse gezogen werden; das kann ich einfach nicht machen.

Vors.:

Ja vielleicht ist gerade das, was Sie jetzt andeuten, an sich das, was man aus bestimmten Prinzipien ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Das ist das Problem.

Vors.:

... um etwa diese vertraulichen Informanten zu schonen oder zu schützen, nicht preisgeben sollte. Aber das würde doch nichts ändern, wenn Sie hier in der Gegenwart der Herrn Verteidiger und der Bundesanwaltschaft Ihren Standpunkt auf der Skizze anzeigen ohne nähere Bezeichnungen. Nehmen wir beispielsweise an, das sei in einem Haus gewesen, wird ja nicht von Ihnen verlangt, anzugeben, in der Wohnung sowieso oder sowieso. Das ist das was ich meine. Als Beispiel. Da sind ja mehrstöckige Häuser und ich mein, das ist doch eine unverfängliche Sache ...

[3433] Zeuge Pe[nzkofer]:

Nein.

Vors.:

... wenn Sie sagen würden, in dem Haus. Ich meine, wir könnten sonst nur folgendes tun. Ich müßte dann morgen versuchen, in Ihrer Gegenwart beim Dienstvorgesetzten anzurufen und die Frage zu klären, wenn Sie sie nicht selber beantworten können. Aber ich meine, also in der Tat muß die Verteidigung und das Gericht die Möglichkeit haben, zu klären, von wo aus Sie Ihre Beobachtung gemacht haben.

Richter [iiii] Dr. Berroth:

Herr Zeuge, wenn Sie sagen, 20 Meter von der Garage entfernt, dann wären Sie überhaupt nicht in einem Haus gewesen, würde ich von der ... nach Skizze her sagen.

RA Schw[arz]:

... ich lehne das überhaupt ab, solange der nicht ...

RA Schn[abel]:

... ist keine 20 Meter weg ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schwarz, darf ich Sie um[jjjj] Benützung des Mikrophons bitten ...

RA Schw[arz]:

Ja, Herr Vorsitzender ich möchte bitten, daß, bevor ich überhaupt mit der Befragung des Zeugen beginne, dieser mir entscheidende Punkt, das ist jetzt der erste Fall, geklärt wird, welche Einschränkungen eine solche Aussagegenehmigung enthält. Denn wenn der Zeuge immer unter Hinweis auf die Belange des BKA, und wenn, das bei künftigen Zeugen kommt, können wir eine ordnungsgemäß Befragung nicht durchführen, wenn er hier sagt, 20 Meter von dieser Garage, bleibt mir ja nichts anderes übrig, als im Geist einmal einen Radius um diese Garage zu ziehen mit 20 Meter, dann weiß ich nicht, steht er seitlich, steht er dahinter. Und ich muß ihm auf sein Wort hin abnehmen, daß er die Beobachtung, die er schildert, tatsächlich machen konnte. Und hier spielt ja [kkkk] beispielsweise die Beobachtung des flatternden Schildes doch eine sehr entscheidende Rolle, und dazu gehört eben, daß ich weiß, aus welchem Blickwinkel er dieses Schild hat flattern sehen. Ich glaube also, daß es keinen Sinn hat, wenn ich mit der Befragung beginne und ich lehne es auch ab, solange dieser Punkt nicht geklärt ist, inwieweit [3434] er aussagen muß und nicht aussagen muß.

Vors.:

Wir brauchen also einen Kommentar zur Auslegung der Aussagegenehmigung. Hat die Bundesanwaltschaft dazu irgendwelche Erfahrungen?

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, was Herr Rechtsanwalt eben gesagt hat, das leuchtet natürlich ein. Auf der anderen Seite müssen wir uns für den Schutz der Informanten hier einsetzen, und ich rege an, den Zeugen vielleicht nicht die direkte Blickrichtung angeben zu lassen, sondern den Blicksektor, so daß also hier mehrere Häuser, mehrere Wohnungen, mehrere Etagen in Frage kommen könnten. Das ist, glaube ich, eine Basis, von der aus der Zeuge möglicherweise seine Angaben machen kann und was auch den Anliegen der Herren Verteidiger genügen könnte.

Vors.:

Meine Herren, ich darf auf folgendes hinweisen. Wir werden im Laufe des Verfahrens um die Frage nicht herumkommen, ob ein Zeuge darüber aussagen muß oder nicht. Ich kann natürlich, wenn die Aussagegenehmigung nicht erteilt wird, nichts machen. Darüber sind sich sicher die Herren Verteidiger auch klar. Das liegt nicht in der Gewalt des Gerichtes. Aber ich werde meinerseits mich bemühen, dafür zu wirken, daß tatsächlich der Zeuge diesen Punkt angibt, unter tunlichster Schonung der präzisen Beschreibung. Es kommt in der Tat nur drauf an, den Standort zu erfahren, es kommt nicht darauf an, zum Beispiel Einzelheiten der Wohnung oder sonst irgendwas zu erfahren, so daß in Wirklichkeit keine Gefahren für eventuelle Informanten entstehen. Ich glaube nicht, daß die Verteidigung ihrer Aufgabe gerecht werden kann, und das Gericht, wenn es nicht überprüfen kann, ob ... von wo aus der Zeuge seine Beobachtung gemacht hat. Bitte.

Richter [llll] Dr. Foth.:

Herr Zeuge, mir ist nicht ganz klar unter welchen dieser Begriffe soll denn diese Angabe da fallen?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Einsatzgrundsätze.

Das sind einsatztaktische Maßnahmen.

Vors.:

Herr Zeuge, könnten wir jetzt ...

Richter [mmmm] Dr. Foth.:

Ich könnte mir denken, daß Ihr Einsatz so geregelt wird, daß man möglichst gut zur Sache sieht.

[3435] Zeuge Pe[nzkofer]:

Das ist selbstverständlich.

Vors.:

Wir wollen die Frage möglichst klären ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ja ... ich ... wenn ich einen Sektor angebe, ich meine, ich hab ja einen guten Blick gehabt, auf die Garage, wenn ich also diesen Sektor jetzt hier an ... das ist Ihnen zu viel.

RA Schw[arz]:

Nein, mit diesen ...

BA Dr. Wu[nder]:

Das ist zuviel, damit kann niemand was anfangen.

RA Schw[arz]:

Mit diesem Sektor kann ich gar nichts anfangen, denn dieser Sektor beinhaltet einen Blickwinkel, von dem Sie beispielsweise die Wahrnehmungen nicht gemacht haben können, die Sie im Inneren der Garage ge... gemacht haben wollen. Ziehen Sie den Kreis noch einmal nach, wie Sie ihn eben gezogen haben, dann sehen Sie nicht in die Garage hinein.

Vors.:

Ich mache folgenden Vorschlag. meine Herren. Wir werden diese Frage heute nicht mehr klären können. Herr Zeuge, das heißt, könnten wir’s jetzt versuchen noch ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ich werde ...

Vors.:

... die Verantwortung nicht dem Zeugen überlassen, das ist offenbar beim Bundeskriminalamt eine Grundsatzfrage. Wir wollen hier den Dienstvorgesetzten dazu hören. Lässt sich’s heute noch klären?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Ich glaube kaum, daß wir noch jemand erreichen werden um diese Zeit ...

Vors.:

Wann ließe sich das klären?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Morgen früh.

Vors.:

Morgen früh. Haben die Herren Verteidiger und die Bundesanwaltschaft das Vertrauen zum Vorsitzenden, daß er ohne irgendwelche Einflußnahme auf den Zeugen, mit dem Dienstvorgesetzten in Gegenwart des Zeugen spricht. Ich lade eine Abordnung gerne ein, die sich selber überzeugen kann, welche Worte ich mit dem Dienstvorgesetzten wechsle. Ich selbst werde mich drum bemühen, sage ich Ihnen nochmals, den Zeugen da ... die Genehmigung dahin zu bekommen, daß der Zeuge über diesen Punkt aussagen kann.

RA Schw[arz]:

Bei der Besonderheit dieses Verfahrens, Herr Vorsitzender, aus der Sicht der Verteidigung hier, würde ich Wert darauf [3436] legen, daß ich, um meine Verteidigerpflichten wirklich zu erfüllen, Ohrenzeuge dieses Gespräches sein kann.

Vors.:

Gerne, gerne.

RA Schw[arz]:

Ich glaube, dieses Gespräch wird doch vermutlich für eine ganze Reihe von Zeugenvernehmungen Weichenstellungen ergeben, denn ich muß jetzt schon sagen, wenn das Bundeskriminalamt hier immer mit diesen Einschränkungen kommt, wird es eine sehr unerfreuliche Beweisaufnahme werden.

Vors.:

Da heute keine Möglichkeit mehr besteht, Herr Zeuge, haben Sie einen Überblick, wann wir morgen früh hoffen können?

Zeuge Pe[nzkofer]:

Wir könnten es vielleicht jetzt unter der Privatnummer versuchen.

Vors.:

Das ist nur eine Frage, ob wir heute abend ...

Richter[nnnn] Dr. Foth:

... das wäre nicht schlecht ... vorbereitet, daß er morgen früh das entscheiden muß.

Vors.:

Dann machen wir also folgendes ...

Zeuge Pe[nzkofer]:

Die Frage ist eigentlich bei uns geklärt. Der Herr Präsident hat das delegiert, wer über diese Frage entscheidet.

Vors.:

Dann würden wir den Herrn, versuchen, in Gegenwart von Verteidigern jetzt noch privat zu verständigen, daß er morgen früh um halbneun ...

Richter[oooo] Dr. Foth:

... überlegen wir noch ...

Vors.:

... die Auskunft geben soll ...

Richter[pppp] Dr. Berroth.:

Ich möchte bloß noch eine Zwischenfrage stellen. Nachdem der Zeuge bereits einen Halbkreis angegeben hat und eine Entfernung angegeben hat und von Beobachtungen spricht, die er machen konnte, ist an sich ganz eindeutig, wo er gestanden haben mußte. Das haben alle, die hier am Tische stehen, gesehen. Er möchte bloß mit dem Finger nicht drauf zeigen.

Zeuge Pe[nzkofer]:

Das will ich vermeiden, ja.

Vors.:

Also die Verteidigung legt aber grundsätzlich Wert darauf, daß für die Zukunft hier eine präzisere Ortsangabe möglich ist und über diesen Punkt ... Wir machen folgendes: Wir [3437] überlassen, jetzt den Anruf Ihren ... Ihrer Eigeninitiative. Sie können hier die Apparate natürlich benutzen. Richten Sie freundlicherweise Ihrem Dienstvorgesetzten aus, wir würden ihn morgen früh in Ihrer Gegenwart um dreiviertelneun Uhr von meinem Zimmer aus anrufen. Die Herren Verteidiger wissen es, wer da sein will um dreiviertelneun, möge bitte sich rechtzeitig einfinden und ihn befragen, ob Sie instand gesetzt werden, zu Ihrer ... zu Ihrem Standpunkt präzisere Angaben zu machen. Sagen Sie bitte auch, daß das Gericht und die Verteidigung Wert darauf legen, und sicher auch die Bundesanwaltschaft, daß diese Ortsangabe präziser erfolgt, als Sie sie glauben nach der bisherigen Aussagegenehmigung geben zu dürfen. Damit werden wir dann die Sitzung unterbrechen. Ich bitte morgen früh um dreiviertelneun in meinem Zimmer zu sein, soweit Sie wollen. Grundsätzlich Fortsetzung neun Uhr in diesem Saale.

Ende der Sitzung um 17.28[qqqq] Uhr

Ende von Band 197


[1] Die Verteidigung bestand aus zwei „Lagern“: Zum einen den Vertrauensverteidiger/innen, die von den Angeklagten ursprünglich frei gewählt (§§ 137, 138 StPO) und ihnen z.T. als Pflichtverteidiger/innen beigeordnet worden waren (§ 141 StPO); zum anderen den von den Angeklagten sog. Zwangsverteidigern, die ihnen durch das Gericht gegen ihren Willen zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet worden waren. Die Hauptverhandlung konnte daher trotz grundsätzlich notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 StPO) stets weitergeführt werden, auch wenn keine/r der Vertrauensverteidiger/innen anwesend war. Die Angeklagten weigerten sich allerdings, mit den von ihnen abgelehnten Verteidigern zu sprechen. Die Zweiteilung der Verteidigung wurde auch räumlich sichtbar: Während die Vertrauensverteidigung bei den Angeklagten Platz nehmen konnte, saßen die von den Angeklagten abgelehnten Verteidiger ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Saales, neben den Vertretern der Bundesanwaltschaft (s. auch die Skizze in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 185).

[2] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind. Zu Beginn der Hauptverhandlung wurden die Angeklagten in der Regel für den restlichen Sitzungstag, ab dem 27. Verhandlungstag auch für die restliche Sitzungswoche ausgeschlossen (erstmals auf S. 2239 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag).

[3] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Seit dem 41. Verhandlungstag verfügte die Verteidigung über ein eigenes Tonbandgerät. Da die Bundesanwaltschaft allerdings der Aufzeichnung ihrer Äußerungen durch selbiges widersprach (S. 3156 des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag), wurde die Verteidigung darauf hingewiesen, dass das Tonband bei Äußerungen der Bundesanwaltschaft stets ausgeschaltet werden müsse (S. 3254 des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 41. Verhandlungstag).

[4] Die Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg traten am 41. Verhandlungstag zum ersten Mal auf. Rechtsanwalt Köncke war bereits zuvor als Wahlverteidiger für Ulrike Meinhof legitimiert; Rechtsanwalt Golzem legitimierte sich für sie am 41. Verhandlungstag, Rechtsanwalt Spangenberg für den Angeklagten Raspe ebenfalls am 41. Verhandlungstag. Der Vorsitzende Dr. Prinzing äußerte zu Beginn des 42. Verhandlungstages rechtliche Bedenken gegen ihre Anwesenheit aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung gem. § 146 StPO (S. 3272 des Protokolls der Hauptverhandlung). Am Ende des Verhandlungstages überreichte er schließlich auch den Senatsbeschluss, nach welchem eine Verteidigung durch sie unzulässig sei (OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.1975 - Az.: 2 StE 1/75, NJW 1976, S. 157). Der Beschluss wurde mit dem Umstand begründet, dass alle drei Verteidiger zur selben Zeit in einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Kaiserslautern tätig waren, und zwar für die dort Angeklagten Grashof, Grundmann und Jünschke, denen die Beteiligung an der kriminellen Vereinigung RAF sowie z.T. auch die Beteiligung an der Sprengstoffexplosion in Frankfurt sowie an einem Raubüberfall in Kaiserslautern vorgeworfen wurde. Diese Taten waren auch Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens, was nach Ansicht des 2. Strafsenats einen ausreichenden Zusammenhang zwischen den beiden Verfahren begründe, sodass § 146 StPO Anwendung finde. Ob sich das Verbot des § 146 StPO a.F. auch auf Parallelverfahren erstreckt, war zunächst ungeklärt. Die später gegen den Beschluss des 2. Strafsenats gerichtete Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Köncke wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschl. v. 13.1.1976 - Az.: 2 BvR 1001/75, abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a“, 5. Aufl. 2014, S. 46 f.). Durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) wurde § 146 StPO schließlich neugefasst. Der heutige Wortlaut umfasst eindeutig auch das Verbot, Beschuldigte in Parallelverfahren zu verteidigen, wenn sie wegen derselben Tat beschuldigt sind (s. zur Neuregelung auch Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1161, 1163; Nestler-Tremel, NStZ 1988, S. 103 f.).

[5] Die amtliche Bestellung allgemeiner Vertreter/innen erfolgt nach § 53 BRAO in Fällen längerer Abwesenheit oder im Voraus für alle Verhinderungsfälle in einem bestimmten Zeitraum. Dem/der amtlich bestellten Vertreter/in stehen nach § 53 Abs. 7 BRAO die gleichen anwaltlichen Befugnisse wie der vertretenen Person zu.

[6] In den Fällen der notwendigen Verteidigung ist die Mitwirkung eines Verteidigers oder einer Verteidigerin gesetzlich vorgeschrieben (§ 141 StPO a.F.; seit dem 13.12.2019 [Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128] ist die Bestellung in manchen Fällen von einem Antrag des/der Beschuldigten abhängig, § 141 Abs. 1 StPO). Die notwendige Verteidigung ergab sich in diesem Verfahren daraus, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfand (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und dem Vorwurf eines Verbrechens (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO; ein Verbrechen liegt vor bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, § 1 Abs. 1 StGB a.F.; heute: § 12 Abs. 1 StGB), sowie der Inhaftierung der Beschuldigten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.; heute ist die zeitliche Vorgabe entfallen). Da die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), gehen mit ihr besondere Pflichten einher. Darunter fällt auch die Anwesenheitspflicht während der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob weitere (Pflicht-)Verteidiger/innen anwesend sind (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2015 - Az: 2 Ws 203/15, NStZ 2017, S. 436, 437 f.).

[7] Die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen erfolgt nur für die jeweils bestellte Person. Diese kann sich daher grundsätzlich weder durch unterbevollmächtigte, noch durch Rechtsanwält/innen derselben Sozietät vertreten lassen. Ausnahmsweise wird aber im Falle vorübergehender Verhinderung die Vertretung mit Zustimmung des/der Vorsitzenden für zulässig erachtet (KG, Beschl. v. 29.6.2005 - Az.: 5 Ws 164/05, NStZ-RR 2005, S. 327, 328). Anders ist die Situation im Falle einer amtlich bestellten Vertretung: Diese ist gemäß § 53 Abs. 7 BRAO („Dem Vertreter stehen die amtlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.“) befugt, überall dort aufzutreten, wo auch die vertretene Person als Prozessbevollmächtigte/r auftreten könnte. Die Vertretungsbefugnis besteht in diesem Fall auch unabhängig von der Zustimmung des/der Vorsitzenden (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn. 3554 ff.; Schwärzer, in Weyland [Hrsg.], Bundesrechtsanwaltsordnung, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 42a). Auch die Anzeige oder der Nachweis des Vertretungsfalls ist im Falle der amtlichen Bestellung nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 2.9.1975 - Az.: 1 StR 380/75, NJW 1975, S. 2351, 2352).

[8] Die Verfügung ist abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 70 ff.).

[9] Die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in (Entpflichtung) wegen pflichtwidrigen Verhaltens war gesetzlich nicht vorgesehen, allerdings im Falle eines Fehlverhaltens von besonderem Gewicht und nach voriger Abmahnung ausnahmsweise anerkannt (Willnow, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 143 Rn. 4). Bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reicht hingegen nicht aus, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verteidigungspflichten zu überwachen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 25 ff.; s. auch Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 143 Anm. 3). Seit dem 13.12.2019 enthält § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO (eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, BGBl. I, S. 2128) ausdrücklich die Möglichkeit der Entpflichtung, wenn „aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist“. Darunter wird auch der Fall der groben Pflichtverletzung gefasst (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143a Rn. 26).

[10] Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übt als Strafverfolgungsbehörde das Amt der Staatsanwaltschaft beim BGH (§ 142 Nr. 1 GVG), sowie in den zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 142a Abs. 1 GVG) aus. Diese Zuständigkeit des OLG für Strafsachen in erster Instanz ist nur für besondere Straftaten gegeben, etwa für Hoch- und Landesverrat (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GVG). Der Generalbundesanwalt kann zudem die Strafverfolgung für Strafsachen, die eigentlich zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören würden, wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernehmen, was in der Folge ebenfalls zur Zuständigkeit des OLG in erster Instanz führt (§§ 120 Abs. 2, 74a Abs. 2 GVG).

[11] Die hier angeklagten Straftaten unterliegen grundsätzlich der Zuständigkeit der Landgerichte (§ 74 Abs. 1 GVG). Für einige besondere Straftaten - darunter die Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB, die den hier Angeklagten vorgeworfen wurde - bestimmt allerdings § 74a Abs. 2 GVG, dass der Generalbundesanwalt die Verfolgung wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernehmen kann. Dies ist auch für dieses Verfahren geschehen. In diesem Fall geht auch die gerichtliche Zuständigkeit auf das Oberlandesgericht über (§ 120 Abs. 2 Nr. 1 GVG). Aus § 120 Abs. 6 GVG folgt, dass die nach § 120 Abs. 1 und 2 GVG zuständigen Oberlandesgerichte die Gerichtsbarkeit des Bundes (Art. 96 Abs. 5 GG) ausüben, der sich dieser im Wege der Organleihe bedient (Kotz/Oğlakcıoğlu, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 120 GVG Rn. 34).

[12] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft, wodurch die bis dahin zulässige kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenslage - auch „Blockverteidigung“ genannt - abgeschafft wurde. Jede/r Verteidiger/in durfte fortan nur noch eine/n Angeklagte/n vertreten, sodass eine Neusortierung der Mandatsverhältnisse notwendig wurde (s. dazu die Ausführungen des Vorsitzenden Dr. Prinzing auf S. 235 des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).

[13] Da die vollständige Verhandlungsfähigkeit - d.h. die Fähigkeit, „in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen“ (BGH, Beschl. v. 8.2.1995 - Az.: 5 StR 434/94, BGHSt 41, S. 16, 18) - der Angeklagten durch die Verteidigung seit Beginn der Hauptverhandlung immer wieder bestritten wurde, beauftragte das Gericht mit Beschluss vom 18.7.1975 eine Kommission aus Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (der Beschluss selbst ist nicht im Protokoll enthalten, vgl. aber den ergänzenden Beschluss in Anlage 2 zum Protokoll vom 29.7.1975, S. 1570 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 20. Verhandlungstag; zur Chronologie der Beauftragungen der verschiedenen Gutachter s. die Ausführungen des Rechtsanwalts von Plottnitz am 26. Verhandlungstag, S. 2093 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Die abschließenden Gutachten, die am 39. Verhandlungstag bekannt gegeben wurden, legten eine zeitlich beschränkte Verhandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nahe. Die Gutachten sind im Protokoll nicht enthalten. Auszüge finden sich in Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 207 ff., sowie Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 117 ff. Dem lässt sich entnehmen, dass die Internisten Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder von einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit von drei Stunden pro Tag ausgingen, wobei kürzere Pausen nicht mit einzubeziehen seien (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 208). Am 40. Verhandlungstag verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing schließlich den Senatsbeschluss, wonach die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt werde (s. Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag).

[14] In einem vorläufigen Gutachten nahmen die Sachverständigen Müller und Schröder eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten an, nämlich für täglich nicht mehr als drei Stunden. Dies wurde am 27. Verhandlungstag mitgeteilt (S. 2169 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[15] Holger Meins, ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Da zu diesem Zeitpunkt der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen war (§ 126 Abs. 2 StPO), machten die Angeklagten den Senat, insbesondere den Vorsitzenden Dr. Prinzing, unmittelbar verantwortlich für den Tod von Holger Meins. Gegen ihn (und weitere) erstattete Rechtsanwalt von Plottnitz im Namen von Meins’ Angehörigen sowie im eigenen Namen Strafanzeige wegen Mordes (Auszüge der Strafanzeige sind abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 195 f.; vollständig, aber schlecht lesbar, befindet sich die Strafanzeige auch im Anhang zu Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975, 7. Verhandlungstag, S. 644 ff.). Eine auf die Ereignisse um den Tod Holger Meins’ gestützte Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Prinzing wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Angeklagte Ensslin findet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 19. Juni 1975 (7. Verhandlungstag, S. 620 ff.). Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing befindet sich auf S. 677 ff. (ebenfalls 7. Verhandlungstag).

[16] § 238 Abs. 1 StPO lautet: „Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.“

[17] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urt. v. 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[18] So Rechtsanwalt von Plottnitz am 40. Verhandlungstag (S. 3143 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[19] In Reaktion auf den Befund der Gutachter, dass die Angeklagten nur zeitlich eingeschränkt verhandlungsfähig seien, verkündete der Vorsitzende Dr. Prinzing am 40. Verhandlungstag den Senatsbeschluss, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werde (abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag). Nach § 231a StPO ist dies möglich, wenn die Angeklagten noch nicht zur Anklage vernommen wurden, sie sich vorsätzlich und schuldhaft in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt haben und das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält.

[20] Dass die Angeklagten ihren Zustand selbst verschuldet hätten, stützte der Senat auf zwei Aspekte: Zum einen seien die Hungerstreiks mitursächlich für ihren Zustand, insofern hätten die Angeklagten diesen vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt (S. 3128 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag). Zum anderen seien auch die Haftbedingungen, die einer Besserung des Zustandes nach Auffassung etwa des Sachverständigen Prof. Dr. Rasch entgegenstünden, dem Verantwortlichkeitsbereich der Angeklagten zuzuordnen. Sie hätten gewusst, dass die Beeinträchtigungen des Hungerstreiks unter den bekannten Haftbedingungen nicht zu beheben seien; zudem verweigerten sie sich der Behandlung (S. 3138 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag).

[21] S. 34 des Protokolls der Hauptverhandlung (1. Verhandlungstag).

[22] Das Recht des/der Beschuldigten auf Hinzuziehung von bis zu drei Verteidiger/innen in jeder Lage des Verfahrens (§ 137 Abs. 1 StPO) umfasst auch deren Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung, um eine angemessene Verteidigung zu gewährleisten (Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 137 Rn 22; Sommer, StraFo 1999, S. 402, 403).

[23] Noch vor Beginn der Hauptverhandlung wurden die damaligen Vertrauensverteidiger Baaders, die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele, auf Grundlage des neu geschaffenen § 138a StPO wegen des Verdachtes der Tatbeteiligung - Unterstützung der kriminellen Vereinigung RAF - ausgeschlossen. Da sich die Ausschlüsse auf die Verteidigung von Andreas Baader bezogen, legitimierten sie sich am ersten Verhandlungstag für jeweils andere Angeklagte und stellten den Antrag, zur Hauptverhandlung zugelassen zu werden. Der 2. Strafsenat war allerdings der Auffassung, die Wirkung der bereits ergangenen Ausschlussentscheidungen umfasse auch das Verbot der Mitwirkung der Verteidiger im Hinblick auf die übrigen Angeklagten und erließ einen Beschluss, wonach die Rechtsanwälte aus Rechtsgründen keine/n der Angeklagten verteidigen dürften (S. 49 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[24] Die Bundesanwaltschaft äußerte gegen die Rechtsauffassung des 2 Strafsenats erhebliche Bedenken (so Bundesanwalt Dr. Wunder auf S. 50 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag) und beantragte daher, die Verteidiger auch im Hinblick auf die anderen Angeklagten auszuschließen (Anlage 5 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 65 ff., ebenfalls 1. Verhandlungstag). Den Antrag legte der 2. Senat dem zuständigen 1. Senat zur Entscheidung vor, welcher die ursprüngliche Auffassung des 2. Senates bestätigte und die (nach dieser Ansicht überflüssige) Durchführung eines (erneuten) Ausschlussverfahrens ablehnte.

[25] Gegen die vom Verfahren ausgeschlossenen Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele wurden Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Am 23. Juni 1975 wurden die Kanzleiräume der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele sowie der Rechtsanwältin Becker durchsucht. Rechtsanwältin Becker wurde einen halben Tag festgehalten und schließlich wieder entlassen, Dr. Croissant und Ströbele wurden verhaftet (s. hierzu die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann am 9. Verhandlungstag, S. 748 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, und der Rechtsanwältin Becker, S. 754 f. des Protokolls).

[26] Die Hauptverhandlung fand in dem sog. Mehrzweckgebäude (auch „Mehrzweckhalle“) statt, einem Gerichtsgebäude aus Stahl und Beton, das in Vorbereitung auf den Prozess unmittelbar neben dem Gefängnis für etwa 12 Millionen DM errichtet wurde (Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 69; krit. hierzu auch Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 100 f.). Zum Antrag auf sofortige Verlegung der Sitzungen in Räumlichkeiten des OLG oder LG Stuttgart s. Anlage 3 zum Protokoll vom 7. August 1975, S. 2013 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (24. Verhandlungstag).

[27] Da die Beiordnung dem öffentlichen Interesse dient, dafür zu sorgen, dass Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1975 - Az.: 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, S. 238, 242), hat sie u.a. zur Folge, dass der/die beigeordnete Verteidiger/in einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse erhält (damals § 97 BRAGO, inzwischen ersetzt durch § 45 Abs. 3 RVG). Dies ist bei Wahlverteidiger/innen nicht der Fall, weshalb aufwendige und lang andauernde Prozesse gegen mittellose Mandant/innen mit einem Wahlmandat kaum zu bewältigen sind.

[28] Der Grund, aus welchem Richter/innen abgelehnt werden, muss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht sie für überwiegend wahrscheinlich hält (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 26 Rn. 7). Die Glaubhaftmachung erfordert damit eine geringere Form der Überzeugung als der sog. Vollbeweis. Die Glaubhaftmachung genügt nur dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Mittel der Glaubhaftmachung kann auch das Zeugnis des/der abgelehnten Richter/in sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 StPO).

[29] „Zwangsverteidiger“ ist kein offizieller Begriff. Er wurde von den Angeklagten - in Abgrenzung zu den sog. Vertrauensverteidiger/innen - für diejenigen Verteidiger verwendet, die ihnen gegen ihren Willen durch das Gericht beigeordnet worden waren (s. bereits Fn. 1). Zwischen der Vertrauensverteidigung und dem Senat bestand allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Verteidigung durch sie auch ordnungsgemäß sei (s. dazu bereits die Diskussionen am 1. Verhandlungstag, S. 90 ff., sowie den Entpflichtungsantrag der Rechtsanwältin Becker in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.06.1975, S. 184 ff., 3. Verhandlungstag). Ulrike Meinhof führte am 1. Verhandlungstag aus: „Es handelt sich bei diesen Verteidigern um Zwangsverteidiger, die als Instrumente der B. Anwaltschaft ohne jede Kompetenz, abhängige Staatsschutzverteidiger sind, d. h. ihrer Funktion in diesem Prozeß nach Vertreter der Anklagebehörden und der Staatsschutzabteilung“ (S. 85 des Protokolls der Hauptverhandlung). Auch in der Literatur war diese Vorgehensweise - die Beiordnung von Pflichtverteidiger/innen gegen den Willen der Angeklagten neben vorhandenen (Wahl-)Verteidiger/innen - lange umstritten (s. dazu Thomas/Kämpfer, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 141 Rn. 6). Die Rechtsprechung ließ diese sog. Sicherungsverteidigung zu (BVerfG, Beschl. v. 28.3.1984 - Az.: 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, S. 313, 321; BGH, Urt. v. 11.12.1952 - Az.: 3 StR 396/51, BGHSt 3, S. 395, 398; s. auch EGMR, Urt. v. 25.9.1992 - Az.: 62/1991/314/385, EuGRZ 1992, S. 542, 545 f.). Erst mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) wurde hierfür in § 144 StPO auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

[30] § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO bezieht sich auf die Ablehnung von Richter/innen wegen Besorgnis der Befangenheit und schreibt vor, dass die Ablehnung in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich nach Bekanntwerden der Umstände, auf die sie gestützt wird, vorgebracht werden muss. Andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen.

[31] Prof. Dr. Müller wurde als Gutachter für internistische Untersuchungen zur Begutachtung der Gesundheit der Gefangenen und ihrer (ggf. beeinträchtigten) Verhandlungsfähigkeit bestellt.

[32] Dr. Henck war während des Prozesses als Anstaltsarzt in Stuttgart-Stammheim tätig. Er wurde als erster Sachverständiger zur Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten angehört. Zur Vernehmung des Herrn Dr. Henck s. S. 357 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (5. Verhandlungstag), S. 937 ff. (12. Verhandlungstag) und S. 1725 ff. (21. Verhandlungstag). Eine Untersuchung durch ihn lehnten die Angeklagten ab.

[33] So auf S. 3250 des Protokolls der Hauptverhandlung (41. Verhandlungstag).

[34] Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht der Hauptsache zuständig für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für Entscheidungen über die Haftbedingungen (§ 126 Abs. 2 StPO).

[35] Wegen Verletzung von Privatgeheimnissen macht sich nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm/ihr als Arzt/Ärztin anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist.

[36] Gegen den Beschluss des 2. Strafsenats über die Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten (s. Fn. 13) erhob u.a. Rechtsanwalt Dr. Heldmann sofortige Beschwerde (abgedruckt in Stuberger, „In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.“, 5. Aufl. 2014, S. 132 ff.). Der BGH verwarf sie mit Beschluss vom 22.10.1975, betonte jedoch, dass aus der Befugnis, ohne die Angeklagten zu verhandeln, nicht auch das Recht folge, diese gegen ihren Willen von der Verhandlung fernzuhalten (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234). Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde später als offensichtlich unbegründet verworfen (BVerfG, Beschl. v. 21.1.1976 - Az.: 2 BvR 941/75, BVerfGE 41, S. 246).

[37] S. bereits Fn. 18.

[38] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft. Die angesprochene (umstrittene) Auslegung betraf die Frage, ob das Verbot nur für die Verteidigung Beschuldigter im selben Verfahren oder auch für die Verteidigung Beschuldigter in Parallelverfahren Anwendung finden könne. Der 2. Strafsenat bejahte Letzteres im angesprochenen Ausschluss der Rechtsanwälte Golzem, Köncke und Spangenberg (s. bereits Fn. 4).

[39] Am 1. Januar 1975 traten das Erste Strafverfahrensreformgesetz vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3393) sowie das Ergänzungsgesetz hierzu vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) in Kraft. Hierdurch wurden neben dem Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) u.a. die Möglichkeit des Verteidiger/innenausschlusses (§ 138a StPO), die Beschränkung auf drei Wahlverteidiger/innen pro Beschuldigte/n (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO), sowie die Möglichkeit, den Prozess im Falle vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit bis zum Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache auch in ihrer Abwesenheit durchzuführen (§ 231a StPO), eingeführt. Durch diese und weitere Reformen während der Hauptverhandlung wurden die Rechte der Angeklagten sowie der Verteidigung erheblich eingeschränkt (Tenfelde, Die Rote Armee Fraktion und die Strafjustiz, 2009, S. 72 ff.). Da viele der Vorschriften im Hinblick auf das anstehende Stammheimer Verfahren beschlossen wurden, wurden sie u.a. als „lex RAF“ kritisiert (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 132 ff.). Sie sind überwiegend noch heute in Kraft.

[40] Bereits mit Verfügung vom 3. Februar 1975 hatte der Vorsitzende Dr. Prinzing die Beiordnung der Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele als Pflichtverteidiger von Andreas Baader aufgehoben, da nicht auszuschließen sei, „daß sie von den Bestimmungen über den Ausschluß von Verteidigern im Strafverfahren betroffen werden könnten“ (s. dazu S. 235 f. des Protokolls der Hauptverhandlung, 3. Verhandlungstag).

[41] Zwischen dem 22. April und dem 13. Mai 1975 wurden die Rechtsanwälte Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele auf Grundlage des erst am 1.1.1975 in Kraft getretenen § 138a StPO wegen des Verdachts der Tatbeteiligung (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB) von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen; zudem wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 156 ff., S. 537 ff.; s. auch die angehängte Chronik in Dreßen [Hrsg.], Politische Prozesse ohne Verteidigung?, 1976, S. 104 f.).

[42] S. hierzu bereits die Fn. 24, 25.

[43] Nachdem Andreas Baader zu Beginn der Hauptverhandlung ohne Verteidiger/in seines Vertrauens dastand, übernahm ab dem 4. Verhandlungstag Rechtsanwalt Dr. Heldmann die Verteidigung Baaders. Hierzu beantragte er eine zehntägige Verhandlungsunterbrechung, um sich in die umfangreichen Akten des Verfahrens einzuarbeiten (S. 274 des Protokolls der Hauptverhandlung, 4. Verhandlungstag). Der Antrag wurde abgelehnt (S. 292 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; s. auch die hiergegen gerichtete Gegenvorstellung des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf S. 837 ff., 11. Verhandlungstag).

[44] Dem Angeklagten Baader war auch nach Ausschluss der drei Verteidiger Dr. Croissant, Groenewold und Ströbele noch ein weiterer Verteidiger seines Vertrauens, Rechtsanwalt Siegfried Haag, beigeordnet. Dieser wurde jedoch wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vorläufig festgenommen, seine Kanzlei- und Wohnräume wurden durchsucht. Der beim Bundesgerichtshof beantragte Haftbefehl wurde zunächst abgelehnt. Als er im Beschwerdeverfahren schließlich erteilt wurde, war Haag bereits untergetaucht und hatte sich der RAF angeschlossen (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 212 f.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 69; s. auch die Presseerklärung Haags in Anlage 1 zum Protokoll vom 21.5.1975, S. 12 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Zum zeitlichen Ablauf der Ausschließungen s. auch S. 838 ff. (11. Verhandlungstag).

[45] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[46] Die „Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen“ der Vereinten Nationen von 19757/77 sehen in Nr. 91 vor: „Untersuchungsgefangenen ist auf begründeten Antrag zu gestatten, sich von ihrem eigenen Arzt oder Zahnarzt besuchen und behandeln zu lassen, wenn sie die anfallenden Kosten tragen können.“ Dieser Grundsatz ist auch in der revidierten Fassung von 2015 (sog. Mandela-Rules) in Nr. 118 enthalten. Verbindlich sind diese Resolutionen der VN-Generalversammlung nicht, da diese lediglich Empfehlungen aussprechen kann (Art. 9 ff. der Charta der Vereinten Nationen).

[47] Die Sachverständigen Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Müller wurden beauftragt, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten aus internistischer Sicht zu begutachten.

[48] Durch eine Neufassung des § 146 StPO wurde mit Wirkung zum 1.1.1975 die zuvor zugelassene gemeinschaftliche Verteidigung unzulässig (s. Fn. 12).

[49] Der wohl schwerwiegendste Eingriff in das Protokoll findet sich in Anlage 4 zum Protokoll vom 28.10.1975 (S. 3180 des Protokolls der Hauptverhandlung, 41. Verhandlungstag), wo durch die nachträgliche Einfügung des Wortes „nicht“ unter Hinweis auf einen „Versprecher“ eine Aussage, die als Androhung gegenüber der Verteidigung gelesen werden konnte, in ihr Gegenteil verkehrt wurde. S. zu den hierauf gestützten Ablehnungsgesuchen auch S. 3276 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (42. Verhandlungstag), sowie zur dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing S 3294 des Protokolls (ebenfalls 42. Verhandlungstag).

[50] Rechtsanwalt Schily trug im Namen der Angeklagten Ensslin am 7. Verhandlungstag ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Dr. Prinzing vor, das sich u.a. auf die Umstände stütze, unter denen der frühere Mitbeschuldigte Holger Meins verstorben war. Er nahm hierbei Bezug auf die von Rechtsanwalt von Plottnitz gestellte Strafanzeige wegen Mordes (s. Fn. 15). Die Bundesanwaltschaft warf Schily in ihrer Stellungnahme vor, an der „psychische[n] und physische[n] Vernichtung eines Richters“ mitzuwirken (S. 694 des Protokolls der Hauptverhandlung, 7. Verhandlungstag).

[51] § 169 Satz 1 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz, dass die Verhandlungen öffentlich sind. Dieser Grundsatz ist auch Bestandteil des Rechtsstaats- sowie des Demokratieprinzips, womit ihm Verfassungsrang zukommt. Die Öffentlichkeit soll zum einen dem Schutz der Angeklagten dienen, indem die öffentliche Kontrolle der Verfahren einer Geheimjustiz entgegenwirkt. Zum anderen trägt sie dem Interesse der Bürger/innen Rechnung, von dem gerichtlichen Geschehen Kenntnis zu erlangen. Die Öffentlichkeit wird nicht unbegrenzt gewährleistet. Ihr gegenüber stehen andere gewichtige Interessen, die miteinander abgewogen werden müssen, insbesondere die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten, das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren, sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (BVerfG, Urt. v. 24.1.2001 - Az.: 1 BvR 2623/95, BVerfGE 103, S. 44, 63 f.).

[52] Die Verteidigung rügte die Besetzung des Gerichts, insbesondere die Besetzung der Position des Vorsitzenden mit Dr. Prinzing und äußerte die Vermutung, dieser sei durch die Staatsschutzbehörden ausgewählt worden, um das Verfahren in Stammheim zu führen; die eigentlich besetzte - allerdings wohl nicht mit dem geeigneten Kandidaten - Stelle sei dafür eigens freigeschaffen worden. Siehe hierzu den Antrag des Rechtsanwalts Schily auf Einstellung des Verfahrens (Anlage 2 zum Protokoll vom 5.6.1975, S. 123 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 2. Verhandlungstag), sowie die Ablehnung des Vorsitzenden als Befangen am 7. Verhandlungstag (Teil II der Anlage 1 zum Protokoll vom 19.6.1975, S. 44 ff. der Anlage). Zur dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Dr. Prinzing s. S. 681 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 7. Verhandlungstag.

[53] Vor dem LG Kaiserslautern fand zu dieser Zeit die Verhandlung gegen die RAF-Mitglieder Manfred Grashof, Wolfgang Grundmann und Klaus Jünschke statt. Vorgeworfen wurden ihnen neben der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern am 22. Dezember 1971, bei dem der Polizeiobermeister Herbert Schoner erschossen wurde (Grashof und Jünschke), sowie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Grundmann und Grashof am 2. März 1972, bei der der Kriminalhauptkommissar Eckhart durch einen Schuss durch Grashof schwer verletzt wurde und schließlich am 22. März 1972 seinen Verletzungen erlag; Jünschke ferner die Beteiligung an der Herbeiführung der Explosion in Frankfurt am Main am 11.5.1972. Jünschke und Grashof wurden am 2.6.1977 je zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Grundmann zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt (Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 30 ff., 322).

[54] Die Ärztin Ingrid Schubert war Mitglied der RAF und u.a. am 14. Mai 1970 an der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft beteiligt. Sie wurde zusammen mit Irene Goergens, Horst Mahler, Brigitte Asdonk und Monika Berberich im Oktober 1970 in einer Berliner Wohnung verhaftet. Das Verfahren gegen Schubert, Goergens und Mahler vor dem Landgericht Berlin war einer der ersten Prozesse gegen Mitglieder der RAF. Schubert wurde im Mai 1972 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Jahren, später mit Urteil vom 28.6.1974 unter Einbeziehung dieser Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 13 Jahren verurteilt. Sie nahm sich am 12. November 1977 in ihrer Gefängniszelle das Leben (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 157; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 71 ff., 328; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 38, 93; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47).

[55] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen, der allen Angeklagten in unterschiedlicher Ausgestaltung vorgeworfen wurde (den Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof die Gründung und Beteiligung als Rädelsführer, dem Angeklagten Raspe die Beteiligung an der kriminellen Vereinigung als Mitglied).

[56] Art. 17 Abs. 3 lautet: „Ist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Verteidiger in demselben Verfahren für mehrere Beschuldigte tätig, so hat er auf Aufforderung des Vorsitzenden des Gerichts oder vor Erhebung der öffentlichen Klage der Staatsanwaltschaft binnen zwei Wochen zu erklären, welchen der Beschuldigten er verteidigen will. Macht er von seinem Auswahlrecht keinen Gebrauch, so kann er keinen der Beschuldigten verteidigen“ (BGBl. I, S. 3686, 3692). S. dazu auch die Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Heldmann auf S. 3154 des Protokolls der Hauptverhandlung (41. Verhandlungstag).

[57] In dem Beschluss heißt es: „Es ist selbstverständlich, daß jede Haft, insbesondere aber eine ungewöhnlich lange, wie sie die Angekl. zu erdulden haben, ungünstige Einflüsse auf den Gesundheitszustand und die geistig-seelische Verfassung des Betroffenen mit sich bringt. Das muß als unerwünschte, eben unvermeidliche Folge der durch das Vorliegen der gesetzlichen Haftvoraussetzungen notwendig gewordenen Inhaftierung in Kauf genommen werden“ (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 236).

[58] Die Eigenschaft einer Person als Beschuldigte/r wird ab der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens angenommen (BGH, Urt. v. 18.10.1956 - Az.: 4 StR 278/56, BGHSt 10, S. 8, 11; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 76 f.) Die Beschuldigteneigenschaft hat u.a. zur Folge, dass die Person nicht mehr als Zeug/in, sondern nur als Beschuldigte/r unter Wahrung der Beschuldigtenrechte vernommen werden darf. Ab dem Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichen einer Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft (§ 170 Abs. 1 StPO) wird die Person als Angeschuldigte/r bezeichnet, ab der Eröffnung des Hauptverfahrens als Angeklagte/r (§ 157 StPO); die Bezeichnung als Beschuldigte/r bleibt als Oberbegriff aber weiter möglich.

[59] Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hatte nach damaliger Rechtslage zur Folge, dass der/die abgelehnte Richter/in vorläufig amtsunfähig wurde und damit ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr an Entscheidungen mitwirken durfte; eine Ausnahme galt nur für unaufschiebbare Handlungen (§ 29 StPO a.F.). Unaufschiebbar ist eine Handlung dann, wenn sie wegen ihrer Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, bis ein/e Ersatzrichter/in eintritt (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - Az.: 4 StR 506/02, BGHSt 48, S. 264, 265; BGH, Urteil vom 14.2.2002 - Az.: 4 StR 272/01, NStZ 2002, S. 429, 430). Nachdem zwischenzeitliche Gesetzesänderungen weitere Mitwirkungsmöglichkeiten u.a. bei in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungen ermöglichten, wurde das Verfahren nach einer Ablehnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2121) grundlegend neu geregelt. Nach § 29 Abs. 1 StPO sind zwar weiterhin nur unaufschiebbare Handlungen gestattet; die Hauptverhandlung wird aber nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich als unaufschiebbar eingeordnet. Bis zur Entscheidung über die Ablehnung (Frist: zwei Wochen, Abs. 3) findet diese nun unter Mitwirkung des/der abgelehnten Richter/in statt. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der seit Anbringung des Ablehnungsgesuchs durchgeführte Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen, es sei denn, dies ist nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich (Abs. 4).

[60] In wieweit eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit Auswirkungen auf die Befugnis zur Verhandlungsleitung, insbes. die Möglichkeit, ausschweifende und unzulässige Ausführungen einzuschränken, hatte, war nicht ganz eindeutig. Da aber auch außerhalb von Ablehnungen von dieser Befugnis grundsätzlich nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden soll (s. bereits Gollwitzer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 22. Aufl. 1973, § 238 Anm. 2 lit. a), dürfte dies im Rahmen der Begründung einer Ablehnung erst recht geboten sein. Heute stellt § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO klar, dass die Fortführung der Hauptverhandlung unaufschiebbar und damit auch nach einer Ablehnung weiterhin zulässig ist.

[61] Die Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) enthält Verwaltungsvorschriften des Bundes über die Ausgestaltung der Untersuchungshaft. Nr. 56 Abs. 1 UVollzO lautet: „Der Gefangene wird vom Anstaltsarzt gesundheitlich betreut. Mit Zustimmung des Richters und nach Anhören des Anstaltsarztes kann dem Gefangenen gestattet werden, auf eigene Kosten einen beratenden Arzt hinzuzuziehen.“

[62] Bei der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz, sondern um eine Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, die sich an die Leitungen der Haftanstalten richtet. Für Gerichte ist sie nicht bindend (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1963 - Az.: 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, S. 288, 294).

[63] Die Strafhaft war zu dieser Zeit noch geregelt durch die Dienst- und Vollzugsordnung von 1961, die durch das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht als ausreichende Rechtsgrundlage angesehen wurde (BVerfG, Beschl. v. 14.3.1972 - Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1). Dieser Zustand wurde allerdings erst durch das Strafvollzugsgesetz vom 16.3.1976 (BGBl. I, S. 581), das am 1.1.1977 in Kraft trat, behoben. Trotz der spätestens nach dieser Grundsatzentscheidung aufkommenden Zweifel an einer zureichenden rechtsstaatlichen (nämlich gesetzlichen) Grundlage auch für die Untersuchungshaft scheiterten alle Bemühungen um ein Bundesuntersuchungshaftvollzugsgesetz. Erst nachdem mit der Föderalismusreform 2006 die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder überging, machten diese sämtlich von ihrer Ersetzungskompetenz (Art. 125a Abs. 1 GG) Gebrauch und erließen entsprechende Landesgesetze (Höflich/Schriever/Bartmeier, Grundriss Vollzugsrecht, 4. Auf. 2014, S. 229 f.; Laubenthal, Strafvollzug, 6. Aufl. 2011, Rn. 929, 933). Der UVollzO kommt daher mittlerweile keine Bedeutung mehr zu.

[64] Art. 2 Abs. 2 GG enthält das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

[65] Die nähere Ausgestaltung des juristischen Vorbereitungsdienstes ist grundsätzlich Ländersache (§ 5a Abs. 3 DRiG a.F.; heute: heute § 5b Abs. 6 DRiG). Auch die heutige Fassung der baden-württembergischen „Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Juristinnen und Juristen“ benennt in § 44 Abs. 1 den/die Landgerichtspräsident/in, in dessen Bezirk der Vorbereitungsdienst angetreten wird, als Dienstvorgesetzte/n der Rechtsreferendar/innen während des gesamten Vorbereitungsdienstes.

[66] Ob die sog. sukzessive Verteidigung von dem Verbot der Mehrfachverteidigung umfasst war, war umstritten. In der Rechtsprechung wurde die Zulässigkeit der sukzessiven Verteidigung allerdings verneint (BGH, Beschl. v. 23.3.1977 - Az.: 1 BJs 55/75; StB 52/77, BGHSt 27, S. 154, 155). Inzwischen hat sich die Auffassung aufgrund einer Anpassung des Wortlauts geändert; bei dem heutigen § 146 StPO wird einhellig davon ausgegangen, dass die sukzessive Verteidigung zulässig ist (BGH, Beschl. v. 15.1.2003 - Az.: 5 StR 251/02, BGHSt 48, S. 170, 173; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015, Rn. 124; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 146 Rn. 18 ff.).

[67] Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Berufswahl und -ausübungsfreiheit.

[68] Die Rechtsanwälte Groenewold, Dr. Degenhardt und Köncke sowie die hier Angeklagten erhoben Verfassungsbeschwerde gegen die Änderungen der §§ 137, 146 StPO, mit denen die Zahl der Wahlverteidiger/innen auf drei beschränkt und das Verbot der Mehrfachverteidigung eingeführt wurden. Das Bundesverfassungsgericht verwarf die Verfassungsbeschwerden als offensichtlich unbegründet. Die Begrenzung der Anzahl der Wahlverteidiger/innen solle „verhindern, daß die Befugnis des Beschuldigten, sich durch mehrere Verteidiger vertreten zu lassen, zum Zweck der Prozeßverschleppung mißbraucht“ werde; sie diene damit „der „Sicherung eines ordnungsgemäßen Prozeßablaufs“ und entspreche „einem Gebot des Rechtsstaatsprinzips, das die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege“ verlange. Das Verbot der Mehrfachverteidigung biete einen vollständigen Schutz insbesondere gegen verdeckte Interessenkollisionen (BVerfG, Urt. v. 11.3.1975 - Az.: 2 BvR 135-139/75, BVerfGE 39, S. 156, 164).

[69] Dem sogenannten „Ensslin-Kassiber“-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lag die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Schily gegen seinen Ausschluss von der Verteidigung Gudrun Ensslins zugrunde. Gestützt wurde der Ausschluss auf den Verdacht, Schily habe im Rahmen eines Verteidigungsbesuchs ein von Gudrun Ensslin stammendes Schreiben aus der Haftanstalt geschmuggelt und sich damit an den Straftaten seiner Mandantin beteiligt; sichere Beweise hierfür gab es allerdings nicht (s. Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 65 ff.). Im Ergebnis befand das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss mangels Rechtsgrundlage für verfassungswidrig. Zur früheren Praxis des Reichsgerichts, den Gedanken des § 146 Abs. 1 StPO a.F. heranzuziehen, führte das Gericht aus: „§ 146 Abs. 1 StPO selbst besagt aber - was das Bundesverfassungsgericht ebenfalls schon zum Ausdruck gebracht hat (BVerfGE 22, 114 [121]) - über die Befugnisse des mit der Sache befaßten Strafrichters nichts. Vor allem ist der dort geregelte Tatbestand einer Interessenkollision zwischen mehreren Beschuldigten, für die ein gemeinsamer Verteidiger auftritt, von dem hier zu beurteilenden Fall sachlich so verschieden, daß dieses Gesetz nicht als Grundlage für den Ausschluß des teilnahmeverdächtigen Verteidigers dienen kann“ (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 - Az.: 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, S. 293, 300).

[70] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (s. Fn. 39).

[71] Nach einem Militärputsch gegen die junge Zweite Spanische Republik im Jahr 1936 und einem anschließenden dreijährigen Bürgerkrieg errichtete der General Franciso Franco 1939 eine autoritäre Diktatur. Der spanische Diktator starb am 20. November 1975. Gesundheitlich angeschlagen war er jedoch schon seit Sommer 1974, weshalb Juan Carlos I. bereits im September desselben Jahres zum provisorischen Staatsoberhaupt ernannt worden war. Die rapide Verschlechterung Francos Gesundheitszustands seit Oktober 1975 infolge mehrerer Herzinfarkte versuchten seine Ärzte mit mehreren schweren Eingriffen aufzuhalten. Hintergrund dieser aussichtlosen Bemühungen war das politische Ziel, Francos Leben bis zum 26. November zu verlängern, damit dieser den bisherigen Präsidenten der Ständeversammlung in seinem Amt bestätigen konnte. Nach dem Tod Francos im November 1975 erfolgte die weitgehend gewaltfreie Umwandlung der Diktatur in eine parlamentarische Monarchie (Bernecker, in Großbölting/Schmidt [Hrsg.], Der Tod des Diktators, 2011, S. 157, 160 ff.; Bernecker, Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert, 2010, S. 135 ff., 174 ff., 188 ff., 269 ff.).

[72] Nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen, wenn „durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“.

[73] Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit muss in diesem Stadium der Hauptverhandlung unverzüglich, also „ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung“ (BGH, Urt. v. 10.11.1967 - Az.: 4 StR 512/66, BGHSt 21, S. 334, 339) erfolgen; andernfalls wäre sie nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen. Zulässig ist allerdings, zunächst noch abzuwarten, ob sich der Eindruck der Befangenheit verfestigt (OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 - Az.: 4 St RR 182/06, NJW 2007, S. 449, 451).

[74] Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht darauf beschränkt, sich zu Tatsachenbehauptungen äußern zu können. Auch die Äußerung zu Rechtsauffassungen muss grundsätzlich ermöglicht werden (Remmert, in Maunz/Dürig [Begr.], Grundgesetz-Kommentar, 92. Ergänzungslieferung, Stand: August 2020, Art. 103 Abs. 1 Rn. 76). Ob dies auch für das erneute Äußerungsrecht gilt, das Prozessbeteiligten nach neuem Vortrag der Gegenseite zusteht, hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1965 noch offengelassen (BVerfG, Beschl. v. 11.5.1965 - Az.: 2 BvR 242/63, BVerfGE 19, S. 32, 36); 1982 bezog es das erneute Äußerungsrecht schließlich auf jede „dem Gericht unterbreiteten Stellungnahme der Gegenseite und deren Rechtsauffassung“ (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - Az.: 2 BvH 1, 2/82, 2 BvR 233/82, BVerfGE 60, S. 175, 210). Dass der Vortrag der Bundesanwaltschaft keinerlei Tatsachenbehauptung enthalten haben soll, ist aber auch nicht eindeutig; die Unzulässigkeit wegen Verspätung enthält auch die Behauptung, es wäre tatsächlich ein früheres Vorbringen möglich gewesen.

[75] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.

[76] Die Entscheidung, einen Antrag anzunehmen, ist Bestandteil der Verhandlungsleitung, welche durch den/die Vorsitzende/n ausgeübt wird (§ 238 Abs. 1 StPO). Es besteht aber keine Verpflichtung, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Prozessbeteiligte, die einen Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stellen, können daher auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 10.6.2014 - Az.: 3 StR 57/14, NStZ 2014, S. 668, 670; Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 238 Rn. 5). Für Anträge, die weder ihrem Inhalt nach notwendigerweise in der Hauptverhandlung zu erörtern sind (Fn. 93), noch besondere Verfahrensvorschriften das Stellen in der Hauptverhandlung vorsehen, ist es daher grundsätzlich zulässig, auf die Möglichkeiten außerhalb der Hauptverhandlung zu verweisen.

[77] Die Hauptverhandlung beginnt nach dem Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit mit der Vernehmung der Angeklagten zur Person, an die sich die Verlesung der Anklage (heute außerdem: Mitteilung über ggf. stattgefundene Erörterungen) sowie die Vernehmung der Angeklagten zur Sache anschließen. Hierauf folgt die Beweisaufnahme (§§ 243, 244 StPO). Die Möglichkeit, sich zur Sache zu äußern, lehnten die Angeklagten bisher ab, da die Vernehmung zur Person in ihrer Abwesenheit stattgefunden hatte, nachdem sie wegen ordnungswidrigen Verhaltens von der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden waren (§ 177 GVG i.V.m. § 231b StPO) und ihre persönlichen Verhältnisse anschließend aus der Akte mitgeteilt wurden (s. dazu S. 2139 ff., 2154 des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag). Die Angeklagten waren der Auffassung, die Vernehmung zur Person sei „illegal“ gewesen und müsse vor einer Erklärung zur Sache nachgeholt werden (s. die Ausführungen des Angeklagten Raspe am 37. Verhandlungstag, S. 3053 des Protokolls der Hauptverhandlung). Rechtsanwalt Dr. Heldmann bezeichnete die Vernehmung zur Person als rechtswidrig, da die Angeklagten verhandlungsunfähig gewesen seien (S. 2235 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Am 37. Verhandlungstag wurde ihnen angeboten, die Erklärung zur Sache zusammen mit der Erklärung zur Person abzugeben (S. 2987 des Protokolls der Hauptverhandlung). Dies lehnten sie jedoch ab, zum einen, da zu diesem Zeitpunkt die Gutachten über ihre Verhandlungsfähigkeit - die aufgrund der höheren Belastung in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung war (s. dazu die Ausführungen der Verteidigung auf S. 2998 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 37. Verhandlungstag) - noch nicht abgeschlossen waren, zum anderen, da ihre die Erklärung vorbereitenden Anträge (eigenes Tonbandgerät, Korrekturmöglichkeiten des gerichtlichen Protokolls und längere Aufbewahrung der Tonbänder) in der Hauptverhandlung nicht entgegengenommen wurden (S. 2988 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 37. Verhandlungstag). Seither gab es hierfür aufgrund des weiteren Prozessgeschehens keine Gelegenheit mehr.

[78] § 265 Abs. 4 StPO lautet: „Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.“

[79] In aufwändigen und lang andauernden Strafprozessen gegen mittellose Angeklagte ist die Beiordnung als Pflichtverteidiger/in in der Regel die einzige Möglichkeit, eine ordnungsgemäße und regelmäßige Verteidigung in der Hauptverhandlung zu gewährleisten (s. bereits Fn. 29).

[80] § 177 GVG eröffnet die Möglichkeit, Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Nach § 231b Abs. 1 StPO kann die Hauptverhandlung sodann in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt werden, wenn das Gericht ihre Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange weitere schwerwiegende Störungen zu befürchten sind.

[81] Tatsächlich gab es keine explizite Rechtsgrundlage, die die Zurücknahme der Bestellung als Pflichtverteidiger/in aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens vorsah; s. aber bereits Fn. 10.

[82] Die §§ 141 ff. StPO enthalten Vorschriften über die Bestellung von Pflichtverteidiger/innen sowie ihre Zurücknahme, wobei der hier vorliegende Fall - die Entpflichtung aufgrund erheblicher Pflichtverletzungen - nicht gesetzlich geregelt war. Die Zuständigkeit für Entscheidungen nach den §§ 141 ff. StPO liegt bei dem/der Vorsitzenden (für die Bestellung ausdrücklich geregelt in § 141 Abs. 1 StPO a.F.; heute: § 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO; für die Zurücknahme s. Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 143 Rn. 1; anders aber wohl damals Dünnebier, in Löwe-Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 1, 22. Aufl. 1971, § 143 Anm. 5 Abs. 4).

[83] Zum Franco-Regime in Spanien s. bereits Fn. 71.

[84] Der Vernehmung zur Person, die am 26. Verhandlungstag in Abwesenheit der Angeklagten erfolgte, ging folgendes Geschehen voraus: Die Verteidigung vertrat die Auffassung, die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten sei durch die vorläufigen Einschätzungen der Gutachter Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Schröder, die zu diesem Zeitpunkt vorlagen, nicht mehr gesichert. Der darauf gestützte Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde abgelehnt. Die Verteidiger/innen Becker, Dr. Heldmann, Riedel, Schily und von Plottnitz verließen daraufhin die Hauptverhandlung mit der Erklärung, man möge ihnen Bescheid sagen, sobald das endgültige Gutachten über die Verhandlungsfähigkeit vorliege (S. 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung). Da daraufhin auch die Angeklagten die Hauptverhandlung verlassen wollten, der Vorsitzende Dr. Prinzing dies mit dem Hinweis auf die Anwesenheitspflicht aber untersagte, störten sie so lange, bis sie schließlich wegen Störung der Hauptverhandlung (§ 177 GVG i.V.m. § 321b StPO) ausgeschlossen wurden. Sodann sollte mit der Vernehmung zur Person begonnen werden. Mit Hinweis auf das überragende Interesse des rechtlichen Gehörs in dieser Prozessphase ließ der Vorsitzende die Angeklagten einzeln wieder vorführen, um sie zur Person zu befragen. Dies verweigerten die Angeklagten. Schließlich wurde die Vernehmung zur Person, nach erneuten Ausschlüssen wegen fortwährenden Beleidigungen, in Abwesenheit der Angeklagten durch Mitteilung ihre persönlichen Verhältnisse aus der Akte durchgeführt (s. dazu S. 2139 ff., 2154 des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag).

[85] S. hierzu Fn. 15.

[86] Inwiefern Tonbandaufnahmen der Verteidigung in der Hauptverhandlung zulässig sind, ist bis heute nicht abschließend geklärt (s. zum Streitstand und den verschiedenen Argumenten Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 38 ff.). Nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung - auch seitens des Gerichts - stets der (zumindest konkludenten) Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 399). Ob solche Aufnahmen überhaupt angefertigt werden können, liegt aber im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BGH, Urt. v. 13.10.1981 - Az.: 1 StR 561/81, NStZ 1982, S. 42; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.8.1990 - Az.: VI 14/89, NStZ 1990, S. 554). Dabei spielen nicht nur die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, sondern auch die Pflicht zur Wahrheitsermittlung nach § 244 Abs. 2 StPO eine Rolle (s. hierzu bereits BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az. 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.). Da Tonbandaufnahmen ggf. geeignet sein könnten, Aussagen von Zeug/innen zu beeinflussen und damit den Beweiswert zu vermindern, muss sich die Verteidigung eigene Tonbandaufnahmen in jedem Fall vom Gericht genehmigen lassen (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVGRn. 12; Schmitt, NStZ 2019, S. 1 ff.; a.A. Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 49, wonach nur das Gericht Tonbandaufnahmen anfertigen darf).

[87] Zur grundsätzlichen Anwesenheitspflicht von Pflichtverteidiger/innen s. bereits Fn. 6.

[88] Zur Zuständigkeit für die Zurücknahme s. bereits Fn. 82.

[89] Die Möglichkeit der Zurücknahme der Bestellung wegen grober Pflichtverletzungen (nach voriger Abmahnung) war trotz fehlender Rechtsgrundlage anerkannt; bloßes prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten reichte hierfür allerdings nicht aus (s. bereits Fn. 9).

[90] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE9, S. 89, 95).

[91] In der Gesetzesbegründung wird zur Einführung des Verbots der Mehrfachverteidigung nach § 146 StPO u.a. ausgeführt: „Durch die Neufassung von § 146 wird in erster Linie die gemeinschaftluche Verteidigung mehrerer Beschuldigter in demselben Verfahren für unzulässig erklärt. Sie erfaßt aber auch die Fälle, in denen das Verfahren gegen mehrere Beschuldigte wegen desselben Tatkomplexes getrennt verläuft. Es ist angebracht, auch diese Fälle in die Regelung einzubeziehen, sofern die Kriterien einer gemeinschaftlichen Verteidigung zu bejahen sind und in diesen Fällen die gemeinschaftliche Verteidigung der Aufgabe der Verteidigung widerstreitet“ (BT-Drs. 7/2526, S. 11). Im Wortlaut der Vorschrift schlug sich dies allerdings nicht eindeutig nieder. Durch das StrVÄG 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) wurde § 146 StPO schließlich neugefasst. Der heutige Wortlaut umfasst eindeutig auch das Verbot, Beschuldigte in Parallelverfahren zu verteidigen, wenn sie wegen derselben Tat beschuldigt sind (s. zur Neuregelung auch Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1161, 1163; Nestler-Tremel, NStZ 1988, S. 103 f.).

[92] S. bereits Fn. 54.

[93] Der Unmittelbarkeitsgrundsatz findet seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO, wonach das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Dieser Grundsatz gilt nur im sog. Strengbeweisverfahren (auch „förmliche Beweisaufnahme“), das in den §§ 244 bis 256 StPO geregelt ist und Anwendung findet zum Beweis aller Tatsachen, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe (Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 16). Auch andere Prozesshandlungen (Erklärungen und Anträge) erfolgen regelmäßig innerhalb der mündlichen Verhandlung mündlich (vgl. zur Form auch Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 337; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 124). Für manche Prozesshandlungen finden sich zudem besondere gesetzliche Regeln zum Verfahren (z.B. zu Ablehnungsgesuchen in §§ 25, 26 StPO). Sind Vorgänge verfahrensrechtlich jedoch nicht geregelt und beziehen sie sich nicht unmittelbar auf die oben beschriebenen Inhalte, müssen sie nicht Gegenstand der Hauptverhandlung sein.

[94] Als Tatsacheninstanz werden diejenigen Instanzen bezeichnet, die einen Sachverhalt auch in tatsächlicher Hinsicht durch eine förmliche Beweisaufnahme aufklären. Dies ist neben der Eingangsinstanz auch die Berufungsinstanz (§ 324 Abs. 2 StPO). Die ggf. darauffolgende Revisionsinstanz überprüft vorangegangene Entscheidungen nur noch im Hinblick auf Gesetzesverletzungen (§ 337 StPO); eine förmliche Beweisaufnahme über das dem Urteil zugrunde gelegte Geschehen findet nicht mehr statt.

[95] Eine Gegenvorstellung ist ein Rechtsbehelf, der zwar nicht in der Strafprozessordnung vorgesehen, allerdings in Rechtsprechung und Literatur überwiegend anerkannt ist. Sie beinhaltet die formlose Aufforderung, über eine getroffene Entscheidung erneut zu befinden und die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (Hoch, in Satzger/Schluckebier/Widmaier [Hrsg.], Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 296 ff. Rn. 39 ff.).

[96] Über die Gewichtung der verschiedenen Interessen im Rahmen der Pflichtverteidigung, denen der Angeklagten auf der einen und dem öffentliche Interesse an der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens auf der anderen Seite, gab es im Prozess häufige Auseinandersetzung, so etwa am 26. Verhandlungstag (S. 21145 ff., 2132 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung), sowie am 41. Verhandlungstag (S. 3176 des Protokolls der Hauptverhandlung).

[97] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[98] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Sie wird durch den/die Vorsitzende/n auf Antrag oder von Amts wegen angeordnet; die protokollierte Stelle ist im Anschluss zu verlesen.

[99] Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339; dagegen heute in Bezug auf gerichtliche Tonbänder: Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur StPO, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[100] Anlage 1 zum Protokoll vom 11. November 1975: Aussagegenehmigung für KHK Penzkofer.

[101] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sah § 59 StPO a.F. die Vereidigung von Zeug/innen noch als Regelfall vor. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, so zum Beispiel bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung an der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Außerdem hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.). Im Unterschied dazu bestimmt der heutige § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass eine Vereidigung nur dann erfolgt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.


[a] Maschinell eingefügt: Warum denn nicht für den Rest des Jahres,

[b] Handschriftlich ergänzt: Herrn

[c] Maschinell durchgestrichen: vom

[d] Handschriftlich durchgestrichen: zäh

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[g] Handschriftlich eingefügt: Es

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[l] Handschriftlich eingefügt: einer

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