[5469] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Montag, den 22. Dezember 1975, um 9.10 Uhr.
(60. Verhandlungstag)
Gericht und Bundesanwaltschaft - mit Ausnahme von Reg. Dir. Widera - erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.
Als Urkundsbeamte sind anwesend:
JOS Janetzko und
Just. Ass. Clemens
Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]
Als Verteidiger sind anwesend:
Prof. Dr. Azzola,
RAe Dr. Heldmann, Becker (als amtlich bestellter Vertreter von RA Schily), Eggler, Künzel, Schnabel, Schwarz, Schlaegel, Hauser (als amtlich bestellter Vertreter für RA König), Linke und Grigat.
Als Zeugen sind anwesend:
Helmut Ohland, Ulrich Winkler und Herbert Suckow.
Vors.:
Ich bitte um Entschuldigung, daß wir uns etwas verzögert haben. Es waren noch einige technische Dinge zu besprechen.
Wir setzen die Sitzung fort.
Herr RA Künzel, muß es sein, bevor ich die Anwesenheit hier im einzelnen festgestellt habe? Ich glaube nicht.
Zunächst ist festzustellen:
Herr RA König wird durch Herrn RA Hauser als amtlich bestellter Vertreter vertreten;
das gleiche für Herrn RA Schily durch Herrn RA Becker.
Keine Einwendungen.
Herr RA Schwarz ist ab 11.15 Uhr entschuldigt.
Siehe hierzu Anl. 1 zum Protokoll.
[5470][2] [5471] Sonst gibt’s nichts Besonderes dazu festzustellen.
Es wäre noch anzukündigen:
Wir haben an sich morgen Sitzung vorgesehen - der 23.12. ist ein typischer Auffangtag, wo wir die Absicht hatten, aufzuarbeiten, was evtl. im Rahmen des Programms nicht erledigt werden konnte. Es ist nun den Angeklagten angeboten worden, morgen, wenn sie es wünschen, mit der Sacheinlassung[3] zu beginnen. Sollten die Angeklagten diesen Wunsch nicht haben, sondern erst am 12. Januar, wie ihnen die Möglichkeit gegeben ist oder am 30. Dezember d. J. damit beginnen wollen, dann wäre an sich keine Notwendigkeit gegeben, diesen morgigen Tag tatsächlich zu einer Sitzung zu benützen. Aus Fristgründen[4] ist, da wir am 30. Dezember die Fristen unterbrechen, es nicht zwingend, die Sitzung morgen durchzuführen. Ich hoffe, daß ich insoweit auf ein gewisses Verständnis stoße,
oder sind Sie alle schon drauf eingerichtet, daß die Sitzung morgen, die ja nur eine Formsache wäre - nun: nicht Formsache; wir kämen eben zu irgendeiner Verlesung -, daß die durchgeführt wird.
Ich würde es also davon abhängig machen:
Wenn die Angeklagten bis heute nachmittag nach der Mittagspause nicht erklärt haben, daß sie morgen mit der Sacheinlassung beginnen wollen, daß wir dann die Sitzung morgen ausfallen lassen könnten.
Würden die Herrn Verteidiger freundlicherweise das abklären?
Dann können wir also mit einer entsprechenden Aufklärung bis heute nach der Mittagspause rechnen.
Ich darf dann noch darauf hinweisen, daß wir beabsichtigt haben, am 30.12. den Zeugen Hücker zu laden. Beim Zeugen Hücker, der ernsthaft erkrankt ist, besteht offenbar Verdacht auf [Gesundheitsdaten], ist es nicht möglich, ihn bis zum 30. Dezember hierher zu bringen; der Senat wird sich noch Überlegungen machen, ob und gegebenenfalls wann der Zeuge Hücker danach vernommen werden könnte. Im übrigen ist nicht beabsichtigt, andere ursprünglich geladene und nicht erschienene Zeugen von uns aus zu hören.
[5472] Herr RA Dr. Heldmann hat den Antrag gestellt, das Gutachten des Sachverständigen Dr. Werner gem. § 256 StPO[5] schon jetzt zu verlesen. Dazu hat der Senat beschlossen:
Das Gutachten Dr. Werner vom 30.6.1972
- Ordner 71/2 S. 149 ff -
wird nicht verlesen, weil der Sachverständige dazu zu einem späteren Zeitpunkt in der Hauptverhandlung mündlich gehört wird.
Ich darf zunächst jetzt Herrn RA Künzel bitten. Er hat sich zuerst ums Wort bemüht.
Bitte, Herr Rechtsanwalt.
RA Kü[nzel]:
Ich möchte zu der Verlesung der
Seite 84 aus Ordner 68
eine kurze Erklärung abgeben, also die Verlesung des sog. Ensslin-Kassibers.
Vors.:
Ich würde doch vorschlagen, daß wir dann zuwarten, bis ich die Herrn Zeugen belehrt habe und die Zeugen ...
RA Kü[nzel]:
Herr Vorsitzender, ich warte beliebig lange zu, wenn mir dadurch dieses Recht nicht abgesprochen wird, verstehen Sie. Es hat im Anschluß an die Verlesung zu geschehen.
Vors.:
Ja, sicher. Ich möchte bloß die Formalitäten hier jetzt hinter uns bringen, d. h.: die Herrn Zeugen belehren und sie dann bitten, den Saal wieder zu verlassen, so daß solche Erklärungen nicht in Gegenwart der Zeugen abgegeben werden.
Herr RA Becker.
RA Be[cker]:
Bei mir handelt sich’s nicht um ’ne Erklärung, aber auch um eine Präliminarie, die ich vorher schnell erörtern wollte.
Aber wenn Sie gern die Zeugen erst mal rausschicken wollen, so ist mir das durchaus recht.
Vors.:
Ich würde das jetzt für das Richtige halten.
Wir haben heute früh geladen
Herrn Suckow - sprech ich den Namen richtig aus, Herr Suckow? Dann Herrn Winkler und Herrn Ohland.
- Frau Molsen erst auf 10.00 Uhr -
[5473] Zeuge Su[ckow]:
Eine Frage:
Bin ich als Zeuge geladen?
Vors.:
Sie sind als Zeuge geladen, ja.
Die Zeugen Suckow, Ohland und Winkler werden gemäß § 57 StPO[6] belehrt
und um 9.16 Uhr in Abstand verwiesen.
Herr RA Becker.
RA Be[cker]:
Also ich will das kurz ansprechen, bevor diese Erklärung abgegeben wird, weil es sich nicht um die Beweisaufnahme dreht. Ich wollte eigentlich nur bitten, daß möglichst bald, falls das noch nicht erfolgt ist, über den Weihnachtsumschlußantrag, den Herr Schily hier eingereicht hat, entschieden wird.
Vors.:
Keine Haftformalitäten hier in der Hauptverhandlung,[7] Herr RA Becker. Es ist heute ein Beschluß ergangen, d. h. eine Verfügung. Ich weiß nicht, ob sie Ihnen zugegangen ist. Nun weiß ich nicht, ob das damit gemeint ist. Ein weiterer Antrag liegt gegenwärtig nicht vor. Das bitte ich aber, dann außerhalb der Hauptverhandlung vorzunehmen.
RA Be[cker]:
Meinen Sie damit den vom 19.12.?
Vors.:
Betrifft das die Anregung?
Jawohl, die Verfügung ist ergangen.
Ein weiterer Antrag liegt gegenwärtig nicht vor. Ich bitte, das aber außerhalb der Hauptverhandlung zu machen.
Herr RA Künzel.
RA Kü[nzel]:
Zu diesem sog. Ensslin-Kassiber[8] habe ich folgendes zu bemerken:
Es wäre aus meiner Sicht, jedenfalls im Hinblick auf die Aufklärung der Festnahmevorgänge, geradezu wünschenswert, wenn sich herausstellen würde, daß dieser Kassiber insoweit von Frau Ensslin stammt, denn der Schreiber dieses Kassibers hatte mit großer Sicherheit keine Tötungsabsicht. Es handelt sich hier um eine Selbstanklage, fast um eine selbstvernichtende Selbstanklage, die dem Adressaten gegenüber abgegeben wird.
Zunächst berichtet der Schreiber, daß ihm nicht mehr möglich war, als eben seine Hand noch aus der Tasche zu bringen - offenbar aus einer Tasche, in der ein Revolver war -, aber nicht [5474] dazu war offenbar die schreibende Person in der Lage aus dreierlei Gründen, die nun ganz deutlich beschrieben werden. Die schreibende Person sagt - selbstanklagend -
a) ich habe gepennt;
b) ich habe nicht getickt; und
c) ich hatte Scheiße im Gehirn.
Dem ist nun noch etwas nachzugehen:
Der Schreiber hat „gepennt“, war völlig abwesend, hat überhaupt nicht sich um die Geschehnisse um ihn gekümmert; und dann das Bezeichnete:
Der Schreiber hat nicht „getickt“.
Er vergleicht sich also hier mit einer Bombe, spricht sich selbst gewisse explosive Kraftentfaltung zu; aber es fehlen Voraussetzungen.
Wenn wir bei dem Bild der tickenden Bombe bleiben, dann war es also hier eine Bombe, die nicht tickt, der Zeitmechanismus war nicht in Gang gesetzt. Wir können geradezu die Parallele setzen: Der Vorsatz war nicht gefaßt.
Und schließlich dieses völlig Selbstvernichtende:
„ich hatte Scheiße im Gehirn“,
ist natürlich nicht so gemeint:
Ich hatte Unfug im Kopf; sondern:
Meine Gehirnwindungen, mein ganzer Darm war mir im Gehirn
- sehr bildlich, wenn auch ein sehr scheußliches Bild. -
Aber das zeigt nun, wie abwesend, wie ganz und gar nicht bei sich der Schreiber aus der Sicht eines, etwa Stadtguerillas war, völlig versagt, und nun wird dieses Versagen noch etwas gemildert, indem man sich selbst sagt: Es hätte ja nichts genützt; es waren zuviel Bullen da; selbst wenn ich dagewesen wäre, wenn ich reagiert hätte, so wie es vielleicht von mir erwartet wird, es hätte nichts genützt. Deshalb der Hinweis auf die ... Es wird ja selbst geschrieben: Und dann auch noch, es ging so irre schnell. Diese selbstzerstörerische Behauptung,
„ich hatte Scheiße im Gehirn“,
[5475] wäre nicht notwendig, nicht wahr, wenn es nur darum ging, ein momentanes Versehen zu entschuldigen und zu rechtfertigen, daß es eben nicht mehr gereicht hat. Davon ist hier mitnichten die Rede. Es wird nun eben gesagt, daß man aus der Sicht des - ja, sagen wir mal „Stadtguerillas“ - einfach versagt hat. Und das schließt nun meiner Meinung nach deutlich, mit aller Deutlichkeit jeden Vorsatz aus.[9]
Der Zeuge Suckow erscheint wieder[a] um 9.21 Uhr im Sitzungssaal.
Der Zeuge erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[10]
Der Zeuge macht folgende Angaben zur Person:
Zeuge Su[ckow]:
Suckow, Herbert, 46,
Spezialbeamter für Kriminaltechnik,
Kriminalpolizei Hamburg;
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Wir wollen Sie heute nur nach einem kleinen Auftrag fragen, den Sie im Jahre 1972 mal erledigt haben sollen nach den schriftlichen Unterlagen.
Es dreht sich dabei um eine Fotografie eines Kunststoffstreifens. Ist Ihnen dieser Vorgang heute noch allein aufgrund dieser Stichworte im Kopfe?
Zeuge Su[ckow]:
[b] Ja.
Vors.:
Wenn Sie uns bitte kurz sagen wollen, um was es da ging.
Zeuge Su[ckow]:
Da kam damals ein Beamter zu mir und übergab mir einen Schlüsselbund, und an diesen Schlüsselbund war ein Kunststoffstreifen befestigt, und ich sollte die Beschriftung auf dem Kunststoffstreifen sichtbar bzw. lesbar machen.
Ich habe dann diesen Kunststoffstreifen von diesem Schlüsselbund gelöst und versucht, die Beschriftung sichtbar zu machen, und das ist mir gelungen mit einem Orangefilter und das hab ich dann fotografieren lassen.
Das Gericht nimmt das Asservat
C 2.1 Pos. 38 a - w
in Augenschein.[11]
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, am Augenschein teilzunehmen.
Das Asservat C 2.1 Pos. 38 a-w[c] wird dem Zeugen zur Erläuterung vorgelegt.
[5476] Zeuge Su[ckow]:
Den Kunststoffstreifen erkenn ich wieder; und bei den Schlüsseln? - Die können das gewesen sein.
Vors.:
Ich darf Ihnen hier vorhalten aus
Bd. 68 Bl. 202:
Hier haben Sie mit Ihrer Unterschrift, wenn das Ihre Unterschrift sein sollte oder sollen Sie jedenfalls erklärt haben, es habe Ihnen ein Schlüsselbund mit zwei Sicherheitsschlüsseln vorgelegen am Ring, davon ein Schlüssel der Marke „Abus“. Vielleicht bringt Ihnen das wieder etwas ins Gedächtnis
Zeuge Su[ckow]:
Ja, mit „Abus“, das seh ich jetzt, das hab ich damals auch erkennen können.
Vors.:
Frage nun, wenn ich Ihnen das Stichwort „Abus“ gebe:
Erkennen Sie jetzt den Schlüssel an sich wieder? Oder können Sie nur sagen:
Wenn ich’s damals in einem Schreiben erwähnt habe, daß es ein Schlüssel Marke „Abus“ war, dann wird’s wohl so gewesen sein.
Zeuge Su[ckow]:
Ja, ich möchte ...
Prof. Azz[ola]:
Ich beanstande diese Frage,[12] denn sie ist nicht darauf gerichtet, eine Tatsache zu eruieren, sondern sie ist ersichtlich darauf gerichtet, eine Vermutung, so könnte es gewesen sein, zu eruieren.
Zweitens:
Diese Vermutung steht nicht im Zusammenhang mit den Tatsachen, die hier zu erörtern sind, sondern ist gerichtet auf die allgemeine Glaubwürdigkeit des Zeugen.
Die Tatsachen, die hier zu eruieren sind, liegen weit zurück. Sie werden allenfalls vermittelt durch den Gegenstand der Befragung, den Sie mit Ihrer Frage anzielen. Und in Bezug auf diesen vermittelten Sachverhalt ist es also in doppelter Weise unzulässig, die von Ihnen beabsichtigte Frage an den Zeugen zu stellen.
Ich möchte drittens bemerken,
daß die von mir gerügte Frage und das darin liegende Rechtsproblem gar nichts zu tun hat mit der in der Lehre und Recht- [5477] sprechung strittigen Frage der Führung eines Urkundenbeweises im Rahmen des § 250 StPO.[13] Ich wende mich nur dagegen, daß der Urkundenbeweis durch diese auf Vermutung hin gerichteten ... durch diese auf Vermutung hin gerichtete Frage erschlichen wird. Ich habe mich noch lange nicht dazu geäußert, in welcher Weise beim Unmittelbarkeitsprinzip[14] der Urkundenbeweis rechtlich zulässig oder möglicherweise nur eingeschränkt rechtlich zulässig ist.
Mir scheint es so zu sein, daß der Senat bei zwei vorangegangenen Beanstandungsentscheidungen diese recht dogmatisch zugegebenermaßen etwas schwierigen Probleme ineinandergeworfen hat.
Vors. (nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat soeben beschlossen:
Der Vorhalt ist zulässig.
Herr Professor, außerhalb dieses Beschlusses möchte ich Sie darauf hinweisen:
Was mich interessiert, ist die innere Tatsache, ob der Herr Zeuge nach Vorhalt eines früheren Aktenvermerks heute die Überzeugung hat - wenn er damals einen solchen Vermerk gehabt hat -, daß er damals dann auch entsprechende Beobachtungen gemacht hat. Das ist durchaus eine Tatsache. Auch innere Tatsachen[15] sind erfragbar und dem Beweise zugänglich.
Prof. Azz[ola]:
Herr Vorsitzender, das ist ...
Vors.:
Wir wollen jetzt nicht eine Debatte über das tun. Ich habe Ihnen aufgrund einer langen Begründung, die Sie gebracht haben, versucht, zu sagen, um was es mir geht. Ich werde jetzt in der Befragung des Zeugen fortsetzen.
Sollte sich die Gelegenheit wieder geben, daß Sie glauben, beanstanden zu müssen, läßt sich’s vielleicht von Ihrer Seite aus noch vertiefen.
Herr Zeuge, Sie haben jetzt die Schlüssel in der Hand; Sie haben den Leinenstreifen in der Hand.
Wenn ich Sie recht verstanden habe - es ist jetzt etwas verwischt worden - Sie erinnern sich an den Leinenstreifen?
Zeuge Su[ckow]:
Den Leinenstreifen erkenn ich wieder, ...
[5478] Vors.:
... und bei den Schlüsseln meinen Sie, sie können’s gewesen sein?
Zeuge Su[ckow]:
Die können’s gewesen sein, ja.
Vors.:
Und wenn ich Ihnen Vorhalte, daß in
Bl. 202
ein Vermerk mit dem Namen „Suckow“ unterschrieben, beinhaltet, daß Ihnen ein Schlüsselbund vorgelegen habe mit zwei Sicherheitsschlüsseln am Ring, davon ein Schlüssel der Marke „Abus“, ist es dann so, daß Sie sagen:
Mir fällt überhaupt nichts mehr dazu ein;
oder können Sie sagen:
Wenn ich damals das gesagt haben sollte, dann lagen mir auch die entsprechenden Asservate vor?
Zeuge Su[ckow]:
Ja, also ...
Prof. Azz[ola]:
Ich beanstande diese Frage aus den eben genannten Rechtsgründen heraus.
Vors.:
Es ist bereits durch den Senat entschieden, daß der Vorhalt zulässig ist.
Ich lese Ihnen aus
Bl. 202
den geschlossenen Passus vor. Es heißt hier:
„Am 7.6.1972 erschien hier an der Dienststelle Herr Westphal mit einem Schlüsselbund (zwei Sicherheitsschlüssel am Ring, davon ein Schlüssel der Marke Abus), an dem ein Kunststoffstreifen befestigt war. Es sollte die auf dem Kunststoffstreifen befindliche Schrift sichtbar gemacht werden.“
Und dann beschreiben Sie, wie Sie vorgegangen sind.
Zeuge Su[ckow]:
Ja, das ist richtig.
Vors.:
Können Sie sagen, wenn Sie jetzt das vorgehalten bekommen, daß Sie damals inhaltlich richtige Feststellungen wiedergegeben haben?
Zeuge Su[ckow]:
Ja.
[5479] Prof. Azz[ola]:
Ich beanstande diese Frage.
Sie richtet sich nach inneren Tatsachen, die nur im Bewußtsein dieses Gerichtes eine innere Tatsache sein kann. Sie richtet sich nämlich nach Vermutungen der allgemeinen Glaubwürdigkeit. Sie könnten auch fragen, Herr Vorsitzender Richter:
Herr Zeuge, wenn Sie einmal etwas niedergeschrieben haben in Ihrer Eigenschaft als Beamter, dann war das doch richtig. Dann ist das genauso gut.
Vors.:
Nicht einmal, sondern in dem vorgehaltenen Schreiben. Die Frage ist bereits entschieden; der Senat hält den Vorhalt aus dem Schreiben vom 7.6.1972 für zulässig. Sie haben inzwischen auch die Antwort gegeben.
Die Fotografie aus Bd. 68 Bl. 203 wird vom Gericht und[d] von den Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen und vom Zeugen erläutert.
Zeuge Su[ckow]:
Die Fotografie erkenn ich wieder.
Vors.:
Ist das die Fotografie, die Sie selbst angefertigt haben?
Zeuge Su[ckow]:
Nein, ich habe das Lichtbild nicht selbst angefertigt, sondern anfertigen lassen auf meine Veranlassung hin.
Vors.:
Und was war Ihre Tätigkeit dabei bei der Fotografie selbst?
Zeuge Su[ckow]:
Bei der Fotografie selbst hatte ich keine Tätigkeit. Ich habe das veranlaßt und vorher ermitteln können, wie man diese Schrift am besten sichtbar macht. Ich habe angewiesen, wie man das fotografisch machen soll.
Vors.:
Haben Sie sich selbst überzeugt, daß dieser Leinwandstreifen und Fotografie identische Objekte darstellen?
Zeuge Su[ckow]:
Ja.
Vors.:
Konnten Sie damals - es ging ja darum, die Schrift zu entziffern - auch den Text feststellen?
Zeuge Su[ckow]:
Ja.
Vors.:
Was haben Sie aus diesen Bildern bzw. aus dem Leinwandzettel entnommen?
Zeuge Su[ckow]:
Ich hab das Wort „Bunker“ ablesen können.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?
Ich sehe, beim Gericht nicht.
Die Bundesanwaltschaft?
Die Herrn Verteidiger?
[5480] Herr RA Becker, bitte schön.
RA Be[cker]:
Herr Zeuge, Sie haben jetzt grad das Asservat hier vorgeführt gekriegt mit dieser Beschriftung.
Sah die damals so aus?
Zeuge Su[ckow]:
Augenblick - dieser Streifen? Oder was meinen Sie?
RA Be[cker]:
Den Streifen.
Zeuge Su[ckow]:
Ja, der Streifen sah damals so aus.
RA Be[cker]:
Auf der Fotografie hier haben Sie gesagt grade, Sie hätten das Wort „Bunker“ herausgelesen.
Könnten Sie mir das mal anhand der Fotografie vorlesen?
Vors.:
Ich würde aber bitten, auch den Leinwandstreifen dem Herrn Zeugen dann gleichzeitig noch zu geben, denn er lag ja auch zugrunde.
Es ist übrigens ein Kunststoffstreifen. Ich hab mich da im Ausdruck vergriffen und möchte nicht, daß es weiter im [e] Irrtum sich fortpflanzt.
Zeuge Su[ckow]:
Bunker.
Vors.:
Weitere Fragen bitte?
RA Be[cker]:
Konnten Sie denn auf der Fotografie ein R erkennen?
Zeuge Su[ckow]:
Ja.
RA Be[cker]:
Haben Sie versucht, auf dem Asservat selbst die Schrift zu lesen?
Zeuge Su[ckow]:
Ja.
RA Be[cker]:
In welcher Form nun wird das denn durch diesen Orangefilter verbessert?
Zeuge Su[ckow]:
Durch einen [f] Farbfilter wird der Kontrast gesteigert.
Vors.:
Herr RA Dr. Heldmann, bitte.
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Suckow, konnten Sie sich an den Text, den Sie eben auf Frage wiedergegeben haben, erinnern, oder haben Sie diesen Text von dem Ihnen vorgelegten Asservat abgelesen?
Zeuge Su[ckow]:
Ich hab’ den eben abgelesen, konnte mich aber an den Text erinnern.
RA Dr. He[ldmann]:
Danke.
Vors.:
Sonst keine Fragen an den Herrn Zeugen?
Dann können wir Sie vereidigen.
Der Zeuge Suckow wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 9.35 Uhr entlassen.
[5481] Herr RA Becker, wollen Sie eine Erklärung abgeben?
RA Be[cker]:
Ja, ich wollte nur ’ne Erklärung dahingehend abgeben[g], daß meines Erachtens weder auf der Fotografie noch auf dem Original das „R“ hier zu lesen ist, und daß insofern - das kann auch das Gericht nochmals durch Augenschein hier beobachten - hier an der Aussage des Inhalts, daß der Zeuge hier das Wort „Bunker“ gelesen haben will, wie er sie hier nochmals gemacht hat, meines Erachtens mit dem Asservat und mit der Fotografie nicht übereinstimmt.
Vors.:
Die Bundesanwaltschaft, bitte schön.
OStA Ho[lland]:
Herr Vorsitzender, die B. Anwaltschaft bittet für eine kurze Beweisanregung im Zusammenhang mit der Vernehmung der Zeugen Winkler und Ohland ums Wort.
Die B. Anwaltschaft regt an, Abzüge der bei der erkennungsdienstlichen Behandlung der Angeklagten Ensslin gefertigten Lichtbilder gerichtlich in Augenschein zu nehmen und diese Abzüge den Zeugen Ohland und Winkler vorzulegen. Die B. Anwaltschaft übergibt zu diesem Zweck Abzüge dieser Lichtbildaufnahmen; zugleich übergibt sie ihr Fernschreiben vom 19. dieses Monats an das Kriminalamt in Hamburg und das Antwortschreiben dieser Dienststelle vom gleichen Tage.
OStA Holland übergibt Lichtbilder [h] von Frau [i] Ensslin als Anlage 2, Fernschreiben an die Freie und Hansestadt Hamburg vom 19.12.1975 als Anlage 3 und Antwortschreiben vom selben Tag als Anlage 4 zum Protokoll.[j]
Vors.:
Herr RA Becker.
RA Be[cker]:
Also ich widerspreche dieser Beweisanregung.
Ich halte das für unzulässig, hier am Morgen Beweismaterial, das einem Zeugen vorgehalten werden soll, von dem bereits seit dem 21.11.1975 bekannt ist, daß er heute gehört werden soll, hier vorzulegen und bin deswegen der Meinung, wir können den Zeugen Ohland heute nur ohne dieses Beweismaterial hören. Andernfalls muß er halt noch einmal gehört werden, wenn ihm das vorgehalten werden soll.
Die dritte Möglichkeit würde darin bestehen, das Verfahren zu unterbrechen und der Verteidigung angemessen Gelegenheit zu geben, hier Einsicht zu nehmen.
[5482][16] [5483][17] [5484][18] [5485] RA Dr. He[ldmann]:
Ergänzend:
nicht nur Einsicht zu nehmen, sondern Fotokopien zu fertigen und mit der Mandantschaft zu besprechen als Vorbereitung für die Verteidigung.
Vors.:
Wir werden uns die Sache kurz überlegen.
Prof. Azz[ola]:
Ich möchte das ergänzen:
Ich möchte darauf hinweisen, daß die B. Anwaltschaft mindestens mit einem Bataillon Ermittlungsbeamten tätig sein kann, während die Verteidigung, um deren Waffengleichheit es doch immer im Rechtsstaat geht, Herr Vorsitzender Richter, behindert ist, nach allen Richtungen, die man sich überhaupt nur vorstellen kann - ich meine in ihren materiellen Möglichkeiten -, und dann kriegt es die B. Anwaltschaft fertig, Bilder, auf deren mögliche Bedeutsamkeit es in der Tat sogar bei ernster Durchsicht der Akten ankommen könnte, am Vormittag, unmittelbar vor der Vernehmung der Zeugen als Beweismittel hier in diesem Prozeß einführen zu wollen. Es ist mir einfach nicht verständlich, wie ein Organ der Rechtspflege sich so verhalten kann.
Vors.:
Nun - das ist ein bißchen viel Aufwand, Herr Professor. Sie werden die Bilder vielleicht sich mal betrachten können, und dann werden Sie feststellen, daß es Aufnahmen sind, die - glaube ich - weit verbreitet sind, sicherlich sich in den Akten auch selbst finden. Wir werden uns jedenfalls die Sache kurz überlegen. Ich gebe so lange der Verteidigung Gelegenheit - Herr RA Künzel und Herr RA Eggler, Sie sind auch besonders mitangesprochen - sich mal die Bilder anzusehen, denn auf die kommt’s ja allein an. Es sind drei ...
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, ich möchte bitten, also die Entscheidung nicht in der Weise vorwegzunehmen. Erst möchte ich außerdem noch ergänzend dazu Stellung nehmen.
Vors.:
Was heißt, vorwegzunehmen? Wir wollen ja uns das überlegen.
RA Be[cker]:
Ich halte das Vorgehen der B. Anwaltschaft, wenn das jetzt hier passieren sollte, nachdem die Verteidigung hier bereits zu Anfang des Verfahrens die Herausgabe der noch bei der B. Anwaltschaft liegenden Ermittlungsakten gefordert hat und dies hier von der B. Anwaltschaft nunmehr stückchenweise dann, wenn es ihr paßt, passiert, dann ist das genau das [5486] Vorgehen, was die Verteidigung von Anfang an befürchtet hat und was jetzt hier von der B. Anwaltschaft praktiziert wird sozusagen: die täglichen kleinen Überraschungen, um da noch ein bißchen was zu machen und da noch ein bißchen was zu machen. Und ich bin deswegen der Meinung, daß diese Beweisanregung auf jeden Fall zurückzuweisen ist, weil der B. Anwaltschaft klargemacht werden muß - auch vom Gericht -, daß derartige Praktiken hier in diesem Gericht nicht geduldet werden.
Vors.:
Also bevor die Entscheidung fällt, muß ich ausdrücklich drauf hinweisen:
Die zwei Zeugen - Winkler und Ohland - sind geladen zu dem Komplex der Fotografie nach der Festnahme von Frau Ensslin. Das ist jedem Beteiligten hier bekannt. Üblicherweise würde sogar die Verteidigung vielleicht hier bei den Zeugen fragen, wo sind eigentlich die Bilder?
Und wenn er sie dann dabei hätte, würde sie jeder unbeanstandet in Anspruch nehmen.
Damit ist die Entscheidung nicht vorweggenommen, daß daraus kein Prinzip gemacht werden darf, daß solche Bilder, die vielleicht früher schon der B. Anwaltschaft bekannt sind, plötzlich in den Raum gestellt werden. Aber hier handelt sich’s um drei Bildchen, die anzusehen sind, die offenbar der Herr Zeuge mitgebracht hat, möglicherweise, und sie der B. Anwaltschaft zunächst überlassen hat.
RA Be[cker]:
Dann bitte ich, die B. Anwaltschaft doch mal zu fragen danach, woher (Weiteres unverständlich) ... er die Bilder hat und seit wann er sie hat überhaupt?
OStA[k] Ho[lland]:
Herr Rechtsanwalt, das hab ich doch[l] in aller Deutlichkeit [m] gesagt:
Ich hab Bezug genommen auf ein Fernschreiben vom 19. d. M und habe Bezug genommen auf ein Fernschreiben ... auf ein Anschreiben des Kriminalamtes Hamburg vom gleichen Zeitpunkt.
Dann können Sie sich mit etwas gesundem Menschenverstand ausrechnen, seit wann wir die Bilder in Händen haben.
Prof. Azz[ola]:
Den gesunden Menschenverstand sollten Sie sich schenken.
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Sie ...
[5487] Vors.:
Wir machen jetzt eine Pause. Die Verteidigung hat Gelegenheit, 10 Minuten sich diese Unterlagen zu besichtigen.
RA Dr. He[ldmann]:
Bitte um eine Wortmeldung.
Pause von 9.41 - 9.52 Uhr.
In der Pause hatten die Verteidiger Gelegenheit, die von der Bundesanwaltschaft als Anlagen 2 bis 4 zum Protokoll[n] übergebenen Unterlagen einzusehen.
Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.52 Uhr.
Vors.:
Ich darf jetzt zunächst den Herrn Zeugen bitten, vorzuführen. Wegen der Bilder werde ich dann nachher ... Ich gehe davon aus: Die Herren Verteidiger hatten Gelegenheit, die Bilder einzusehen.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, könnte ich vielleicht Ihre Entscheidung dazu jetzt erfahren, weil ich nämlich gegebenenfalls ’nen Antrag stelle.
Vors.:
Meine Entscheidung geht dahin, daß es sich hier um präsentes Beweismaterial handelt - mag man den Zeitpunkt der Vorlage unmittelbar vor der Aussage des Zeugen für glücklich halten oder nicht -, und daß sich die Aufklärungspflicht des Gerichts auf dieses präsente Beweismaterial[19] erstreckt, diese Bilder also dem Herrn Zeugen vorgehalten und auch vom Gericht in Augenschein genommen werden können. § 246[ StPO],[20] wenn Sie etwa einen Antrag in dieser Richtung denken, scheint durch die Möglichkeit, die Bilder zu besichtigen, wohl nicht so unmittelbar zwingend zu irgendwelchen Anträgen Anlaß zu geben.
Der Zeuge Winkler erscheint um 9.53 Uhr[o] Sitzungssaal.
RA Be[cker]:
Doch. Ich beantrage folgendes:
Ich beantrage,
die Hauptverhandlung zu unterbrechen zu dem Zwecke, mir Gelegenheit zu geben, eine Fotokopie von diesen beiden Fernschreiben und von den Bildern herzustellen
und mit diesen Fotokopien meine Mandantin aufzusuchen und ihr diese neu eingeführten Beweismittel vorzuhalten, eine Mandantenbesprechung abzuhalten und anschließend die Beweisaufnahme fortzusetzen.
[5488] Vors.:
Ich möchte darauf hinweisen, daß das Gericht von den Fernschreiben keinen Gebrauch machen will. Beweismittel sind die Bilder.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, wie die Bilder hier eingeführt werden, ist ja für mich ebenfalls erheblich.
Vors.:
Nun: durch Vorhalt an den Herrn Zeugen, durch sonst nichts anderes.
RA Be[cker]:
Ja, aber das ist ein neues Beweismittel, und normalerweise muß ich dafür Akteneinsicht kriegen bzw., wenn es nur eingeführt wird, muß ich Gelegenheit haben, hier Rücksprache mit meiner Mandantin zu nehmen. Den Antrag erhalte ich aufrecht.
Vors.:
Herr Dr. Heldmann, sind Sie nun in diesem Punkte betroffen?
RA Dr. He[ldmann]:
Ja.
Vors.:
Inwiefern?
RA Dr. He[ldmann]:
Verzeihen Sie die Unfreundlichkeit, mit einer Gegenfrage zu antworten:
Meinen Sie, daß Prozeßordnungswidrigkeiten, die nur einen der Mandanten und Verteidiger hier beträfen, nicht auch die Verteidigung insgesamt betrifft?
Vors.:
Nein. Sie gehen von Prozeßordnungswidrigkeiten aus. Das ist eine Prämisse, die [p] noch im Raume steht, um das geht’s ja jetzt in dem Antrag. Es geht drum, Bilder und Beweismittel zu berücksichtigen.
RA Dr. He[ldmann]:
Deshalb habe ich mich gemeldet, um darauf hinzuweisen, daß Rechtsquelle für den Antrag des Herrn[q] Kollegen Becker, den ich für die Verteidigung insgesamt schon allein deswegen, damit hier keine Präzidentien solcher Art geschaffen werden, unterstütze, Rechtsquelle also nicht § 246 StPO ist, sondern Rechtsquelle der Anspruch auf rechtliches Gehör,[21] und zwar insbesondere auf ein ausreichendes und ein rechtzeitiges rechtliches [r] Gehör ist, was voraussetzt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfGs, daß der Prozeßgegner - und insoweit darf man auch im Strafprozeß im Verhältnis von Anklage und Verteidigung oder Angeklagten von Prozeßgegnern sprechen, rechtzeitig das von einer Partei - untechnisch gesprochen - eingeführte Material, insbesondere Beweismaterial, ihm zur [5489] Kenntnis gegeben werde, damit er hinreichend Gelegenheit hat, darauf sich einzulassen.[22]
Vors.:
Ich frage jetzt zunächst mal die B. Anwaltschaft:
Sie haben das ja als Beweisanregung gegeben - wir hatten ursprünglich die Vorstellung, daß die Vernehmung des Herrn Zeugen auch ohne diese Bilder sinnvoll durchgeführt werden kann - beharren Sie darauf, daß diese Prozedur jetzt bis zu Ende durchgestanden wird? Erscheinen diese Bilder ... Vielleicht kann man sie zu einem späteren Zeitpunkt einführen, so daß die Herrn Verteidiger vorher dann die Gelegenheit hatten, sich lange genug die Bilder zu besichtigen.
OStA Ho[lland]:
Herr Vorsitzender, wie von mir bereits ausgeführt, handelt es sich lediglich um eine Beweisanregung.[23] Das weitere Prozedere in dieser Hinsicht - selbstverständlich, Herr Vorsitzender - überläßt die B. Anwaltschaft Ihnen.
Vors.:
Dann würde ich vielleicht folgenden Vorschlag machen:
Sie nehmen die ganzen Unterlagen wieder an sich, und wenn Sie, insbesondere möglicherweise aufgrund der jetzigen Aussage des Herrn Zeugen, größeren Wert darauf legen, daß das eingeführt wird, kann das jederzeit noch geschehen, und zwar so, daß die Herrn Verteidiger es einen Tag lang oder zwei Tage lang vorher schon im Besitz haben, so daß sie darauf vorbereitet sind.
OStA Ho[lland]:
Herr Vorsitzender, ich würde dann doch anregen, den Herrn Verteidiger die Dinge gleich zugänglich zu machen.
Vors.:
Gut, das können wir tun. Bloß: Sie wissen, wir haben keine Möglichkeit, das zu fotokopieren. Die Bilder bringen überhaupt nichts. Ich kann den Herrn Verteidigern nur Ihr Original bzw. die Originalunterlagen überlassen.
OStA Ho[lland]:
Selbstverständlich, Herr Vorsitzender. Die B. Anwaltschaft hat da in dieser Hinsicht nicht die geringsten Bedenken.
Vors.:
Schön. Dann stellen wir die Entscheidung wohl mal zunächst zurück.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, dann benötige ich aber die ... -
Vors.:
Wir werden uns - es wird grade zu Recht darauf hingewiesen, die Frage, ob wir die Bilder einführen können, jedenfalls hängt’s von der Mittagspause ab - heute nachmittag nochmals stellen; denn wenn die Herrn Verteidiger über die Mittagspause [5490] Gelegenheit haben, die Bilder noch länger zu betrachten, dann dürften wohl dazu keine allzu großen Bedenken bestehen. Je nachdem könnten wir auch den Herrn Zeugen bitten, sich für diesen Fall nochmals zur Verfügung zu halten.
Ich übergebe damit jetzt die Bilder den Herrn Verteidigern. Eine Entscheidung über die Verwertung dieser Bilder ist noch nicht ergangen, bzw. soweit sie ergangen ist, wird sie im Sinne des neuen Gesprächs revidiert.
Die von der Bundesanwaltschaft als Anlagen 2 bis 4 zum Protokoll übergebenen Unterlagen wurden Rechtsanwalt Becker ausgehändigt.
Der Zeuge [s] Winkler macht folgende Angaben zur Person:
Zeuge Win[kler]:
Ulrich Winkler, 42 Jahre alt[t], Kriminalhauptmeister,
Kriminalamt Hamburg, Pol. Präsidium beim Strohhause 31;
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Herr Winkler, Sie sind auch bei Ihrer Dienststelle im Rahmen des Erkennungsdienstes tätig. Ist das richtig?
Zeuge Win[kler]:
Ja, tätig gewesen seinerzeit.
Der Zeuge erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.
Vors.:
Sie waren im Rahmen des Erkennungsdienstes tätig?
Zeuge Win[kler]:
Seinerzeit war ich dort tätig als Chiffre.
Vors.:
Ist es richtig, daß Sie im Juni 1972 einmal mit einer verhafteten Frau zu tun hatten, bei der vielleicht die erkennungsdienstliche Behandlung gewissen Schwierigkeiten begegnete?
Zeuge Win[kler]:
Ja, bei der Frau Ensslin war das; wie sich später rausstellte, war es Frau Ensslin. Die wurde seinerzeit als unbekannte Person eingeliefert.
Vors.:
Wollen Sie uns bitte schildern, wie sich das damals abgespielt hat, was Sie jetzt eben angesprochen haben?
Zeuge Win[kler]:
Frau - damals noch unbekannt - Frau Ensslin wurde von Schutzpolizeibeamten - von uniformierten Schutzpolizeibeamten - hereingebracht. Sie war sehr verstört. Es war eine große schlanke Frau. Sie wurde sofort in die Zelle gebracht; es kam bald die Schutzpolizei hinzu - die übliche Prozedur der Untersuchung der [5491] Sache, nach Name - und dann kamen Beamte von K 4, der politischen Abteilung, hinzu, weil man gleich den Verdacht hatte, es müßte eine Terroristin sein aufgrund der Intelligenz, des ... Verhaltens, also keine gemeine Kriminelle. Sie weigerte sich auch, Angaben zur Person zu machen und wurde dann gewaltsam ...
Vors.:
Bitte? - Herr Professor, (auf dessen Handzeichen)
(Zum Zeugen Winkler): Entschuldigen Sie bitte.
Prof. Azz[ola]:
Herr Vorsitzender Richter, ich bitte, den norddeutschen Zeugen zu veranlassen, etwas langsamer zu sprechen. Es ist wirklich sprachlich nicht einfach, zu folgen.
Vors.:
Herr Professor, ich hatte schon wiederholt den Eindruck, daß Sie’s mit dem Gehör etwas schwieriger haben, wie vielleicht andere. Wenn Sie hier[u] vielleicht bitte Platz nehmen wollen.
(Zum Zeugen Winkler):
Und dann bitte ich Sie in der Tat, langsam zu sprechen. Nicht wahr: Sie verstehen unsere Sprache wahrscheinlich etwas schwer und wir umgekehrt. Also deswegen bitte ich, darauf Rücksicht zu nehmen.
Zeuge Win[kler]:
Frau Ensslin weigerte sich, Angaben zur Person zu machen.
Sie wollte auch nicht gehen, sie mußte geführt werden, sie mußte eingehakt werden und wurde dann in mein Zimmer geführt, wo sie Platz nahm am Schreibtisch.
Es wurde ihr eröffnet, wo sie sich befindet: nämlich im Pol.-Präsidium; welche Aufgaben wir hatten, sie eben erkennungsdienstlich zu behandeln. Ich habe auch seinerzeit einen Bogen mit den ganzen Terroristen, die Abbildungen haben wir angeschaut mit meinem Kollegen, Herrn Ohland zusammen und haben erst mal in aller Ruhe gesprochen und fragten: „Wer sind Sie denn? Sind Sie die erste, die zweite?“ - Es waren ja viele Damen aufgeführt. Sie war an sich zuerst etwas verstört ... und nach einiger Zeit etwas gelöst; aber sie war nicht gewillt, freiwillig die Finger zu geben ... abgeben zu lassen. Sie ließ sich auch nicht fotografieren.
Zunächst, soweit ich mich entsinne, wurden die Fingerabdrücke genommen. Man hat ihr gesagt, daß dies zwangsweise durchgeführt wird, also mit Gewalt. „Wenn es sein muß“, sagte sie, „aber freiwillig tu ich nichts zur Ermittlung der Sache“.[v]
[5492] Ich hab mit ihr ungefähr ne Viertelstunde gesprochen, und nach einer Viertelstunde sagt man eben: Wenn sie nicht willig ist, muß man das eben doch dann zwangsweise tun bei aller Liebe und bei allem Zureden. Sie war eben nicht davon erbaut, uns den Gefallen zu tun, das freiwillig abzugeben.
Sie wurde dann eingehakt, in den Nebenraum geführt - ein Kollege hat sie umfaßt von hinten und der nächste hat den Arm ausgestreckt und die Finger einzeln abgerollt.
Als Nächstes kam dann das Fotografieren, das war genauso schwierig. Das geschah mit einer versteckten Kamera, da wurde durch eine Tür fotografiert. Sie saß auf dem Stuhl, noch vorgebeugt und mußte natürlich jetzt aufgerichtet werden. Frage: Nur wie? Und das hat man auch mit Ablenkung[w] versucht und auch verstanden, daß sie sich mal aufrichtete und dann - ich glaube, sie rauchte dabei - und dann wurde mehrmals fotografiert, so daß die brauchbaren Aufnahmen entstanden.
Danach wurde noch ’ne zweite Fingerabdrucknahme vorgenommen, weil nämlich die Einzelfinger, die hat man nämlich nicht zunächst daran gedacht; da mußten nochmals Fingerabdrücke genommen werden und die auch wieder mit Gewalt.
Das war so im wesentlichen alles.
Vors.:
Nun interessiert uns insbesondre dieser Vorgang mit dem Fotografieren. Wenn Sie das noch in Einzelheiten etwas deutlicher darstellen könnten, wie das gegangen ist.
Zeuge Win[kler]:
Wir haben für solche Fälle ein Loch in der Tür vorbereitet - ein verdecktes Loch in der Tür - und dadurch - seinerzeit war das so - konnte man mit einer Kamera für solche Fälle die Person anvisieren.
Vors.:
Was heißt, für solche Fälle?
Zeuge Win[kler]:
Für solche Fälle, wo die betreffende Person sich weigert, sich fotografieren zu lassen.
... kann der Fotograf sie anvisieren, und dann, wenn sie meinetwegen abgelenkt wird, mit mir spricht oder mit einer anderen Person spricht, indem sie angerufen wird, daß sie aufblickt; dann kann der Fotograf blitzen so lange, bis er brauchbare Aufnahmen hat, die ausreichend sind.
Vors.:
Ja und dieses Ablenken, wie ist das hier geschehen?
[5493] Zeuge Win[kler]:
Auf sie einreden. Aber wir haben ihr etwas zu Rauchen angeboten, das waren nicht die richtigen Zigaretten, die wir hatten. Dann hab’ ich ihr auf die Schulter geklopft und ihr etwas tröstend eingesprochen, bis sie sich dann doch irgendwie vergaß und sich aufrichtete. Das hat aber längere Zeit gedauert, wenigstens eine Viertelstunde; denn das Fotografieren zwangsweise[x] ist ja meist nicht so ergiebig, da erhält man nie saubere Aufnahmen. Und im Laufe der Zeit hat sie sich eben mehrmals aufgerichtet, so daß der Fotograf saubere Aufnahmen machen konnte, die brauchbar sind.
Vors.:
Hat sie Zigaretten angenommen?
Zeuge Win[kler]:
Ja.
Vors.:
Ist irgendwie im Zusammenhang mit dem Fotografieren es zu Tätlichkeiten gekommen?
Zeuge Win[kler]:
Beim Fotografieren nicht, denn sie saß ja bei mir am Schreibtisch, in dieser Entfernung, und ich saß im Sessel und sie saß auf dem Stuhl, und wir sprachen an sich zum Schluß auch ganz friedlich. Ich habe sie abgelenkt - draußen waren Reporter - ich sagte: „Bitte, hier draußen ist schon die ganze Presse da“, um sie eben abzulenken. Das geschah ohne Gewalt. Sie war auch nicht aufsässig, sie war etwas giftig, wie man sagt, aber das hat sich sehr schnell gelegt nachher.
Vors.:
Ist Ihnen später bekannt geworden, daß eine Schilderung von Seiten, möglicherweise der Frau Ensslin, abgegeben worden ist, wie es da beim Fotografieren zugegangen sein soll?
Zeuge Win[kler]:
Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Sie das meinen.
Vors.:
Es könnte sein, daß damals ein Schriftstück in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist.
Zeuge Win[kler]:
Ja, im „Stern“ war seinerzeit etwas abgebildet.
Vors.:
Nämlich? Was war da abgebildet?
Zeuge Win[kler]:
Meines Wissens ein Kassiber. Ich meine, es ist schon so weit zurück. Und da waren auch Abbildungen von dem Hintergrund des Bildes.
Vors.:
Und was hatte der Kassiber im Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit zu tun?
Ende von Band 300.
[5494] Zeuge Win[kler]:
Das weiß ich nicht, was man daraus schließen konnte.
Vors.:
Ist Ihnen der Inhalt dessen, was der „Stern“ damals veröffentlicht hat, bekannt geworden?
Zeuge Win[kler]:
Ich hab den „Stern“ gelesen und für mich war die Sache im „Stern“ nicht so interessant, weil ich ja als erster ... die Festnahme miterlebt hatte, zumindest ...
Vors.:
Natürlich ...
Zeuge Wi[nkler]:
... das hab ich überflogen. Was im Kassiber stand weiß ich nicht.
Vors.:
Nun, es ist jedenfalls etwas verlautbart, von wem es stammt, ist noch nicht endgültig geklärt, drin sind Vorwürfe enthalten und dazu wollte ich Ihnen bloß jetzt Gelegenheit geben, sich zu äußern, als wäre da als bei der Fotografie doch recht massive Gewalt angewendet worden, um Aufnahmen herzustellen.
Zeuge Win[kler]:
Das könnte man höchstens darauf zurückführen, daß sie mit Gewalt herangebracht wurde, herangeschleift wurde von der Zelle und so glaub ich, meines Wissens, mehrmals. Von der Zelle sind’s vielleicht zehn, zwanzig Meter, mußten zwei Mann sie einhaken, ganz zum Schreibtisch zum Stuhl da hinsetzen. Da saß sie gekrümmt, nach vorne, nach[y] unten gebeugt, das war vielleicht[z] etwas gewaltsam aber das war ja keine ... war ja passives Verhalten von ihr.
Vors.:
Und jetzt noch die Einrichtung dieses Zimmers. Wieviel Leute waren zugegen, was war als Einrichtung in diesem Zimmer aufgestellt.
Zeuge Win[kler]:
Im Zimmer standen zwei Schreibtische, zwei Sessel, mehrere Stühle, Wandschränke und im Hintergrund ein großer Schaltkasten mit Signalleuchten für die Zellenbeleuchtung mit Notrufanlagen.
Vors.:
Wieviel Beamte waren anwesend?
Zeuge Win[kler]:
Ja bei der eigentlichen Beruhigung[aa] zum Gespräch. Zum Fotografieren war nur mein Kollege Ohland[bb] und ich im Zimmer.
Vors.:
Zu zweit also.
Zeuge Win[kler]:
Halt. Es haben vielleicht einige ... waren einige kurz ... aber wir[cc] haben’s so gehalten, daß möglichst wenige[dd] sie ... werden sollte, wenn nämlich der große Stab[ee] dabei ist, dann wird das noch schlimmer, führt zu keinem Ergebnis.
Vors.:
Bitte, Herr Berichterstatter.
[5495] Richter Dr. Be[rroth]:
Herr Winkler, die festgenommene Frau wurde also durch ein Loch in der Türe fotografiert.
Zeuge Win[kler]:
Durch ein Loch in der Tür fotografiert.
Richter Dr. Be[rroth]:
Stand vorher ein Beamter vor diesem Loch, damit die festgenommene Frau dieses Loch nicht sehen konnte[ff] ...
Zeuge Win[kler]:
Ja.
Richter Dr. Be[rroth]:
... oder hing ein Bild über dieses Loch?
Zeuge Win[kler]:
Da hing ein ...
Prof. Dr. Azz[ola]:
Ich beanstande die Frage. Die Frage hätte zunächst eingeleitet werden müssen mit einer allgemeinen Frage zum Vorgang selbst.
Zeuge Win[kler]:
Soll ich die Frage beantworten?
Vors.:
Ja wir werden zunächst drüber entscheiden müssen, ob die Frage zulässig ist.
(nach geheimer Umfrage)
Der Senat hat beschlossen:
die Frage ist zulässig.
Zeuge Win[kler]:
An der Tür befindet sich ein großes Bild, cirka 50 cm mal 50 cm, Blumen darstellend, und da drin ist ein Loch eingearbeitet, verfärbt, ange... Pinselsache ist an sich nichts auffällig ist und als wir zu dem Schluß kommen ... kamen, daß wir nur dadurch fotografieren konnten, haben wir verabredet, daß Herr Ohland, mein Vertreter seinerzeit, sich davorstellte und auf ein Zeichen hin des Fotografs, der klopfte und ich weiß nicht wie ... Tür, vereinbartes Zeichen trat er zur Seite und ich sprach mit Frau Ensslin, habe sie weiterhin abgelenkt und dann konnte der Fotograf schießen solange, bis er wieder ein Zeichen gab, er hätte genug Bilder geschossen.
Richter Dr. Be[rroth]:
Danke.
Vors.:
Sonstige Fragen? Beim Gericht sehe ich nicht. Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Holland, nein? Herr Bundesanwalt Zeis, bitte.
OStA Zeis:
Herr Winkler, haben Sie außer, daß Sie[gg] der festgenommen Person auf die Schulter geklopft oder an der Schulter angefasst haben[hh], noch irgendwas mit ihrem Körper gemacht oder an ihrem Körper?
[5496] Zeuge Win[kler]:
Ich habe die Frage verstanden. Ich habe ihren Nacken ein klein wenig gekrault. Darüber hat man später geschmunzelt, die Kollegen. Es war aber an sich, ich mußte ihr irgendwie ein kleinwenig die Schulter klopfen und Haare ... die Haare hab ich nicht gestreichelt, ich hab nur ihren Nacken gekrault, sagt man dazu in Hamburg.
OStA Zeis:
Könnte man das Kraulen als Kitzeln bezeichnen?
Zeuge Win[kler]:
Ja, es sollte den Effekt haben, damit sie etwas abgelenkt wird.
OStA Zeis:
Ja das Wort „Kitzeln“ hat nämlich ne gewisse ...
Zeuge Win[kler]:
Bitte?
OStA Zeis:
... eine gewisse Bedeutung. Ich will Ihnen vorhalten aus Ihrer polizeilichen Vernehmung O. 68 Bl. 95 etwa erstes Drittel: - „Ich habe ihr ermunternd auf die Schulter geklopft und etwas provozierend am Nacken gekitzelt“. -
Zeuge Win[kler]:
Ja das ist richtig, provozierend, das fiel mir eben nicht ein, das war eben reizen, provozieren.
OStA Zeis:
Herr Winkler, mir geht es um den Ausdruck „kitzeln“.
Zeuge Win[kler]:
Bitte?
OStA Zeis:
Mir geht es um den Ausdruck „kitzeln“.
RA Be[cker]:
Das ist doch keine Frage. Ich beanstande diese Äußerung. Stellen Sie Fragen, Herr Zeis, das ist das einzige, was man machen kann, aber nicht sagen, worum’s Ihnen geht, das sind ...
OStA Zeis:
Herr Rechtsanwalt Becker, offenbar sind Sie in manchen Dingen etwas schwer von Begriff. Genauso wie der Herr Vorsitzende darauf Wert legt, mit seinem Titel hier angesprochen zu werden, lege auch ich. Ich bin für Sie nicht der Herr Zeis, genau so wenig wie Sie für mich der Herr Becker sind, nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis. Ich nehme an, Sie werden’s noch lernen im Laufe der Zeit hier.
RA Be[cker]:
Aber behalte ... meine Beanstandung aufrecht.
OStA Zeis:
Ich hätte folgende Frage an den Zeugen. Würden Sie das, was Sie an Frau Ensslin vorgenommen haben, als „kitzeln“ bezeichnen?
Zeuge Win[kler]:
Ja „kitzeln“ möchte ich nicht sagen, weil kitzeln ist mehr gefühlsbetont. Ich habe ihr als Beamter sachlich ... objektiv die Aufgabe gehabt, das Lichtbild zu ermöglichen, [5497] die Aufnahme des Bildes zu ermöglichen und zu dieser Zeit mußte ich sie reizen, provozieren. Also kitzeln, das ist ...
OStA Zeis:
Ja, gut, warum haben Sie dann damals bei Ihrer polizeilichen Vernehmung von „kitzeln“ gesprochen? Ist doch richtig, daß Sie von „kitzeln“ damals gesprochen haben? Herr Winkler.
Zeuge Win[kler]:
Bitte? Ich dachte, ich wußte ja, daß Sie mit mir sprachen, ich habe eben nicht verstanden. Ich habe ...
OStA Zeis:
Sie lehnen’s ab oder schwächen es heute ab, daß es ein „kitzeln“ gewesen ist und ich möchte jetzt da eine etwas nähere Aufklärung haben. Sie sagen, davon könnten Sie heute nicht mehr so reden, weil das noch einen gewissen Sinn hätte. Jetzt halte ich Ihnen vor aus Ihrer polizeilichen Aussage und zwar jetzt schon zum zweiten Mal, daß Sie damals von „kitzeln“ gesprochen haben.
Zeuge Win[kler]:
Ja, ich habe die Frau Ensslin im Nacken, ich sag es ... kraulen oder etwas hier, kitzeln kann man ... mit den Fingern berührt, wie man das bezeichnen will, darüber könnte man sich ja streiten.
OStA Zeis:
Ich habe keine weiteren Fragen mehr, danke.
Vors.:
Ich möchte im Hinblick auf dieses kleine Rencontre[ii] doch bitten, in Zukunft, wenn Beanstandungen vorgetragen werden, es dem Vorsitzenden zu überlassen, sich in der Frage dann entscheiden zu können und nicht etwa die Entscheidung vorwegzunehmen, daß es nun ein Hin- und Her-Gerede gibt. Das bitte ich also generell zu beachten, denn das ist ja der Sinn der Beanstandung, daß das Gericht angerufen wird. Zunächst mal, weitere Fragen seitens der Herren Verteidiger? Ich sehe, Herr Rechtsanwalt Becker meldet sich.
RA Be[cker]:
Herr Zeuge, am ... diese Berührung am Nacken, haben Sie ... war die dazu da, die Frau da bei Ihnen zu beruhigen?
Zeuge Win[kler]:
Ja, die Berührung am Nacken diente dazu, sie zu beruhigen und abzulenken. Sie sollte mich anschauen. Sie sollte sich aufrichten und mich anschauen.
RA Be[cker]:
Haben Sie da hin und her gestreichelt oder ...
[5498] Zeuge Win[kler]:
Die Frage habe ich eben nicht verstanden.
RA Be[cker]:
Haben Sie hin und her gesta... haben Sie die da gestreichelt oder wie hat [jj] das da sich ...
Zeuge Win[kler]:
Kein, ich hab ihr in den Kragen ... abstehenden Kragen gefasst und nur mit den Fingern gespielt.
RA Be[cker]:
Hinten am Nacken oder?
Zeuge Win[kler]:
Am Nacken.
RA Be[cker]:
Am Nacken. Waren da noch Haare bis runter, erinnern Sie sich?
Zeuge Win[kler]:
Nein, sie hat kurze Haare gehabt, ganz kurze Haare. Wahrscheinlich erforderlich, weil sie eine Perücke getragen haben soll.
RA Be[cker]:
Und wierauf hat sie darauf reagiert?
Zeuge Win[kler]:
Ich habe die Frage nicht verstanden.
RA Be[cker]:
Hat Sie mit dem Ziel ... hat Sie also sich so verhalten, wie Sie das beabsichtigten, daß Sie sich beruhigt ...
Zeuge Win[kler]:
Der Erfolg trat ein ... das führte zum Erfolg, daß sie sich aufrichtete.
RA Be[cker]:
Und war sie dann ruhig, auch als Sie sie da ein bißchen gekrault haben?
Zeuge Win[kler]:
Die Frage hab ich eben nicht verstanden.
RA Be[cker]:
Ob sie dann auch entsprechend ruhig oder sich beruhigend verhielt, als Sie sie gekrault haben.
Zeuge Win[kler]:
Ja, sie war schon vorher ... das ganze zog sich über einen Zeitraum von cirka 15 Minuten hinweg. Sie war schon ruhig, sie hatte auch geraucht. Es sollten ja möglichst gute Aufnahmen werden. Daher war es erforderlich sie weiterhin abzulenken.
RA Be[cker]:
Haben Sie denn während der Aufnahmen noch ... noch gekrault?
Zeuge Win[kler]:
Ja, während der Aufnahmen, nein, während der Aufnahmen nicht.
RA Be[cker]:
Wieso, was, ich meine, bitte, Sie müssen sich da schon genauer ausdrücken.
Vors.:
Lassen Sie doch den Zeugen beantworten. Er hat gerade noch den ... die Korrektur angebracht.
[5499] Zeuge Win[kler]:
Nein, ich konnte ... ich habe nur gekrault, während sie nach vorne, nach unten sich gebeugt hatte, sich nach unten gebeugt hatte.
RA Be[cker]:
Ich habe gegenwärtig keine weitere Frage.
Vors.:
Herr Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
In Ihrer heutigen Vernehmung, Herr Zeuge, haben Sie bekundet, Sie hatten seinerzeit einen Bogen von allen Terroristen. Hab ich Sie da richtig verstanden?
Zeuge Win[kler]:
Ja, das hab ich seinerzeit gehabt, den hab ich seinerzeit gehabt.
RA Dr. He[ldmann]:
Und hab ich Sie richtig verstanden, daß Sie weiter gesagt haben, danach hätten Sie Frau Ensslin erkannt?
Zeuge Win[kler]:
Nein, daraufhin konnte ich sie nicht erkennen, ich habe sie nur gefragt: „Wer sind sie, sind sie Frau sowieso sowieso?“ Wir haben eigentlich eine ganz andere vermutet, man konnte es nicht erkennen, weil sie, glaube auch zuvor geweint hatte, sie hatte einen Gesichtsausdruck, war etwas verwischt, verstört.
RA Dr. He[ldmann][kk]:
Was verstehen Sie unter Terroristen?
Vors.:
Das hat im Augenblick mit der Sachaufklärung nichts zu tun, oder?
RA Dr. He[ldmann]:
Doch, es hat zu tun.
Vors.:
Nämlich?
RA Dr. He[ldmann]:
Mit einer etwaigen Voreingenommenheit des Zeugen, die beweiserheblich wäre.
Zeuge Win[kler]:
Ich habe die Frage eben nicht verstanden, die Sie stellten.
RA Dr. He[ldmann]:
Was verstehen Sie unter Terroristen?
Zeuge Win[kler]:
Was ist darunter verstehe? Terroristen, Anarchisten die vorwiegend Gewalt anwenden bei ihren Straftaten.
RA Dr. He[ldmann]:
Bitte, vorwiegend Gewalt anwenden ...
Zeuge Win[kler]:
Überwiegend Gewalt anwenden.
RA Dr. He[ldmann]:
Und wie sprachen Sie weiter, bitte?
Zeuge Win[kler]:
Bitte?
Vors.:
Bei ihren Straftaten.
RA Dr. He[ldmann]:
Bei ...
Zeuge Win[kler]:
Bei ihren Straftaten Gewalt anwenden.
RA Dr. He[ldmann]:
Bei ihren Straftaten, danke, keine Frage mehr.
[5500] Vors.:
Herr Zeuge, nur um den Vorhalt des Herrn Bundesanwalts nochmals aufzugreifen mit dem „Kitzeln“. Ist es richtig, daß Sie über den Vorgang des Fotografierens später vernommen worden sind?
Zeuge Win[kler]:
Ja, von Beamten der politischen Abteilung K 4 wurde ich gehört.
Vors.:
Ja, das lag aber einige Zeit wohl danach.
Zeuge Win[kler]:
Danach, danach.
Vors.:
Wissen Sie noch etwa wieviel Monate?
Zeuge Win[kler]:
Nein, das weiß ich nicht.
Vors.:
Nicht mehr.
Zeuge Win[kler]:
Ich wußte jetzt diesen Termin nicht mehr, wußte ich auch nicht mehr.
Vors.:
Könnte es sein, daß das der 12. Februar 1975 erst gewesen ist?
Zeuge Win[kler]:
Muß mich ... darauf berufen zu dem, was ich unterschrieben habe, das weiß ich nicht.
Vors.:
Genau richtig, nun zunächst mal die Frage, also wenn Sie damals unterschrieben haben, was besagt das?
Zeuge Win[kler]:
Daß es...
Prof. Dr. Azz[ola][ll]:
Ich beanstande wiederum nicht den Vorhalt, sondern nur die sich an den Vorhalt heran anschließende Frage, weil diese Frage nicht auf die Eruierung von Tatsachen, auch nicht inneren Tatsachen ausgeht, soweit man nicht Vermutungen zu inneren Tatsachen erklärt.
Vors. (nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat beschlossen
die Frage ist zulässig.
Die Frage lautete, um es Ihnen nochmals in Erinnerung zu rufen, wenn Sie eine Vernehmung unterschrieben haben, was besagt das.
RA Be[cker]:
Ist das generell, entschuldigen Sie, die Frage ist nicht die beanstandete Frage.
Vors.:
Ja, wenn Sie diese Vernehmung unterschrieben haben, was besagt das.
[5501] Rechtsanwalt Becker spricht unverständlich weiter.
RA Be[cker]:
Das ist ganz genau das, was nämlich dahinter steckt. So wie sie jetzt in einer Fehlleistung formuliert haben ist genau das, was hier[mm] dauernd beanstandet wird.
Vors.:
Die Frage lautete sonnenklar, wenn Sie die Vernehmung unterschrieben haben, was besagt das.
Zeuge Win[kler]:
Daß ich an dem Tage etwas bekundet habe, was in der Vernehmung steht.
Vors.:
Das heißt also, Sie haben das, was Sie vorher ausgesagt haben, inhaltlich als richtig bestätigt durch Ihre Unterschrift
Zeuge Win[kler]:
Ja, an dem Tage.
RA Be[cker]:
Ich beanstande die Frage ebenfalls. Die Frage ist suggestiv und die übliche ...
Vors.:
Es ist keine Frage mehr, es ist eine Erklärung dessen, was der Zeuge im Augenblick gesagt hat. Es ist keine Frage mehr, es ist nur eine Feststellung, ob es richtig verstanden worden ist, was der Zeuge ...
RA Be[cker]:
Dann ist es doch ne Frage, dann ist es doch ne Frage, Herr Vorsitzender.
Vors.:
Nein, es ist das nicht. Ich habe wissen wollen, ob der Herr Zeuge so ausgedrückt hat wie er, das heißt, so gesagt hat, wie ich eben verstanden habe.
RA Be[cker]:
Wenn Sie sich vergewissern wollen, dann geben Sie nicht die Antwort, sondern stellen Sie eine Frage. Ist es richtig wenn ich Ihre Aussage so zusammenfasse und das ... da ist ein Fragezeichen dranzudenken, deswegen kann ich die Frage auch beanstanden, das wissen Sie auch.
Vors.:
Herr Zeuge, Sie haben im Augenblick gesagt, wenn Sie unterschrieben haben, dann besagt das, daß Sie etwas unterzeichnet haben, was Sie bekundet haben.
Zeuge Win[kler]:
Ja.
Vors.:
Soll man das dahin verstehen, daß Sie die inhaltliche Richtigkeit mit der Unterschrift bestätigt haben?
Zeuge Win[kler]:
Das hab ich seinerzeit bestätigt mit meiner Unterschrift. [5502] Das, was ich unterschrieben habe ist richtig.
Vors.:
Ich halte Ihnen hier nun vor, daß in einem offensichtlich oder möglicherweise wörtlichen Text, wo Frage und Antwort formuliert ist ...
RA Be[cker]:
Ich beanstande die Formulierung „offensichtlich“.
Vors.:
Ich habe gerade schon korrigiert von mir aus, da ich auf die Beanstandung ...
RA Be[cker]:
oder möglicherweise ...
Vors.:
Möglicherweise, möglicherweise in Frage und Antwort ablaufenden Formulierungen Bl. 95 Sie folgendes gesagt haben; das ist Ihnen schon mal vorgehalten worden, aber Sie haben dann den Wortlaut nicht mehr ...
RA Be[cker]:
Haben sollen, ich beanstande die Frage.
Vors.:
„Ich habe ihr auch ermunternd auf die Schulter geklopft und etwas provozierend am Nacken gekitzelt.“
Zeuge Win[kler]:
Das ist richtig.
Vors.:
Sie haben heute das Wort „kitzeln“ nicht mehr aufrechterhalten wollen. Wenn ich Ihnen das nun so vorgehalten habe, kommt Ihnen das wieder in Erinnerung zurück?
Zeuge Win[kler]:
„Kitzeln“ und „Kraulen“ soll identisch sein.
Vors.:
Sollte identisch sein.
Vors.:
Weitere Fragen an den Herrn Zeugen?
RA Be[cker]:
Ja. Herr Zeuge, hätten Sie, wenn Sie damals näher nach dem Wort „Kitzeln“ gefragt wären, die gleiche Erläuterung wie heute gegeben?
Zeuge Win[kler]:
Ja, ich hätte die gleiche Erläuterung gegeben wie heute.
RA Be[cker]:
Beruht das, was Sie heute gesagt haben, über „Kraulen“ und wie das vor sich gegangen ist, welche Wirkung und welches Ziel das gehabt hat, auch auf Ihrer Erinnerung?
Zeuge Win[kler]:
„Kraulen“ und „Kitzeln“?
RA Be[cker]:
Nein, ich meine, was Sie heute ausgeführt haben, wie das tatsächlich abgelaufen ist mit dem Kraulen, beruht das auf Ihrer Erinnerung zu dem ... als auf ... im Hinblick auf den ... auf die Vorgänge bei diesem Fotografieren.
[5503] Zeuge Win[kler]:
Ja, ich habe mich ... ich muß jetzt gestehen, nicht ... die Sachen einsehen lassen, vorlegen lassen, das hab ich aus der Erinnerung her vorgetragen.
RA Be[cker]:
Das heißt also, wenn Sie gewusst hätten, daß das Wort „Kitzeln“ wir so nachgefragt hätten, dann hätten Sie damals schon die Erläuterung gegeben, die Sie heute gegeben haben.
Zeuge Win[kler]:
Oder ich hätte heute sofort „Kitzeln“ gesagt.
RA Be[cker]:
Ja nein, aber Sie sehen ja doch, daß da hier unterschiedliche Wortbedeutungen mit ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich wollte Sie nur darauf hinweisen, sehen Sie, das ist jetzt genau so die Formulierung, die Sie vorhin beanstandet haben.
RA Be[cker]:
Ich nehme sie zurück, ich nehme sie zurück.
Vors.:
Sehen Sie.
RA Be[cker]:
Ich will mich dann schon auch daran halten. Herr Zeuge, meine Frage, vielleicht nochmal zusammengefasst ...
Zeuge Win[kler]:
Ich höre, Herr ...
RA Be[cker]:
Sie haben heute das Wort „Kraulen“, wie Sie das gemacht haben und mit welchem Zweck, erläutert, ja, und auch gebraucht. Entspricht den, das dem, was Sie damals einfach mit dem Sammelbegriff „Kitzeln“ in Ihrer polizeilichen Aussage gemeint haben.
OStA Zeis:
Ich beanstande die Frage, die Frage ist zum wiederholten Male gestellt und beantwortet worden. Herr Rechtsanwalt, ich ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich teile diese Auffassung der Bundesanwaltschaft. Insbesondere hat der Herr Zeuge vorhin auf Ihren Vorhalt hin ausdrücklich erklärt: „Oder aber ich hätte heute sofort das Wort „Kitzeln“ verwendet“ um zu sagen, daß für Ihn die Begriffe identisch sind.
RA Be[cker]:
Aber ich meine, in der Wortbedeutung, die er heute gegeben hat.
Vors.:
Das steht wohl außer Zweifel. Da sind wir uns einig. Keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen? Wir können Sie vereidigen.
Der Zeuge Winkler wurde vorschriftsmäßig vereidigt.
[5504] RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, hätte es nicht nahegelegen, den Zeugen nach § 55[ StPO][24] zu belehren? Ich frage Sie nur ...
Vors.:
Glauben Sie ... also ich sah jedenfalls keinen Anlass dafür. Herr Zeuge, sind Sie jetzt ohnedies noch irgendwie an eine gemeinschaftliche Fahrt nach Hause gebunden mit einem anderen Zeugen? Daß Sie nicht jetzt sofort zurück fahren würden, wenn wir Sie entließen?
Zeuge Win[kler]:
Nein, ich warte auf meinen Kollegen, Herrn Ohland, mit dem würde ich fahren.
Vors.:
Sie fahren gemeinschaftlich. Dann wollen wir jetzt den Herrn Zeugen vorderhand entlassen, aber zunächst Frau Molsen als Zeugin hören und Herrn Ohland erst später und zwar deswegen, weil wir dann im Anschluß an die ausgiebige Betrachtung der Bilder doch den Herren Verteidigern die Gelegenheit geben möchten, sich mit diesem Beweisthema dann auch durch Fragen zu beteiligen. Das heißt also, wir ziehen Frau Molsen jetzt vor. Bitte.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Ich bitte um eine Pause von zehn Minuten.
Vors.:
Zu welchem Behufe?
Prof. Dr. Azz[ola]:
Zwischen den beiden Vernehmungen.
Vors.:
Ich sehe jetzt noch keinen Grund. Wir haben vorhin zehn Minuten Pause einlegen müssen, jetzt schon wieder eine Pause einzulegen.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Wegen der umfangreichen Befragung, die vor uns steht.
Vors.:
Das wollen wir dann sehen, ob die umfangreiche Befragung, die vor Ihnen steht, nicht während der Befragung Anlaß gibt, die Pause zu[nn] geben. Jetzt sehe ich also keinen Grund dafür. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich möchte eine Beanstandung zu Protokoll geben, ich beanstande
daß der Herr Vorsitzende dem Herrn Zeugen Winkler nicht nach § 55[ StPO] belehrt hat, darum, weil „Kitzeln“ eine körperliche Behandlung ist, die durch ihre Wirkung die freie Willensentschließung hinsichtlich des Verhaltens aufheben kann.
[5505] Vors.:
Den Tatbestand, wenn Sie [oo] vielleicht uns noch benennen, Herr Rechtsanwalt. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann, dürfen wir noch den Tatbestand nennen, nach dem sich das ganze richten soll.
RA Dr. He[ldmann]:
Sie meinen die Norm?
Vors.:
Ja.
RA Dr. He[ldmann]:
[§ ]136 a[ StPO][25].
Vors.:
Die Strafvorschrift, er soll ja eine strafbare Handlung begangen haben.
RA Dr. He[ldmann]:
Ach so ...
Vors.:
Nur dann ist der [§ ]55[ StPO] anwendbar.
RA Dr. He[ldmann]:
Der Zeuge Winkler wurde vorläufig[qq] um 10.27 Uhr entlassen.
Die Zeugin Emiliane Molsen erscheint um 10.28 Uhr im Sitzungssaal.
Die Zeugin ist mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.
Die Zeugin Emiliane Molsen wird gem. § 57 u. 55 StPO belehrt.
Die Zeugin Emiliane Molsen machte folgende Angaben zur Person:
Emiliane Molsen, 36 Jahre, Psychologin,
Tübingen, [Anschrift].
Mit den Angeklagten nicht verwandt
und nicht verschwägert. Wegen
Eidesverletzung nicht vorbestraft.
Vors.:
Frau Molsen, ist es richtig, daß Sie in Zusammenhang mit den Fahndungen im Jahre 1972 nachdem was damals als Baader-Meinhof-Gruppe oder Baader-Meinhof-Bande bezeichnet worden ist ...
RA Be[cker]:
Ich beanstande, diese Formulierung hier zu verwenden.
Vors.:
Ich habe die Formulierung nicht verwendet, sondern halte der Zeugin vor, daß das damals gängige Begriffe und Ausdrücke waren, um Sie richtig einzuführen. Es ist nicht meine Formulierung.
[5506] RA Be[cker]:
Zu einer richtigen Einführung ist der Begriff der hier allein zulässig und für das Gericht auch nicht als voreingenommen zu werten, wenn er gebraucht wird, ist Baader-Meinhof-Gruppe und das weitere ist für Informationen und Einführung der Zeugin nicht erforderlich und wird auch vom Gericht nur zur Einstimmung der Zeugin benutzt, nicht zu ihrer Information.
Vors. (nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat beschlossen:
der Vorhalt ist zulässig.
Also die Frage, beziehungsweise die Einführung ging dahin, ob es richtig ist, daß im Zusammenhang mit der Fahndung nach der Personengruppe, die damals unter dem Begriff Baader-Meinhof-Gruppe oder Baader-Meinhof-Bande in der Öffentlichkeit genannt wurde, irgendwelche eigenen Beobachtungen gemacht haben.
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Bitte, wenn Sie uns von sich aus möglichst im Zusammenhang schildern, was Sie davon wissen und dem Gericht mitteilen können.
Zeugin Mo[lsen]:
Ich bin in Kontakt mit Baader und Ensslin gekommen, die in meiner Wohnung waren, und ich habe ursprünglich für die beiden eine Wohnung gesucht in Stuttgart. Sie waren mehrmals bei mir, sie hatten Schlüssel zu meiner Wohnung und sind teilweise auch dort gewesen, wenn ich nicht anwesend war. Wenn sie in meiner Wohnung waren und wenn sie dort andere Leute getroffen haben, dann war ich nicht anwesend in dem Raum, in dem sie mit den Leuten gesprochen haben, und das zog sich hin zwischen Februar 72 und bis Ende April 72 und dann habe ich ... ich hatte eine Wohnung gefunden und hab sie dann nicht genommen und bin ausgestiegen, wie man sagt.
Vors.:
Das ist der grobe Umriß dessen, was Sie insgesamt dem Gericht hier mitteilen können. Wir wollen nun doch noch einige Einzelheiten fragen. Ist es richtig, daß Sie aufgrund [5507] eines Ihnen bekannten Mittelsmannes dazu veranlaßt wurden, das zu tun?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Haben Sie Bedenken, den Namen zu nennen des Mittelsmannes, ich meine, Sie haben seinerzeit ja die entsprechenden Vorhalte, nachdem dessen Name anderweitig bekannt geworden war, auch mit ja bestätigt, so daß ich Ihnen auch den Namen vorhalten könnte. Und wenn es Ihnen so lieber ist, ist es richtig, daß es sich um den Rechtsanwalt Jörg Lang gehandelt hat?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Ja. Die Bitte ging also, wenn ich Sie richtig verstehe, dahin, daß Sie für eine Wohnung besorgt sein sollten.
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Und so lange die Wohnung noch nicht existierte, Übernachtungsmöglichkeiten geben sollten ...
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
... für Leute, die Sie doch damals wohl am Anfang gar nicht kannten, oder wußten Sie von vorne herein, um wen es sich handeln würde?
Zeugin Mo[lsen]:
Nein.
Vors.:
Haben Sie von irgend jemand einen Hinweis bekommen, daß es sich, weil Sie die Namen nannten, um Baader und Ensslin handle?
Zeugin Mo[lsen]:
Nein.
Vors.:
Woraus haben Sie dann die Kenntnis bezogen, daß Sie mit den beiden zusammen gekommen sind?
Zeugin Mo[lsen]:
Ich habe Baader erkannt und Ensslin hatte ich nicht erkannt. Das hab ich dann erst später rausbekommen.
Vors.:
Durch welche Umstände?
Zeugin Mo[lsen]:
Daß Sie dann darauf hinwies, daß sie sagte, sie sei eine Pfarrers-Tochter.
Vors.:
Da schlossen Sie zurück und hat sich diese Mutmaßung, die Sie daran knüpften, wohl irgendwie noch bestätigt, erhärtet, etwa in dem Sinn, und fragten direkt, seid ihr wirklich [5508] die oder jene oder haben Sie sonstige Abstützungen gefunden für Ihre Annahme?
Zeugin Mo[lsen]:
Ich habe halt nach Fahndungsfotos geguckt.
Vors.:
Und bestätigt gefunden, was Sie [rr] vermuteten?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Ja. Die zwei, von denen Sie jetzt sprechen, haben die in Ihrer Wohnung auch genächtigt?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Könnten Sie sagen, in dem Zeitraum, den Sie vorhin umrissen haben, wie oft etwa?
Zeugin Mo[lsen]:
Ich weiß es nicht genau. Vielleicht 2 mal, 3 mal, das weiß ich nicht exakt.
Vors.:
Die früheren Zahlen gingen wohl etwas höher. Aber Sie haben’s heute noch so im Gedächtnis, 2 bis 3 mal. Sind da noch weitere Personen hinzu gekommen in dem Zeitraum?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja, es haben noch andere übernachtet.
Vors.:
Haben Sie Gelegenheit gehabt dabei, Frau Molsen, zu ... festzustellen, um was es dort ging, was sie dort taten?
Zeugin Mo[lsen]:
Ich habe kein Interesse daran gehabt.
Vors.:
Ja nun, die Frage geht nur, konnten Sie Feststellungen treffen, das kann man auch, wenn man nicht interessiert ist.
Zeugin Mo[lsen]:
Nein, weil sie in einem geschlossenen Raum waren.
Vors.:
Also die hatten einen separaten Raum für sich.
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Und nun, wer hat Ihnen den Auftrag oder die Bitte gegenüber geäußert. Ich weiß nicht, wie man’s begreifen sollte, daß Sie die Wohnung beschaffen, der Mittelsmann oder die beiden.
Zeugin Mo[lsen]:
Die beiden.
Vors.:
Die beiden. Haben Sie an die Wohnung, was die für Eigenschaften haben müsse, irgendwelche Vorstellungen geknüpft?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja schon, ich weiß jetzt bloß nicht, wer das genau gesagt hat, daß die Wohnung halt möglichst optimale Fluchtmöglichkeiten haben sollte.
Vors.:
Optimale?
Zeugin Mo[lsen]:
Fluchtmöglichkeiten.
[5509] Vors.:
Fluchtmöglichkeiten.
Zeugin Mo[lsen]:
Das wäre ... also anonym, wo ein Aufzug, Tiefgarage wenn es geht, oder solche Dinge ...
Vors.:
Und aufgrund dieser Bitte sind Sie also doch wohl tätig gewesen ...
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
... um zunächst zu sehen, ob Sie eine geeignete Wohnung finden.
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Ist das richtig. Haben Sie eine solche gefunden?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja, ich hatte eine gefunden in Stuttgart in der Pischekstraße.
Vors.:
In der Pischekstraße. Ist es richtig, daß darüber sogar schon ein Mietvertrag abgeschlossen worden ist?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Die Ablichtung des Mietvertrages aus Bd. 52 Bl. 213 wurde in Augenschein genommen.
Sie wurde der Zeugin übergeben mit der Bitte, sich zu äußern, ob es ihr irgendetwas besage.
Vors.:
Ich muß darauf hinweisen, daß es sich hier um eine Ablichtung handelt, Sie sollten also insbesondere darauf sehen, ob Sie anhand, etwa des Datums oder der Unterschrift irgend etwas besonderes dazu sagen können.
Zeugin Mo[lsen]:
Die Handschrift, das ist ja meine Unterschrift und da vorne, das mit der Konto-Nummer, das hab ich auch geschrieben.
Vors.:
Kann man davon ausgehen, daß Sie anhand dieser soeben besichtigten Urkunde die Meinung vertreten, es handle sich hier um eine Ablichtung des Mietvertrags, den Sie damals geschlossen haben.
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Ja. Danke. Aber benutzt wurde die Wohnung tatsächlich dann, wie Sie sagten, nicht, denn Sie sind vorher ausgestiegen. Sind Sie mit irgendwelchen Geldmitteln versorgt worden um das zu bewerkstelligen?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Was bekamen Sie, können Sie uns das angeben, a) Summe und b) Währung? [5510] Sie werden sich über die Fragen wundern, aber ...
Zeugin Mo[lsen]:
Ich meine grob, Unterlagen sind ja exakter vorhanden, nicht? Ich glaub, daß das[ss] so rund 6700 DM waren, und teilweise waren sie in Dollar-Währung.
Vors.:
Nun würden noch ... das heißt, ich möchte Ihnen zunächst noch vorhalten, Sie meinten, die zwei hätten die Wohnung etwa zwei bis dreimal bei Ihnen aufgesucht. Sie haben, das halte ich Ihnen ...
Zeugin Mo[lsen]:
Aufgesucht öfters, aber nur mit dem übernachten.
Vors.:
Aufgesucht öfters, übernachtet ja. Wie oft meinen Sie dann aufgesucht, um diese Unterscheidung zu machen?
Zeugin Mo[lsen]:
Vielleicht zehnmal.
Vors.:
Zehnmal.
Zeugin Mo[lsen]:
Ich kann ... also das wird exakter da drin stehen, als ich das sagen kann hier.
Vors.:
Haben Sie einen Wohnungsschlüssel überlassen?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja.
Vors.:
Ja. Sind die Personen nun ohne Vorankündigung gekommen, einfach Kraft des Schlüssels oder ist da irgendwas voraus gegangen?
Zeugin Mo[lsen]:
Meistens mit Vorankündigung, also ich glaub immer eigentlich.
Vors.:
Ja und in welcher Art? Wie wurde vorangekündigt, schriftlich oder ...
Zeugin Mo[lsen]:
Nein, telefonisch.
Vors.:
Telefonisch, und wer hat da vorangekündigt?
Zeugin Mo[lsen]:
Das weiß ich jetzt nicht mehr, wer das im einzelnen war.
Vors.:
Früher haben Sie zumindest für die ersten ... für das erste Mal erwähnt, das sei der Mittelsmann gewesen, der die Vorankündigung gegeben hat. Könnte das stimmen?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja, das kann sein. Ich weiß es nicht mehr.
Vors.:
Wenn nun ein Telefonanruf erfolgte, haben sich da, nehmen wir mal an, es sei doch durch die beiden geschehen, haben sie sich mit klarem Namen angegeben oder wurden da Decknamen verwandt, wie ist das geschehen?
Zeugin Mo[lsen]:
Das weiß ich jetzt nicht mehr genau, aber es könnte genauso gut sein, daß sie sagen: „Ich komme“ und ich erkenne die [5511] Stimme und es fällt gar kein Name.
Vors.:
Haben Sie überhaupt noch eine Vorstellung, ob Sie beobachtet haben, während der Anwesenheit der Personen, daß andere Namen verwandt wurden oder überhaupt welche Namen verwandt wurden.
Zeugin Mo[lsen]:
Ich weiß, daß die Ensslin sich mit „Friedel“ anreden ließ, aber ...
Vors.:
Friedel hat sie ...
Zeugin Mo[lsen]:
Bitte?
Vors.:
... hat sie auch, wenn sie mit Ihnen gesprochen hat, sich unter diesem Namen bekannt gemacht oder wie ist das?
Zeugin Mo[lsen]:
Nein, sie sagte, nenn mich Friedel, da war implizit ... so kannst du mich ... das ist der Deckname.
Vors.:
Nun, ich wollte nur wissen, ob Sie das gehört haben im Gespräch anderer mit Frau Ensslin oder ob Sie selbst die Erfahrung gemacht haben.
Zeugin Mo[lsen]:
Nein.
Vors.:
Und wie ist das bei Herrn Baader gewesen?
Zeugin Mo[lsen]:
Da ist kein Deckname entstanden.
Vors.:
Wie ist er angeredet worden?
Zeugin Mo[lsen]:
Mit, „du“.
Vors.:
Mit „du“, keinem Namen, speziell?
Zeugin Mo[lsen]:
Ohne Namen, ja.
Vors.:
Nun interessieren bestimmte Einzelheiten, von denen Sie früher berichtet haben, ich weiß nicht, ob Sie selbst aus dem Gedächtnis noch in dieser Richtung etwas sagen können. Nehmen wir mal das unter dem Stichwort „Bewaffnung“. Können Sie dazu etwas sagen?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja, ich weiß, daß Baader bewaffnet war und daß ’ne Pistole rumlag oft im Wohnzimmer.
Vors.:
Haben Sie erfahren, was das bedeuten sollte, ist dazu irgendwie mal ein Kommentar von irgend jemand gegeben worden und wenn ja, von wem.
Zeugin Mo[lsen]:
Das weiß ich nicht ob ... also ich meine, daß irgendwie dadrüber gesprochen worden ist, wenn jetzt dann die Polizei auftauchen würde, daß wir dann schon bewaffnet sein wollten, das war klar.
[5512] Vors.:
Entschuldigung, ich habe jetzt den Satz nicht ganz verstanden, wann wollten Sie bewaffnet sein?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja, falls die Polizei auftaucht.
Vors.:
Und ist da noch näheres dazu bemerkt worden, was dann geschehen solle?
Zeugin Mo[lsen]:
Nein.
Vors.:
Was besagte das für Sie damals, für sich selbst zu sagen, wir wollen bewaffnet sein, für den Fall, daß die Polizei auftaucht?
Zeugin Mo[lsen]:
Das ist wohl nicht relevant, was es für mich besagt hat.
Vors.:
Nun, es ist insofern relevant, als wir Sie auch nach inneren Vorstellungen, nach inneren Tatsachen also fragen können, weil nämlich möglicherweise daran weitere Fragen zu knüpfen sind.
Zeugin Mo[lsen]:
Dazu sage ich jetzt nichts.
Vors.:
Wollen Sie nichts sagen.
Zeugin Mo[lsen]:
Nein.
Vors.:
Warum? Was Sie selbst für Vorstellungen hatten wollen Sie sich nicht äußern im Hinblick auf die Belehrung vorhin.
Zeugin Mo[lsen]:
Nee, das will ich jetzt nicht.
RA Be[cker]:
Ich beanstande die Frage im übrigen auch. Ich bin der Meinung, daß Sie hier suggestiv im Anschluß an die Frau ... Antwort ist, die die Zeugin hier gegeben hat und daß Sie im übrigen zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Und im übrigen bitte ich, vielleicht um die ... das Verfahren das hier vom Senat eingeschlagen wird, auch hier einzuschlagen. Ich stelle die Beanstandung noch einmal zurück und bitte den Herrn Vorsitzenden, erst mal zu erläutern, was er mit der Frage bezweckt und dann ... dann werde ich ...
Vors.:
Ich verweise Sie dazu auf Blatt 50 mittleren Absatz und Blatt 94 unterer Absatz, daraus ergibt sich das, und dann werden Sie vielleicht daraus feststellen, daß ich in der behutsamsten Form hier frage. Ich könnte es viel einfacher machen und direkter. Es ist also ... [5513] ... ich werde Ihrer Beanstandung ... Ihrer Beanstandung werde ich insofern Raum gehen, als ich jetzt den direkten Vorhalt mache.
RA Be[cker]:
Gut.
Vors.:
Frau Zeugin, es hat laut Unterlagen eine Vernehmung stattgefunden am 13. Mai 1972, das halte ich Ihnen vor aus Bl. 44 der Akten.
RA Dr. He[ldmann]:
Ich beanstande den Vorhalt.
Zeugin Mo[lsen]:
Was für eine Vernehmung ...
RA Dr. He[ldmann]:
Ich beanstande den Vorhalt Herr Vorsitzender.
Vors.:
Ich frage jetzt zunächst mal, kann das ...
RA Dr. He[ldmann]:
Die Zeugin hat gesagt, daß sie die Frage nicht beantworten will und jetzt versuchen Sie, die Frage in die Form[tt] des Vorhalts zu kleiden. Dieser Vorhalt ist unzulässig, [uu] ich beanstande das als[vv] unzulässig.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, es fällt Ihnen offenbar schwer, hier bei den Fakten zu bleiben. Ich habe die Frage nicht an die Frau Zeugin gestellt. Es geht also ... ich halte Ihnen vor, daß am 15. Mai 72 eine Vernehmung hier verzeichnet ist und ich wollte Sie fragen, kann es möglich sein, daß Sie zu diesem Zeitpunkt polizeilich vernommen worden sind?
Zeugin Mo[lsen]:
Ich meine ... können Sie nicht sagen, was es jetzt für eine Vernehmung ist, ich bin oft vernommen worden und zu vielen Terminen.
Vors.:
Das kann ich Ihnen sagen ...
Zeugin Mo[lsen]:
Oder wer die Vernehmung gemacht hat.
Vors.:
Ja, das will ich gerade nun feststellen. Es war wohl Herr Mondry.
Zeugin Mo[lsen]:
Mondry, ja.
Vors.:
Und es hat eine Angestellte namens Patschger mitgeschrieben, erinnern Sie sich an diese Vernehmung?
Zeugin Mo[lsen]:
Ja, im einzelnen nicht, an den Herrn Mondry ja.
Vors.:
Auf Seite 6 dieser Vernehmung, Bl. 50 des Bandes 52 ...
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender, Beanstandung, unzulässig. Wenn es identisch ist mit der Frage, die Sie eben an die Zeugin, ja ich verweise auf § 252[ww][ StPO][27] ...
[5514] Vors.:
Ich will jetzt einen Vorhalt machen und zwar diesen Absatz der Frau Zeugin vorhalten ...
RA Be[cker][xx]:
Diesen Vorhalt gibt es nicht.
Vors.:
Doch.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, wenn Sie ... wenn Sie den Vorhalt zu dem Zwecke machen, mit dem Sie ihn angekündigt haben, nämlich die Fragen noch viel härter zu stellen als die vorher gestellt worden ist, wo die Zeugin von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht ... gemacht hat, dann ist es genau der Fall, wo das Gericht versucht, dieses Aussageverweigerungsrecht der Zeugin, auf das Sie sie selber vorhin hingewiesen haben, zu unterlaufen und genau das ist unzulässig und deswegen muß die Frage auch beanstandet werden.
Vors.:
Überlassen Sie’s doch möglichst der Frau Zeugin, ich glaube, sie wird sich selbst entscheiden können, ob sie aussagen ...
RA Dr. He[ldmann]:
Sie hat geantwortet ... nein die Verlesung ist nach [§ ]252[yy][ StPO] unzulässig.
Vors. (nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat soeben beschlossen
der Vorhalt ist zulässig.
Blatt 50 halte ich Ihnen jetzt vor, folgenden Text, der von Ihnen stammen soll: „Stets waren beide darauf gefasst, von Kriminalbeamten mit Maschinengewehren aufgestöbert zu werden. Baaders Pistole lag immer griffbereit im Wohnzimmer herum, manchmal mit einer Zeitung zugedeckt. Wo Baader diese Pistole am Körper, trug, kann ich nicht sagen. Halfter habe ich keinen gesehen. Ob Ensslin eine Pistole hatte, weiß ich nicht. Beide betonten, im Nahen Osten (Zeitpunkt nicht bekannt) gewesen zu sein, wo sie im Schießen ausgebildet worden seien. Sie äußerten, daß im Falle des Aufgestöbertwerdens sie auf jeden Fall sich ihren Fluchtweg freischießen würden. Sie waren sich bewußt, daß sie zu jeder Zeit durch die „Bullen“ erschossen werden können.“ - Das eben erwähnte äußerten Baader und Ensslin. Insoweit der Vorhalt, das sollen Sie gesagt haben in dieser Vernehmung.
RA Dr. He[ldmann]:
Der Vorhalt war unzulässig nach [§ ]252[ StPO].
[5515] RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, wenn ich, bitte, wenn eine solche Beanstandung passiert und sie insbesondere begründet wird mit § 252[zz][ StPO] dann bitte ich doch, erstens, das genau zu prüfen, und zweitens eine Begründung, die über die Wiederholung des gesetzlichen Wortlauts in formelhafter Weise hinausgeht, das zu begründen, wenn Sie das ablehnen, die Beanstandung.
Prof. Dr. Azz[ola]:
Herr Vorsitzender, die von Ihnen eingeschlagene[aaa] Praxis hat in der deutschen Rechtsgeschichte, nämlich in der Judikatur des Reichsgerichts, ein Vorgänger aus dem Jahre 1939 2. Strafsenat im 72. Band.[28] Dieser Strafsenat hat[bbb] Geschichte gemacht.[29]
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, was Sie im Augenblick sagen, ist eine Ungehörigkeit, die ich zurückweise. Die Taktik, die hier angewandt wird, ist eine absolut legale bei jedem Gericht und bisher auch immer unbeanstandet hingenommene Art des Vorhaltes. Der Senat hat ...
Vors. (nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat beschlossen
der Vorhalt ist zulässig.
Frau Zeugin, die Frage an Sie. Können Sie sich an den Inhalt dieser Angabe erinnern?
Zeugin Mo[lsen]:
Diffus.
Vors.:
Diffus, also das heißt nicht mehr präzise.
Zeugin Mo[lsen]:
Nicht mehr präzise.
Vors.:
Was wäre von den Erinnerungsteilen, die Sie noch haben, noch einigermaßen greifbar für Sie.
Zeugin Mo[lsen]:
Eben der ... die Tatsache, daß er immer auf der Hut ... damit rechneten, daß die Polizei kommt.
Vors.:
Und wie steht es mit dem weiteren Inhalt, daß Sie geäußert haben sollten, sie würden sich auf jeden Fall ihren Fluchtweg freischießen?
RA Dr. He[ldmann]:
Die Zeugin hat gesagt, daß sie diese Frage nicht beantworten will. Sie können doch nicht nach eigener Belehrung ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, jetzt bitte ich aber mich endlich nicht ständig zu unterbrechen und wenn, dann sachlich richtig. Sie haben vorhin bemerkt, daß die Zeugin auf die Frage [5516] nach einer inneren Tatsache, nämlich ihren eigenen Vorstellung sagte, hierauf will ich nichts sagen. Hier dreht’s sich nicht um ihre eigenen Vorstellungen sondern um Angaben, die sie früher gemacht hat. Bitte diesen Unterschied aber jetzt wirklich mal wahrzunehmen.
RA Be[cker]:
Ich werde Ihnen das jetzt nochmal genau ... genau den ...
Vors.:
Ich habe jetzt die Frage gestellt und lasse mir von Ihnen nicht dauernd dazwischenreden.
RA Be[cker]:
... ich beanstande ... ich beanstande ebenfalls ...
Vors.:
Danke, das können Sie tun.
RA Be[cker]:
... begründe das. Die Zeugin hat vorher ausgesagt, die beiden wollten bewaffnet sein, falls [ccc] die Polizei auftaucht und daraufhin ist die Frage gestellt worden von Ihnen, was dachten Sie denn, was sie dann tun würden und daraufhin hat die Zeugin gesagt, dazu möchte ich keine Angaben machen, das heißt ...
Vors.:
Genau das hab ich eben gesagt.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, lassen Sie mich doch bitte ausreden. Ich werd’s bei Ihnen auch versuchen. Wenn das so ist, dann will die Zeugin zu einem weiteren Satz, der einen eventuellen Schußwaffengebrauch oder die erklärte Absicht hier zu ... durch die beiden Angeklagten, die sie gesehen haben will, keine Angaben machen und dann ist sowohl ein Vorhalt, nachdem sie erst in der Hauptverhandlung von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, gemäß § 252[ StPO] unzulässig und dabei geht es nicht nur um die einzelne Frage, sondern es geht auch um die Variierung von Fragen, denn hier fragen Sie ja schließlich praktisch um den heißen Brei herum und diese Unzulässigkeit gilt auch für die Fragen in Variationen, die Sie jetzt stellen.
Ende von Band 301.
[5517] Vors. (nach geheimer Umfrage):
Der Senat hat beschlossen
die Frage ist zulässig.
Ich muß sie Ihnen nochmals formulieren, weil Sie sie sicher inzwischen vergessen haben. Sie haben uns gesagt, ich erinnere mich noch, daß Sie sich dauernd in der Gefahr sahen von der Polizei aufgestöbert zu werden und ich habe Sie nun nach dem weiteren Inhalt dieser von Ihnen nach dem Text stammenden Äußerungen gefragt, ob Sie auch noch eine Erinnerung daran aufbringen, daß geäußert worden sei, im Falle des Aufgestöbertwerdens würde man sich auf jeden Fall den Fluchtweg freischießen.
Zeugin Mol[sen]:
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.
Vors.:
Sie haben vorhin erwähnt, daß Sie sich dieser Aussage, diese Vernehmung an sich erinnern mit Herrn Mondry. Zunächst mal generell, waren Sie damals bemüht die Wahrheit zu sagen?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
Vors.:
Dann möchte ich Ihnen gem. § 249[ StPO][30] diese Passage ...
Frau Zeugin, es ist also hier bevor man[ddd] verliest, nochmals der Wunsch aufgetaucht, Sie zu fragen, was nun dieses diffuse Rückerinnern bei Ihnen bedeutet?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, daß klar war, daß sie Angst hatten, daß die Polizei kommen würde. Ich weiß jetzt nicht was Sie genau meinen. Ich weiß nicht ... können Sie den Wortlaut wiederholen in dem ich das gesagt hab.
Richter Dr. Foth:
Der Herr Vorsitzende hat vorhin vorgelesen also gerade diese Äußerung wo auch drinnen stand, Sie würden sich dann letztendlich auf jeden Fall den Fluchtweg freischießen und auf die Frage, ob Sie sich daran erinnerten sagten Sie, „ja, ich entsinne mich noch diffus“ und jetzt geht’s[eee] uns darum, was ist da diffus, wessen erinnern Sie sich noch und wessen erinnern Sie sich nicht mehr. Daß die Polizei kommt und daß man da Waffen hat, das besagt mir noch nichts darüber was man dann mit den Waffen tut. Man kann Warnschüsse abgeben oder was weiß ich. Was haben Sie gesagt, was verstehen Sie darunter?
Zeugin Mol[sen]:
Das weiß ich nicht mehr. Also ich kann mich nicht mehr daran erinnern, daß ich das gesagt hab mit dem Weg freischießen, was da drin steht; da kann ich mich einfach nicht mehr erinnern.
[5518] Richter Dr. Fo[th]:
Und das diffus bezog sich dann worauf?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, ganz allgemein, ich meine das sind Lücken, das kann ich nicht mal jetzt Ihnen exakt sagen worauf ich das beziehe, weil das ja Lücken sind oder bzw. mehr ist nicht da jetzt.
Richter Dr. Fo[th]:
Danke.
Vors.:
Ja, es wird trotzdem nochmals die Bitte herangetragen, daß man Ihnen im Rahmen dieses, dieser Passagen noch einige Stichworte vorhält, ob das die diffuse Erinnerung wieder etwas verfestigt, nämlich zunächst, Sie haben gehört, daß in dieser Passage auch mal der Nahe Osten erwähnt wird. Bringt das etwas in Ihre Erinnerung zurück?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, ich weiß, daß davon gesprochen worden ist, sie sagten sie seien ausgebildet worden dort.
Vors.:
Ausgebildet in was?
Zeugin Mol[sen]:
Ich glaube im Schießen.
Vors.:
Ja.
(nach geheimer Umfrage) Es bleibt nun also bei meiner Entscheidung, daß Ihnen gem. § 253[ StPO][31] die Passage von der Sie sagen sie sei Ihnen nicht mehr in Erinnerung, auch nicht mehr im diffusen Bereich, vorgelesen wird aus Band ...
RA Dr. He[ldmann]:
(Anfang unverständlich) ... Antrag, Antrag ...
Vors.:
Augenblick ... aus Band 52, S. 50 beginnen bei „sie äußerten ... “ bis zu dem Wort „Ensslin“. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
(Anfang unverständlich) ... Antrag nach § 255[ StPO][32]
auf Protokollierung.
Vors.:
Ist protokolliert.
RA Dr. He[ldmann]:
Des Grundes dieser Vorlesung?
Vors.:
Weil die Frau Zeugin auch bei Vorhalt nicht mehr im Stande war ihr Gedächtnis dahin aufzufrischen, ob sie das gesagt hat oder nicht, deswegen wird ihr in diesem Zusammenhang gem. § 253[ StPO] dies vorgelesen.
Der Vorsitzende verlas gem. § 253 StPO aus Band 52 die Seite 50 von „Sie äußerte“ bis „Ensslin“.
Sie sagen, Sie haben keine Erinnerung mehr an dieses eben Vorgelesene, daß Sie das gesagt haben, deswegen jetzt die Frage an Sie, haben Sie damals als Sie diese Aussagen gemacht haben, sich die ... bemüht die Wahrheit anzugeben oder wäre es denkbar, [5519] daß Sie damals Dinge den Polizeibeamten mitgeteilt haben, die Sie gar nicht von Ihrem Erinnerungsbild oder in Ihrem Gedächtnis hatten?
Zeugin Mol[sen]:
Na, ich habe mich schon bemüht, die Wahrheit zu sagen.
Vors.:
Ich darf Ihnen auch hier Ihre Unterschrift vorlegen.
Der Zeugin Molsen wird Bl. 52 aus Band 52 vorgelegt mit der Bitte zu erklären, ob die Unterschrift von ihr stammt.
Zeugin Mol[sen]:
Ja, das ist meine Unterschrift.
Vors.:
Sie anerkennen diese Unterschrift. Vor dieser Unterschrift, das halte ich Ihnen aus Bl. 52 letzten Absatz vor, heißt es: „Meine Angaben entsprechen der Wahrheit, sie wurden größtenteils von mir laut in die Maschine diktiert, in Folge Zeitmangels verzichte ich daher auch auf ein nochmaliges Durchlesen der Vernehmung.“ Zunächstmal die Frage: Können Sie heute noch unterscheiden, welche Teile Sie selbst diktiert haben und welche nicht?
Zeugin Mol[sen]:
Ich hab ... ich kann nur soviel sagen, daß ich immer den Wortlaut kontrolliert habe, also das heißt, wenn jemand anders den Text vorformuliert hat und er hat mir nicht in den Kram gepaßt, dann habe ich ihn umformuliert.
Vors.:
Wenn das zutrifft, dann müßte man aber davon ausgehen, daß diese Formulierung, wie sie enthalten ist in Bl. 50 und Ihnen eben vorgelesen wurde, Ihre Billigung gefunden hat bei der Vernehmung. Kann man davon ausgehen, daß Sie das mit Ihrer Unterschrift auch ausdrücken wollten?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
Vors.:
Frau Zeugin, dann noch einige Details aus Ihren Beobachtungen. Ist es richtig, daß Sie zwischenzeitlich versuchten, es auch gegenüber Ihren Besuchern klarzumachen, daß Sie nicht mehr mitmachen wollten?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
Vors.:
In welcher Form ist das geschehen?
Zeugin Mol[sen]:
Ich hab es mündlich gemacht und ich habe einmal einen Brief geschrieben.
Vors.:
Und was war das Schicksal dieses Briefes?
Zeugin Mol[sen]:
Naja, daß sie ... es war ein Brief ... ein paar sachliche [5520] Details, die haben sie weggeworfen und den andern haben sie mir zurückgegeben und haben gesagt, ja, ich sollte den mal in 3 Jahren wieder durchlesen.
Vors.:
Zu welchem Zwecke?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, um grob zu schauen, was ich psychologisch für einen Blödsinn mache mit den Begründungen, die ich auch bringe.
Vors.:
Können Sie uns noch das Aussehen des Herrn Baader schildern, insbesondere würde die Haarfarbe interessieren, wie er bei Ihnen aufgetreten ist?
Zeugin Mol[sen]:
Ich habe nur ganz diffus in Erinnerung, daß die Haare gefärbt waren und daß ich das damals angegeben hab und daß ich, glaube ich, aber ich meine die Haarfarbe, die war so rötlichbraun. Das weiß ich aber exakter nicht.
Vors.:
Wissen Sie heute nicht mehr.
Zeugin Mol[sen]:
Ich meine, ich hätte gesehen, daß die Haare gefärbt waren.
Vors.:
Ich will Ihnen dann vorhalten aus Bd. 52 Bl. 48 oben, daß Sie hier gesagt haben zur Haarfarbe: „Blond gefärbtes Haar mit rötlichem Einschlag“. Bringt das Ihre Erinnerung zurück? Können Sie nicht mehr sagen. Können Sie wenigstens unterscheiden, Sie sagten gerade rötlichbraun, war es eine Haarfarbe, die ins hellere ging oder ...?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, ins hellere.
Vors.:
Mehr ins hellere. Sie haben sich mal geäußert über die Zigarettenmarke oder Sie sollen sich mal geäußert haben über die Zigarettenmarke, die geraucht worden sei, auch das würde interessieren. Wissen Sie noch, ob davon gesprochen wurde und was Sie angegeben haben?
Zeugin Mol[sen]:
Ich weiß, daß ich was angegeben habe, aber ich weiß jetzt z. B. nicht mehr, ob Gauloises oder Guitanes waren, das weiß ich nicht mehr.
Vors.:
Könnte es sein, daß Sie zunächst auch damals geschwankt haben, welche Marke es sein könnte und sich dann für eine Marke entschieden haben?
Zeugin Mol[sen]:
Das kann ich Ihnen nach drei Jahren nicht mehr sagen, ehrlich.
Vors.:
Also es kam in Betracht jedenfalls, wie Sie sagten, Gauloises oder Guitanes, nicht? Dann erinnern Sie sich, ob im Gespräch irgendwelche Hinweise für Sie sichtbar wurden, daß die beiden an irgendwelchen Straftaten beteiligt gewesen sein könnten oder solche beabsichtigten für die Zukunft?
[5521] Zeugin Mol[sen]:
Ich habe keine konkreten Hinweise gehabt, keine Beweise. Ich hab meine Vermutungen angestellt wie jeder andere auch.
Vors.:
Hat Ihnen niemand von den Beiden erklärtermaßen mal irgendetwas über Straftaten gesagt?
Zeugin Mol[sen]:
Nicht das ich wüßte. Ich weiß eine Geschichte daß irgendwo mal eine Flucht stattgefunden hat, wo es zu einer Schießerei mit der Polizei kam. Das war ... ich weiß aber nicht mehr genau, ob das die Ensslin war oder nicht, aber das ist ja noch keine Straftat.
Vors.:
Wenn Sie das noch ein bißchen näher schildern wollten was Ihnen davon insgesamt in Erinnerung ist?
Zeugin Mol[sen]:
Das es irgendwo im Ruhrpott war und daß sie überrascht worden sind von der Polizei und dann geflohen sind und daß es zu einer Schießerei kam, mehr weiß ich nicht mehr.
Vors.:
Wer hat geschossen, ist das erwähnt worden?
Zeugin Mol[sen]:
Nein. Die Polizei hat schon geschossen, soweit ich mich erinnere.
Vors.:
Die Polizei. Ja, uns interessiert auch, ob z. B. geredet worden, daß sie auch geschossen hätten.
Zeugin Mol[sen]:
Das weiß ich nicht mehr.
Vors.:
Ist es in Verbindung mit irgendeinem anderen Thema besprochen worden oder kam das so ganz aus sich heraus?
Zeugin Mol[sen]:
Das weiß ich nicht mehr.
Vors.:
Können Sie nicht mehr sagen. In dem Zusammenhang halte ich Ihnen aus Bl. 94 des 52 vor, daß Sie gesagt haben sollen, die zwei hätten sich geäußert, sie wären nicht mehr so blöd sich noch einer ... „sie wären nicht so blöd sich noch einmal erwischen zu lassen“. Frage, könnte es sein das im Zusammenhang ... erinnern Sie sich daran? Wissen Sie nicht mehr?
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
Rechtsanwalt Schwarz verläßt um 11.04 Uhr den Sitzungssaal
Vors.:
Aus Bl. 51 des Bandes 2. Absatz oben wird Ihnen vorgehalten, daß Sie dort gesagt haben sollen, „auf Fragen des vernehmenden Beamten erkläre ich, daß von Gudrun Ensslin über Banküberfälle mir gegenüber gesprochen worden ist.“
Zeugin Mol[sen]:
Ich kann mich nur daran erinnern, daß ich als ich die Dollars bekam dachte, na die[fff] könnten ja von Banküberfällen stammen, weil es Dollars waren.
[5522] Vors.:
Und wenn ich Ihnen jetzt diesen Satz so vorhalte?
Zeugin Mol[sen]:
Wissen Sie was meine Vermutung waren und was ich wirklich durch Tatsachen bekommen hatte, das ist für mich persönlich egal, verstehen Sie, ich meine in meiner Erinnerung.
Vors.:
Selbstverständlich, Frau Molsen, das verstehen wir gut. Nur versuchen wir eben hier im Zusammenhang mit Ihren Vernehmungen, die ja auch lange zurückliegen, Ihnen wieder Passagen in Erinnerung zu rufen, damit vielleicht sich daran Ihr Erinnerungsbild wieder auffrischt. Wo das nicht der Fall ist, haben Sie selbstverständlich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zu sagen, es fällt mir dabei nichts ein. Frau Molsen, erinnern Sie sich daran, daß Sie möglicherweise nicht nur durch Vernehmungen Ihre Beobachtungen mitgeteilt haben, sondern auch noch einen andren Weg beschritten haben um Ihnen Bekanntes mitzuteilen?
Zeugin Mol[sen]:
Können Sie die Frage nicht deutlicher formulieren?
Vors.:
Ich mache es möglichst undeutlich um ganz von der Ferne her zu fragen, damit man eben sehen kann, ob Sie das im Gedächtnis noch irgendwo haben. Kann es möglich sein, daß Sie von sich aus einmal ein Schreiben abgefaßt haben?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, das habe ich. Ja, das ...
Vors.:
Und welchen Zweck hatte dieses Schreiben?
Zeugin Mol[sen]:
Das war um die Zeit der Sprengstoffattentate und da ist mir eingefallen ...
Vors.:
Ich darf die Beteiligten auf Blatt 55/56 hinweisen.
Zeugin Mol[sen]:
... daß ich irgendwo mal so das Wort „TNT“ gelesen hatte in einem Druck, der in einem Päckchen war, das bei mir abgegeben worden und das ich aus Versehen geöffnet hatte und das ist mir nachher eingefallen und dann habe ich das, glaube ich an die ... nach Karlsruhe geschickt, ich weiß nicht mehr.
Vors.:
Können Sie das mit dem Päckchen etwas noch präzisieren, wie ist das gegangen, wie kam das Päckchen, warum haben Sie es aufgemacht?
Zeugin Mol[sen]:
Weil da auf dem ... das Päckchen lag auf dem Eisschrank als ich heim kam und da stand „von Friedel“ drauf und da dachte ich, das sei von der Ensslin und dann gucke ich rein und dann merke ich, das ist bestimmt nicht für mich und hab es ganz schnell zugemacht wieder.
Vors.:
Und dabei ist Ihnen jedenfalls diese Bezeichnung „TNT“ aufgefallen. War das eine normale Druckschrift oder wie war das hergestellt?
[5523] Zeugin Mol[sen]:
Ich glaube es war ein Druck, so wie eine Fotokopie oder so was.
Vors.:
War in den Päckchen für Sie noch etwas anderes sichtbar?
Zeugin Mol[sen]:
Wie bitte?
Vors.:
War in dem Päckchen noch etwas anderes sichtbar für Sie?
Zeugin Mol[sen]:
Das weiß ich nicht mehr, ich weiß, daß es ein Päckchen war, ich weiß es nicht mehr.
Vors.:
Früher haben Sie, das heißt, es geht aus Ihren Schreiben hervor, auch noch in Erinnerung gehabt, handgeschriebene DIN A 5 oder DIN A 4 Seiten gesehen zu haben, karierte Rechenblätter. Wenn ich Ihnen das als Stichwort sage, fällt es Ihnen wieder ein?
Zeugin Mol[sen]:
Mir fällt das „handgeschrieben“ ein.
Vors.:
Können Sie dann sagen, wenn Sie das nur so optisch wahrgenommen haben was da beinhaltet war, was das darstellte die Handschrift, den Text. Keine Vorstellung mehr von dem Text?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, ich weiß, daß ich mich noch in irgendeiner Vernehmung über die Schrift ausgelassen habe, aber nicht über den Text.
Vors.:
Wenn ich Ihnen jetzt das Stichwort „chemische Formeln“ gebe, ob Sie irgendwo in dem Päckchen auch noch, ein Schriftstück mit[ggg] chemischen Formeln gesehen haben?
Zeugin Mol[sen]:
Weiß ich nicht mehr.
Vors.:
Das halte ich Ihnen aus Bl. 63 Ihrer ... des Ord. 52 vor im letzten Absatz, Sie beschreiben hier nochmals das Päckchen und den Inhalt soweit Sie ihn wahrgenommen haben, auch mit der Einschränkung, daß Sie nur ganz kurz reingesehen haben und erwähnen dann diese Blätter, die 10 handgeschriebene Blätter und dann geht es weiter da sagen Sie, „auf diesen Blättern waren kurz chemische Formeln, keine längeren Ketten oder Ringe“, fällt Ihnen das wieder ein daß es so gewesen ist?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, es tut mir leid.
Vors.:
Sind Ihnen sonstige Beobachtungen im Gedächtnis, die Sie gerade in dieser Richtung gemacht haben, Sie deuteten vorhin an, Sprengstoff, daher TNT, seien aufgefallen usw. Haben Sie sonstige Beobachtungen noch gemacht die in diese Richtung deuten könnten[hhh]?
Zeugin Mol[sen]:
Nicht daß ich jetzt das wüßte. Ich habe ja damals gewußt ... nicht darauf zu achten.
[5524] Vors.:
Gewiß, aber es könnte ja manches sein was man lieber nicht gesehen hätte, aber man hat es nun mal doch gesehen; ich weiß es nicht, ob so was vorher eintrat.
Zeugin Mol[sen]:
Ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen; ich hab da nicht die ganze Liste von dem, was in Vernehmungen drin stand, im Kopf. Ich kann Ihnen das jetzt nicht so spontan sagen.
Vors.:
Nein, das ist auch nicht, wenn Sie es nicht können, der Sinn der Sache, daß Sie etwas sagen, was Sie nicht mehr sicher wissen; aber wir wollen Sie eben daran erinnern und Sie sollen uns dann sagen, ob Ihnen dabei wieder etwas einfällt. Wenn ich Ihnen das Stichwort „Fläschchen und Gegenstände“ sage ...
Zeugin Mol[sen]:
Das war damals in dem Brief, habe ich das erwähnt, glaube ich auch.
Vors.:
Und was ist dazu zu sagen?
Zeugin Mol[sen]:
Ich hab noch in Erinnerung, daß sie klein waren ...
Vors.:
Sie sollten mal generell sagen, wo haben Sie überhaupt eine Beobachtung gemacht die zusammenhängt mit „Fläschchen und Gegenständen“?
Zeugin Mol[sen]:
In meinem Wohnzimmer und ich kann mich nur daran erinnern, daß ich irgendwann kleine Fläschchen gesehen habe, aber kleine, keine großen Flaschen.
Vors.:
Ja, und was sind das ...
Zeugin Mol[sen]:
... mit Flüssigkeit oder so, mehr weiß ich nicht.
Vors.:
Und zu welcher wissenschaftlichen Sparte würden Sie diese Fläschchen zugezählt haben?
Zeugin Mol[sen]:
Damals wo ich den Brief schrieb, habe ich natürlich gedacht es hängt zusammen mit den Sprengstoffattentaten oder so was ähnliches; aber es könnte ja genauso gut, daß es mit Pässen und Fälschen oder sonst was zu tun hat; ich kann das ja nicht beurteilen, wenn es kleine Flaschen sind.
Vors.:
Ich denke jetzt mehr, also Fläschchen ist ein zu allgemeiner Begriff, gehörten die nun, sagen wir mal auf den Kosmetiktisch oder hatten Sie an anderen Tischen irgendwo eher Verwendung zu finden ihrem Aussehen nach?
Prof. Azz[ola]:
Biertisch.[iii]
Zeugin Mol[sen]:
Ich kann nur sagen, daß die Flaschen nicht wie Kosmetikflaschen aussahen, sondern daß sie durchsichtig waren so wie kleine Flüssigkeitenflaschen, die kein Firmenzeichen, was speziell auffällt, draufhaben.
Vors.:
Sind Ihnen die Fläschchen, wie man sie etwa bei chemischen Versuchen und dergleichen verwendet, ein Begriff?
[5525] Zeugin Mol[sen]:
Ja, also es waren keine Flaschen mit geschliffenen Verschlüssen, wenn Sie das meinen.
Vors.:
Sie sprachen nämlich in Ihren eigenen Schreiben, wenn der Inhalt hier richtig ist, aber es scheint sich um eine zutreffende Originalurkunde zu handeln, selber von Chemiefläschchen. Nun das ist die Frage, ist Ihr damaliger Eindruck so gewesen, daß Sie diese Bezeichnung für gerechtfertigt ansahen oder müßten Sie heute diese Beurteilung ändern aus Ihrem Erinnerungsbild?
Zeugin Mol[sen]:
Kommt darauf an was man unter dem Wort Chemiefläschchen versteht. Also ich kann zumindestens jetzt sagen, daß ich nicht darunter verstanden habe, daß es nun partout Flaschen mit geschliffenen Kolben oder wie man da sagt[jjj], oben drin sein müssen.
Vors.:
Sie haben die Fläschchen früher so beschrieben, das halte ich Ihnen aus Bl. 66 bzw. sollen Sie so beschrieben haben, weißes durchsichtiges Glas, ca. 10 cm hoch, runde Form, kurzhalsig, der Rand oben war geschliffen, ohne Etikett, Glasstopfen, Stopfen war oben flach, dunkle Flüssigkeit, dreiviertel gefüllt.
Zeugin Mol[sen]:
Dann wird das eher zutreffen.
Vors.:
Fällt Ihnen in dem Zusammenhang irgendwas noch Besonderes ein, das Sie jetzt aus der Erinnerung wiedergeben können?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, das ist bestimmt präziser als das was ich jetzt sage.
Vors.:
Haben Sie nun direkt von Herrn Baader oder Frau Ensslin irgendeine Äußerung gehört, die Ihnen Anlaß gegeben hätte darauf zu schließen, daß sie sich mit Sprengstoffattentate befassen?
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
Vors.:
Weitere Fragen an die Frau Zeugin? Herr Maier, bitte.
Richter Maier:
Frau Molsen, Sie sprachen vorhin von diesem Päckchen auf dem Kühlschrank. Wissen Sie noch wie dieses Päckchen wieder aus Ihrer Wohnung herausgelangte?
Zeugin Mol[sen]:
Ich bin ... wissen Sie manchmal ... also da ist abends jemand gekommen der dort übernachtet hat und der das Päckchen dann glaube ich am nächsten Tag mitgenommen hat.
Richter Mai[er]:
Ich halte Ihnen vor aus den vorher zitierten Aufzeichnungen, die Sie selbst gemacht haben, die also nicht aus einer Vernehmung stammen sollen - Ord. 52, Bl. 56 oben - da heißt es, zwei Tage später kamen Baader und Ensslin und nahmen das [5526] Päckchen mit.
Zeugin Mol[sen]:
Ja, ich kann nun sagen, dann wird das wohl eher zutreffen.
Richter Mai[er]:
Dann noch eine andere Frage. Sie sagten, Sie seien aufgefordert worden von den beiden, die Sie also für Baader und Ensslin hielten, in Stuttgart eine Wohnung zu beschaffen. Können Sie sagen, ob sich da beide in gleicher Weise für diese Wohnungsangelegenheit interessiert haben oder nun einen von diesen beiden Personen?
Zeugin Mol[sen]:
Ich weiß nur, daß ich mit Ensslin mal über solche Dinge verhandelt hab und mit Baader nicht.
Richter Mai[er]:
Danke.
Vors.:
Herr Dr. Breucker, bitte.
Richter Dr. Breucker:
Frau Molsen, anknüpfend an die letzte Frage. Empfanden Sie Ihre Arbeit beim Anmieten der Wohnung mühsam?
Zeugin Mol[sen]:
Das ist jetzt wieder subjektiv, ich verstehe jetzt nicht was Sie ...
Richter Dr. Breu[cker]:
Empfanden Sie es mühsam, als beschwerlich?
Zeugin Mol[sen]:
Ich mach dazu keine Aussage, weil das ist mein persönlicher Bereich, auch wenn ich die Wohnung gesucht hab ist das meine private Entscheidung.
Richter Dr. Breu[cker]:
Ja, gut. Eine andere Frage, haben Sie mal gegenüber Frau Ensslin geäußert das sei recht mühsam?
Zeugin Mol[sen]:
Das weiß ich nicht.
Richter Dr. Breu[cker]:
Wissen Sie nicht mehr. Frau Molsen, was war denn der Grund für Sie, daß Sie damals, wie Sie sagten, ausgestiegen sind?
Zeugin Mol[sen]:
Ich weiß nicht, ob das notwendig ist, daß ist das hier sage?
Vors.:
Sie können, Frau Zeugin, wenn Sie befürchten bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung, der Gefahr ausgesetzt zu sein strafrechtlich verfolgt zu werden sagen, darauf möchte ich keine Antwort geben. Das Kriterium kann nun also darin gesehen werden, nicht daß Sie sagen, das ist mein privater Bereich, wie Sie das vorhin ausdrückten.
Zeugin Mol[sen]:
Nein, aber es[kkk] geht doch jetzt um eine Motivation und nicht um einen Tatbestand.
Vors.:
Ja, Sie hätten das Recht auch unter diesem Aspekt, den ich Ihnen gerade nannte, zu sagen, darauf möchte ich keine Auskunft geben, das ist sicher.
[5527] RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, kann die Zeugin eigentlich auch selber eine Frage beanstanden, wenn sie der Meinung ist, daß sie nicht zur Sache, gehört?
Vors.:
Ich glaube nicht, daß Zeugen die Möglichkeit haben die Fragen zu beanstanden, jedenfalls die Prozeßordnung sieht es nicht vor,[33] aber sie können selbstverständlich sich zurückvergewissern, ob sie eine Frage beantworten müssen, das ist ganz klar.
RA Be[cker]:
Sie müßten das dann prüfen.
Richter Dr. Breu[cker]:
Ich möchte dann die Frage umformulieren. Gab es gewisse äußere Ereignisse, die Sie veranlaßt haben auszusteigen, die nicht in Ihren persönlichen Bereich lagen?
Zeugin Mol[sen]:
Die nicht in meinem persönlichen Bereich lagen? Nein.
Richter Dr. Breu[cker]:
Nun etwas ganz anderes, Frau Molsen. Haben Sie mal irgendwelche Beobachtungen gemacht was mit schriftlichen Unterlagen der Leute, die bei Ihnen wohnten, geschehen ist?
Zeugin Mol[sen]:
Ich weiß nicht worauf Sie anspielen. Wenn Sie meinen, ob mal Unterlagen vernichtet worden sind z. B. in der Toilette ...
Richter Dr. Breu[cker]:
Das meinte ich.
Zeugin Mol[sen]:
... verbrannt worden sind, dann habe ich glaube ich mal so was gesagt.
Richter Dr. Breu[cker]:
Entspricht das noch Ihrer heutigen Erinnerung?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
Richter Dr. Breu[cker]:
Sie haben früher mal gesagt, die seien verbrannt oder ins Klo gegeben worden, ist das richtig?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
Richter Dr. Breu[cker]:
Haben Sie mal Beobachtungen gemacht, ob Polizeifunk gehört wurde?
Zeugin Mol[sen]:
Ich habe selbst, soweit ich mich erinnere, nicht beobachtet, ich weiß nicht, was die Kriminalleute dann nachher feststellten, daß mein Radio erweitert worden ist, sein Empfangsbereich ...
Richter Dr. Breu[cker]:
Das wissen Sie also nicht aus eigener Wahrnehmung, sondern das haben Ihnen die Polizeibeamten gesagt?
Zeugin Mol[sen]:
Ich weiß es nicht mehr genau, es kann auch sein, daß ich vielleicht doch mal das auf dem Polizeifunk stehend gefunden hab, aber das weiß ich nicht mehr.
Richter Dr. Breu[cker]:
Frau Molsen, ist in Ihrer Wohnung auch mal außer der Frau Ensslin eine weitere Dame aufgetaucht?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
[5528] Richter Dr. Breu[cker]:
Wissen Sie noch wie die hieß oder wie die genannt, wurde?
Zeugin Mol[sen]:
Die wurde damals „Gaby“ genannt.
Richter Dr. Breu[cker]:
Nach dem Grund Ihres Aussteigens habe ich vorhin schon mal gefragt; ich will das jetzt nicht aufgreifen; nur eine andere Frage daran knüpfen. Wurde mal darüber gesprochen oder haben Sie mal mit jemanden darüber gesprochen, daß das möglicherweise für Sie Konsequenzen haben könnte? Wurden mal Gespräche in dieser Richtung geführt? Verstehen Sie meine Frage oder ist Sie Ihnen zu allgemein?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, ich verstehe Sie nicht genau. Meinen Sie jetzt, ob ich mit den Leuten also mit Baader und Ensslin dadrüber gesprochen hab?
Richter Dr. Breu[cker]:
Vielleicht auch mit einem Dritten? Ob das für Sie negative Konsequenzen haben ...?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, das habe ich.
Richter Dr. Breu[cker]:
Ist darüber gesprochen worden?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
Richter Dr. Breu[cker]:
Können Sie noch sagen mit wem Sie darüber gesprochen haben oder wollen Sie das nicht sagen?
Zeugin Mol[sen]:
Ich möchte es eigentlich nicht gerne, aber ...
Richter Dr. Breu[cker]:
Sie möchten es nicht sagen. Hat Ihnen ... Hat es einen Gesprächspartner gegeben oder hat Ihr Gesprächspartner damals geäußert, es sei schon einmal in einem Fall einem Ausgestiegenen, einer ausgestiegenen Person ...
Zeugin Mol[sen]:
Ach so, das meinen ...
Richter Dr. Breu[cker]:
... etwas Negatives zugestoßen?
Zeugin Mol[sen]:
Jetzt weiß ich was Sie meinen. Ja.
Richter Dr. Breu[cker]:
Können Sie das ein bißchen näher erläutern?
Zeugin Mol[sen]:
Ich hab damals nur das erfahren, nicht also das ... ich meine, daß derjenige hat damals das gesagt, ja genau.
Richter Dr. Breu[cker]:
Was hat er gesagt?
Zeugin Mol[sen]:
Daß er gesagt hat, ich weiß ja auch nicht was solche Leute tun, ich weiß nur von einem Fall, von einem Mädchen in Berlin, der was passiert ist, mehr nicht.
Richter Dr. Breu[cker]:
Haben Sie dann gefragt was ihr passiert ist?
Zeugin Mol[sen]:
Ich glaube nicht, daß ich das gefragt habe oder ich kann mich nicht erinnern, daß ich eine Antwort jedenfalls davon habe.
[5529] Richter Dr. Breu[cker]:
Dann darf ich Ihnen mal vorhalten, aus Blatt 97, aus Ihrer richterlichen Vernehmung vom 13. Juli 1972 vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs. Da soll also der Gesprächspartner gesagt haben, und nun kommt der Vorhalt ...
RA Schn[abel]:
Also dürfte ich mal unterbrechen. Ich habe hier etwas Bedenken, gegen die Fragen. Und zwar deswegen, wenn die Zeugin schon nicht sagt, wer der Gesprächspartner war, dann ist es doch nicht nachprüfbar, was überhaupt etwa gesagt wurde. Insofern ist es dann sinnlos weiter zu fragen.
Richter Dr. Breu[cker]:
Herr Rechtsanwalt, die Zeugin kann durchaus etwas über den Inhalt eines Gesprächs bekunden, ohne nun ihren Gesprächspartner zu nennen. Alles andere ist eine Frage der Würdigung.
Vors.:
Ich halte die Frage für zulässig. Bitte.
Richter Dr. Breu[cker]:
Sie sollen damals vor dem Ermittlungsrichter gesagt haben, der Gesprächspartner habe gesagt und nun kommt das Zitat: „Ihm sei nur ein Fall von einem Mädchen in Berlin bekannt, an der sie sich gerächt hätte.“ (Vorher ist von der Gruppe die Rede; an der die Gruppe sich gerächt hätte) „Ich fragte: „Was haben die gemacht, haben sie die zusammengeschlagen.“ Er deutete an: „Das nicht, aber sie hätten etwas gemacht.““[34] Frischt dieser Vorhalt Ihre Erinnerung wieder auf?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, das entspricht ja ungefähr dem was ich gesagt hab, das ich nicht mehr wußte.
Richter Dr. Breu[cker]:
Danke.
Vors.:
Sonstige Fragen? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder.
BA Dr. Wu[nder]:
Frau Zeugin, Sie vermitteln[lll] heute den Eindruck, daß Sie sich von den Angeklagten und ihren Freunden gelöst haben. Frage: Ist irgendjemand aus diesem Kreis im weitesten Sinne in der Zwischenzeit mit Wünschen oder dergleichen an Sie herangetreten?
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
BA Dr. Wu[nder]:
Danke.
Vors.:
Sonstige Fragen? Bei der Bundesanwaltschaft nicht.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, eine Verfahrensfrage erstmal. Wenn ich das. Ich würde tatsächlich gerne eine Unterbrechung haben, weil das eine relativ, wir hatten das glaube ich auch so in Aussicht genommen, daß das während der Vernehmung der Zeugin passieren könnte.
[5530] Vors.:
Ja also es ist an sich nicht üblich Herr Rechtsanwalt, daß man eine Vernehmung dieser Art unterbricht. Zumal wenn also ein ausführliches Frageprogramm ablaufen wird, wie Sie das schon angekündigt haben, wir ohnedies in die Mittagspause gelangen.
RA Be[cker]:
Ja, Herr Vorsitzender, wir müssen ja zwischendurch mal gerade 5 Minuten Pause machen können.
Vors.:
Wenn Sie müssen, dann machen wir eine Pause.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender ich halte das für anzüglich, die Art wie Sie hier über Pausen entscheiden, ich weise das entschieden zurück. Ich habe Sie um eine Pause gebeten, wenn Sie also bei Pause immer nur an Toilette gehen denken, ist es nicht die Art, in der hier verfahren werden muß, und insbesondere nicht in solchen anzüglichen Vorhalten.
Vors.:
Ja ist gut, Herr Rechtsanwalt, es war nicht anzüglich gemeint. Sie bekommen Ihre 5 Minuten Pause, anschließend bitte ich aber dann zum Behalten für die Zukunft. Es gibt kein Muß für eine Pause, auch nicht während der Vernehmung einer Zeugin.
Pause von 11.25 Uhr bis 11.34 Uhr.
BA Dr. Wunder ist nicht mehr[mmm] anwesend.
Vors.:
Jetzt Herr Rechtsanwalt Schnabel, Sie hatten sich als Verteidiger des Herrn Baader, der genauso betroffen ist, zunächst gemeldet.
RA Schn[abel]:
Frau Zeugin, Sie sagten, Sie hätten Herrn Baader in Ihrer Wohnung nie bewaffnet gesehen, sagten aber eine Waffe sei ständig griffbereit gelegen. Was verstehen Sie unter griffbereit liegen?
Zeugin Mol[sen]:
Wenn einer auf dem Sofa sitzt und neben ihm ist ein Bord und da liegt sie drauf.
Vors.:
Frau Zeugin ...
RA Schn[abel]:
Sie sprachen doch aber davon, daß die Waffe ...
Vors.:
Entschuldigen Sie, Herr Rechtsanwalt, darf ich die Zeugin noch bitte, sprechen Sie ins Mikrophon, sonst verstehen wir schlecht, danke.
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
RA Schn[abel]:
Sie sprachen davon, daß die Waffe auf dem Tisch gelegen habe.
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
[5531] RA Schn[abel]:
Ja also und was heißt dann, jetzt auf dem Sofa und daneben, wo lag sie denn?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, es gibt bei mir ein Sofa und vor dem Sofa steht ein Tisch und neben dem Sofa steht noch ein Bord, so in der Höhe, können Sie auch als Tisch bezeichnen.
RA Schn[abel]:
Ja nein, ein Bord ist kein Tisch.
Zeugin Mol[sen]:
Naja, etwas was in gleicher Höhe liegt.
RA Schn[abel]:
Ja, das was in gleicher Höhe ist, muß noch immer kein Tisch sein. Also wir wollen uns da etwas exakt unterhalten, Frau Zeugin. Wo lag die Waffe, auf dem Tisch oder auf dem Bord?
Zeugin Mol[sen]:
Es steht vielleicht genauer in meiner Aussage drin.
RA Schn[abel]:
Ja, was dort drin steht, interessiert mich nicht. Wo lag sie? Heute sind Sie hier und heute ist hier Markt und nicht in Ihrer Aussage?
Vors.:
Ich bitte von vornherein, Herr Rechtsanwalt, die Fragen so zu formulieren, daß die Frau Zeugin nicht gleich Vorwürfe dahinter wittern muß.
RA Schn[abel]:
Ja nein, die braucht sie nicht wittern. Ich formuliere klar.
Vors.:
Es klingt immer so, als hätten Sie gleich Vorwürfe zu machen. Frau Zeugin, die Fragen sind nicht vorwurfsvoll gemeint, wie der Herr Rechtsanwalt eben versicherte, Sie können also ruhig und ohne innere Erregung antworten.
Zeugin Mol[sen]:
Also ich ... soweit ich mich erinnere lag die Waffe teilweise auf diesem Bord das neben dem Sofa lag.
RA Schn[abel]:
Lag die Waffe ständig dort oder wurde die verlegt?
Zeugin Mol[sen]:
Ich weiß es nicht, ob Sie ständig lag.
RA Schn[abel]:
Wieso können Sie dann das Wort „griffbereit“ gebrauchen?
Zeugin Mol[sen]:
Weil ...
RA Schn[abel]:
Sie wissen doch genau als Psychologin und wohl auch noch als Nebenphilologin was griffbereit bedeutet?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
RA Schn[abel]:
Ja eben.
Zeugin Mol[sen]:
Griffbereit bedeutet, daß man mit der Hand hinlangen kann, das in einer Distanz von der Hand ist die nicht größer als 80 cm bis 1.00 m ist.
RA Schn[abel]:
Gut, und deswegen die nächste Frage, ob sie verlegt wurde. Ich nehme an, daß der Herr Baader ja nicht ständig auf dem gleichen Platz angenagelt saß.
Zeugin Mol[sen]:
Dann ist der Herr Baader weggegangen, aber die Pistole [5532] blieb liegen.
RA Schn[abel]:
Und dann lag sie also nicht mehr griffbereit?
Zeugin Mol[sen]:
Insofern lag sie dann nicht griffbereit.
RA Schn[abel]:
Ja eben und um das geht es mir. Mit dem Wort „griffbereit“ bringen Sie nämlich bereits eine gewisse Tendenz herein, dann sagen Sie doch bitte deutlich, die Waffe lag da und Herr Baader hat sich bewegt und dann lag sie eben immer noch da. Das sieht dann ganz anders-aus und so ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, ich bitte jetzt Fragen zu stellen und keine längeren Ermahnungen an die Zeugin zu richten, sofern Sie irgendwelche Ermahnungen der Zeugin wünschen, bitte ich das über das Gericht abzuwickeln.
RA Schn[abel]:
Ja, ich glaube, daß ich das auch direkt, wenn die Zeugin hier Worte gebraucht die der deutschen Sprache insofern dann nicht identisch sind. Ich habe ja klipp und klar gesagt was griffbereit ist und sie hat mir insofern zugestimmt.
Vors.:
Eben ...
RA Schn[abel]:
... dann bitte ich diese Klarstellung hier jetzt zur Kenntnis zu nehmen ...
Vors.:
Ja, das ist richtig ...
RA Schn[abel]:
... daß die Zeugin jetzt nicht mehr auf dem Wort „griffbereit“ besteht.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, es gibt hinterher die Möglichkeit nach § 257[ StPO][35] Erklärungen abzugeben, es gibt die Möglichkeit im Rahmen des Fragerechts auch Vorhalte an Zeugen zu machen die die Glaubwürdigkeit und ihre Anstrengung bei der Überprüfung des Gedächtnisses betreffen, aber es gibt keine Möglichkeit im Anschluß an klar beantwortete Fragen nun der Zeugin noch längere Ermahnungen zu geben.
RA Schn[abel]:
Gut, dann stelle ich noch eine Frage. Lag die Waffe ständig griffbereit bei Herrn Baader?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, insofern muß ich ja mit nein antworten.
RA Schn[abel]:
Danke. Nein, da müssen Sie nicht so, sondern klar ins Mikrophon ...
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
Vors.:
Wir haben es ... Sie haben gesagt, „nein, da müßte ich jetzt in diesem Sinne mit nein antworten“.
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
[5533] Vors.:
Weitere Fragen? Herr Rechtsanwalt Becker hat sich zunächst gemeldet.
RA Be[cker]:
Frau Zeugin, ist im Zusammenhang mit diesen Vorfällen, die Sie hier also jetzt geschildert haben, ein Ermittlungsverfahren gegen Sie eingeleitet worden?
Zeugin Mol[sen]:
Das ist noch nicht abgeschlossen.
RA Be[cker]:
Ist noch nicht abgeschlossen. Ist da schon Anklage erhoben worden?
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
RA Be[cker]:
Als Sie zur Polizei ... wie ist das denn abgelaufen, als Sie sich entschlossen haben auszusteigen?
Zeugin Mol[sen]:
Ich bin zum Anwalt gegangen und habe versucht den Tatbestand der tätigen Reue[36] zu erfüllen.
RA Be[cker]:
Und?
Zeugin Mol[sen]:
In diesem Zusammenhang sind dann auch die polizeilichen Vernehmungen gewesen. Also nachdem eine Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe.
RA Be[cker]:
Entschuldigen Sie bitte, es ist zwar höflich zu mir zu sprechen, aber es geht dann schlecht ins Mikrofon.
Zeugin Mol[sen]:
Also ich habe einen Rechtsanwalt genommen und wie gesagt, Tatbestand der tätigen Reue. Ich bin dann vernommen worden von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Und danach kam dann die Reihen von polizeilichen Vernehmungen.
RA Be[cker]:
Sind Sie da als Beschuldigte vernommen worden oder als Zeugin?[37]
Zeugin Mol[sen]:
Ja, ich habe mich eigentlich als jemand gefühlt, der den Tatbestand der tätigen Reue erfüllt, das ist nicht explizit ausgesprochen worden.
RA Be[cker]:
Ist bei keiner Vernehmung ausgesprochen worden, daß Sie als Beschuldigte vernommen werden?
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
RA Be[cker]:
Hat Ihnen der jeweilige Vernehmungsbeamte oder ist mit Ihnen über Ihr eigenes Verfahren mal gesprochen worden?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
RA Be[cker]:
Können Sie den Inhalt dieses Gesprächs jetzt wiedergeben. Wann war das? Wer hat da mit Ihnen gesprochen?
Zeugin Mol[sen]:
Wissen Sie, es waren unheimlich viele Beamte. Es waren sehr verschiedene und irgendwo hatte der eine mal irgendwas gehört, oder der andere, und die sagten dann so im Schnitt, [5534] Ihr Verfahren steht gut. Das ist alles, was ich sagen kann.
BA Dr. Wunder erscheint um 11.39 Uhr wieder[nnn] im Sitzungssaal.
RA Be[cker]:
Ihr Verfahren steht gut, haben die gesagt?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
RA Be[cker]:
Ist das gleich zu Anfang auch geäußert worden?
Zeugin Mol[sen]:
Das weiß ich nicht mehr.
RA Be[cker]:
Kann das sein? Ich meine, können Sie es ausschließen, daß es nicht gleich zu Anfang gesagt worden ist, daß Ihr Verfahren gut steht?
Zeugin Mol[sen]:
Ich kann es nicht total ausschließen.
RA Be[cker]:
Ist dann bei anderer Gelegenheit nochmal etwas darüber gesprochen worden, außer diesem Satz?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, eigentlich nicht. Ich habe immer versucht von meinem Rechtsanwalt konkrete Informationen zu bekommen und wir haben keine.
RA Be[cker]:
Ist mal unter Umständen auch was, also entweder über Straffreiheit, oder über ein bestimmtes Strafmaß gesagt worden?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, nur das, was ich mit meinem Rechtsanwalt besprochen habe.
RA Be[cker]:
Haben die Vernehmungsbeamten das in einen Zusammenhang gebracht, diesen Satz, mit Ihrer Aussagebereitschaft?
Ich meine, ich weiß nicht ...
Zeugin Mol[sen]:
Doch, ich weiß schon was Sie meinen. Aber ich glaube explizit nicht.
RA Be[cker]:
Implizit? Nach Ihrer Empfindung. Ich meine vielleicht stelle ich die Frage mal deutlicher. Hatten Sie das Gefühl, daß dies zusammenhängt, der Ausgang Ihres Verfahrens und Ihre Art, oder Ihre Bereitschaft hier nun Angaben zu machen?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, ein Stück weit schon.
RA Be[cker]:
Sind Sie mal im Juli 1972 als Beschuldigte auch vernommen worden?
Zeugin Mol[sen]:
Ich bin, ja wenn Beschuldigte ist, daß man zum Ermittlungsrichter[38], also ermittlungsrichterlich vernommen wird, dann ja.
RA Be[cker]:
Erinnern Sie sich noch an diese Vernehmung?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, ich weiß, daß es da hauptsächlich um die Vermittlerperson ging.
[5535] RA Be[cker]:
Können Sie vielleicht nochmal was zu den Vernehmungen selbst jetzt bei der Kriminalpolizei sagen. Wie ist das abgelaufen?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, die waren, die haben mich gut behandelt. Sie haben immer vorher angerufen und gefragt, ob es geht. Und sie, da sie natürlich gesagt haben, ja Sie haben doch schon so präzise Angehen gemacht und wir hoffen daß Sie uns weiterhelfen, oder in dieser Art. Mehr nicht. Sie waren sehr höflich.
RA Be[cker]:
Sind Ihnen da auch Vorhalte gemacht worden?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, man hat mich nur immer gebeten mich möglichst gut zu erinnern. Mehr nicht.
RA Be[cker]:
Na, ich meine, daß vielleicht auch mal versucht worden ist Ihr Gedächtnis aufzufrischen und ...
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
RA Be[cker]:
Andere Ermittlungsergebnisse?
Zeugin Mol[sen]:
Nein. Bis auf diese gerade, also ich meine, ne, das ist nicht gemacht worden.
RA Be[cker]:
Hatten Sie das Gefühl, daß die gar nicht wußten, daß die da praktisch Leuten was erzählen, die überhaupt nichts von den Vorgängen wissen, oder hatten Sie das Gefühl, daß das da schon praktisch sozusagen von denen mit eigenen Informationen versetzt aufgenommen? [ooo] Ich meine das merkt man doch, Sie sind Wissenschaftlerin zum Beispiel, wenn Sie mit einem anderen Kollegen sprechen, der auch auf Ihrem Fachgebiet Ahnung hat, dann reden Sie anders, als wenn Sie praktisch das alles noch miterklären.
In dem Sinne ist es gemeint. Jetzt, daß dort also schon Kenntnisse vorhanden waren, in die Sie Ihre Kenntnisse oder Aussagen vielleicht mit eingebracht haben?
Zeugin Mol[sen]:
Am meisten hatte ich das Gefühl bei der Vermittlerperson. Um die Aussagen um die Vermittlerperson herum. Sonst hatte ich das Gefühl, es liegen nicht sehr viele Kenntnisse vor. Und es war[ppp] auch jedesmal ein anderer Kriminalbeamter und ich hatte das Gefühl, die haben dann wieder einen Teil der Akten nicht gehabt.
Ende des Bandes 302.
[5536] RA Be[cker]:
Dann hätt ich nochmals eine Frage zu den Vernehmungen als Beschuldigte und als Zeugin -
Ich mach Ihnen insofern einen Vorhalt sowohl aus
Bl. 92
als auch aus
Bl. 100 g:
Am 13. Juli 1972 sind Sie vom Ermittlungsrichter des BGHs als Beschuldigte vernommen worden, und am 26. Juli 1973 sind Sie vom Ermittlungsrichter des BGHs als Zeugin vernommen worden. Nun haben Sie grade gesagt,
beim Ermittlungsrichter seien Sie immer als Beschuldigte vernommen worden.
Zeugin Mol[sen]:
Ich kenn mich da juristisch nicht so aus, daß ich sagen konnte, hier bin ich jetzt ... Also ich weiß das nicht mehr.
RA Be[cker]:
Haben Sie da noch ne Erinnerung dran? Hat Sie das gewundert? Haben Sie nachgefragt, weswegen Sie einmal als Beschuldigte, einmal als Zeugin vernommen werden?[qqq]
Zeugin Mol[sen]:
Nein, das habe ich nicht.
RA Be[cker]:
Sind Sie mal in Köln vernommen worden?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
RA Be[cker]:
Weshalb?
Zeugin Mol[sen]:
Da gings um Gegenüberstellungen mit Verschiedenen in Ossendorf, und da ist immer dann der Ermittlungsrichter aus Karlsruhe gekommen und hat mich dann dazu vernommen. Also Gegenüberstellung so mit 6 anderen oder 5 anderen Gefangenen, nicht?
RA Be[cker]:
Haben Sie mal was darüber erfahren, ob Ihr Verfahren vielleicht eingestellt worden ist?
Zeugin Mol[sen]:
Nein, ich hab nichts erfahren. Das einzige, was ich erfahren hab, daß mein Telefon dann irgendwann nicht mehr abgehört wurde.
RA Be[cker]:
Ja, haben Sie Mitteilung von der Bundespost gekriegt?
Zeugin Mol[sen]:
Nee, von Karlsruhe.
[5537] RA Be[cker]:
Seit wann denn?
Zeugin Mol[sen]:
Das war so ungefähr im Juli 1972.
RA Be[cker]:
Ich hab im Moment keine weiteren Fragen.
Vors.:
Herr Dr. Heldmann, bitte schön.
RA Dr. He[ldmann]:
Im Anschluß hieran:
Herr RA Becker hat Ihnen vorgehalten, der Ermittlungsrichter hat Sie am 13. Juli 1972 als Beschuldigte und über ein Jahr später, am 26. Juli 1973, zum selben Gegenstand, der ja auch Gegenstand Ihrer heutigen Vernehmung ist, als Zeugin vernommen. Hat in dieser Zwischenzeit - vor gut einem Jahr ...
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, entschuldigen Sie. Den Vorhalt kann ich in der Form nicht zulassen, denn am 26. Juli ging es, wie gerade die Zeugin gesagt hat, nicht um den Gegenstand der heutigen Vernehmung sondern um Gegenüberstellungen. Der Vorhalt ist also nicht korrekt.
RA Dr. He[ldmann]:
Gut, Herr Vorsitzender. Ich multipliziere die Frage: Hat innerhalb dieses Jahres zwischen 13.7.72 und 26.7.73 an Sie eine Erklärung stattgefunden, daß Ihr Verfahren bei weiteren Aussagen eingestellt werden würde oder daß Sie straffrei bleiben würden oder daß Sie mit einer geringen Strafe zu rechnen hätten?
Zeugin Mol[sen]:
Nichts dergleichen.[rrr]
Vors.:
Die Frage ist beantwortet worden von der Frau Zeugin schon, Herr RA Becker. Wie gesagt, es ist eine Wiederholung.
RA Dr. He[ldmann]:
Danke.
Vors.:
Keine Fragen sonst?
Herr RA Linke.
RA Li[nke]:
Herr Vorsitzender, dürfte ich bitten, der Zeugin das Bl. 50 aus dem Ordner 68 vorzulegen? Entschuldigung - aus Ordner 52.
Vors.:
Zu welchem Zwecke, Herr Rechtsanwalt?
RA Li[nke]:
Es geht um den Vorhalt, den Sie aus diesem Blatt vorhin der Zeugin gemacht haben.
Der Zeugin wird aus Ordner 52 das Bl. 50 vorgelegt.
RA Linke machte an Hand dieser Seite Vorhalte.
Vors.:
Das wäre dann also der zweite Absatz?
RA Li[nke]:
Ja.
[5538] Frau Zeugin, mich interessiert vorab, ob dieses Blatt Ihre Unterschrift trägt. Gucken Sie sich’s an; ich möchte nur, daß Sie die Frage beantworten.
Zeugin Mol[sen]:
Nein, das Blatt trägt nicht meine Unterschrift.
RA Li[nke]:
Haben Sie dieses Blatt schon einmal vorher gesehen?
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, an sich sind das Wiederholungen.
RA Li[nke]:
Nein, Herr Vorsitzender. Ich weiß genau, warum ich die Frage stelle, und ich kann’s Ihnen auch gerne erläutern.
Zeugin Mol[sen]:
Ich kann ...
RA Li[nke]:
Die Zeugin hat vorhin - entschuldigen Sie bitte - Bl. 52 als von ihr unterschrieben anerkannt. So möchte ich das nicht im Raum stehen lassen ...
Vors.:
... wobei der letzte Satz [sss] des letzten Absatzes ausdrücklich miteinbezogen wurde, nicht?
RA Li[nke]:
Selbstverständlich, aber damit weiß ich immer noch nicht, ob auch die auf Bl. 50 protokollierte Aussage von ihr stammt, weil sie uns nämlich gesagt hat, sie erinnert sich nicht, diese Aussage gemacht zu haben.
Und jetzt möchte ich also nur wissen, ob sie diese Seite mit der so protokollierten Aussage vorher schon mal gesehen hat.
Zeugin Mol[sen]:
Das kann ich Ihnen nicht beantworten.
RA Li[nke]:
Dann habe ich keine Fragen mehr.
Vors.:
Herr RA Schnabel, bitte.
RA Schn[abel]:
Frau Zeugin, bemühen Sie sich heute auch noch, bei Ihrer Vernehmung den Tatbestand der tätigen Reue, wie Sie sich auszudrücken beliebten, zu erfüllen?
Zeugin Mol[sen]:
Dazu möchte ich eigentlich nichts sagen.
Vors.:
Müssen Sie auch nicht.
RA Schn[abel]:
Dann seh ich aber keinen Grund hier, das Zeugnis zu verweigern, denn mit der Beantwortung dieser Frage würden Sie sich ganz sicher keiner strafbaren Handlung schuldig machen.[39]
Vors.:
Das täuscht. Es würde ...
RA Schn[abel]:
Herr Vorsitzender, ich bitte, diese Frage ausdrücklich zuzulassen, widrigenfalls ich um einen Senatsbeschluß bitte, denn da sehe ich keinen Grund zum Zeugnisverweigerungsrecht.
Zeugin Mol[sen]:
Soweit ich weiß ...
Vors.:
Frau Zeugin, warten Sie ab.
[5539] (Nach geheimer Umfrage):
Es wird von Seiten einiger Senatsmitglieder gewünscht, daß man sich im Beratungszimmer über diese Frage unterhält. Wir ziehen uns kurz zurück.
Der Senat zieht sich um 11.53 Uhr zur Beratung zurück.
Nach Wiedereintritt des Senats um 11.58 Uhr wird die Hauptverhandlung wie folgt fortgesetzt:
Der Senat hat beschlossen:
Die Zeugin kann die Antwort auf die Frage verweigern.
Herr RA Schnabel, bitte schön, weitere Fragen.
RA Schn[abel]:
Frau Zeugin, wurden Sie vor Ihrer heutigen Vernehmung von Ihrem Rechtsanwalt, den Sie ja vorher auch ins Gespräch brachten, beraten über den Gegenstand Ihrer Vernehmung? Etwa auch darüber, wie Sie sich heute hier zu verhalten hätten?
Zeugin Mol[sen]:
Nein. Mein Rechtsanwalt hat mich im Grunde nie beraten, wie ich mich bei Verhandlungen verhalten soll.
RA Schn[abel]:
Also Verhandlungen hatten Sie ja wohl noch keine. Aber Sie sagten vorher, Sie seien von ihm beraten worden vor Aussagen?
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
Vors.:
Vielleicht liegt ein Mißverständnis zugrunde, Herr RA Schnabel. Die Zeugin hat wohl erwähnt, sie sei, als sie die Absicht, auszusteigen, gefaßt habe, zu einem Anwalt gegangen und habe sich mit ihm besprochen.
So hab ich’s verstanden. Ist das richtig?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
RA Schn[abel]:
Und sie sei - also so hab ich es dann verstanden - von diesem Kollegen darüber beraten worden, wie man sich verhielte, um den Tatbestand der tätigen Reue, wie sie sagte, zu erfüllen. Das haben Sie doch gesagt?
Zeugin Mol[sen]:
Ja, damals wurde ich beraten.
[5540] RA Schn[abel]:
Eben, und da frage ich Sie jetzt, ob Sie anschließend nochmals von ihm dergestalt beraten wurden?
Zeugin Mol[sen]:
Nein.
RA Schn[abel]:
Nicht mehr.
Danke.
Vors.:
Herr RA Becker.
RA Be[cker]:
Frau Zeugin, wann haben Sie denn das letzte Mal mit Ihrem Rechtsanwalt in dieser Angelegenheit gesprochen?
Zeugin Mol[sen]:
Vor drei Wochen.
RA Be[cker]:
Ist dieses Gespräch auf dieses ... Ihre jetzt in Aussicht genommene Zeugenaus...
Zeugin Mol[sen]:
Nein, er weiß gar nicht, daß ich hier bin. Damals gings darum, daß ich ihn nochmals bat, sich zu erkundigen, was eigentlich jetzt mit meinem Verfahren los ist.
RA Be[cker]:
Hat Ihr Rechtsanwalt von sich aus nach Ihren Informationen sich nochmals weiter mit den Ermittlungsbehörden ins Benehmen gesetzt über den Stand des Verfahrens oder ist ...?
Zeugin Mol[sen]:
Nach diesem Gespräch, meinen Sie?
RA Be[cker]:
Nein, überhaupt nach der Bemerkung der Ermittlungsbehörden, daß es gut um Ihr Verfahren stünde.
Zeugin Mol[sen]:
Ich meine, er hat mal zu mir gesagt, er hätte sich darum bemüht, aber er hätte noch nichts weiter gehört und sagte dann zu mir: „Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn es möglichst lange dauert.“
RA Be[cker]:
Haben Sie auch da mit ihm drüber diskutiert, daß es auf jeden Fall länger dauern wird als Ihre Zeugenaussage hier, also über die hinausreicht und erst nach dieser Zeugenaussage abgeschlossen sein wird?
Zeugin Mol[sen]:
Ich hab die Vermutung geäußert, daß das erst abgeschlossen ist, wenn alle anderen Verfahren abgeschlossen sind. Das war meine persönliche Vermutung.
RA Be[cker]:
Können Sie Gründe für diese Vermutung angeben?
Zeugin Mol[sen]:
Meine persönlichen Gründe? Ja, da kommt’s auch wieder ... Es sind schon ein Stück diejenigen, daß ich vermute, daß man schon hofft, mehr Kooperation zu finden, wenn die Verfahren noch nicht niedergeschlagen sind bei den anderen.
[5541] RA Be[cker]:
In wieviel anderen Verfahren haben Sie denn schon ausgesagt?
Zeugin Mol[sen]:
Als Zeugin?
RA Be[cker]:
Ja.
Zeugin Mol[sen]:
Also neben diesen Vorstellungen noch in zwei anderen Verfahren.
RA Be[cker]:
Welchen denn?
Zeugin Mol[sen]:
RA Be[cker]:
Ich hab keine weitere Frage mehr.
Vors.:
Ich beabsichtige, von der Vereidigung der Frau Zeugin abzusehen.
OStA Ho[lland]:
Die B. Anwaltschaft hätte noch eine abschließende Frage.
Vors.:
Bitte, gerne.
OStA Ho[lland]:
Frau Molsen, Sie haben eben auf die Frage eines der Prozeßbeteiligten geantwortet, Sie wüßten nicht mehr genau, oder anders formuliert, Ihnen sei bei ihrer allerersten Vernehmung nicht klar geworden, ob Sie als Beschuldigte oder als Zeugin vernommen werden sollten.
Ist das so richtig?
Zeugin Mol[sen]:
Damals, wo ich in Karlsruhe war beim Ermittlungsrichter, habe ich den Eindruck gehabt, ich werde als Beschuldigte vernommen.
OStA Ho[lland]:
Aber jetzt geht es nicht - Frau Molsen, wenn Sie die Dinge zeitlich auseinanderhalten wollen - um Ihre Aussage vor dem Ermittlungsrichter, sondern es geht um Ihre allererste Vernehmung. Sie haben ja damals gesagt, das sei durch die Staatsanwaltschaft in Karlsruhe, wie Sie sich ausgedrückt haben, erfolgt, und in diesem Zusammenhang, Frau Molsen, haben Sie davon gesprochen, Sie wüßten nicht mehr, wie gesagt, ob Sie nun da als Zeugin oder als Beschuldigte vernommen werden sollten.
Zeugin Mol[sen]:
Nee, da nahm ich schon an, daß ich als Beschuldigte vernommen worden bin.
OStA Ho[lland]:
Das ist Ihnen klar?
Zeugin Mol[sen]:
Ja.
OStA Ho[lland]:
Gut. Dann habe ich keine weitere Frage mehr. Vielen Dank.
Vors.:
Also, ich beabsichtige die Zeugin nicht zu vereidigen, gem. § 60 Ziff. 2 StPO,[42] da sie der Beteiligung an der Straftat im Sinne des dort weit gespannten Verdachtes, verdächtig ist.
[5542] Wird ein Antrag auf Vereidigung gestellt? Ich sehe nicht.
Die Zeugin blieb[ttt] gemäß § 60 Ziff. 2 StPO unbeeidigt, weil sie der Beteiligung an der Straftat verdächtig ist.
Die Zeugin wird im allseitigen Einvernehmen um 12.05 Uhr entlassen.
Wir setzen die Sitzung um ...
RA Dr. He[ldmann]:
Herr Vorsitzender ...
Vors.:
Bitte schön.
RA Dr. He[ldmann]:
... nehmen Sie die Erklärung auch während der Mittagspause entgegen?
Vors.:
Es wäre mir lieber, wenn die gleich im Anschluß daran gebracht werden würde, sofern das Verlangen gestellt wird. Ich bitte also um die Erklärung sofort.
RA Dr. He[ldmann]:
Dann bitte ich um eine Minute Pause für eine geheime Umfrage am Anwaltstisch.
Vors.:
Ja, die geben wir Ihnen gerne.
Pause von 12.05 bis 12.06 Uhr.
Vors.:
Bitte Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.
RA Dr. He[ldmann]:
Die Frage von Herrn RA Schnabel, die der Senat nicht zugelassen hat - sie ist bekannt - ging dahin ... bezog sich ausschließlich ...
Vors.:
Entschuldigung, Herr Rechtsanwalt. Das muß ich natürlich sofort richtigstellen:
Die Zeugin hat sich nicht bereitgefunden, eine Antwort zu geben.
RA Dr. He[ldmann]:
Genau darauf kommt es mir auch an.
... ging genau auf die Aussage dieser Zeugin hier und heute.
Darauf zielt die Frage: nämlich, ob tätige Reue auch hier und heute die Aussage der Zeugin beeinflußte.
Der Senat hat dann der Zeugin das Recht zugestanden, die Aussage auf diese Frage zu verweigern. Der Senat hat diesen Beschluß nicht begründet.
Die Verteidigung erklärt, daß sie sich die Begründung dieses Beschlusses nicht anders vorstellen kann, als daß der Senat den Verdacht nicht ausschließen kann, daß die Zeugin hier und heute eine Falschaussage gemacht hat.
Vors.:
Herr Professor.
[5543] Prof. Azz[ola]:
Ich möchte zunächst einmal eine Erklärung nach § 257 StPO dahingehend [uuu] abgeben, daß es die Verteidigung überraschen muß, daß ein sich als relativ einfach und vollständig aufgeklärt dastehender Sachverhalt, in den die Zeugin verwickelt war, nach 3 ½ Jahren offenbar nicht zu seinem Abschluß gekommen ist. Die Verteidigung sieht darin einen Sachverhalt, der sich wie folgt darstellen läßt, mit einem leicht abgewandelten Zitat aus § 136a Abs. 1 StPO[43]:
„Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Zeugen darf nicht beeinträchtigt werden.“
Wir sehen darin den tätigen Versuch der B. Anwaltschaft, Willensentschließungen zu beeinträchtigen.
Ich möchte zum zweiten eine mir erteilte Rüge zu Protokoll beanstanden:
Sollte sich heraussteilen, daß die Rüge auf einem ... die mir erteilte Rüge auf einem Mißverständnis beruht und insoweit zurückgenommen wird nach Aufklärung des Sachverhaltes, würde selbstverständlich meine Beanstandung hinfällig.
Ich habe vorhin, als es um die Frage, um die reine Rechtsfrage ging, ob möglicherweise durch prozeßleitende Handlungen der § 252 StGB umgangen werden soll, darauf hingewiesen, daß in meiner Erinnerung ein solcher Vorgang, wenn auch nur analog, allein zu finden ist in Bd 72 der Reichsgerichtsentscheidungen aus dem Jahre 1939. Ich habe damit zum Ausdruck bringen wollen, daß ich es bedauern würde, wenn dieser erkennende Senat eine solche Praxis, die, soweit ich es sehe, auch nicht Aufnahme gefunden hat, in die Rechtsprechungspraxis des BGHs fortsetzen würde; d. h., ich habe nicht diesen Senat per se gleichsetzen wollen mit dem zweiten Strafsenat des Reichsgerichts in seiner personellen oder sachlichen Zusammensetzung des Jahres 1939. Wenn der Vorsitzende Richter insoweit erklären kann, daß er dann den Ausdruck „Ungehörigkeit“ nicht mehr für angebracht erachtet, weil recht dogmatische Hinweise gegeben werden sollten, dann wäre natürlich meine Beanstandung hinfällig.
[5544] Vors.:
Herr Professor, in der Tat hat zu dieser Bezeichnung „ungehörig“ nur der Verdacht bei mir geführt, daß Sie uns gleichsetzen wollten mit diesem Senate. Wenn Sie hier erklären, daß das nicht Ihre Absicht war, so nehme ich auch diesen Ausdruck, Ihre Bemerkung sei ungehörig, zurück.
Prof. Azz[ola]:
Ich glaubte, bisher keine Veranlassung gegeben zu haben, daß man mir das, wenn ich so sagen darf, enfant unterstellen kann.
Vors.:
Ja, Sie haben selbst drauf hingewiesen, daß man es mißverstehen konnte, und die Gleichsetzung mit einem Senat dieser Art, wie Sie ihn da beschrieben haben, ist für diesen Senat nicht sehr angenehm und deswegen die Zurückweisung. Sie ist jetzt, glaube ich, aus der Welt geschafft.
Wir setzen um 14.00 Uhr fort.
Ich bitte ...
OStA Ho[lland]:
Herr Vorsitzender, ...
Vors.:
Um was geht’s jetzt?
RA Dr. He[ldmann]:
Die ...
Vors.:
Entschuldigung - wenn die B. Anwaltschaft ihrerseits vom Recht des § 257 StPO Gebrauch machen will, selbstverständlich. Das geht nun allem andern voran.
Bitte sehr, Sie haben das Wort.
OStA Ho[lland]:
Hoher Senat, die B. Anwaltschaft weist den Verdacht, der hier geäußert wurde, - der unzulässigen Einflußnahme auf die Freiheit der Willensentschließung der Zeugin Molsen - mit Nachdruck zurück.
Tatsächlich ist es so, daß die Ermittlungen gegen Frau Molsen noch nicht abgeschlossen sind. Es bedarf insbesondere neuer zu erwartender Erkenntnisse im Komplex des flüchtigen Rechtsanwalts Lang.[44]
Im übrigen hätte ich mir einmal oder hätten wir uns einmal vorzustellen, was geschehen wäre, was von dieser Verteidigung behauptet worden wäre, wenn die B. Anwaltschaft nun tatsächlich das Verfahren gegen Frau Molsen eingestellt hätte. Dann wäre der Vorwurf mit umgekehrtem Vorzeichen erhoben worden. Dann wäre ge- [5545] sagt worden, hier hat sich Frau Molsen eine Belohnung zu verdienen, deshalb wurde ihr Verfahren eingestellt, deshalb wurde auf ihre freie Willensentschließung Einfluß genommen.
Vors.:
Es scheint von Ihrer Seite noch irgend etwas vorgetragen werden zu sollen. Wer ist es? Beide Herrn haben sich gemeldet: Herr Prof. Azzola, Herr RA Becker.
Prof. Azz[ola]:
Die Verteidigung hat die Bitte, im Hinblick darauf, daß wir neben des Einnehmens des geringen Mittagessens unbedingt die Notwendigkeit haben, unsere Mandanten in der Haftanstalt zu sprechen, was natürlich mit Einlaß und Auslaß eine zeitliche Verzögerung bedeutet, im Hinblick darauf, daß das Zeugenprogramm durchaus im Zeitrahmen steht, einen späteren Zeitpunkt als 14.00 Uhr für Verhandlungsbeginn anzusetzen.
Vors.:
Fortsetzung 14.30 Uhr. Einverstanden? Gut.
Pause von 12.12 Uhr bis 14.35 Uhr.
Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.35 Uhr.
Der Zeuge Helmut Ohland ist anwesend.
Prof. Azzola und die RAe Dr. Heldmann und Becker sind nicht mehr[www] anwesend.
Soweit ich sehe, können wir mit der Sitzung fortfahren.
Wir haben Herrn Ohland als Zeugen anwesend.
Der Zeuge Ohland erklärt sich mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.
Sodann macht der Zeuge folgende Angaben zur Person:
Zeuge Oh[land]:
Helmut O h l a n d , 53 Jahre,
Kriminalpolizei Hamburg, beim Strohhause;
mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert;
wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.
[5546] Vors.:
Herr Ohland, sind Sie oder waren Sie beim Erkennungsdienst in Hamburg gelegentlich tätig oder ständig tätig? Waren Sie in früheren Jahren beim Erkennungsdienst, beim polizeilichen Erkennungsdienst in Hamburg tätig?
Zeuge Oh[land]:
Ja.
Vors.:
Sind Sie noch?
Zeuge Oh[land]:
Ja, bin ich noch.
Vors.:
Haben Sie in dieser Eigenschaft im Jahre 1972 einmal mit Fotografien zu tun gehabt von einer festgenommenen Frau, bei der sich die Aufnahmemöglichkeit etwas erschwert hat?
Zeuge Oh[land]:
Also ich selber habe nicht fotografiert. Ich habe nur dazu beigetragen, daß es zu den Bildern gekommen ist.
Vors.:
Wissen Sie, von welchem Vorgang wir hier jetzt sprechen?
Zeuge Oh[land]:
Ja.
Vors.:
Nämlich?
Zeuge Oh[land]:
Von den Aufnahmen der Frau Ensslin.
Vors.:
Das ist das Stichwort.
Bitte schildern Sie, was Sie noch im Gedächtnis haben an diesen Vorgang.
Zeuge Oh[land]:
Frau Ensslin wurde mit einem Streifenwagen zur Dienststelle gebracht, wo sie gleich in die Zelle kam und vom K 4 übernommen wurde. Anschließend trat die WP in Aktion, und er[xxx] hat Frau Ensslin durchsucht. Wie das abgeschlossen war, bekamen wir sie nach vorne zu uns ins Schichtführerzimmer.
Dort setzte sie sich auf einen Stuhl und wurde gefragt, ob sie Fingerabdrücke und Fotografieren freiwillig machen wolle.
Das hat sie verneint. Sie hat zu uns gesagt: „Ich sage nichts, und von mir kriegt Ihr auch nichts.“
Naja - man hat versucht, auf sie einzureden, doch hatte sie weiter nichts geäußert, und da mußten wir eben zu Zwangsmaßnahmen greifen ...
Vors.:
Wird das verstanden? Verzeihen Sie bitte.
Herr Zeuge, gehen Sie bitte etwas näher an das Mikrophon - es überträgt sich schlecht -, und versuchen Sie, langsam zu sprechen, damit alle Beteiligten Sie gut verstehen.
Bitte, fahren Sie fort.
[5547] Zeuge Oh[land]:
Also erst wurden Fingerabdrücke gemacht. Frau Ensslin hatte passiven Widerstand geleistet, indem sie die Hand immer zur Faust gemacht hat. Wir mußten praktisch jeden einzelnen Finger holen, damit wir die Fingerabdrücke bekommen konnten.
RAe Dr. Heldmann und Becker erscheinen um 14.39 Uhr wieder im Sitzungssaal.
Anschließend haben wir sie dann wieder auf den Stuhl gesetzt, und der Kollege in dem[yyy] Nebenzimmer hat die Kamera schon vorher eingerichtet und hat dann eben die Aufnahmen gemacht. Ich hab dann an der Wand gestanden - da war so ein kleines Loch - und hab Frau Ensslin eine Zigarette angeboten, die sie erst abgelehnt hat, die sie aber nachher doch nahm, und dadurch bin ich natürlich etwas von dem Loch weggekommen, und dadurch sind die Aufnahmen zustande gekommen.
Vors.:
Hat es, um diese Aufnahmen zu [zzz] Wege zu bringen, irgendwelcher sonstiger Kniffe oder Ablenkungsmanöver bedurft?
Zeuge Oh[land]:
Nein. Mein Kollege hatte versucht, da Frau Ensslin immer den Kopf nach unten hatte, sich mit ihr zu unterhalten, daß sie den Kopf hochnehmen sollte, und das hat nicht geklappt; und dann hab ich’s versucht mit der Zigarette, und da hat sie dann den Kopf hochgenommen; sie hat auch den Filter abgerissen, weil sie eine Zigarette ohne Filter haben wollte.
Vors.:
Ist Ihnen irgendwas bekannt davon, daß Ihr Kollege körperliche Berührung hatte mit dieser Frau?
Zeuge Oh[land]:
Ja - was ich gesehen hab -, er hat sie so im Nacken gekrault oder gekitzelt, oder wie immer man[aaaa] das nennen will. Ohne Erfolg.
Vors.:
Zu welchem Zwecke?
Zeuge Oh[land]:
Damit sie den Kopf hochnehmen sollte, damit eben der Fotograf die Bilder machen konnte.
Vors.:
Ist es zu aufgeregten Szenen gekommen: Hin- und Hergezerre, Geschrei und dergleichen?
Zeuge Oh[land]:
Nein.
Vors.:
Wir wollen nachher mit dem heute früh vorgelegten Material arbeiten. Ich bitte also um Rückgabe, soweit die Herrn Verteidiger, was ich vermute, noch im Besitz des Materials sind. Ich bitte, weitere Fragen zu stellen.
[5548] Ich sehe, beim Gericht nicht.
Die Herrn der B. Anwaltschaft? Keine Fragen mehr, die Herrn.
RA Be[cker]:
Ich muß gleich mich entschuldigen, aber daß wir so spät kommen, das liegt ganz einfach daran, daß Hofgang war, und wir dadurch erst um 2.00 Uhr mit unseren Mandanten sprechen konnten.
Vors.:
Sind die Bilder vorhanden?
RA Be[cker]:
Die Bilder sind vorhanden. Die sind im Anwaltszimmer, weil wir schnell reingerannt sind. Aber ich hol sie sofort.
Vors.:
Wir machen dazu nachher ne Pause.
Wollen Sie jetzt zunächst Fragen stellen an den Herrn Zeugen? Sie haben also die wesentliche Phase, die wohl Sie am meisten interessierende Phase seiner Anhörung [bbbb] mitvernommen: Es ging also direkt um die Fotografiererei; was vorher war, war die Schilderung, wie es zu den Fingerabdrücken gekommen ist. Das ist ja für Sie weniger von Belang. Hierzu hat der Herr Zeuge gesagt, die Vorgeführte habe sich passiv widersetzt, d. h., man mußte alles machen, sie hat nirgends mitgetan.
RA Be[cker]:
Herr Ohland, haben Sie mal nachher das Resultat Ihrer Bemühungen gesehen des Fotografierens also?
Zeuge Oh[land]:
Die Bilder?
RA Be[cker]:
Ja.
Zeuge Oh[land]:
Ja, habe ich gesehen.
RA Be[cker]:
Wieviele Bilder haben Sie denn gesehen?
Zeuge Oh[land]:
Ein Bild, und das war das mit der Zigarette.
RA Be[cker]:
Und wo haben Sie das gesehen?
Zeuge Oh[land]:
Auf der Dienststelle.
RA Be[cker]:
Und wann haben Sie das gesehen?
Zeuge Oh[land]:
Das kann ich nicht mehr genau sagen.
RA Be[cker]:
Nein, ich meine, haben Sie es jetzt gesehen vor kurzem? Oder haben Sie es zum damaligen Zeitpunkt gesehen?
Zeuge Oh[land]:
Nein, das muß zu dem Zeitpunkt gewesen sein.
RA Be[cker]:
Wissen Sie noch, wie der Fotograf hieß davon?
Also der Kollege, der das Bild fotografiert hat?
Zeuge Oh[land]:
Das kann ich im Moment nicht sagen, weil die Fotografen zu oft wechseln.
[5549] RA Be[cker]:
Können Sie mal was über diese Apparatur sagen, mit der das da gemacht worden ist? Ist es so, daß der Fotograf jeweils also da durchgucken kann? Wird das mit ner Spiegelreflexkamera oder so was gemacht?
Zeuge Oh[land]:
Nein. Es war lediglich ein kleines Loch in der Wand, und dahinter - das ist der Nebenraum - hat er seine Kamera aufgebaut.
RA Be[cker]:
Ja. Nun ist ja doch die Frage:
Drückte er einfach dauernd ab? Oder kann der durchsehen, was jetzt aufgenommen wird?
Zeuge Oh[land]:
Nein. Erst mußte er sich vorher auf den Stuhl in dem andern Zimmer hinsetzen und hat dann die Kamera eingerichtet.
RA Be[cker]:
Aber es gibt doch, wenn ich das recht verstehe, verschiedene Apparate. Es gibt Apparate, wo Sie durch einen Sucher durchgucken müssen, und es gibt Apparate, wo Sie durch eine Linse ... durch die Linse selbst durchgucken.
Zeuge Oh[land]:
Entschuldigen Sie, ich bin kein Fotograf, also von der Kamera ...
RA Be[cker]:
Haben Sie keine Wahrnehmung?
Zeuge Oh[land]:
Nein.
RA Be[cker]:
Nun sagen Sie, der hätte sie also da gekrault hier hinten. Ist das im Sinne von Streicheln zu verstehen?
OStA Ze[is]:
Herr Vorsitzender, der Vorhalt ist unrichtig.
Der Zeuge hat gesagt, gekrault oder gekitzelt.
RA Be[cker]:
Ja und, wieso ist der unrichtig dadurch?
Herr Oberstaatsanwalt, ich weiß nicht genau - Sie werden ja dauernd befördert - mit welchem Titel ich Sie jetzt genau ansprechen soll.
OStA Ze[is]:
Den, welchen Sie gebrauchen, Herr Rechtsanwalt, das wissen Sie ganz genau, ist der richtige ...
RA Be[cker]:
... ist der korrekte momentan.
OStA Ze[is]:
Der Vorhalt war unvollständig und deswegen unrichtig. Ich beanstande den Vorhalt.
Vors.:
Also der Vorhalt wird wohl von Ihnen dahin ergänzt, wie es im Augenblick gesagt worden ist: gekrault, gekitzelt?
[5550] RA Be[cker]:
Ich hab eigentlich jetzt versucht, für dieses Wort, weil ja offensichtlich hier interpretatorische Unterschiede bestehen, nochmals eine genaue Erklärung des tatsächlichen Ablaufes zu bekommen. Was ist dieses Wort, das Sie da gebraucht haben - ich will es auch gerne ergänzen: gekrault oder gekitzelt?
Zeuge Oh[land]:
Ja, man kann das so und so nennen.
RA Be[cker]:
Ist das ne Form des Streichelns gewesen oder wie ist das gewesen? So über den Nacken, so rüber oder wie?
Zeuge Oh[land]:
Also so genau habe ich das auch wieder nicht gesehen.
Sehen Sie: Ich stand an der Wand ungefähr 2 m zurück und mußte aufpassen, daß dieses Loch in der Wand nicht doch entdeckt wurde.
RA Be[cker]:
Ich hatte da angenommen, daß dieses Bild so gemalt wäre, daß man[cccc] dieses Loch grade nicht entdecken könnte.
Zeuge Oh[land]:
Ich hab die Frage nicht verstanden.
RA Be[cker]:
Ich hatte bisher immer angenommen, daß dieses Bild in der Wand, was also vor der Linse ist mit diesen Blumen, so gemalt sei, daß man das auch gar nicht entdecken könnte?
Zeuge Oh[land]:
Nein, man hätte das sehen können. Also wenn ich nicht davorgestanden hätte, hätte man ...
RA Be[cker]:
Ihr Kollege, der hier vorher ausgesagt hat, hat meines Erachtens gesagt, das Bild sei so gemalt.
Zeuge Oh[land]:
Wissen Sie, das ist ein Blumenmotiv gewesen und in einer Blume ist so ein kleines Loch gewesen. Aber wenn man vielleicht so 2 m davorgesessen hat und genau hingesehen hat, dann hätte man das sehen müssen.
RA Be[cker]:
Aber das ist doch ein Bild, das zur Tarnung dient, wenn ich das recht verstehe.
Zeuge Oh[land]:
Was heißt, zur Tarnung?
RA Be[cker]:
Nee. Schauen Sie her:
Wenn Sie sagen, also da ist ein Bild, da sind Blumen reingemalt, und eine Blume ist so gemalt, daß da praktisch das Loch drin sein kann, wodurch fotografiert werden kann und Sie nun außerdem sich vor ein Loch stellen, um dann plötzlich zur Seite zu gehen.
Das sind doch eigentlich zwei verschiedene Formen der Tarnung. [5551] Haben Sie das manchmal auch mit dem Bild alleine gemacht bei Leuten, die sich nicht fotografieren ließen?
Vors.:
Wollten Sie jetzt nach dem generellen Gebrauch dieses Bildes fragen oder nach dem Gebrauch in diesem speziellen Fall?
RA Be[cker]:
Zunächst nach dem generellen Gebrauch.
Können Sie dazu was sagen?
Zeuge[dddd] Oh[land]:
Wiederholen Sie bitte nochmals die Frage.
RA Be[cker]:
Frage:
Haben Sie manchmal jemand auf den Stuhl gesetzt, der sich nicht fotografieren lassen wollte, haben sich nicht vor das Bild gestellt, sondern haben einfach so mittels der Tarnung dieses Bildes, nämlich, daß man nicht unmittelbar sehen konnte, daß da also jetzt fotografiert wird, fotografiert?
Zeuge Oh[land]:
Wir haben in anderen Fällen genauso verfahren. Das ist ungefähr in der Größe gewesen. Also das hätte man sehen müssen, weil die Vertiefung da ist.
RA Be[cker]:
Jetzt nochmals zu dem Kraulen.
Ist da gestreichelt worden? Könnten Sie das nochmals sagen vielleicht?
Zeuge Oh[land]:
Das kann ich Ihnen nicht genau sagen.
RA Be[cker]:
Haben Sie nicht achtgegeben darauf?
Zeuge Oh[land]:
Nein. Ich sagte ja: Ich mußte aufpassen, daß ich dieses Loch da immer verdeckt hielt.
RA Be[cker]:
Haben Sie selber geraucht?
Zeuge Oh[land]:
Ich hab selber auch geraucht, ja.
RA Be[cker]:
Haben Sie mit Ihrem Kollegen jetzt nochmals über dessen Vernehmung gesprochen in der Pause?
Zeuge Oh[land]:
Ja, wir haben zusammen mittaggegessen.
RA Be[cker]:
Was ist da gesprochen worden?
Zeuge Oh[land]:
Da haben wir gar nicht drüber gesprochen.
RA Be[cker]:
Weil Sie grade sagen, ja, wir haben zusammen mittaggegessen. Über die Vernehmung selber ist nicht gesprochen worden?
Zeuge Oh[land]:
Nein.
RA Be[cker]:
Ich hab keine weiteren Fragen mehr.
Vors.:
Keine Fragen mehr an den Herrn Zeugen?
Ich sehe, nicht.
[5552] Kurze Pause um 14.50 Uhr.
In dieser Zeit verläßt RA Becker den Sitzungssaal, um die dem Protokoll als Anlagen 2 bis 4 beigefügten Unterlagen zu holen.[eeee]
RA Be[cker]:
Können Sie vielleicht noch Aussagen dazu machen, wie die Person ausgesehen hat?
Zeuge Oh[land]:
Sie meinen Frau Ensslin?
RA Be[cker]:
Also die Person, die da fotografiert worden ist?
Zeuge Oh[land]:
Ja. Sie hatte etwas längere Haare.
RA Be[cker]:
Gingen die auf die Schulter oder ...?
Zeuge Oh[land]:
Ja, ungefähr bis hier, so.
RA Be[cker]:
Also bis zur Schulter.
Zeuge Oh[land]:
Ja und die Zigarette in der Hand; und auf dem einen Bild müßte meine Hand zu erkennen sein.
RA Be[cker]:
Sonst? Weitere Kennzeichen? Was sie angehabt hat?
Zeuge Oh[land]:
Nen Pullover hatte sie, glaube ich, an.
RA Be[cker]:
Aber ist es richtig, daß Ihnen am meisten aufgefallen ist, daß sie längere Haare gehabt hat, die so ...
Zeuge Oh[land]:
Na, also nicht schulterlange.
RA Be[cker]:
Nee, aber bis zur Schulter, meine ich?
Zeuge Oh[land]:
Ja, ich würde sagen, hier, so ...
RA Be[cker]:
... aufliegend?
Zeuge Oh[land]:
Ob das nun aufliegend war, weiß ich so genau auch nicht mehr.
RA Be[cker]:
Haben Sie eines von diesen Fotos nachher nochmals in der Presse gesehen?
Zeuge Oh[land]:
Nein.
RA Becker übergibt wieder die Lichtbilder der Frau Ensslin und das Fernschreiben vom 19.12.1975 sowie Antwortschreiben vom selben Tag dem Gericht (s. Anl. 2 bis 4 zum Protokoll).
Die Lichtbilder der Frau Ensslin
- Anl. 2 zum Protokoll -
werden vom Gericht und[ffff] von sämtlichen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen.
Dem Zeugen wird zunächst das rechte Bild
(Frau Ensslin mit Zigarette)
aus Anl. 2 zum Protokoll
zum Augenschein vorgelegt.
[5553] Vors.:
Glauben Sie, das Bild wiederzuerkennen?
Zeuge Oh[land]:
Ja.
Vors.:
Es ist also das einzige, das hier sichtbar ist, auf dem die betreffende Person eine Zigarette hält. Deswegen ist das ausgewählt worden.
Sie sagten, Sie hätten nur ein Bild gesehen?
Zeuge Oh[land]:
Ich hab nur ein Bild gesehen. Wie viele gemacht worden sind, weiß ich nicht.
Vors.:
Können Sie mit Sicherheit sagen, daß das das Bild war? Oder meinen Sie nur, es könnte es gewesen sein?
Zeuge Oh[land]:
Dieses Bild ist es hundertprozentig.
Vors.:
Wenn Sie dort die Haare der betreffenden Person ansehen, dann sehen Sie, sie sind ziemlich kurz ...
Zeuge Oh[land]:
Naja, weil ... Immerhin: Bis hier liegen sie auf, nicht, über den Ohren.
Vors.:
... so daß das also Ihrem Erinnerungsbild nicht widerspricht, so, wie Sie die Haare hier wieder sehen oder?
RA Be[cker]:
Das ist eine Suggestivfrage, wirklich.
Zeuge Oh[land]:
Also nein.
RA Be[cker]:
... Herr Vorsitzender, derartige Fragen. Wenn hier gesagt worden ist, bis auf die Schulter gehend, ja? und Sie dann hier eine Frage stellen, „so daß das also Ihrem Erinnerungsbild nicht widerspricht ...“, dann ist das wirklich ausgesprochen suggestiv, muß beanstandet werden.
Vors.:
Herr Rechtsanwalt, zugegeben:
Wenn die Frage für sich so gestellt wäre. Aber es ist wieder dasselbe wie heute früh. Der Herr Zeuge sagte auf den Hinweis, die Haare seien hier doch relativ kurz auf dem Bild sichtbar; aber immerhin, sie gehen doch bis zur Schulter runter.
Und daran knüpfte ich dann die Feststellung:
Demnach widerspricht das Ihrem Erinnerungsbild nicht. Das ist das, was ich aus seinen Erklärungen herausgenommen habe.
RA Be[cker]:
Das ist keine Feststellung, sondern eine Frage.
Vors.:
Die Frage kann auch so gestellt werden:
[5554] Widerspricht das Aussehen der Haare, wie Sie es hier auf dem Bilde sehen, Ihrem Erinnerungsbild, wie Sie es vorhin dem Herrn Rechtsanwalt wiedergegeben haben?
Zeuge Oh[land]:
Ja, also die Haare etwa hier, etwa bis über die Ohren und etwas länger,
und das ist das Bild, was hier bei uns gemacht worden ist. Das ist hundertprozentig.
Vors.:
Es geht jetzt speziell um die Haare, um die Länge der Haare, ob so, wie Sie jetzt diese Person auf dem Bild erkennen, Ihr Erinnerungsbild bestanden hat, das Sie dem Herrn Rechtsanwalt geschildert haben? Oder müssen Sie aufgrund dieses Bildes irgendwelche Abstriche machen bei Ihrer vorherigen Schilderung?
Zeuge Oh[land]:
Naja, auf diesem Bild sind sie vielleicht etwas kürzer, wie ich eben gesagt habe - dafür ist es ja auch schon so lange her. So genau weiß man das ja auch nicht ...
Vors.:
... und deswegen die Frage, ob nun Ihr Erinnerungsbild sich mit dem, was Sie hier sehen, deckt? Oder ob Sie ne andere Vorstellung gehabt haben?
Zeuge Oh[land]:
Wenn ich das Foto sehe jetzt, dann ist das genau das, was wir gemacht haben.
Vors.:
Sind zu diesem Bild weitere Fragen?
Ich sehe, beim Gericht nicht; bei den Verteidigern? Nicht. Wird Wert darauf gelegt, daß wir dem Herrn Zeugen auch noch [gggg] zwei andere Bilder vorführen, die dabei hängen, um zu fragen, ob er sich an die Situation erinnert?
Dem Zeugen werden nunmehr das linke und das mittlere Bild
aus Anl. 2 zum Protokoll
zum Augenschein vorgelegt.
Kennen Sie die schon, oder sind die neu für Sie?
Zeuge Oh[land]:
Nein, die beiden sind neu.
Vors.:
Die haben Sie noch nicht gesehen bisher.
Und wenn Sie nun Ihr Erinnerungsbild zurückrufen, können Sie sich erinnern, daß die betreffende Frau in solchen Positionen gewesen ist, wie Sie sie hier erkennen?
Oder besagen die Bilder gar nichts für Sie?
[5555] Zeuge Oh[land]:
Also ich kenne an sich nur dieses eine Bild hier, und von den andern beiden ... - Das weiß ich nicht. Die müssen vielleicht zwischendurch gemacht worden sein, wo ich mal an der Seite war oder so, daß man sie zusammengestellt hat.
Vors.:
Danke schön.
Sonstige Fragen an den Herrn Zeugen?
Ich sehe, nicht mehr.
Der Zeuge Ohland wird vorschriftsmäßig vereidigt.
Herr Rechtsanwalt, bitte schön.
RA Be[cker]:
Ich bitte, mir Gelegenheit zu geben - also ich will nicht zu dem Zeugen was sagen - ich möchte gern noch eine kurze Erklärung zu der Zeugin Molsen abgeben. Ich hab vorher keine Erklärung abgegeben; bin jetzt etwas zu spät gekommen. Deshalb möchte ich Sie bitten, mir jetzt dazu Gelegenheit zu geben.
Vors.:
Aber zunächst mal kann ich fragen:
Wird etwas dagegen eingewendet, daß wir den Herrn Zeugen entlassen?[45]
Ich sehe, nicht.
Und der Herr Winkler, wird er noch benötigt? Wir hatten ja Herrn Winkler gebeten, auch so lange zu warten, bis Herr Ohland vernommen ist. Nicht.
Der Zeuge Helmut Ohland wird zusammen mit dem Zeugen Ulrich Winkler im allseitigen Einvernehmen um 14.58 Uhr entlassen.
[5556] Vors.:
Der Herr Zeuge Winkler ist vereidigt worden. Herr Rechtsanwalt Becker bitte, Sie wollten diese Erklärung abgeben. Es wäre natürlich zukünftig wünschenswert, immer möglichst gleich im Anschluß.
RA Be[cker]:
Herr Vorsitzender, es ist in dem Fall auch deswegen sachgerecht, weil ich nochmal Gelegenheit zur Rücksprache mit meiner Mandantin hatte. Zwei Punkte. Einmal die Zeugin Molsen ist hier vernommen worden als Zeugin und hat bekundet, daß das gegen sie gerichtete Strafverfahren noch nicht abgeschlossen worden ist. Es ist meines Erachtens bei einem Verfahren, wo die Aufklärung voll erfolgen konnte, ein doch fantastischer Zustand, daß dieses Verfahren nicht durchgeführt worden ist, sondern die Zeugin hier noch immer mit dem Damoklesschwert einer nach ihrer Aussage in diesem Prozeß folgenden Verurteilung hier aussagen soll.
Prof. Dr. Azzola erscheint wieder[hhhh] um 14.58 Uhr im Sitzungssaal.
Wobei der Hinweis, den die Bundesanwaltschaft gegeben hat, daß wegen der Ermittlungen im Falle Lang hier noch nichts erfolgen kann, meines Erachtens nicht sticht, weil nämlich die Zeugin wegen dieses Komplexes ja nun auch nicht bisher beschuldigt worden ist und insofern auch die Aufklärung hier voll erfolgen konnte. Uns ist auch ganz klar, daß in diesem Falle, wo dieses Verfahren gegen sie selbst noch aussteht, hier dauernd sie unter dem Druck steht, auch entsprechend den Anforderungen, die an sie gestellt wird, auszusagen, damit sie ihr eigenes Verfahren günstig beeinflussen kann. Der zweite Punkt steht mit diesem ersten Punkt im Zusammenhang. Die Zeugin ist hier gefragt worden, ob sie ihre Aussage hier auch gemacht habe, um ihre tätige Reue zu bekunden. Sie hat eine Aussage auf diese Frage verweigert. Der Senat hat entschieden, daß ihr hier in diesem Punkt ein Aussageverweigerungsrecht zustehe. Eine Prüfung ergibt, daß dies Aussageverweigerungsrecht auf eine Frage, die sich nur auf ihre Aussage in diesem Verfahren bezieht, in dieser Hauptverhandlung, daß diese Aussage, beziehungsweise ein Aussageverweigerungsrecht nur dann einen Sinn haben kann, wenn sie durch die Beantwortung dieser Frage sich strafbar machen würde. Strafbar machen würde sie sich, bei Beantwortung [5557] dieser Frage nur, wenn sie vorher falsch ausgesagt hat, hätte. Eine andere rechtliche Möglichkeit gibt es in diesem Fall nicht. Denn die Frage war eindeutig darauf gestellt, was sie hier, mit welchen Motiven gesagt habe. Es wurde lediglich gefragt, haben Sie hier mit dem Motiv, die tätige Reue zu bekunden, ausgesagt, und daraufhin hat sie die Aussage verweigert. Das heißt, die Aussage über die Aussage kann nur das Motiv, dem kann nur, auch in der Meinung des Gerichts, die Rechtsansicht zugrunde liegen, daß hier die Zeugin möglicherweise eine Falschaussage begangen hat. Der, diese beiden Punkte scheinen mir für die Art, wie hier Zeugen für diese Verhandlung vorgebracht werden, doch sehr erheblich zu sein, insbesondere der, die Tatsache, daß hier ein Strafverfahren, meines Erachtens muß man schon sagen, bewußt nicht abgeschlossen wird und insbesondere auch von dem Ermittlungsbehörden immer wieder, wenn die Zeugin etwas aussagt - es ist offensichtlich ja mehrmals geschehen -, ihr Hinweise gegeben werden, daß ihr eigenes Verfahren gut stehe. Wir haben die Regelung mit dem Kronzeugen[46] noch nicht. Wenn sie in dieser informellen Weise hier vorweggenommen wird, dann zeigt das nur, daß die gesetzgeberische Leistung sehr häufig darin besteht, bereits praktizierte Verfahren nachträglich zu legitimieren.
Vors.:
Im Interesse der Zeugin ist zu sagen, die Auslegung des § 55[ StPO] steht Ihnen zu; sie muß nicht unbedingt die des Gerichtes sein. Im übrigen die Gesichtspunkte, Herr Rechtsanwalt, die Sie vortrugen, haben wir heute früh schon gehört und die Bundesanwaltschaft hat darauf ja, Sie haben selbst Bezug genommen, eine Erwiderung abgegeben. Darf ich nun ...
RA Be[cker]:
Verzeihung, kann ich vielleicht jetzt noch eine andere Stellungnahme und zwar zu der Frage, die Sie heute morgen aufgeworfen haben abgeben ...
Vors.:
Ja, das wollte ich fragen, wegen der Einlassung.
RA Be[cker]:
Ich nehme Bezug, auf das Gespräch, was Verteidiger, hier Herr Dr. Heldmann und ich, mit Ihnen neulich außerhalb der Hauptverhandlung gehabt haben, letzte Woche. Dort haben Sie auf unser Schreiben, daß nicht die Einlassung der An- [5558] geklagten zur Sache[47] kürzer als die Anklageschrift sei, geantwortet, daß Sie mit ca. 300 Seiten rechneten, wenn man davon ausgehe, daß die Anklageschrift 350 Seiten habe, daß der Senat in seinen Terminierungsvorstellungen davon ausgegangen sei, daß diese 300 Seiten, jetzt mal als Quantitätsaspekt, innerhalb von 3 Tagen, nämlich am 12., 13. und 14. zu absolvieren seien ...
Vors.:
Fünf Tagen, das ist ein Irrtum. Der Senat geht von 5 aus.
RA Be[cker]:
Darf ich mal gerade fertig reden bitte ...
Vors.:
Ja, aber da muß ich Sie schon berichten, wenn Sie von 3 reden ...
RA Be[cker]:
Sie können mir nachher berichtigen soviel Sie wollen ...
Vors.:
Nein sofort, wenn Sie von drei reden. Ich sprach von fünf. Wir haben ja fünf Tage zur Verfügung gestellt.
RA Be[cker]:
Daß aber, wenn die Angeklagten der Meinung sind, daß sie mit diesen drei Tagen in 300 Seiten nicht auskämen, Sie bereit wären 2 Tage vorab, nämlich den 23. und den 30. zur Verfügung zu stellen. Die Angeklagten sind entsprechend der im Schreiben der Verteidigung, daß nämlich die Erklärung zur Sache im Zusammenhang abgegeben werden soll, bereit, diese Erklärung zur Sache ab[iiii] dem 12. Januar abzugeben. Wobei ich darauf verweisen kann, daß auch die Großkommentare zur Strafprozeßordnung darauf hinweisen, daß eine Erklärung zur Sache möglichst nicht auseinandergerissen werden soll und zum anderen muß auch quantitätsmäßig darauf hingewiesen werden, daß bei einem Verfahren, daß meinetwegen auf 1 ½ Jahre terminiert ist, oder auch nur auf 1 Jahr, natürlich eine Erklärung zur Sache in diesem Umfang die Untergrenze darstellt, wobei Beschränkungen im Umfang im einzelnen im voraus von den Angeklagten aus der Natur ihrer Erklärung her nicht akzeptiert werden kann.
Vors.:
Gut, ich entnehme dem also, ab 12.1. sind die Angeklagten bereit. Zunächst weise ich darauf hin, daß wir ursprünglich vom 23. und 30. ausgegangen sind. Das ist also nicht so 12. und 2 Tage als Vorschuß, wenn die Angeklagten vom 12. bis 14. nicht durchkommen, sondern es war ursprünglich immer vom 23. und 30. die Rede und möglicherweise folgenden Tagen. Ein Auseinanderreißen im Sinne der Großkommentare, was Sie eben erwähnt haben, wäre nur dann der Fall, wenn andere prozessuale Vorgänge dazwischengeschoben werden. Das geschieht nicht. Daß das zeitlich etwas auseinanderfällt, be- [5559] deutet kein Auseinanderreißen der Sacheinlassung. Aber ich muß nachdrücklich darauf hinweisen: Der Senat hat vermerkt, in der neuen Terminsverfügung, daß ab dem 20.1. die Beweisaufnahme auf alle Fälle fortgesetzt werden muß. Das hängt auch mit auswärtigen Zeugen zusammen, die aus dem Ausland geladen werden müssen, zumindest zwei. Und wir können auch unter diesem Aspekt, der eben erwähnt worden ist, von diesem Terminsplan nicht abweichen. Ich bitte also nochmals, wenn, für morgen wird jetzt nichts mehr zu machen sein, wenn die Angeklagten sich selbst nicht sicher sind, daß ihnen die zur Verfügung gestellten Tage in der Woche ab dem 12.1. ausreichen, dann sollten sie zumindest die Gelegenheit benützen, den 30. zum Beginn der Sacheinlassung zu wählen. Im übrigen bitte ich um Verständnis, wenn nun morgen die Sacheinlassung der Angeklagten nicht beginnt, was hiermit erklärt worden ist, daß wir die Sitzung dann morgen nicht durchführen können. Sie war in der Tat nun seit einigen Wochen darauf angelegt, die Sacheinlassung entgegenzunehmen. Es sind keine eigentlichen Beweiserhebungen mehr für diesen Tag vorgesehen. Bloß um uns morgen mit einer kurzen Verlesung hier zusammenzufinden, ist einfach prozessual auch deswegen nicht sinnvoll, weil es nicht zur Fristunterbrechung[48] dienen könnte, wie es in anderen Fällen eben gehandhabt werden muß. Ich bitte also um Verständnis, wenn wir in der Tat die Sitzung erst am 30. um 9.00 Uhr fortsetzen. Bis dahin ist die Sitzung unterbrochen.
Ende der Sitzung 15.09 Uhr.
Ende des Bandes 304.
[1] Die Angeklagten Baader, Meinhof und Raspe wurden wegen fortgesetzter Störung der Hauptverhandlung nach § 177 GVG i.V.m. § 231b Abs. 1 StPO für den restlichen Sitzungsmonat von der Hauptverhandlung ausgeschlossen (s. dazu S. 4520 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 52. Verhandlungstag, betr. den Angeklagten Raspe, sowie S. 4784, 4789 f. des Protokolls, 54. Verhandlungstag, betr. die Angeklagten Baader und Meinhof). Die Angeklagte Ensslin hätte an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).
[2] Anlage 1 zum Protokoll vom 22. Dezember 1975: Verhinderungsmitteilung des Rechtsanwalts Schwarz.
[3] Dass die Vernehmung der Angeklagten zur Sache, die eigentlich vor Eintritt in die Beweisaufnahme erfolgt (§§ 243, 244 StPO), zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgefunden hat, hat folgenden Hintergrund: Die Vernehmung zur Person fand am 26. Verhandlungstag in Abwesenheit der wegen Störung der Hauptverhandlung ausgeschlossenen (§ 177 GVG i.V.m. § 321b StPO) Angeklagten statt, indem Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse aus der Akte mitgeteilt wurden (s. dazu S. 2139 ff., 2154 des Protokolls der Hauptverhandlung, 26. Verhandlungstag), anschließend wurde die Anklage verlesen. Die Angeklagten waren der Auffassung, die Vernehmung zur Person sei „illegal“ gewesen und müsse vor einer Erklärung zur Sache nachgeholt werden (s. die Ausführungen des Angeklagten Raspe am 37. Verhandlungstag, S. 3053 des Protokolls der Hauptverhandlung). Rechtsanwalt Dr. Heldmann bezeichnete die Vernehmung zur Person als rechtswidrig, da die Angeklagten verhandlungsunfähig gewesen seien (S. 2235 des Protokolls der Hauptverhandlung, 27. Verhandlungstag). Am 37. Verhandlungstag wurde den Angeklagten angeboten, die Erklärung zur Sache zusammen mit der Erklärung zur Person abzugeben (S. 2987 des Protokolls der Hauptverhandlung). Dies lehnten sie jedoch ab, zum einen, da zu diesem Zeitpunkt die Gutachten über ihre Verhandlungsfähigkeit - die aufgrund der höheren Belastung in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung war (s. dazu die Ausführungen der Verteidigung auf S. 2998 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 37. Verhandlungstag) - noch nicht abgeschlossen waren, zum anderen, da ihre die Erklärung vorbereitenden Anträge (eigenes Tonbandgerät, Korrekturmöglichkeiten des gerichtlichen Protokolls und längere Aufbewahrung der Tonbänder) in der Hauptverhandlung nicht entgegengenommen wurden (S. 2988 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, ebenfalls 37. Verhandlungstag).
[4] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).
[5] Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Ausnahmen für dieses Verlesungsverbot ergeben sich allerdings aus den §§ 251 ff. StPO. § 256 StPO benennt bestimmte Arten verlesbarer Erklärungen, darunter die „ein Zeugnis oder Gutachten enthaltenden Erklärungen öffentlicher Behörden“ (§ 256 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. StPO a.F.; heute: § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO).
[6] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).
[7] Notwendigerweise Gegenstand der Hauptverhandlung ist alles, was der Beantwortung der Schuld- und Straffrage dient, d.h. der Tathergang, die Schuld der/des Angeklagten sowie die Höhe der Strafe, da nur solche Tatsachen zur Begründung des Urteils herangezogen werden dürfen, die (prozessordnungsgemäß) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (§ 261 StPO). Für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit auch für die Haftmodalitäten liegt die gerichtliche Zuständigkeit zwar auch beim Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 StPO); allerdings erfolgt eine Erörterung der Fragen üblicherweise außerhalb der Hauptverhandlung, weil sie zur Beantwortung der Schuld- und Straffrage nicht von Belang sind.
[8] Gemeint ist hier das bei der Festnahme von Ulrike Meinhof gefundene und offenbar von Gudrun Ensslin stammende Schreiben, in welchem sich Schilderungen konkreter Geschehnisse im Zusammenhang mit ihrer Verhaftung befanden (das Schreiben wird am 59. Verhandlungstag thematisiert, S. 5396 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung; Auszüge finden sich im Urteil auf S. 152). Da es nur wenige Tage nach der Verhaftung Ensslins außerhalb der Haftanstalt aufgefunden wurde, wurde schnell der Verdacht geäußert, Rechtsanwalt Schily habe diesen Kassiber im Rahmen eines Anwaltsbesuches illegal aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt. Sichere Beweise hierfür gab es nicht (s. hierzu Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 65 ff.).
[9] Die Äußerungen aus dem Ensslin-Kassiber wurden im Urteil allerdings dazu herangezogen, den Tatentschluss Ensslins hinsichtlich der (im Ergebnis nur versuchten) Ermordung der sie festnehmenden Polizeibeamten zu begründen (S. 289 ff. des Urteils).
[10] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).
[11] Die Inaugenscheinnahme gehört zu den zulässigen Beweismitteln im sog. Strengbeweisverfahren, welches zum Beweis von Tatsachen Anwendung findet, die die Straf- und Schuldfrage betreffen, d.h. den Tathergang, die Schuld des Täters/der Täterin sowie die Höhe der Strafe. Sie erfolgt durch eine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, ist diese nicht auf die Wahrnehmung durch Sehen beschränkt, sondern umfasst mit den Wahrnehmungen durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen auch alle anderen Sinneswahrnehmungen (BGH, Urt. v. 28.9.1962 - Az.: 4 StR 301/62, BGHSt 18, S. 51, 53).
[12] Über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet - soweit der/die Vorsitzende sie nicht bereits nach § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen kann (insbesondere eigene Fragen sowie solche der beisitzenden Berufsrichter/innen) - gem. § 242 StPO das Gericht, das ist in diesem Fall der Senat in voller Besetzung (zur Anwendbarkeit des § 242 StPO auf Fragen von Berufsrichter/innen s. Schünemann, StV 1993, S. 607 ff.).
[13] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Zulässig ist im Rahmen des Zeugenbeweises aber der Vorhalt als Vernehmungsbehelf. Damit die Grenze zum (unzulässigen) Urkundenbeweis nicht überschritten wird, ist darauf zu achten, dass Beweismittel die anschließende Erklärung bleibt, sodass nur das verwertet werden darf, was der/die Zeug/in - ggf. nach entsprechendem Vorhalt - noch erinnert. Die bloße Bestätigung, die damalige Aussage sei ordnungsgemäß protokolliert worden, kann eine fehlende Erinnerung nicht ersetzen (BGH, Urt. v. 31.5.1960 - Az.: 5 StR 168/60, BGHSt 14, S. 310, 312).
[14] Der Unmittelbarkeitsgrundsatz findet seine Grundlage in der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie der Vorschrift des § 261 StPO. Danach darf das Gericht nur auf der Grundlage der von ihm selbst (unmittelbar) in der Hauptverhandlung wahrgenommenen Umstände entscheiden darf (sog. formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz, Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015, Rn 914). Der materielle Unmittelbarkeitsgrundsatz - der unbedingte Vorrang des weniger mittelbaren Beweismittels - ist in der StPO nicht uneingeschränkt umgesetzt. Für Zeug/innen und Sachverständige normiert § 250 StPO allerdings den Vorrang des Personalbeweises (Fn. 13).
[15] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2).
[16] Anlage 2 zum Protokoll vom 22. Dezember 1975: Lichtbilder von Gudrun Ensslin aus der erkennungsdienstlichen Behandlung.
[17] Anlage 3 zum Protokoll vom 22. Dezember 1975: Fernschreiben des GBA an die Freie und Hansestadt Hamburg vom 19.12.1975.
[18] Anlage 4 zum Protokoll vom 22. Dezember 1975: Antwortschreiben der Freien und Hansestadt Hamburg an die Generalbundesanwaltschaft vom 19.12.1975.
[19] Nach § 245 StPO a.F. war die Ablehnung präsenter Beweismittel nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz vom 5. Oktober 1978 (BGBl. I, S. 1645) wurde § 245 StPO schließlich neugefasst. Mit der Neufassung erhielt das Gericht die Möglichkeit, den Beweisantrag auch dann abzulehnen, wenn die zu beweisende Tatsache bereits bewiesen oder offenkundig ist, zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht, oder das Beweismittel völlig ungeeignet ist. Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).
[20] § 246 Abs. 1 StPO enthält zwar die Vorgabe, dass eine Beweiserhebung nicht deshalb abgelehnt werden darf, weil sie zu spät vorgebracht worden sei; § 246 Abs. 2 StPO gibt Prozessbeteiligten allerdings das Recht, die Aussetzung der Hauptverhandlung zu beantragen, wenn ein Beweismittel so spät vorgebracht worden ist, dass die erforderliche Zeit zur Einholung von Erkundigungen gefehlt hat.
[21] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 95).
[22] Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG ausformuliert ist, ist eine Ausprägung sowohl des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG als auch der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 - Az.: 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, S. 89, 95). Er verlangt u.a., dass die Verfahrensbeteiligten umfassend und rechtzeitig über alle entscheidungserheblichen Tatsachen informiert werden, damit sich diese damit mit der gebotenen Sorgfalt auseinandersetzen können. Dazu gehört auch, dass sie über Stellungnahmen und Äußerungen der Gegenseite informiert werden und ihnen Gelegenheit gegeben wird, sich dazu zu äußern (BVerfG, Beschl. v. 11.5.1965 - Az.: 2 BvR 242/63, BVerfGE 19, S. 32, 36).
[23] Ein Beweisantrag erfordert grundsätzlich die hinreichende Konkretisierung sowohl der zu beweisenden Tatsache, als auch des Beweismittels (früher bereits ständige Rechtsprechung, s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.1951 - Az.: 1 StR 37/50, BGHSt 1, S. 29, 31; BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128, 129; BGH, Urt. v. 12.8.1960 - Az.: 4 StR 48/60, NJW 1960, S. 2156, 2157; heute definiert in § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Beweisanträge können nur aus den abschließenden Gründen des § 244 Abs. 3-6 StPO abgelehnt werden. Davon abzugrenzen sind Beweisermittlungsanträge sowie Beweisanregungen, deren Ablehnung nicht auf die dort enthaltenen Gründe beschränkt ist. Vielmehr entscheidet das Gericht über sie nach eigenem Ermessen im Rahmen der allgemeinen gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Wie Beweisanregung und Beweisermittlungsantrag voneinander abzugrenzen sind, wird nicht einheitlich beurteilt. Während von einem Beweisermittlungsantrag übereinstimmend gesprochen wird, wenn entweder die Beweistatsache oder das Beweismittel nicht hinreichend konkretisiert ist, wird der Begriff der Beweisanregung unterschiedlich gebraucht. Z.T. wird der Beweisermittlungsantrag als Unterfall der Beweisanregung angesehen (so z.B. in BGH, Urt. v. 7.5.1954 - Az.: 2 StR 27/54, BGHSt 6, S. 128), z.T. wird aber auch weiter differenziert: Bei einer Beweisanregung seien Beweistatsache und Beweismittel zwar hinreichend konkretisiert, aber die Ermittlungstätigkeit werde in das Ermessen des Gerichts gestellt (so Krehl, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 8. Aufl. 2019, § 144 Rn. 103); andere wiederum schlagen vor, den Begriff der Beweisanregung für Fälle vorzusehen, in denen aus Rechtsgründen die Stellung eines Beweisantrages nicht möglich ist, da sie nicht den Umfang, sondern nur die Art und Weise der Beweiserhebung beträfen (so etwa Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 244 Rn. 26). In jedem Fall aber entscheidet das Gericht über sie nach eigenem Ermessen (§ 244 Abs. 2 StPO).
[24] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Hierüber sind sie zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO), in der Regel allerdings erst, sobald Anhaltspunkte für eine solche Gefahr erkennbar werden (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 14).
[25] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.
[26] Nach § 240 Abs. 1 StGB ist strafbar „[w]er einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt“. Erst durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.1.1998 (BGBl. I, S. 164) wurde das Regelbeispiel des Missbrauchs der Befugnisse oder der Stellung als Amtsträger/in als besonders schwerer Fall der Nötigung eingeführt. Ein entsprechendes Sonderdelikt der „Nötigung im Amt“ (§ 339 RStGB) war während des NS-Regimes durch die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29.5.1943 ersatzlos gestrichen worden (RGBl. I 1943, S. 341). Schon bevor das Regelbeispiel schließlich im Jahr 1998 Einzug in das StGB erhielt, wurde in Anlehnung an den früheren § 339 RStGB einem solchen Fall allerdings regelmäßig ein unbenannter besonders schwerer Fall angenommen (Eisele, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 240 Rn. 38).
[27] § 252 StPO lautet: „Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.“ Aus dem Verlesungsverbot folgt auch ein Verwertungsverbot für die frühere Aussage (BGH, Urt. v. 15.1.1952 - Az.: 1 StR 341/51, BGHSt 2, S. 99, 101 ff.). Die Vorschrift bezieht sich allerdings nur auf Zeugnisverweigerungsrechte (§§ 52-53a StPO), nicht auf das Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO, welches der Zeugin hier zusteht, und lediglich dazu berechtigt, die Antwort auf einzelne Fragen zu verweigern.
[28] Das Reichsgericht befasste sich in der genannten Entscheidung mit der Frage, ob es nach § 252 StPO zulässig sei, die polizeiliche Vernehmungsperson über den Inhalt der Zeugenaussage zu hören und der Vernehmungsperson dabei die Niederschrift über die frühere Vernehmung durch Verlesen vorzuhalten. Das Reichsgericht bejahte diese Frage. Ein solches Vorgehen sei erforderlich, um eine wahrheitsgemäße Aussage herbeizuführen und keine unrichtige oder unvollständige Aussage zu riskieren. Es könne auch nicht verhindert werden, dass sich die Vernehmungsperson an Hand eigener Aufzeichnungen über die frühere Aussage auf Aussage vorbereite (RG, Urt. v. 23.5.1938 - Az.: 2 D 188/38, RGSt 72, S. 221, 222 f.).
[29] Vermutlich bezieht Prof. Azzola sich hier darauf, dass der 2. Strafsenats des Reichgerichts während der NS-Herrschaft durch eine politisch-ideologisch motivierte Spruchpraxis hervorgetreten war. Dies zeigte sich etwa in der Auslegung des sog. Blutschutzgesetzes (Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15.9.1935, RGBl. 1935 I, S. 1146). Insbesondere der Tatbestand des § 2 des Gesetzes, der den „außerehelichen Verkehr“ zwischen Jüd/innen und „Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes“ verbot, wurde durch die Konzeption des zusätzlichen Schutzgutes der „Rassenehre“ (RG, Urt. v. 07.01.1937 - Az.: 2 D 558/36, RGSt 71, S. 4, 5 ff.) vom 2. Strafsenat stetig ausgeweitet. Der dabei aus der Zusammenführung der Schutzgüter „Blutschutz“ und „Ehre“ entstandene Straftatbestand der „Rassenschande“ erlaubte es dem 2. Senat schließlich unter den Begriff des „Geschlechtsverkehrs“ jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen zu subsumieren, welches dem „gesunden Volksempfinden“ nach die Rassenehre zu verletzen drohte (RG, Urt. v. 02.02.1939 - Az.: 2 D 817/38, RGSt 73, S. 94, 96). Näher Ogorek, KritV 2003, S. 279, 287, 297 f.
[30] § 250 StPO enthält den Grundsatz der persönlichen Vernehmung. Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung einer Person über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, nicht durch die Verlesung einer früheren Vernehmung oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden (wobei die §§ 251 ff. StPO enge Ausnahmen von diesem Grundsatz enthalten). Zulässig ist im Rahmen des Zeugenbeweises aber der Vorhalt als Vernehmungsbehelf. Damit die Grenze zum (unzulässigen, § 250 Satz 2 StPO) Urkundenbeweis nicht überschritten wird, ist darauf zu achten, dass Beweismittel die anschließende Erklärung bleibt, sodass nur das verwertet werden darf, was der/die Zeug/in - ggf. nach entsprechendem Vorhalt - noch erinnert. Die bloße Bestätigung, die damalige Aussage sei ordnungsgemäß protokolliert worden, kann eine fehlende Erinnerung nicht ersetzen (BGH, Urt. v. 31.5.1960 - Az.: 5 StR 168/60, BGHSt 14, S. 310, 312).
[31] Sind alle Möglichkeiten des Zeugenbeweises erschöpft und erinnert sich der/die Zeug/in auch nach entsprechenden Vorhalten noch immer nicht, ermöglicht § 253 Abs. 1 StPO die Verlesung des Protokolls einer früheren Vernehmung (Kreicker, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 253 Rn. 11). In diesem Fall wird das verlesene Protokoll selbst zum Beweismittel (Mosbacher, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 27. Aufl. 2019, § 253 Rn. 1; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 253 Rn. 1; s. aber auch Velten, in Wolter [Hrsg.], Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 5, 5. Aufl. 2016, § 253 Rn. 5 ff., wonach § 253 StPO abschließend die Möglichkeit des Vorhalts regeln soll mit der Konsequenz, dass nicht die verlesene Passage, sondern allein die Antwort des/der Zeug/in zum Beweisgegenstand werden soll).
[32] § 255 StPO schreibt vor, dass u.a. im Falle einer Verlesung nach § 253 StPO auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder der Angeklagten die Verlesung und ihr Grund im Protokoll zu erwähnen ist. Der BGH räumt auch der Verteidigung ein eigenes Antragsrecht ein (BGH, Beschl. v. 30.1.1959 - Az.: 1 StR 510/58, BGHSt 12, S. 367, 371).
[33] Der (bis heute unveränderte) Wortlaut des § 242 StPO („Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet in allen Fällen das Gericht“) gibt darüber keine Auskunft. Heute wird grundsätzlich auch Zeug/innen das Recht zugestanden, an sie gerichtete Fragen zu beanstanden bzw. Zweifel an ihrer Zulässigkeit aufzuzeigen (Becker, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 6, 27. Aufl. 2019, § 242 Rn. 2; Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 242 Rn. 5; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 242 Rn. 3). In den damaligen Kommentierungen Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 242 Anm. 1 sowie Gollwitzer, in Löwe/Rosenberg [Begr.], Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 2, 22. Aufl. 1973, § 242 Anm. 1 tauchen Zeug/innen jedoch in der Aufzählung der zu Zweifeln berechtigten Personen noch nicht auf.
[34] Gemeint sein könnte eine Aktion im Jahr 1972 in Berlin. Am 27.3.1972 ging bei der dpa ein anonymer Brief ein. Darin befand sich das Foto einer Frau, die offenbar mit Teer überschüttet worden war, sowie ein Zettel mit den Worten „Das ist Edelgard G. Diese Denunziantin steckt mit den Killerschweinen unter einer Decke. Es lebe die RAF!“ (zit. nach Der Spiegel, Ausgabe 40/2007, S. 78; s. auch die Schilderung der Zeugin Brigitte Mohnhaupt am 129. Verhandlungstag, S. 10733 f. des Protokolls der Hauptverhandlung).
[35] Der Verteidigung ist auf Verlangen - ebenso wie der Staatsanwaltschaft - nach § 257 Abs. 2 StPO nach jeder einzelnen Beweiserhebung die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.
[36] Das Unterstützen einer kriminellen Vereinigung ist strafbar nach § 129 Abs. 1 Satz 2 StGB (wobei umstritten ist, ob und unter welchen Bedingungen die Vermietung von Wohnraum hierzu ausreichen kann, s. etwa Rudolphi, in Frisch/Schmid [Hrsg.], Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag, 1978, S. 315, 332; Schäfer, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 3. Aufl. 2017, § 129 Rn. 122). § 129 Abs. 6 StPO a.F. (heute: Abs. 7) enthält eine Regelung für den Fall der sog. tätigen Reue: „Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können; erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.“
[37] Die Eigenschaft einer Person als Beschuldigte/r wird ab der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens angenommen (BGH, Urt. v. 18.10.1956 - Az.: 4 StR 278/56, BGHSt 10, S. 8, 11; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 76 f.) Die Beschuldigteneigenschaft hat u.a. zur Folge, dass die Person nicht mehr als Zeug/in, sondern nur als Beschuldigte/r unter Wahrung der Beschuldigtenrechte vernommen werden darf: Vor der ersten polizeilichen Vernehmung ist ihr zu eröffnen, welche Tat ihr zu Last gelegt wird; außerdem ist sie u.a. darauf hinzuweisen, dass es ihr freistehe, zur Sache auszusagen oder sich nicht zu äußern, sowie jederzeit Verteidiger/innen ihrer Wahl zu befragen (§§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 StPO).
[38] Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die Vornahme gerichtlicher Untersuchungshandlungen grundsätzlich dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die antragstellende Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat (§ 162 StPO). Hat, wie in diesem Verfahren, der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen, so sind auch die Ermittlungsrichter/innen des BGH zuständig (§ 168a Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.; heute § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO). Grundsätzlich ist zwar die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens, d.h. Ermittlungshandlungen führt sie entweder selbst oder unter Zuhilfenahme der Polizeibehörden durch (§§ 160 Abs. 1, 161 StPO). Auch jenseits derjenigen Untersuchungshandlungen, für die richterliche Anordnungen gesetzlich vorgeschrieben sind, kann sie allerdings gerichtliche Untersuchungshandlungen beantragen (§ 162 StPO). So hat die richterliche im Vergleich zur polizeilichen Zeugenvernehmung den Vorteil, dass in bestimmten Situationen nur die Verlesung des richterlichen, nicht jedoch des polizeilichen Vernehmungsprotokolls in der Hauptverhandlung zulässig ist (§ 251 Abs. 1 StPO a.F.; entspricht heute weitestgehend § 251 Abs. 2 StPO). Auch die Vernehmung der Verhörperson ist im Falle einer richterlichen Vernehmung in bestimmten Fällen von dem aus § 252 StPO hergeleiteten Beweisverwertungsverbot ausgenommen (s. dazu Ellbogen, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 252 Rn. 47 ff.). Im Verfahren gegen die vernommene Person selbst kommt zudem - sofern sie als Beschuldigte richterlich vernommen wurde - eine Verlesung nach § 254 Abs. 1 StPO in Betracht (heute ergänzt um die Möglichkeit der Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen einer solchen Vernehmung). Mit der Frage der Beschuldigteneigenschaft hat die Vernehmung durch eine/n Ermittlungsrichter/in aber nichts zu tun; auch Zeug/innen können auf diese Weise vernommen werden.
[39] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Die Gefahr der Verfolgung bezieht sich grundsätzlich auf eine vor dem Aussagezeitpunkt liegende Tat (s. bereits Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 55 Rn. Anm.2). Straftaten, die erst durch die Aussage selbst begangen wurden, können ein Auskunftsverweigerungsrecht des/der Zeug/in nach § 55 StPO nicht begründen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich der/die Zeug/in mit der Antwort der Verfolgungsgefahr wegen einer früheren Falschaussage aussetzen würde (Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. 2017, Rn. 1117; Maier, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, § 55 Rn. 23).
[40] Rolf Pohle war ein linker Aktivist aus München. 1969 wurde er aufgrund seiner Teilnahme an den Osterunruhen nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke zu 15 Monaten Haft (ohne Bewährung) verurteilt, jedoch im Rahmen der „Brandt-Amnestie“ wieder freigelassen. Nachdem ihm aufgrund seiner Vorstrafe jedoch die Zweite Juristische Staatsprüfung verwehrt blieb, bewegte er sich ab 1970/71 im Umfeld der militanten Münchner Formation „Tupamaros München“. Am 18. Dezember 1971 wurde er verhaftet, als er versuchte, mit einem gefälschten Ausweis Waffen zu erwerben und im März 1974 wegen illegalen Waffenbesitzes und aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zur RAF wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe in Höhe von fast sechseinhalb Jahren verurteilt. Er gehörte zu denjenigen Insass/innen, die 1975 durch die Lorenz-Entführung in den Südjemen ausgeflogen wurden. Er verließ den Jemen aber und ging nach Griechenland, wo er 1976 verhaftet wurde. Zunächst lehnten griechische Behörden und Gerichte eine Überstellung in die Bundesrepublik ab. Pohles Auslieferung wurde zum Skandal, als sich viele Unterstützer/innen in Griechenland mit Parolen wie „Übergebt Pohle nicht den Nazis!“ mobilisierten und der Fall vor dem obersten Gericht für Zivil- und Strafsachen (Areopag) verhandelt wurde. Letztlich wurde Pohle im Oktober 1976 ausgeliefert und in die JVA Straubing verlegt. Pohle bestritt bis zu seinem Tod seine Mitgliedschaft in der RAF und wird von der aktuellen Forschung eher der im Entstehen befindlichen Bewegung 2. Juni zugerechnet (Danyluk, Blues der Städte, 2019, S. 513 f.; Hocks, in Kiesow/Simon [Hrsg.], Vorzimmer des Rechts, 2006, S. 129 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 761 Anm. 56; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 388 f.).
[41] Gerhard Müller - ehemals Mitglied der RAF - wurde später zu einem der Hauptbelastungszeugen in diesem sowie in weiteren Verfahren gegen Mitglieder der RAF. Das LG Hamburg verurteilte ihn mit Urteil vom 16.3.1976 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zum Mord, Beteiligung an Bombenanschlägen und dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 113 ff.; Riederer, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 29).
[42] Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sah § 59 StPO a.F. die Vereidigung von Zeug/innen noch als Regelfall vor. Ausnahmen galten nur für wenige Vereidigungsverbote, so zum Beispiel bei Personen, die selbst wegen der Beteiligung der gegenständlichen Tat verdächtig oder bereits verurteilt worden waren (§ 60 Nr. 2 StPO). Außerdem hatte das Gericht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der Vereidigung abzusehen (§ 61 StPO a.F.).
[43] § 136a StPO enthält eine Auflistung von verbotenen Methoden bei der Vernehmung von Beschuldigten. Diese sind: die Beeinträchtigung der Willensentschließung und -betätigung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Täuschung, Quälerei oder Hypnose, sowie die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme oder das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (Abs. 1). Ferner untersagt sind Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten beeinträchtigen (Abs. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verbote enthält § 136a Abs. 3 Satz 3 StPO ein Verwertungsverbot für die so zustande gekommenen Aussagen.
[44] Rechtsanwalt Jörg Lang wurde im Juli 1972 wegen des Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verhaftet, nach vier Monaten in Untersuchungshaft jedoch wieder entlassen. Bevor die Hauptverhandlung gegen ihn eröffnet werden konnte, tauchte er im Jahr 1974 unter (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 71 f.; s. auch die dort in Kapitel V En. 4, S. 569 ff. abgedruckte Presseerklärung). Erst nachdem die Vorwürfe gegen ihn verjährt waren, reiste er - wohl aus dem Libanon - wieder zurück in die Bundesrepublik ein (DER SPIEGEL Ausgabe 26/1982 vom 28.6.1982, S. 78).
[45] Mit der Entlassung (§ 248 Satz 1 StPO) erlischt auch das Fragerecht (§ 240 StPO) der Prozessbeteiligten, die vorher dazu anzuhören sind (zur Anwendung des § 248 Satz 2 StPO auf alle Prozessbeteiligten, denen ein Fragerecht zusteht s. Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 248 Rn. 3). Eine erneute Befragung kann - falls das Gericht nicht von Amts wegen eine erneute Ladung vornimmt - nur mittels Beweisantrag erreicht werden (Ciernak/Niehaus, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 248 Rn. 4 ff.).
[46] Die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Kronzeugenregelung wurde zum damaligen Zeitpunkt zwar diskutiert, erfolgte aber zunächst nicht. Während bereits mit Gesetz vom 28.7.1981 (BGBl. I, S. 681) eine Kronzeugenregelung für Betäubungsmitteldelikte geschaffen wurde (§ 31 BtMG), geschah dies erst 1989 auch für terroristische Straftaten (BGBl. I, S. 1059, S. 1061). Diese Regelung trat jedoch zum 1.12.1999 wieder außer Kraft. Erst seit dem 1.9.2009 gibt es im deutschen Strafrecht mit § 46b StGB eine allgemeine Kronzeugenregelung (eingeführt durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2288).
[47] S. Fn. 3.
[48] Nach § 229 Abs. 1 StPO a.F. durfte die Verhandlung grundsätzlich nur für maximal zehn Tage unterbrochen werden (heute: drei Wochen), im Falle von zehn vorher stattgefundenen Verhandlungstagen aber immerhin einmal auch für 30 Tage (§ 229 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.). Bei Überschreitung der Frist hätte mit der Hauptverhandlung von neuem begonnen werden müssen (§ 229 Abs. 3 StPO a.F.).
[a] Maschinell eingefügt: wieder
[b] Maschinell durchgestrichen: Wenn
[c] Maschinell eingefügt: C 2.1 Pos. 38 a-w
[d] Maschinell eingefügt: vom Gericht und
[e] Maschinell durchgestrichen: (Text unleserlich)
[f] Maschinell durchgestrichen: Kontras
[g] Maschinell eingefügt: Erklärung dahingehend abgeben
[h] Maschinell durchgestrichen: als Anl.
[i] Maschinell durchgestrichen: zum Protokoll
[j] Maschinell eingefügt: Protokoll.
[k] Maschinell eingefügt: OStA
[l] Maschinell eingefügt: Herr Rechtsanwalt, das hab ich doch
[m] Maschinell durchgestrichen: sei
[n] Maschinell ergänzt: Protokoll
[o] Maschinell eingefügt: Uhr
[p] Maschinell durchgestrichen: ich
[q] Maschinell eingefügt: Herrn
[r] Maschinell durchgestrichen: Rechtsgehör
[s] Maschinell durchgestrichen: macht
[t] Maschinell eingefügt: Jahre alt
[u] Maschinell eingefügt: hier
[v] Maschinell eingefügt: zur Ermittlung der Sache“.
[w] Handschriftlich ersetzt: Ablehnung durch Ablenkung
[x] Maschinell eingefügt: zwangsweise
[y] Handschriftlich ersetzt: ... durch nach
[z] Maschinell ersetzt: saß da durch das war vielleicht
[aa] Maschinell eingefügt: Beruhigung
[bb] Maschinell ersetzt: Olaf durch Ohland
[cc] Handschriftlich ersetzt: die durch wir
[dd] Handschriftlich durchgestrichen: wenigen
[ee] Maschinell ersetzt: ... durch Stab
[ff] Handschriftliche ersetzt: kann durch konnte
[gg] Maschinell ersetzt: ... durch Sie
[hh] Handschriftlich ersetzt: hat durch haben
[ii] Handschriftlich eingefügt: Rencontre
[jj] Maschinell durchgestrichen: sie
[kk] Maschinell ersetzt: RA Be. durch RA.Dr.He.
[ll] Maschinell ersetzt: RA.Dr.He. durch Prof.Dr.Azz.
[mm] Maschinell ersetzt: wir durch hier
[nn] Maschinell ersetzt: ... durch zu
[oo] Maschinell durchgestrichen: uns
[pp] Maschinell ersetzt: ... durch Die Nötigung
[qq] Maschinell eingefügt: vorläufig
[rr] Maschinell durchgestrichen: für
[ss] Maschinell ersetzt: da durch daß das
[tt] Maschinell eingefügt: die Form
[uu] Maschinell durchgestrichen: die
[vv] Maschinell ersetzt: Beanstandung ist durch beanstande das als
[ww] Handschriftlich ergänzt: 252
[xx] Maschinell ersetzt: Dr.He. durch Be.
[yy] Handschriftlich ergänzt: 252
[zz] Handschriftlich ersetzt: Text unleserlich durch § 252
[aaa] Maschinell ersetzt: ... durch von Ihnen eingeschlagene
[bbb] Maschinell ersetzt: Strafsache durch Strafsenat hat
[ccc] Maschinell durchgestrichen: es
[ddd] Handschriftlich ersetzt: mal durch man
[eee] Handschriftlich ergänzt: geht’s
[fff] Maschinell eingefügt: die
[ggg] Handschriftlich ersetzt: mich durch mit
[hhh] Handschriftlich ergänzt: könnten
[iii] Maschinell eingefügt: Prof. Azz.: Biertisch.
[jjj] Handschriftlich eingefügt: da sagt
[kkk] Handschriftlich ersetzt: ist durch es
[lll] Handschriftlich ergänzt: vermitteln
[mmm] Maschinell eingefügt: mehr
[nnn] Maschinell eingefügt: wieder
[ooo] Maschinell durchgestrichen: Von denen mit eigenen
[ppp] Handschriftlich eingefügt: war
[qqq] Maschinell eingefügt: einmal als Zeugin vernommen werden?
[rrr] Maschinell von unten eingefügt: Z.Mol.: Nichts dergleichen.
[sss] Maschinell durchgestrichen: ausdrücklich
[ttt] Handschriftlich ersetzt: bleibt durch blieb
[uuu] Maschinell durchgestrichen: geben
[vvv] Maschinell durchgestrichen: Wir würden um 14.
[www] Maschinell eingefügt: mehr
[xxx] Handschriftlich durchgestrichen: der
[yyy] Handschriftlich ersetzt: den durch dem
[zzz] Maschinell durchgestrichen: machen
[aaaa] Maschinell eingefügt: man
[bbbb] Maschinell durchgestrichen: mitbek
[cccc] Maschinell eingefügt: man
[dddd] Handschriftlich eingefügt: Z.
[eeee] Maschinell eingefügt: um die dem Protokoll als Anlagen 2 bis 4 beigefügten Unterlagen zu holen.
[ffff] Maschinell eingefügt: vom Gericht und
[gggg] Maschinell durchgestrichen: die
[hhhh] Maschinell eingefügt: wieder
[iiii] Maschinell durchgestrichen: abgeben