120. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 15. Juni 1976, 9.06 Uhr



[10070] Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 15. Juni 1976, 9.06 Uhr

(120. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend: JOS Janetzko, JAss. z.A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend: Rechtsanwälte Pfaff (als Vertr. für Rechtsanwalt Dr. Heldmann), Schily, Grigat, Schnabel, Eggler und Dr. Holoch (als amtl. best. Vertr. für RA. Schwarz).

Als Zeugen sind anwesend: Beate Sturm, Wolfgang Buddenberg.

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen. Die Verteidigung ist gewährleistet. Zunächst wieder kurze Hinweise: Herr Rechtsanwalt Künzel ist für den heutigen Tag entschuldigt. Wir haben auf Donnerstag, den 24.6., nochmals den Zeugen Eickler geladen. Gegenstand seiner Vernehmung ist die Abnahme einer Schreibmaschinenschriftprobe anläßlich der Durchsuchung der Zelle von Frau Meinhof am 16.7.1973. Die Adresse des Zeugen ergibt sich aus Protokoll 9929. Ich glaube, maßgeblich, wenn überhaupt ein Ordner dafür geeignet ist, wäre der Ordner 124. Dann ist auf 10 Uhr an diesem Tag geladen gewesen die Zeugin von Parish. Die Bundesanwaltschaft, die ja letztes Mal schon befragt worden ist, hat schon erklären lassen, sie verzichte auf diese Zeugin. Das wird bestätigt. Ich glaube, es ist auch sonst kein Prozeßbeteiligter anwesend, der auf die Vernehmung der Zeugin besteht? Nein. Dann wird diese Zeugin abgeladen nach allseitigem Verzicht. Herr Rechtsanwalt Schily, ich habe schon Herrn Rechtsanwalt Geulen in einer Pause mitgeteilt, daß die Vernehmungsbeamten betreffend Vernehmung Frau Sorenson vom 17.11.1975, die[a] Herren Radzy und Freter gewesen sind. Es ist Ihnen sicher inzwischen schon mitgeteilt. Dann ... Herr Rechtsanwalt Pfaff?

RA Pfaff:

Der für heute angekündigte Antrag in Sachen Todesermittlung Frau Meinhof[2] wird zurückgestellt, nachdem nunmehr Akteneinsicht [10071] gewährt wird durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Vors.:

Ja, dann glaube ich, können wir auch diese Anregung, die gegeben worden ist, diese Akten hier beizuziehen, als gegenstandslos betrachten?

RA Pfaff:

Nein, zurückstellen.

Vors.:

Es ist ja hier angeregt worden, wir möchten dieses Gutachten zumindest hier beiziehen, zwecks Einsicht. Dazu darf ich dann gleich bekanntgeben, daß der Senat folgendes dazu äußert: „Rechtsanwalt Dr. Heldmann hat angeregt, der Senat möge die Akten der Staatsanwaltschaft Stuttgart über die Ermittlungen wegen des Todes von Frau Meinhof, insbesondere den in diesen Akten enthaltene Obduktionsbericht beiziehen. Der Senat sieht keinen Anlaß, dieser Anregung zu folgen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die genannten Akten Erkenntnisse ermöglichen sollten, die für das hier anhängige Verfahren von Bedeutung sein könnten.“

RA Pfaff:

Der Antrag ist nur deshalb zurückgestellt, weil die Verteidigung von Herrn Baader bisher nicht Gelegenheit hatte, die Akten einzusehen. Es geht nur gegenwärtig um das Recht, in die Akten einzusehen. Aber solange nicht die Akten tatsächlich eingesehen worden sind, was sehr schnell erfolgen wird, wird der Antrag nur zurückgestellt.

RA Schi[ly]:

... Herrn Radzy und Herrn Freter darf ich erklären, daß ich mir vorbehalte, die erneute Vorladung dieser beiden Zeugen zu beantragen.

Vors.:

Ja. Dann können wir jetzt zu den heute geladenen Zeugen kommen. Herrn Richter am Bundesgerichtshof Buddenberg und Frau Sturm.

Rechtsanwalt Schlaegel erscheint um 9.09 Uhr im Sitzungssaal.

Die Zeugin Sturm und der Zeuge Buddenberg werden gem. § 57 StPO[3] belehrt.

Die Zeugen sind mit der Aufnahme ihrer Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[4]

Der Zeuge Buddenberg wird um 9.10 Uhr in Abstand verwiesen.

Die Zeugin Sturm wird gem. § 55 StPO[5] belehrt.

[10072] Zeugin Sturm:

Ja, ich möchte auch erklären, daß ich davon auch Gebrauch machen werde. Das wissen Sie ja, daß ich in den anderen Verfahren generell die Aussage verweigert habe und das auch kann. Das möchte ich hier auch tun.

Vors.:

Ich möchte Ihnen nur den Gegenstand dessen, was wir Sie, wenn Sie zu Aussagen bereit gewesen wären, hätten fragen wollen, bekannt geben und dann können Sie diese Erklärung abgeben, daß Sie darauf nicht antworten wollen.

Zunächst muß ich allerdings Ihre Personalien feststellen.

Die Zeugin machte folgende Angaben zur Person:

Zeugin Sturm:

Beate Sturm, 25 Jahre alt,

Studentin, wohnh. Leverkusen,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Frau Sturm, wir hätten Sie gerne gehört dazu, ob Sie Ende 1970, Anfang 1971 einer Vereinigung angehört haben, die sich den revolutionären Kampf gegen den Staat aus der Illegalität heraus zum Ziel gesetzt hat und wenn ja, wie sich das im Einzelnen abgespielt hat, mit wem Sie zusammengetroffen sind und welche Aktivitäten Sie oder andere Mitglieder dieser Vereinigung entfaltet haben. Sind Sie bereit, zu diesem jetzt insgesamt umrissenen Komplex Angaben zu machen?

Zeugin Sturm:

Nein, möchte ich keine Angaben machen.

Vors.:

Was ist die Begründung dafür?

Zeugin Sturm:

Es ist auch ein Ermittlungsverfahren gegen mich anhängig bei der Bundesstaatsanwaltschaft.

Vors.:

Ist dieses Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen?

Zeugin Sturm:

Nein.

Vors.:

Nun, ich selbst kann mir für mich keine Frage denken, die zur Sache gehören[b] und sachdienlich wäre, die nicht bei wahrheitsgemäßer Beantwortung in der Tat der Zeugin die Gefahr eigener strafgerichtlicher Verfolgung eintragen würde. Ich bin deshalb der Meinung, daß in diesem Falle dieses Auskunftsverweigerungsrecht für[c] Einzelfragen übergeht in ein allgemeines Auskunftsverweigerungsrecht[6] und habe keine Fragen an die Zeugin. Sind andere [10073] Prozeßbeteiligte, die Fragen stellen wollen? Ich sehe beim Gericht nicht. Die Herrn der Bundesanwaltschaft? Nicht. Die Herrn Verteidiger? Nicht. Damit ist Ihre Anhörung abgeschlossen. Sie haben also im vollen Umfang das Recht zugebilligt bekommen, Ihre Aussage zu verweigern. Ich danke Ihnen schön.

Die Zeugin Sturm bleibt gem. § 60 Nr. 2 StPO[7] wegen Verdachts der Beteiligung an der Tat und gem. § 61 Nr. 3 StPO[8] unbeeidigt und wird im allseitigen Einvernehmen um 9.14 Uhr entlassen.

Der Zeuge Buddenberg erscheint um 9.15 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Zunächst darf ich um Ihre Personalien bitten.

Der Zeuge machte folgende Angaben zur Person:

Zeuge Buddenberg:

Wolfgang Buddenberg, 64 Jahre alt,

Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe,

mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert,

wegen Eidesverletzung nicht vorbestraft.

Vors.:

Herr Zeuge, es ist so gegangen, wie fast zu erwarten war. Die Zeugin Beate Sturm hat sich in vollem Umfang auf den § 55[ StPO] berufen. Daher die Frage an Sie, haben Sie als Richter die Vernehmung von Frl. Sturm durchgeführt seinerzeit?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ich habe die Zeugin damals als Beschuldigte vernommen im März 1971, und sie hat sehr ausführlich über die Erlebnisse der zurückliegenden Zeit ausgesagt. Nun liegen die Ereignisse, die Vernehmung liegt immerhin über 5 Jahre zurück, so daß ich im also im Einzelnen über die Beteiligten an der Odyssee der Frau Sturm nicht mehr äußern kann. Deshalb bitte ich, mir dadurch zu helfen, daß mir Vorhalte gemacht werden.

Vors.:

Das wird geschehen. Ich darf, sicherlich mit Zustimmung der Prozeßbeteiligten, zunächst zum äußeren Hergang direkte Fragen stellen und Sie dann möglichst ohne Unterbrechung zunächst darstellen lassen, was noch in Ihrem Gedächtnis haftet. In welcher Eigenschaft ist Frau Sturm vernommen worden?

Zeuge Bud[denberg]:

Als Beschuldigte, als Teilnehmerin an den damaligen ... wegen § 129 StGB[9] als Beschuldigte.

[10074] Vors.:

Ist sie dementsprechend auch belehrt worden?

Zeuge Bud[denberg]:

Sie ist belehrt worden. Sie war vorher schon polizeilich vernommen worden. Ich glaube recht ausführlich und bevor ihr Antrag gestellt wurde, sie richterlich zu vernehmen.[10] Und sie ist in der üblichen Form belehrt worden, daß es ihr freisteht, auszusagen oder nicht auszusagen. Daß sie das Recht hat, einen Rechtsanwalt zu befragen. Das hatte sie auch getan. Sie wurde betreut durch einen Verteidiger.

Vors.:

Können Sie uns heute noch sagen, über welchen Zeitraum sich die Vernehmungen erstreckt haben, ob das[d] sich an mehreren Tagen abspielte?

Zeuge Bud[denberg]:

Es sind mehrere Tage gewesen.

Vors.:

Im März 1971?

Zeuge Bud[denberg]:

März 1971. Sie ist mindestens 2 oder 3 Tage vernommen worden, insgesamt, und sie hat sich sehr ausführlich geäußert.

Vors.:

Ja. Wie ist das nun verlaufen, hat Frau Sturm von sich aus Angaben gemacht, die direkt übertragen wurden. Hat sie diktiert oder haben Sie die Formulierung übernommen?

Zeuge Bud[denberg]:

Nein, sie hat die Ereignisse von sich aus geschildert, chronologisch, darum hatte ich sie gebeten. Und dann ist es, so wie sie es ausgesagt hat, in Etappen diktiert worden von mir.

Vors.:

Hat sie auch etappenweise der Aussage dann zugestimmt oder wie ist nachher ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ich habe sie von vornherein darauf aufmerksam gemacht, daß sie mich unterbrechen soll, wenn irgend was nicht richtig dargestellt wird, in dem Sinne, wie sie es gesagt hat. Und das hat sie auch getan.

Vors.:

Das heißt, sie hat die Formulierung im eigentlichen Sinne Ihnen überlassen, aber kontrolliert und durch zumindest schweigen, keinen Widerspruch ...

Zeuge Bud[denberg]:

Sie hat aufmerksam zugehört. Sie war auch vollkommen gelassen und gefaßt bei der Vernehmung.

Vors.:

Nun würde ich Sie bitten, soweit Sie können - Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, fünf Jahre sind eine lange Zeit - ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ich bin also gerade zu diesem Beweisthema schon des Öfteren in Parallelverfahren gehört worden, so daß also meine Erinnerung noch relativ gut ist. Sie hat sich zunächst zu ihrem Werdegang geäußert, der ja nicht sehr umfangreich war. Sie sprach davon, daß sie bereits schon in der Schule politische Interessen entwickelt [10075] habe und sich dann im Laufe der Zeit dem Kommunismus zugewandt habe, den sie interessant gefunden habe. Allerdings nicht aufgrund von Lektüren nun zu dieser Überzeugung gekommen ist, sondern durch Diskussionen, wie sie sich ausdrückte. Und sie hat dargelegt, daß sie, wie ihr Vater, Physiker werden wollte und den Wunsch hatte, nach Berlin zu gehen, weil ihr dort das politische Klima am geeignetsten schien, für ihre Zwecke. Dann hat sie geschildert, daß sie in Berlin zunächst Schwierigkeiten mit ihrem Studium hatte. Sie wußte nicht so recht, wo sie anfangen sollte, wie sie weiterkommen sollte, und hat dann dargelegt, daß sie sich unterstützt fand durch eine Gruppe von Personen, die dann auch politisch auf sie eingewirkt haben. Sie sprach davon, daß sie zur Mitbegründerin einer „Roten Zelle Physik“ an irgend einer Berliner Universität geworden sei und daß sie dann auch mal eine Zeitlang in einer Kommune gelebt hat, später in einer Wohngemeinschaft. Und da sei sie dann, wie sie darlegte, mit Personen zusammengekommen, die die gleichen politischen Ziele und Vorstellungen hatten, wie sie selbst. Also eine Veränderung der politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik. Das schwebte ihr, wenn auch zunächst noch recht schemenhaft, vor, und dann sah sie sich durch die Freunde an der Universität, vor allem in der Wohngemeinschaft, bestätigt. Sie nannte dann mehrere Namen von Personen, die ihr begegnet sind. Sie habe sich mit einem jungen Mann, einem Studenten wohl, befreundet. Der Name ist mir entfallen. Und dann sei sie allmählich mit den Personen in Berührung gekommen, die sich später als Baader-Meinhof-Gruppe bezeichnet haben. Dann nannte sie also, wenn ich nicht irre, den Namen Teeny, ein junges Mädchen, bei dem sich später herausstellte, daß es sich um Ilse Stachowjak[11] handelte. Dann nannte sie Holger Meins.[12] Mit diesen Personen ist sie dann in politische Diskussionen gekommen, und es wurde ihr eines Tages, das mußte dann im Herbst 1969 gewesen sein, 1970 gewesen sein, da ist sie dann auf eine Person aufmerksam gemacht worden, die ihrer politischen Vorstellung Stütze geben könnte. Sie wurde zu einem Treffen in einer Wohnung in Berlin aufgefordert, und dieser Aufforderung ist sie dann gefolgt. Nach ihrer Darstellung haben dann in dieser Wohnung, das war nach meiner Erinnerung die Kulmerstraße in Berlin, Besprechungen stattgefunden, an denen ein gewisser Hans, wie sie darstellte, der Wortführer war. Es war also [10076] die Person, von der sie sich etwas erhoffte in ihren politischen Vorstellungen. Und da sind dann Diskussionen geführt worden, an denen sie, der Holger Meins, die erwähnte Teeny und ein Ulli, der Ulrich Scholtze[13] hieß, teilgenommen haben muß. Es sind etwa, nach ihrer Schilderung 2, 3 oder 4 solche Zusammenkünfte gewesen im Spätherbst 1970. Sie hat dann auch Ausführungen darüber gemacht, worüber man sich bei diesen Besprechungen sich unterhalten habe. Und dabei gewann sie den Eindruck, daß hinter dem Hans - Andreas Baader war es - wie sie später erfuhr, eine Gruppe stand, die sich aktiv politisch betätigten wollte, eine militärische Organisation aufbauen wollte, und da hat sie sich dann sehr ausführlich über diese Gespräche geäußert. Es sei dann im, Ende November, Anfang Dezember geplant oder vorgeschlagen worden ... Achso, sie hatte sich dann also dem Hans gegenüber bereit erklärt, an der Arbeit dieser hinter dem Hans stehenden Gruppe teilzunehmen, von der sie an sich noch keine klaren Vorstellungen in personeller und in organisatorischer Form hatte, das wußte sie nicht. Aber sie fand sich bereit, mitzumachen. Und es wurde dann beschlossen, auf Vorschlag des Hans wurde dann beschlossen, den Wirkungsbereich dieser Gruppe von Berlin aus in die Bundesrepublik zu verlegen. Und in diesem Rahmen wurde sie aufgefordert, sich zusammen mit einem der Gesprächspartner nach Frankfurt zu begeben und dort würde sie dann Berührung mit weiteren Angehörigen der Gruppe haben. Das war also nach meiner Erinnerung und nach ihren Angaben Anfang Dezember 1970. Ja, ihr Begleiter nach Frankfurt war nach ihrer Darstellung Holger Meins. Sie wurde auch mit Geld versehen, wenn ich mich richtig erinnere, und mit einem falschen Führerschein, sie hatte einen gefälschten Führerschein ausgehändigt bekommen. Und dann ist sie also alleine nach Frankfurt geflogen, um sich dort mit Holger Meins zu treffen, der auf anderem Wege in die Bundesrepublik gelangt ist. Dieses Treffen hat im Frankfurter Raum an einem verabredeten Punkte stattgefunden. Dann hat man einen weiteren Treffpunkt aufgesucht in Frankfurt, wo sich dann zwei weitere Personen, nein, ich glaube, also zunächst nur die Meinhof einfand, die sie unter einem falschen Vornamen kennengelernt hat, wie sie sagte. Aber doch wohl schon sehr bald dann als Meinhof identifiziert hat, denn sie kannte ihr Bild aus den damaligen Presseveröffentlichungen und wußte ... Sie fand sie zwar verändert, wie sie darstellte. Von dieser nun auf drei Köpfe angewachsene Gruppe hat sich dann in eine Wohnung in Frank- [10077] furt begeben, bei einer Familie Bornheim. Frau Bornheim mit, glaube ich, drei Kindern. Und da fand sie vor zwei Personen dieser Gruppe, wenn ich nicht irre, war es der Raspe und Ruhland[14], den sie als Kalle kennenlernte. In dieser Wohnung in Frankfurt wurden dann Gespräche geführt. Es fiel ihr auf, daß Pistolen vorhanden waren, mit denen hantiert wurde. Sie selbst hat dann, wie sie darstellte, auch eine solche Pistole erhalten. Sie hat dann, glaube ich, damals über den Sinn dieser Bewaffnung etwas erfahren und da waren wohl schon die Pläne soweit gediehen, daß man die Absicht hatte, Banken zu überfallen, um die nötigen Finanzen für die Arbeitergruppe zu haben und sich Kraftfahrzeuge zu beschaffen, entweder durch Diebstahl oder durch Ausleihen von Kraftfahrzeugen. Dann hat sie in Frankfurt verschiedene Male das Quartier gewechselt, weil nicht alles bei dieser Familie unterkommen konnte und weil sich im Laufe der nächsten Zeit dann weitere Mitglieder der Gruppe hinzugesellten. Ihre Aufgabe bestand nach ihrer Schilderung darin, in Frankfurt zusammen mit dem Ruhland herumzufahren und Kraftfahrzeuge auszusuchen, die geeignet erschienen für die Gruppe. Das hat sie geschildert. Sie hatte auch die Aufgabe ... sie hat sich, wie sie sagt, niemals an Diebstählen von Kraftfahrzeugen beteiligt. Sie hat sich auch nicht am Umfrisieren solcher Kraftfahrzeuge beteiligt, aber sie wußte, daß die Fahrzeuge, die die Gruppe benutzte, unterschlagen waren oder gestohlen waren. Das hat sie sehr ausführlich geschildert. Dann hat sie auch die weiteren Personen, die sich da einfanden, genannt. Nun kann ich im Einzelnen nicht mehr sagen, die Gruppe ist also nach meiner Erinnerung dann so nach ihren Darstellungen auf etwa 10 Personen angewachsen. Dazu gehörte der Baader, der sich einfand zusammen mit der Ensslin. Der Ulrich Scholtze tauchte auch gelegentlich auf, aber auch nicht immer. Denn Scholtze weigerte sich, vollends in die Illegalität zu gehen. Er hatte das Bestreben, sein Studium trotz der Beteiligung an der Arbeit der Gruppe[e] fortzusetzen und wurde dieserhalb auch wiederholt durch insbesondere Baader, beschimpft. Also es wurden ihm Vorhaltungen gemacht, sein Verhalten sei unlogisch. Aber davon hat er sich nicht abbringen lassen nach der Darstellung der Sturm. Sie hat dann, glaube ich, in dieser Zeit auch einmal die Aufgabe gehabt, in der Stadt Aschaffenburg war es, glaube ich, Bankinstitute ausfindig zu machen, die sich für einen Überfall eignen könnten. Mit wem zusammen sie das getan hat, weiß ich nicht. Sie ist mit zwei Personen nach Aschaffen- [10078] burg gefahren. Da hat man sich dann ungesehen, geeignete Geldinstitute festgehalten, die in Frage kämen. Aber sie hat dann dargelegt, daß man diesen Plan, in Aschaffenburg Überfälle dieser Art durchzuführen, dann doch lieber hat fallen lassen, weil man die Stadt und die Straßenverhältnisse dort nicht für geeignet hielt. Dann hat sie weiter geschildert, daß man so nach etwa 8-10 Tagen in ein Landhaus, in ein Sanatorium, verlassenes Sanatorium in Bad Kissingen übergesiedelt sei, die gesamte Gruppe, weil ihnen wohl in Frankfurt das Pflaster zu heiß wurde. Dieses Sanatorium sei ihnen durch eine Frau Seifert zur Verfügung gestellt worden. Ein etwas verwahrlostes, in einem ebenso verwahrlosten Garten stehendes Haus. Und da hat sich dann die Gruppe mehrere Tage bei ihr recht wirr erscheinenden Gesprächen aufgehalten, ohne daß irgendwelche besondere Aktivitäten entwickelt worden sind. Sie hat auch die Teilnehmer geschildert. Also fast der gleiche Kreis, der schon in Frankfurt zusammen gewesen ist. Dabei habe man sich unter anderem auch über den Plan der Befreiung verschiedener politischer Gefangener der damaligen Zeit unterhalten. Der Name Mahler[15] ist dabei gefallen. Aber sie stellte die Sache so dar, daß man wohl noch keine festen Vorstellung, keine klaren Vorstellungen hatte. Es wurden Namen von Politikern genannt. Es wurde in Erwägung gezogen, einen Botschafter zu entführen und auf diese Weise die Befreiung von Gefangenen zu erreichen. Keine sehr ernsthaften Gespräche, wie sie sagte. Dann ist man wohl wieder nach Frankfurt zurückgekehrt. Das müßte dann vorne in der zweiten Hälfte Dezember gewesen sein. Sie schildert unter anderem da eine Zusammenkunft in einer Wohnung Schulte. Den Wohnungsinhaber hat sie nach ihrer Schilderung nie kennengelernt. Dort in der Wohnung Schulte waren nach ihrer Darstellung Andreas Baader, Ensslin und Raspe, glaube ich, untergebracht. Und in dieser Wohnung hat dann eine Besprechung stattgefunden, die sie als etwas eigenartig empfunden hat, weil man sich zunächst mit Hilfe eines technischen Abhörgerätes vergewissern wollte, ob nicht Mikrofone in den Wänden eingebaut sein könnten. Dann hat man sich, wie ich mich erinnere, da in dieser Wohnung darüber unterhalten, ob man die noch sehr junge Teeny weiter an der Arbeit der Gruppe teilnehmen lassen könne. Man müsse befürchten, daß sie im Falle einer Verhaftung mit ihren Kenntnissen nicht hinter dem Berg halten würde. Das ging hin und her. Teilweise war die Gruppe dafür, sie fallen zu lassen. [10079] Sie selbst, Sturm, habe sich dafür eingesetzt, daß man sie weiter mitmachen lassen solle, denn, sie wies auch darauf hin, sie selbst, die Sturm, sei ja auch noch sehr jung und man könne sich auf sie verlassen. Bei dieser Besprechung hat sie dann wohl auch erfahren, daß man in Nürnberg Objekte, Banken ausfindig gemacht habe, die demnächst überfallen werden sollten. Denn nach ihrer Darstellung ging das Geld zur Neige und man mußte sich umsehen nach geeigneten Geldquellen. Sie selbst hat an den Erkundungen in Nürnberg nicht teilgenommen. Nach ihrer Schilderung wars der Scholtze und noch ein anderer, die dort sich umgesehen haben. Aber das hatte auch noch keine feste Gestalt angenommen. Ihr schien alles so ein bißchen wirr und es war alles noch nicht so recht festgelegt. Man war in Frankfurt, wie sie mal dargestellt hat, nur auf der Flucht, damit beschäftigt, zu fliehen und sich zu sichern. Sie hat auch mehrere Pannen erzählt. Daß einmal ein Kraftfahrzeug, von der Teeny gelenkt, ein gestohlener Mercedes, Fahrzeuge am Straßenrand gestreift habe. Der Wagen sei dann abgestellt worden und später nicht wieder aufgefunden worden. Sie ist dann, das ist nun entweder von Frankfurt aus gewesen oder von Kissingen aus, das kann ich nicht mehr sagen, zusammen mit Ruhland ins Ruhrgebiet gefahren. Dort sollte sie in Oberhausen, wo ein Jansen[16] bereits Erkundungen durchgeführt hatte, dort sollte sie sich also mit ihm vereinigen. Diese Fahrt mit Ruhland, den sie offenbar besonders ins Herz geschlossen hatte, schildert sie. Sie schildert auch, wie sie auf dieser Fahrt an ihrem Elternhaus vorbeigekommen sind. Dort der Ruhland sie einmal über den Zaun ihres elterlichen Anwesens hat sehen lassen. Man ist nach Oberhausen gefahren und in Oberhausen hat man am Abend des Ankunfttages sich dann mit Jansen vereinigt, den sie bis dahin, glaube ich, nur einmal in Kissingen gesehen hat. Mit Jansen und mit Ruhland ist man dann durch Oberhausen, durch das nächtliche Oberhausen, durch das abendliche Oberhausen gefahren, um noch am gleichen Abend Kraftfahrzeuge zu entwenden. Es stellte sich dann nach ihrer Schilderung heraus, daß das notwendige Gerät dazu fehlte. Man fuhr wieder in die Gastwirtschaft zurück, in der Jansen den Abend zugebracht hatte, um einen Freund des Jansen zu holen. Dann begab man sich ... der über das entsprechende Gerät zur Entwendung von Kraftfahrzeugen verfügen sollte, und dann fiel man aber bei der Weiterfahrt, offenbar durch die Fahrweise des Ruhland, der Polizei auf, die sich hinter den Wagen heftete, so daß es dann [10080] an diesem Abend zur Verhaftung von Ruhland gekommen ist. Sie selbst und der mitfahrende Jansen konnten sich in Sicherheit bringen. Sie hat dann in ihrer Not wohl eine verabredete Telefonnummer in Frankfurt angerufen und hat von dort die Weisung bekommen, sich in eine Wohnung in Gelsenkirchen zu begeben, die ihr genannt wurde. Und das hat sie getan. Sie ist also, ich weiß es nicht, mit der Bahn wohl nach Gelsenkirchen gefahren. Dort ist sie zu einem Zeitpunkt eingetroffen, in dem man noch weitere Personen erwartete. Ich glaube, es war die Meinhof und der Raspe, die aber noch nicht da waren in dieser Wohnung. Sie hat genächtigt, und am nächsten Tage ist dann die Meinhof mit ihrem Begleiter in der Wohnung aufgetaucht. Dann ist wohl wieder die Anweisung gekommen, sich in Frankfurt zusammenzufinden. Ich glaube, es war dann wieder die Wohnung Schulte, in der die Gruppe zusammentraf, und da hat man dann beschlossen, nunmehr in Nürnberg die ausgekundschafteten Banken zu überfallen, von denen sie selbst noch nichts wußte. Sie ist dann mit einem Mitglied der Gruppe, ich kann im Moment nicht mehr sagen, wer es war, im Kraftfahrzeug nach Nürnberg gefahren, wo sich dann ein Teil der Gruppe einfand, in einem Cafe. Für sie waren die Pläne in Nürnberg, die man hatte, noch recht dunkel. Sie wußte zwar, daß es zu Banküberfällen kommen sollte, aber wie das im Einzelnen geschehen sollte, welche Rolle sie dabei spielen sollte, das hatte man ihr nach ihrer Aussage nicht mitgeteilt. Anwesend waren nach ihrer Darstellung die Meinhof, der Jansen und Teeny, dann der Ulrich Scholtze, der ja als Nürnberger sich dort schon auskannte und offenbar entsprechende Vorbereitungen getroffen hatte. Sie selbst übernachtete mit einem Gruppenmitglieder in der Pension, wie sie darstellt und hatte dann eigentlich nur die Aufgabe, am nächsten Tage Mäntel und Kapuzen, glaube ich, zu kaufen, für die Gruppe, die also für diese Banküberfälle gedacht waren. In dieser Pension ist sie nachts gestört worden durch den Ulrich Scholtze, wie sie sagte, der aus einem Koffer oder einer Tasche ein paar Kraftfahrzeugkennzeichen holte. Sie selbst hat am nächsten Tage diese, zusammen mit einem anderen, ich weiß nicht, wer es war, ich kann mich im Moment nicht erinnern, die ihr anbefohlenen Einkäufe gemacht. Sie ging in Kaufhäusern. Sie hat also mehrere Mäntel, es waren wohl Damenmäntel und Kapuzen, besorgt und der Begleiter hat ebenfalls einige Mäntel besorgt und diese Mäntel sind dann später mitgeführt worden auf der Irrfahrt, die von Nürnberg aus [10081] dann in Richtung Stuttgart gegangen ist. Sie erfuhr an diesem Tage wohl, daß in der vergangenen Nacht davor der Scholtze und der Jansen verhaftet worden seien, bei einem Diebstahl eines Kraftfahrzeugs. Und das war der Anlaß, daß die Gruppe die Pläne, die sie in Nürnberg hatte, aufgeben mußte und sich schleunigst aus Nürnberg absetzen mußte. Sie selbst ist dann in Begleitung der Meinhof nach Erlangen gefahren. Sie hat sich zunächst mit einem Professor Altvater in Nürnberg getroffen, der ein Bekannter offenbar der Meinhof gewesen ist. Dieser hat sie nach Erlangen zu einer ihm bekannten Anschrift Wohnung geführt, da nächtigte man. Und dann ist entweder von Erlangen oder von Nürnberg aus dann die Fahrt nach Stuttgart angetreten worden. In Stuttgart sollte sich die Gruppe nunmehr wieder versammeln zu neuen Taten. Das müßte so um die Weihnachtszeit[f] herum gewesen sein, Weihnachten 1970. In Nürnberg hatte man eine Wohnung bei einem Lehrer, Kunsterzieher, wie sie sagte, der aber nicht anwesend war, eine Kellerwohnung. Und in dieser Wohnung hielt sich die Gruppe dann in der Zeit, bis Ende des Jahres wohl, auf, ohne daß irgendwelche weitere Dinge geschehen sind.

Vors.:

Ja. Ich glaube - das erste Eingreifen - Sie sprachen gerade von Nürnberg, gemeint war wohl Stuttgart?

Zeuge Bud[denberg]:

Stuttgart, ja.

Vors.:

Sie sagten aus Versehen eben „Nürnberg.“

Zeuge Bud[denberg]:

Nein, Stuttgart. In Stuttgart also die Wohnung, die also dort durch Marianne[g], sie nannte sie Marianne, beschafft worden war für die Gruppe. Und da hat man dann die Tage bis zum Jahresende zugebracht, bei relativer Untätigkeit.

Von Stuttgart aus bekam sie dann einmal den Auftrag, nach Nürnberg zu fahren, um den inzwischen wieder auf freiem Fuß befindlichen Scholtze zu bewegen, weiter an der Arbeit der Gruppe[h] teilzunehmen. Das ist mißlungen nach ihrer Darstellung. Der wollte nicht mehr. Und sie hat sich auch keine weitere Mühe gegeben, ihn zu überreden. Und dann bekam sie den Auftrag, nach Bremen sich zu begeben und dort in einer Wohnung Geld abzuholen. Vorher war wohl geplant worden ... Nein, sie hat sich zunächst nach Kassel begeben, wie ich mich jetzt wieder erinnere. Es war nämlich nun ins Auge gefaßt, in Kassel Bank... Sparkassen zu überfallen, die dort durch Astrid Proll[17] ausgekundschaftet worden waren, nach ihrer Darstellung. Sie selbst war noch nicht in Kassel, sie kannte sie nicht, diese [10082] Banken, aber sie hatte später, wie sie sehr plastisch geschildert hat, den Auftrag, diese Banken genauestens zu studieren und vorzubereiten, die Banküberfälle vorzubereiten. Zunächst hatte sie aber den Auftrag, über Kassel nach Bremen zu fahren, um dort Geld, was die Gruppe offenbar wieder dringend benötigte, abzuholen. Es war eine Wohnung, die ihr geschildert wurde. Eine Wohnung, die einer Familie von Einem gehörte, ich weiß nicht, in welcher Straße.

Das hat sie also auftragsgemäß gemacht. Sie ist mit der Bahn nach Bremen gefahren. Hat sich dann wohl mit einer Taxi in die Nähe der Wohnung fahren lassen. Die Wohnung fand sie leer vor. Sie schildert, daß die Wohnung also offensichtlich seit längerer Zeit nicht mehr benutzt worden war. Es war sehr viel Post dort. Da war ihr dann gesagt worden, daß sie das Geld in einem Kuvert finden würde, in dem normalerweise Bücher verschickt werden. Also ein gefütterter Umschlag, verklebt mit der Anschrift von Einem. Wenn ich nicht irre, konnte sie erkennen, daß dieses Paket aus Berlin gekommen war, aber sie wußte den Absender nicht. Diesen Umschlag hat sie geöffnet. Es befanden sich Hefte, Bücher, Broschüren wohl in dem Umschlag, und in diese Bücher waren Geldscheine eingelegt, die sie an sich nahm. Dann hat sie sich wieder auftragsgemäß nach Kassel zurückbegeben unter Mitnahme des Geldes. Nein, sie hat, das fällt mir wieder ein, sie hat vorher noch in Bremen wohl den Auftrag gehabt, einen Teil dieses Geldes nach Stuttgart zu schicken, an die Anschrift dieses Kunsterziehers. Und das hat sie getan und mit dem Rest des Geldes ist sie nach Kassel gegangen. Sie hat dann dort bei einem persischen Arztehepaar mit Kleinkindern Unterkunft gefunden, mit dem auch politische Gespräche geführt worden sind, wie sie sagte. Und da hat sie sich, wenn ich nicht irre, wieder mit der Meinhof vereinigt. Und nun hatte sie in den nächsten Tagen, das war Anfang Januar 1971, hatte sie nach ihrer Darstellung nun den Auftrag, die drei Sparkassen, die für Überfälle ausgesucht worden waren, genauestens zu erkunden. Und das hat sie dann also in den folgenden Tagen ihres Aufenthaltes in Kassel getan. Das auch im Einzelnen geschildert, worum sie sich kümmern sollte. Die Ausstattung der Geldinstitute, die Lage, die Verkehrsverhältnisse in der Nähe der Sparkassen, Straßenbahnverkehr. Dabei hat sie sich, glaube ich, einer Karte, eines Stadtplanes bedient. Sie war nämlich in der Lage, bei ihrer Vernehmung genauestens die Lage dieser Sparkassen anzugeben, die sie während der Zeit ihres Aufenthalts [10083] in Kassel besichtigt und überprüft hatte.

Nach ihrer Darstellung hatte dann also der Plan, diese drei Sparkassen zu überfallen, doch schon recht feste Formen angenommen. Und sie rechnete sich nun aus, da sie als Kraftfahrerin ausschied, daß sie mit einer Pistole in der Hand nun an diesem Unternehmen hätte teilnehmen müssen. Und das erschien ihr doch etwas unheimlich. Im übrigen hatte sie inzwischen Sehnsucht nach ihrem Elternhaus bekommen und sie entschloß sich dann plötzlich, am 7. oder 8. Januar, war es wohl, in ihr Elternhaus zurückzukehren. Rief an bei ihren Eltern und ist dann Hals über Kopf von Kassel aus nach Leverkusen in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Das ist so in groben Zügen das, was mir in Erinnerung ist aus den Vernehmungen der damaligen Beschuldigten Sturm.

Vors.:

Dankeschön. Das scheint doch noch das Wesentliche zu beinhalten, was Sie sagen. Ist es richtig, daß Frau Sturm bemüht war, die Dinge chronologisch darzustellen?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ich hatte sie darum gebeten, wenn sie’s irgendwie kann, chronologisch darzustellen. Das ist ihr nicht immer ganz gelungen. Sie ist dann mal schon zu weit in die Zeit hineingeraten in der sie nun nicht sein durfte. Dann mußte man sie also wieder etwas zurückführen. Aber sie hat es eigentlich recht gut und vor allem sehr plastisch geschildert, was da sich abgespielt hat und recht geschickt.

Vors.:

Wenn man Ihre Vernehmungsprotokolle durchsieht, dann sieht es so aus, als habe man sich bemüht, das Datum festzustellen, wann das etwa gewesen ist und dann den Tag auszufüllen mit den Ereignissen, die sich jeweils an dem Tag oder in einem bestimmten Zeitraum von wenigen Tagen abspielte. Ist das richtig?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das ist richtig. Sie konnte sich auch noch recht gut erinnern. Denn es lag 1. noch nicht weit zurück die Geschehnisse und 2. war sie ja vorher auch polizeilich vernommen worden, und da hatte sie schon ihre Gedanken einigermaßen ordnen können. Es ging also sehr glatt die Vernehmung.

Ende von Band 576

[10084] Vors.:

Sie haben uns geschildert, Frau Sturm, Studentin, schließt sich einer Gruppe an, die nun Wege nach gesellschaftlichen Veränderungen sucht. Was war der Grund, warum sich diese Gruppe nun mit den Leuten zusammentat, die Sie erwähnten, Hans und Teeny, was versuchten sie oder was war[i] der Zweck?

Zeuge Buddenberg:

Ja, sie wollte gerne ..., sie hat mir mal zum Ausdruck gebracht, während ihrer Vernehmung, daß sie ungeduldig geworden sei. Es genügte ihr nicht mehr, daß ständig über die Veränderung der politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik gesprochen wird und diskutiert wird, sondern sie wollte nun endlich einmal Taten sehen. Sie wollte, daß diese Dinge auch in Angriff genommen wurden. Das ist auch die ..., darin ist sie ermutigt worden, durch die Äußerungen dieses Hans, der später sich als Baader herausstellte.

Vors.:

Gewiss, aber was versprach sich[j] diese Gruppe, die nun ungeduldig geworden war, bei der Verfolgung dieser Absichten von dem Treffen mit Hans?

Zeuge Bud[denberg]:

Sie wollten durch Aktionen einmal - auch durch bewaffnete Aktionen - die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, insbesondere der arbeitenden Bevölkerung in der Bundesrepublik auf sich lenkten und damit politische Signale auslösen. Das ist wohl so ihre Vorstellung gewesen.

Vors.:

Ich darf Ihnen vielleicht, um den Zweck der Frage zu verdeutlichen, sagen, das ist alles zutreffend, wie Sie es sagen, es entspricht auch der Schilderung, aber was hat der Hans dabei für eine Rolle spielen können? Maß man ihm schon bestimmte Erfahrungen zu, die man übernehmen wollte?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ja. Sie hatte den Eindruck, daß die Gruppe also, die hinter dem Hans steht, eine fertige Gruppe ist, die entschlossen ist, die auch schon etwas getan hatte; sie konnte allerdings da keine sehr klaren Angaben machen, aber aus den Gesprächen, die sie dann später auch bei der Odyssee in der Bundesrepublik von Zeit zu Zeit bei den Zusammenkünften aus dem Munde der Gruppenmitglieder erfuhr. Aus den Gesprächen erfuhr sie, daß da schon etwas gewesen war, daß man also auch schon in Berlin Banküberfälle durchgeführt hatte.

Vors.:

Könnte es der Sinn der Aussage, der Zeugin gewesen sein, darzustellen, daß man diesen Hans sozusagen als Ratgeber konsultieren wollte?

[10085] Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ja. Sie hat einmal gesagt, daß sie also zu diesem Hans und zu den anderen leitenden Personen der Gruppe aufgesehen habe. Sie war ja noch sehr jung und diese Leute haben ihr imponiert, wie sie sagt.

Vors.:

Und nun haben Sie schon angedeutet, gewaltsame gesellschaftliche Veränderungen seien das Ziel gewesen. Hat sie sich geäußert, wie nun dieser Hans bei dieser ersten Begegnung sich gerade zu der Frage der Gewalt geäußert hat?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, dazu habe er sich positiv geäußert.

Vors.:

Hatte er Vorbilder gegeben, die es in der Welt geben könnte?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Es wurde immer wieder, als Beispiel wurden die Stadt-Guerillas Südamerikas[18] angeführt.

Vors.:

Ist dabei irgendwie die Rede von schriftlichen Aufzeichnungen gewesen?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, es ist also von einem Mini-Handbuch gesprochen worden, eines südamerikanischen Guerilla-Führers, dessen Name mir im Augenblick nicht gegenwärtig ist.

Vors.:

Marighella.[19]

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, richtig, ja. Das hat die Zeugin selbst, wie sie sagte, in der Hand gehabt, und das war das Beispiel, das der Gruppe vorschwebte.

Vors.:

Hat sie das nun aus eigenem Interesse bekommen - das Buch - hat sie sich das geholt oder ist ihr das - ich weiß nicht, ob sie sich darüber geäußert hat - übergeben worden sozusagen, als Gebrauchsanweisung für die Zukunft?

Zeuge Bud[denberg]:

Na, ich glaube, das hat sie nicht aus eigenem Antrieb sich beschafft, sondern das wird sie wohl im Rahmen der Gruppe bekommen haben.

Vors.:

Sie können also heute nicht mehr sagen, ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ich kann es nicht sagen.

Vors.:

... ob sich die Zeugin zu diesem Punkte geäußert hat?

Zeuge Bud[denberg]:

Das kann ich nicht mehr sagen, nein.

Vors.:

Können Sie nicht mehr sagen.

Diese Art des Kampfes würde ja wohl bei diesen Leuten gewisse Überlegungen hervorgerufen haben müssen, wie man das betreiben kann, ob man seine normale Existenz fortsetzen könne.

Zeuge Bud[denberg]:

Nein, das wurde also insbesondere von Baader immer wieder betont, daß man sich entscheiden müsste, entweder illegal oder legal zu leben und zu arbeiten im Rahmen der Gruppe. Und dazu hat sich ja die Zeugin, wie sie ausgesagt hat, im Anfang nicht so recht [10086] entscheiden können, denn sie hing an ihrem Elternhaus und sie konnte sich eigentlich nicht vorstellen, daß sie das Weihnachtsfest nicht im Rahmen ihrer Familie verbringen konnte. Aber sie hat sich dann doch entschlossen diesen Vorschlägen Baader’s sich anzuschließen. Allerdings hatte sie die Vorstellung, daß sie auch mal wieder davon freikommen würde, daß es also mal wieder eine Pause geben würde.

Vors.:

Jedenfalls scheint die Aussage der Zeugin dann dahingegangen zu sein, daß Voraussetzung für eine Führung des Kampfes in der vorgestellten Form die Illegalität gewesen ist?

Zeuge Bud[denberg]:

Illegalität, ja.

Vors.:

Ist das richtig?

Zeuge Bud[denberg]:

Das ist richtig, ja.

Vors.:

Nun, Sie haben erwähnt, man habe diese Treffen in Berlin durchgeführt, Sie haben angedeutet, wie die Zeugin schilderte, daß man dann nach Frankfurt übergewechselt sei. Ich weiß nicht, haben Sie erwähnt, wer das veranlasst hat, diesen Wechsel nach Frankfurt?

Zeuge Bud[denberg]:

Das hat der Hans veranlasst.

Vors.:

Sie sagt, der Hans hat das veranlasst. Und können Sie noch angeben, mit welchen Zielsetzungen die Gruppe nun in die Bundesrepublik gereist ist oder geschickt wurde, wie man es bezeichnen will?

Zeuge Bud[denberg]:

Man hatte also zur Vorbereitung des politischen Kampfes zunächst einmal dafür zu sorgen, daß die ..., daß das Unternehmen finanziell gesichert war. Man wollte sich das Geld dort holen, wo es vorhanden ist, und das war der Sturm, diese Andeutungen genügten ihr um ihr klarzumachen, daß es sich hier um Banküberfälle handeln würde. Und außerdem müsse man sich mit Kraftfahrzeugen ausstatten, und mit gefälschten Papieren, davon war auch die Rede.

Vors.:

Die Gesamtziele hat die Zeugin in einer Passage hier festgehalten, die sich auf Bl. 98 des SO[k] 4 befindet. Ich möchte sie Ihnen zur Gedächtnisstütze vorhalten mit der Bitte zu erklären, ob Sie sich daran erinnern, daß die Zeugin das gesagt hat. Unter anderem erklärte, also die Begründung für die Notwendigkeit Berlin zu verlassen, nach Frankfurt zu gehen. Unter anderem erklärte Baader, daß der Boden Berlin für seine Gruppe zu heiß geworden sei. Man wolle nunmehr in der BRD weiterarbeiten. Baader führte aus, daß in der BRD ein „Apparat“ aufgebaut werden solle, der in erster Linie Kraftfahrzeuge in seinem Besitz bringen und Bankeinbrüche begehen solle, um zu Geld zu kommen. Gleichzeitig sollten, die für den Gebrauch [10087] der fremden Fahrzeuge erforderlichen Unterlagen und Urkunden hergestellt werden. Diese Handlungen sollten dazu dienen, zu einem späteren Zeitpunkt die politischen Gefangenen in West-Berlin und in der Bundesrepublik zu befreien, zugleich sollten die Gewaltakte als Demonstrationen unserer militanten Gruppe verstanden werden, es sollten Sympathisanten gewonnen und die Öffentlichkeit auf unseren politischen Kampf aufmerksam gemacht werden. So etwa habe ich die Zielsetzung der Baader-Meinhof-Gruppe verstanden.“ Erinnern Sie sich, daß das Ausführungen der Zeugin war?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, daran erinnere ich mich deutlich, ja.

Vors.:

Das wäre also die generelle Zielsetzung, wie sie die Zeugin verstanden hat ...

Zeuge Bud[denberg]:

Verstanden hat.

Vors.:

... für den Wechsel nach Frankfurt gewesen. Sie haben dann geschildert, wie man sich in Frankfurt trifft, daß hier die erste Begegnung mit Kalle, mit Raspe, wohl auch mit Frau Meinhof stattgefunden hat, haben Sie erwähnt. Und bei diesen ersten Gesprächen, es war von Ihnen schon die Wohnung Bornheim genannt worden, ist auch das Thema „Waffen tragen“ zur Sprache gekommen.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ja.

Vors.:

Sie haben erwähnt, im Zusammenhang mit dem Zweck des Waffentragens, daß es sich hier auch um Mittel gehandelt habe, um diese gewaltsamen Aktionen durchzuführen. Ist sonst noch ein Zweck genannt worden?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, sie hat also ..., sie hat gesagt, daß man einmal Waffen benötige - immer nach den Äußerungen der anderen, denn sie selbst hatte diese Idee gehabt - daß man Waffen benötige zur Durchführung von Überfällen, von Banküberfällen und zweitens, um sich dem Zugriff der Polizei entziehen zu können.

Vors.:

Hat sie das näher ausgeführt was unter diesem 2. Punkte zu verstehen ist?

Zeuge Bud[denberg]:

Nein, ich glaube nicht, das hat sie nur ganz allgemein gesagt.

Vors.:

Es heißt hier in Ihrem Protokoll - das ist Bl. 103 des S.O. 4 - „... auch dazu dienen sollten, die Waffen uns im Falle einer Verhaftung durch die Polizei zur Wehr zu setzen.“

Zeuge Bud[denberg]:

Zur Wehr zu setzen, ja, so hat sie sich ausgedrückt.

Vors.:

Was darunter näher zu verstehen ist, wurde nicht erläutert?

Zeuge Bud[denberg]:

Nein.

[10088] Vors.:

Ist dabei irgendwie auch die Rede auf Decknamen gekommen, bei diesem ersten Treffen in Frankfurt und Besprechungen?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, natürlich. Also die Gruppe hatte Vornamen, die als Decknamen benutzt wurden, sie selbst bekam einen Deckname, ich glaube, Jutta hieß sie. Dann kann ich mich erinnern, daß die Meinhof den Namen „Anna“ geführt hat; Andreas Baader wurde „Hans“ genannt; der Ruhland wurde „Kalle“ genannt, also jeder hatte einen Namen, der als Deckname dienen sollte.

Vors.:

Es war dann noch die Rede, laut Ihrem Protokoll Bl. 104, von der „Grete“, wer könnte das gewesen sein? Erinnern Sie sich noch daran?

Zeuge Bud[denberg]:

Wer war das bitte?

Vors.:

„Grete“.

Zeuge Bud[denberg]:

„Grete“?

Vors.:

„Grete“.

Zeuge Bud[denberg]:

Das kann ich nicht sagen, nein.

Vors.:

Das soll der Name für Frau Ensslin gewesen sein, wissen Sie nicht mehr.

Zeuge Bud[denberg]:

„Grete“, doch doch, das ..., ja, doch das ..., jetzt kann ich mich wieder erinnern.

Vors.:

Fällt es Ihnen jetzt wieder ein im Zusammenhang mit dem Namen Ensslin?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ja.

Vors.:

„Teeny“ Stachowiak haben Sie schon gesagt.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Und dann soll noch eine „Rosie“ bei den Decknamen eine Rolle gespielt haben.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, es spielte also auch eine Person namens Prinz eine Rolle, die aber, glaube ich, später nicht mehr auftauchte, in Berlin anwesend war, bei den Gesprächen. Dann war von „Marianne“ die Rede, das war die Marianne Herzog,[20] den Namen wußte sie aber nicht; da wurde der richtige Name gebracht.

Vors.:

Und die „Rosie“, wer das gewesen ist, wissen Sie nicht mehr?

Zeuge Bud[denberg]:

Mir fällt es im Moment ...

Vors.:

Astrid Proll.

Zeuge Bud[denberg]:

Astrid Proll, ja natürlich.

Vors.:

Erinnern Sie sich jetzt wieder?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Danke. Nun, in Frankfurt treffen, so haben Sie es geschildert, sukzessive Mitglieder ein. Sie haben erwähnt, die Gruppe habe sich [10089] vergrößert bis zu einem ...

Zeuge Bud[denberg]:

Zehn.

Vors.:

... bis zu 9 bis 10 Personen ...

Zeuge Bud[denberg]:

9, 10 Personen, ja.

Vors.:

Von den Aktivitäten haben Sie relativ wenig mitteilen können.

In Frankfurt sei, wie Sie sagten, um KFZ-Beschaffung gegangen, man habe auch über die Herstellung von falschen Papieren geredet, das haben Sie vorhin bestätigt. Hat die Zeugin, im Rahmen dieses Aufgabengebietes irgendwelche Aufgaben zugeteilt bekommen?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, sie ist also nach ihrer Schilderung, mit dem „Kalle“ durch Frankfurt gefahren - im Kraftfahrzeug - und man hat sich Stellen gemerkt, an denen nach Möglichkeit schnelle Wagen, - Mercedes - so abgestellt waren, daß man gut an sie herankonnte. Sie hat dann wohl im Zusammenhang auch mal geschildert in welcher Form man diese Kraftfahrzeuge in Gang brachte, das war ihr also nicht ..., bis dahin nicht bekannt, wie man das macht, nämlich durch Kurzschließen. Das hat sie auch später einmal, wenn ich nicht irre, in Nürnberg oder in Erlangen bei ihrer Übernachtung gezeigt bekommen, wie man solche Kraftfahrzeuge, die verschlossen waren, entwenden konnte.

Vors.:

Können Sie sich noch erinnern, wem sie nachsagte - der Gruppe - daß er die technischen Voraussetzungen, die technischen Kenntnisse hatte, um hier solche Wagen ...?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, es sollte jeder, nach Möglichkeit, solche technischen Kenntnisse haben. Aber sie hat sich also offenbar immer so ungeschickt angestellt, daß sie nie in den Besitz dieser technischen Kenntnisse gekommen ist.

Vors.:

Und wem traute sie diese Kenntnisse zu?

Zeuge Bud[denberg]:

Die Kenntnisse traute sie also dem Baader zu und der Meinhof auch.

Vors.:

Ist es richtig, daß sie bei einer späteren Aussage mal erwähnt hat, das seien die beiden gewesen, nachdem natürlich Ruhland schon verhaftet war, die für solche Einsätze in Betracht gekommen seien?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ja.

Vors.:

Und wie ist man vorgegangen, oder was ..., wie hat man sich das vorgestellt wenn falsche Papiere hergestellt werden sollten, wie kam man zu den Daten, die dafür erforderlich waren?

Zeuge Bud[denberg]:

Das hat sie auch geschildert. Sie hat sich also bemüht Fahrzeuge ausfindig zu machen, die vor Häusern abgestellt waren, [10090] von denen sie[l] hoffte, daß, dort der Besitzer des entsprechenden Kraftfahrzeuges wohnte. Sie hat sich dann die Kennzeichen notiert, dieser Kraftfahrzeuge, den Wagentyp und hat dann den, nachdem sie vorher festgestellt hatte, an der Haustür, wer da wohnte, den vermuteten Autobesitzer, Kraftfahrzeugbesitzer angerufen, um von ihm den Namen zu erfahren oder von ihm zu erfahren, wer der Halter des Kraftfahrzeuges ist. Und auf diese Weise hatte sie dann die Daten, wie sie meinte, die zur Fälschung von Kraftfahrzeugpapieren benötigt wurden.

Vors.:

Sie hat es also abgeklärt, durch Gespräche mit den mutmaßlichen Besitzern.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Um nun den zeitlichen Rahmen hier festzulegen. Könnten Sie heute noch aus dem Gedächtnis sagen, wann dieser Wechsel von Berlin nach Frankfurt stattgefunden haben könnte?

Zeuge Bud[denberg]:

Es müßte also in der ersten Hälfte Dezember 1970 gewesen sein, genau kann ich es nicht sagen.

Vors.:

Ihr Protokoll, Bl. 98 des Ord. 104, enthält hierzu - oberste Zeile - das Datum 6.2.1970.

Zeuge Bud[denberg]:

6.12. ...

Vors.:

6.12., entschuldigen Sie.

Zeuge Bud[denberg]:

6.12.1970, ja, das wird das Datum sein ...

Vors.:

Hier ... erneut ...

Zeuge Bud[denberg]:

6.12. ist aber, glaube ich, wo die letzte Zusammenkunft noch in Berlin gewesen und dann am nächsten Tag ist dann der Wechsel erfolgt.

Vors.:

Genau richtig, ja.

6.12., nochmals eine Zusammenkunft in dieser Kulmerstraße und dann kam der „Hans“ bzw. Baader mit diesen Ausführungen, man müsse aus den und den Gründen in die Bundesrepublik, und zu den und den Zwecken nach Frankfurt reisen.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

6.12., welchen Zeitraum hat denn Frau Sturm benannt, für den Aufenthalt in Frankfurt mit diesen verschiedenen Tätigkeiten, die wir jetzt eben umreißen?

Zeuge Bud[denberg]:

Vom 7. Dezember bis etwa Mitte Dezember, würde ich sagen.

Vors.:

Ja. Sie hat hier - laut Bl. 106 des Ord. 104, nach Ihrem Protokoll - angegeben, zwischen dem 7. und etwa dem 13.12. ...

Zeuge Bud[denberg]:

13., ja, das kann sein.

Vors.:

... sei das, was wir jetzt eben besprechen geschehen.

[10091] Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Erinnern Sie sich, ob im Zusammenhang mit Banküberfällen oder der Vorbereitung mit Planungen irgendwelche Hinweise für die Zeugin erkennbar wurden, daß solche Aktionen schon durchgeführt worden sind?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das habe ich eben schon einmal gesagt, sie hat den Gesprächen der Gruppe entnommen, daß in Berlin schon einmal Banküberfälle stattgefunden haben und das hat sie nach meiner Erinnerung insbesondere Ausführungen von Baader entnommen, die er gelegentlich bei den, in der Bundesrepublik bei den Zusammenkünften gemacht hat.

Vors.:

Könnten Sie sich noch erinnern, welche ..., sie hat nach ihren Aufzeichnungen hier eine besondere Einzelheit geschildert, die Sie an die Äußerungen und die Erzählung Baader’s erinnern?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, mir schwebt es vor, nicht wahr, daß also Baader da ...

Vors.:

Ich gebe Ihnen ein Stichwort, „Polizei, Blaulicht, Signalhorn“.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, daß Baader mal geschildert habe, wie er in Berlin gerade zu einer ausgewählten Banken fahren wollte, und da sei ihm Polizei mit Blaulicht entgegengekommen, die in der Richtung eines anderen ..., einer anderen Bank ..., einer anderen Sparkasse gefahren sei, an der die Meinhof als Teilnehmerin an dem Überfall beteiligt gewesen sei. Das erschien ihm amüsant, nach der Schilderung der Sturm.

Vors.:

Ja, so sagte die Zeugin wohl, er habe das in spöttischer Form geschildert ...,

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ja.

Vors.:

... und dadurch habe sie diese Kenntnisse erlangt, ist das richtig

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Ist noch sonst irgendwie eine Äußerung gefallen, die auf begangene Straftaten Rückschlüsse zuließ im Zusammenhang mit der Beschaffung falscher Papiere?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, also die Kraftfahrzeug..., die Kraftfahrzeuge, die sie sah, die waren also nach ihrer Schilderung, sie selbst war nicht beteiligt gewesen, waren also durchweg gestohlen oder unterschlagen worden.

Vors.:

Und was nun die falsche Papiere anlangt, wie kam man oder welche Vorstellungen herrschten über die Formulare?

Zeuge Bud[denberg]:

Davon wußte sie wohl im einzelnen ..., konnte sie also aus eigener Anschauung wohl nichts sagen. Sie hat sich an solchen Fälschungshandlungen nicht beteiligt, sie wußte aber, daß in der Gruppe solche Fälschungen durchgeführt wurden. Ach so ja, jetzt fällt es mir ein, sie sprach davon, daß auch Landratsämter über- [10092] fallen worden seien, in der Vergangenheit nach den Äußerungen der Gruppenmitglieder und dort seien dann Blankounterlagen für Kraftfahrzeugpapiere und Personalausweise entwendet worden.

Vors.:

Nun haben Sie vorhin erwähnt, den Aufenthalt in der Wohnung Schulte.

Zeuge Bud[denberg]:

Schulte, ja.

Vors.:

Sie haben zuvor erwähnt, den Aufenthalt in Kissingen, Sanatorium.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Der Angeklagte Raspe erscheint um 10.09 Uhr im Sitzungssaal.

Vors.:

Wenn Sie nochmals Ihr Gedächtnis überprüfen, in dieser Richtung, wie das chronologisch gefolgt ist.

Zeuge Bud[denberg]:

Sie ist also von Frankfurt aus, wo man glaubte ..., zunächst wurde die Wohnung Bornheim aufgegeben, denn man meinte, man sei dort aufgefallen, man sei verfolgt worden. Und dann ist man in diese Wohnung nach Kissingen, dieses Haus nach Kissingen gezogen.

Vors.:

Es ist so, die Frage geht eigentlich schlicht dahin, wissen Sie heute ...

Zeuge Bud[denberg]:

Das müßte also nach dem 13. gewesen sein.

Vors.:

Nach dem 13. könnte es sein, daß die Wohnung Schulte der Ort war, wo man den gemeinschaftlichen Aufenthalt in Kissingen festgelegt hat, so daß zwangsläufig der Aufenthalt in der Wohnung Schulte vorher gewesen sein müsste?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das glaube ich, war so.

Vors. (zu den Rechtsanwälten Schily und Pfaff, die sich mit dem Angeklagten Raspe besprechen):

Ich darf die Herrn Verteidiger erneut darauf hinweisen, Verteidigergespräche sind nur mit Mandanten zulässig, das schreibt der § 146 StPO vor.[21]

Herr Raspe.

Angekl. Raspe:

Quatschen Sie nicht dazwischen.

Der Angeklagte Raspe verlässt um 10.10 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Wir haben jetzt den Zeitraum nach dem 13.12.1970 erreicht, und kommen damit zu dem Stichwort Sanatoriumsaufenthalt in Bad-Kissingen. Ich schlage aber vor, daß wir jetzt eine ¼ Stunde Pause machen und Sie dann weiteranhören; Ihnen wird es auch angenehm sein.

Wir treffen uns in einer ¼ Stunde wieder.

Pause von 10.11 Uhr bis 10.28 Uhr

[10093] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.28 Uhr

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Wir waren gekommen bis zu dem Entschluß in Frankfurt, eine gemeinschaftliche Unterkunft in Kissingen aufzusuchen. Dabei soll es sich um dieses Sanatorium der Frau Seifert gehandelt haben.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Können Sie sich heute noch ungefähr erinnern, wie stark die Gruppe dort gewesen ist ...?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, es war auch so eine Kopfzahl von etwa 9 bis 10 Personen.

Es war also der[m] Ruhland, sie traf ja wohl die Personen, einen großen Teil der Gruppe dort an und dazu gehörte Ruhland, dann Baader, Ensslin, Meinhof, Raspe, wenn ich mich nicht irre, dann Meins, Teeny; es tauchte auch einmal der aus Nürnberg oder aus Berlin, er war in Nürnberg wohnhafte Scholtze auf, der sich aber wieder entfernt hat. Es sind etwa 9 bis 10 Personen, nach meiner Erinnerung dagewesen.

Vors.:

Sie haben früher noch die Namen Jansen, Proll und Marianne erwähnt.

Zeuge Bud[denberg]:

Ach so, ja, richtig, Jansen, den hat sie zum ersten Mal dort gesehen.

Vors.:

Dort gesehen; Proll und Marianne ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, richtig.

Vors.:

Nun, Sie haben schon erwähnt, dort war in einer ziemlich ...

Zeuge Bud[denberg]:

Das Haus machte einen verwahrlosten Eindruck und war unmöbliert. Es war ganz amüsant die Schilderung zu hören, daß also die Möblierung nur aus Aschenbechern und Matratzen bestanden hat. Es waren in einigen Zimmern ... war ungeheizt das Haus und das war im Dezember.

Vors.:

Es kam dann[n] das Problem der Beheizung ...

Zeuge Bud[denberg]:

Beheizung, ja.

Vors.:

Was die technische Vorrichtungen betrifft, das ist hier weniger dann von Belang. Sie erwähnten schon die Entführungen seien da in vager Form zur Sprache gekommen.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das ist also sehr, offenbar sehr großzügig behandelt worden, man wollte..., ging eben immer darauf aus, wie können wir unsere inhaftierten Freunde befreien.

Vors.:

Sie haben aber noch einen anderen Punkt erwähnt, nämlich die Banküberfälle, die auch dort zur Sprache gekommen seien, die [10094] Planung solcher Überfälle. Hat sich da irgendeiner dieser Gruppe besonders hervorgetan, daß er hier die Initiative nun verschärfen wollte.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das ist also der Baader gewesen, der darauf drang, daß man nun endlich zur Tat kommen sollte und Banken überfallen sollte, er ist wohl der treibende Teil gewesen.

Vors.:

Ist auch davon jetzt die Rede gewesen, in diesem Zusammenhang wer die Gelder zu verwalten hatte, die vorhanden waren?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das hat sie mehrere Male[o] zum Ausdruck gebracht, das war nach ihrem Eindruck, Ensslin.

Vors.:

Nun kommt ... Vielleicht können Sie uns noch angeben, wie lange hat sich die Gruppe Ihrer Erinnerung nach, nach der Aussage der Zeugin dort aufgehalten?

Zeuge Bud[denberg]:

Das kann ich nicht mehr sagen, sie sprach wohl von einigen Tagen, drei bis vier; ich weiß es nicht mehr genau.

Vors.:

Es soll vom 15. bis 18.12. gewesen sein ...,

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

... denn die Zeugin gibt dann ein darauf folgendes Datum an, für diese Fahrt, die Sie schon erwähnten, in das Ruhrgebiet.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, sie ist von da aus wohl ins Ruhrgebiet gefahren, zusammen mit dem Ruhland.

Vors.:

Wüßten Sie heute noch, wann diese Fahrt mit Ruhland gewesen war?

Zeuge Bud[denberg]:

Nein, dass ... Ja, das könnte der 17. vielleicht gewesen sein, 17. oder 18.

Vors.:

Es ist der 19.

Zeuge Bud[denberg]:

Oder der 19., das weiß ich nicht mehr genau.

Vors.:

Nach Ihrem Protokoll, wenn die Zeugin das so ausgesagt hat, das fällt Ihnen aber offensichtlich nicht mehr präzise ein.

Zeuge Bud[denberg]:

Nein, nein, aus dem Gedächtnis weiß ich es nicht mehr.

Vors.:

Und nun haben Sie schon erwähnt, Ruhland wird bei dieser Fahrt in das Ruhrgebiet verhaftet ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

... in Oberhausen. Ist da irgendwie die Rede davon gewesen, daß man von Ruhland eine bestimmte Reaktion bei der Begegnung mit der Polizei erwartet habe, die dann nicht gekommen sei?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, doch, ja. Es war wohl so, daß sich der Jansen in der Nähe aufhielt um den Ablauf der Geschehnisse zu beobachten, so hat es die Sturm geschildert, und ich glaube, sie sagte auch, daß der Jansen von Ruhland erwartete, dass er sich seiner Pistole bediente, [10095] die er bei sich hatte.

Vors.:

Gegen die Polizeibeamten?

Zeuge Bud[denberg]:

Gegen die Polizeibeamten, ja.

Vors.:

Ist es irgendwie näher erläutert worden, wie Jansen zu dieser Überlegung kam?

Zeuge Bud[denberg]:

Nein, nein.

Vors.:

Nur um jetzt den zeitlichen Rahmen zu wahren, die Fragen, die an Sie zu richten sind, haben damit noch nicht unmittelbar zu tun. Sie haben dann vorhin erzählt, im Anschluß daran Unterschlupf in Gelsenkirchen nach der Verhaftung Ruhland ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

... dann wieder Rückkehr nach Frankfurt, nach dem noch ...

Zeuge Bud[denberg]:

Sie ist wohl ..., ja, sie hat einmal in Gelsenkirchen übernachtet, in der Wohnung ..., den Namen hat sie angegeben, ich weiß ihn nicht mehr. Und dann ist sie ...

Vors.:

Die Wohnung Küster.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, die Wohnung Küster, ja. Ja, das ist das Ehepaar Küster gewesen, das ..., richtig, da hat sie übernachtet und am nächsten Tag hat sie ..., ist dann die Meinhof mit einem Begleiter, dessen Namen ich nun jetzt im Moment nicht mehr weiß, gekommen, vielleicht ist es der Raspe gewesen.

Vors.:

Richtig, nach dem Protokoll soll es der Raspe gewesen sein.

Zeuge Bud[denberg]:

Der Raspe gewesen sein, ja. Denen sie dann erzählt hat was geschehen war, am Abend vorher, nämlich die mutmaßliche Verhaftung von Ruhland. Man wußte es wohl noch nicht genau, aber sie ..., man hoffte wohl immer noch, daß er freigekommen sei. Man mußte aber damit rechnen, daß er verhaftet war und deswegen ist die Aktion dann in Oberhausen abgeblasen worden. Und sie ist dann auf Umwegen wohl nach Frankfurt zurückbeordert worden.

Vors.:

Jetzt schließen wir die Übernachtung ein, die Rückkehr nach Frankfurt, dann würden wir zeitlich jetzt, da die Reise laut Protokoll am[p] 19. gewesen sein soll, schon auf die Tage kurz vor Weihnachten zugehen.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Und hier hat sich[q] ja die Gruppe nun getroffen wieder, in Frankfurt.

Zeuge Bud[denberg]:

In der Wohnung Schulte, glaube ich, nicht.

Vors.:

Ja, in der Wohnung. Und hier kamen ja nun diese Pläne zustande, von denen Sie erwähnt haben, daß jetzt in Nürnberg was geschehen solle.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

[10096] Vors.:

Zunächst die Frage. Hat sich in Frankfurt, nach Ihrer Erinnerung, nach der Aussage der Zeugin, wieder die gesamte Gruppe getroffen, die jetzt noch übrig war, Ruhland fehlte jetzt schon?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ich meine die gesamte Gruppe wäre, mit wenigen Ausnahmen, ich glaube, sogar der Scholtze ist dabeigewesen ...

Vors.:

Ja, das ist das Stichwort. Ist Ihnen im Zusammenhang mit Scholtze in dieser Wohnung irgendwas besonderes noch geläufig, daß er mit einem anderen Gruppenmitglied eine Auseinandersetzung gehabt haben könnte?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ja, er hat bei dieser Gelegenheit, oder wieder bei dieser Gelegenheit, eine Auseinandersetzung mit Baader gehabt. Es ging wieder um die Frage der Legalität oder Illegalität und da vertrat Baader die Ansicht „entweder-oder“. Das Verhalten des Scholtze sei nicht konsequent, er müsse sich entschließen, entweder das eine oder das andere zu tun, und das wurde von Scholze bestritten. Er meinte, er könnte also beides miteinander vereinbaren.

Vors.:

Das wäre nun eigentlich mehr eine Diskussion. So wie es aber nach der Aussage der Zeugin und auch Ihrer eigenen Erinnerung offenbar war ...

Zeuge Bud[denberg]:

Es war ein Streitgespräch ...

Vors.:

... muß es wohl ein Streitgespräch gewesen sein.

Zeuge Bud[denberg]:

... ein Streitgespräch, ja.

Vors.:

Es ist hier von „unverantwortlicher Weise in die Illegalität verstricken“ die Rede, in Ihrem Protokoll.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Also müßte Scholtze das Baader vorgeworfen haben, nicht nur mit ihm ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, es ist eine erregte Auseinandersetzung gewesen, nach der Schilderung der Sturm.

Vors.:

Und nun die Nürnberger Absichten sind bekanntgegeben worden, in dieser Wohnung, Sie haben geschildert, wie nun auch Frau Sturm nach Nürnberg gegangen ist, wie man sich dort getroffen hat, Stichwort „in einem Cafe“ ...

Zeuge Bud[denberg]:

Cafe, ja.

Vors.:

... und Sie erwähnten den Einkauf von Mänteln und Kapuzen, wie Sie sagten ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das ist also der Auftrag gewesen, den sie und ein anderes männliches Mitglied der Gruppe gehabt hat, ich glaube von der Meinhof. Sie ist auch mit Geld ausgestattet worden, nannte eine Summe, und da ist man dann am nächsten Tage in mehrere Kaufhäuser gegangen und hat diese Mäntel und Kapuzen zusammengekauft.

[10097] Vors.:

Ist es richtig, das Wort Kapuzen oder könnte es ...?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, ich weiß es nicht; Pudelmützen, sind es wohl ...

Vors.:

Pudelmützen?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, Pudelmützen natürlich, ja.

Vors.:

Zu was sollten die dienen?

Zeuge Bud[denberg]:

Zur Vermummung des Gesichtes.

Vors.:

Das ist also Tarnkleidung gewesen für die Banküberfälle wohl?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Ist es so wohl gemeint gewesen?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das ist so gemeint gewesen.

Vors.:

Ist Ihnen dazu irgendwie, durch die Zeugin etwas bekanntgeworden, daß man mit dem Umgang von Pudelmützen schon gewisse Erfahrungen gemacht hat?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Es muß aber schon in Frankfurt vorher gewesen sein, da hat Baader, glaube ich, eine Bemerkung gemacht, daß diese Anwendung dieser Pudelmützen nicht gerade sehr glücklich sei, denn er habe bei einem Überfall Schwierigkeiten mit den Schlitzen gehabt, die in die Mützen hineingeschnitten worden seien.

Vors.:

Also die Sehschlitze.

Zeuge Bud[denberg]:

Sehschlitze, ja. Da habe er Schwierigkeiten gehabt, die Zeugin, die Beate Sturm meinte, er habe sich darüber auch amüsiert, daß er eine Zeitlang in Dunkeln gestanden habe.

Vors.:

Nun kam es in Nürnberg, auch von Ihnen erwähnt, zur Verhaftung von Jansen und Scholtze, was die übrigen Mitglieder aus der Zeitung erfahren haben. Und man hat nun Nürnberg wieder verlassen, Richtung Stuttgart. Sie haben erwähnt, dazwischenrein die Übernachtung in Erlangen, Stichwort „Professor Altvater“; wüßten Sie heute noch, um welche Wohnung es sich in Stuttgart gehandelt hat?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, in Stuttgart war es die Wohnung Stoller. Bei Stoller handelte es sich, nach der Wahrnehmung der Sturm, um einen Lehrer, Kunsterzieher.

Vors.:

Wir wollen also zur Person dieses Zeugen ...

Zeuge Bud[denberg]:

Der auch nicht anwesend war; die Zeugin Sturm hat ihn nicht kennengelernt.

Vors.:

Wir wollten nur das Stichwort haben; das war also die Wohnung Stoller, in der sich, wie Sie schon schilderten, nach Aussage der Zeugin, die Gruppe über die Weihnachtsfeiertage wohl bis zum ...

Zeuge Bud[denberg]:

Bis Ende des Jahren aufgehalten.

Vors.:

... bis Ende des Jahres aufgehalten hat, ohne größere Aktivitäten zu entfalten.

[10098] Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

Vors.:

Sie haben erwähnte, Stichwort „Kassel“, daß das nun der neue Einsatzort sein sollte für Geldbeschaffung. Wie kam man auf Kassel, hat das die Zeugin angegeben?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, sie hat angegeben, daß dort auch ..., daß dort auch Sparkassen schon festgelegt worden seien, die überfallen werden sollten und zwar sei daran die aus Kassel stammende Proll beteiligt gewesen.

Vors.:

Ist sonst von Stuttgart noch irgendetwas zu berichten, insbesondere hat man sich ..., nun, die Gruppe war ja dort beieinander, Gedanken gemacht, warum es zu diesen Verhaftungen der letzten Tage gekommen war, warum aus den Plänen nichts werden konnte?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das ist wohl kritisiert worden, also in der Zeit in Stuttgart hat man sich über die Gründe dieser Verhaftungen in Oberhausen und in Nürnberg unterhalten. Und das wurde dann von einigen Mitgliedern kritisiert, analysiert konnte man auch sagen, nach der Darstellung der Sturm.

Vors.:

Sind da zwei Gruppenmitglieder genannt worden, die sich gegenüberstanden?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, sie nannte die Meinhof und den Baader wohl, die verschiedene Auffassungen vertraten, wie man nun die Arbeit fortsetzen sollte, nach den gemachten Erfahrungen.

Vors.:

Also Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen beiden, kann man sagen.

Zeuge Bud[denberg]:

Zwischen diesen beiden, ja.

Vors.:

Es ist hier, in der Schilderung der Zeugin, laut nach Ihrem Protokoll Bl. 148, die Rede, es sei zu einer großen Auseinandersetzung zwischen Baader und Meinhof gekommen. Erinnern Sie sich daran, daß die ...

Zeuge Bud[denberg]:

Daran kann ich mich erinnern.

Vors.:

... Zeugin das also so dramatisch darstellte?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das hat sie sehr beeindruckt, diese Auseinandersetzung, weil es ja da um die Zukunft der Gruppe gegangen ist.

Vors.:

Und wüßten Sie noch ungefähr zu kennzeichnen, welche Standpunkte sich hier gegenüberstanden, welchen Standpunkt Baader vertrat, welchen ... Ich meine, es ging ja darum, was ist die Ursache sozusagen, was hat Schuld oder wer hat Schuld. Wenn nicht mehr, dann würde ich versuchen Ihnen durch Vorhalte die Erinnerung zu wecken.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, also ich glaube, von der einen Seite, ich weiß nicht von [10099] welcher, die Meinung vertreten wurde, daß bisher eigentlich alles richtig gemacht worden sei, man solle so fortfahren, wie es bisher geschehen sei, während von der anderen Seite, ich weiß es nicht ..., also es könnte der Baader gewesen sein, von einer Änderung der Taktik gesprochen worden ist. Und einer dieser beiden Meinungen hat sich dann durchgesetzt, nicht wahr; man wollte also weitermachen wie bisher.

Vors.:

Das ist richtig, daß das das Prinzipielle war, der Unterschiede.

Das was bisher angeordnet war oder unternommen worden ist, ist richtig angelegt gewesen und das Protokoll besagt dann dazu, das fehlerhafte Verhalten einzelner sei die Ursache warum es schiefgelaufen sei. Und die andere Meinung war, es ist die Grundkonzeption falsch.

Zeuge Bud[denberg]:

Die Grundkonzeption, das ist die ..., jawohl, das ist die Meinung von Baader wohl gewesen, nicht?

Vors.:

Nein, nach Ihrem Protokoll muß Frau Meinhof die Meinung vertreten haben, daß man in Zukunft planvoller und vorsichtiger vorgehen müsse.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das weiß ich nicht mehr genau. Ich weiß nur das von gegensätzlichen Ansichten ...

Vors.:

Wüßten Sie heute nicht mehr.

Zeuge Bud[denberg]:

... über die weitere Arbeit vertreten worden sind und ich erinnere mich jetzt wieder, nach Vorhalt, daß die Fehler Einzelner kritisiert worden sind, von der einen Seite, das ist richtig.

Vors.:

Ich möchte Ihnen dann im Zusammenhang diese Passage aus B1. 148 des Protokolls des Ord. 4 vorhalten: „Ulrike Meinhof brachte zum Ausdruck, daß die Ereignisse der letzten Zeit, die Verhaftungen und die Unfälle auf das fehlerhafte Verhalten der Gruppe und auf die falsche Gesamtplanung zurückzuführen seien. Baader meinte, daß die Pannen der letzten Zeit dem Versagen Einzelner zuzuschreiben seien.“ Wenn ich Ihnen das jetzt so vorhalte, fällt Ihnen das wieder ein?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, jetzt erinnere ich mich wieder, ja.

Vors.:

Und wer behielt die Oberhand?

Zeuge Bud[denberg]:

Man wollte so weitermachen, wie bisher.

Vors.:

Das wäre dann also die Baadersche Meinung gewesen.

Zeuge Bud[denberg]:

Die Baadersche Meinung, ja.

Vors.:

Nun haben Sie geschildert, daß Frau Sturm in den folgenden Tagen nach Kassel gelangt ist, allerdings auf den Umweg über Bremen ...

[10100] Zeuge Bud[denberg]:

Über Bremen, ja.

Vors.:

Sie haben diese Besorgungen dieser Geldsendung im einzelnen mitgeteilt und dann die Rückkehr von Bremen nach Kassel angegeben und geschildert wie die Zeugin angab, was sie zur Abklärung der Banken getan hat, das heißt, das haben Sie nicht in Einzelheiten dargelegt, aber da sie offenbar die Banken entsprechend der Planung genau nun selbst verantwortlich abgeklärt hat. Ist das richtig?

Zeuge Bud[denberg]:

Das ist richtig, ja.

Vors.:

Hat die Zeugin bekanntgegeben, ob später von ihren Vorarbeiten in der Gruppe Gebrauch gemacht worden ist?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das hat sie später, nach ihrer Darstellung, später erfahren, nachdem sie zurückgekehrt war in ihr Elternhause, ich glaube, Monate später aus der Presse erfahren, daß diese Überfälle stattgefunden hatten. Und sie hat zum Ausdruck gebracht, daß es sich dabei in der Tat um jene Sparkassen gehandelt hat, die sie kannte und ausgekundschaftet hatte. Sie hatte vorher gesagt, sie war der festen Überzeugung, daß das nicht geschehen würde, denn sie war mit Recht der Meinung, man müßte ja damit rechnen, daß sie nicht schweigt über ihre Kenntnisse, und war deswegen verwundert, daß ausgerechnet diese Sparkassen dann überfallen worden sind. Dann hat sie die[r] natürlich ihren früheren Mitgliedern, Gruppenmitgliedern angelastet. Nach ihrer Auffassung konnten die es nur gewesen sein.

Vors.:

Und nun haben Sie angedeutet, wie im Zusammenhang mit dieser Verfestigung der Absichten, Banken zu überfallen, die ganzen Umstände werden nun konkreter, bei der Zeugin die Vorstellung entsteht, so soll sie es geschildert haben, sie müsse ja dann unter Umständen ...

Zeuge Bud[denberg]:

Unter Umständen von der Waffe Gebrauch machen ...

Vors.:

... von der Waffe Gebrauch machen.

Zeuge Bud[denberg]:

... und zumindestens mit der Waffe in der Hand an der Sache teilnehmen und das war ihr unheimlich.

Vors.:

War das der einzige Grund, warum die Zeugin nun sich dem Gedanken zuwandte, daß sie die Gruppe verlassen könne?

Zeuge Bud[denberg]:

Na, sie hatte inzwischen das Gefühl gehabt, daß die Gruppe eigentlich weniger ..., mehr auf das politische Geschehen, politischen Absichten ihrer Taten gründet, sondern daß es sich jetzt allmählich um rein ..., eine rein kriminelle Tätigkeit handelte, die sie voll in Anspruch nahm. Das erschien ihr doch nicht mehr sehr sinnvoll zu sein. Das war also auch eines der Motive, das sie zum Abspringen veranlasst hatte, nach ihrer Darstellung.

[10101] Vors.:

Hat sie denn Angaben darüber gemacht, ob sie bei diesen Überlegungen die ideologische Grundlage der Gruppe überprüft habe, gedanklich und ob sie sich dazu ..., und daß sie sich dazu Gedanken gemacht hätte?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das hat sie gesagt. Sie hat also in ihrer Hoffnung, daß die Dinge auch politische Auswirkungen haben würden, hat sie sich getäuscht gesehen. Sie hat z. B. geschildert, daß sie ..., man keine Gespräche führen konnte mit anderen Personen. Sie hatte das Gefühl, daß die Gruppe eigentlich ständig auf der Flucht sei und voll damit beschäftigt war diese Taten zu planen und durchzuführen ohne das dabei noch die politischen Absichten zu erkennen waren, das mißfiel ihr. Und das war auch ein Grund mit abzuspringen; hinzu kamen dann eben auch ihre ..., ihr Heimweh.

Vors.:

Also diese drei Faktoren, die Sie jetzt erwähnt haben, kann man die als die Ursache ansehen, nach der Aussage der Zeugin, Heimweh - nehmen wir mal das erste - das zweite, die Sorge ...

Zeuge Bud[denberg]:

Enttäuschung.

Vors.:

... mit der Waffe in der Hand ...

Zeuge Bud[denberg]:

Das auch, ja.

Vors.:

... an einer Tat teilnehmen zu müssen und drittens, die Erkenntnis, daß sie ihre politischen Vorstellungen in dieser Gruppe ...

Zeuge Bud[denberg]:

Nicht wirklich sah.

Vors.:

... die dem kriminellen sich zuwendete, nicht würde verwirklichen können ...

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das sind die ...

Vors.:

Diese Motive ...

Zeuge Bud[denberg]:

... das sind die Motive gewesen.

Vors.:

Und das hat sie veranlasst, dann nach ihrer Aussage, abzuspringen.

Zeuge Bud[denberg]:

Abzuspringen, ja.

Vors.:

Nun das Abspringen ist nicht ganz einfach in so einer Gruppe; sie war ja nun schon etwas in die Illegalität geraten. Hat sie da einen besonderen Zeitpunkt gewählt?

Zeuge Bud[denberg]:

Sie hat den Zeitpunkt gewählt, als die Gruppenmitglieder wieder abwesend waren und zum größten Teil nicht da waren. Ich glaube, sie war die einzige, zu dem Zeitpunkt als sie sich entfernte, die einzige, die in Kassel war und diesen Zeitpunkt hat sie dann genutzt, um sich zu entfernen.

Vors.:

Hat sie erklärt, wo die anderen Mitglieder gewesen sind?

Zeuge Bud[denberg]:

Ja, das habe ich nicht mehr in Erinnerung. Also sie waren zum Teil, nach ihrer Darstellung, wohl noch in Frankfurt. Dann [10102] hat sie wohl davon gesprochen, daß die Meinhof nach Hannover gefahren sei oder Richtung ..., im einzelnen kann ich nicht mehr sagen, ob sie sich dazu geäußert hat, was die übrigen Mitglieder der Gruppe zu dieser Zeit getan haben und wo sie sich befanden.

Vors.:

Dann will ich Ihnen vorhalten, aus Bl. 157 dieses Ord. 4, in Ihrer Vernehmung heißt es: „Also entschloß ich mich die Gruppe zu verlassen, nicht mehr weiterzumachen. Die Gelegenheit erschien mir günstig, als ich in den Tagen um den 7. und 8.1.1974 allein in Kassel war, denn Raspe und Holger Meins waren nach Frankfurt gefahren, um dort ein oder mehrere Kraftfahrzeuge zu entwenden. Ulrike Meinhof hatte sich mit der gleichen Absicht nach Göttingen begeben.“

Zeuge Bud[denberg]:

Nach Göttingen, ja.

Vors.:

Das waren ja die Mitglieder, die damals in Kassel waren, die übrigen, wie Sie sagten ...

Zeuge Bud[denberg]:

Die waren dann aber nicht anwesend.

Vors.:

Also die anderen waren beschäftigt und sie allein zurückgeblieben.

Und dann ist sie heimgefahren.

Zeuge Bud[denberg]:

Ja.

[10103] Vors.:

Weitere Fragen an den Herrn Zeugen bitte? Bitte, Herr Maier.

Richter Mai[er]:

Sie sagten vorher, man habe sich einmal darüber unterhalten, ob die Teeny nicht zu jung sei.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Wer hat darüber gesprochen?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Das kann ich nicht sagen. Ich nehme an, daß es ein allgemeines Gespräch war, daß also ein Teil der Gruppenmitglieder die weitere Teilnahme der Teeny für bedenklich hielten wegen ihrer großen Jugend. Sie selbst, die Zeugin, war wohl der Ansicht, daß das kein Hinderungsgrund sei für sie, weiter mitzumachen und hat auf ihre eigene Jugend hingewiesen, denn die Sturm war damals ja auch noch sehr jung.

Richter Mai[er]:

Ich darf Ihnen aus Ihrem Protokoll in Ordner 4 Bl. 132 vorhalten, da werden drei Namen genannt, da heißt es: „anschließend wurde darüber beraten, ob Teeny nicht zu jung für die Gruppe sei. Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin vertraten die Ansicht, daß sie infolge ihrer Jugend nicht zuverlässig genug sei.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

Richter Mai[er]:

Können Sie sich erinnern, daß diese drei Namen genannt wurden?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, das ist richtig, ja.

Richter Mai[er]:

Dann etwas anderes. Ist nach der Verhaftung des Scholtze in der Gruppe diskutiert worden, ob der Scholtze sich richtig verhalten habe oder wurde dessen Verhalten kritisiert?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, da schwebt mir vor, daß davon auch gesprochen wurde, daß da die Meinungen auch auseinandergegangen sind, aber ich kann im Einzelnen nicht mehr sagen, was dazu gesagt worden ist.

Richter Mai[er]:

Hat die Frau Sturm in diesem Zusammenhang besondere Namen genannt, die sich an dieser Diskussion beteiligt haben?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Weiß ich nicht mehr.

Richter Mai[er]:

Ich darf Ihnen aus O. 4 Bl. 151 oben sagen, da heißt es:

„Von Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof ist in Stuttgart Kritik an dem Verhalten Scholtzes geübt worden, sie waren der Meinung, daß er durch seine Angaben bei der Polizei dem Heinrich Jansen geschadet habe. Andreas Baader dagegen erklärte: die Hauptsache sei, daß er wieder auf freiem Fuß sei.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, so wird sie’s gesagt haben, ich weiß es nicht mehr.

Richter Mai[er]:

Im Einzelnen können Sie sich nicht mehr entsinnen.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Nein.

Richter Mai[er]:

Dankeschön.

[10104] Vors.:

Herr Dr. Breucker, bitte sehr.

Richter Dr. Br[eucker]:

Herr Zeuge noch eine ergänzende Frage zum Stichwort Banküberfälle. Sie haben zwei Äußerungen erwähnt, aus denen Frau Sturm Schlüsse auf eine mögliche Beteiligung von Gruppenmitgliedern gezogen hat. Das war einmal die Geschichte mit Blaulicht und Martinshorn in Berlin, das war 2., ich erwähne das Stichwort Pudelmütze.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ist Ihnen noch eine weitere Äußerung von Frau Sturm in Erinnerung, die sich auf Banküberfälle bezog beziehungsweise auf Beteiligung von Gruppenmitgliedern bei früheren Banküberfällen?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ich weiß es im Augenblick nicht, nein.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ist eine solche Äußerung irgendwie gefallen mit der Vorbereitung auf die geplanten „Kasseler Banküberfälle“?

Sagt Ihnen auch nichts. Dann darf ich Ihnen einmal vorhalten aus SO 4 Bl. 108: „Eine genaue Planung, wie die Überfälle auf die Kasseler Geldinstitute im einzelnen durchgeführt werden und welche Mitglieder der Gruppe daran teilnehmen sollten, bestand bis zum 8. Januar 71 noch nicht.“ „Fest stand, daß Astrid, die als gute Kraftfahrerin bekannt war, mit einem PKW bereit stehen sollte, Andreas Baader wiederum erschien als besonders geeignet für das Zusammenraffen des geraubten Geldes.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, daran kann ich mich erinnern, das hat sie erwähnt und sie hatte auch den Eindruck, daß das also eine besondere Spezialität von Baader gewesen ist, gerade diese Tätigkeit durchzuführen, diese Rolle.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ich darf Ihnen dann weiter Vorhalten: „Er brachte einmal zum Ausdruck, daß ihm das einen besonderen Spaß mache. Ich habe daraus den Schluß gezogen, daß er bereits einmal an einem solchen Überfall beteiligt gewesen sein müsse.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ist Ihnen das wieder in Erinnerung?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ein anderer Punkt. Sie erwähnten die Äußerung von Frau Sturm, daß man ... daß Mitglieder der Gruppe Einbrüche in Landratsämter begangen haben.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ist Ihnen da irgend ein Teilnehmer noch in Erinnerung, den die Frau Sturm als Beteiligten genannt hat?

[10105] Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, sie hat einen genannt, aber, ... Moment, ja, das könnte der Jansen gewesen sein, den sie im Zusammenhang genannt hat.

Richter Dr. Br[eucker]:

Das stimmt mit dem Protokoll überein. Wiederum zu einem anderen Punkt. Sie erwähnten, daß Frau Sturm den Herrn Baader und die Frau Meinhof für geeignet hielt und technisch versiert, Kraftfahrzeuge zu entwenden.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

Richter Dr. Br[eucker]:

Frau Meinhof soll nach Ihrer Aussage sie versucht haben, darin zu unterweisen, ist Ihnen etwas ähnliches auch von Herrn Baader bekannt geworden?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Nein, nein.

Richter Dr. Br[eucker]:

Dann darf ich Ihnen vorhalten aus Bl. 92, 93 des SO 104.

Da soll gleich zur Anfangszeit in Berlin von Baader geäußert worden sein: „Er erklärte uns zum Beispiel, daß für die Arbeit in der Illegalität auch Kraftfahrzeuge gebraucht würden, dabei demonstrierte er, wie man durch Kurzschließen von Kabeln fremde Kraftfahrzeuge in Bewegung setzen kann.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, ja das ... am Anfang ist das gewesen, ja ja. Ja das ist richtig.

Richter Dr. Br[eucker]:

Schließlich noch eine Frage zu der Bewaffnung. Sie erwähnten, daß in der Wohnung Bornheim nach der Schilderung der Frau Sturm ihr eine Pistole ausgehändigt worden sei. Ist Ihnen noch in Erinnerung etwas über die Zahl der Waffen, die damals der Gruppe zur Verfügung standen?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, es wurden also ... es wurde, glaube ich, von ihr geschildert, daß sich diese Pistolen im verpackten Zustand befanden und sie hat geschätzt, also so etwa acht bis zehn, ja, acht bis zehn Pistolen gewesen sein mögen. Sie hat sie nicht gesehen, sie hat nur die Pakete, die verpackten Pistolen gesehen, hat[s] also geschätzt, daß es so viele gewesen sind.

Richter Dr. Br[eucker]:

Ist Ihnen noch in Erinnerung, von wem die Frau Sturm in der Handhabung der Waffe unterrichtet wurde?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, ich glaube, das ist der Herr Ruhland gewesen, den sie ja in der Wohnung gesehen hat und der auch mit Pistolen hantierte.

Richter Mai[er]:

Ist Ihnen noch ein weiteres Mitglied der Gruppe in Erinnerung?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, sie hat noch ein weiteres Mitglied genannt, das später Übungen mit ihr im Raume Frankfurt im Wald unternommen hat, aber wer das gewesen ist, weiß ich nicht mehr.

[10106] Richter Dr. Br[eucker]:

Könnte das Holger Meins gewesen sein?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, jaja, der könnte es gewesen sein.

Richter Dr. Br[eucker]:

Danke.

Vors.:

Die Herren der Bundesanwaltschaft? Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, bitte.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Zeuge, ich möchte nur zwei kurze Fragen an Sie stellen. Wenn ich Sie recht verstanden habe, sagten Sie vor der Pause, daß Frau Sturm offenbar in der Anfangszeit zu den leitenden Personen der Gruppe aufgeschaut habe.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

BA Dr. Wu[nder]:

Wer waren nach Ihrer Erinnerung, wenn man den einen schon mehrfach Genannten beiseite läßt, wer waren diese leitendenKöpfe.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, das waren also wohl insbesondere Baader und Meinhof, zu denen sie, wie sie sagte, aufsah.

BA Dr. Wu[nder]:

Dankeschön. Eine zweite Frage. Politische Überlegungen oder politische Gründe sollen nach Ihrer Erinnerung in der Gruppe einmal keine Rolle mehr gespielt haben. Ist das genau etwa der Zeitpunkt des Absprungs der Frau Sturm gewesen oder können Sie das zeitlich näher präzisieren, wenn das ihre Überlegungen, Frau Sturm Überlegungen waren, etwa über einen längeren Zeitraum hinweg.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja sie hat wohl schon vorher Zweifel gehabt, ob das alles richtig ist, was da gemacht wurde, aber wann diese Überlegungen bei ihr einsetzten, oder diese Zweifel bei ihr begannen, das kann ich nicht mehr sagen, ob sie sich überhaupt da zeitlich festgelegt hat, das kann ich nicht mehr sagen.

BA Dr. Wu[nder]:

Dankeschön, ich gebe das Fragerecht weiter.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Zeis, bittesehr.

OStA Zeis:

Herr Buddenberg, nochmals im Anschluß an die Frage von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder, könnte es nicht möglich gewesen sein, daß sie neben Baader und Meinhof noch einen weiteren Namen als leitenden Leute der Gruppe bezeichnet hat?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja ja, sie hat noch jemanden genannt, aber ich kann’s aus dem Gedächtnis nicht sagen, um wen es sich dabei handelt.

OStA Zeis:

Nun darf ich Ihnen vielleicht gerade aus O. 4 Bl. 97 vorhalten zum besseren Verständnis auch den Anschlußsatz:

„Ruhland hat weiter recht, wenn er sagt, ich sei über das Ausmaß der kriminellen Intensität der Gruppe erschreckt gewesen, hätte mich jedoch nie gegen die geplanten strafbaren Handlungen der [10107] Gruppe ausgesprochen und sei mit der mir zugedachten Rolle einverstanden gewesen.“ Jetzt kommt der entscheidende Satz: „Dazu ist zu sagen, daß ich ebenso wie die noch sehr junge Teeny zu Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin aufgeblickt habe, weil ich sie für perfekt gehalten habe.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

OStA Zeis:

„Deshalb habe ich auch nie gewagt, ihren politischen Vorstellungen und Zielen grundsätzlich entgegenzutreten.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja.

OStA Zeis:

In dem Zusammenhang noch eine Anschlußfrage. Herr Buddenberg, erinnern Sie sich an eine spezielle Funktion von Frau Ensslin innerhalb der Gruppe? Wenn ich Ihnen das Stichwort „Kassenverwaltung“ gebe.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Welches Stichwort bitte?

OStA Zeis:

„Kassenverwaltung“.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Kassenverwaltung, ja ja, das ist eben ja schon gesagt worden, daß ...

RA Schi[ly]:

Die Frage ist schon gestellt worden.

Vors.:

Ist beantwortet worden, Herr Bundesanwalt Zeis.

OStA Zeis:

Dann eine letzte Frage, erinnern Sie sich noch an eine besonders typische Qualifizierung der Gruppe zu dem Zeitpunkt, als Sie Frau Sturm vernommen haben? Es müßte wohl im März 71 gewesen sein.

Zeuge Bu[ddenberg]:

71?

OStA Zeis:

Darf ich Ihnen vielleicht gerade aus O. 4 Bl. 195 vorhalten:

„Wie ich am Anfang meiner Vernehmung zum Ausdruck brachte, ist es meine ideologische Einstellung, die mich veranlaßt hat, mich zur Mitarbeit in der Gruppe bereit zu erklären. Hier schien mir endlich etwas getan zu werden, was geeignet war, die Verhältnisse sofort zu verändern. Heute - also zum Zeitpunkt der Vernehmung - bin ich der Ansicht, daß das Wirken der Baader-Meinhof-Gruppe keinerlei Einfluß auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der BRD haben kann. Es kann keine Rede davon sein, daß damit die Sache des Volkes vertreten wird, wie ich das am Anfang geglaubt habe. Die Gruppe tritt in ihren Aktionen nach meiner jetzigen Erkenntnis dem Volke nur als Feind gegenüber.“

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, so hat sie sich geäußert.

OStA Zeis:

Dankeschön, dann habe ich keine weiteren Fragen mehr.

[10108] Vors.:

Herr Bundesanwalt Widera.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Herr Buddenberg, ich habe noch eine Frage, um die Person der Frau Sturm besser beurteilen zu können. Sie haben vorhin die Gründe genannt, weshalb sie aus der Gruppe ausgeschieden ist, danach wäre es doch an sich naheliegend gewesen, daß sie zur Polizei gegangen wäre. Sie konnte doch eigentlich nicht damit rechnen, daß die Gruppe wegen ihres Ausscheidens das kriminelle Tätig-sein aufgibt. Hat sie sich dazu geäußert und was hat sie dazu gesagt?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, dazu hat sie sich auch geäußert. Ich habe sie danach gefragt, warum sie ... ob sie solche Überlegungen angestellt hatte, sie mußte ja befürchten, daß das, was sie da ausgekundschaftet hatte, nun auch überfallen oder ... und da sagte sie, nein, das hätte sie nie getan, denn sie hätte immer noch eine Verbundenheit, ein Gefühl der Solidarität mit den Gruppenmitgliedern gehabt und sie hätte es also nicht fertig bringen können, und außerdem wäre es für sie fremd gewesen, zur Polizei zu gehen aus ihrer damaligen Haltung heraus.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Hat sie sich auch dazu geäußert, ob sie damit gerechnet hat oder nicht damit gerechnet hat, daß das, woran sie beteiligt war, beim ... dann durchgeführt wird oder nicht?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Nein nein, sie hat gesagt, daß sie damit nicht ..., sie[t] gehofft habe, daß die Gruppe also aufgrund ihres Abspringens von den Plänen in Kassel Abstand nehmen würde.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Hat sie in dem Zusammenhang irgendein Beispiel gebracht, daß in anderen Fällen vielleicht die Gruppe auch so gehandelt habe oder war das einfach nur eine, sage ich mal, blinde Hoffnung?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja, das war eine Hoffnung wahrscheinlich, nehme ich an.

Reg. Dir. Wi[dera]:

Dankesehr.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Holland.

OStA Holl[and]:

Eine abschließende Frage noch. Herr Zeuge, ist im Zusammenhang mit Ihren Vernehmungen und zwar mit Ihren Vernehmungen der Beate Sturm von Seiten dieser Beate Sturm auch mal im Hinblick auf die Gruppe der Ausdruck „Elitärer Haufen“ gefallen?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Welcher Ausdruck bitte?

OStA Holl[and]:

„Elitärer Haufen“.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Daran kann ich mich nicht erinnern, nein.

OStA Holl[and]:

Dankeschön.

[10109] Vors.:

Die Herren Verteidiger? Herr Rechtsanwalt Schily, bitteschön.

RA Schi[ly]:

Herr Zeuge, waren bei der Vernehmung nur Sie als Vernehmungsrichter, möglicherweise eine Protokollführerin, oder waren noch weitere Personen zugegen?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Nein, es war nur die Protokollführerin, die im Protokoll genannt ist, und ich zugegen.

RA Schi[ly]:

Ja. Befand sich Frau Sturm in Haft?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Sie befand sich im Anfang der Vernehmung sicherlich in Haft.

RA Schi[ly]:

Und zum Ende der Vernehmung?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Das kann ich nicht mehr genau sagen, ich glaube, da war sie auf freiem Fuß schon. Ich müßte mal die Daten wissen, wann die einzelnen Vernehmungen durchgeführt worden sind. Also ich erinnere mich gut, daß sie bei den ersten ... an den ersten Tagen der Vernehmung in Haft war.

Vors.:

Die Daten darf ich zwischenrein bekanntgeben, sind Sie einverstanden?

RA Schi[ly]:

Ja ja, bitte.

Vors.:

Es handelt sich um den 11. 16. und 17.3.

Zeuge Bu[ddenberg]:

11. nein das kann nicht sein. Ich hab sie also doch wohl in Haft mehrere Tage vernommen.

Vors.:

11, 16, 17. 12 kommt auch noch zu.

Zeuge Bu[ddenberg]:

12, da glaube ich auch noch.

Vors.:

12 kommt auch noch zu, ja die vier Tage.

Zeuge Bu[ddenberg]:

Und als ich sie zum letzten Mal vernommen habe, war sie wohl schon auf freiem Fuße.

RA Schi[ly]:

Darf ich das also dahingehend zusammenfassen, daß, nachdem also der Hauptteil der Vernehmung protokolliert war, daß sie dann auf freien Fuß gekommen ist und daß man dann noch einen Rest der Vernehmung protokolliert hat?

Zeuge Bu[ddenberg]:

Ja es ist hier wohl kein Rest gewesen ...

RA Schi[ly]:

Naja, ein Teil.

Zeuge Bu[ddenberg]:

... Herr Rechtsanwalt, sondern es ist eine Vertiefung dessen gewesen, was sie bis dahin gesagt hat. Sie hat sich also nach Abschluß ihrer ersten Vernehmung bereit erklärt, Einzelheiten ihres Weges in dieser Zeit bei einer erneuten Vernehmung zum Besten zu geben.

RA Schi[ly]:

Ich habe keine Fragen mehr, danke.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, vielleicht darf ich darauf hinweisen, für Sie scheint ab dem 16. März so gewesen zu sein, daß die Zeugin auf freiem Fuß war. Es heißt Bl. 128 des O. 4: „Erschien auf Vorladung.“ Im Gegensatz zu den früheren „vorgeführt [u] erscheint“. [10110] Da war also dann die Zeugin zwischenzeitlich ... Es sind dann noch Vernehmungen erfolgt von 128 bis Bl. 161. Also es war nicht nur ein kurzer Rest, so wie sie das ...

Zeuge Bu[ddenberg]:

Nein nein.

Vors.:

Danke. Herr Rechtsanwalt Pfaff ... Entschuldigung ... sind weitere Fragen?

RA Schi[ly]:

Nein.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Pfaff, keine Fragen? Die übrigen Herren nicht? Können wir den Herrn Zeugen vereidigen? Keine Einwendungen.

Der Zeuge Buddenberg wird vorschriftsmäßig vereidigt und im allseitigen Einvernehmen um 11.06 Uhr entlassen.

Vors.:

Wir wollen jetzt noch einige kürzere Verlesungen durchführen, um den Vormittag noch auszunützen.

Wir beginnen mit dem Urteil Asdonk und andere, wobei ich darauf hinweisen möchte, soweit dort die Schilderung von Banküberfällen in Berlin verzeichnet ist, glaube ich, können wir mit den Prozeßbeteiligten davon ausgehen, daß die nicht nochmals vorgelesen werden müßen, sind durch verschiedene Urteile schon hier verlesen worden. Wir wollten also hier an sich nur die Teile verlesen aus diesem Urteil, die bisher noch in keiner Weise Gegenstand von Verlesungen waren. Ich bitte das ... aber ich lasse es völlig frei, wenn Sie Wert auf vollständige Verlesung legen, wird auch voll verlesen.

RA Schi[ly]:

Nein, aber ich widerspreche einer Verlesung dieses Urteils. Dieses Urteil ist mit der Revision angefochten worden.[22] Die Revision ist verworfen worden, aber ich habe inzwischen, und auch die übrigen Verteidiger, gegen das Urteil des Bundesgerichtshofes Verfassungsbeschwerde eingelegt, und bis zur Klärung meine ich, daß die Urkunde hier im Moment noch nicht verlesbar ist.

Vors.:

Das ist sicherlich kein Hinderungsgrund. Es wäre die Möglichkeit, nach Ermessen davon abzusehen. Ich sehe aber, nachdem die Revision verworfen ist, das Urteil somit rechtskräftig[23] geworden ist, und im übrigen auch die fehlende Rechtskraft kein Hinderungsgrund ist, keinen Anlaß, das Urteil nicht zu verlesen.[24]

RA Schi[ly]:

Dann bitte ich um einen[v] Senatbeschluß.[25]

[10111] Vors. (nach geheimer Beratung):

Der Senat hat beschlossen:

Das Urteil ist zu verlesen, es ist rechtskräftig.

Gem. § 249 StPO[26] wird im Urkundenbeweis das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28.6.1974

Az.: (502) 1 P KLs 5/72 (25/72) gegen

1. Brigitte Asdonk[27]

2. Hans Jürgen Bäcker[28]

3. Monika Berberich[29]

4. Irene Goergens[30]

5. Eric Grusdat[31] und

6. Ingrid Schubert[32]

zunächst bis Seite 6, Ende des 1. Absatzes „... 13 (dreizehn) Jahren“ verlesen.

Sodann wird ab Seite 19 „II. Vorgeschichte der Bandenbildung“ bis Seite 39, Ende des 2. Absatzes „... zukommen zu lassen.“ verlesen.

Weiter wird ab Seite 62 „d) Bewaffnung, Herstellung von Sprengstoff“ bis Seite 63 „... sichergestellt werden“ und ab Seite 64 „Alle Waffen - mit Ausnahme ...“ bis Seite 68, Ende der Seite verlesen.

Das Urteil ist abgelegt im Ergänzungsband Urteile I Bl. 148/234.

Während der Verlesung:

Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt um 11.09 Uhr den Sitzungssaal.

OStA Holland verläßt um 11.11 Uhr den Sitzungssaal.

Richter Dr. Br[eucker]:

Es folgt nun unter „f) Beschaffung von Geld durch Banküberfälle“ die Schilderung der Banküberfälle, die hier schon mit einem anderen Urteil eingeführt worden sind.

Vors.:

Wird seitens der Beteiligten Wert auf die Verlesung dieser Passagen des Urteils gelegt?

Ein Antrag auf Verlesung weiterer Teile des Urteils wird von den Verfahrensbeteiligten nicht gestellt.

Vors.:

Damit wären wir am Ende der Verlesung dieses Urteils. Ich glaube, wir brauchen jetzt zu keiner weiteren Verlesung mehr zu schreiten. Herr Rechtsanwalt Schily, Sie haben kürzlich die Erklärung der Angeklagten als Anlage zum Protokoll gegeben. [10112] Es ist überprüft worden auf Übereinstimmung des Protokolls mit dem Text. Er stimmt in weiten Teilen nicht überein. Nicht in der Norm, daß irgendetwas bewußt falsch wäre, es ist hinzugefügt worden, es sind weite Teile, die hier verzeichnet sind, nicht vorgetragen worden. Ich kann Ihnen also hier mal das vorführen, wie die Herren Urkundsbeamten die Überprüfung vorgenommen haben, zu welchem Ergebnis das führte. Als Anlage zum Protokoll etwa in dem Sinne, daß das dann die Erklärung der Angeklagten sein soll, die abgegeben wurde, eignet sich dieses Schriftstück nicht.

RA Schi[ly]:

Ich kann das jetzt nicht überprüfen und ich bitte, mir dann die ...

Vors.:

Ich gebe Ihnen das zum Vergleich mal, was hier ist ...

RA Schi[ly]:

... und ich nehme im nächsten Verhandlungstag dazu Stellung

Vors.:

So machen wir es am besten. Dann[w] darf ich noch darauf hinweisen.

Wir haben hier das Vernehmungsprotokoll Müller, das ist jetzt zum Ordner 127 gediehen. Wir wären heute ... es ist verzeichnet im Aktenbestand als Sonderordner 127, die Vernehmungsprotokolle. Wir haben nun die Fortsetzung vorgesehen am kommenden Dienstag, 22.6. und 23.6. Angekündigt sind in die Sitzung gestellte Zeugen.[33] Kann ich davon ausgehen, daß das in der Form eingehalten wird?

RA Schi[ly]:

Ja.

Vors.:

Wann werden Sie mir die Beweisthemen zugänglich machen, die genauen? Wird das noch vorher geschehen oder erst in der Sitzung?

RA Schi[ly]:

Zu Beginn der Sitzung.

Vors.:

Erst zu Beginn der Sitzung und am 24. bleibt es bei dem vom Senat vorgesehenen Programm. 29., 30., 1. sind dann vorgesehen für die Vernehmung Müller. Damit sind wir am Ende des heutigen Sitzungsprogramms. Fortsetzung erst am Dienstag, 22.6.

Ende der Verhandlung um 11.43 Uhr.

Ende von Band 578.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Am Morgen des 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Nach der öffentlichen Bekanntgabe, Ulrike Meinhof habe Selbstmord begangen, entstanden in mehreren deutschen Städten Proteste. In anderen europäischen Ländern wurden deutsche Einrichtungen angegriffen. Die übrigen RAF-Insass/innen sowie weitere Sympathisant/innen und Unterstützer/innen gingen von einem Mord aus. Meinhofs Tod wurde damit zu einem auch medial breit diskutierten Ereignis. Auf Druck u.a. von Meinhofs Angehörigen wurde schließlich eine Nachobduktion durchgeführt, die jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis führte. Außerdem nahm sich eine internationale Untersuchungskommission des Falls an. Sie bestand überwiegend aus Jurist/innen, Ärzt/innen und Journalist/innen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark; unter den Mitgliedern befanden sich auch bekannte Persönlichkeiten wie etwa Simone de Beauvoir. In ihrem Bericht aus dem Jahr 1978 kam die Kommission zu dem Schluss, dass ein Selbstmord Meinhofs nicht erwiesen sei. Gegenteilige Beweise erbrachte die Kommission allerdings ebenfalls nicht. Die genauen Umstände von Meinhofs Tod blieben weiterhin umstritten (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 394 ff.; Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 268 ff.; März, Linker Protest nach dem Deutschen Herbst, 2012, S. 159 ff.; Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, 2014, S. 398 ff.; zum Bericht der Kommission s. Internationale Untersuchungskommission zum Tode Ulrike Meinhofs, Der Tod Ulrike Meinhofs: Bericht der Internationalen Untersuchungskommission, 1979).

[3] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[4] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[5] Nach § 55 Abs. 1 StPO steht Zeug/innen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sie sich selbst oder ihre Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Hierüber sind sie zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO).

[6] Ausnahmsweise kann sich das Recht aus § 55 StPO, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht verdichten, wenn der gesamte Inhalt der Aussage die Gefahr einer Strafverfolgung begründen würde; dies kann insbesondere bei Beteiligten an den angeklagten Straftaten (bzw. bei an der Beteiligung Verdächtigen) der Fall sein (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 55 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - Az.: 2 StE 7/01 - 6 StB 12/02, NStZ 2002, S. 607; s. auch bereits BGH, Urt. v. 15.1.1957 - Az.: 5 StR 390/56, BGHSt 10, S. 104, 105).

[7] § 60 Nr. 2 StPO enthält ein Vereidigungsverbot u.a. für Personen, die der angeklagten Tat oder der Beteiligung an ihr verdächtig sind.

[8] Nach § 61 Nr. 3 StPO a.F. konnte das Gericht nach seinem Ermessen von der Vereidigung absehen, wenn es „der Aussage keine wesentliche Bedeutung beim[aß] und nach seiner Überzeugung auch unter Eid keine wesentliche Aussage zu erwarten“ war.

[9] § 129 StGB enthält den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen. Strafbar ist gem. § 129 Abs. 1 StPO nicht nur die Gründung und Beteiligung als Mitglied (Satz 1), sondern auch die Unterstützung, sowie das Werben um Mitglieder oder Unterstüter/innen (Satz 2).

[10] Grundsätzlich ist zwar die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens, d.h. Ermittlungshandlungen führt sie entweder selbst oder unter Zuhilfenahme der Polizeibehörden durch (§§ 160 Abs. 1, 161 StPO). Auch jenseits derjenigen Untersuchungshandlungen, für die richterliche Anordnungen gesetzlich vorgeschrieben sind, kann sie allerdings gerichtliche Untersuchungshandlungen beantragen (§ 162 StPO). So hat die richterliche im Vergleich zur polizeilichen Zeugenvernehmung den Vorteil, dass in bestimmten Situationen nur die Verlesung des richterlichen, nicht jedoch des polizeilichen Vernehmungsprotokolls in der Hauptverhandlung zulässig ist (§ 251 Abs. 1 StPO a.F.; entspricht heute weitestgehend § 251 Abs. 2 StPO). Auch die Vernehmung der Verhörperson ist im Falle einer richterlichen Vernehmung in bestimmten Fällen von dem aus § 252 StPO hergeleiteten Beweisverwertungsverbot ausgenommen (s. dazu Ellbogen, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 252 Rn. 47 ff.). Im Verfahren gegen die vernommene Person selbst kommt zudem - sofern sie als Beschuldigte richterlich vernommen wurde - eine Verlesung nach § 254 Abs. 1 StPO in Betracht (heute ergänzt um die Möglichkeit der Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen einer solchen Vernehmung).

[11] Ilse Stachowiak war ein frühes Mitglied der RAF. Im Sommer 1970 reiste sie im Alter von 16 Jahren mit anderen RAF-Mitgliedern für eine paramilitärische Ausbildung nach Jordanien. Stachowiak wurde zusammen mit Christa Eckes, Helmut Pohl und Eberhard Becker am 4.2.1974 in Hamburg verhaftet. Das Landgericht Hamburg verurteilte sie am 28.9.1976 zu einer Jugendstrafe in Höhe von vier Jahren und sechs Monaten. Am 19.6.1978 wurde sie aus der Haft entlassen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz:, 2009, S. 116 ff.; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 277; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 835).

[12] Holger Meins war ursprünglich Mitangeschuldigter im Stammheim-Prozess, starb aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) am 9. November 1974 in Untersuchungshaft in Wittlich an den Folgen des dritten Hungerstreiks. Für seinen Tod machten die Angeklagten staatliche Akteure, u.a. den Vorsitzenden Dr. Prinzing sowie die Bundesanwaltschaft verantwortlich (Bakker Schut, Stammheim, 2. Aufl. 2007, S. 117 ff.).

[13] Ulrich Scholze (verschiedentlich auch als Scholz oder Scholtze geführt) kam zur gleichen Zeit wie Beate Sturm und Holger Meins zur RAF. Im Untergrund wirkte der Physikstudent mit daran, der Gruppe Wohnungen, Autos und Geld für weitere Aktionen zu sichern. Nach einem gescheiterten Autodiebstahl wurde Scholze festgenommen, am nächsten Tag aber wieder entlassen. Danach verließ Scholze die RAF (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 261 ff., 273 ff.; Peters, RAF, 1991, S. 100).

[14] Der Schlosser Karl-Heinz Ruhland wurde im Dezember 1970 verhaftet. Erst wenige Monate zuvor hatte Ruhland wohl aus Geldsorgen begonnen, die RAF mit dem Frisieren gestohlener Autos zu unterstützen. Am 29. September 1970 beteiligte sich Ruhland an den Berliner Banküberfällen. Bis zu seiner Verhaftung kundschaftete er u.a. gemeinsam mit Meinhof und Jansen mögliche Einbruchsziele aus und beging Diebstähle. In mehreren Verfahren gegen RAF-Mitglieder fungierte Ruhland, der sich von der RAF losgesagt hatte, als umstrittener Belastungszeuge. Mit Urteil vom 15.3.1972 wurde er vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach nur zweieinhalb Jahren wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann begnadigt. Im Laufe seiner verschiedenen Aussagen verstrickte er sich in zahlreiche Widersprüche (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 243 ff., 253 ff., 260, 271 ff.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 243 ff.). Rechtsanwalt Heinrich Hannover bezeichnete ihn auch als „berühmtesten oder richtiger ruhmlosesten aller bisherigen Kronzeugen“ (Hannover, Terroristenprozesse, 1991, S. 140).

[15] Rechtsanwalt Horst Mahler war ein führendes Mitglied der ersten RAF-Generation. Seine zentrale Rolle bei der Entstehung der RAF ist jedoch gegenüber den hier Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof in den Hintergrund gerückt. Er war maßgeblich an der Vorbereitung der als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichneten Befreiung Baaders aus der Haft im Mai 1970 beteiligt. Im September 1970 überfiel er u.a. zusammen mit Andreas Baader und Irene Goergens eine Bank in West-Berlin; bereits eine Woche später wurde er verhaftet. Im Jahr 1972 begann der Prozess gegen ihn vor dem Kammergericht Berlin wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Im Februar 1973 wurde er zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwölf Jahren verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe wurde er im November 1974 aufgrund seiner Beteiligung an der Baader-Befreiung zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe in Höhe von 14 Jahren verurteilt. Zwischen Mahler und dem Führungsduo Baader/Ensslin ergaben sich immer wieder Differenzen. Spätestens mit der Ablehnung seiner Freilassung im Austausch gegen den im Februar 1975 entführten Politiker Peter Lorenz sagte er sich endgültig von der RAF los. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1980 durchlief Mahler eine radikale politische Kehrtwende. Ende der 90er Jahre bekannte er sich erstmals öffentlich zum Rechtsradikalismus, im Jahr 2000 trat er in die NPD ein. Wegen antisemitischer Hetze wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 40 ff., 53, 67 f.).

[16] Heinrich Jansen war ein frühes Mitglied der RAF. Nach der militärischen Ausbildung im Nahen Osten war er mit Meinhof und Ruhland u.a. verantwortlich für die Beschaffung von Waffen, Geld und Pässen. Darüber hinaus nahm er an den Berliner Banküberfällen vom 29. September 1970 teil. Im Dezember desselben Jahres wurde Jansen nach einem gescheiterten Autodiebstahl verhaftet. Da er sich seiner Festnahme durch Schüsse auf zwei Polizeibeamte entziehen wollte, wurde er 1973 wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, Neuausg. 2017, S. 246, 254 ff., 271 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 218).

[17] Die Fotografin Astrid Proll hatte bereits im Oktober 1967 im Zuge der Vietnam-Demonstration versucht, mit Baader einen Sprengstoff-Anschlag auf das Berliner Amerikahaus durchzuführen, der jedoch scheiterte. Zusammen mit Baader und Ensslin ging sie 1969 in den Untergrund. Anfang Mai 1971 wurde sie in Hamburg verhaftet. Während ihrer Einzelhaft in der JVA Köln-Ossendorf verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sodass das Verfahren gegen sie vor dem LG Frankfurt im Herbst 1973 unterbrochen und sie im Februar 1974 schließlich wegen Haftunfähigkeit entlassen werden musste. Anschließend tauchte sie unter. Im September 1978 wurde sie schließlich in London verhaftet und im Sommer 1979 in die Bundesrepublik ausgeliefert, wo sie zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren verurteilt wurde. Da Proll bereits längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen hatte, wurde ihr diese Zeit angerechnet und sie wurde auf Bewährung entlassen (Edschmid, Frau mit Waffe, 3. Aufl. 2014, S. 171 f.; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 41; Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 2017, S. 47, 150; Riederer, Die RAF und die Folterdebatte der 1970er Jahre, 2014, S. 125 f.).

[18] Bei der Stadtguerilla handelte es sich um eine Form des Partisanenkampfes. Die ersten Guerillakämpfer/innen, die ihren Kampfplatz vom Land in die Städte verlagerten, waren die Tupamaros in Uruguay. Während der 1960er Jahre wurden sie mit dieser neuen Strategie zum Vorbild für andere gewaltbereite Gruppen in und außerhalb Südamerikas. Auch die RAF orientierte sich an ihnen und veröffentlichte 1971 mit dem „Konzept Stadtguerilla“ ihre erste Programmschrift (Fischer, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, 2006, S.736, 739 ff.; Huthöfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 345 f., 348 ff.; Sturm, in Weinhauer/Requate/Haupt[Hrsg.], Terrorismus in der Bundesrepublik, 2006, S. 99 ff., 106 ff.; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 47 ff.).

[19] Der brasilianische Revolutionär Carlos Marighella (1911-1969) kämpfte ab 1967 mit der von ihm gegründeten Ação Libertadora Nacional (ALN) gegen die brasilianische Militärdiktatur. Die ALN verstand sich als Stadtguerilla. Ihr theoretisches Fundament wurde von Marighella selbst aufgestellt. Es fand seinen Niederschlag vor allem in dem 1970 veröffentlichten „Minihandbuch des Stadtguerilleros“. Diese Schrift wurde international unter anderem von der RAF rezipiert. In der Bundesrepublik fanden daneben auch die Tupamaros München und West-Berlin Anleihen für ihre Organisation und Aktionen bei Marighella (Rübenach, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 411 f., 424 ff., 433 f.).

[20] Die Buchhändlerin Marianne Herzog lernte Ulrike Meinhof in den Jahren 1968 bis 1970 kennen, während sie sich als Journalistin mit der Thematik der Fürsorgeerziehung auseinandersetzte. Sie war politisch aktiv, gehörte dem „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ in Berlin an und trat zwischenzeitlich u.a. der Organisation „Marxisten-Leninisten (ML)“ bei. In der RAF war sie nur für wenige Wochen zwischen Dezember 1970 und Januar 1971 aktiv. Das Landgericht Frankfurt verurteilte sie mit Urteil vom 17.12.1973 u.a. wegen der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung sowie der Verabredung eines schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 82 f.).

[21] Zum 1.1.1975 trat mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Strafverfahrensreformgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I, S. 3686) das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) in Kraft, wodurch die bis dahin zulässige kollektive Verteidigung mehrerer Angeklagter bei gleicher Interessenslage - auch „Blockverteidigung“ genannt - abgeschafft wurde. Der Vorsitzende Dr. Prinzing achtete in der Regel sehr genau darauf, dass jede/r Verteidiger/in nur zu Vorgängen sprach, die den/die eigene/n Mandant/in betrafen und unterband Abweichungen hiervon unter Hinweis auf das Verbot der Mehrfachverteidigung (s. dazu etwa die Diskussion am 4. Verhandlungstag, S. 279 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, sowie am 12. Verhandlungstag, S. 928 f. des Protokolls). In einem Schreiben vom 6.2.1976 teilte der Vorsitzende Dr. Prinzing der Verteidigung mit, der Senat halte Gespräche und den Austausch von Schriftstücken mit anderen als den jeweils von ihnen verteidigten Angeklagten, die - so die Vermutung des Senats - Verteidigungszwecken dienten, für unvereinbar mit dem Verbot der Mehrfachverteidigung. Sollte dies nicht eingestellt werden, müsse der Senat „seinerseits entsprechende Maßnahmen treffen“. Eine tatsächlich durchgeführte gemeinschaftliche Verteidigung mehrerer Angeklagter könne „nicht ohne Konsequenzen bleiben“ (das Schreiben befindet sich in Anlage 1 zum Protokoll vom 10.2.1976, S. 6668 des Protokolls der Hauptverhandlung, 74. Verhandlungstag).

[22] Die Revision ist ein Rechtsmittel gegen Urteile, mit welchem Rechtsfehler, d.h. die Nicht- oder Falschanwendung einer Rechtsnorm, gerügt werden können (§ 337 StPO). In der Regel muss zudem dargelegt werden, dass das Urteil gerade auf diesem Rechtsfehler beruht („relative Revisionsgründe“), dass also nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei korrekter Anwendung der Rechtsnorm eine andere Entscheidung ergangen wäre (Gericke, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 337 Rn. 33 ff.). Anders ist dies bei den absoluten Revisionsgründen in § 338 StPO. Die dort genannten Fehler sind so schwerwiegend, dass das Urteil stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist. Eine erfolgreiche Revision hat die (ggf. auch Teil-) Aufhebung des Urteils zur Folge (§ 353 StPO). Die Sache wird in der Regel, wenn nicht sie nicht ausnahmsweise zur Entscheidung reif ist (§ 354 Abs. 1 bis 1 lit. b StPO), an das erkennende Gericht, allerdings an eine andere Abteilung, eine andere Kammer oder einen anderen Senat zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).

[23] Ein gerichtliches Urteil erwächst in (formeller) Rechtskraft, wenn kein Rechtsmittel mehr dagegen erhoben werden kann, es also im selben Verfahren unanfechtbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels abgelaufen ist, oder wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind und eine letztinstanzliche Entscheidung ergangen ist. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gehört nicht zum Rechtsweg und kann daher auch den Eintritt der Rechtskraft nicht verhindern. Mit der Rechtskraft entfaltet die Entscheidung auch ihre dauerhafte Wirkung, die nur in Ausnahmefällen wieder durchbrochen werden kann (Nestler, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3.1, 1. Aufl. 2019, § 449 Rn. 27).

[24] Zwar ist die sog. materielle Rechtskraft, die den Inhalt eines Urteils betrifft, in zweifacher Hinsicht beschränkt: Zum einen bezieht sie sich nur auf die Personen, gegen die das Verfahren gerichtet war (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Auflage 2014, Einleitung Rn. 510). Zum anderen entsteht sie auch nur im Hinblick auf den Tenor, also die Entscheidungsformel, die im Falle einer Verurteilung den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch (sowie bestimmte Nebenentscheidungen) umfasst. Die Entscheidungsgründe entfalten daher keine Bindungswirkung für die Zukunft - weder für andere Straf- noch für Zivilgerichte (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. Rn. 170). Gleichwohl ist es anderen (Straf-)Gerichten nicht verwehrt, die auch in den Entscheidungsgründen dokumentierten Ergebnisse der Beweiserhebung im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung einzuführen und sie zur Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zu machen; dies gilt sogar für nichtrechtskräftige (z.B. aufgehobene) Entscheidungen (BGH, Urt. v. 18.5.1954 - Az.: 5 StR 653/53, BGHSt 6, S. 141; Diemer, in Hannich [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019 § 249 Rn. 17).

[25] Sachleitungsbezogene Anordnungen des/der Vorsitzenden können als unzulässig beanstandet werden (§ 238 Abs. 2 StPO). Über die Beanstandung entscheidet sodann das Gericht, in diesem Fall der Senat in voller Besetzung.

[26] § 249 StPO enthält Vorschriften über den Urkundenbeweis. Diese werden durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (heute ebenfalls möglich: Einführung im Selbstleseverfahren, § 249 Abs. 2 StPO).

[27] Die Soziologiestudentin Brigitte Asdonk gehörte zur ersten Generation der RAF. Im Sommer 1970 reiste sie mit anderen RAF-Mitgliedern zur paramilitärischen Ausbildung nach Jordanien. Zusammen mit Horst Mahler, Ingrid Schubert, Monika Berberich und Irene Goergens wurde sie bereits im Oktober 1970 in einer konspirativen Wohnung in der Berliner Knesebeckstraße verhaftet. Vorgeworfen wurde ihr die Bildung einer kriminellen Vereinigung, die Beteiligung an Banküberfällen und unbefugter Waffenbesitz. Die Hauptverhandlung gegen sie und fünf weitere RAF-Mitglieder (Monika Berberich, Irene Goergens, Ingrid Schubert, Hans-Jürgen Bäcker und Eric Gusdat) begann am 24. November 1972 vor dem LG Berlin und galt zu diesem Zeitpunkt mit über 300 vorgesehenen Zeug/innen und fast 80 geplanten Verhandlungstagen als einer der „umfangreichsten und wahrscheinlich auch längsten Prozesse der deutschen Justizgeschichte“ (zitiert nach Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 83). Mit Urteil vom 28.6.1974 wurde Asdonk zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Diewald-Kerkmann, a.a.O., S. 83 ff., 167 f.).

[28] Der Maschinenschlosser Hans-Jürgen Bäcker gehörte gleichfalls zur ersten Generation der RAF. Er war u.a. Teil der Gruppe, die Sommer 1970 für eine paramilitärische Ausbildung nach Jordanien reiste. Als er anschließend in die DDR einreiste, wurde er über zwei Tage vernommen; zum ausführlichen Vernehmungsprotokoll s. Stasi-Unterlagen-Archiv 2021, Protokoll vom 6.8.1970, Aktenzeichen BStU 000023, abrufbar unter https://www.stasi-mediathek.de/medien/protokoll-ueber-die-vernehmung-hans-juergen-baeckers-nach-seiner-einreise-in-die-ddr/blatt/23/, zuletzt abgerufen am: 15.10.2021). Im sog. Asdonk-Verfahren wurde er mit Urteil vom 28.6.1974 vom Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von neun Jahren verurteilt. In einem weiteren Verfahren, in dem ihm zusammen mit Horst Mahler und Ulrike Meinhof die Beteiligung an der Befreiung Baaders aus der Haft vorgeworfen wurde, wurde er freigesprochen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 83 ff., 92, 252).

[29] Monika Berberich gehörte zur ersten RAF-Generation. Während ihrer Hinwendung zur RAF in deren Gründungsphase, bestand sie ihr zweites juristisches Staatsexamen. Eine Station ihres Referendariats absolvierte sie bei Rechtsanwalt Horst Mahler. Am 8. Oktober 1970 wurde sie verhaftet und vom LG Berlin mit Urteil vom 28.6.1974 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 12 Jahren verurteilt. Im Sommer 1976 gelang ihr zusammen mit Gabriele Rollnik, Inge Viett und Juliane Plambeck, die zur Bewegung 2. Juni gehörten, die Flucht aus einem Berliner Gefängnis. Nach ihrer erneuten Festnahme blieb Berberich bis 1988 in Haft (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 54 f., 86 ff.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47).

[30] Die Schülerin Irene Goergens war u.a. an der Baader-Befreiung am 14. Mai 1970 beteiligt. Bereits im Mai 1972 wurde sie deshalb durch das Landgericht Berlin zu einer Jugendstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe verurteilt das LG Berlin Goergens wegen Teilnahme am „Dreierschlag“ (der gleichzeitige Überfall auf drei Banken am 29. September 1970 in West-Berlin) zu sieben Jahren Jugendstrafe (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 71 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, S. 21 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47). Zum „Dreierschlag“ s. Peters, Tödlicher Irrtum, 4 Aufl. 2008, S. 215 ff).

[31] Auch der Kfz-Schlosser Eric Grusdat wurde für die Teilnahme am „Dreierschlag“ (s. Fn. 30) vom LG Berlin zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren verurteilt (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 760 Anm. 47).

[32] Die Ärztin Ingrid Schubert war Mitglied der RAF und u.a. am 14. Mai 1970 an der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft beteiligt. Sie wurde zusammen mit Irene Goergens, Horst Mahler, Brigitte Asdonk und Monika Berberich im Oktober 1970 in einer Berliner Wohnung verhaftet. Das Verfahren gegen Schubert, Goergens und Mahler vor dem Landgericht Berlin war einer der ersten Prozesse gegen Mitglieder der RAF. Schubert wurde im Mai 1972 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Jahren, später mit Urteil vom 28.6.1974 unter Einbeziehung dieser Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 13 Jahren verurteilt. Sie nahm sich am 12. November 1977 in ihrer Gefängniszelle das Leben (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 157; Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 71 ff., 328; Terhoeven, Die Rote Armee Fraktion, 2017, S. 38, 93; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 169, 760 Anm. 47).

[33] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).


[a] Handschriftlich eingefügt: die

[b] Handschriftlich ersetzt: gehört durch gehören

[c] Handschriftlich ersetzt: der durch für

[d] Maschinell eingefügt: das

[e] Handschriftlich ersetzt: Arbeitergruppe durch Arbeit der Gruppe

[f] Maschinell ersetzt: Meinhofs Zeit durch Weihnachtszeit

[g] Maschinell eingefügt: durch Marianne

[h] Handschriftlich ersetzt: Arbeitergruppe durch Arbeit der Gruppe

[i] Handschriftlich eingefügt: war

[j] Handschriftlich eingefügt: sich

[k] Handschriftlich eingefügt: SO

[l] Handschriftlich ersetzt: sich durch sie

[m] Maschinell eingefügt: der

[n] Maschinell eingefügt: dann

[o] Maschinell eingefügt: Male

[p] Handschriftlich eingefügt: am

[q] Handschriftlich eingefügt: sich

[r] Handschriftlich ersetzt: dann durch die

[s] Maschinell eingefügt: hat

[t] Maschinell eingefügt: sie

[u] Handschriftlich durchgestrichen: hier

[v] Maschinell eingefügt: einen

[w] Maschinell eingefügt: Dann