121. Verhandlungstag

Fortsetzung der Hauptverhandlung; am Dienstag, den 22. Juni 1976, 9.06 Uhr



[10113] Fortsetzung der Hauptverhandlung; am Dienstag, den 22. Juni 1976, 9.06 Uhr.

(121. Verhandlungstag)

Gericht und Bundesanwaltschaft erscheinen in derselben Besetzung wie am 1. Verhandlungstag.

Als Urkundsbeamte sind anwesend:

Just. Ass. Clemens, Just. Ass. z. A. Scholze

Die Angeklagten sind nicht anwesend.[1]

Als Verteidiger sind anwesend:

Rechtsanwälte Künzel, [a] Schwarz, Herzberg (als ministeriell bestallter Vertr. für Rechtsanwalt Schlaegel) und Grigat.

Vors.:

Ich bitte Platz zu nehmen. Wir können die Sitzung fortsetzen.

Die Verteidigung ist gewährleistet. Vorgesehen sind heute ja in die Sitzung gestellte Zeugen[2] durch die Verteidigung. Herr Rechtsanwalt Pfaff hat vor wenigen Minuten die Bitte vorgetragen, die Sitzung um eine halbe Stunde zu verschieben, da die Herren Rechtsanwälte Schily und Dr. Heldmann nicht pünktlich kommen könnten. Wir wollen nach bisherigem Prinzip die Sitzung pünktlich beginnen. Wir halten es auch für selbstverständlich an sich, daß wenn die Verteidigung Zeugen in die Sitzung stellt und einen Termin um 9 Uhr bekommt, daß sie dann auch pünktlich mit diesen Zeugen um 9 Uhr erscheint. Wir wollen heute die Zeit ausfüllen mit einer Verlesung bis die Herrn da sind. In Zukunft kann mit einem Entgegenkommen in der Richtung nicht mehr gerechnet werden. Herr Rechtsanwalt Eggler hat sich für heute entschuldigt. Wir haben noch folgenden Hinweis zu geben. Die Nummer 127 vom 29. Mai 1976 der Zeitung „Informationsdienst“ zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten, gerichtet an Herrn Baader, ist vom Senat beschlagnahmt worden. Die Ausgabe enthält unter der Überschrift „Schriften Ulrike Meinhofs“ verschiedene Erklärungen.

Rechtsanwalt Schnabel erscheint um 9.07 Uhr im Sitzungssaal.

[10114] Vors.:

Eine Erklärung über Fragment zur Struktur. Zwei Briefe an Hanna Krabbe.[3] Einen weiteren Brief an die Gefangenen in Hamburg.[4] Diese Schriftstücke sollen, wie gesagt, von Frau Meinhof stammen. Diese Äußerungen selbst werden eingeleitet durch eine Erklärung die mit „11.5.1976 Jan“ gezeichnet ist, was ein Hinweis auf den Angeklagten Raspe sein könnte. Der Senat beabsichtigt aus dieser Zeitung zu verlesen, zur geeigneten Zeit. Für die Herrn Verteidiger, das beschlagnahmte Schriftstück liegt in der Geschäftsstelle zur Einsicht bereit.

Wir werden dann nachher, wenn Herr Rechtsanwalt Schily anwesend ist, noch sprechen müssen, wegen einer weiteren Terminierung. Sie hängt damit zusammen, ob die unmittelbare Ladung des Generalbundesanwaltes, die angekündigt worden ist, nun bereits vorgenommen wurde. Das läßt sich aber nachher erst klären. So darf ich jetzt bitten, daß wir mit der Verlesung beginnen. Es handelt sich dabei um ein Exemplar der Rede von Frau Meinhof für die Gefangenen der RAF, gehalten im Baader-Befreiungsprozeß am 13. September 1974,[5] d.h. das Exemplar druckt diese Rede wieder. Herr Zeuge Claus hat uns bereits als Zeuge bekundet, wie diese Exemplare erschienen sind und wie sie sichergestellt worden sind seitens der Polizei.

Gem. § 249 StPO[6] wird die Schrift „Rede von Ulrike Meinhof für. die Gefangenen aus der RAF in Baaderbefreiungsprozess am 13. September 1974“aus der Anlage 1 zum Protokoll vom 18. Mai 1976 Bl. 9809 a-s bis Ende Bl. 9809 k („... ausgeübt wird“) verlesen.

Während der Verlesung:

Bundesanwalt Dr. Wunder verläßt in der Zeit von 9.15 Uhr bis 9.23 Uhr den Sitzungssaal.

Vors.:

Wir sind am Ende dieser Verlesung. Eine Erklärung? Wenn nicht, machen wir jetzt eine kurze Pause. Bitte, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder?

BA Dr. W[under]:

Eine Erklärung zu dieser Sache, nur habe ich Bedenken, daß die Justiz zum Spielball der Verteidigung wird, wenn wir [10115] eventuell noch lange Zeit auf das Erscheinen der Herrn Verteidiger und der Zeugen warten. Ich rege an, eine gewisse Zeit vielleicht noch zuzuwarten, aber dann diese Beweisaufnahme vom heutigen Tag abzusetzen.

Vors.:

Wir sind derselben Meinung. Ich habe ja, Sie haben mir praktisch das Wort aus dem Mund genommen, gerade beginnen wollen. Wir machen jetzt eine kurze Pause von 10 Minuten, die ohnedies erforderlich wird, weil ich noch etwas veranlassen muß. Und wenn in 10 Minuten die Beweisaufnahme nicht beginnen kann, dann wird der heutige Verhandlungstag dem Prozeßgesetz gemäß abgeschlossen werden. In 10 Minuten Fortsetzung.

Pause von 9.38 Uhr bis 9.48 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.48 Uhr

Rechtsanwälte Schily und Oberwinder sind nunmehr auch anwesend[b].

Als in die Sitzung gestellte[c] Zeugen sind anwesend:

Barton Osborne,

Philipp Agee,

Gary Thomas,

Phil Kelly, (auf der Verteidigerbank links vom Richtertisch aus gesehen.)[d]

Winslow Peck

Als Dolmetscherin ist erschienen Irene Loyal

Vors.:

Ich bitte Platz zu behalten. Wir werden Sie gleich dann zu[e] den Personalien ... und wir müssen ja nach dem Eid und dergleichen fragen dann (zu der Dolmetscherin)[f]. Zunächst, Herr Rechtsanwalt Schily, bei der Fortsetzung für die kommende Terminierung. Sie hatten angekündigt, daß Sie Herrn Generalbundesanwalt Buback unmittelbar laden wollten. Wir haben Ihnen die Gelegenheit gegeben, nach der Woche, in der ja der Zeuge Müller gehört werden soll, diese Vorladung vorzunehmen. Ist hier schon ein Tag von Ihnen festgelegt?

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, die Ladung ist noch nicht heraus. Ich kann dazu folgende Erklärung abgeben, daß für uns natürlich ein Problem hinsichtlich der Aussagegenehmigung[7] besteht und wir müßten ja gleichzeitig einen Antrag stellen, auf Erteilung einer Aussagegenehmigung. Und da ist schwierig, also die Abgrenzung des [10116] Beweisthemas. Aber innerhalb dieser Woche wird das erfolgen und an sich hatten Sie uns ja angeboten, den kommenden Dienstag, den darauffolgenden Dienstag.

Vors.:

Gut. Das wollte ich Sie jetzt fragen. Können Sie diesen Termin einhalten. Denn wir haben dann drei Zeugen, die wir an einem der anderen Tage in dieser Woche unterbringen wollen.

RA Schi[ly]:

Ja das müßte eigentlich, 6. Juli, so war es an sich vorgeschlagen.

Vors.:

Also dann bleibt dieser Dienstag, 6. Juli, für Sie vorbehalten. Wir haben, noch nicht schriftlich, aber telefonisch voraus erfahren, daß der Schweizer Zeuge, dessen Vernehmung im Wege der Rechtshilfe erbeten worden ist,[8] inzwischen die Erklärung abgegeben hat, daß er von dem ihm nach schweizerischem Recht[9] zustehenden Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht, im vollen Umfange. Es ist uns mitgeteilt worden, von der zuständigen Behörde, daß wenn der Zeuge sich nicht freiwillig vernehmen läßt, nach schweizerischem Recht, eine Einvernahme in der Schweiz nicht in Betracht kommt, bei der Situation dieses Zeugen. Um eine solche Erklärung hatten wir schon lange gebeten. Das Rechtshilfeersuchen war ja notwendig geworden, weil wir diese Mitteilung von dem Zeugen nicht bekommen hatten bis dahin. Es ist also die Vernehmung dieses Zeugen nicht möglich. Wir werden jetzt die Vernehmungsbeamten dieses Zeugen hier in die Sitzung laden müssen und zwar den Herrn Detektivwachtmeister Arnold Zellweger von der Stadtpolizei der Kripo und Kripo in Zürich. Dann den Kriminaloberkommisar Mellenthin vom LKA Stuttgart und den Regierungskriminaldirektor Schaicher vom Bundeskriminalamt. Die Fundstellen sind enthalten im Ordner 53/1. Ich sehe für diese Vernehmung vor Mittwoch, den 8.7., eventuell Donnerstag, den 9.7. Ich bitte Sie, sich[g] darauf einzustellen.

Verzeihung, Herr Bundesanwalt Zeis?

OStA Z[eis]:

Ich glaub, Mittwoch wär der 7.7. und Donnerstag, der 8.7.

Vors.:

Verzeihung, wenn ich das Datum hier ... Ich bitte um Entschuldigung, ja. Mittwoch wäre der 7.7., und Donnerstag, der 8.7. so soll also die Ladung stattfinden. Dankeschön.

Zunächst darf ich jetzt feststellen. Es sind auf Seiten der Herrn Verteidiger zwei neue Gesichter zu sehen. Ein Referendar ist angemeldet worden. Auch[h] Ihr[i] Referendar genehmigt[j], Herr Rechtsanwalt Ober- [10117] winder

RA Ob[erwinder]:

Das ist der Herr Kelly. Herr Kelly war ursprünglich von uns als Zeuge benannt. Wir werden ihn hier aber nicht als Zeugen präsentieren. Aber wir bitten darum, daß er als unser persönlicher Dolmetscher hier auf der Verteidigerbank Platz nehmen kann.

Vors.:

Nein. Die Übertragung der Aussagen obliegt einer Dolmetscherin, wie ich sehe, die hier in die Sitzung mitgebracht worden ist. Wir müssen noch die Voraussetzungen feststellen. Sie unterliegt dann der besonderen Pflicht, die sich durch den Eid ergibt. Dasselbe gilt für Herrn Kelly nicht. Ich muß bitten, daß Herr Kelly ... Er kann jederzeit als Zuhörer im Raume bleiben, aber als Zusatzdolmetscher oder als Zusatzperson auf der Verteidigerbank möchte ich nicht gerne sehen.

RA Ob[erwinder]:

Nein, Herr Vorsitzender, Entschuldigung Sie haben das falsch verstanden. Er soll nicht hier dolmetschen, sondern er soll uns, wenn simultan oder irgendwie wenn wir was nicht verstanden haben, hier uns mit übersetzen. Es geht nicht darum, daß er hier dem Gericht übersetzt.

Vors.:

Ich habe das wohl verstanden, Herr Rechtsanwalt Oberwinder. Es ist nur so, daß die Übertragung allein dem vom Gericht oder der vom Gericht beauftragten Dolmetscherin überlassen werden kann. Soweit Sie etwas nicht verstanden haben, müssen Sie sich an diese Dolmetscherin wenden. Es geht nicht, daß Sie einen privaten Dolmetscher auf der Verteidigerbank haben. Ich muß bitten, daß Herr Kelly deswegen auch die Verteidigerbank verläßt.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, auf welche Vorschrift beziehen Sie sich da, daß Sie uns eine solche Möglichkeit nicht lassen. Ich darf erwähnen, bitte, ich habe das häufiger getan, aber es bietet sich nun wieder die Gelegenheit dazu, daß in Berlin das durchaus üblich ist. Sie können in Berlin selbstverständlich, wenn nicht die Staatskosten damit belastet werden, und das wird hier auch nicht der Fall sein, ein Dolmetscher zu privaten, also praktisch von der Verteidigerseite noch zusätzlich zu dem offiziellen Dolmetscher. Das ist manchmal gar nicht anders möglich. Z.B. wenn mehrere Angeklagte sind, die nur fremdsprachlich sich ausdrücken können und dann vielleicht ein Zeuge, der in gleicher Weise auch nur per Übersetzung in das Verfahren eingeführt werden kann, dann ist es einfach die Notwendigkeit, daß sie einen Dolmetscher haben. Und hier scheint es mir einfach der schnelleren Verständigung, einfach auch [10118] um eine Nachfrage dann durchzuführen, scheint es mir erforderlich, daß wir einen Dolmetscher unserer eigenen, zusätzlichen Wahl noch hier in das Verfahren durchaus hineinnehmen können. Ich wüßte auch nicht, inwieweit das Verfahren irgendwie dadurch behindert werden könnte. Ich hoffe auch, daß Herr Kelly eine Lautstärke einhalten kann, die also in keiner Weise das Verfahren sonst irgendwie beeinträchtigten könnte.

Vors.:

Daß das nicht unpraktisch wäre, ist selbstverständlich auch von uns aus anzuerkennen. Aber Sie fragen nach der Vorschrift. Es ergibt sich aus dem Zusammenhang der Vorschriften über die Dolmetscher. Und zwar einfach deswegen: Das Gericht muß ja eine Möglichkeit haben, auch zu kontrollieren, wo bei anderen Prozeßbeteiligten Irrtümer entstehen könnten. Sie könnten also beispielsweise eine Unterrichtung durch Ihren Dolmetscher hier bekommen, die[k] mit dem was amtlich übertragen ist, nicht übereinstimmt, und damit von Voraussetzungen ausgehen, die in der Sitzung geklärt werden müßten durch Rückfragen bei dem amtlichen Dolmetscher durch Sie. So daß das Gericht davon auch Kenntnis erlangt. Ich mache Ihnen einen Kompromißvorschlag. Wenn der Herrn Kelly hier an dem Tisch vor Ihnen Platz nimmt, nicht direkt bei den Verteidigern sitzt, sondern vor Ihnen und beansprucht wird von Ihnen für Einzelfälle, wo das Gericht dann unter Umständen die Möglichkeit hat, diese Irrtümer auch aufzugreifen die entstanden sind und Rückfragen an die Frau Dolmetscherin zu richten, so hätte ich da nichts dagegen.

RA Schi[ly]:

Also ich weiß nicht, was diese Maßnahme der Sitzordnung[l] soll, aber wenn es zur Erleichterung dieser Maßnahme dient oder dies der Wahrheitsfindung dient, um Herrn Teufel zu zitieren[10] ...

Vors.:

Es ist ein abgegriffener Spruch mit der Wahrheitsfindung. Es geht hier um die Übertragung, nicht um die Wahrheitsfindung. Ich darf also bitten, daß der Herr Kelly vielleicht vor Ihnen Platz nimmt und wir dann jeweils sehen, wenn etwas gesprochen wird und unter Umständen die Möglichkeit haben, dann zurückzufragen, um was es geht. Das heißt also, der Zeuge Kelly der benannt war, wird nicht mehr präsentiert?

RA Ob[erwinder]:

Ja.

Vors.:

Dann gehe ich jetzt davon aus, daß wir es jetzt noch zu tun haben mit den Herrn Osborne, Agee, Thomas und Herrn Peck. Als Dolmetscherin anwesend: Loyal.

Dolmetscherin [Loyal]:

Aber ich muß noch darauf aufmerksam machen, daß ich vereidigt [10119] werden muß. Ich werde jedesmal von Mal zu Mal vereidigt,[11] bei den Gerichten.

Vors.:

Sind Sie als Gerichtsdolmetscherin schon ...

Dolmetscherin [Loyal]:

Nicht allgemein. Aber ich werde jedesmal für jeden Fall vereidigt. Ich war auch gestern wieder in einen Fall tätig ...

Vors.:

Ich meine, sind Sie gerichtlich schon tätig gewesen?

Dolmetscherin [Loyal]:

Ja, ja, sehr viel. Und ich war ja beim amerikanischen Militärgericht fast 20 Jahre tätig in der TE 6 und in den Kelly-Barracks.

Vors.:

Werden Bedenken gegen die Frau Dolmetscherin von irgendeiner Seite geltend gemacht? Ich sehe nicht. Dann darf ich Sie zunächst um die Angabe Ihrer Personalien bitten.

Die Dolmetscherin machte folgende Angaben zur Person:

Irene Loyal, geb. [Tag].[Monat].1909,

wohnh. Fellbach, [Anschrift]

Die Dolmetscherin Loyal wird gem. § 189 GVG[m] vereidigt.

Vors.:

Wir wollen jetzt zunächst die ordnungsgemäße Ladung der Herrn Zeugen überprüfen. Das ist eine Voraussetzung des § 245 StPO.[12] Es liegt hier vor, betreffend den Herrn Zeugen Peck ein Anschreiben des Herrn Rechtsanwalts Oberwinder, wonach er ihn ladet in seiner Eigenschaft als Verteidiger des Angeklagten Andreas Baader gem. § 220[ StPO], als sachverständigen Zeugen[13] zur Hauptverhandlung am Dienstag, den 22. Juni und Mittwoch, den 23. Juni 1976, 9.00 Uhr. Es liegt bei eine Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers, Unterschrift nicht lesbar, doch Eddigehausen. Die Zustellung ist am 21. Juni, also gestern erfolgt. Wenn irgendwelche Bedenken geäußert werden sollen? Nach den Vorschriften der Prozessordnung, scheint mir diese Ladung formgemäß erfolgt zu sein. Die Zeugen scheinen sich in der Bundesrepublik aufgehalten zu haben.

Herr Rechtsanwalt Oberwinder, darf ich fragen, die Zeugen waren in der Bundesrepublik aufhältlich, so daß der Gerichtsvollzieher [10120] sie hier antreffen konnte?

RA Ob[erwinder]:

Ja.

Vors.:

Es liegt genau derselbe Vorgang vor bezüglich des Herrn Agee.

Auch hier derselbe Gerichtsvollzieher. Wie im Falle des Herrn Peck, ist die Ladung direkt zugestellt worden durch Übergabe an den Zeugen. Dasselbe gilt für den Zeugen Osborne und für den Zeugen Thomas. Gegen die formgerechte Vorladung bestehen also, wie ich feststellte, keine Bedenken.

Die beglaubigten Abschriften der Ladungen der Zeugen Peck, Agee, Osborne und Thomas und die Zustellungsurkunden werden als Anl. 1-4 zum Protokoll genommen.

Dann darf ich vielleicht bitten, daß jetzt die Beweisthemen genannt werden. Ich weiß nicht, ob die Prozessbeteiligten damit einverstanden sind. Ich würde das als eine Möglichkeit sehen, die Zeugen über den Gegenstand der Vernehmung gleichzeitig zu unterrichten, wenn die Beweisthemen den Zeugen gleich bekannt gegeben werden durch Übertragung durch die Dolmetscherin. Werden dagegen Bedenken erhoben?

RA Ob[erwinder]:

Die Beweisthemen differieren zwischen den einzelnen Personen und ich schlage vor, daß einzeln belehrt und aufgerufen wird.

Vors.:

Einverstanden. Wen wollen Sie zuerst vernehmen lassen?

RA Ob[erwinder]:

Herr Winslow Peck.

Die Zeugen Osborne, Agee und Thomas werden um 10.01 Uhr in den Abstand verwiesen.

Der Zeuge Winslow Peck wird gem. § 57 StPO[14] belehrt.

Der Zeuge Peck ist mit der Aufnahme seiner Aussage auf das Gerichtstonband einverstanden.[15]

Vors.:

Dann darf ich jetzt um die Benennung der Beweisthemen oder des Beweisthemas bitten. Herr Rechtsanwalt, wäre es möglich, das dem Gericht schriftlich zu überlassen?

RA Ob[erwinder]:

Nun ich beziehe mich insoweit auf meinen Beweisantrag vom 4. Mai und werde das Beweisthema daraus zitieren.

Vors.:

Bitte. Ich darf die Prozessbeteiligten darauf hinweisen, der Beweisantrag ist enthalten in Protokoll Blatt 9435 ff.

RA Ob[erwinder]:

Der Zeuge Peck wird insbesondere bekunden, daß das IG-Farbenhaus[16] in Frankfurt am Main entscheidendes Zentrum für die US-Aktivitäten während des Indochinakriegs[17] war. Er wird weiter bekunden, daß das IG-Farbenhaus in Frankfurt am Main der wichtigste Eckpfeiler des Teils des US-Nachrichtendienstnetzes ist, dessen Aufgabe in der Nachrichtenbeschaffung mittels hochentwickelter Radio- [10121][18] [10122][19] [10123][20] [10124][21] [10125] technologien sowie in der funktechnischen Leitung und Kontrolle nachrichtendienstlicher und militärischer Operation der USA und der NATO in aller Welt besteht. Er wird weiter bekunden ...

Vors.:

Darf ich fragen, Herr Rechtsanwalt, Sie sagten, Sie zitieren aus diesem Antrag. Würden Sie freundlicherweise vielleicht jeweils die Stelle dann benennen, was zitiert wird.

RA Ob[erwinder]:

Ja, ich zitier jetzt nicht wörtlich davon. Aber ich beziehe mich da drauf und ich hab das jetzt nicht schriftlich. Also ich kann das jetzt nur ins Protokoll diktieren.

Vors.:

Das ist natürlich ein bißchen umständliches Verfahren, wenn Sie sich beziehen auf etwas, was textlich nicht übereinstimmt.

RA Ob[erwinder]:

Nun ich hab das nur als Hilfe gebracht, weil ich das nicht schriftlich habe.

Vors.:

Darf ich davon ausgehen, was bis jetzt als Beweisthema genannt worden ist, daß das entspricht der Ziffer 1a und b.

RA Ob[erwinder]:

Ziffer 1 das ist auf Blatt 5 bei mir dieses Beweisantrags unter I. Insbesondere wird die beantragte Beweiserhebung ergeben A Ziffer 1,4, 5 und ich zitier jetzt die Ziffer 6.

Vors.:

Also das entspricht dem Ordner Seite 9438 was im Augenblick als Zitatstelle benannt worden ist.

RA Ob[erwinder]:

Ja.

Vors.:

Danke.

RA Ob[erwinder]:

Er wird bekunden, das ist Ziffer 5 dieses Antrags, daß das IG-Farbenhaus in Frankfurt am Main vor und während des Indochinakriegs Hauptquartier der National Security Agency (NSA) der USA war;

Er wird weiter bekunden, daß es Aufgabe der NSA mit Zentrale im IG-Farbenhaus in Frankfurt/Main war, den gesamten internationalen diplomatischen, militärischen, kommerziellen und zivilen Funkverkehr weltweit vollständig zu kontrollieren, um auf diese Weise Nachrichten zu beschaffen, zu entschlüsseln und auszuwerten; Weiter, das ist hier Punkt 7, daß das Hauptquartier der NSA im IG-Farbenhaus in Frankfurt/Main in jeder größeren Stadt Europas Stationen unterhält, mit einer Kette von Spionagestationen in der BRD verbunden ist, deren Hauptaufgabe seit den 50er Jahren in der Kontrolle und in der punktuellen Störung des gesamten diplomatischen, militärischen, kommerziellen und zivilen Funkverkehrs in Osteuropa und der UdSSR bis zum Ural besteht;

Weiter und das ist Punkt 8, er wird bekunden, daß während des gesamten Indochinakriegs für die NSA absolute Priorität in der [10126] Aufgabe bestand, durch das Auffangen und rasche Entschlüsseln von Funksprüchen zwischen befreundeten Regierungen und Regierungen und ihren diplomatischen Vertretungen die internationalen Reaktionen auf die einzelnen Phasen der US-Aggression und in diesem Kontext geplante Friedensinitiativen ausländischer Regierungen, wie z.B. der schwedischen Regierung, vor ihrer Realisierung zu erkennen, um ihnen durch Druck auf die entsprechende Regierung oder die Beeinflussung der öffentlichen Meinung massiv entgegenzuwirken; Er wird weiter bekunden, daß die NSA im IG-Farbenhaus in Frankfurt/Main während der Pariser Friedensverhandlungen[22] die Kommunikationskontakte zwischen den Delegationen der Demokratischen Republik Vietnam, der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams und Hanoi zu kontrollieren hatte, um die Regierung der USA durch genaue Kenntnis der internen Diskussion und der militärischen Lage des Vietkong in die Lage zu versetzen, die Friedensverhandlungen hinauszuzögern und doch noch einen militärischen Sieg zu erringen.

Vors.:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder?

BA Dr. W[under]:

Herr Vorsitzender, in dieser Form ist uns das Beweisthema erst jetzt bekannt geworden. Wir müßten uns wegen der Frage, ob eine Beweisaufnahme mit diesen Themen überhaupt zulässig, bzw. noch sachbezogen ist, kurz besprechen. Eventuell müssen wir auf einen Antrag vorbereiten. Ich wäre dankbar, wenn Sie der Anklagevertretung eine Pause von etwa einer viertel Stunde einräumen würden.

Vors.:

Bedenken dagegen sehe ich nicht. Eine viertel Stunde Pause.

Pause von 10.10 Uhr bis 10.35 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.35 Uhr

Rechtsanwalt Dr. Heldmann ist nunmehr auch anwesend[n].

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Ist beabsichtigt, eine Erklärung zu diesen gestellten Anträgen zu geben.

BA Dr. W[under]:

Ich möchte folgende Erklärung abgeben, Herr Vorsitzender.

Die Bundesanwaltschaft tritt der Vernehmung des Zeugen Peck entgegen, weil sie unzulässig ist. Die in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachenbehauptungen stimmen mit dem, vom Rechtsanwalt Oberwinder vom am 4. Mai 1976 gestellten Beweisanträgen überein. Diese Beweisanträge hat das Gericht mit dem Beschluß vom 19. Mai 76 [10127] als unzulässig abgelehnt. Wenn das Gericht einen, auf unzulässige Beweiserhebung gerichteten Beweisantrag ablehnen muß, darf es nicht zulassen, daß die Verteidigung, die ihr aus § 245 StPO gewährten Rechte zur Erhebung einer unzulässigen Beweisaufnahme mißbraucht. Insbesondere ist ein Beweisantritt wie im vorliegenden Fall, der bei vernünftiger Betrachtung erkennbar, nicht zur Erforschung der Wahrheit beitragen kann und soll, auch nach § 245 StPO unzulässig. BGH Entscheidung im 17. Band 28.[23] So liegt es hier, die Angeklagten verfolgen mit der beabsichtigten Beweisaufnahme in Wirklichkeit nichts zur Wahrheitsfindung beizutragen, streben vielmehr gemäß ihrem bereits wiederholt propagierten und versuchten Ziel, den gegen sie geführten Strafprozeß in eine Bühne agitatorischer Selbstdarstellung umzuwandeln. Im übrigen als letztes: Die Ablageorte der Bomben im Offizierskasino und in der Rotunde sprechen für sich. Danke.

Vors.:

Wollen die Herrn Verteidiger sich dazu äußern?

Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann.

RA Dr. H[eldmann]:

Ja, ich möchte bitten, daß wir dazu einige Minuten Pause erhalten.

Vors.:

Ja, das ist vorhin der Bundesanwaltschaft gewährt worden. Wie lange sehen Sie ungefähr voraus?

RA Dr. H[eldmann]:

Würden Sie uns die gleiche Zeit einräumen wie der Bundesanwaltschaft, nämlich eine viertel Stunde?

Vors.:

Ja, dann mache ich es vorsichtshalber so, daß ich sage, wir treffen uns um 11 Uhr. Das reicht dann auf alle Fälle. Einverstanden?

RA Dr. H[eldmann]:

Jawohl, danke ...

Pause von 10.38 Uhr bis 11.03 Uhr.

Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.03 Uhr

Bundesanwalt Dr. Wunder ist nicht mehr anwesend[o].

Vors.:

So wir können, wie ich sehe, die Sitzung fortsetzen. Die Herrn Verteidiger haben das Wort. Herr Rechtsanwalt Dr. Heldmann?

RA Dr. H[eldmann]:

Wo für die Bundesanwaltschaft, Herr Bundesanwalt Wunder, den Beweisantrag der Verteidigung insoweit gewürdigt hat als Versuch, auch hier die Beweisaufnahme für die Gefangenen, ich spreche für den Gefangenen Andreas Baader, als Bühne agitatorischer Selbst- [10128] darstellung zu mißbrauchen, so halte ich das nicht für ein[p] Argument, sondern halte ich für verbalen Exzess, der jedenfalls angesichts eines in sachlicher, wie in juristischer Hinsicht ausführlich begründeten Beweisantrags verfehlt ist.

Bundesanwalt Dr. Wunder erscheint wieder um[q] 11.04 Uhr im Sitzungssaal.

RA Dr. H[eldmann]:

Herr Bundesanwalt Wunder, für die Bundesanwaltschaft, hat beantragt, diese Beweiserhebung zurückzuweisen, nicht zuzulassen, weil sie, so sprach er, unzulässig wäre und hat sich dafür auf den am 19. Mai verkündeten Beschluß des Senats gestützt. Insoweit irrt er. Denn der Senat hat am 19. Mai die Beweisanträge der Verteidigung, sowohl hinsichtlich der Themen, als auch hinsichtlich der Beweismittel nicht für unzulässig gehalten, sondern und das ist der entscheidende Unterschied, er hat angenommen, der Senat, daß die hier beantragte Beweiserhebung, unsere Beweisanträge vom 4. Mai, für diese Entscheidung in diesem Verfahren ohne Bedeutung seien. Also es folgt daraus, im Falle des § 245[ StPO] ist diese Begründung für eine etwaige Zurückweisung, also auch die Begründung für Herrn Dr. Wunders Antrag, nicht gerechtfertigt. Das sagen §§ 245[r] und 244 Abs. 3[ StPO] ganz direkt.[24] Aber auch wenn die Bundesanwaltschaft hat sagen wollen und insoweit wäre sie dann jenem Beschluß vom 19. Mai gefolgt, daß die hier beantragte Beweisaufnahme, Beweiserhebung für die Entscheidung ohne Bedeutung sei, so wäre das rechtsirrig. Ergibt die von der Verteidigung beantragte Beweiserhebung, daß der Krieg oder Kriegshandlungen der USA in Indochina so, wie unsere Beweisanträge am 4. Mai das beschreiben Völkerrechtsverbrechen waren. Und Völkerrechtsverbrechen im Sinne 1. des Londoner Abkommens für 1945,[25] hier könnte man noch die Meinung vertreten, das war nicht allgemein anerkanntes Völkerrecht, das war Vertragsvölkerrecht.[26] Jedoch bestätigt durch den einstimmigen Beschluß der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 11. Dezember 1946[27] und somit als allgemein anerkanntes Völkerrecht anerkannt und deswegen relevant auch in der Anwendung innerdeutschen Rechts, ich weise hin auf Artikel 25 des Grundgesetzes,[28] die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts sind innerstaatlich anerkannt und gehen jedem innerstaatlichen Recht vor, sind also unmittelbar anzuwenden. Wo diese Beweiserhebung [10129] ergeben wird, daß der Krieg, die Kriegsführung der Regierung der USA oder einzelne ihrer Kriegshandlungen Völkerrechtsverbrechen sind, so wäre das völkerrechtlich und damit über Art. 25 des GG auch binnenrechtlich relevant, auch in dem Gesichtspunkt des internationalen Genozidpakts von 1951[29] dem sowohl die USA, als auch die Bundesrepublik beigetreten sind, der wiederum allerdings nicht etwa Völkervertragsrecht im hergekommenen Sinne ausdrückt, sondern der allgemein anerkanntes Völkerrecht ausspricht, kodifiziert, so nämlich wo sich jener Pakt, der Genozidpakt auf die Resolution der UN-Vollversammlung vom 11.12.1946 ausdrücklich beruft. Wo also die Beweiserhebung, die hier beantragt ist, ergeben wird, daß da Kriegsverbrechen begangen worden sind, daß in Zusammenhang damit das Territorium der Bundesrepublik benutzt worden ist und somit die Bundesrepublik selbst einbezogen ist in völkerrechtsverbrecherische Aggressionshandlungen, so wird durchaus nun als Rechtsfrage für die Entscheidung dieses Verfahrens von Bedeutung, ob die Voraussetzungen vorlagen für den Gebrauch eines Nothilferechts[30] oder, was im Ergebnis juristisch das gleiche wäre, für die Anwendung eines völkerrechtlich begründeten Widerstandsrechts[31] auf dem Boden der Bundesrepublik gegen Institutionen des Völkerrechtsaggressors, soweit diese für Aggressionshandlungen jedenfalls nutzbar dienlich oder gar bestimmt waren. Ich erinnere noch einmal daran, daß die hier zum Teil nur, in meinem Antrag vom 4.5.[32] ausführlicher erwähnten Völkerrechtsnormen, seien sie ungeschriebenen aber überwiegend geschriebenen Rechts, mit der Qualität allerdings des allgemein anerkannten Völkerrechts. Soweit diese Völkerrechtsnormen hier zur Betrachtung vorgelegt worden sind, gehen sie übereinstimmend davon aus, daß den Menschenrechten des Individuums der Vorrang im Sinne einer Qualitätsordnung gebührt gegenüber den Souveränitätsrechten des Staates. Und deswegen kommt Völkerrecht, wie es international anerkannt ist zu dem Ergebnis, daß dem Individuum auch gegen völkerrechtswidrigen, gar völkerrechtsverbrecherischen Eingriff eines Souveränitätsträgers im überkommenen Sinne, das Notwehr-, das Nothilfe- und das Widerstandsrecht zusteht, wobei es nicht darauf, für die juristische Betrachtung, für die juristische Entscheidung ankommt, ob es dieses Individualrecht sich nun richtet in seiner Ausübung gegen die Aggressionshandlung auf sich selbst, sondern ausdrücklich anerkannt ist das Nothilferecht und zwar als Parallelrecht zu dem völkerrechtlich [10130] als paralleles Individualrecht, zu dem völkerrechtlich anerkannten Kollektiv-Verteidigungsrecht.[33] Erlauben Sie mir, ich meine, daß damit für die Beantwortung das Wesentliche bereits gesagt sei, aber gleichwohl, da wir hierzulande uns immer gerne auf Autoritäten zu berufen pflegen noch zwei Hinweise. Den einen, der in der schriftlichen Fassung meines Antrags vom 4.5. nicht enthalten ist, den ich damals in den Vortrag eingefügt habe, nämlich in seiner umfassenden Arbeit über das Widerstandsrecht und die Widerstandspflicht des Staatsbürgers von 1963, die ich aus dem Sammelband „Widerstandsrecht“, herausgegeben von Arthur Kaufmann, Darmstadt 1972 auf Seite 494 zitiert habe. Die zusammenfassende Würdigung von Fritz Bauer,[34] der hier schrieb: „Das Widerstandsrecht[35] erschöpft sich nicht im innerstaatlichen Bereich, es überschreitet die nationalstaatlichen Grenzen. Es steht nicht nur jedermann zu, sondern - und darauf hebe[s] ich hier insbesondere ab -, sondern kann auch zu Gunsten von jedermann ausgeübt werden.“

Ende von Band 579

[10131] RA Dr. He[ldmann]:

Haben wir in der Beweisaufnahme die Voraussetzungen hierfür dargetan, dann wäre zu prüfen, und das ist von einer nicht zu übersehenden juristischen Bedeutung für die Entscheidung in diesem Verfahren, dann wäre zu prüfen, ob den hier Angeklagten ein Rechtfertigungsgrund im Sinne unseres innerstaatlichen Strafrechts zur Seite steht; nach der hier vertretenen Auffassung ja. Und ich weise Sie auf eine zweite Fundstelle hin, etwa im neuesten Kommentar von „Schönke-Schröder“, der in den Vorbemerkungen zu § 32 StGB ausdrücklich darauf hinweist, daß innerstaatlich anzuerkennende Rechtfertigungsgründe gerade auch aus überstaatlichem, nämlich aus Völkerrecht zu beziehen sind.[36]

Vors.:

Darf ich nur noch zur Verdeutlichung eine Frage stellen. - Herr Rechtsanwalt Schily, Sie werden gleich dann das Wort erhalten. - Sie haben es ja jetzt verdeutlicht, Sie suchen hiermit zu belegen einen Rechtfertigungsgrund nicht abstrakter Art, sondern konkret für die Angeklagten?

RA Dr. He[ldmann]:

So ist es. Ich suche, um es zu verdeutlichen ...

Vors.:

Nun wäre es natürlich ganz ...

RA Dr. He[ldmann]:

... diese Frage voll beantworten darf.

Vors.:

Bitte.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich suche zu verdeutlichen oder ich stelle diese Frage als zum Beweisthema, ob die Voraussetzungen für den Gebrauch eines völkerrechtlich begründeten Widerstandsrechts oder eines völkerrechtlich begründeten Nothilferechts vorgelegen haben, etwa wie wir das am 4. Mai in unseren Anträgen breiter ausgeführt haben, für die den Angeklagten angelasteten Bombenanschläge auf Institutionen der Vereinigten Staaten auf dem Boden der Bundesrepublik, so etwa Frankfurt IG-Farbenhochhaus, so etwa US-Headquarter in Heidelberg[37].

Vors.:

So daß also Sie nicht den Auftrag haben, inzidenter bei der Stellung dieses Antrags gleich zu sagen, Rechtsfertigungsgrund für bestimmte von uns begangene Taten, sondern Sie sprechen nur von angelasteten Taten.

RA Dr. He[ldmann]:

Von angelasteten Taten, selbstverständlich. Zunächst, vielleicht erlauben Sie mir den Hinweis, sprach ich hier durchaus nicht im Sinne eines Auftrags, wie Sie es vielleicht eben verstehen wollten, sondern als Verteidiger, der Rechtsausführungen nach seiner juristischen Einsicht macht und dem Gericht anbietet.

[10132] Vors.:

Gewiss, aber die juristische Einsicht führt ja dazu, daß man üblicherweise sich mit der Frage der Rechtswidrigkeit erst dann befasst, wenn die Tathandlung an sich einigermaßen umrissen erscheint von Seiten derjenigen, die solche Rechtfertigungsgründe für sich in Anspruch nehmen sollen. Deswegen bat ich Sie um Verdeutlichung; ich habe Sie aber so verstanden, wie Sie es jetzt ausgeführt haben, dankeschön.

RA Dr. He[ldmann]:

Verzeihen Sie, noch eine ganz[t] kurze Anmerkung. Zu einer wohl allgemein anerkannten Systematik einer Strafverteidigung gehört auch das, daß etwa, wenn das Gericht, ich würde hier sagen, wider Erwarten, zu einer anderen Würdigung der Beweisaufnahme kommt, daß es die Verteidigung tut, daß dann dem Gericht auch Aspekte eröffnet worden sind von Seiten der Verteidigung, die zu einer anderen, rechtlich anderen Würdigung der Beweiswürdigung kommen.

Vors.:

Richtig verstanden. Herr Rechtsanwalt Schily, bitte sehr.

RA Schi[ly]:

Ich darf zunächst die Feststellung des Kollegen Dr. Heldmann unterstreichen und den Hinweis wiederholen, daß Herr Bundesanwalt Dr. Wunder den Beschluß des Oberlandesgerichts dieses Senats falsch zitiert, wenn er meint, am 19. Mai seien die Beweisanträge als unzulässig zurückgewiesen worden. Das beweist allein die Zitierung der Vorschrift im § 244 Abs. 3 Satz 2[u] der Strafprozeßordnung, auf die sich die Begründung des Beschlusses beruft, sonst hätte zitiert werden müssen § 244 Abs. 3 Satz 1[v][ StPO].[38] Soweit die Bundesanwaltschaft im übrigen für ihre Auffassung die beantragte und in Aussicht genommene Beweisaufnahme durch Vernehmung bestimmter präsenter Zeugen, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes im 17. Bande auf Seite 28 ff., ins Feld führt, ist es vielleicht nützlich, wenn man einmal den Gegenstand dieser Entscheidung in die Verhandlung einführt. Ich habe es häufiger mit der Frage zu tun gehabt, wann in einem Strafprozeß, insbesondere im politischen Prozeß, eine Verwertung präsenter Beweismittel möglich ist oder nicht. Und es hat sich schon als eine Tradition herausgebildet, daß die politische Staatsanwaltschaft sich gern auf diese Entscheidung im 17. Bande beruft, und prophylaktisch habe ich sie mir heute deshalb auch mitgebracht. Der Gegenstand dieser Entscheidung war ein Verfahren, ein Einziehungsverfahren, in dem es um eine antisemitische Schrift ging, und es sollte eine antisemitische Schrift verlesen werden, und sollte zu Beweiszwecken in die Verhandlung eingeführt werden; und da hat [10133] der Bundesgerichtshof mit Recht, die [w] sich dann auf’s alte Testament berief u.ä., also eine sektiererische, antisemitische Hetzschrift, wie es mit Recht genannt wurde, und der Bundesgerichtshof hat mit Recht abgelehnt, ein solches Machwerk in die Beweisaufnahme einzubeziehen. Und es ist, glaube ich, von Nutzen, wenn man einige Zitate wie diese Zurückweisung dieses sogenannten „Beweismittels“ - muß man insofern sagen, - begründet worden ist. Es heißt in dieser Entscheidung unter anderem: „Ist eine Behauptung nach vernünftigem Denken keinerlei Beweis zugänglich, dann fehlt dem Beweisantritt die Sachzugehörigkeit, denn die Wahrheitsermittlung ist auf diesem Wege von vorne herein ausgeschlossen.“

Nun frage ich Sie, und ich frage insbesondere die Bundesanwaltschaft, wollen Sie allen Ernstes die Auffassung vertreten, daß die Tatsache oder die Frage, ob unter anderem über das IG-Farben-Haus in Frankfurt terroristische verbrecherische Aktionen durchgeführt worden sind unter anderem über eine verbrecherische Organisation, wie es der CIA, die CIA darstellt? Wollen Sie, das eine solche Frage qualifizieren, als eine solche, die nach vernünftigem Denken keinerlei Beweis zugänglich ist? Meinen Sie, daß die Church-Kommission in Amerika[39] Beweiserhebungen durchgeführt hat über Fragen, die nach vernünftigem Denken keinerlei Beweis zugänglich sind? Und ich fahre fort aus dem Zitat dieser Entscheidung. Es heißt: „Die Beweisbehauptungen sind aber wegen ihres unsinnigen Inhalts und ihrer uferlosen, begrifflich kaum erfassbaren Verallgemeinerungen, das Jüdische Volk, die Juden, das orthodoxe Judentum, der orthodoxe Jude, widersinnig und unverständig und daher keinem Beweise zugänglich. Sie laufen hinaus auf ein der verständigen Betrachtung unzugängliches, verschwommenes, ethisches Kollektivurteil, das an der unverlierbaren Individualität und Selbstverantwortlichkeit der Einzelperson, die ihren Eigenwert als geistiges sittliches Wesen verkörpern, vorbei geht. Diese uferlos verallgemeinernden Behauptungen sind typisch für primitives kritikloses Denken, das eine der Wurzeln des Antisemitismus und der Rassenideologie überhaupt ist.“

Soweit das Zitat. Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, die Tatsachen, die hier mit den präsenten Zeugen unter Beweis gestellt werden sollen, die sind nicht verallgemeinernder Natur, sondern ganz konkret, ganz konkret, es werden ganz konkrete Mordaktionen unter Beweis [10134] gestellt werden, die mit diesen präsenten Beweismitteln erhärtet werden. Und darum geht es, und wenn ich mal einen Vergleich, ich finde diese Berufung auf dieses Urteil weiß Gott makaber, - und wenn ich mal einen Vergleich wagen darf, stellen Sie sich einmal vor, es wäre auf eine Institution, wie im 3. Reich das Reichsicherheitshauptamt ein Bombenanschlag verübt worden und es wäre dann ein Prozeß geführt worden gegen einen solchen Angeklagten, dem angelastet würde, diesen Bombenanschlag verübt zu haben; würden Sie einem solchen Angeklagten verwehren, darüber Beweis erheben zu lassen, daß über das Reichsicherheitshauptamt die Vernichtungsaktionen, die Ausrottungspolitik gegenüber jüdischen Mitbürgern koordiniert und durchgeführt worden ist ... sind. Wollen Sie dann auch sich auf ausgerechnet dieses Urteil berufen. Und das, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, was wir mit diesen präsenten Beweismitteln an Aktionen unter Beweis stellen wollen, das ist durchaus vergleichbar mit einer kriminellen Vernichtungsaktion, wie es die Ausrottungsmaßnahmen im 3. Reich gegenüber den jüdischen Mitbürgern waren. Und das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder. Und da allerdings fällt der Vorwurf, daß hier eine agitatorische Selbstdarstellung betrieben würde, auf die Bundesanwaltschaft zurück. Denn wenn Tatsachen unterdrückt werden sollen, dann muß offenbar Anlaß dazu bestehen, daß solche Tatsachen unterdrückt werden.

Vors.:

Weitere Wortmeldungen dazu? Ich sehe, auf Seiten der Herren Verteidiger nicht. Wollen Sie ...?

BA Dr. Wu[nder]:

Ich könnte nur mit einem Satz erwidern, Herr Rechtsanwalt Schily. Wenn in Frankfurt von den Bombenlegern, um die es hier geht, nicht so konkret gemordet worden wäre wie gemordet worden ist, dann würde ich Ihnen von der Erklärung, die Sie eben abgegeben haben, einiges abnehmen, so vermag ich es nicht.

Vors.:

Darf ich bitten, genau so kurz gefasst, wie die Äußerung von Herrn Bundesanwalt Dr. Wunder war, bitteschön.

RA Dr. He[ldmann]:

Diese Vorverurteilung, die die Bundesanwaltschaft mitten in der Beweisaufnahme hier im Worte gefasst hat, unterstützt stärker als unsere eigenen Argumente die Notwendigkeit der hier beantragten Beweiserhebung.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily.

RA Schi[ly]:

Ich glaube, man muß etwas sehr Nüchternes dazu sagen, was der Herr Bundesanwalt Dr. Wunder hier erklärt hat. Ich glaube, [10135] jedermann, der irgendeinmal Rechtskunde studiert hat, der weiß, daß im Bereich eines Notwehr- oder eines Nothilferechtes auch die Frage eine Rolle spielen kann und ein solches Recht unter Umständen auch in Anspruch genommen werden kann, selbst dann, wenn die Nothilfe oder Notwehrhandlung dazu führt, daß jemand um’s Leben kommt. Eine schwierige und ernste Frage, die man sich in solchen Situationen vorzulegen hat. Aber auch auf die Gefahr hin, daß der Vergleich mißverstanden wird, auch auf die Gefahr hin, daß der Vergleich mißverstanden werden könnte, daß solche juristischen Überlegungen durchaus auch mitunter in falscher Anwendung, aber daß solche Überlegungen durchaus auch auf Seiten der Anklagehehörde ja zu Stande kommen können, das beweist ein Fall wie etwa der Fall Mac Leod,[40] wo ein putatives, nämlich nur ein vorgebliches, ein vermeintliches Notwehrrecht in Anspruch genommen wurde,[41] gegenüber einem nackten, wehrlosen Mann, der dabei zu Tode gekommen ist. Und ich weiß nicht, ob Sie, Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, dabei dann aufgestanden sind und haben gesagt: „Darüber werden wir kein Wort verlieren, wie die Situation damals beschaffen war, denn Mac Leod ist ja ermordet worden.“ Ich weiß nicht, ob Sie diese Meinung vertreten haben oder vertreten haben könnten. Also man kann nicht allein mit ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt Schily, ich bitte, Sie dehnen das aus, ich habe gebeten, man möge sich so kurz fassen, wie es auch geschehen ist ...

RA Schi[ly]:

Ja nur, Herr Vorsitzender ...

Vors.:

Also ich bitte jetzt, abzuschließen.

RA Schi[ly]:

... Herr Vorsitzender, ich glaube, es ist notwendig, daß die Verteidigung selbst darüber befindet, wieviel Sätze sie braucht, um etwas zu begründen und nicht der Herr Vorsitzende.

Vors.:

Ich darf Sie darauf hinweisen, daß ich nicht verpflichtet war, eine Erwiderung zuzulassen. Ich bin der Meinung, ich habe es Ihnen gewährt, aber ich darf Sie jetzt bitten, möglichst jetzt abzuschließen.

RA Schi[ly]:

Ich meine, Herr Vorsitzender, wenn Sie eine Erwiderung gewähren, dann dürfen Sie aber nicht gleichzeitig die Gewährung sozusagen wieder zurücknehmen und sagen, ja ich gestatte Ihnen nur noch einen Satz, vielleicht so wie Herr Höfer ...

Vors.:

Das habe ich nicht getan. Sie hatten schon viele Sätze sprechen können. Ich darf Sie jetzt bitten, fortzufahren und möglichst jetzt abzuschließen, dankeschön.

[10136] RA Schi[ly]:

Ich glaube, daß es also notwendig ist, in einem solchen Zusammenhang auch dann einmal die Relation zu sehen. Wenn Sie darauf hinweisen, daß in Frankfurt ein Menschenleben dahingegangen ist, dann müssen Sie vielleicht aber auch einmal die Frage prüfen, wieviel Menschenleben - und da kommen Sie mit einer einstelligen Zahl nicht aus, da müssen Sie sehr viel mehr Zahlen verwenden - wieviel Menschenleben durch Aktionen, die über dieses IG-Farbenhaus durchgeführt worden sind, wieviel Menschen das das Leben gekostet hat. Und das genau werden wir unter Beweis stellen.

Vors.:

Gut. Herr Rechtsanwalt Oberwinder, aber ich bitte auch jetzt hier, um es vorweg zu sagen, um tunlichste Kürze.

RA Ob[erwinder]:

Herr Bundesanwalt Dr. Wunder, wir werden hier, wenn Sie das nicht verhindern werden, einen Zeugen hören, der als Agentenführer in Vietnam in einem Programm mitgewirkt hat, bei dem 20 000 Zivilisten ums Leben gekommen sind, nicht nur durch Bomben, sondern auch sehr langsam durch Folter, und wir werden hier hören, in welchem Bezug das IG-Hochhaus zum Beispiel zu diesen Mordaktionen stand, und wenn Sie die Herstellung dieses Sachzusammenhangs nicht sehen, nicht wollen, dann frage ich mich in der Tat, welche Rolle die Bundesanwaltschaft hier in diesem Prozeß und in der Bundesrepublik spielt.

Vors.:

Ich bitte die Prozeßbeteiligten, Öffentlichkeit vorsorglich zugelassen, in einer Viertelstunde wieder da zu sein, es muß jetzt im Senat überlegt werden, wie wir uns verhalten. Es kann sehr schnell gehen, es könnte aber auch sein, daß ein Beschluß gefasst werden muß, der dann natürlich längere Zeit in Anspruch nimmt. Um etwa ¾ 12 werden wir also bekanntgeben, ob es sofort weitergeht oder erst heute nachmittag.

Pause von 11.33 Uhr bis 11.47 Uhr.

Vors.:

Es bleibt mir nur der Hinweis, ... daß der Senat zum gestellten [x] Antrag einen Beschluß fassen wird, damit sich die Sache gründlich überlegen; wir setzen die Sitzung heute um 15.00 Uhr fort. Bis dahin ist die Frau Dolmetscherin und der Herr Zeuge entlassen. 15.00 Uhr Fortsetzung.

Pause von 11.48 Uhr bis 15.16 Uhr.

[10137] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 15.16 Uhr.

Rechtsanwalt Herzberg ist nicht mehr anwesend.

Der Zeuge Peck und die Dolmetscherin Loyal sind weiterhin anwesend.

Vors.:

Wir setzen die Sitzung fort. Herr Rechtsanwalt Schlaegel und sein amtlich bestellter Vertreter, Herr Rechtsanwalt Herzberg sind entschuldigt.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefasst:

Die Befragung des Zeugen zu den genannten Beweisthemen ist nicht zulässig.

Gründe:

Rechtsanwalt Oberwinder als Verteidiger des Angeklagten Baader hat - ersichtlich im Einvernehmen mit den anderen Angeklagten - Herrn Winslow Peck als Zeugen unmittelbar geladen; der Zeuge ist erschienen. Als Beweisthemen, über die der Zeuge aussagen soll, hat Rechtsanwalt Oberwinder die Nr. IA 1, 4 - 9 seines Beweisantrags vom 4.5.1976 (Tonbandniederschrift 9458/59) genannt. Die Verteidigung ist der Auffassung, die USA hätten im Vietnamkrieg völkerrechtswidrige Verbrechen begangen und hierzu das Gebiet der Bundesrepublik benutzt.

Deshalb habe den Angeklagten - falls ihnen die vorgeworfenen Taten angelastet würden - eine aus dem Völkerrecht fließendes Notwehr-, Nothilfe- und Widerstandsrecht zur Seite gestanden, das einen Rechtfertigungsgrund im Sinne des innerstaatlichen Rechts der Bundesrepublik bedeute.

Der Senat hat jenen Beweisantrag abgelehnt und dazu ausgeführt, ein Nothilfe- oder Widerstandsrecht, das solche Anschläge rechtfertigt hätte, bestehe nicht.

Mit den genannten Beweisthemen soll nicht die Wahrheitsermittlung hinsichtlich der gegen die Angeklagten gerichteten Vorwürfe des mehrfachen vollendeten und versuchten Mordes - u.a. in Frankfurt - gefördert, sondern unter dem Anschein der Beweiserhebung aus Gründen der Agitation die US-Politik in der Welt und die Beteiligung der Bundesrepublik hieran angegriffen werden.

So haben die Angeklagten selbst jenem Beweisantrag ihrer [10138] Verteidiger sich nur „formal“ angeschlossen, doch hat der Angeklagte Raspe sogleich angefügt:

„Aber natürlich fassen wir unsere Politik nicht in völkerrechtlichen Kategorien, wir fassen sie überhaupt nicht in Kategorien, sondern die Politik der RAF, bewaffnete proletarische Politik, u.s.w. ...“[42]

Maßgebend seien die Kriterien der revolutionären Moral.

Auch sonst haben die Angeklagten von Anfang an keinen Zweifel darüber gelassen, daß es ihnen in diesem Verfahren darum geht, ihre politischen Ziele weiterzuverfolgen und dafür zu werben. Diese Ziele sind, wie sich aus zahlreichen Äußerungen der Angeklagten und der[y] von ihnen ins Vertrauen gezogenen Verteidiger in der Hauptverhandlung ergibt, der

„politisch-militärische Kampf gegen die imperialistische Gesellschaftsform in der Bundesrepublik“,

die

„Schwächung des imperialistischen Weltsystems“,

der Kampf gegen den

„Imperialismus des internationalen Kapitals und seine Agenten“,

der

„weltweite antiimperialistische Befreiungskrieg“, d.h. die Führung dieses Krieges

und die Stärkung der

„Stadtguerilla“.

Eine rechtliche Beurteilung der ihnen vorgeworfenen Taten lehnen die Angeklagten ausdrücklich ab:

„Die RAF, die Guerilla ist nicht justiziabel“.

Schon in einem Zellenzirkular aus dem Jahre 1974 heißt es in bezug auf das anhängige Verfahren:

„Wir haben an dieser Veranstaltung nur Interesse, wenn wir sie umdrehen können.“

Hiermit steht die Äußerung einer Angeklagten in Einklang:

„Der kriminologische Teil“

(d.h. die Beweisaufnahme über den Tathergang) interessiert

„uns natürlich wirklich überhaupt nicht ... das geht uns auch nichts an“.

[10139] In einem Ablehnungsantrag der Angeklagten gegen den Vorsitzenden zu Beginn des Verfahrens wurde darauf hingewiesen, daß von den Angeklagten die Rechtsordnung der Bundesrepublik

„radikal, d.h. in den Wurzeln negiert wird“,

dem Vorsitzenden wurde zur Begründung der Ablehnung bezeichnender Weise zum Vorwurf gemacht, er werde versuchen,

„das Verfahren auf die Erörterung strafrechtlicher Tatbestände zu reduzieren und eine Thematisierung der Rolle der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Kapitalverhältnis, die spezifische Stellung der Bundesrepublik Deutschlands zum US-Imperialismus, kurzum den Gegenstand der politischen Angriffe der RAF zu verhindern.“

An anderer Stelle bezeichnete ein Angeklagter als wesentlich für die RAF

„die radikale Negation, die Ablehnung jeder anderen Macht und Norm, jedes anderen Gesetzes als der auf kritisches Bewusstsein und revolutionäre Gewalt gestützten menschlichen Macht.

Der Prozeß der Insurrektion“ (Aufbau einer politisch-militärischen Front in den Metropolen) „ist das faire Verfahren, auf das wir aus sind. An einem anderen haben wir kein Interesse, und nur ihm sind wir verantwortlich.“

Zu den mit dem Vietnam-Krieg sich befassenden Beweisanträgen äußerte ein Angeklagter, diese Anträge vermittelten,

„was der Gegenstand dieses Verfahrens ist, genauer was der Gegenstand rechtlicher Erwägung hier überhaupt nur sein könnte, nämlich die totale Bestimmung, Kontrolle und Verfügung dieses Staates nach innen und außen, Verfügbarkeit dieses Staates nach innen und außen, für die Weltinnenpolitik des Hegemonialen, des US-Kapitals. D.h., die zentrale strategische Funktion der Bundesrepublik als ökonomisches, politisches und militärisches Subzentrum des amerikanischen Imperialismus, hier entwickelt an seiner Funktion 1.) für die offene Aggression gegen die Völker der 3. Welt, konkret an Vietnam, und 2.) die verdeckten Aggressionen gegen die Staaten der westeuropäischen Peripherie.“

[10140] Diese - faßt beliebig vermehrbaren - Zitate belegen, was oben ausgeführt wurde: Es geht den Angeklagten hier nicht um Beweiserhebung und Wahrheitsfindung im Strafverfahren, sondern um politische Agitation mit durchaus pauschaler Zielrichtung. Daß hier gerade der Vietnamkrieg in den Vordergrund gerückt wird, ist mehr zufällig. Ein im Verfahren gestellter Antrag, die Angeklagten nach Kriegsrecht zu behandeln und in ein Kriegsgefangenenlager zu überführen,[43] bestätigt das zusätzlich. Dort ist von der

„Schwächung des imperialistischen Weltsystems“

die Rede; als Beispielsfälle des

„internationalen Widerstands“

werden

Vietnam, Kambodscha[44], Laos[45], Guinea-Bissau, Mocambique, Sao Thome, Principe[46]

aufgeführt, als Verbündete der RAF außer den in diesen Staaten tätigen Bewegungen die (arabische) PLO[47] und die (irische) IRA[48] genannt. Gleiches zeigt der eingangs erwähnte, vom Senat angelehnte Beweisantrag vom 4.5.1976. Danach war auch der jetzt unmittelbar geladene Zeuge Peck dafür benannt,

„daß das Territorium der Bundesrepublik Deutschland seit ihrem Bestehen strategische Basis völkerrechtswidrigen, aggressiven Expansionspolitik der USA gegen dritte Staaten ... ist“,

„daß die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland als Staat nach 1945 von den USA als Projekt ihrer expansiven Weltmachtstrategie durchgeführt und entwickelt worden ist.“

All das ist einer Beweiserhebung nicht zugänglich (vgl. BGHSt 17, S. 28, 31), und zwar auch insoweit, als sie dartun soll, das US Hauptquartier in Frankfurt, - Ziel eines der Sprengstoffanschläge -, habe während des Vietnam-Krieges Dienststellen beherbergt, die in diesem Krieg für die US-Streitkräfte eine wesentliche Rolle gespielt hätten; denn auch insoweit wäre eine Beweiserhebung nur Anknüpfungspunkt für die erwähnte rechtsfremde politisch-revolutionäre Agitation.

Das Gericht ist verpflichtet, die Beweisaufnahme auf das zu beschränken, was die Sachgestaltung fördert.

An der Sachzugehörigkeit eines Beweisthemas fehlt es, wenn [10141] „unter dem Anschein der Beweiserhebung ein Zweck verfolgt wird, der von dem Zweck des Strafverfahrens abweicht“ (Reichsgericht, Strafsachen, Bd. 65 S. 305), wenn die beanstandeten Fragen „nur geeignet sind, Stoff für den parteipolitischen Kampf zu liefern“ (Reichsgericht, Strafsachen Bd. 66, S. 15), wenn sie „nur verfahrensfremden Zwecken dienen sollen“ (BGHSt Bd. 2, S. 284). Auch unter dem Blickwinkel des § 245 StPO ist eine Beweisaufnahme unzulässig, wenn sie „außer Zusammenhang mit dem Gegenstand des Verfahrens“ steht und „zur Wahrheitsfindung nichts beitragen“ kann (BGHSt Bd. 17, S. 343 u. Bd. 17, S. 28). So liegt es hier. An der Charakterisierung ändert sich auch dann nichts, wenn es darum geht, ob die Angeklagten möglicherweise subjektiv davon ausgegangen sind, es verhalte sich in der Welt so, wie sie es vorbringen; denn - abgesehen davon, daß der Zeuge dazu ohnehin nichts bekunden könnte - ist eine solche pauschale Betrachtung und Verdammung all dessen, was sie unter „US-Imperialismus“ u.dergl. verstehen, rechtsfremd. Die Angeklagten wissen das, wie ihre angeführten Äußerungen zeigen: Nicht die geltende Rechtsordnung ist es, an die sie sich: gebunden fühlen und vor der sie sich rechtfertigen oder entschuldigen wollen. Der Angeklagte Baader erklärte, es sei

„tatsächlich einfach dümmliche Demagogie, ... angesichts dieser objektiven Dimensionen von politischen Motiven zu quatschen.“

Daher kann der Senat die Befragung des Zeugen hinsichtlich der genannten Themen nicht zulassen.

Die Entscheidung entspricht dem Antrag der Bundesanwaltschaft.

¾¾¾

Die Ausführungen der Verteidiger führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

Sind weitere Beweisthemen zu benennen, zu denen der Zeuge gehört werden sollte oder werden weitere Beweisthemen genannt für die Anhörung eines weiteren, der in die Sitzung gebrachten und unmittelbar geladenen Zeugen? Herr Rechtsanwalt Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Mir bleibt dann nichts anderes übrig, als entsprechend dem Schluß, den ich im übrigen ... meinem Verständnis insofern nicht zugänglich ist, als mir unklar ist, was die Äußerungen, die die Gefangenen hier getan haben oder in irgendwelchen Papieren die Sie haben, als Grundlage der Ablehnung meines Beweisantrages [10142] sein kann, das ist mir unverständlich, aber ich bitte dann, den Zeugen Peck zu entlassen und den sachverständigen Zeugen Gordon Osborne zu hören.

Vors.:

Soll das heißen, daß auf jede weitere Anhörung dieses Zeugen verzichtet wird?

RA Schi[ly]:

Nein, Sie haben doch die Befragung abgelehnt Herr Vorsitzender durch Ihren Beschluß oder habe ich das jetzt nicht richtig mitbekommen?

Beifall im Sitzungssaal.

Vors.:

Nein, Sie haben es insofern mißver... ich bitte im Zuhörerraum bitte Beifalls- oder sonstige Kundgebungen, auch des Mißfallens, zu unterlassen.

Ich darf Sie nochmals darauf hinweisen, daß ich gefragt habe, ob er überhaupt zu keinen weiteren Themen mehr gehört werden solle, wir haben abgelehnt, ihn zu dem bezeichneten Beweisthema zu hören.

RA Schi[ly]:

Sie haben ja gleichzeitig noch abgelehnt, ihn zu weiteren Beweisthemen, die wir gar nicht genannt haben, ihn zu hören, das ist ja das Interessante an ihrem Beschluß; aber ich meine, die Auseinandersetzung mit dem Beschluß ist, glaube ich, jetzt zur Zeit nicht aktuell.

Vors.:

Aber der Tenor ist zugänglich. Der Tenor ist eben die Befragung des Zeugen zu den genannten Beweisthemen, ist nicht zulässig. Sie wollen ...

RA Schi[ly]:

Aber Sie können unsere Folgerung aus der Begründung in etwa auch ziehen, Herr Vorsitzender, wie hier präsente Beweismittel aus dem Verfahren herausgehalten werden und mit welchen Begründungen. Da können wir uns ja unser[z] Bild machen.

Vors.:

Was Sie sich für ein Bild machen ... maßgeblich ist der Tenor gewesen.

Der Zeuge Peck wird im allseitigen Einvernehmen um 15.34 Uhr entlassen.

Vors.:

Herr Zeuge, Sie sind entlassen und können im Saal als Zuhörer weiterhin anwesend bleiben, aber nicht hier innerhalb des Gerichtsbereiches, als Zuhörer jederzeit.

RA Schi[ly]:

Im übrigen, Herr Vorsitzender, möchte ich, bevor also der Zeuge Osborne jetzt hier gehört wird oder nicht gehört wird, wie das Hohe Gericht befinden wird, noch einmal die Frage an Sie [10143] stellen, wie es eigentlich sich zugetragen hat, daß die Zeugen heute morgen, wie es offenbar der allgemeinen Gepflogenheiten entspricht, am Eingang nicht durchgesucht wurden und offenbar aber heute mittag, als sie dann wieder das Gebäude betraten, sich einer Durchsuchung unterziehen mußten, ist das auf Ihre Anordnung geschehen?

Vors.:

Ich gebe Ihnen außerhalb der Hauptverhandlung jederzeit dazu Auskunft ...

RA Schi[ly]:

Ich finde, es wäre sinnvoll, das in der Hauptverhandlung zu klären Herr Vorsitzender.

Vors.:

Ich finde das nicht. Wir sind jetzt in der Beweisaufnahme. Ich stehe Ihnen aber, wie gesagt, außerhalb der Hauptverhandlung jederzeit darüber zur Verfügung.

Der Zeuge Osborne erscheint um 15.35 Uhr im Sitzungssaal.

RA Schi[ly]:

Nein ich finde, es ist vielleicht doch auch die Frage, ob Sie hier mit der notwendigen Unvoreingenommenheit die Verhandlung hinsichtlich dieser Zeugen zu führen in der Lage sind, wäre es doch von Interesse, wenn Sie uns darüber Auskunft geben wollen.

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, ein Satz dazu. Es ist mir mitgeteilt worden, daß möglicherweise der Herr Zeuge, ehemalige Zeuge Kelly[aa] hier mit einer Tasche, die ein Gerät das wir nicht kennen, beinhaltet habe, den Saal betreten habe, deswegen habe ich gebeten, daß den Zeugen gesagt wird, sie wollen solche Dinge außen abgeben und damit verbunden, da selbstverständlich entsprechend der sitzungspolizeilichen Anordnung, die Sie kennen, seit dem Zeitraum vor Beginn des Prozeßes, bei Zeugen auch die Untersuchung entsprechend den Besuchern vorgenommen wird.

RA Schi[ly]:

Wird das allgemein so gehandhabt? Bei allen Zeugen?

Vors.:

Es ist[bb] sicher nicht allgemein so gehandhabt worden, jedenfalls nach dem was ich gehört habe, ich selbst habe mich um diesen Punkt bislang im Verfahren nie gekümmert, mit Ausnahme von zwei Zeugen, die in dieser Richtung bei der Polizei Anlaß gegeben haben, mich zu fragen, ob durchsucht werden soll oder nicht. Das ist also für mich der 3. Vorgang, wo ich jemals mit diesem Fragenkreis konfrontiert worden bin. Ich darf jetzt bitten zu benennen, welche Beweisthemen der Herr Zeuge Osborne hier als Zeuge angeben soll.

[10144] RA Ob[erwinder]:

Der Herr sachverständige Zeuge Osborne wird bekunden, daß das Netz des US-Stützpunkte in der Bundesrepublik während des Vietnam-Kriegs ...

Vors.:

Herr Rechtsanwalt, verzeihen Sie, wenn ich unterbreche, [cc] es soll nicht unhöflich sein, wird hier wieder aus dem Antrag zitiert?

RA Ob[erwinder]:

Nein, es wird nicht aus dem Antrag zitiert.

Vors.:

Nicht zitiert, haben Sie das, was Sie vortragen, schriftlich?

RA Ob[erwinder]:

Nein, aber es wird auch kurz sein.

Vors.:

Dann bitte ich, es also langsam vorzutragen, damit wir mitschreiben können, danke.

RA Ob[erwinder]:

... so 1. unter anderem, daß der Computer des Kommandos für Logistik, Logistikcommand in Heidelberg dazu benutzt worden ist und zwar um Kalkulationen zu erstellen, wie, wo und wann und in welchem Umfang Einsätze für das Flächenbombardement der zivilen Bereiche in Südvietnam und für das Bombardement der Deiche des Roten Flusses der Demokratischen Republik Vietnam zu erstellen hatte, um eine möglichst große Effektivität, d.h. eine möglichst große Zahl von Toten unter der Zivilbevölkerung zu erzielen.

Er wird weiter ausführen, daß das IG-Farbenhaus in Frankfurt/Main bis zur Befreiung Süd-Vietnams als Überprüfungs- und Sicherheitshauptquartier für verschiedene nachrichtendienstliche Aktionsprogramme in Vietnam, und zwar u.a. das Programm „Phoenix“[49] gedient hat.

Er wird ausführen, daß allein durch das „Phoenix-Programm“ mindestens 20 000 unschuldige Zivilisten in Vietnam durch systematischen Mord und systematische[dd] Folter ums Leben kamen.

Er wird ausführen weiter, daß das „Phoenix-Programm“ von den gleichen Personen verantwortlich geleitet wurde, die in den späten Vierziger und Fünfziger Jahren Terroroperationen u.a. unter dem Code-Namen „Operation Ohio“[50] unter den Flüchtlingen aus den Ländern des Ostblocks mit Hilfe faschistischer Emigrantenorganisationen durchgeführt haben.

Er wird ausführen, daß in diesem Zusammenhang die militärischen Geheimdienste der USA das Counter-Intelligence-Corps der Armee, der Marinenachrichtendienst und der Airforcenachrichtendienst aus dem Territorium der Bundesrepublik in den späten Vierziger und in den fünfziger Jahren zivilgetarnt sogenannte Verhörzentren unterhielten, in denen sogenannte „subversive Elemente“ insbesondere aus Kreisen russischer Emigranten der Isolationsfolter u.a. Arten [10145] der Folter unterworfen und teilweise liquidiert wurden. Und daß diese Geheimgefängnisse Vorbild für die später von diesen US-Nachrichtendiensten in Süd-Vietnam errichteten sogenannten „Provinz-Verhör-Zentren“ waren.

Vors.:

Das war der Beweisantrag, wir müssen hier ohnedies eine Pause einlegen, zwecks Niederschrift des Beweisantrags. Das Gericht muß sich ja damit befassen können ...

Rechtsanwalt Schily spricht unverständlich.

Vors.:

... der Beweisthemen, das war ein Versprecher meinerseits, wir müssen diese Beweisthemen kennen und sie schriftlich niederlegen lassen. Es ist vielleicht dann Gelegenheit gegeben, daß sich die Bundesanwaltschaft, wenn sie Stellung nehmen will, sich das in der Pause gleich überlegen kann, so daß man das zusammen verbindet, sofern Sie es wünschen. Ich weiß es nicht.

BA Dr. Wu[nder]:

Herr Vorsitzender, wenn das Schriftstück dann verteilt wird, dann würden wir gerne noch darauf warten. Wir geben dann sofort unsere Stellungnahme ab.

Vors.:

Es sei denn, Herr Rechtsanwalt Oberwinder, Sie könnten es in der Tat verkürzen, wenn Sie uns Ihre schriftlichen Unterlagen zum Fotokopieren übergeben können.

RA Ob[erwinder]:

Absolut unleserlich.

Vors.:

Unleserlich, gut dann werden es so versuchen. Dann bitte ich, um ¼ Fünf wieder im Saal anwesend zu sein.

Pause von 15.41 Uhr bis 16.19 Uhr.

[10146] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 16.19 Uhr.

RAe Schily, Dr. Heldmann und Oberwinder sind nicht mehr anwesend[ee].

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen - die Verteidigung ist gewährleistet.

Will die B. Anwaltschaft Stellung nehmen zu dem gestellten Antrag?

BA Dr. Wu[nder]:

Ich geb ne kurze Stellungnahme ab:

Ich beantrage,

auch diesen neuen Antrag abzulehnen

und beziehe mich auf das heute morgen Ausgeführte und auf den zutreffenden eben verkündeten Beschluß des Senats.

Ergänzend dazu mache ich noch folgendes geltend, weil ich auch hier wieder auf die Entscheidung des B. Gerichtshofs im 17. Band 28 ff. verweise:

Die Beweisbehauptungen in dem dort behandelten Verfahren waren in der Hauptsache wegen ihrer uferlosen und begrifflich kaum erfaßbaren Verallgemeinerung keinem Beweise zugänglich gewesen. Sie liefen, wie der BGH dort ausführte, hinaus auf eine der verständigen Betrachtung unzugängliches Kollektivurteil, das an der Selbstverantwortung der Einzelperson vorbeiging.

RAe Schily, Dr. Heldmann und Überwinder erscheinen wieder[ff] um 16.20 Uhr im Sitzungssaal.

So ist es auch hier: Das Entscheidende war nicht, wie Herr RA Schily glauben machen wollte, daß dort zum Beweise auf Stellen des Alten Testamentes verwiesen worden war. Das geschah nur nebenher.

[10147] § 245 StPO dient nicht dazu, dem Gericht eine unsinnige oder unverständige Beweiserhebung aufzunötigen, wie sie auch Bestrebungen nicht Vorschub leisten will, die letztlich auf Fortsetzung der Straftaten vor Gericht oder Verschleppung des Verfahrens hinauslaufen - so der BGH in der genannten Entscheidung. Im übrigen könnte die in das Wissen des Zeugen gestellte Tatsache nur dann von rechtlicher Relevanz sein, wenn es im Gebiet unserer Rechtsordnung unter Berufung auf vermeintliche Widerstands- und Notwehrrechte gestattet wäre, nach Gutdünken Privatkriege in eigener Regie zu führen.

Danke schön.

Vors.:

Soll dazu noch etwas geäußert werden?

Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Nähme man den Herrn Bundesanwalt ernst, als ihm die Formulierung einfiel ...

Vors.:

Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß Sie die Begründung, die eben gegeben wurde für den Antrag, die Beweisaufnahme nicht durchzuführen, als Scherz begreifen?

RA Dr. He[ldmann]:

Was ich zum Ausdruck bringen will, bin ich im Begriff zu sagen, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich anhörten, dann haben Sie’s nämlich sehr viel schneller als auf diese Art.

Vors.:

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die minimalen Anforderungen an die Höflichkeit auch in dieser Phase des Prozesses wahren würden und nicht beginnen würden mit: Wenn man ernst nähme ... - Sie setzen sich mit einem Antrag auseinander, den Sie offenbar doch für ernst nehmen, Herr RA Dr. Heldmann.

RA Dr. He[ldmann]:

Nähme man die Formulierung ernst, ...

(RA Schily spricht unverständlich dazwischen).

Vors.:

Herr RA Schily, ich glaube, Herr RA Dr. Heldmann kann sich selbst äußern zu dem, was ich ihm eben vorgehalten hab; es betraf auch ihn allein und nicht Sie.

RA Schi[ly]:

Aber vielleicht darf ich doch ...

Vors.:

Nein, ich würde jetzt bitten, daß das Wort, das Herr RA Dr. Heldmann ergriffen hat, auch von ihm zu Ende geführt wird.

Herr Dr. Heldmann, darf ich Sie bitten.

[10148] [gg]

RA Schi[ly]:

Falls Ihnen das nicht aufgefallen sein sollte, Herr Vorsitzender, daß der Herr ...[hh]

Vors.:

Herr RA Schily, ich stelle ausdrücklich fest, daß Sie jetzt das Wort nicht haben; ich möchte Sie auch bitten, es nicht zu ergreifen.

Herr RA Dr. Heldmann, darf ich Sie bitten?

RA Schi[ly]:

Gestatten Sie ...

Vors.:

Nein, ich bitte jetzt Herrn RA Dr. Heldmann, seine Ausführungen zu Ende zu bringen.

RA Dr. He[ldmann]:

Ich sagte:

Nähme man die Formulierung des Herrn Bundesanwalts ernst, mit solchen Anträgen, wie wir sie hier heute und am 4. Mai gestellt haben - sie sind ja teils identisch - sei gezielt auf - und jetzt zitiere ich - „Fortsetzung der Straftaten vor Gericht“, dann müßte man wohl aus Gründen einfacher Logik zu dem Ergebnis kommen, daß hier nicht verteidigt werden kann, weil nicht verteidigt werden darf.

2. Wo der Herr B. Anwalt eine Rechtsfrage angesprochen hat, dies mit der Formulierung „jedermann seinen Privatkrieg“ umschrieben hat, verkennt er das, was - so meine ich aber doch - hinreichend bereits zum Begriff und zum Inhalt des Nothilferechts und des Widerstandsrechts vorgetragen worden ist, verkennt es oder übergeht es oder hat es einfach nicht hören wollen.

Ich erspare mir die Wiederholung dessen - ich habe heute schon davon gesprochen; nur jedenfalls: Mit derartiger Formulierung kann man die Rechtsfrage, die wir aufgeworfen haben, wohl nicht angehen, allenfalls umgehen.

Vors.:

Herr RA Dr. Heldmann, wenn Sie vorhin geäußert haben, nähme man die Formulierung ernst, dann habe ich das mißverstanden; ich habe verstanden: Nähme man Herrn B. Anwalt Dr. Wunder ernst.

RA Dr. He[ldmann]:

Nein -

Vors.:

Insofern erübrigt sich dann und erledigt sich das, was ich Ihnen vorgeworfen habe. Ich entschuldige mich dafür.

Bitte, Herr Rechtsanwalt.

[10149] RA Dr. He[ldmann]:

Ich nehme den Herrn Bundesanwalt sehr ernst, wie er selber weiß.

Vors.:

Ja, das meinte ich eben auch, weil Sie sich ja gegen den Antrag wandten.

Herr RA Schily, bitte schön. Wollten Sie sich äußern?

RA Schi[ly]:

Ich glaube, es ist notwendig, die Entscheidung, die der Senat jetzt zu treffen hat und die Stellungnahme, die die Verteidigung hierzu abzugeben hat, auf der Grundlage zu formulieren des Beschlusses, den hinsichtlich des ersten Zeugen, - [ii] wir hier soeben gehört haben. Ich habe die Überzeugung - die mag falsch sein, aber es kann sein, daß dafür bestimmte Anhaltspunkte schlüssiger Natur vorhanden sind -, daß sich das, was als Zitatensammlung in diesem Beschluß vorfindet, möglicherweise doch nicht so ad hoc in die Beratung hineingekommen ist, wie es den Anschein haben könnte.

Nun wäre das gar nicht zu beanstanden, daß der Senat Vorüberlegungen im Hinblick auf die von uns hier heute zu präsentierenden Zeugen durchgeführt hat; aber was zu beanstanden ist und mehr noch, was eigentlich eine Demaskierung, wenn das hier überhaupt noch notwendig ist, auch des letzten Zipfels dieses Verfahrens bedeutet, das ist dieser Beschluß, der nämlich nichts anderes sagt, als daß die Tatsache, daß die Gefangenen sich als Revolutionäre bezeichnen, diese Tatsache das Gericht für sich in Anspruch nimmt in der Form, daß es sagt: Wir brauchen hier uns über Rechtfertigungsgründe oder Entschuldigungsgründe überhaupt gar kein Kopfzerbrechen mehr zu machen; denn weil ja die Gefangenen sich so bezeichnet haben, deshalb haben sie sich selbst außerhalb der Rechtsordnung gestellt, und nun sind sie eigentlich - und das ist der Kern dieses Beschlusses - vogelfrei; sie sind mit diesem Beschluß vogelfrei. Und eine Verteidigung, der es nicht mehr gestattet wird, in der Beweisaufnahme zu klären, gegen was sich eine Aktion, die den Gefangenen angelastet wird, gerichtet hat; wenn ich also nicht mehr untersuchen darf: Wer ist der Angreifer und wer ist der Verteidiger; wenn ich das nicht mehr untersuchen darf und wenn das nur mit agitatorischen Formeln - und das muß man in aller Offenheit hier sagen, daß dieser Beschluß so, wie er formuliert ist, agitatorische Formeln enthält -, wenn das [10150] nur noch mit dieser Methode unterdrückt wird, wenn man die Wahrheit auf diese Weise nicht an den Tag kommen lassen will, dann - wie gesagt - hat dieser Beschluß und hat diese Entscheidung ihre eigene Ausdruckskraft und dann läßt sie natürlich auch eine Erwartung zu auf das, was die nächste Entscheidung zu dem Zeugen Osborne sein wird.

Ich finde, es ist notwendig, noch einmal klar zu sagen, um was es geht: daß mittels militärischer Einrichtungen hier auf dem Boden der B. Republik Deutschland Völkermord vollzogen worden ist; und dieser Frage können Sie nicht ausweichen; dieser Frage werden Sie nicht ausweichen können. Die Frage kommt durch dieses Verfahren auf Sie zu, und wenn Sie den Versuch unternehmen, das unter den Tisch zu kehren, dann tun Sie nichts anderes, als Ihre Funktion objektiv, wie sie hier wahrgenommen wird, zu bezeichnen. Und wenn Sie noch in der Lage sind - ich habe irgendeinmal gesagt zu einem früheren Verhandlungstag: Appelle an das Gericht sind sinnlos; wir können hier als Verteidiger nur noch dokumentieren -, aber wenn es noch eine Möglichkeit gibt der Überlegung, dann denken Sie noch einmal über das Beispiel nach, was ich heute vormittag gegeben habe. Ich erinnere an das Reichssicherheitshauptamt; und mag sein, daß auch bei einem Anschlag auf das Reichssicherheitshauptamt es ein Leben gekostet hätte - mag sein. Aber hätten Sie dann demjenigen, der einen solchen Anschlag verübt haben soll, das Recht genommen, darüber sich Gehör zu verschaffen, was das Reichssicherheitshauptamt an Mordaktionen, an unmenschlichen Folterungen gesteuert hat und verantwortet hat? Und darum geht es, daß unmittelbar die direkte Verbindung besteht von militärischen Einrichtungen hier in der B. Republik und Mordaktionen in Indochina.

Vielleicht ist es notwendig, einmal daran zu erinnern an die Bilder, die hier über das Fernsehen gegangen sind von den napalmverbrannten Kindern, um auch sinnlich wahrnehmbar zu haben, um was es geht. Das sind die gleichen Bilder: Das jüdische Kind im Ghetto, das mit erhobenen Händen auf SS-Leute zugeht, die gerade das jüdische Ghetto vernichtet haben - das ist ein Foto aus dem Stroopbericht.[51]

[10151] Und das sind die gleichen Bilder: die vietnamesischen Kinder, die schreiend, napalmverbrannt dem Fotografen entgegenlaufen nach den Flächenbombardements; und um diese Frage, da geht die Beweisaufnahme: ob solche Mordaktionen, ob man die dulden und verschweigen durfte oder ob es gerechtfertigt war, gegen die Mechanismen und gegen die Apparatur, die solche Mordaktionen ... mit der diese Mordaktionen durchgeführt wurden, gegen diese Apparatur vorzugehen - darum geht es.

Vors.:

Sonstige Äußerungen? Ich sehe, nicht.

Herr RA Schily, ich darf aber bemerken, daß Ihre Auffassung über das, worum es in der Beweisaufnahme geht, Ihnen freisteht, daß Ihr offenbar durch einen allein mündlich mitgeteilten Beschluß noch verkürztes Verständnis vom Inhalt dieses Beschlusses Ihnen aber nicht das Recht gibt, diesem Senat in einer derart polemischen Form Vorwürfe zu machen. Ich würde Sie bitten, die übliche Gepflogenheit zu wahren und sich diesen Beschluß mal vielleicht, wenn Sie ihn schriftlich sehen, wenn er dann abgeschrieben ist, genau drauf anzusehen, ob das stimmt, was Sie sagen.

RA Schi[ly]:

Herr Vorsitzender, ich möchte dazu kurz erwidern: ...

Vors.:

Nein. Herr Rechtsanwalt, ...

RA Schi[ly]:

Sie haben uns ...

Vors.:

... Sie haben jetzt genügend Vorwürfe gemacht.

Wir sehen uns um 17.15 Uhr in diesem Saale wieder.

(RA Schily spricht unverständlich weiter).

Ich unterbreche jetzt die Sitzung. 17.15 Uhr Fortsetzung.

RA Schi[ly]:

Naja, Sie können’s nicht hören - ich versteh’s.

Pause von 16.36 Uhr bis 17.17 Uhr.

[10152] Fortsetzung der Hauptverhandlung um 17.17 Uhr.

RAe Schnabel und Oberwinder sind nicht mehr anwesend[jj].

Vors.:

Wir können die Sitzung fortsetzen.

Herr RA Schnabel hat sich entschuldigt für den Rest des Sitzungstages.

Der Senat hat folgenden Beschluß gefaßt:

Die Befragung des Zeugen Osborne zu den genannten Beweisthemen ist nicht zulässig.

RA Oberwinder erscheint um 17.18 Uhr wieder[kk] im Sitzungssaal.

Gründe:[ll]

Die genannten Beweisthemen gehören aus den Gründen des zuvor verkündeten Beschlusses betr. den Zeugen Peck nicht zur Sache - § 241 Abs. 2 StPO.[52]

Wenn der Senat die Befragung nicht zuläßt, so hat das nichts damit zu tun, daß er die Wahrheit scheute oder etwas - so RA Schily - unter den Tisch kehren wollte, sondern beruht darauf, daß die benannten Beweisthemen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, auch nicht zur Begründung eines Rechtfertigungsgrundes, von Belang sind. Der Vietnamkrieg ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Ich darf fragen, ob weitere Fragen an den Herrn Zeugen gerichtet werden sollen als in den genannten Beweisthemen angedeutet?

Herr RA Oberwinder.

RA Ob[erwinder]:

Die relevanten Sachen waren in dem Beweisthema, was ich gegeben[mm] habe, angegeben ...

Vors.:

... so daß Sie keine Fragen mehr haben.

Sonst irgendein Verfahrensbeteiligter?

Ich sehe, keine Fragen.

Können wir den Herrn Zeugen entlassen? Keine Einwendungen.

[10153] Der Zeuge Osborne wird im allseitigen Einvernehmen um 17.19 Uhr entlassen.

Bitte?

RA Schi[ly]:

... da keine Fragen an ihn gestellt werden dürfen.

Vors.:

Weitere Beweisthemen bzw., soll ein weiterer Zeuge nun hier in der Sitzung, der unmittelbar geladen ist, gehört werden und wenn, dann bitte ich um Angabe, um welchen Zeugen es sich handelt und zu welchem Beweisthemen[nn].

RA Ob[erwinder]:

Ja, es handelt sich um den sachverständigen Zeugen Garry Thomas.

Vors.:

Können die Beweisthemen genannt werden, bevor wir den Herrn Zeugen aufrufen?

RA Ob[erwinder]:

Nee, ich denke nicht, damit ihm auch nochmals vor Augen geführt wird, was der Sinn seiner Ladung, seines Erscheinens ist und zu welchen Themen er hier gehört werden soll.

Vors.:

Einverstanden.

Wir werden den Zeugen bitten.

Der Zeuge Thomas erscheint um 17.21 Uhr im Sitzungssaal.

Es wird nun zunächst angegeben, zu welchen Themen Sie gehört werden sollen - die Frau Dolmetscherin wird’s Ihnen übersetzen.

Herr RA Oberwinder, bitte schön.

RA Ob[erwinder]:

Der sachverständige Zeuge Garry Thomas wird aufgrund seiner Kenntnis, die er aufgrund seines Einsatzes in Westberlin und in München bekommen hat, Ausführungen machen, inwieweit die Bundesrepublik - das Territorium der Bundesrepublik - als Trainingsbasis für die Technik der Subversion und der Sabotage benutzt worden ist. Er wird dabei aussagen, daß das Counter Intelligence Corps, d. h. der militärische Geheimdienst der US-Armee, die wichtigste Rolle gespielt hat, und zwar vor allem in den Jahren 1945 - 50, in denen das Counter Intelligence Corps der US-Armee in enger Zusammenarbeit mit der ehemaligen Organisation Gelen gearbeitet hat. Das Counter Intelligence Corps hat in diesem Zusammenhang Techniken ausgefeilt, die später in Vietnam Anwendung gefunden haben und die zum Teil auch heute in der B. Republik durch amerikanischen Geheimdienste angewendet werden.

[10154] Der Wichtigste in diesem Zusammenhang, wird der Zeuge bekunden, die wichtigste Militäreinheit für diese Aktivitäten verantwortlich ist, ist die 66. Military Intellency Group. Er wird bekunden, daß diese Einheit in der aktiven Zusammenarbeit von BND, B. Amt für Verfassungsschutz und militärischem Abschirmdienst sich befaßt mit Telefonabhören, Überwachung von Briefen; daß in Zusammenarbeit mit diesen Organisationen Briefe geöffnet wurden und geheime Einbrüche durchgeführt wurden, und zwar sowohl bei amerikanischen Militärangehörigen als auch bei deutschen Zivilpersonen; und zwar wird der Zeuge bekunden, daß sowohl damit befaßt war eine amerikanische Spezialabteilung mit Namen 766 MI Detachement und eine verdeckt arbeitende Abteilung mit der Code-Nr. 430 Detachement. Der Zeuge wird bekunden, daß er selbst, obwohl Angehöriger der US-Armee und die Anzahl der US-Militärangehörigen in Berlin aufgrund Abkommen limitiert ist, als getarnte Zivilperson in Berlin gearbeitet hat.

Er wird bekunden, daß die genannten Einheiten Büros unterhalten in allen großen deutschen Städten, so in Frankfurt, Westberlin, Bonn und München, wo enge Kontakte mit der Zentrale des BND bestehen.

Er wird bekunden, daß die zentrale Befehlsstelle ausgeht von dem stellvertretenden Leiter des Generalstabs für geheimdienstliche Tätigkeit der US-Armee USAREUR[53] in Heidelberg.

In Frankfurt a. M., wird der Zeuge bekunden, haben wieder beide Abteilungen, die ich schon genannt habe, ihren Sitz im IG-Farben-Haus; dort, so wird der Zeuge bekunden, hat er, bevor er in Berlin eingesetzt worden ist, zwecks geheimdienstlicher Tätigkeit im Jahre 1969 gefälschte Dokumente, die über seine wahre Identität täuschen, bekommen hat.

Der Zeuge wird bekunden, daß während seiner Ausbildung als Agentenführer in den USA westdeutsche Operationen auf dem Gebiet der B. Republik und in angrenzenden Ländern vom Territorium der B. Republik aus als Schulbeispiele genannt wurden.

Vors.:

Will sich die B. Anwaltschaft zu diesem Antrag äußern?

Bitte schön, Herr Bundesanwalt.

[10155] BA Dr. Wu[nder]:

Auch hier handelt es sich um einen Antrag, der ersichtlich keine Sachbezogenheit zu den angeklagten Straftaten hat. Es geht hier, wie in zwei Beschlüssen jetzt bereits mit Recht ausgeführt, weder um Vietnam noch hier um die Praktiken irgendwelcher Geheimdienste.

Ich beantrage deshalb,

diese Beweiserhebung nicht zuzulassen.

Vors.:

Ich darf doch davon ausgehen, daß der 4. Zeuge auch noch mit einem gesonderten Beweisthema benannt werden würde, wenn wir heute etwa nun fortsetzen könnten. Ist das richtig?

RA Ob[erwinder]:

Ja.[oo]

Vors.:[pp]

Dann wollen wir die Sitzung aber im Hinblick auf die vorgerückte Zeit erst morgen fortsetzen.

Ich bitte, um 9.30 Uhr zur Fortsetzung anwesend zu sein.

Wir werden dann den Beschluß über den Antrag der B. Anwaltschaft zu Beginn der Sitzung bekanntgeben.

Fortsetzung: morgen früh, 9.30 Uhr.

Ende der Hauptverhandlung um 17.27 Uhr.

Ende von Band 581.


[1] Die Strafprozessordnung sieht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Angeklagten vor (§ 231 Abs. 1 StPO). Dass es den Angeklagten in diesem Verfahren freigestellt war, die Hauptverhandlung zu verlassen, ergab sich aus der Annahme der vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit, die nach § 231a StPO grundsätzlich die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ermöglicht (s. hierzu den Beschluss des 2. Strafsenats, abgedruckt in Anlage 1 zum Protokoll vom 30. September 1975, S. 3124 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung, 40. Verhandlungstag), sowie der Vorgabe des BGH, den Angeklagten dürfe ihre Anwesenheit nicht untersagt werden (BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - Az.: 1 StE 1/74 - StB 60-63/75, BGHSt 26, S. 228, 234).

[2] Lehnt der/die Vorsitzende die Ladung einer Person ab, so können Angeklagte die Person selbst unmittelbar laden (§ 220 Abs. 1 StPO). Für diese „präsenten Beweismittel“ enthielt § 245 StPO a.F. im Vergleich zu absenten Beweismitteln nur sehr eingeschränkte Ablehnungsgründe; die Ablehnung präsenter Beweismittel war nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig war oder nur zum Zwecke der Prozessverschleppung beantragt wurde. Für präsente Beweismittel bestand daher eine verstärkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts (Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 32. Aufl. 1975, § 245 Anm. 1). Inzwischen wurde die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel von einem vorherigen Beweisantrag abgängig gemacht, welcher in seinen Ablehnungsgründen denen für absente Beweismittel weiter angenähert wurde (§ 245 Abs. 2 StPO).

[3] Hanna Krabbe ging wie rund ein Dutzend anderer Mitglieder des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK) in den Untergrund zur RAF. Sie war Teil des „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 bei einem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm zwölf Geiseln nahm, zwei Menschen tötete und die Freilassung von 26 Gefangenen, darunter der Angeklagten Baader, Ensslin und Meinhof, forderte. Krabbe konnte direkt im Anschluss an die Geiselnahme verhaftet werden. Mit Urteil vom 20. Juli 1977 verurteilte das OLG Düsseldorf sie wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe (Bergstermann, Stammheim, 2016, S. 205 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 362 ff.).

[4] Seit ihrer Festnahme am 4. Februar 1974 warteten mehrere RAF-Mitglieder auf die Eröffnung der Hauptverhandlung in Hamburg: Ilse Stachowiak wurde zusammen mit Christa Eckes, Helmut Pohl und Eberhard Becker in Hamburg festgenommen. Kay-Werner Allnach und Wolfgang Beer wurden mit Margrit Schiller in Frankfurt/Main aufgegriffen; Ekkehard Blenck wurde kurz darauf (zusammen mit Axel Achterrath) in Amsterdam verhaftet. Nach den Verhaftungen der RAF-Führungsriege 1972 hatte die Gruppe um Margrit Schiller ab Mitte 1973 damit begonnen, sich zu reorganisieren. Ihre Pläne zur gewaltsamen Befreiung der inhaftierten Mitglieder wurden jedoch durch ihre Festnahmen verhindert. In Anlehnung an das Verhaftungsdatum wurde die Gruppierung als Gruppe 4.2. bezeichnet. Sie wurden am 28. September 1976 vom Landgericht Hamburg zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 55, 78 ff., 116 ff., 121 f.; Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 357 ff.; Straßner, in Ders. [Hrsg.] Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 209, 219; Stuberger, Die Akte RAF, 2008, S. 263).

[5] Nachdem Andreas Baader Anfang April 1970 bei einer Verkehrskontrolle in Berlin verhaftet worden war, gelang es einer Gruppe um Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Irene Goergens und Ingrid Schubert, ihn am 14. Mai 1970 zu befreien. Als Ort der Aktion diente die Bibliothek Zentralinstituts für Soziale Fragen in Berlin-Dahlem, wo Baader unter Bewachung von zwei Vollzugsbeamten ein Gespräch mit Ulrike Meinhof für ein Buchgespräch zugestanden worden war. Während der Aktion wurde ein Schuss auf einen unbeteiligten Bibliotheksmitarbeiter abgegeben, der schwer verletzt wurde. Die gewaltsame Befreiung Baaders aus der Haft wird auch als „Geburtsstunde der RAF“ bezeichnet. Auch Ulrike Meinhof lebte von nun an in der Illegalität (Peters, Tödlicher Irrtum, 4. Aufl. 2008, S. 177 ff.; Wieland, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, 2006, S. 332, 343). Ab September 1974 fand vor dem LG Berlin das Verfahren gegen Ulrike Meinhof, Horst Mahler und Hans-Jürgen Bäcker wegen ihrer Beteiligung an der Befreiung von Andreas Baader statt. Ulrike Meinhof wurde am 29. November 1974 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt, Horst Mahler unter Einbeziehung einer bereits zuvor ausgeurteilten Haftstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren. Bäcker wurde in diesem Verfahren freigesprochen (Diewald-Kerkmann, Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009, S. 94 ff., 252; Jander, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 372, 382 ff.; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 21 ff.).

[6] Urkunden wurden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 249 Satz 1 StPO a.F.). Heute ist zu diesem Grundsatz eine weitere Möglichkeit des Urkundenbeweises hinzugetreten: Anstelle der Verlesung kann die Urkunde in einigen Fällen mittels Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden (§ 249 Abs. 2 StPO), was eine Ausnahme zum sonst im Strengbeweis geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darstellt (Kudlich, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 1, 1. Aufl. 2014, Einl. Rn. 185, 189).

[7] Landes- und Bundesbeamt/innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet bezüglich aller Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Aussagen vor Gericht hierüber sind nur nach und im Umfang der Genehmigung durch den jeweiligen Dienstherrn gestattet (heute geregelt in § 37 Abs. 1 und 3 BeamtStG für Landesbeamt/innen und in § 67 Abs. 1 und 3 BBG für Bundesbeamt/innen; für den Stand 1975 galten für Landesbeamt/innen noch Landesgesetze, die sich allerdings an § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1.7.1957 orientieren mussten; für Bundesbeamt/innen galt § 61 BBG a.F.). § 54 Abs. 1 StPO stellt sicher, dass die Verschwiegenheitspflicht auch im Falle einer Vernehmung als Zeug/in in einem Strafprozess fortbesteht.

[8] Ausländische Zeug/innen können nicht dazu verpflichtet werden, vor einem deutschen Gericht zu erscheinen. Zwangsmittel stehen nicht zur Verfügung. Im Falle einer Weigerung des/der Zeug/in besteht aber die Möglichkeit der kommissarischen Vernehmung: § 223 StPO ermöglicht die Vernehmung durch ersuchte oder beauftragte Richter/innen, wenn dem Erscheinen von Zeug/innen in der Hauptverhandlung nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernungen nicht zugemutet werden kann. Die Vernehmung kann auch im Ausland stattfinden. Das Ergebnis der Vernehmung kann gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO a.F. (heute: § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO) durch Verlesen des richterlichen Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

[9] Findet eine Vernehmung durch Mitglieder des erkennenden deutschen Gerichts im Ausland statt, so findet die StPO unmittelbar Anwendung. Wenn aber eine Vernehmung im Rechtshilfewege stattfindet, gilt das Recht des Staates, in dem der/die Zeug/in vernommen wird, hier also das Recht der Schweiz (BGH, Urt. v. 6.5.1951 - Az.: 1 StR 129/51, BGHSt 1, S. 219 ff.; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 251 Rn. 34).

[10] Fritz Teufel war ein Mitglied der Bewegung 2. Juni, die ihren Namen in Erinnerung an den Todestag des erschossenen Studenten Benno Ohnesorgs trug und in den 1970er Jahren neben der bekannteren RAF das Bild des linken Terrorismus in der Bundesrepublik prägte. Im Gegensatz zur RAF vertrat die Bewegung 2. Juni ein wesentlich undogmatischeres Konzept. Teufel selbst wurde als Mitglied der Kommune 1 mit politischen Spaß- und Satireaktionen bekannt. Dieses Bild einer „Spaßguerilla“ prägte in der Anfangszeit auch die Wahrnehmung der Bewegung 2. Juni (Korndörfer, in Straßner [Hrsg.], Sozialrevolutionärer Terrorismus, 2008, S. 237, 242 ff., 252 ff.; Wunschik, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 531, 537 f., 541 ff., 549 ff.).

[11] § 189 Abs. 1 GVG lautet: „Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten: daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Dolmetscher hinzuweisen.“ Für Dolmetscher/innen besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich allgemein für bestimmte Übersetzungen vereidigen zu lassen; in dem Fall genügt das Berufen auf den geleisteten Eid (§ 189 Abs. 2 GVG).

[12] § 245 StPO enthält Regelungen für die Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel, wie die hier durch die Verteidigung nach § 220 StPO unmittelbar geladenen Zeug/innen. Die ordnungsgemäße Ladung der Zeug/innen (§ 38 StPO) ist dem Gericht nachzuweisen (BGH, Beschl. v. 8.12.2011 - Az.: 4 StR 430/11, NStZ 2012, S. 346).

[13] Die Aufgabe von Zeug/innen ist es, eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang zu bekunden (BGH, Urt. v. 12.3.1969 - Az.: 2 StR 33/69, BGHSt 22, S. 347, 348), wobei es nur auf Tatsachen ankommt. Dazu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die eigene Überzeugung, bestimmte Motive etc. (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, Vor § 48 Rn. 2). Im Unterschied dazu vermitteln Sachverständige Sachkunde oder wenden diese bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts an. Bei der Bekundung von Tatsachen ist zu unterscheiden: Wurde die bekundete Tatsache im Rahmen eines behördlichen Auftrages aufgrund der besonderen Sachkunde wahrgenommen, fällt auch die Tatsachenbekundung in den Aufgabenbereich der Sachverständigen. Wurde die Tatsache hingegen ohne Auftrag, aber dennoch aufgrund einer gewissen Sachkunde wahrgenommen, sind die Regeln für den Zeugenbeweis anwendbar (sog. sachverständiger Zeuge, § 85 StPO; s. zur Abgrenzung Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 85 Rn. 2 f.).

[14] § 57 StPO a.F. schrieb für die Belehrung von Zeug/innen vor: „Vor der Vernehmung sind Zeugen zur Wahrheit zu Ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.“ Im Unterschied dazu ist die Vereidigung von Zeug/innen heute nur noch die Ausnahme (§ 59 StPO).

[15] Zu den Besonderheiten dieses Verfahrens gehörte es, dass sich die Prozessbeteiligten darauf einigten, ein gerichtliches Wortprotokoll als Arbeitsgrundlage anzufertigen (s. dazu S. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung, 1. Verhandlungstag). Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein sog. Ergebnisprotokoll, in welchem der Gang und die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung sowie die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten werden (§§ 272, 273 StPO). Die wörtliche Protokollierung ist nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn es auf die Feststellung des Wortlauts einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach der damaligen Rechtsprechung bedurfte die Tonbandaufnahme in der Hauptverhandlung stets der Zustimmung der Beteiligten (BGH, Urt. v. 4.2.1964 - Az.: 1 StR 510/63, NJW 1964, S. 602 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.1992 - Az.: 2 Ws 128/92, NStZ 1992, S. 339). Heute wird die gerichtliche Tonbandaufnahme z.T. auch ohne Zustimmung der Beteiligten für zulässig erachtet (Kulhanek, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 3/2, 1. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 35; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Aufl. 2020, § 169 GVG Rn. 13).

[16] Das I.G.-Farben-Haus in Frankfurt am Main entstand zwischen 1928 und 1931 im Auftrag der Interessen-Gemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft (I.G. Farben), die sowohl an der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik als auch an der Zwangsarbeit und der Vernichtung von KZ-Häftlingen beteiligt war. Nach Kriegsende beherbergte das Haus den Hauptsitz der amerikanischen Militärverwaltung. 1951 zog das 5. amerikanische Armeekorps ein (Jeßberger, JZ 2009, S. 924, 925; Stokes, in Lillteicher [Hrsg.], Profiteure des NS-Systems?, 2006, S. 45, 48 ff.). Am 11. Mai 1972 detonierten in dem Hochhaus 3 Sprengkörper. Dabei wurde eine Person getötet und eine andere in nahe Lebensgefahr gebracht; weitere Personen wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977, 2 StE 1/74, S. 1 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 65. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[17] Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und mit dem Ziel, die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien einzudämmen, führten die USA in Vietnam von 1964 bis 1973 einen Luft- und Bodenkrieg gegen die südvietnamesische Befreiungsfront und nordvietnamesische Truppen. Trotz wachsender Proteste in der amerikanischen Bevölkerung und entgegen den Einschätzungen und Warnungen hochrangiger Berater, entschieden sich mehrere US-Präsidenten für die Fortsetzung der Kämpfe. Während dieses Krieges griff das US-amerikanische Militär auf Methoden zurück (u.a. search and destroy, Phoenix-Programm), die darauf ausgerichtet waren, möglichst viele Gegner/innen auszuschalten und deren Strukturen zu zerschlagen (Fischer, Die USA im Vietnamkrieg, 2009, S. 104 ff.; Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 83 ff.; 126 ff.; 144 ff.; 187 ff.; Greiner, Krieg ohne Fronten, 2007, S. 56 ff.). Seit Ende der 1960er Jahre stieß der Krieg der USA in Vietnam auch auf zunehmende Kritik und Proteste innerhalb der deutschen Gesellschaft. Die RAF verstand sich selbst als Teil eines weltweiten Kampfes gegen den (US-)Imperialismus, dessen Schlachtfelder sie nicht nur in den Ländern der „Dritten Welt“, sondern auch in den Metropolen wie der Bundesrepublik verortete. Amerikanische Militäreinrichtungen in der Bundesrepublik galten dabei als Schalt- und Lagezentren für Operationen der US-Streitkräfte in Vietnam und damit unmittelbar als Schauplätze des Vietnamkriegs in Deutschland. Gegen die Bundesrepublik erhoben sie in diesem Zusammenhang den Vorwurf, die USA sowohl logistisch als auch finanziell in ihrem Krieg zu unterstützen (Klimke/Mausbach, in Kraushaar [Hrsg.], Die RAF und der linke Terrorismus, Band 1, 2006, S. 620, 631 f., 634 ff.).

[18] Anlage 1 zum Protokoll vom. 22.6.1976: Ladung des Zeugen Peck nebst Zustellungsurkunde.

[19] Anlage 2 zum Protokoll vom. 22.6.1976: Ladung des Zeugen Agee nebst Zustellungsurkunde.

[20] Anlage 3 zum Protokoll vom. 22.6.1976: Ladung des Zeugen Osborne nebst Zustellungsurkunde.

[21] Anlage 4 zum Protokoll vom. 22.6.1976: Ladung des Zeugen Thomas nebst Zustellungsurkunde.

[22] Die Pariser Friedensverhandlungen zur Beendigung des Vietnamkriegs begannen am 13. Mai 1968. Zuvor hatten die Truppen Nordvietnams und die Befreiungsfront Südvietnam (FNL) die amerikanischen und südvietnamesischen Streitkräfte mit einem überraschenden Großangriff („Tet-Offensive“) in die bis dahin schwersten Kämpfe verwickelt. Der militärische Rückschlag verdeutlichte den auch innenpolitisch angeschlagenen USA die schwindenden Chancen für einen baldigen militärischen Sieg in Vietnam. Die zähen Friedensverhandlungen, die immer wieder von der Kompromisslosigkeit der amerikanischen Regierung beeinflusst wurden, wurden nichtsdestotrotz nahezu weitere fünf Jahre von Kämpfen in Vietnam begleitet. Erst am 27. Januar 1973 unterzeichneten die Außenminister der Demokratischen Republik Vietnam, der Republik Südvietnam, der Republik Vietnam und der USA das Pariser „Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam“ (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 173 ff., 208 ff.; Stöver, Geschichte Kambodschas, 2015, S. 147 ff.).

[23] Der BGH führte in dieser Entscheidung aus, dass die Beweiserhebung unzulässig (und damit auch für präsente Beweismittel nach § 245 StPO abzulehnen, s. Fn. 2) sei, wenn „ein Beweisangebot bei verständiger Beurteilung die Wahrheitsermittlung schlechterdings nicht beeinflussen“ könne: „Auch die Vorschrift des § 245 StPO dient nicht dazu, dem Gericht eine nach Art und Inhalt des Beweisthemas unsinnige und unverständige ‚Beweiserhebung‘ aufzunötigen, wie sie Bestrebungen nicht Vorschub leisten will, die nur auf Verfahrensverschleppung oder auf Fortsetzung der Straftat vor Gericht hinauslaufen. Ist eine Behauptung nach vernünftigem Denken keinerlei Beweis zugänglich, dann fehlt dem Beweisantritt die Sachzugehörigkeit; denn die Wahrheitsermittlung ist auf diesem Wege von vornherein ausgeschlossen“ (BGH, Urt. v. 12.12.1961 - Az.: 3 StR 35/61, BGHSt 17, S. 28, 30). In der Sache ging es um einen Antrag, Textstellen aus dem Alten Testament sowie aus alten jüdischen Schriften im Wege des Urkundenbeweises zu verlesen, um verschiedene antisemitische Behauptungen des Angeklagten als wahr zu beweisen. Das Gericht führte aus, diese Behauptungen seien bereits „wegen ihres unsinnigen Inhalts und ihrer uferlosen, begrifflich kaum erfassbaren Verallgemeinerungen [...] widersinnig und unverständig und daher keinem Beweise zugänglich“; zudem seien die Schriftstellen „untauglich, etwas über Moral und Sittlichkeit der in der Bundesrepublik lebenden jüdischen Mitbürger auszusagen, wie es beispielsweise eben so widersinnig wäre, durch die biblische Schöpfungsgeschichte ‚beweisen‘ zu wollen, dass heutiges Christentum auf naivem, vordergründigem Märchenglauben beruhe, oder Stellen aus der ‚Edda‘ oder dem ‚Nibelungenlied‘ zur Rechtfertigung der nationalsozialistischen Rassenverbrechen heranzuziehen“ (a.a.O., S. 31 f.).

[24] Auf Vernehmung von Zeug/innen gerichtete Beweisanträge können aus den in § 244 Abs. 3 StPO genannten Gründen abgelehnt werden. So ist ein Antrag abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist. Zudem gibt es einige Gründe, bei denen die Ablehnung möglich, aber nicht zwingend ist, etwa wenn die zu beweisende Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon bewiesen, oder das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist. Im Vergleich dazu war die Ablehnung präsenter Beweismittel erheblich eingeschränkt: Nach § 245 StPO a.F. war dies nur möglich, wenn die Beweiserhebung unzulässig oder der Antrag nur zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wurde. Der Ablehnungsgrund der fehlenden Bedeutung für die Entscheidung war gerade nicht darin enthalten.

[25] Bei dem Londoner Viermächte-Abkommen vom 8. August 1945 handelt es sich um die vertragliche Grundlage für die Bildung des Internationalen Militärgerichtshofes zur Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher des nationalsozialistischen Regimes. Im angehängten Statut für den Internationalen Gerichtshof waren neben der Prozessordnung auch die Verbrechen konkretisiert, für deren Aburteilung das Gericht zuständig sein sollte: Verbrechen gegen den Frieden (u.a. Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges), Kriegsverbrechen (Verletzung der Kriegsgesetze oder -bräuche) und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 6 des Statuts). S. hierzu und zu dem anschließend von 1945-1946 in Nürnberg durchgeführten Hauptkriegsverbrecherprozess Weinke, Die Nürnberger Prozesse, 2. Aufl. 2015, S. 17 ff.; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl. 2020, Rn. 17 ff.

[26] Rechtsanwalt Dr. Heldmann bezieht sich auf den in Art. 25 GG gebrauchten Begriff der „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ („Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“). Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts umfassen das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts (vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. b und c IGH-Statut; vgl. Herdegen, in Maunz/Dürig [Hrsg.], Grundgesetz Kommentar, 90. Ergänzungslieferung 2020, Art. 25 Rn. 35). Nicht jedes völkerrechtliche Abkommen kodifiziert aber auch allgemein anerkanntes Völkerrecht im vorgenannten Sinne. Während Völkervertragsrecht grundsätzlich nur die Vertragsparteien bindet, beanspruchen die allgemeine Regeln des Völkerrechts auch allgemeine Geltung für die gesamte Völkergemeinschaft. Völkerrechtliche Verträge können allerdings inhaltsgleiches Völkergewohnheitsrecht widerspiegeln (deklaratorisch kodifizieren) oder unter bestimmten Voraussetzungen zur Herausbildung neuen Völkergewohnheitsrechts führen (vgl. dazu Dörr, in Epping/Heintschel von Heinegg [Hrsg.], Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl. 2019, § 19 Rn. 33 ff. und 44 ff.). Gerade im Bereich des Völkerstrafrechts ist die Verzahnung von Völkevertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht eng (vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl 2020, Rn. 195).

[27] Am 11. Dezember 1946 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, in der sie die durch das Londoner Abkommen festgelegten Prinzipien des internationalen Rechts bestätigte (UN General Assembly, Res. 59 (I), Affirmation of the principles of international law recognized by the Charter of the Nürnberg Tribunal, UN Doc. A/RES/1/95 (1946); Werle, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 8, 3. Auflage 2018, VStGB Einleitung Rn. 11; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl. 2020, Rn. 41).

[28] S. bereits Fn. 26.

[29] Das „Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ (UN-Völkermordkonvention), wurde am 9. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen und trat am 12. Januar 1951 in Kraft. Durch sie wurde Völkermord als Verbrechen nach internationalem Recht anerkannt. Die Bundesrepublik Deutschland erklärte ihren Beitritt am 9. August 1954. Die Völkermordkonvention verkörpert nach allgemeiner Ansicht Völkergewohnheitsrecht (zum Ganzen Kreß, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2018, VStGB § 6 Rn. 23; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl. 2020, Rn. 42, 863 f., 951).

[30] Liegt der Rechtfertigungsgrund der Nothilfe vor, so ist das tatbestandsmäßige Handeln als gerechtfertigt und damit rechtmäßig anzusehen. Nothilfe ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von einer anderen Person abzuwenden (zum Tatzeitpunkt in § 53 Abs. 2 StGB a.F. geregelt, seit dem 1.1.1975 in § 32 Abs. 2 StGB).

[31] Die Existenz und Reichweite eines völkerrechtlichen Widerstandsrechts sind bis heute stark umstritten. Gemeint ist damit ein Recht zur Auflehnung gegen die Staatsgewalt zum Schutze menschenrechtlicher Mindeststandards. Teilweise wird argumentiert, ein solches Widerstandsrecht bestehe jedenfalls in den Fällen der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der Bekämpfung der Apartheid (Elpel, Das Widerstandsrecht, 2017, S. 235 ff., 482 f.).

[32] S. dazu Anlage 12 zum Protokoll vom 4.5.1976, S. 9425 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung (106. Verhandlungstag).

[33] Das völkerrechtliche Widerstandsrecht wird teilweise (auch) als Individualrecht konstruiert, wobei auch hier Bestehen und Reichweite nach wie vor umstritten sind (Elpel, Das Widerstandsrecht, 2017, S. 636 ff.).

[34] Fritz Bauer war ein deutscher Jurist, der als Generalstaatsanwalt maßgeblich die Strafverfolgung und Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen vorantrieb. Bauer, der als Jude und Sozialdemokrat 1936 nach Dänemark und Schweden geflohen war, arbeitete nach Kriegsende zunächst als Generalstaatsanwalt in Braunschweig am Wiederaufbau des Justizwesens. Er engagierte sich außerdem für eine Strafrechtsreform und die Resozialisierung von Gefangenen. Bekanntheit erlangte Bauer vor allem durch den ersten Frankfurter Auschwitzprozess (1963-1965), bei dem der Gesamtkomplex nationalsozialistischer Verbrechen in den Konzentrationslagern verhandelt wurde. Er trug zudem maßgeblich zur Ergreifung Adolf Eichmanns durch den Mossad in Argentinien bei (Foljanty/Johst, in Dies. [Hrsg.], Fritz Bauer, Band 1, 2018, S. 19, 21 ff.; Steinke, Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, 2013, S. 13 ff., 99 ff., 178 ff.).

[35] Zum Widerstandsbegriff bei Fritz Bauer s. auch Foljanty/Johst, in Dies. (Hrsg.), Fritz Bauer. Kleine Schriften (1962-1969), Band 1, 2018, S. 19, 36 ff.).

[36] In der genannten Kommentarstelle heißt es: „Rechtfertigungsgründe können sich auch aus dem Völkerrecht ergeben“ (Lenckner, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 18. Aufl. 1976, Vor § 32 Rn. 91).

[37] Am 24. Mai 1972 explodierten in Heidelberg auf dem Gelände des Hauptquartiers der 7. US-Armee und der US-Landstreitkräfte in Europa (USAREUR) zwei zuvor dorthin verbrachte Kraftfahrzeuge. Hierbei kamen drei amerikanische Soldaten ums Leben, weitere Personen gerieten in Lebensgefahr oder wurden verletzt (Feststellungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1977 - Az.: 2 StE 1/74, S. 28 ff.). Dieser Vorgang war ab dem 74. Verhandlungstag Gegenstand der Beweisaufnahme.

[38] § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO a.F. schrieb die Ablehnung eines Beweisantrages im Falle der Unzulässigkeit der Beweiserhebung vor (heute Satz 2). Satz 2 bezog sich auf die weiteren Ablehnungsgründe, die eine Ablehnung allerdings in das Ermessen des Gerichts stellten und die für präsente Beweismittel nach § 245 StPO a.F. (mit Ausnahme der Antragstellung zum Zwecke der Prozessverschleppung) gerade nicht galten (heute überwiegend Satz 3).

[39] Das Church Committee war ein Sonderausschuss des US-amerikanischen Senats, der 1975 zur Untersuchung der Aktivitäten der Nachrichtendienste eingesetzt wurde. Anlass für die Einrichtung waren mehrere publik gewordene Überwachungs- und Abhörprogramme u.a. gegen amerikanische Vietnamkriegsgegner/innen. Die inoffizielle Bezeichnung des Ausschusses (offiziell: United States Senate Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities) leitete sich von dem Vorsitzenden des Ausschusses, Frank Church, ab. Das Church Committee führte umfangreiche Untersuchungen durch. Die daraus hervorgegangenen Berichte und Empfehlungen trafen auf großes öffentliches Interesse und bewirkten Reformen im Bereich der Nachrichtendienste (Flümann, Streitbare Demokratie in Deutschland und den Vereinigten Staaten, 2015, S. 371 f.).

[40] Bei seinem Auszug aus einer früheren Wohnung in Stuttgart vergaß Ian MacLeod wohl die Entfernung des Türschildes; auch eine Ummeldung erfolgte nicht. Nachdem Ermittlungsergebnisse auf die Nutzung der Wohnung durch Mitglieder der RAF hinwiesen, entstand auch ein Verdacht gegen MacLeod. Am 25. Juni 1972 wurde er in seiner (neuen) Stuttgarter Wohnung von einer Polizeieinheit erschossen. Ein Polizeibeamter gab zwei Schüsse durch die geschlossene Schlafzimmertür ab, einer traf den unbewaffneten MacLeod tödlich. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhob gegen den Schützen Anklage wegen fahrlässiger Tötung, die zuständige Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens ab (Birkenmeier, Tod durch die Tür, DIE ZEIT, Ausgabe 26/1972 vom 30.6.1972; Pflieger, Die Rote Armee Fraktion, 3. Aufl. 2011, S. 34; Rech, Südwest Presse, 24.6.2017).

[41] Putativnotwehr bezeichnet den Fall, dass sich der/die Täter/in irrtümlich einen Sachverhalt vorstellt, bei dessen tatsächlichem Vorliegen er/sie in Notwehr gehandelt hätte. Die rechtliche Einordnung dieses sog. Erlaubnistatbestandsirrtums ist im Einzelnen streitig. Nach überwiegender Auffassung ist der Irrtum nach § 16 Abs. 1 StGB analog (§ 59 Abs. 1 StGB a.F.) zu behandeln: Eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehung ist damit ausgeschlossen; möglich bleibt allerdings eine Verurteilung wegen fahrlässiger Begehung, wenn es einen entsprechenden Fahrlässigkeits-Tatbestand gibt und der Irrtum bei Einhalten aller Sorgfaltspflichten vermeidbar gewesen wäre (s. zum Ganzen Joecks/Kuhlhanek, in Joecks/Miebach [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, 4. Aufl. 2020, § 16 Rn. 199 ff.).

[42] S. 9445 des Protokolls der Hauptverhandlung (106.Verhandlungstag).

[43] Am 65. Verhandlungstag reklamierte Prof. Dr. Azzola, damals Verteidiger von Ulrike Meinhof, für die Angeklagten den Status von Kriegsgefangenen und beantragte, die Angeklagten in Kriegsgefangenschaft zu überführen (S. 5673 ff. des Protokolls der Hauptverhandlung).

[44] In Kambodscha kämpften seit 1970 die kommunistischen Roten Khmer gegen die Regierung von General Lon Nol. Dieser war 1970 im Rahmen eines Putsches in Kambodscha an die Macht gelangt und hatte sich mit amerikanischen und südvietnamesischen Truppen gegen Nordvietnam und die Nationale Front zur Befreiung Südvietnams (FNL) verbündet. In den folgenden Jahren wurde das zuvor neutrale Kambodscha zu einem weiteren Schauplatz des Indochinakrieges, der das Land innenpolitisch zunehmend spaltete und schließlich zu einem Bürgerkrieg führte. Die Roten Khmer, die nach ihrem Sieg im Jahr 1975 eine grausame Diktatur errichten sollten, sahen sich dabei als Befreiungsbewegung und erhielten während des Bürgerkriegs Unterstützung von der kambodschanischen Landbevölkerung, einer Exilregierung unter dem gestürzten Prinzen Sihanouk und der Volksrepublik China (Bultmann, Kambodscha unter den Roten Khmer, 2017, S. 54 ff.; Stöver, Geschichte Kambodschas, 2015, S. 144 ff., 157 ff.).

[45] Während des Vietnamkriegs pflegte die laotische, kommunistische Guerillabewegung Pathet Lao enge Verbindungen zu der kommunistischen Bewegung in Vietnam. Als 1971 ein im Zuge des Vietnamkriegs unternommener Invasionsversuch amerikanischer und südvietnamesischer Truppen in Laos von der Pathet Lao zurückgeschlagen werden konnte, gelangten große Teile Laos unter deren Kontrolle. Der anschließende Bürgerkrieg zwischen der Pathet Lao und ehemaligen königlichen Truppen endete 1973 mit einem Waffenstillstand. 1975 übernahm die Pathet Laodie Regierungsgewalt in Laos und erklärte Ende desselben Jahres die Demokratischen Volksrepublik Laos (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 201, 220 f.; Krieger, Geschichte Asiens, 2003, S. 244 f.).

[46] Die ehemaligen portugiesischen Kolonien Guinea-Bissau, Mosambik, São Tomé und Príncipe erlangten 1975 im Zuge des Sturzes der portugiesischen Diktatur ihre Unabhängigkeit. In Guinea und Mosambik hatten seit 1962 bzw. 1964 Befreiungsbewegungen in langjährigen Guerillakriegen gegen die Kolonialherrschaft gekämpft. Der Comissao de Libertação de São Tomé und Príncipe (CLSTP) bzw. ab 1972 der Movimento de Libertação de São Tomé e Príncipe(MLSTP) traten von Gabun aus für die Unabhängigkeit von São Tomé und Príncipe ein (Abele, Kein kleines Land, 2017, S. 69, 111 f., 199 ff., 254, 264 ff.).

[47] Die Palestine Liberation Organization (PLO) wurde 1964 als Dachorganisation verschiedener palästinensischer Gruppierungen gegründet. 1969 setzte sich die Fatah, eine von Jassir Arafat angeführte palästinensische Befreiungsbewegung, innerhalb der PLO durch. Unter ihrer Führung wurden in den folgenden Jahren zahlreiche Anschläge gegen Israel verübt. Israel begegnete dem Ziel der Palästinenser/innen nach einem eigenen Staat mit einer Ausweitung der Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und damit verbundener Militärstützpunkte. Während die PLO zunächst ihrer Nationalcharta von 1968 entsprechend den bewaffneten Kampf als „einzig möglichen Weg“ ansah, wurde in den 1970er Jahren zunehmend auf politische Verhandlungslösungen gesetzt und ein palästinensischer Teilstaat neben Israel in Betracht gezogen. Dieser zunehmend diplomatische Ansatz führte schließlich dazu, dass die UN-Generalversammlung die PLO im Oktober 1974 als Repräsentantin des palästinensischen Volks anerkannte (Böhme/Sterzing [Hrsg.], Kleine Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts, 8. Aufl. 2018, S. 36 ff.; Pabst, Der Nahostkonflikt, 2018, S. 30, 97 f., 103 ff., 114 ff.).

[48] In Nordirland kämpfte die Irish Republican Army (IRA) bereits seit der Irish Rebellion (1919-1921) immer wieder mit terroristischen und Guerillamethoden für die irische Unabhängigkeit. Mit den Unruhen von 1969 infolge der Straßenschlachten von Londonderry sowie der Abspaltung der Provisional Irish Republican Army (PIRA) von der nun Official IRA (OIRA) genannten Organisation Ende des Jahres 1969 begann eine neue Phase des Konflikts, der Anfang der 1970er Jahre zu einer Eskalation der Gewalt und ab Mitte der 70er in einen von der PIRA ausgerufenen „Langen Krieg“ gegen britische und irische Sicherheitskräfte sowie loyalistische Extremisten mündete (Riegler, Terrorismus, 2009, S. 60 f., 66 ff.; Korstian, in Bonacker/Greshoff/Schimank [Hrsg.], Sozialtheorien im Vergleich, 2008, S. 13, 21 ff.).

[49] Zwischen 1967 und 1973 griff die Central Intelligence Agency (CIA) im Vietnamkrieg auf das sogenannte „Phoenix-Programm“ zurück, um die Guerillatruppen der Befreiungsfront Südvietnam (FNL) durch Gefangennahmen, Folter und Ermordung zu zerschlagen. Das Programm basierte auf Erfahrungen des französischen Militärs in der Schlacht um Algier im Jahr 1957. Schätzungen zufolge starben in Vietnam durch das Programm zwischen 20.000 und 40.000 Menschen (Frey, Geschichte des Vietnamkriegs, 2016, S. 174 f., 195; Riegler, Terrorismus, 2009, S. 379 ff.).

[50] Die konzeptuellen Köpfe hinter der dem Phoenix-Programm waren die CIA-Funktionäre Nelson Brickham und Peer de Silva, die beide in unterschiedlichen Kontexten für amerikanische Geheimdienste bereits in den 1940er und 1950er Jahren in Ost- und Mitteluropa im Einsatz waren (S. McCoy, A Question of Torture, 2006, S. 63). Im US-amerikanischen WIN Magazine, einer Publikation aus dem links-studentischen Milieu, erschien im September 1975 ein Artikel über Kontinuitäten zur „Operation OHIO“ der CIA. In dieser Operation ermordeten, von der CIA initiiert, ehemalige (meist ukrainische) Angehörige von osteuropäischen S-Divisionen nach dem Zweiten Weltkrieg Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre in europäischen DP-Lagern (u.a. in Mittenwald) tatsächliche oder vermeintliche Kommunist/innen und Unterstützer/innen der Sowjetunion. Den WIN-Artikel und die Verbindung zwischen OHIO und PHOENIX referieren Cakars/Osborn, Project Ohio and the Ovens of Mittenwald, Berkeley Barb, 14-20 November 1975, S. 5. Zur Operation OHIO s. auch Dorrill, MI6: Inside the Covert World of of Her Majstey’s Secret Intelligence Service, 2002, S. 234 ff.

[51] Bei dem Stroop-Bericht handelt es sich um eine Fotodokumentation, die der SS-Gruppenführer und Generalmajor der Polizei Jürgen Stroop 1944 während der Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto im Frühjahr 1943 in Auftrag gegeben hatte und die er seinem Bericht beifügte (Stroop,„Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr“. Stroop-Bericht. Mit Vorworten aus den Jahren 1960 und 1976 von Andrzej Wirth, Darmstadt 1976). Von den insgesamt 54 Bildern hat insbesondere eines ikonographische Qualität gewonnen: die Aufnahme eines kleinen Jungen, der mit erhobenen Händen am Rande der Festnahme von Männern und Frauen steht. Dieses Foto war neben weiteren Aufnahmen durch neuere Publikationen seit 1960 der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Der Stroop-Bericht wurde auch bereits beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess als Beweismittel verwendet (Raskin, A Child at Gunpoint, 2004).

[52] Nach § 241 Abs. 2 StPO kann der/die Vorsitzende ungeeignete und nicht zur Sache gehörende Fragen an Zeug/innen und Sachverständige zurückweisen. Beides sind Fälle der Unzulässigkeit (Gaede, in Knauer/Kudlich/Schneider [Hrsg.], Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2016, § 241 Rn. 7).

[53] Die United States Army Europe and Seventh Army (engl. Abkürzung USAREUR) bildet das Regionalkommando der US-amerikanischen Armee in Europa. Ihr heutiger Sitz ist Wiesbaden.


[a] Handschriftlich durchgestrichen: Schnabel

[b] Maschinell ersetzt: anwesend durch nunmehr auch anwesend

[c] Handschriftlich durchgestrichen: gestellten

[d] Maschinell eingefügt: (auf der Verteidigerbank links vom Richtertisch aus gesehen)

[e] Handschriftlich ersetzt: nach durch zu

[f] Maschinell eingefügt: (zu der Dolmetscherin)

[g] Maschinell eingefügt: sich

[h] Handschriftlich eingefügt: Auch

[i] Handschriftlich durchgestrichen: Ihre

[j] Handschriftlich ersetzt: Referendargenehmigung durch Referendar genehmigt

[k] Handschriftlich eingefügt: die

[l] Handschriftlich durchgestrichen: Sitzungsordnung

[m] Handschriftlich ersetzt: ZPO durch GVG

[n] Maschinell ersetzt: anwesend durch nunmehr auch anwesend

[o] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[p] Handschriftlich eingefügt: ein

[q] Maschinell ersetzt: um durch wieder um

[r] Handschriftlich ergänzt: 245

[s] Handschriftlich ersetzt: lege durch hebe

[t] Maschinell eingefügt: ganz

[u] Handschriftlich ersetzt: Text unleserlich durch 2

[v] Handschriftlich eingefügt: Text unleserlich durch 1

[w] Maschinell durchgestrichen: er

[x] Maschinell durchgestrichen: Hinweis

[y] Maschinell eingefügt: der

[z] Maschinell ersetzt: darüber ein durch unser

[aa] Handschriftlich eingefügt: Kelly

[bb] Maschinell ersetzt: wird durch ist

[cc] Maschinell durchgestrichen: wir

[dd] Maschinell eingefügt: systematische

[ee] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[ff] Maschinell ersetzt: erscheinen durch erscheinen wieder

[gg] Handschriftlich durchgestrichen: (RA Schily spricht unverständlich weiter).

[hh] Maschinell eingefügt: Herr Vorsitzender, daß der Herr ...

[ii] Handschriftlich durchgestrichen: wie

[jj] Maschinell ersetzt: anwesend durch mehr anwesend

[kk] Maschinell eingefügt: wieder

[ll] Maschinell eingefügt: Gründe:

[mm] Maschinell durchgestrichen: angegeben

[nn] Handschriftlich ersetzt: Beweisthema durch Beweisthemen

[oo] Maschinell eingefügt: RA Ob.: Ja.

[pp] Handschriftlich eingefügt: V.: